JURAcon Jahrbuch 2012/13: Leseprobe 2

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A N DR E A S C A H N ( H R S G.)

JAHRBUCH DA S K AR R I E R E H A N D B U C H F Ü R J U R I S T E N

2012 /2013 Leseprobe 2 "Frauen in Großkanzleien: Die oberen 10 Prozent"


Karrierethemen

Frauen in Großkanzleien: Die oberen 10 Prozent von Katrin Mingels

Frauen haben sich in der deutGroßkanzleien können es sich eigentlich nicht mehr schen Justiz ihren Platz erobert. leisten, das Potenzial von Juristinnen zu verschenken. Doch Sie ermitteln als Staatsanwäldie Arbeitsstrukturen machen es Frauen nicht leicht, bis nach tinnen bei schweren Verbreganz oben zu kommen. chen oder verteidigen Wirtschaftsbosse. Auch die deutschen Großkanzleien können auf den weiblichen des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber hat einen Nachwuchs nicht verzichten. So sind etwa bei Tay- Grund: Karriere in Teilzeit ist hier genauso möglich lor Wessing rund 50 Prozent der Anwälte weiblich. wie Flexibilität bei der Terminplanung. Das war nicht immer so. Vor drei Jahrzehnten etwa betrug der Anteil weiblicher Anwälte in Deutschland gerade einmal 6 Prozent. Doch das hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Seit Ende der 1990er Jahre studieren mehr Frauen als Männer Jura. Mittlerweile ist jeder dritte Anwalt eine Frau. Vor allem im öffentlichen Dienst sind heute Juristinnen zu finden. Laut einer im Jahr 2007 veröffentlichten Studie des Soldan Instituts für Anwaltsmanagement schauen junge Anwältinnen bei der Jobwahl eher auf Kriterien wie Jobsicherheit, örtliche Nähe, strukturierte Arbeitsformen und Familienverträglichkeit. Ihren männlichen Kollegen dagegen sind Einkommen, Prestige und Karrierechancen wichtiger. Die unterschiedliche Einstellung spiegelt sich auch in den langfristigen Karrierezielen wider: Während jeder zweite Anwalt die Partnerschaft anstrebt, ist es bei den Frauen nur jede Fünfte. Attraktive Alternative

Der öffentliche Dienst ist für viele Frauen eine attraktive Alternative. Hier haben es schon einige Juristinnen an die Spitze geschafft: Bis Ende 2011 war Monika Harms Generalbundesanwältin – Deutschlands erste Chefanklägerin. Vier Richterinnen sitzen im Ersten und Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Insgesamt sind mittlerweile ein Drittel aller Richter weiblich. In manchen Bezirken, etwa in Düsseldorf, ist sogar fast die Hälfte aller Richter weiblich. Die Attraktivität

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Und auch in den Rechtsabteilungen der Unternehmen wächst der Frauenanteil. In Konzernen wie Lufthansa, Bosch oder Siemens liegt er bei 40 Prozent – Tendenz steigend. Schwache Quote In den oberen Etagen der Top-Wirtschaftskanzleien zeigt sich ein anderes Bild: Der Frauenanteil unter den Partnern ist dem in den Führungsetagen deutscher Konzerne ähnlich. Er liegt bei rund 10 Prozent. Bei den Top-100-Arbeitgebern für Juristen, die das Trendence Institut in Berlin jährlich ermittelt, sind in den ersten fünf Top-Kanzleien nur wenige Partnerinnen zu finden. Freshfields kommt auf 9 Prozent Partnerinnen, bei Hengeler Mueller sind 3 von 91 Partnern weiblich – das ergibt 3 Prozent. Gleiss Lutz hat einen Frauenanteil von 6 Prozent. 13 Prozent Frauenanteil kann CMS Hasche Sigle vorweisen. Die Liste lässt sich mit Hogan Lovells und Taylor Wessing fortführen, die bei gut 10 und 12 Prozent Frauenanteil bei den Partnern liegen.

Bei Clifford Chance sind 16 Prozent der Partner weiblich. Im Vergleich zu anderen Sozietäten steht die Kanzlei recht ordentlich da. Und sie hat ein ambitioniertes Ziel: Die Kanzlei will den Frauenanteil in der Partnerschaft auf 30 Prozent heben – also fast verdoppeln. Frühzeitige Frauenförderung Anders als auf der höchsten Karrierestufe – der Partnerschaft – sind Anwältinnen zu Beginn ihrer Karriere nicht

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Frauen in Großkanzleien

unterrepräsentiert. Unter den Associates sind viele junge Juristinnen. So ist der Frauenanteil von Clifford Chance von rund 48 Prozent auf AssociatesLevel relativ hoch. Die Kanzlei liegt damit, ebenso wie T­ aylor Wessing, über dem Durchschnitt anderer Kanzleien am Markt.

ren Karriere nicht gefördert werden. Die Schwierigkeit der Kanzleien besteht darin, die Anwältinnen langfristig an sich zu binden und den Frauen Aufstiegschancen zu bieten. Das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist noch nicht ausreichend gelöst.

Top-Anwältinnen sind gewünscht, und die Kanzleien tun einiges dafür, sie zu bekommen. So gibt es Programme und Workshops speziell für Frauen, monatliche Ladies Lunches und Teilzeitmodelle für junge Anwältinnen. Die Kanzlei Baker & McKenzie etwa hat gemeinsam mit einigen deutschen Universitäten das Programm „Women’s Law Forum“ ins Leben gerufen, das sich an Nachwuchsjuristinnen richtet. Es soll ihnen eine Austauschplattform und Impulse für ihre Karriere bieten.

Mittlerweile ist Teilzeit in vielen Top-Kanzleien grundsätzlich möglich. Doch es entscheidet vor allem das Fachgebiet, wie flexibel die Anwälte sind. Zwar lässt sich in Rechtsgebieten wie etwa Arbeitsrecht, Kartellrecht oder dem gewerblichen Rechtsschutz eine Teilzeittätigkeit besser organisieren. Aber im Bereich Mergers & Acquisitions, besonders wenn es um internationale Transaktionsgeschäfte geht, gibt es keine geregelten Arbeitszeiten. In heißen Transaktionsphasen gilt die Prämisse: absolute Verfügbarkeit. Arbeitsspitzen mit Nacht- und Wochenendarbeiten gehören dazu.

Norton Rose hat ein kanzleiweites Programm ins Leben gerufen, um besonders talentierte Juristinnen auf die Partnerschaft vorzubereiten. Bei einer Dauer von sechs Monaten stehen Themen wie die Beziehung und Interaktion von Männern und Frauen im Berufsalltag, Durchsetzungsfähigkeit, Kommunikationsgeschick, Teilhaberschaft, Finanzen und Geschäftsentwicklungen auf dem Plan. Coachings und Workshops begleiten die Themenmodule. Zwar gibt es bei der Kanzlei bisher nur sechs weibliche Partner, aber die Frauenförderung in Deutschland könnte von diesem internationalen Programm profitieren. Eine Norton-Rose-Anwältin macht es vor: Cornelia Marquardt ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Norton Rose. Seit sie Mutter ist, nutzt sie das Modell vollzeitnaher Teilzeit mit Vertrauensarbeitszeit und Home Office. Dass weniger Arbeit nicht weniger Ehrgeiz bedeutet, beweist die Juristin: Sie ist Leiterin des Arbeitsrechtsteams. Verschenktes Potenzial Associates werden gut ausgebildet, betreut und in den Anfangsjahren unterstützt. Doch es ist verschenktes Potenzial, wenn Frauen gut ausgebildet, aber in ihrer weite-

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Um guten Anwältinnen den Weg in die Partnerschaft zu ermöglichen und Juristinnen auf Dauer an sich zu binden, hat Gleiss Lutz schon vor mehreren Jahren als eine der ersten Kanzleien die Teilzeit-Partnerschaften für Frauen ermöglicht. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen zeichnen sich inzwischen ab. Immer mehr junge Anwältinnen bleiben auch nach der Familiengründung in der Kanzlei. Bis dahin hatte die Kanzlei – wie viele andere auch – das Problem, dass viele Frauen, die bis dahin eine vielversprechende Karriere gemacht hatten, sich dann doch für den öffentlichen Dienst entschieden. Familienfreundliches Umfeld Vermehrt bieten die Top-Wirtschaftskanzleien Unterstützung bei der Kinderbetreuung an. Sie reicht von Kooperationen mit Familien-Dienstleistern über die kanzleieigene Vermittlung von Betreuungsmöglichkeiten für Kinder bis hin zu eigenen Kita-Plätzen. Die Sozietät Clifford Chance hat in Frankfurt eine eigene Kindertagesstätte, die von Montag bis Freitag von morgens 8.00 bis abends 20.00 Uhr geöffnet ist.

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Frauen in Großkanzleien

Die Wirtschaftskanzlei Noerr hat ein eigenes Programm zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickelt. Bestimmte Angebote sollen es den Mitarbeitern erleichtern, Familie und Beruf in einer internationalen Wirtschaftskanzlei unter einen Hut zu bringen. Dazu gehört etwa die Vermittlung von Hausaufgabenbetreuung, Kinderfrauen, Babysittern oder Plätzen in Kindertagesstätten. Vorbild Ausland In anderen Ländern sind die Kanzleien genau wie die Unternehmen schon weiter bei der Frauenquote in Führungspositionen. Skandinavien und die USA sind ganz vorne mit dabei. Hier hat die Frauenquote geholfen. Beispiel Norwegen: Innerhalb weniger Jahre waren in 500 börsennotierten Unternehmen 40 Prozent aller Aufsichtsratsplätze von Frauen besetzt. Davon sind

die Unternehmen und Kanzleien in Deutschland noch meilenweit entfernt. Immerhin: Teilzeit-Partnerschaft, Arbeitszeitreduzierungen und verschiedene Home-Office-Lösungen rücken vermehrt ins Blickfeld der großen Wirtschaftskanzleien in Deutschland. Sie sind noch nicht die Regel, aber längst keine Ausnahme mehr.

Katrin Mingels Staufenbiel Institut · Köln

Fraue nante i l Frauenanteil bei den Partnern

16 %

clifford chance

13 %

cMs hasche sigle freshfields Gleiss lutz hengeler Mueller hogan lovells taylor wessing

Frauenanteil bei den Associates

9% 6% 3%

48 % 36 % 30 % 44 % 37 %

10 % 12 %

37 % 50 %

Abbildung 1: Anteil der weiblichen Mitarbeiter in deutschen Großkanzleien. Quelle: Eigene Recherche Staufenbiel Institut / Angaben der Kanzleien

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