A N DR E A S C A H N ( H R S G.)
JAHRBUCH DA S K AR R I E R E H A N D B U C H F Ü R J U R I S T E N
2012 /2013 Leseprobe 4: „Es gibt so viele Erfolgsmodelle wie Anwaltstypen“
Nachgefragt
„Es gibt so viele Erfolgsmodelle wie Anwaltstypen“ JURAcon: Herr Prof. Dr. FedNachgefragt: das JURAcon-Interview mit Wirtschaftsjurist dersen, Sie gehören zu den und Kanzleigründer Prof. Dr. Dieter Feddersen (76) Anwaltspionieren, die sich gleich 1990, nachdem das möglich war, zu einer überörtlichen JURAcon: Würden Sie im Rückblick Dinge anders Sozietät zusammenschlossen. Zehn Jahre spämachen? ter ging die Kanzlei mit dem längsten Namen Das eine oder andere ist – natürlich – nicht ganz der Geschichte – Feddersen Laule Scherzberg glücklich gelaufen. Nicht jeder Kollege, den wir Ohle Hansen Ewerwahn Finkelnburg & Clemm reingeholt haben, hat gepasst. Aber letztlich sage – in White & Case auf. Wie beurteilen Sie diese ich: Im Ergebnis hat’s gestimmt. Eine Firma wie Entwicklung heute? White & Case – 2011 Kanzlei des Jahres bei JUVE – Das war eine Konsequenz der Marktsituation. Ich ist ja eine weltbekannte Firma. Die Tatsache, dass habe gesehen, dass sich die Arbeit internationali- sie mit uns zusammengegangen sind, hat uns recht siert und Kräfte von außen kommen werden. Des- gegeben. Es war ein fundamental neues Leben. wegen haben wir in Deutschland zunächst ver- Ich habe das zwei Jahre mitverfolgt und bin dann sucht, Stärke zu begründen, und dann kamen noch aus Altersgründen ausgeschieden, lebe aber heute Entwicklungen hinzu, die sich aus der Wiederverei- noch mit meinen Kollegen auf sehr freundschaftlinigung ergaben. Wir haben als erste Kanzlei – und chem Fuße. Das ist alles hervorragend gelaufen! das habe ich stark vorangetrieben – ein Büro in Dresden gegründet und waren damit die erste bun- JURAcon: Sie gehören einer älteren Anwaltsdesdeutsche Kanzlei, die von der DDR die Erlaub- generation an. Wenn Sie die Internationalinis bekam, ein Anwaltsbüro zu eröffnen. Wir hat- sierungsbewegung im deutschen Rechtsmarkt ten einen einzelnen Raum mit einem einzigen Tele- betrachten, tut Ihnen das weh? Fast alle alten fonanschluss. Das war sehr aufregend. Anschlie- bekannten Kanzleinamen aus Ihrer Zeit sind ßend sind wir mit dem Dresdner Projekt nach Berlin verschwunden. gegangen, weil wir absehen konnten, dass Dresden Für eine bestimmte Gruppe von Kanzleien war nicht reicht. Im Jahr 2000 kam dann die Fusion mit diese Entwicklung unausweichlich. Aber inzwiWhite & Case. schen hat sich gezeigt, dass Anwälte und Anwaltskanzleien sehr gut ohne die Internationalität ausJURAcon: Haben Sie diese Schritte geplant kommen. Schauen Sie sich heute die Feddersen & oder diese Entwicklung vorausgesehen? Heuer-Konstellation an. Natürlich hat der KanzleiDiese Entwicklung lag offen zutage. Wir waren Senior Heuer erhebliche internationale Beziehunja nicht die Einzigen. Fast alle größeren Kanzleien gen, ist davon aber nicht abhängig. Wichtig ist es, haben die gleiche Entwicklung genommen, jede in einer Kanzlei zu arbeiten, deren Schwerpunkte auf ihre Art. Wir waren zu dieser Zeit gegenüber vom Markt gesucht werden. Und von solchen eher unseren Mitbewerbern eine relativ junge Firma, nationalen Kanzleien gibt es inzwischen viele, und deswegen mussten wir uns besonders anstrengen, zwar sehr gute. Da hat sich ein eigener Markt entin diese Größenordnung zu kommen. Aber wir wickelt. Es gibt viele kleinere und mittlere Büros wollten vorne mitspielen. in den Großstädten, die sehr erfolgreich sind. Das finde ich gut. Die jungen Anwälte können heute wieder wählen: große internationale Kanzlei oder kleine heimische Kanzlei.
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Das JURAcon-Interview
JURAcon: Wie fing Ihr Berufsleben an? Die Entscheidung, Anwalt zu werden, stand früh fest. Ich habe mein Examen in Hamburg gemacht als schleswig-holsteinischer Jurist und ein paar Monate in meiner Heimatstadt Kiel gearbeitet. Dann bin ich nach Braunschweig gewechselt und war dort sieben Jahre in einer Sozietät mit Namen Meyerhoff Wilke Thierack & Feddersen tätig. Dort bin ich 1971 ausgeschieden, um ins Rhein-MainGebiet zu wechseln. Ich war zunächst dreieinhalb Jahre bei Gaedertz Henn Feddersen in Wiesbaden tätig, was mir auf lange Sicht aber nicht gefallen hat. Deshalb entschied ich 1974, mich alleine selbstständig zu machen.
JURAcon: Welche Eigenschaften muss ein erfolgreicher Anwalt aus Ihrer Sicht besitzen? Es gibt so viele Erfolgsmodelle wie Anwaltstypen. Ich glaube nicht, dass es einen besonderen Charakter gibt, der den Anwalt kennzeichnet. Natürlich muss ein Anwalt offen sein, er muss arbeitsfähig sein, ein gewisses Charisma haben – gleich welcher Art. Das kann ein Haudegen sein. Das kann ein eleganter, gesellschaftlich operierender Anwalt sein. Jeder hat so seine eigene Art, einer bestimmten Klientel zu gefallen.
JURAcon: Was war für Sie der Schlüssel zum Erfolg? Es gehört auf jeden Fall Glück dazu, weil Sie irgendwann einmal in eine Etage kommen, wo es sich JURAcon: Worin besteht für Sie der Reiz am Anwaltsberuf und am Status des Freiberuflers? richtig lohnt zu arbeiten. Das können Sie nur Schritt Obwohl sich das Bild der freien Berufe auch bei für Schritt aufbauen. Sie können es auch erreichen, den Ärzten massiv verändert hat, gibt es den freien indem Sie in klassische Großkanzleien eintreten, Anwalt noch, ebenso wie die als Partnerschaften wenn Sie gute Examen, gute Verbindungen haben. Dann brauchen Sie eigentlich nur das zu verfolgen, was Ihre Vorgänger erfolgreich gestalten. Oder besser noch: Sie erfinden etwas „Wir haben als erste Kanzlei ein Büro in dazu.
Dresden gegründet und waren damit die erste bundesdeutsche Kanzlei, die von der DDR die Erlaubnis bekam, ein Anwaltsbüro zu eröffnen.“
organisierten Sozietäten. Die werden ja nicht von Dritten kontrolliert. Das ist die schönste Form, mit der Juristerei umzugehen. Sie müssen dafür sorgen, dass Sie selbst sich ernähren, das heißt, Sie müssen arbeiten und Erfolg haben. Wenn Sie das einigermaßen hinkriegen – und das geht nicht von selbst, sondern muss jeden Morgen wieder erarbeitet werden –, dann ist das eine schöne Sache.
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JURAcon: Gab es für Sie ein Schlüsselmandat, mit dem der geschäftliche Durchbruch kam? Da kommen meist enorme Zufälle zusammen. Zum Beispiel gab es einen Fall in Frankfurt, bei dem wir intensiv tätig geworden sind, der dazu beitrug, dass wir in die Oberliga kamen. Eine Bank ging pleite und alle klassischen, guten Anwaltsfirmen waren im Konflikt, weil sie mit der Bank geschäftlich verbunden waren. Es musste also eine völlig neue Firma ran – und das waren wir! Es gehört schon eine Mischung aus eigenen Anstrengungen, gelingendem Networking und unerwarteten Zufällen dazu.
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Nachgefragt
JURAcon: Was hat sich im alltäglichen Geschäft gegenüber früher geändert? Ach, es gibt so viele Neuerungen und neue Vorschriften, angefangen bei den verschärften Berufsregeln für Notare bis zur Rolle, die heute die IT spielt, und den Veränderungen, die sich daraus ergeben haben. E-Mails gab es vor 20 Jahren gar nicht. Das hat die Welt total verändert, sie ist schon sehr anders. JURAcon: Wie gestaltete sich das anwaltliche Arbeiten, bevor die neuen Medien kamen? Heute haben Schnelligkeit und die technische Handhabung der Vorgänge Priorität. Die Größenordnungen haben sich auch radikal verändert, angefangen bei der Größe der Kanzleien über die Umfänge großer Gerichtsverfahren bis zu den Mega-Transaktionen, ganz zu schweigen vom Trend zu fast maschi-
Semester. Dann stellte ich fest, dass ich mit den Kommilitonen nichts anfangen konnte. Da ich zu der Zeit sehr intensiv Musik gemacht und gejazzt habe, ging das einfach nicht. Ich habe mir überlegt – ich weiß noch genau, wo und wann das war: in der Hamburger S-Bahn zwischen Bahnhof Berliner Tor und Hammerbrook –, das ist alles Quatsch, du studierst jetzt Jura. Das ergab sich zum einen daraus, dass viele Schulkameraden Jura studierten, und zum anderen konnte man ohne Mühe auch nach dem ersten Semester noch einsteigen. JURAcon: War die Entscheidung richtig? Die war goldrichtig!
JURAcon: Was würden Sie heutigen Studenten empfehlen? Offen sein, erst mal alles einschlucken, was man intellektuell schlucken kann, und versuchen, seine „Wichtig ist es, in einer Kanzlei zu eigenen Fähigkeiten und Interessen arbeiten, deren Schwerpunkte vom Markt einzuschätzen. Wichtig ist auch, zu gesucht werden. Und von solchen verstehen, wie der Markt aussieht eher nationalen Kanzleien gibt es inzwischen und funktioniert. Ich glaube, man viele, und zwar sehr gute. Da hat sich ein muss heute sehr viel wirtschaftlicher eigener Markt entwickelt. Die jungen und sehr viel konkreter orientiert Anwälte können heute wieder wählen: sein als früher.
große internationale oder kleine heimische Kanzlei.“
nell abgewickelten Großverfahren oder dem Outsourcing von rechtlichen Dienstleistungen. JURAcon: Wenn wir schon zurückblicken: Wie kamen Sie zum Fach Jura? Ich hatte einen außergewöhnlich guten Klassenlehrer, der Deutsch, Geschichte und Religion unterrichtete. Weil ich von ihm begeistert war, habe ich nach dem Abitur begonnen, Germanistik, Theologie und Geschichte zu studieren – genau ein
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JURAcon: Haben Sie alles erreicht, was Sie erreichen w ollten? Ich glaube, man muss dem Leben mit Demut gegenübertreten. Die Umwelt und das Leben selbst haben mir sehr geholfen. Ich habe auch die ein oder andere kritische Situation gehabt, die ich aber überwinden konnte und die nicht geschadet hat. Aber es war nicht immer nur Zuckerschlecken. JURAcon: Gab es Fehlentscheidungen in Ihrem Leben? Fehlentscheidungen gab es sicherlich in dem Sinne, dass ich Ämter angenommen habe, die ich besser
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Das JURAcon-Interview
nicht angenommen hätte. Doch ja, Fehlentscheidungen gab es schon. JURAcon: Was waren beruflich leitende Maximen für Sie, auch im Umgang mit Mit arbeitern? Ich glaube, dass ich eine Fähigkeit habe, mit Menschen umzugehen. Ich habe immer eine positive Haltung zu Menschen gehabt und sie entsprechend behandelt. Das hat mir sehr geholfen. Es wurde jetzt gerade ein alter Weggefährte bei White & Case 70 Jahre alt, den ich als ersten Anwalt damals in meine Kanzlei geholt hatte. Er und ich haben neulich noch
JURAcon: Früher haben Sie in Ihrer Freizeit gejazzt, sagten Sie. Ist das heute noch so? Nicht jeden Sonnabend, aber ab und zu mal. Ich habe auch CDs mit Schlager- und Swingmusik der 30er und 40er Jahre komponiert. Eine Geschichte der deutschen Unterhaltungs-Musik. Die eine heißt „Bei mir bist du scheen“ und beschäftigt sich mit dem jüdischen Beitrag zur U-Musik dieser Zeit. Die andere trägt den Titel „Sag beim Abschied leise Servus“ und bezieht sich auf das Verhältnis Berlin– Wien in der Unterhaltungsmusik und die Einflüsse, die sich bis 1918 aus der k. u. k. Kultur ergaben. Damit sind wir unter anderem in Frankfurt in der Alten Oper und in New York im Deutschen Generalkonsulat aufgetreten.
„Wichtig ist, zu verstehen, wie der Markt aussieht und funktioniert. Ich glaube, man muss heute sehr viel wirtschaftlicher und sehr viel konkreter orientiert sein als früher.“
mal darüber geredet, dass wir p raktisch 40 Jahre ohne jede Auseinandersetzung und immer mit großer Freude, mit Spaß und Vertrauen zusammengearbeitet haben. Auch nachdem ich ausgeschieden war. Wir haben heute noch Kontakt, und so geht das mit vielen. Mit meiner Bürovorsteherin habe ich 30 Jahre zusammengearbeitet. JURAcon: Heute ist das Thema Mitarbeiterführung und -fürsorge in aller Munde. Man legt Wert auf Work-Life-Balance und ein angenehmes Arbeitsklima. Wie war das zu Ihrer Zeit? In den beiden Sozietäten, wo ich Juniorpartner war, habe ich rund um die Uhr gearbeitet und geschuftet. Da gab es keine irgendwie gearteten HumanResources-Überlegungen.
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JURAcon: Ist es wichtig, einen solchen Ausgleich zum Beruf zu haben? Ja, unbedingt. Das ist wichtig, weil man auf diese Weise nicht einseitig wird, sondern ganz was anderes macht und auch mit ganz anderen Menschen zu tun hat.
JURAcon: Wie lange wollen Sie noch aktiv sein? Solange es geht? Nein, nicht solange es geht, in zwei bis drei Jahren will ich aufhören. Dann widme ich mich dem Lesen und der Musik, dann reicht es mit dem Beruf.
Das Interview führte: Falk Schornstheimer Coach und Berater · Frankfurt am Main
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