A N DR E A S C A H N ( H R S G.)
JAHRBUCH DA S K AR R I E R E H A N D B U C H F Ü R J U R I S T E N
2012 /2013 Leseprobe 6: "Anwalt für einen Tag"
Karrierethemen
Anwalt für einen Tag von Anna Katharina Bernzen
„Nun bin ich wirklich sicher, Bei der European Law Students’ Association (ELSA) treten dass ich das richtige Fach Jurastudenten vor Gericht und im Konferenzzimmer gegengewählt habe.“ Es war nicht einander an. Beim deutschlandweiten Moot Court müssen die Schwerpunktklausur, nicht die Studenten sich mit ihren Argumenten vor Gericht durchdie mit einer hohen Punktzahl setzen und in der Contract Competition geschickt mit ihrem bestandene Hausarbeit und Vertragspartner verhandeln. auch kein spannender Praktikumstag, der Jan Hendrik Schmidt zu dieser Aussage bewog. Der Jurastudent vor. Dafür verfassen sie überdies eine Klageschrift aus Kiel hatte gerade zusammen mit Christian Hopf – oder Klageerwiderung, je nach zugeteilter Rolle vor Richtern des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe der Gruppe. Ihre Positionen müssen die Studenten erfolgreich seinen ersten vor dem Gericht auf Zeit, bestehend aus mindesFall verhandelt – und das tens drei Volljuristen, verteidigen. Wer die Verhandnoch vor Staatsexamen lung gewinnt, hat gute Chancen auf den Sieg beim und Referendariat. Mög- lokalen Wettbewerb. Doch auch souveränes Auftrelich machte ihm dies der ten, prozessuale Reaktionen und Teamgeist bringen deutschlandweite Moot Pluspunkte. Die Sieger der Lokalentscheide treten Court der European Law Students’ Association im darauf folgenden Jahr in den Regionalentschei(ELSA), der sogenannte ELSA Deutschland Moot den Nord und Süd gegeneinander an. Die GewinCourt (EDMC). Seit 1994 haben Studenten rechts- ner dieser Wettbewerbe dürfen ihre Argumente im wissenschaftlicher Studiengänge hierbei die Gele- Sommer in Karlsruhe vor dem BGH vortragen. genheit, vor einem Fachpublikum ihre theoretisch erworbenen Kenntnisse in die Praxis umzusetzen. Zusätzlich zum architektonisch beeindruckenden Verhandlungssaal und dem Urteil renommierter Von der Uni zum Bundesgerichtshof Richter machen die Studenten auch fachlich viele Wer wie Schmidt und Hopf am Bundesgerichtshof wichtige Erfahrungen: „Der EDMC bietet Studenten (BGH) auftreten darf, hat zuvor bereits gut ein hal- die Möglichkeit, bereits im Studium erworbene thebes Jahr Arbeit investiert und zwei Wettbewerbs- oretische Kenntnisse spielerisch in einem Wettstreit stufen erfolgreich durchlaufen: Im September jedes umzusetzen, ohne das Wohl und Wehe eines ManJahres finden an den juristischen Fakultäten der danten zu riskieren. Durch diese intensive AuseinanUniversitäten von Kiel bis Konstanz die Lokalent- dersetzung mit Ansprüchen und deren Durchsetzung scheide statt. ELSA-Deutschland e. V. gibt den dor- kann schon früh wichtige Praxiserfahrung gewontigen Studenten zentral einen Fall aus dem Bereich nen werden. Die rhetorischen Fähigkeiten werden des Zivilrechts vor, den diese in Zweierteams vorbe- geschult und in taktisch kluges Verhalten im Rahreiten. Im letzten Jahr spielte etwa das Eigentümer- men der gerichtlichen Wahrheitspflicht umgesetzt. Besitzer-Verhältnis hierbei eine zentrale Rolle. Diese Soft Skills helfen später in der mündlichen Prüfung und dabei, das Zusammenspiel zwischen mateFür die Teilnehmer ab dem zweiten Semester ist riellem und formellem Recht besser zu verstehen“, dieser Fall innerhalb von rund fünf Wochen zu sagt ELSA-Deutschland-Präsident Felix Grasser. lösen. Das heißt: Die Teams prüfen den Fall zuerst im gewohnten Gutachtenstil, bereiten dann jedoch Doch nicht nur Jurastudenten, deren Studienziel auch die dazugehörige mündliche Verhandlung das klassische juristische Staatsexamen ist, können
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JURAcon-Jahrbuch 2012/ 2013 · IQB Career Services AG
Anwalt für einen Tag
„Angesichts vieler neuer interdisziplinärer und juristischer Bachelorstudiengänge will ELSA all seinen Mitgliedern, auch denen, die keine Anwaltstätigkeit anstreben, die Möglichkeit geben, ihr späteres Berufsfeld früh zu erproben. Doch auch für Staatsexamens-Juristen ist Verhandlungsgeschick unabdingbar, denn Rechtsberatung besteht eben nicht nur aus der Anspruchsdurchsetzung, sondern auch der Beratung und Vertretung im Vorfeld“, so Präsident Felix Grasser.
Durch die intensive Auseinandersetzung mit Ansprüchen und deren Durchsetzung kann schon früh wichtige Praxiserfahrung gewonnen werden. Die rhetorischen Fähigkeiten werden geschult und in taktisch kluges Verhalten im Rahmen der gerichtlichen Wahrheitspflicht umgesetzt. von der Teilnahme an den Wettbewerben profitieren. „Wirtschaftsrecht“-Student Sven Wehlmann aus Recklinghausen, der es im vergangenen EDMC bis in die Regionalrunde schaffte, sagte: „Ohne den Moot Court hätte ich vermutlich nie die Erfahrung gemacht, in einem Gericht zu verhandeln.“ Nicht nur für „klassische“ Juristen geeignet Um Studenten wie Wehlmann und ihren vielfältigen beruflichen Perspektiven Rechnung zu tragen, richtet ELSA nun auch einen deutschlandweiten Wettbewerb zu Vertragsverhandlungen aus, die ELSA Contract Competition (ECC). Wie beim Moot Court müssen sich Jurastudenten auch hierfür in drei Schritten – lokal, regional, bundesweit – qualifizieren. Während die Teilnehmer bei der simulierten Gerichtsverhandlung die Rolle des Prozessanwalts einnehmen, wird hierbei eher der Alltag eines Unternehmensjuristen nachgestellt: Die beteiligten Parteien, ebenso wie beim EDMC bestehend aus zwei Studierenden, verhandeln dabei einen zuvor eigenständig ausgearbeiteten Vertragsentwurf. Dieser kann zum Beispiel aus dem Bereich Mergers and Acquisitions kommen und wird von Praktikern aus dem entsprechenden Rechtsgebiet gestellt. Vier Wochen haben die Studententeams im Vorfeld Zeit, ihren persönlichen Vertragsentwurf zu erstellen. Dabei dürfen sie die Hilfe von Coaches, also erfahrenen Juristen, in Anspruch nehmen. Beim Zusammentreffen mit dem potenziellen Vertragspartner sind sie auf ihr Verhandlungsgeschick angewiesen. Dieses fließt für die Jury aus erfahrenen Juristen ebenso in die Wertung ein wie der Vertragsentwurf.
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Schon zu Beginn des Studiums machbar
Interessierte Studenten, die ihr Wissen abseits von Hörsaal und Bibliothek ausprobieren wollen, können sich alljährlich im Sommer bei ihrer lokalen ELSAFakultätsgruppe nach den Sachverhalten für Moot Court und Contract Competition erkundigen. Dabei lädt ELSA Studenten aller Fachsemester ein, eine Lösung zu wagen: Die Sachverhalte sind so konzipiert, dass sie auch nach wenigen Semestern des Jurastudiums bereits zu bearbeiten sind. Und wie viele Nachwuchsjuristen können im Vorstellungsgespräch für das beliebte Praktikum oder die interessante Referendarsstation schon von sich behaupten, im zweiten Semester bereits vor dem BGH verhandelt zu haben? Weitere Informationen:
www.elsa-germany.org/de/moot-courts www.elsa-germany.org/de/key-areas/aa-academicactivities/contract-competition.elsa
Anna Katharina Bernzen Direktorin für Public Relations ELSA-Deutschland e. V. · Heidelberg
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