Kunst am Markt Chronik einer Kulturmarke des Leipziger Ostens
Kunst am Markt Chronik einer Kulturmarke des Leipziger Ostens Thorsten Hinz Verena Landau
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Foto: Hendrik Pupat
Lieber Leser, liebe Leserin, worin besteht Ihres Erachtens der Kern einer Kulturmarke? Was macht ihren Wert bzw. ihre Bedeutung aus? Ist es internationale Bekanntheit, oder sind es vielmehr Visionen, Ziele und Inhalte, die von engagierten Mitarbeitern und Teilnehmern qualitativ hochwertig umgesetzt werden und somit einem kulturellen Projekt eine Positionierung und Identität stiften, die sich auf alle daran Beteiligte auswirkt? Die vorliegende Publikation möchte Ihnen demonstrieren, dass auch kontinuierliches bürgerliches Engagement und künstlerische Interventionen (im öffentlichen Raum sowie durch die partizipatorische Einbindung des Publikums) eine Wirkungskraft entfalten können. Im Dezember 2008 kam ich zum Neustädter Markt e.V., um als Projektmanager das jährlich stattfindende Kunstfest »Kunst am Markt« im Stadtgebiet Neustadt-Neuschönefeld im Leipziger Osten zu organisieren. Zu diesem Zeitpunkt war alles auf Null. Es sollte kein Volksfest aber auch keine Bühne für kuratorische Experimente werden, die sich ausschließlich an ein kunsterfahrenes Publikum richten. Die Mitglieder des Bürgervereins und Bewohner des Viertels waren die eigentlichen Zielpersonen; deren Wünsche und Vorstellungen galt es aufzunehmen und in ein Gesamtkonzept einzubinden. Von Anfang an war es wichtig, mit ihnen gemeinsam Ideen und Vorhaben zu diskutieren, und
es war klar, dass nur durch eine intensive Vermittlung alle überzeugt werden konnten. Kaum vorhandene finanzielle Ressourcen erforderten die Gewinnung von Partnern mit viel Idealismus, um dieses Ziel zu erreichen. Großer Dank gilt deshalb allen Partnern und Künstlern, die seit 2009 das Kunstfest zu einem solchen machten. Vor allem den Studierenden und Dozenten des Instituts für Kunstpädagogik der Universität Leipzig, deren konzeptuelle, künstlerische und kunstvermittlerische Beiträge dazu beisteuerten, die Potentiale, Visionen und kreative Vielfalt des Pöge-Hauses deutlich zu machen und zu erwecken. Dank gilt außerdem Robert Schimke, unter dessen Leitung anregende Diskussionen zwischen Vertretern verschiedener Fachgebiete aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft sowie interessierten Bewohnern und Neugierigen stattfanden, die hilfreich für die zukünftige Ausrichtung von Kunstfest und Modellprojekt Pöge-Haus als künstlerisches und gesellschaftspolitisches Zentrum für partizipatorische Strategien sind. Dank aller engagierten Menschen wurden Pöge-Haus und Neustädter Markt zu Beispielen für eine neue Form der synergetischen Aneignung urbaner Räume und darüber hinaus zu identifikatorischen Orten für zukünftige Nutzer und Bewohner gleichermaßen. Thorsten Hinz
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Foto: Verena Landau, im Bild: Tobias Rost
vorab Schichten von Putz, abblätternde Mustertapeten, ausgetretene Stufen, der Geruch nach zerborstenen Holzlatten, Einbauten, Durchbrüche, Zwischendecken, Durchreichen, versteckte Wandschränke, Poster, orange und rot lackierte Türrahmen, Türen mit Stickern beklebt, dicht an dicht, türkis getünchte Badezimmer, Furnierholzflächen, selbstgebastelte Lampenschirme, ihrer Funktion beraubt – wer kennt das nicht? Diese Stimmung eines ehemals bewohnten Hauses, das seit über einem Jahrzehnt leer steht. Spuren, die von gelebtem Leben erzählen, von sich überlagernden Nutzungen und Umnutzungen, Umbrüchen, Zeitschichten. Unerklärliches, scheinbar Absurdes, das dazu verführt, Geschichten zu erfinden, etwas hinzufügen zu wollen, um das Bild zu vervollständigen. Ist es überhaupt nötig, etwas hinzuzufügen? Sind die vorgefundenen Situationen nicht der authentischste Ausdruck von Gestaltungswillen? Woher kommt dieses Bedürfnis, etwas gestalten zu wollen, sich Räume anzueignen und subjektive Assoziationen einzuschreiben in die Geschichte eines Hauses, das einen aus allen Winkeln anschaut und zu einem spricht? Diese Beobachtungen und Gedanken rieselten durch mich hindurch, als ich erstmals durch die Etagen des Pöge-
Hauses ging, geführt von Thorsten Hinz, an der Seite meiner Kollegen Andreas Wendt und Tobias Rost. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit meines Studiums Mitte der 90er, wo wir mit einem studentischen Kunstverein namens f-Raum e.V. leerstehende Objekte in Leipzig temporär mit Ausstellungen bespielten. Ein Gefühl unzähliger Möglichkeiten, und doch waren diese ersten Momente beim Eintreten in ein Gebäude meist ausschlaggebend für alles, was danach dort geschah. Diese Möglichkeit sollten unsere Studierenden auch haben, dachte ich. Die Gelegenheit, sich Räume anzueignen, für eine Zeit lang einzutauchen in eine Arbeitsatmosphäre jenseits der Uni; Situationen schaffen, in denen andere Formen des Handelns und des Miteinanders gestaltet und erlebt werden können. Auch wenn wir noch nicht ahnen konnten, ob die Veränderungen, die dadurch im Viertel Neustadt mit vorangetrieben werden, positiv oder negativ sein werden: Die Studierenden sollten selbst diese Erfahrungen machen, solange der »Luxus der Leere« hier noch zu finden ist. So planten wir die erste Ausstellung zum Kunstfest Neustädter Markt. Verena Landau
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Inhaltsverzeichnis »Kunst am Markt« – Chronik einer Kulturmarke des Leipziger Ostens
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Das Pöge-Haus, die Umsetzung einer Vision in Phasen
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2009 Phase 1: Neue Neue
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Kunst am Markt 2009
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Von der nicht stattgefundenen Expedition in den Himalaja
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Zu Gast bei Familie Schulz Planbüro Kichererbse und Tabuleh Unkrautgarten
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Lobpreisung der Entstehung des Klanges durch die Mechanik
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2010 Phase 2: Wenn Kunst auf Wirklichkeit trifft – Sozialgeologie in der Kunst
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Kunst am Markt 2010
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Laufweisen o.T. Ferne Nähe Workshop »Baustelle – Abstraktion im Tun« Café und Forum
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Wurstbande Jens Besser Alexander Schneider
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2011 Phase 3: Situation, Entwicklungsgeschichte
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Kunst am Markt 2011
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schau:fenster Aufbruch und Ausblick Vier Räume: Partizipation Vier Räume: Integration Vier Räume: Initiative Vier Räume: Kommunikation § 303 StGB Workshop »Gedankenverknüpfung«
60 62 64 66 68 70 72 74
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Neustadt – eine neue Stadt Walk the line
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Mal schauen
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Artefakte moderner Archäologie
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Alexander Schneider Christian Tell Konzert von Sixth June mit Film von Laslo Antal Laila Sahrai Aktion »Sozialplakat«
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2012 Phase 4: NEU – STADT – TEIL – SEIN
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Kunst am Markt 2012
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Ruhe bitte! hin/gegen in/zwischen In der Fremde zuhause Die Farben der Neustadt Glashaus
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Neustädter Fundstücke
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Workshop »TraumRaum« Workshop »Streetart«
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IBUg Marek Brandt
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Unbekannte Himmelsrichtung
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2013 Phase 5: Wir bleiben!
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Wir danken allen Beteiligten! Impressum
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Studierende der Hochschule für Grafik und Buchkunst Studierende des Institutes für Kunstpädagogik Externe Künstler
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Fanny Engler, Bachelor außerschulisch, 2009 Titel: »Räume« Seminar: »Installation im Außenraum«, betreut von Tobias Rost
Kunst am Markt Chronik einer Kulturmarke des Leipziger Ostens Ein langer Weg Es beginnt vor mehr als zwanzig Jahren: Einige Bewohner Neustadt-Neuschönefelds beschließen, mehr Verantwortung für sich selbst und für ihre Umgebung zu übernehmen und gründen 1990 einen der ersten Bürgervereine in Leipzig – den Neustädter Markt e.V.. Die Geschichte des Bürgervereins ist exemplarisch für die Entwicklung bürgerschaftlicher Mitgestaltung in den ostdeutschen Bundesländern. Zur Zeit der Gründung ist die gesamte Gesellschaft im Umbruch, unlösbar erscheinende gesellschaftliche Probleme mobilisieren viele Bürger. Henry Hufenreuter, Vorstandsvorsitzender des Bürgervereins Neustädter Markt, erinnert sich: »Es ist die Zeit der runden Tische. Initiativen, Parteien und Vereine gründen sich zu Tausenden. 1989
schon hatte das Fernsehen der DDR eine keineswegs nur rhetorische Frage gestellt: Ist Leipzig noch zu retten? Viele der erschreckenden Bilder dieser Dokumentation entstammten den östlichen Stadtteilen. Besonders prekär ist die Situation rund um den Neustädter Markt. Längst hat der Stadtrat beschlossen, das traditionsreiche Arbeiterviertel mit seiner hundertjährigen, verschlissenen Bausubstanz abzureißen und durch Plattenbauten, wie in Volkmarsdorf, zu ersetzen. Vor allem die komplizierter werdende wirtschaftliche Situation des Landes haben die Abrisspläne verzögert. Kritische Distanz dazu hatte es, wohl auch im zuständigen Wohnbezirksausschuss, schon vor der Wende gegeben.«1 Wie hat sich das Quartier seitdem verändert und was hat der Bürgerverein dazu beigetragen? Der Bürgerverein beginnt 1991 mit der Herausgabe des »Neustädter Markt Journal«, um die Bewohner des Stadtteils zu informieren und zu mobilisieren, an der Entwicklung des Stadtteils teilzuhaben. 1 Hufenreuter, Henry: Gedanken zum 20. Neustädter Markt Journal. In: Neustädter Markt Journal (3/2010), S. 7
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1992 führt er regelmäßig stattfindende Stammtische ein, aus denen sich thematische Arbeitsgruppen bilden, wie beispielsweise die noch heute agierende AG Integration und die AG Kultur, Jugend und Soziales. Flexible Teams aus Vertretern der Stadtteilkultur und der städtischen Verwaltung entwickeln gezielt und bedürfnisorientiert Projekte, um die Attraktivität und Lebensqualität im Stadtteil für die Bewohner zu steigern. Seit 1993 zeichnet sich aufgrund des Zuzugs von oft jungen Existenzgründern, Kreativen und Gewerbetreibenden, teilweise mit Migrationshintergrund, im Quartier eine gesellschaftliche und soziale Veränderung ab, die Henry Hufenreuter wie folgt beschreibt: »Während den Verein erstmals Briefe zu Konflikten mit Ausländern erreichen, eröffnet in der Hedwigstraße das Galerie Hotel Leipziger Hof. Die kulturelle Arbeit im Wohngebiet erfährt durch den Zuzug des KunstStück e.V. in der Neustädter Straße 36 einen Aufwind und der Verein organisiert erstmals ein Stadtteilfest auf dem Neustädter Markt. Die Straßen im
Wohngebiet erhalten zur gleichen Zeit endlich Telefon und Kabelanschlüsse.«2 Doch aufgrund fehlender Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven ist ab 1994 ein massiver Rückgang von Bewohnern sowie Handels- und Gewerbebetrieben zu verzeichnen. Auch die Druckerei Pöge, die das »Neustädter Markt Journal« seit Beginn seines Erscheinens gedruckt hatte, bezieht neue Räume in Mölkau. Die erste Generation der Veränderungswilligen verläßt resigniert das Stadtviertel. Um dem Abwanderungstrend etwas entgegenzusetzen und neuen Bewohnern attraktive Freiräume zu schaffen, beginnen 1995 umfangreiche Umgestaltungen des öffentlichen Raumes, z. B. die Schaffung des Stadtteilparks Rabet, bei dem der Bürgerverein Neustädter Markt mitwirkt. In diesen Jahren der Neuordnung kämpft auch dessen Gründungsgeneration gegen Auflösungserscheinungen. Neue Aktive formieren sich darin um an der Umgestaltung des Stadtteils teilzuhaben, seit dem Jahr 2000 unterstützt sie dabei das Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW). 2 Hufenreuter, Henry: Gedanken zum 20. Neustädter Markt Journal. In: Neustädter Markt Journal (3/2010), S. 9f.
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2001 etabliert sich das Forum Leipziger Osten als Schnittstelle zwischen Stadtverwaltung und lokalen Akteuren. Neben dem bereits etablierten Hotel »Leipziger Hof« gründet sich die »maerzgalerie« in der Rosa-Luxemburg-Straße, später kommt noch die Projektgalerie des Bundes Bildender Künstler Leipzig hinzu. Gemeinsam wird die Idee eines Fischer-Art-Künstler-Hauses im ehemaligen Bankgebäude Eisenbahnstraße / Hedwigstraße geboren und im Rahmen eines Straßen-Kunstfestes vorgestellt. Ab 2002 findet nun jährlich an einem Wochenende ein Kunstfest statt, für das zunächst die Händlervereinigung IG Loc(k)-Meile die Leitung übernommen hat. Der Bürgerverein Neustädter Markt erkennt die Bedeutung der Veranstaltung und tritt in Mitverantwortung, bis er sie schließlich aufgrund fehlender Ressourcen bei der IG allein übernimmt. Der Vereinsvorsitzende Hufenreuter erinnert sich gern an das damit verbundene erfolgreiche Ringen um ein besseres Image des Leipziger Ostens: »Auf Initiative des Vereins verbindet das Fotos um 1992 von Pöge Druck oben: Lieferung einer neuen Heidelberger Druckmaschine unten: Reprokamera
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zweite Kunstfest die Hedwigstraße mit dem Neustädter Markt. Leerstehende Gebäude werden als Ausstellungs- und Aktionsflächen entdeckt. Während des Festes entstandene Kunstwerke finden Platz im öffentlichen Raum. Lene Voigt, sächsische Mundartdichterin und zeitweise auch Neustädterin, wird Namensgeberin einer Reihe unterschiedlicher Kulturveranstaltungen. Ihr Wohnhaus wird mit einer Hinweistafel versehen. Weitere Hinweistafeln an anderen historisch oder kulturell bedeutsamen Gebäuden folgen dank der Unterstützung eines Förderers, der auf Anonymität besteht. Für die Rekonstruktion des historischen Gasleuchters beginnen die Spendenaktionen. Die Wilhelm-Wander-Schule feiert 125 Jahre Schule in Neustadt und im Rahmen des Festumzuges kehrt der Lutherplatz ins Stadtteilbild zurück.«3 2004 beginnt nach langer Planung die Umgestaltung der Eisenbahnstraße, die Heilig-Kreuz-Kirche wird 110 Jahre alt. 2005 entsteht auf einer Großbrache in der Meißnerstraße der erste Bürgergarten. Das Kunstfest wird erstmals 3 Hufenreuter, Henry: Gedanken zum 20. Neustädter Markt Journal. In: Neustädter Markt Journal (3/2010), S. 15.
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um eine Woche mit Ausstellungen von Künstlern aus dem Leipziger Osten erweitert und läuft seitdem unter der eigenständigen Marke »Kunst am Markt«, womit der Neustädter Markt als geografischer Angelpunkt hervorgehoben wird. 2006 kommt der Kunstgarten in der Ludwigstraße hinzu. 2007 beginnt die Gemeinde der Heilig-Kreuz-Kirche mit Ihren Bemühungen, die historische Eule-Orgel zu erneuern, und der restaurierte Gaskandelaber kehrt an seinen angestammten Platz zurück. 2008 rückt das Pöge-Haus, mit der Ausstellung »Animals«, kuratiert von Sandra Kühn, erstmals als Ausstellungs- und Veranstaltungsort ins Zentrum des Kunstfestes »Kunst am Markt« und hat sich seit 2009 als fester Standort in der Kunst- und Kulturlandschaft Leipzigs etabliert. Mit dem Kunstfest 2009 wird die Zusammenarbeit mit städtischen und freien Trägern intensiviert und erweitert. Das Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig, Künstler der Hochschule für Grafik und Buchkunst und Kreative
vielfältiger Disziplinen arbeiten und gestalten seitdem in einzigartiger Weise zusammen. Sie verwirklichen zahlreiche interdisziplinäre und partizipatorische Projekte im und um das Pöge-Haus, u.a. das Projekt »Tatort Pöge-Haus« (eine Kooperation mit der Galerie für Zeitgenössische Kunst und der Bernd Blindow Schule), die Ausstellung »Leipziger Osten 1981 – 2011« von Christiane Eisler und Harald Kirschner, sowie die Veranstaltung »Gestalterleben« in Kooperation mit dem Beruflichen Schulzentrum 7 der Stadt Leipzig. Trotz der zahlreichen Bemühungen und lokalen Aktivitäten von Bürgern und angesiedelten Einrichtungen spielt der strukturschwache Leipziger Osten in der kulturpolitischen und kreativwirtschaftlichen Stadtentwicklung eine nebensächliche Rolle. Dieser Freiraum eröffnet neue Perspektiven. Viele junge Kreative und Künstler siedeln sich gegenwärtig im hiesigen Stadtquartier an. Mit ihnen kommen neue Ideen – auch für das zukünftige Kunstfest. Blick aus dem Treppenhaus vom Pöge-Haus zum Hof
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Das Pรถge-Haus Die Umsetzung einer Vision in Phasen
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2009 Phase 1: Neue Neue Das Kunstfest »Kunst am Markt« und die Kunstwoche vom 13. – 21. Juni 2009 markieren den Beginn eines Neuanfangs und umfassen nunmehr vielfältige öffentliche Veranstaltungen und Angebote auf dem Neustädter Markt, dem daran angeschlossenen Bürgergarten, der Heilig-KreuzKirche und dem Pöge-Haus aus Kunst, Musik, Design und Kunsthandwerk. Darüber hinaus gibt es erstmals abendliche Begleitveranstaltungen wie das Wanderkino »Laster der Nacht« und ein Konzert der Band »Seelenthron«. Das Konzept des erweiterten Kunstfestes hatte zum Ziel, das breite Spektrum der Kreativen und Vereine, die sich im Stadtgebiet des Leipziger Ostens niedergelassen haben, vorzustellen und diesen kulturellen und künstlerischen Reichtum für die Besucher erlebbar zu machen. Die Ausstellungen im Pöge-Haus und im Außenraum rund um den Neustädter Markt waren das Ergebnis der Kooperation zwischen der Hochschule für Grafik und Buchkunst und dem Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig. Die Ausstellungen wurden begleitet von Führungen, Vorträgen und Workshops, die einen Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern und Besuchern ermöglichten. Ursprünglich als »Übungsgelände« angeboten, faszinierte der stimmungsvolle, kontrastreiche Ort PögeHaus die Teilnehmer und überraschte die Besucher mit der Vielfalt seiner partizipativen Möglichkeiten und Eindrücke.
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kunst am markt 2009 Spuren der Vergangenheit Ein Rückblick zur ersten studentischen Ausstellung im Pöge-Haus von Verena Landau Seminare: »Konzeptuelle und kontextuelle künstlerische Praxis« und »Ausstellungspraxis« Bachelor (außerschulisch), 4. Semester Dozentin: Verena Landau Institut für Kunstpädagogik, Universität Leipzig Seminar: »Installation im Außenraum« Dozent: Tobias Rost Institut für Kunstpädagogik, Universität Leipzig Grundstudium Fotografie 2. Studienjahr Dozent: Prof. Torsten Hattenkerl Hochschule für Grafik und Buchkunst Im Rahmen des Kunstfestes »Kunst am Markt« im Juni 2009 nahmen Studierende des Instituts für Kunstpädagogik und des Fachbereichs Fotografie der HGB an einer Ausstellung im und rund um das PögeHaus teil. Es wurden Konzepte für einzelne Räume entwickelt, die den Spuren gelebten Lebens folgten, zudem entstanden Interventionen und Installationen im Außenraum, wie beispielsweise ein Unkrautgarten neben dem Pöge-Haus, der weiterhin gepflegt und betreut wird. Anknüpfend an die künstlerischen Arbeiten wurden Vermittlungskonzepte entwickelt, die insbesondere die unterschiedlichen Zielgruppen des Stadtteils Neustadt ansprachen und in das Geschehen einbezogen. Insgesamt fanden 10 von Studierenden geleitete Workshops für spezifische Zielgruppen (Kinder, Jugendliche, Migrantinnen) statt
sowie partizipatorische Projekte, die verschiedene Menschen zusammenbrachten. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten, Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft für die Kunst zu gewinnen, waren für die Studierenden erfreuliche Erfolge zu verzeichnen. Die Ausstellung wurde gut besucht und die Resonanz der Besucher war insgesamt sehr positiv, vor allem auf die gelungene Vermittlungsarbeit der Studierenden wie die interaktiven Führungen durch die Ausstellung. Für die Studierenden war diese Erfahrung eine große Bereicherung: Sie konnten erproben, wie Selbstorganisation und Projektrealisierung in ihrem späteren Arbeitsalltag aussehen könnten. Sie wurden mit Hindernissen konfrontiert und mussten eigenständig nach Lösungen suchen. Fast alle am Projekt Beteiligten äußerten in der Nachbereitung den starken Wunsch, weiterhin vor Ort arbeiten zu können. Der Osten Leipzigs als ein Stadtgebiet im Wandel, mit seinen sozialen und kulturellen Kontrasten, seiner Vielfalt, seinen Konflikten aber auch seiner Lebendigkeit, zieht junge Menschen an. Insbesondere für die angehenden Kunstpädagogen wird es als Herausforderung empfunden, viele der Studierenden leben dort und möchten sich gerne in ihrem Umfeld engagieren. Eine Befragung ergab, dass seitens der Studierenden ein großes Interesse besteht, Räume des Pöge-Hauses als Ateliers zu nutzen. Darüber hinaus gibt es Ideen für kontinuierliche Workshopangebote und kulturelle Veranstaltungen wie Performances, Lesungen, Vorträge, Konzerte, temporäre Ausstellungen sowie weitere Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einzelner Lehrveranstaltungen.
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Ausstellungsansicht mit Werken von Marta Kryszkiewicz, Titel: »Von der nicht stattgefundenen Expedition in den Himalaja« analoger C-Print, 2009, Maße: 100 x 120 cm
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Zu Gast bei Familie Schulz Das Pöge–Haus als einer der zentralen Punkte des Neustädter Kunstfestes weist zahlreiche Spuren ehemaliger Bewohner auf. Sobald man das Haus betritt stellen sich sofort Fragen wie: Wer könnte hier gewohnt haben? Und: Was hat sich innerhalb dieser Mauern abgespielt? Das Projekt »Zu Gast bei Familie Schulz« behandelt genau diese Fragen und spielt verschiedene Möglichkeiten durch. In diesem Zusammenhang wurde herzlichst eingeladen, innerhalb der Kunstwoche zu Gast bei Familie Schulz zu sein. Die erste Einladung erfolgte zum sonntäglichen Familienmittagessen. Darüber hinaus luden Oma Inge zum Kaffeeklatsch, Herr Friedemann Schulz zu Schnaps und Salzstangen beim Skatabend sowie Tante Erika zur geselligen Handarbeitsrunde. Herzlichst grüßt Familie Schulz
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Planbüro – Raum für Gestaltung Stadtplanung passiert meist ohne Einbeziehung der konkreten Vorstellungen der Bewohner. In dieser Arbeit wird die Frage gestellt, was die Bewohner von bereits vorhandenen Plänen halten und was sie selbst für Wünsche und Ideen haben (in Bezug auf ihr Wohnumfeld). Durch diesen Anstoß sollen Bewohner, Planer und Kunsthaus (auch künftig) den Weg zueinander finden. Die Wände dienen als Planungsfläche, schwarzes Klebeband skizziert einen Umgebungsgrundriss und es gibt jede Menge Platz für Zeichnungen, Worte und Gedanken. An der Wand ist eine Planbox angebracht, ein Briefkasten zum Einwerfen zuvor geschriebener Ideen
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und Wünsche der Ausstellungsbesucher. Diese werden nach Ablauf der Ausstellung ausgewertet und zunächst an das örtliche Stadtteilbüro weitergeleitet. Aktionskette: Erste Ideen entstehen bei einem Blick aus den Fenstern. Bilder der Umgebung ... Visuell angesprochen hat der Betrachter nun die Möglichkeit, sich zu äußern und seine Ideen zu Papier oder an die Wände zu bringen. Die Elemente der Aktionskette sind hierbei austauschbar, damit möglichst viele Ideen entstehen können. Eine gerichtete und eingebundene Beteiligung des Rezipienten ist Voraussetzung, um die dokumentierten Ideen in Form zu bringen und dem Stadtplanungsbüro übergeben zu können.
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Kichererbse und Tabuleh Das Konzept dieser Arbeit geht auf die Bevölkerungsstruktur, auf sich aus der Vielzahl der nebeneinander existierenden Kulturen ergebenden Lebenssituationen und Bereicherungen, aber auch auf damit verbundene Probleme des Bezirkes Neustadt–Neuschönefeld ein. Ein wichtiges Anliegen hierbei ist es, die Besucher für die kulturelle Vielfalt des Stadtteils zu sensibilisieren, sie die Vielfalt wahrnehmen zu lassen, und sie anzuregen, über die ‘multikulturelle Gesellschaft’ mit all ihren positiven und negativen Facetten ansatzweise nachzudenken. Ein Ausstellungsraum wurde konzipiert. Die Besucher sollten die Möglichkeit haben, die Vielfalt der Kulturen nicht nur visuell wahrzunehmen, sondern zusätzliche Reize, in diesem Falle gustatorische, zu erhalten und sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Ein Regal ist mit Lebensmittelkonserven aus aller Herren Länder gefüllt. Es steht symbolisch für die unterschiedlichen Kulturen und die damit verbundenen differierenden Werte und Normen. Die Vielfalt der importierten Lebensmittel verweist zugleich auf unser Zeitalter der Globalisierung und auf gängige Konsummethoden. Der Raum erscheint dem Betrachter wie eine Panoramafotografie, da er nicht begehbar ist, weil der Eingang mit einer MDF–Platte, in der sich ein Sichtfenster befindet, verschlossen wurde. Diese Barriere ist Schutz vor Beschädigung und hält den Betrachter auf eine gewisse Distanz zum Objekt. Ein ungewohnter Eindruck, eine gewollte Wahrnehmungsveränderung entsteht.
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Unkrautgarten Im Mittelpunkt steht das Thema »Garten – Deutsche Gartenkultur«. Im Zuge dessen entstand die Idee zur Planung und Umsetzung eines Miniatur-Schrebergartens, in welchem Vorschriften und Konventionen gebrochen wurden und ganz überspitzt statt typischer Blumen und Gemüse ausschließlich Unkraut zu finden ist. Was ist Unkraut? Wer legt fest, was als Unkraut bezeichnet wird? Auf den ersten Blick oft unscheinbar, meist als Unkraut verschmäht, bereichern diese Kräuter nicht nur Fluren und Wälder – viele von ihnen wagen sich bis in unsere Gärten vor und könnten so auf einfache und vor allem kostenlose Weise unseren Speiseplan bereichern. Dazu kommt es in den meisten Fällen jedoch nicht, da alle nicht bewusst und geplant wachsenden
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Pflanzen in Schrebergärten rigoros vernichtet werden! Vorsicht ist bei diesen wilden Kräutern, deren Nutzen oft unbekannt ist und deren heilende Wirkung unterschätzt wird, dennoch geboten, denn diese sind von ihrem giftigen Doppelgänger nur mit ausreichendem Hintergrundwissen zu unterscheiden! Der Unkrautgarten fungiert als Aufklärungsplattform und gewährt einen Überblick über (Un-)Kräuter, wichtige Erkennungs- und Unterscheidungsmerkmale zu giftigen Vertretern sowie Heilwirkungen und Zubereitung. Der ‘Probierstand’ im Garten bietet die zahlreichen Gartenerzeugnisse zur Verkostung. Er macht zugleich aufmerksam auf die Vielfalt der uns von der Natur kostenlos zur Verfügung gestellten Produkte und zeigt auf, wie wertvoll diese vermeintlichen Unkräuter sind.
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Lobpreisung der Entstehung des Klanges durch die Mechanik Aufführung im Rahmen der Orgelnacht, Heilig-Kreuz-Kirche, Neustädter Markt, 21 Uhr, Freitag, 22.10.2010. Von und mit: Thadeusz Tischbein, Christoph Bartsch und Sascha Wild An der Orgel: Göran Michaelsen Die Orgel als raumgreifendes Geräuschinstrument. Mit mehreren Kameras und Mikrofonen wird das Innenleben und die Mechanik der Orgel erfasst und parallel zum Spiel in den Raum übertragen. Die aufwändige Mechanik der Orgel wird zum Hauptgegenstand der Vorführung. Wir gehen von der Methode des Produzierens von Tönen durch einen ausgeklügelten Mechanismus aus. Es geht uns um das Aufzeigen der Symbiose von Mechanik und Ton. Diese verhält sich ab dem ersten Impuls des Erzeugens bis zum Austritt in absoluter Abhängigkeit zur Mechanik. Es entsteht also ein Wirkungsprinzip, dessen Verwalter der Mensch des Moments, aber auch der des Vorher ist, sprich der
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Baumeister und Konstrukteur der Orgel. Wir wollen die Mechanik, das intellektuelle Uhrwerk der Orgel, hervorholen aus dem Versteck der sakralen Hülle, wollen das Innere zum Äußeren werden lassen und die Mechanik korrespondieren lassen mit dem Klang der daraus entstehenden Musik und der damit verbundenen Klänge. Die Mechanik soll als gleichberechtigtes Element der Musikerzeugung über eine Videoprojektion in der Kirche wirken und so dem Zuhörer bewusst gemacht werden und durch die ebenfalls übertragenen Geräusche eine neue Art von Musik erzeugen. Inhaltlich beziehen wir uns auf einen Aspekt der Futuristen, bei dem die Maschine als ultimative ästhetische Ausdrucksform betrachtet wird. Die Geräusche bilden eine musikalische Form, bei der wir uns von Cage und Reich inspiriert haben lassen. Die Kompositionen beruhen auf der Beschränkung auf bestimmte Töne, die sowohl durch ihre räumliche Anordnung in der Orgel, als auch durch die eingesetzte Technik abbildbar sind. Sieben Kameras und Mikrofone fingen das Spiel ein und wurden als Liveübertragung in der Kirche – räumlich inszeniert – gezeigt. Durch die räumlich identische Anordnung der Lautsprecher wurde erreicht, dass sichtbare Quelle und hörbarer Ausgangspunkt eines Geräusches identisch sind.
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2010 Phase 2: Wenn Kunst auf Wirklichkeit trifft – Sozialgeologie in der Kunst Was meint Sozialgeologie in der Kunst? Kurz gesagt bezeichnet es einen künstlerischen Eingriff in einem kunstuntypischen System, durch den die Geschichte eines Ortes mit einer neuen Bedeutung versehen werden soll. Wie kann das nun im Leipziger Osten genau aussehen? Ein markanter Ort ist das Pöge-Haus am Neustädter Markt, ein ursprünglich zweckorientierter historischer Wohnhausbau aus dem späten 19. Jahrhundert (Gründerzeit). Das Haus ist durch seine Funktion und Architektur geprägt, aber auch durch seinen aktuellen Leerstand. Dieser Zustand ist jedoch ein Potential für die Neugestaltung des Ortes. Das Kunstfest »Kunst am Markt« 2010 hat dieses Potential erkannt und belebte den Ort neu durch eine temporäre Umwidmung des Hauses in einen Spielraum für künstlerische Handlungen und Strategien. Junge Künstler wurden eingeladen, den Reiz des Pöge-Hauses hinsichtlich seiner Raumwirkungen – geografisch wie sozial – herauszuarbeiten: Verändert man Farben, Licht, Formen, Geräusche und sogar Gerüche, verändert man damit unser Befinden. Die Auseinandersetzung der Künstler mit dem Ort resultierte in Werken und Aktionen der zeitweisen Belebung, die zum Verlust der scheinbaren neutralen Leere und zu einer gewinnbringenden subjektiven Aufwertung im Bewusstsein der Besucher führen sollten. Die durch die künstlerischen Arbeiten erzeugte Atmosphäre drückte sich im Idealfall im Gefühl des Wohlbefindens, vielleicht auch in Irritationen aus und hatte daher Einfluss auf die Wahrnehmung des Ortes wie auf die Qualität der am Ort vollzogenen Eingriffe und Veränderungen.
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kunst am markt 2010 Begegnung mit der Gegenwart der Neustadt Seminar »Konzeptuelle und kontextuelle künstlerische Praxis« Bachelor (außerschulisch), 4. Semester Dozenten: Wilfried Huy / Verena Landau Institut für Kunstpädagogik, Universität Leipzig Ausgehend von einem Rückblick auf die Ursprünge konzeptueller Kunst im New York der 1960er wurde anhand von künstlerischen Beispielen sowie Textauszügen und Künstlerschriften die Relevanz konzeptueller Ansätze für heutige künstlerische und kunstpädagogische Intentionen diskutiert. Aktuelle, an Konzeptkunst anknüpfende Praktiken wurden fokussiert: Kontextuelle, gesellschaftskritische und partizipatorische Projekte als Schnittstelle zwischen künstlerischer und kunstpädagogischer Praxis. Künstler, welche sich mit stadtsoziologischen Aspekten auseinandersetzen und in Kooperation mit Initiativen in städtebauliche und soziale Prozesse eingreifen, spielten dabei eine besondere Rolle. Im Zentrum des Seminars stand die Entwicklung eigener Konzepte für die Ausstellung im Pöge-Haus, die 2010 zum zweiten Mal gemeinsam mit dem Bürgerverein Neustädter Markt realisiert wurde. Die Konzepte der Studierenden entwickelten sich in diesem Jahr größtenteils
aus persönlichen Begegnungen und erlebten Begebenheiten mit Personen in der Neustadt. Erzählungen, mögliche Biografien und marginale Schauplätze der Begegnung boten Anlass für Fiktionen, welche mit den Ausstellungsbesuchern weiter gesponnen wurden. Besonders erfolgreich war der Workshop mit Kindern »Abstraktion im Tun«. Rebecca Fleckeisen und Andrea Schumann spürten durch Gespräche mit Bewohnern marginale Gebäude der Neustadt auf: Kirche, ehemaliges Kino (heute Aldi), Skaterbahn im Rabet. Diese wurden symbolhaft auf ihre Kanten reduziert und als Holzplastiken umgesetzt. Dieses Vorgehen bildete die Grundlage für den Werkstattkurs mit Kindern aus dem Viertel. Eine Gruppe von 6-12-Jährigen sägte und baute architektonische Holzstrukturen. In einer Zwischenauswertung wurden Gebäude assoziiert: Eine Garage, ein Haus, ein Zimmer, ein Bild… Was war das gemeinsame Thema? fragten die Kunstvermittlerinnen. Die Antwort der Kinder: Mein Zuhause. Die Ausstellung im Pöge-Haus war auch Ort einer weiteren anregenden Begegnung: «Second Attempt e.V.« aus Görlitz, ein Zentrum zur Förderung von Jugendkultur, zeigte die Ausstellung »Farbsafarie«. Außerdem wurde die Wand des Veranstaltungsraums im Erdgeschoss von dem jungen Streetart-Künstlerkollektiv »Wurstbande« aus Berlin gestaltet.
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Laufweisen Schuhe haben vor allem einen praktischen Nutzen, sie dienen dem Schutz der Füße, um Verletzungen auf steinigem, oder mit spitzen oder harten Gegenständen bedecktem Boden zu vermeiden. Sie schützen die Füße vor Schmutz und Nässe, vor Kälte, Hitze oder Verbrennungsgefahr. Wanderschuhe, Laufschuhe, Sneaker, Pantoletten, Zehentrenner, Sandalen, Tanzschuhe, Lackschuhe, Hausschuhe, Arbeitsschuhe, Gummistiefel, Lederstiefel, Holzclogs – das Repertoire des heutigen Schuhs ist vielfältig. Schuhe sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Kleidung und können dazu beitragen, ihrem Träger eine Identität zu verschaffen, sei es im Sport, als Kennzeichen für eine bestimmte Szenezugehörigkeit, oder als modischer, eleganter Schuh zur Abendgarderobe hamonierend. Mit Schuhen geht man von Ort zu Ort, Schuhbesitzer treffen sich, reden, kommunizieren, tanzen miteinander. »Laufweisen« zeigt Schuhe verschiedener Art, angeordnet in Schrittfolgen durch zwei Räume. Ausgehend von den hofseitigen Fenstern des Raumes laufen sie die Wände entlang, über den Boden und über die Decke; Schritte, die einander folgen und eine Route, einen Migrationspfad bilden. In einem Punkt treffen sie sich, als würden sie miteinander reden. Über die Fenster des zur Straße zeigenden Raumes verlassen sie den Ort wieder. Die Arbeit veranschaulicht unterschiedliche Schuhbesitzer und damit Menschentypen, welche einen gemeinsamen Weg gehen, sich treffen, miteinander ins Gespräch kommen und den Ort wieder verlassen.
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o.T. Bedeutung des Motivs Ein kleines Mädchen sitzt vor einem großen, grünen Klecks, der gleichbedeutend für ein Dorf oder für ein ganzes Land stehen könnte. Das Mädchen hält einen Pinsel in der Hand und versucht, ihr Land nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten – vielleicht versucht es aber auch, das Land, so wie es im Moment existiert, zu zerstören. Das Grün des Kleckses ist dabei sehr prägnant. Grün steht für Leben, für Erneuerung und für Hoffnung – Hoffnung auf Selbstgestaltung des Lebens, auf Gleichheit und ein Leben in Frieden und Freiheit. Ein Soldat bewegt sich auf das Mädchen zu, der in Größe und Statur das Kind überragt. Man kann jedoch nicht erkennen, welcher Truppe oder Armee er angehört: Ist er ein UN–Blauhelm, Angehöriger der Friedenstruppen, Soldat einer staatlichen Arme oder Kämpfer einer Miliz? Zwangsläufig stellt man sich verschieden Fragen: Kommt er, um das Kind zu vertreiben oder um es zu beschützen? Welche Rolle spielt der Soldat im Leben des Kindes? Versteht man das Kind als Symbol für ganze Volksgruppen: Welche Rolle übernimmt die Armee im Leben vieler Flüchtlinge, die ihr Heimatland aus Kriegsgründen, Hungersnöten, Naturkatastrophen oder anderen Ereignissen verlassen mussten?
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Ferne Nähe Vorlagen der Arbeit sind fotografische Abbildungen von Ecksituationen einer Leipziger Galerie, die anschließend digital zu einer Collage zusammengefügt wurden. Das dabei entstandene Bild eines transformierten realen Ausstellungsraums wurde dann im PögeHaus, einem von der Kunst noch kaum erschlossenem Raum, angebracht. Im Prozess stellte sich heraus, dass der Raum im Pöge-Haus eine größere Rolle spielt. Er übernimmt zwei Bedeutungsebenen: Das Bild vom Raum, in welchem ein Bild auftaucht, verweist zum einen explizit auf den Ausstellungsraum, in dem sich die Arbeit befindet, und unterstreicht so seinen Bedeutungsgehalt – die Nutzbarmachung des Leerstandes als Kunstraum. Andererseits distanziert der abgebildete Raum den Betrachter von der »eigentlichen« Arbeit, der Ecken-Collage. Sie bleibt unzugänglich und autonom. Die leicht nach links gerichtete Ausrichtung der abgebildeten skulpturalen Figur verstärkt dabei noch den Eindruck von Distanz. Die Darstellungsform visualisiert Gedanken und Fragen zum Pöge-Haus, zu der darin stattfindenden Ausstellung und dem eigenen künstlerischen Schaffen. Ist das PögeHaus tatsächlich ein geeigneter Ort, um »Kunst« zu präsentieren, oder fehlt es den Räumen an Neutralität? Wie beeinflussen sich Raum und Bild gegenseitig? Welche Bedeutung hätte die Arbeit an einem anderen Ort, wie würde sich ihr Sinngehalt verändern?
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Die Reproduktion des Raumes als Bild im Bild spielt auch mit der Wahrnehmung des Betrachters und dem Wirklichkeitsbegriff. Welchen Zweck erfüllt die Wiedergabe der Zimmeransicht? Wie »wirklich« ist das Ecken-Bild, welches zwar zentral im Bild erscheint, dennoch nur Abbild bzw. Wiederholung bleibt? Die Arbeit beantwortet all diese Fragen nur ansatzweise und lässt somit dem Besucher genügend Raum für eine eigene Sehweise und Auslegung.
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Baustelle – Abstraktion im Tun In der dritten Etage, im ausschließlich weiß gehaltenen Raum stehen drei Objekte zur Ansicht, deren Konstruktionsprinzip auf Abstraktion beruht. Diese Objekte sind vom Arbeitsprinzip des Künstlers Sol LeWitt inspiriert, bei dem Form und Inhalt ineinander »verlaufen«, d.h. Innen- und Außenraum eine optimale Synthese bilden. Bei der Gestaltung dieser Objekte haben wir uns an markanten Gebäuden am Neustädter Markt orientiert, welche auf ihre Grundelemente reduziert wurden (Bsp.: die Heilig-Kreuz-Kirche mit Dreiecksformen). In einem Workshop während der Ausstellung entsteht gemeinsam mit den Teilnehmern ein viertes Objekt, welches entweder frei erfunden wird oder sich ebenfalls an einem bekannten Gebäude ausrichtet.
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Café und Forum Die drei zentralen thematischen Eckpunkte sind das Pöge-Haus selbst, der Freiraum, den es darstellt, die Möglichkeiten, die es bietet und natürlich die Ausstellung, die es temporär beherbergt. Der Freiraum an sich hat eine besondere Gewichtung: Was bedeutet er für jeden Einzelnen, wo gibt es ihn, wie stellt man ihn sich vor etc… Es gilt zudem, einen Bezug zwischen den Eckpunktthemen herzustellen. Anhand der Themen wurde schließlich ein Raumkonzept entworfen, das den Raum zweiteilt: Die eine Seite widmet sich dem Pöge-Haus, die andere dem Freiraum. Beide hängen aber eng zusammen, weswegen man von der einen Seite auf die andere schauen kann. Ein eingerichteter Arbeitsbereich stellt Sitzmöglichkeiten, einen Tisch und Material (Stifte, Kleber, Papier) für die Besucher bereit. Ihnen soll damit die Möglichkeit gegeben werden, den Raum mitzugestalten und zu entwickeln. Eine an die Wand geschriebene »Aufgaben-
stellung« auf der linken Seite des Raumes fordert dazu auf, daran mit Edding eine Assoziationskette zum Thema Freiraum anzufügen. Die rechte Seite ist der Raum für alle zu Papier gebrachten Gedanken und Antworten auf die gestellten fünf Fragen (zum Beispiel: Hast du einen Lieblingsraum? Wie stellst du dir die Zukunft des Pöge-Hauses vor? ...). Die Blätter werden mit Wäscheklammern auf eine gespannte Leine vor das Fenster gehängt. Beide Themen nehmen zwar unmittelbar aufeinander Bezug, stellen aber eigene Teilbereiche dar. Daher ist der Raum mit einem breiten »gelben Faden«, d.h. einer Markierung auf dem Boden optisch getrennt, auf dem der Arbeitsbereich eingerichtet ist. Die farbliche Gestaltung des Raumes dominieren Grün (Aufgabenstellung an der Wand) und Gelb (gelber Faden), bezugnehmend auf die Leitfarben des Programms für das Kunstfest 2010.
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Born and based in Berlin, Wurstbande is a creative heads collective which is active in the fields of illustration and wall design. With their roots in the urban art culture, their graphical style is known for naive, cute and sometimes featherbrained characters mixed with orig inal typography and patterns. The passion for painting and traveling brought the Wurstbande collective around the world to cities like Copenhagen, Prague, Milan, Paris, Budapest, New York City or Vienna where their work can be found. http://www.wurstbande.com
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*1982 Freiberg (Sachsen) Der Künstler war Absolvent der HfBK Dresden und ist seit 2009 freischaffender Künstler und Kurator. Als Vertreter der Street Art zeigt er seit 1995 ungenehmigte Kunst im öffentlichen Raum in ganz Europa sowie in Ausstellungsräumen, u.a. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, München, Mailand, Usti nad Labem. Seit 2006 organisiert Besser die Veranstaltungsserie »urban script continues« zur kritischen Reflexion ungenehmigter Kunst im öffentlichen Raum und ist 2008 Mitgründer des »KOLONI–artist-run-space« in Dresden. http://jensbesser.blogspot.de
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Sehr geehrte Damen und Herren des Kirchenvorstandes, mein Name ist Alexander Schneider, ich wohne seit November 2008 im Stadtteil und bin freischaffender Künstler und Übersetzer. Mein Kunststudium habe ich in London absolviert. Im Rahmen des diesjährigen Kunstfestes möchte ich eine Installationsidee in der Heilig-KreuzKirche umsetzen. Es soll eine Konstruktion aus Pappkartons entstehen. Diese wird ein verkleinertes, relativ maßstabsgetreues Abbild des Innenraums der Kirche sein. Idealerweise beträgt die Höhe etwa 2,5 Meter. Die benötigten Kartons erbitte ich aus Geschäften der Umgebung. Die Konstruktion umschließt die Eingangstür im
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Innenraum, so dass nur diese Miniaturkirche, nicht aber der restliche Kircheninnenraum betreten werden kann. Vom eigentlichen Kircheninnenraum hat man nur eine Ahnung. Durch Ritzen zwischen den Kartons ist er zu sehen, Echos sind daraus zu hören. Aber betreten kann man ihn nicht. Hierbei erschließt sich eine der Bedeutungen des Werkes, die mir persönlich am nächsten ist. Durch die »Entrückung« des Kirchenraumes wird seiner Symbolkraft für das Heilige, für die Nähe Gottes ein weiterer Aspekt hinzugefügt: die Ungreifbarkeit. Der Betrachter steht in der Enge des kleinen Raumes und erahnt den weiten Raum, aber ganz und aus eigener Kraft kann er nicht zu ihm. So entsteht die Widerspiegelung einer menschlichen, einer christlichen Erfahrung.
Es gibt noch mehrere Interpretationsmöglichkeiten, z.B. das Konstrukt aus verschiedenen, zusammengewürfelten Kartons als Bild der christlichen Gemeinde, oder die Parallele zwischen schrumpfenden Gemeinden und dem geschrumpften Kirchgebäude. Der Aufbau würde zehn Tage bis zwei Wochen in Anspruch nehmen, dürfte einer gewohnten Nutzung der Kirche aber nicht im Wege stehen. Ich stehen Ihnen gerne persönlich oder telefonisch für Rückfragen zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen, Alexander Schneider http://www.alexanderschneider.net
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2011 Phase 3: Situation, Entwicklungsgeschichte Die historisch gewachsene Bevölkerungsstruktur des Leipziger Stadtviertels Neustadt-Neuschönefeld besteht vor allem aus sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen und einem hohen Anteil von Bewohnern verschiedener Ethnien mit Migrationshintergrund. Zudem zogen in den letzten Jahren zunehmend Künstler und künstlerisch Ausgebildete aufgrund verschiedener Standortfaktoren (Nähe zu Stadtzentrum, Universität, HGB; günstige Mietpreise etc.) ins Quartier. Das Kunstfest 2011 zielte deshalb auf ein zum Vorjahr erweitertes künstlerisches und soziologisch ausgerichtetes Programm, um die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen anzusprechen und über die Ausstellungen und Veranstaltungen Begegnungsräume zu schaffen. Es galt, das Potential des Ortes zu nutzen und durch die künstlerischen Eingriffe, die historische kunstuntypische Situation als einen Aktivraum für Kunst und Kreativität neu zu beleben. Es galt und gilt, das Pöge-Haus am Neustädter Markt als wichtigen geografischen Dreh- und Angelpunkt zu verankern. Das Kunstfest 2011 stellte die Frage, wie man das aktuelle Phänomen der Gentrifizierung kreativ erfahrbar und am Ort nachvollziehbar darstellen kann. Viele künstlerisch und grafisch gestaltete Plakate, an Hausfassaden und Flächen im öffentlichen Raum angebracht, richteten sich an die Bewohner des Viertels Neustadt-Neuschönefeld im sozialgeologischen Sinne eines erweiterten Kunstbegriffs nach Joseph Beuys. Die ausgestellten Plakate und Arbeiten waren und sind zum Teil noch heute außerhalb des museal-künstlerischen Schutzraumes Bestandteil des Alltages und erzeugen bei den sie passierenden Betrachtern einen Moment gesteigerter Aufmerksamkeit und sublimer Infragestellung. Durch seine funktionale Alltagsnähe ist das Plakat ein tradiertes Medium, das auch kunstfremde Rezipienten inhaltlich und formal unmittelbar erreicht. Es ist Bestandteil einer Bilderflut aus Piktogrammen und Zeichen, die um unsere ästhetische Aufmerksamkeit buhlen und im urbanen Raum eine Art Quellcode wiederspiegeln, der uns bei der Interpretation des sozialen Raumes hilft. Das Kunstplakat im Außenraum und seine öffentliche, jederzeit für alle zugängliche »barrierefreie« Exposition hat in seiner politischen Dimension letzthin einen grundsätzlich demokratischen Charakter.
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kunst am markt 2011 Modul »Konzeptuelle und kontextuelle künstlerische Praxis« Dozenten: Wilfried Huy / Verena Landau Modul »Präsentation und Vermittlung künstlerischer Leistungen« Dozenten: Dr. Roland Meinel / Verena Landau Ausstellung »Artefakte« Modul »Künstlerische Arbeit mit modernen Medien im Kontext der Kunstpädagogik« Dozenten: Dr. Roland Meinel / Prof. Andreas Wendt Die Ausstellung wurde im Seminar »Konzepte und Projekte der Kunstvermittlung« geplant und steht in engem Zusammenhang mit der Ausstellung »Artefakte«. Beide Präsentationen wurden von Studierenden der außerschulischen Kunstpädagogik im 4. Semester parallel organisiert und umgesetzt. Zudem wurden Gastkünstler aus dem Viertel einbezogen. Ausstellung »Gentrification – oder Stadtentwicklung für Alle?« 2009 waren es die Spuren vergangener Nutzungen des Hauses, 2010 waren der gegenwärtige Zustand des Viertels und seine Bedeutung für die Anwohner ausschlaggebend für die Ideenfindung. Im Sommersemester 2011 widmete sich das Seminar der Zukunft des Pöge Hauses als Kulturzentrum, d.h. als Projektionsfläche künstlerischer Visionen. Der Einzug von Kulturschaffenden in das Viertel NeustadtNeuschönefeld birgt Potenziale, provoziert aber auch Kritik. Aus einer kritischen Perspektive wird der Begriff »Gentrification« (dt.: Gentrifizierung) mitunter in diesem Zusammenhang verwendet, oft wird jedoch nicht hinterfragt, ob sich bei den geplanten Schritten im Leipziger Osten tatsächlich von
Gentrifizierungsprozessen sprechen lässt. Im Seminar wurde folgenden Fragen nachgegangen: Welche Kriterien definieren Gentrifizierung? Kann bürgerliches und künstlerisch-kreatives Engagement den damit verbundenen negativen Entwicklungen etwas entgegensetzen? Wenn ja, wie? Positive und negative Visionen, die das geplante Kunsthaus und den Stadtteil betreffen, aber auch die Gegenüberstellung mit anderen Leipziger Stadtteilen und Beispielen aus anderen Städten (z.B. Hamburg: Gängeviertel), bildeten Anlass für die künstlerische Auseinandersetzung. Gentrification / Gentrifizierung Der Begriff Gentrifizierung stammt von »Gentry«, einer Bezeichnung für eine Klasse, die sich im 16. Jahrhundert in England als »niederer Adel« durch die Verschmelzung mit bürgerlichen Landbesitzern herausbildete. Vor der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kauften die »Gentry« öffentliche Landstriche auf, wodurch Kleinbauern verstärkt in die Städte verdrängt wurden, wo sie das Proletariat bildeten. Ähnliche Umstrukturierungs- und Verdrängungsprozesse finden heute statt, wenn Stadtteile durch Kulturschaffende attraktiv werden für den Zuzug der Mittelschicht und in Folge dessen für spekulierende Investoren. Gentrifizierung im positiven Sinne bedeutet für die Stadtentwicklung Durchmischung unterschiedlicher Milieus und Verbesserung der Infrastruktur für alle Bewohner. Meist wird der Begriff jedoch im negativen Sinne gebraucht, für Segregationsprozesse, wenn Viertel zunehmend von einer wohlhabenden Schicht übernommen werden, um baulich verändert zu werden unter Vernachlässigung der sich zuspitzenden sozialen Probleme.
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schau:fenster Diaprojektionen im Außenraum (Eisenbahnstraße) Das Erscheinungsbild der Eisenbahnstraße wandelt sich durch partielle Lichtarbeiten zu Teilen von Plagwitz, Schleußig und der Südvorstadt. In diesen bereits »aufgewerteten« bzw. sich im Gentrifizierungsprozess befindenden Vierteln Leipzigs habe ich Fotos von ansässigen Bars, Cafés, Galerien und Boutiquen gemacht. Diese wurden in Neustadt-Neuschönefeld, insbesondere in der Eisenbahnstraße, an leer stehende Läden projiziert, sodass das bestehende Straßenbild verändert und in das Erscheinungsbild des Viertels eingegriffen wurde. Dies geschah in Form von temporären Lichtprojektionen mithilfe eines Diaprojektors. An mehreren Abenden wurde für eine gewisse Zeit ein jeweils ausgewähltes Geschäft mit einer Projektion angestrahlt. Hierbei kommt es mir auf eine mögliche Vision des Viertels an und diese in Frage zu stellen. Ein Testlauf des Gentrifizierungs-
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prozesses, ein Blick in die Zukunft? Eine mögliche Perspektive, die sowohl auf direkte als auch spätere Reaktionen der Anwohner und Passanten abzielt. Diese Intervention im Stadtraum fand im Vorfeld der Kunstwoche statt. Im Raumkonzept für das Pöge-Haus werden diese »Lichtvisionen« lediglich dokumentiert. Die nächtlichen Projektionen wurden fotografisch festgehalten und in einer festen Hängung im Raum angebracht. Auch im Raum selbst sind noch einmal die zuvor auf der Straße realisierten Diaprojektionen zu sehen. Des Weiteren gibt es eine Art Gästebuch, das meine Notizen zu den nächtlichen Projektionen enthält – Reaktionen, die mir aufgefallen sind, eigene Gedanken usw.. Auch die Besucher haben darin die Möglichkeit, sich zu dem Projekt zu äußern. Haben Sie vielleicht die ein oder andere Projektion bemerkt? Was denken Sie darüber? Stellen Sie sich vor, diese Bilder wären real: Wie würde Ihnen ein solcher Eingriff ins Viertel gefallen?
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Aufbruch und Ausblick Raum 1: Aufbruch Der Raum spiegelt einen Ausschnitt aus dem Leben einer Familie wider, die lange hier lebte und vor kurzem ausgezogen ist. Zu sehen ist ein Wohnzimmer. Die Wände und der Boden weisen zum Teil starke Gebrauchsspuren und Abdrücke von Möbeln auf. Alte, vergilbte Tapete blättert langsam an den Wänden herunter. Ein benutzter, vergessener Kalender hängt an einer Wand. Von der grauen Decke hängt ein alter Lampenschirm herab. In einer Ecke des Raumes liegt ein umgekippter Stuhl, als wäre er bei dem Auszug der Familie umgefallen und unbeachtet liegen geblieben. Weitere andere zurückgebliebene Gegenstände im Zimmer werfen unweigerlich Fragen auf: Was ist mit dieser Familie geschehen? Warum ist sie ausgezogen? Es wirkt alles, als hätte sie aus einem beheimateten Raum überstürzt aufbrechen müssen. Ein großer, an einigen Stellen beschädigter Kachelofen in einer Ecke des Zimmers verstärkt die Atmosphäre des einst belebten Wohnzimmers. Welche Veränderungen der Umgebung und der Situation haben zu diesem Aufbruch geführt? Wohin sind sie gegangen?
Raum 2: Ausblick Der zweite Raum – etwas Neues stellt sich dar. Die Wände sind weiß gestrichen, die Fenster erneuert, der Fußboden neu gestaltet. Spiegel befinden sich an den Wänden, die das Vergangene spiegeln, jedoch auch das Gegenwärtige darstellen. Abhängig vom Betrachterstandpunkt ist mehr der alte oder der neue Raum zu erkennen sowie der jeweilige Betrachter darin. Der zweite Raum ist neu und moderner, doch er enthält Details, die auf das Vergangene hinweisen. Er ist der Übergang vom Alten zum Neuen, er weist in die Zukunft, ist aber noch nicht komplett in seiner Neuartigkeit. Welche Möglichkeiten eröffneten sich der ausgezogenen Familie mit dem Verlassen der heimatlichen Wurzeln? Was kann ein Neuanfang bieten? In der Mitte des Raums steht ein moderner, zum Hineinsetzen einladender Sessel, auf dem ein leeres Buch und ein Stift daneben liegen. Der mit wenigen Dingen eingerichtete Raum und die unbeschriebenen weißen Seiten des Buches sollen den Rezipienten auffordern, sich damit auseinanderzusetzen, wie er sich den Ausblick in das Neue vorstellt. Welche Chancen birgt es, das Alte zurückzulassen und sich auf etwas Neues einzulassen?
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Tischgesellschaft Konzept für vier Räume Die Idee basiert auf der Gestaltung von Räumen, in denen auf spielerische Weise über wesentliche Aspekte der zeitgenössischen Kunst, nämlich Interaktion, Partizipation und Kommunikation, nachgedacht werden kann. Für die Ausstellung im Pöge-Haus werden zwei weitere Begriffe, Integration und Initiative hinzugefügt. Da das Konzept im Kontext einer Kunstausstellung auf den Gedanken der Vermittlung verweist, galt es, die folgenden Fragen bei der Umsetzung des Projektes zu berücksichtigen: Was passiert, wenn wir eine Ausstellung am Neustädter Markt veranstalten? Sind wir berechtigt am Neustädter Markt auszustellen? Was wollen wir vermitteln? Wen wollen wir erreichen? Was könnte bei den Besuchern und Besucherinnen ausgelöst werden? Jeder Raum soll als ein sinnlich ansprechendes Bild für sich stehen und gleichsam bei den Betrachtern Fragen aufwerfen. Dabei geht es insbesondere darum, vier zu-
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sammengehörige Räume zu den Begriffen Initiative, Integration, Kommunikation und Partizipation zu inszenieren. Die einzelnen Räume befinden sich in unterschiedlichen Stockwerken des Pöge-Hauses, wodurch der Ausstellungsbesucher zufällig und wiederholt auf diese trifft. Durch einheitlich weiß gestrichene Wände, jeweils eine Tischgruppe und einen in gleicher schwarzer Schrift geschriebenen Satz an der Wand wird die Zusammengehörigkeit der Räume gekennzeichnet. Der Satz bezieht sich spezifisch auf den dargestellten Aspekt (Kommunikation, Initiative, Partizipation oder Integration). Durch die Ergänzung eines thematisch passenden Objekts wird die sinngemäße Annäherung an die Begriffe aufgegriffen. Bei der Auseinandersetzung mit den Räumen soll eine Weiterentwicklung von Betrachtungsweisen angeregt werden. Die Motivation für diese Ausstellung und die damit verbundenen Fragen sollen hierdurch sichtbar gemacht und zur Disposition gestellt werden.
Partizipation: Der Begriff bezeichnet die aktive Beteiligung und Teilhabe einer Person an gemeinsamen Handlungen und Angelegenheiten. In Bezug auf die Ausstellung im PögeHaus bedeutet er, die Betrachter zu involvieren, sie einzuladen selbst aktiv mitzugestalten. Der Satz »Nichts passiert ohne dich«, greift die Abhängigkeit des Produzenten vom Betrachter seiner Arbeit auf, er ist auf die Bereitschaft mitzuwirken angewiesen.
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Integration: Der Raum beschäftigt sich mit einem enger gefassten Begriff der Integration in Bezug auf die Besucher der Ausstellung, die Anwohner des Neustädter Marktes und die Ausstellenden. Es sollen sowohl die Rezipienten in die Ausstellung eingebunden werden als auch die Ausstellenden in das Viertel. Dies ist die Voraussetzung für lebendige Interaktion und einen gemeinsamen Diskurs über das kulturelle Leben im Viertel. Dieser Raum bietet zum einen Anreize zur gedanklichen Auseinandersetzung, lädt zum anderen zur Beteiligung am offenen Kunstwerk ein und zur Befreiung des Stuhls von den Nägeln, damit ein Integrationsprozess innerhalb des Raumes stattfinden kann.
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Initiative: Der Begriff bezeichnet den AnstoĂ&#x; zu einer Handlung oder den ersten Schritt zu ebendieser Handlung. Eine Kurbel im Raum animiert die Besucher, diese zu bedienen. In dem Akt wird verinnerlichtes, also unbewusstes Wissen angesprochen, durch das Erkenntnisprozesse in Gang gesetzt werden. Intuitiv werden Wahrnehmungs-, Entscheidungsund HandlungsmĂśglichkeiten und die ihnen entsprechenden Formen der mehr oder weniger unbewussten Verhaltenssteuerung erĂśffnet.
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Kommunikation: Der Raum vermittelt durch die gezielte Anordnung verschiedener Objekte, die Schrift an der Wand und durch die Farbe des Fußbodens den Eindruck einer gerade stattgefundenen Kommunikation. Beim Aufnehmen dieser Atmosphäre werden die Besucher angeregt, sich des allgegenwärtig stattfindenden Austauschs von Informationen bewusst zu werden und vielleicht darüber hinaus mit anderen in diesem Raum ins Gespräch zu kommen.
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§ 303 StGB Ist die totale Sanierung von Altbauten erstrebenswertes Idealbild oder vereinheitlichende Zerstörung von Charme und Individualität eines Stadtbildes? In einigen Teilen der Südvorstadt und des Musikviertels Leipzigs werden un- oder teilsanierte Fassaden in absehbarer Zeit verschwinden. Nicht nur höhere Mieten und die Verdrängung der ursprünglichen Bewohner des Viertels sind als Folgen einer langsamen Gentrifizierung wahrnehmbar. Vielmehr ist ein massiver Wandel im Erscheinungsbild ganzer Straßenzüge zu beobachten. Wir möchten die Wahrnehmung der Rezipienten auf das Verhältnis zwischen alter und neuer Fassade lenken. Straff organisierte Strukturen stehen unübersichtlichen, chaotischen gegenüber. Schönes, Neues steht gegenüber von Morbidem, Altem. Bewusster Eingriff steht gegenüber von Intuition und Zufall. Gezielte Investition steht gegenüber von selbstbestimmter Entfaltung. Unter diesem Aspekt fotografieren wir alte Fassaden in der Leipziger Neustadt und bringen diese als Plakate an sanierten Fassaden im Musikviertel an. Durch die Wechselwirkung zwischen strukturiertem Neuen und zerfallendem Alten sollen Fragen aufgeworfen werden, die sich an das ästhetische Empfinden der Rezipienten richten. Alte rissige Mauerwerke stehen im Kontrast zu glatten, frisch verputzten und gestrichenen Fassaden. Um in der Raumkonzeption inner-
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halb des Pöge-Hauses zu funktionieren, müssen die Plakate in möglichst moderner und zugleich biederer Umgebung präsentiert werden: Eine nüchterne weiße Wand löst sich auf die beiden unsanierten Nachbarwände übergreifend auf und steht im Kontrast zu einem wüsten und unruhigen Rahmen für die plakatierten Ergebnisse. Als übersteigertes Symbol für die partizipative, durch die Plakataktion erzeugte Situation darf man eine Bionade-Flasche mit einem Stein zerschlagen.
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Connecting Thoughts – Gedankenverknüpfung Zweitägiger Workshop und offene Werkstatt während des Kunstfestes. Die Teilnehmer bringen nicht mehr benötigte Gegenstände aus Alltag, Haushalt und Wohnung mit. Zudem werden Sach- und Materialspenden von Bewohnern und Gewerbetreibenden des Stadtteils vorab erbeten. Bei unserem Raumkonzept geht es um die Verknüpfung der Gedanken, aus mehreren Köpfen entspringend. Gedanken können grundverschieden, bunt und andersförmig sein. Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, eine Schnittstelle zu finden, in der sie ineinandergreifen und sich zu einer Gedankenkette oder –netz zusammenfügen können. Dadurch entsteht eine Form oder Struktur, die sich von Ideen zu einem Konzept formiert und in den Raum eingreifen kann. Bei diesem Prozess ist es unumgänglich, dass sich eine individuelle Idee einfügen, sich umformen und anpassen muss. Wesentliche Inhalte können dabei revidiert und ausgeschlossen werden. Das bezeichnet man als Notwendigkeit oder Einsicht. Es stellt sich die Frage, ob es jede Idee »Wert« ist, eingeworfen oder eingebunden zu werden. Und was geschieht, wenn man Gedanken nicht preisgibt, die womöglich in eine neue Richtung oder Form geleitet hätten? Was bedeutet es für das Individuum, wenn der eigene
Gedanke verformt, deformiert, demontiert wird oder werden muss? Führt diese Entwicklung zu einer endgültigen Formlösung, oder gibt es Lücken, an denen neu angesetzt werden kann? Wie weit kann eine Idee letztendlich in den »reellen« Raum eingreifen, oder an welche von diesem Raum ausgehenden Grenzen muss das Konzept sich anpassen? Zielstellung: Die für die gestalterische Arbeit ausgewählten Gegenstände sind durch ihre verschiedenartigen Formen, Farben und Materialien Sinnbild für Gedanken. Die (Um)formung des einzelnen Gegenstands (durch Werkzeuge wie Hammer, Kneifzange, Klebepistole, etc.) zur Herstellung einer Verbindungsfläche zu anderen Teilen des Konstrukts geschieht auf einer Werkbank. Das durch die anschließende Anordnung einzelner Bestandteile im Raum entstehende Objekt ist somit eine Metapher für reelle Gedankenprozesse und Konzeptentwicklungen. Die gemeinsame Arbeit an dem Raumgebilde soll die unmittelbaren Gedanken und Vorstellungen der Teilnehmer über das Viertel Neustadt-Neuschönefeld in Erfahrung zu bringen. Zudem bietet sie Anlass zur Ideenfindung, was durch den Austausch heterogener Interessensgruppen verändert und erreicht werden kann.
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Neustadt – eine neue Stadt Hallo, Sie sehen mich vielleicht nicht so deutlich – das ist aber kein Problem. Sehen Sie dafür den Stadtteil Neustadt schärfer: Über die etwa 800 verschiedenen Namen von Mitbürgern mit sogenanntem migrativen Hintergrund. Etwa 28% der hier lebenden Menschen sprechen meist andere Sprachen als Sächsisch: Hier treffen sich Kulturen und Lebensweisen aller Kontinente, hier pulsiert das Leben vielfältiger als in anderen Stadtteilen Leipzigs. Für mein Projekt wählte ich die an den Neustädter Markt angrenzenden Straßen: Hier fotografierte ich Klingelschilder, deren Namen einen Rückschluss auf die Herkunft unserer Mitmenschen sowie die daraus resultierende Vielfalt in Neustadt geben können. Klingelschilder geben auch etwas über die Wohn- und Lebensbedingungen preis – ob an der Villa am Wannsee oder in der Nähe der Eisenbahnstraße. Klingelschilder zu fotografieren wird dort und hier argwöhnisch beäugt. Begeben Sie sich dennoch auf eine Reise durch den Stadtteil, in dem ich so vieles entdecken konnte! Handlungsaufforderung für die Betrachter: 1. Treten sie vor die Karte NEU|STADT. 2. Entnehmen sie dem Behältnis ein Namensschild. 3. Betrachten sie die Weltkarte – HEIMAT|STADT. 4. Überlegen sie: Woher kommt der Name? 5. Entfernen sie den Papierstreifen der Klebefläche auf der Rückseite des Namensschildes. 6. Bringen sie das Namensschild an geeigneter Stelle auf der Weltkarte an. 7. Nehmen sie sich Bleistift und Lineal. Ziehen sie eine Verbindungslinie vom Namensschild zum möglichen Herkunftsland.
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walk the line Länge: ca. 120 m Breite: 0,12 m - Schmalstrich (siehe: »Richtlinien für die Markierung von Straßen«) Eine geschlossene, weiße Linie, die jeden Untergrund in sich aufnimmt, beginnt im Erdgeschoss und führt in einen abgedunkelten Raum im 3. Obergeschoss. Dort bricht sie in einer Spirale auf, um sich an ihrem Ende im Dunkeln zu verlieren. Im Treppenhaus gewinnt die Linie an Geschwindigkeit und bahnt sich ihren Weg zum Teil über Wände und Decken. Sie prallt an Kanten und Ecken ab, ist auf Grund ihrer starken Präsenz und ungewohnten Platzierung sehr einnehmend und beeinflusst deshalb den Blick des Besuchers. Sie bricht die Konturen der vorhandenen Architektur auf, zerteilt Bereiche und schafft so neue Räume. Maßgebend ist die farbliche Kennzeichnung, die sich ihren Weg entlang der Oberfläche von Verkehrsflächen des Straßenverkehrs bahnt. Während die Linie im Straßenverkehr eine Orientierung ermöglicht
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und verbessert, Verkehrsströme aufteilt und beeinflusst, so wirkt sich diese Linie im engen Treppenhaus anders aus. Sicherlich führt sie von A nach B, kann auch bis zu einem bestimmten Grad Verkehrsströme aufteilen, sie verbessert aber nicht die Orientierung und beeinflusst in einigen Fällen bestimmte Automatismen. Die Linie ragt, wie ihr Pendant im Straßenverkehr, mehrere Millimeter hervor und wurde mit lösemittelfreier Farbe und Reflexperlen besetzt (siehe: »Typ-II-Markierungen«). Im Treppenhaus wird die Reflexion durch das hereinfallende Tageslicht und die vorhandene Beleuchtung beeinflusst. Innerhalb eines abgedunkelten Raumes kann der Betrachter mittels eines Lärmschutzkopfhörers, auf dem ein Licht angebracht wurde, die Reflexion selbst steuern.
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Zeichnung: Juliane Mahler
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Mal Schauen Im Rahmen des Neustädter Kunstfestes 2011 entwickelten Studierende des Institutes für Kunstpädagogik der Universität Leipzig eine site specific performance, die sich mit der kulturellen Umstrukturierung des Leipziger Stadtteils Neustadt-Neuschönefeld auseinandersetzte. Die öffentliche Aktion sollte eine Möglichkeit für Blickund Perspektivwechsel zwischen den Einwohnern und den ortsfremden Kunstpädagogen bieten. Die site specific performance entstand im Kontext des Seminars »Performance« im 4. Semester des Studiengangs B.A. Kunstpädagogik an der Universität Leipzig, angeleitet von Frau Dr. Ines Seumel. In dem fünf-tägigen Blockseminar wurden die Studenten an den kunsthistorischen Hintergrund, die facettenreichen Methoden und die Entstehung eines performativen Bildes herangeführt. Das Performance-Konzept sah einen Austausch von Fensterplätzen zwischen den Studenten im Pöge-Haus und den Einwohnern des gegenüberliegenden Wohnhauses vor und trug den Titel »Mal schauen«. Durch die parallele Ansicht beider Hausfronten sollte ein ephemeres Sinnbild dafür geschaffen werden, dass eine Gruppe die Ansicht(en) der jeweils anderen für eine kurze Zeit einnehmen könne. Jeder Student sollte eine (Fensterplatz-)Tauschpartnerschaft mit einem der Bewohner eingehen. Es war geplant, dass sich alle Beteiligten zu einem festen Termin zwischen den beiden Häusern treffen, damit die jeweilige Schlüsselübergabe stattfinden kann. Um die Bewohner genügend über das Vorhaben zu informieren, fertigten die Studenten zunächst einen Flyer an, der über den Inhalt der Per-
formance aufklären und mit einer Grafik die performative Szene visualisieren sollte. Leider reagierten die Bewohner des Nachbarhauses nicht auf den Flyer und es erschien kein einziger interessierter Neustadt-Bewohner zum vorgeschlagenen Termin zur genaueren Absprache des Vorhabens. Die enttäuschten Studenten verließen den Platz, wissend, dass ihre Idee auf keinen fruchtbaren Boden gefallen war und auch keine Neugier geweckt hatte. Dennoch provozierten die aufkommenden Fragen, wie: »Welche Aussagen verbergen sich schon jetzt hinter dem Nichterscheinen? Was haben wir bei dem Konzept missachtet?«, einen entscheidenden Impuls. Es sollte an der Idee festgehalten und versucht werden, diese neue Ausgangsposition in die anstehende Performance zu integrieren. Mit Teekannen und Decken ausgestattet saßen die jungen Leute im kleinen Kreis auf dem Kirchplatz. Nach und nach begaben sich die Akteure in das Pöge-Haus und erschienen mit farbigen Kissen an den Fenstern. Vom gut gefüllten Marktplatz aus ließ sich das Bild der Studenten an den Fenstern bestens beobachten und löste einen kurzen Moment des Erstaunens aus. Das Nachdenken seitens der Passanten über diese Formation war geglückt. Trotz der neuen Ausgangssituation ist es den Studenten gelungen dieselbe Botschaft zu vermitteln: das Warten. Die Performance wurde gefilmt und später in der Ausstellung auf einem Bildschirm gezeigt. Dozentin: Dr. Ines Seumel
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Das Ausstellungsanliegen ist es, einen Ausschnitt der Produktkultur des späten 19. bis 21. Jahrhunderts seriös, dabei aber spielerisch und mit einem Augenzwinkern zu präsentieren. Artefakt (aus lat. ars (ursprgl.) »Bearbeitung« und facere »machen, her-stellen«) bezeichnet in der Archäologie einen von Menschen hergestellten Gegenstand. Das Artefakt, das Ausstellungsobjekt, drückt eine Botschaft aus, die mit den eigenen Interessen der Ausstellenden, deren Vorlieben, Haltungen, Engagements zu tun hat. Dem Artefakt kann aber auch eine fiktive Geschichte angedichtet worden sein, die ein Credo oder die persönliche Haltung zu einer Sache künstlerisch vermittelt. Philosophische Hintergründe
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und Literaturverweise können die Beschreibung der Ausstellungsstücke abrunden. Die Ausstellung findet in einem realen Raum des Pöge-Hauses für die Dauer von «Kunst am Markt» statt. Im ausliegenden Katalog können die Hintergründe zu den Artefakten nachgelesen, aber auch mittels QR-Code auf mobilen Geräten abgerufen werden – der QR-Code als Brücke zwischen realer und virtueller Ausstellung. Die ArtefaktePräsentation im Internet ist in den nächsten Jahren 24 Stunden täglich geöffnet. Die virtuelle Ausstellung ist ein Experiment: Gruppenstruktur und Vernetzung sollen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit für sie erzeugen und viele Besucher auf der Website begrüßen. Die Zugriffszahlen auf
die virtuelle Ausstellung werden verfolgt. Das Ausstellungsprojekt kann bei allen Beteiligten zu Erkenntnisgewinnen in verschiedenen Bereichen führen: Ideenfindung, Suchen und Sammeln, Entwicklung und Formulierung einer künstlerischen Geschichte, Grundlagen der Fotografie, Objektfotografie, Portrait, Grundlagen des Webdesign, Arbeit mit Gestaltungskonstanten, Modellbau, Werbegrafik, Visualisierung einer eigenen Identität und Umsetzung auf einer Website, Bewerbung der Ausstellung über soziale Netzwerke. www.uni-leipzig.de/wunderkammer/ artefakte Dozenten: Prof. Andreas Wendt, Dr. Roland Meinel
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Die Unmöglichkeit von Zeit im leben eines jungen Vaters Der Künstler arbeitet sich quer durch Materialien und Genregruppierungen. Leitfaden der einzelnen Werke und Projekte sind einfache Grundideen. Beispielsweise die Idee des bewussten Erblickens des Todesengels anhand der biblischen Metapher des Esels in der Geschichte des Bileam. Ihre versuchte Darstellung geschieht nicht durch illusionistische Malerei, sondern durch eine plastische Verkörperung, also eine Gestaltwerdung der Idee. Die Alltäglichkeit der Materialien (Karton, Stoff, etc.) betont die eigentliche Unmöglichkeit des Unterfangens, mit dem Profanen das Ideale aufzuzeigen, ... Teembossespinsteen ist ein Sound/
Performanceprojekt und eigentlich nur ein Rahmen. Ein Rahmen, der dazu dient, unmittelbar auf Gelegenheiten reagieren zu können; der sich Situationen und Ideen anzupassen vermögen: Eine halbe Stunde improvisierter Klang-Handlungen, deren Thema durch ein Anhängsel am Titel bezeichnet wird. Zum Beispiel die Tatsache und die Idee der Abwesenheit. Und eine einfache Idee, um die komplizierte Frage des Lebensunterhaltes anzugehen. 10 Euro im Monat kaufen dem Mäzen zweimal im Jahr ein Exemplar einer nur für Projektteilnehmer erhältlichen Druckedition. Zum Beispiel drei Holzstiche, deren Stöcke aus Birnenholz aus dem Garten der Großmutter bestehen, die drei Kindheitserinnerungen an eben diesen Garten in eine Darstellung übersetzen. http://www.alexanderschneider.net
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XXL-Posterdruck, überlebensgroße Prints an Wänden, Bilder auf Acryl aufgezogen, Fotobücher mit einem Click - mit immer höherem technischem und kompositorischem Aufwand werden heute Bildinhalte den Betrachtern förmlich entgegengeschleudert. Die Intimität des Bildes ist der Befriedigung unseres ureigenen Voyeurismus jeglicher Couleur zum Opfer gefallen. Die Reduktion auf das kleinste betrachtbare Medium, den Kleinbildfilm, zwingt den Betrachter, auf das Bild zuzugehen, sich ihm anzunähern und ähnlich dem Blick durchs Schlüsselloch eine intime Beziehung zum Bildinhalt aufzunehmen. http://www.christiantell.de
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Laslo Antal und Lidija Andonov
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http://www.sixthjunemusic.com
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*1975 Kabul / Afghanistan
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http://www.lailasahrai.de
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Kuratiert von Thorsten Hinz in Kooperation mit dem Bund mitteldeutscher Grafikdesigner (BmG) und Jochen Fidler. Das Plakat spielt zwar heutzutage eher eine marginale Rolle als Werbemedium, gewinnt aber zunehmend durch die authentisch künstlerische Handschrift an Bedeutung in der Kunst. Im Rahmen der Aktion wurden an zugemauerten und verschlossenen Fenstern des Stadtteils mit Unterstützung von Jugendlichen aus dem Quartier Plakatentwürfe interna-
tionaler Künstler zu virulenten globalen gesellschaftspolitischen Themen plakatiert. Ihr ästhetischer Mehrwert transportierte nicht nur soziale, gesellschaftliche und politische Botschaften, sondern erzeugte zugleich auch eine künstlerische Umwertung der Orte. Die unmittelbaren und nicht vorhersehbaren Reaktionen bzw. Eingriffe der Bewohner und zufälligen Betrachter sind Bestandteil des Konzepts und als emotionaler Ausdruck auf eine künstlerische Intervention zu verstehen - als unmittelbare Auseinandersetzung.
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2012 Phase 4: NEU – STADT – TEIL – SEIN Die subversive Eroberung des Außenraumes durch die Kunst ist als Street Art bekannt. Dass Street Art mehr ist als Graffiti an Wand oder Boden, demonstriert das zentrale Projekt urban knitting am Neustädter Markt. Urban knitting (urbanes Stricken) ist eine besondere Spielart des Graffito, bei der alltägliche Gegenstände des öffentlichen Raumes (Parkschilder, Poller, Laternen, Bänke, Bäume, Fahrradständer, etc.) bestrickt werden. Ziel der zumeist weiblichen Aktionskünstler ist die Rückeroberung öffentlicher Plätze als wohnliche, gastliche Orte und somit als Heimat für Gastgeber und Gäste. Der direkte Einbezug der Bewohner des Viertels Neustadt-Neuschönefeld und ihres Lebensraumes machte alle Beteiligten zu Komplizen der Kunst. Über direkte Ansprache und Pressemitteilungen in Neustädter Markt Journal und lokalen Zeitungen wurden generations- und kulturübergreifend Strickaktivisten (sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen) geworben. Das Handstricken als global praktizierte Technik und Kunstform war ein geeigneter Anlass, sich über die Sprache der Kunst, ihre ästhetischen Werte und gesellschaftsrelevanten Probleme auszutauschen und Verständnis füreinander zu entwickeln. Die Dialektik des Graffito als Kunst und seine vielfältigen Ausdrucksformen wurden in der Ausstellung im und am PögeHaus beleuchtet. Fassade und Fensterverkleidungen wurden zu Bildträgern kraftvoller und subversiver Ansprachen an ein erweitertes Publikum. Das Graffito als globales, zeitgenössisches Kunstwerk, d.h. als politisch motivierte Ausdrucksform von Gegenwartskünstlern, seine Spezifik und mögliche Lesarten war auch Bestandteil der Ausstellung im Haus. Mehrere Kabinette waren Ateliers in situ und zugleich Werkstattraum für Ausstellungsbesucher, deren produktive Inszenierung zur Herstellung eigener künstlerischer Graffiti motivierte. Die teilweise kunstfremden Teilnehmer wurden praxisbezogen mit grundlegenden Formen und Techniken vertraut gemacht, die den Charakter des Graffito als dekorative Inschrift mit gesellschaftlich-politischer Aussage und als Bestandteil der Gegenwartskultur darlegten.
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kunst am markt 2012 Modul »Konzeptuelle und kontextuelle künstlerische Praxis« Dozenten: Wilfried Huy / Verena Landau Modul »Präsentation und Vermittlung künstlerischer Leistungen« Dozenten: Dr. Roland Meinel / Verena Landau Ausstellung »Neustädter Fundstücke« Modul »Künstlerische Arbeit mit modernen Medien im Kontext der Kunstpädagogik« Dozenten: Dr. Roland Meinel / Prof. Andreas Wendt An die Themen des vergangenen Jahres anknüpfend, standen im Sommersemester 2012 die aktuellen Entwicklungen im Stadtteil Neustadt im Zentrum. Durch die derzeitigen Kunstprojekte, Wächterhäuser, Genossenschaften etc. ist bereits ein Aufwertungsprozess der Stadtviertel Neustadt– Neuschönefeld, Volkmarsdorf und Bülowviertel im Gange. Begriffe wie Partizipation und Integration, die in der Sprache von Stadtentwicklungsplänen, aber auch in aktuellen Diskursen von Vermittlungskunst und Kunstvermittlung oft überstrapaziert werden, werfen Fragen auf: Welche Rolle spielen Kulturschaffende, bürgerliches Engagement, Subkultur bzw. Ju-
gendkulturen in den Veränderungen eines Stadtteils? Wie reagieren die unterschiedlichen hier lebenden Bevölkerungsgruppen, junge und alte Menschen, Migranten und alteingesessene Neustädter, studentisches Milieu und Sozialleistungsempfänger darauf? Wie stark ist die Identifikation der Bewohner mit ihrer Neustadt? Welche Situationen lassen sich beobachten, künstlerisch erforschen und visualisieren und welche Situationen können künstlerische Eingriffe erst herstellen? Der Titel für das diesjährige Ausstellungsprojekt lautete: NEU — STADT — TEIL — SEIN Eine Auseinandersetzung mit der NEUSTADT, mit dem NEUartigen und dem NEU-SEIN im STADT-TEIL, mit dem Bedürfnis nach kultureller TEILhabe und dem TEIL-SEIN im Sinne einer lebendigen und lebenswerten STADT bildete den Nährboden für individuelle konzeptkünstlerische bzw. kontextbezogene Arbeiten. Frei gestellt war, ob die Umsetzung in eine bildnerische oder installative Arbeit im Pöge-Haus mündet oder ob eine Intervention im Stadtteil realisiert und dokumentiert wird. Vermittlungsprojekte konnten Teil der Arbeit sein oder im Modul »Vermittlung und Präsentation« an eigene sowie andere Arbeiten anknüpfen.
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Ruhe bitte Ton- und Videoinstallation Die Installation »Ruhe bitte« ist in zwei Themen und Orte aufgeteilt. Beim Eintreten in die Ausstellung begegnen die Besucher der Installation: über einen Lautsprecher am ersten Treppenabsatz im Treppenaufgang werden die eigenen Schritte beim Betreten der Stufen akustisch verstärkt, die analog auf einen Monitor im Treppenhaus projiziert werden, so dass man sich beim Heraufsteigen von hinten darauf sieht. Die Arbeit dient der Verstärkung und dem Sichtbarmachen von Verhaltensweisen und -regeln. Dadurch erhoffe ich mir unterschiedliche Reaktionen. Zum Beispiel kann die Regel auf dem Hinweisschild vor dem Aufgang »Ruhe bitte!« eingehalten oder gebrochen werden. Sie ist mit der Möglichkeit verbunden, eingreifen zu können, d. h. durch lautes Verhalten zu stören, oder die Regel einzuhalten, indem
man sehr vorsichtig geht. Den Besuchern wird eine zentrale Bedeutung zugewiesen, die Wichtigkeit des/der Einzelnen wird unterstrichen und soll sein bewusstes Bewegen und Verhalten stimulieren. Bei vielen lauten Schritten auf der Treppe geht der/die Einzelne wieder unter und die Gruppe tritt in den Vordergrund. Die Wichtigkeit des/der Einzelnen und das lautstark Bedrohliche einer Gruppe kommen abwechselnd zum Tragen. Auf dem Monitor verschiebt sich die Situation: Der Besucher wird zum Voyeur der eigenen Erscheinung. Versucht man im Reflex, die Kamera zu finden, die man beim Heraufsteigen nicht bemerkt hat? Entstehen Hemmungen, wenn man weiß, dass man beobachtet wird? Die veränderte Wahrnehmung der eigenen Bewegungen und die Konfrontation mit dem eigenen Auftreten sollen Anreiz geben, sich bestimmte Verhaltensweisen bewusst zu machen.
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hin/gegen Rauminstallation / Performance (60 Minuten an 9 Tagen) Ich betrete einen weiß gestrichenen Raum mit porösen Wänden; die hintere Ecke ist gefüllt mit Watte; in den anderen drei Ecken stehen Ventilatoren; sie erfüllen den Raum mit einem stetig ratternden, surrenden Geräusch; die Ventilatoren bewegen ihre Köpfe hin und her; ich setze mich mit dem Rücken zur Watte in die Mitte des Raumes; die Ventilatoren sind auf mich gerichtet; ich habe 200 Gramm Watte auf meinem Schoß liegen; ich zupfe kleinere Teile ab und gebe sie in den Raum; manche Flöckchen bleiben auf dem Boden liegen, einige verbleiben an meiner Kleidung; die Ventilatoren wehen die restliche Watte umher; der Großteil der Watte sammelt sich in der hinteren Ecke am Fenster hinter mir; ich sehe nicht, was hinter mir passiert; ich pflücke weiter; ich zerpflücke; ich bleibe die ganze Zeit an der selben Stelle sitzen; die Luft im Raum ist kalt; ich pflücke weiter und der Raum füllt sich immer mehr mit Watte; die Watteflocken werden umhergepustet und bilden größere Wattehaufen; ich pflücke weiter; immer mehr Watte bleibt hinter mir liegen; ich pflücke weiter bis keine Watte mehr auf meinem Schoß liegt; ich versuche die an mir haftende Watte abzustreifen; es gelingt mir nicht; ich stehe auf; ich stelle die Ventilatoren um, und richte sie auf die hintere Ecke des Raumes; ich verlasse den Raum. Das Verhältnis zwischen Warten, Entscheiden und Handeln in einem sich ständig verändernden Kontext bildet die Grundlage für die Performance. Die Arbeit mit der Materie und das Agieren im Raum ordnen dieses Verhältnis stetig aufs Neue.
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in/zwischen Rauminstallation / Performance (60 Minuten an 9 Tagen) Ich betrete einen schwarz gestrichenen Raum; der Raum wird nur durch das Licht der beiden Türöffnungen beleuchtet; an der Decke in der Mitte des Raumes hängt ein schwarzer Eimer; im Boden des Eimers ist ein Loch, aus dem feiner Staub fließt; dieser Staub füllt allmählich das Zentrum des Raumes; in der hinteren Ecke des Raumes befindet sich ein Haufen mit Schutt, der dem Haus entstammt; vor dem Haufen liegen eine Schaufel, ein Sieb, eine Atemmaske, eine Schutzbrille und ein schwarzer Hocker; ich setze Brille und Maske auf und stelle den Hocker unter den hängenden Eimer; ich nehme den Eimer herunter und stelle ihn in die Mitte des Staubberges; ich fülle das Sieb mit Schutt; ich siebe das Material in den schwarzen Eimer; ich kippe das im Sieb verbleibende Material in die gegenüberliegende Raumecke und fülle das Sieb erneut; ich vollziehe diese Handlung bis der Eimer gefüllt ist; ich stelle den Hocker vor den Eimer; ich hänge den sich nun erneut leerenden Eimer an die Decke; ich setze Brille und Maske ab und lege die Utensilien nebeneinander vor den Schutthaufen; ich halte die Hand in den Sandstrahl; ich verlasse den Raum. Das Verhältnis zwischen Warten, Entscheiden und Handeln in einem sich ständig verändernden Kontext bildet die Grundlage für die Performance. Die Arbeit mit der Materie und das Agieren im Raum ordnen dieses Verhältnis stetig aufs Neue.
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In der Fremde Zuhause Typografische Visualisierung (Eisenbahnstraße) Leipziger Eisenbahnstraße – bunt, kulturell, politisch und wirtschaftlich. Unterschiedlicher könnte eine Straße nicht sein. Fast scheint es, als spräche man an jeder Ecke eine andere Sprache. Viel hat sich getan im Neustädter Viertel. Vergangene Erscheinungsklischees der Eisenbahnstraße sind längst überholt. Stattdessen konzentriert man sich auf ein kulturelles Miteinander Jener, die dort ein Zuhause gefunden haben. Ich erkenne an, wer du bist, woher du kommst, was du gelernt hast, ob du es mit mir teilen möchtest, welche politische Meinung du vertrittst oder welchen Glauben du besitzt. Meine Arbeiten stellen nicht nur Koexistenz dar, sondern auch die Erfahrung einer multikulturellen Gemeinschaft. Ob vor einem Jahr angekommen oder schon seit acht Jahren »daheim«, man hat sich ein Zuhause geschaffen. Welche Rolle spielt dieses gemeinsame Gefühl, in der Fremde zuhause zu sein? Eines wird schnell deutlich, in der Eisenbahnstraße ist immer was los und man kennt sich dort. Durch den multikulturellen Charakter entsteht eine Einzigartigkeit, die man nur schwer in anderen Leipziger Vierteln finden kann. In der Fremde zuhause – wirft Fragen und Themen auf, die ich nicht diskutieren möchte, vielmehr soll der Besucher mit Hilfe typografischer Anordnung im Raum selbst entscheiden, wie er sich darauf einlässt. Der Anfang des Satzes ist nicht kulturell, intelligent oder intellektuell, er steht für sich und kann deswegen nicht verurteilt werden. Eine Untersuchung basierend auf einer Dokumentation des Leipziger Ostens.
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Die Farben der Neustadt Gouache auf Wand An der 16. Mittelschule befragten wir die Jugendlichen aus den 7. bis 10. Klassen, welche Farbe ihrer Meinung am besten zur Neustadt passt. Von »Matschfarben«, die zu diesem »dreckigen« Stadtteil passen, bis zu »alle Farben«, weil die Neustadt kunterbunt ist, wurden alle auf unserem Farbstreifen befindlichen Farben genannt. Dominierend ist marineblau, gefolgt von cyan und hellgrün. Diese Auswertung der Farben bringen wir – entsprechend der Nennungen – in einem quadratischen, schachbrettartigen Raster an die Wände. Der Raum soll so unauffällig wie möglich sein, damit die Farben wirken können. Den Besuchern soll das aufgebrachte Raster einen Anreiz geben, ihr Zeichen mit ihrer gewählten Farbe zur Neustadt im Pöge-Haus zu verbreiten und somit ihr eigenes Quadrat zu hinterlassen. Unsere Malerei soll zur Diskussion über die Neustadt anregen. Persönliche Eindrücke von Bewohnern der Neustadt, aber auch von Besuchern des Kunstfestes, für die der Stadtteil eventuell neu ist, treffen aufeinander. Warum wählt man welche Farbe? An welchen Aspekten der Neustadt orientiert man sich? An den vorhandenen Farben, an den Menschen oder an einem Gefühl? Und wo positioniert man sie? Ist es
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unbedeutend oder kommt nur eine bestimmte Stelle in Frage? Die Betrachter werden Akteure, sind ein aktiver Teil des Kunstfestes und des Stadtteils. Sie führen die malerische Visualisierung der Umfrage weiter und verbreiten sie von unserem Raum ausgehend. Das Medium Farbe ist somit ein Nährboden für den aktiven Austausch unter den unterschiedlichen Besuchern.
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Glashaus Rauminstallation Wenn man als Besucher durch die Neustädter Straßen abseits der belebten Eisenbahnstraße läuft, trifft man nur selten auf »Einheimische«, aber man hört sie: durch die offenen Fenster dringen Musik und Gespräche in den Außenraum, die neugierig machen. Um das Viertel besser kennenzulernen und ein Stück weit am Leben teilhaben zu können, erdachten wir uns die Utopie, alle Außenwände der Häuser durch Glas zu ersetzten. Im Raum soll das Gefühl erzeugt werden, dass man sich in einem Straßenzug der Neustadt befindet. Dieser Effekt wird durch die panoramaartig angebrachten Fotos einer Häuserzeile geschaffen und durch den langen, schmalen Raum verstärkt. Die Abbildungen sind unscharf, um den unwirklichen Aspekt unserer Idee zu visualisieren und dem Betrachter kein vorgefertigtes Bild zu geben. Vielmehr wird er durch diese Darstellung dazu angeregt, sich in die Situation hineinzuversetzen und sich sein eigenes Bild zu machen. Oberhalb der Häuserzeile ist ein Schriftzug angebracht, welcher den Grundgedanken der gläsernen Transparenz aufgreift. Im vorderen Bereich des Raumes finden sich im Vorfeld gemachte Äußerungen von Bewohnern der Neustadt zu dieser Imagination. Schon bevor der Besucher den Raum betritt, wird er durch ein Bauschild auf die Thematik aufmerksam gemacht. Wenn sich der Besucher auf das gedankliche Experiment einlässt, kann er die primäre Botschaft Transparenz weiterführen und auf andere Bereiche übertragen.
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Die Studierenden der Kurse System-Design und Digitale Medien/ Websitegestaltung übernehmen eigenverantwortlich alle Aufgaben der visuellen Kommunikation des Projekts – in enger Absprache mit dem Seminar »Konzeptuelle und kontextuelle künstlerische Praxis«, Bachelor (außerschulisch), 4. Semester. Die Aufgaben werden arbeitsteilig in kleinen Gruppen bewältigt. Mit dem Teilprojekt »Neustädter Fundstücke« und verschiedenen Übungen wird ein Ausstellungsbeitrag für das Pöge-Haus am Neustädter Markt erarbeitet. Ausstellung »Neustädter Fundstücke« Das Ausstellungsanliegen ist es, einen historischen Blick auf die
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Leipziger Neustadt zu werfen und damit einen Einstieg in das Projekt »NEU – STADT – TEIL – SEIN« zu bieten. Die Erkenntnisse werden im Internet und in einer realen Ausstellung präsentiert. Das Fundstück, das Ausstellungsobjekt, kann Ausdruck eigener Interessen, Vorlieben, Haltungen sein. Hauptsächlich soll es aber einen Ausschnitt aus der Geschichte der Leipziger Neustadt illustrieren. Philosophische Beschreibungen und literarische Fußnoten runden die Beschreibung des Ausstellungsstücks ab. www.uni-leipzig.de/wunderkammer Dozenten: Prof. Andreas Wendt, Dr. Roland Meinel
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TraumRaum Der Workshop »Traumraum« war eine Zusammenarbeit mit dem Buchkinder e.V. und wurde in Form einer offenen Druck-, Schreib- und Zeichenwerkstatt durchgeführt. Das Angebot richtete sich an Kinder und Jugendliche im Alter von 4 bis 18 Jahren. Alle Teilnehmer hatten zur Aufgabe, sich in vier Arbeitsschritten mit dem großen Leerstand in der Leipziger Neustadt auseinanderzusetzen. Es galt, die unbewohnten Häuser mit ihren Fantasien und Wünschen zu füllen und somit neu zu beleben. Die erste Arbeitsphase des Workshops diente der Ideenfindung. Impulse dafür konnten während eines kurzen Spaziergangs entlang beispielhafter Häuser in Begleitung eines Kursleiters gesammelt werden. Anschließend brachten die Kinder und Jugendlichen ihre Ideen und Gedanken in Zeichnungen und Linoldrucken zu Papier. Im dritten Arbeitsschritt beschrieben sie ihre Drucke bzw. Zeichnungen anhand kurzer Texte, oder sie erfanden kurze Geschichten zu ihren Bildern. Alle Werke der kleinen Künstler wurden abschließend in einer Ausstellung dem Publikum gezeigt und – ganz in Buchkindermanier – zu einem Büchlein zusammengefasst.
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Street art Geht man mit offenen Augen durch die Straßen der Städte, kann man immer wieder neue Arbeiten der Street Art, deren wohl größtes Merkmal die Vergänglichkeit ist, entdecken. Der Witterung oder anderen Umständen (Abreißen, Überkleben, Übermalen, etc.), ausgesetzt, geben die Künstler ihre Arbeiten in den öffentlichen Raum ab. Sie reagieren auf ihre Umwelt, beziehen substanzielle Gegebenheiten in ihre Arbeit ein, möchten teilhaben an der Gestaltung ihrer Umgebung und den öffentlichen Raum auf ihre Weise erobern. Doch was ist Street Art? Was macht Street Art aus? Dieser Workshop gibt den Teilnehmern Einblick in die Szene, soll anstoßen, befreien, zum Hinschauen anregen und für mehr Akzeptanz in der Öffentlichkeit werben. Vorgehen Zuerst gibt es einen kurzen Exkurs zur Entwicklung der Street Art. Die Teilnehmer erhalten Einblick in die aktuelle Street Art-Scene anhand diverser Beispielkünstler. Unterschiedliche Stile und Herangehensweisen an die Kunst werden erklärt, um so das Verständnis und die Akzeptanz für verschiedenste Arbeiten im öffentlichen Raum zu fördern. Dann wird die Aufteilung der Räume erläutert: Raum D – Raum Digital: Für Arbeiten am Computer und Beamer. Raum A – Raum Analog: Für das Arbeiten mit dem Trägermaterial. Die Schablonen werden hier geschnitten und gemalt oder gesprüht. Raum M – Raum Material: Hier sind die Trägermaterialien und Farben gelagert.
Im Anschluss wird beispielhaft das Erstellen einer Schablone in den Schritten vom Originalbild hin zum fertigen Stencil erläutert. Danach wird gemeinsam in einem Brainstorming ein Konzept zu einem bestimmten Thema entwickelt. Alle Teilnehmer sind aufgefordert, ihre Gedanken zu äußern und zur Unterstützung des Ideenfindungsprozesses gut sichtbar aufzuschreiben. Anschließend ist Zeit, im Internet nach möglichen Bildvorlagen zur Bearbeitung zu suchen. Das gefundene Bildmaterial wird in der Gruppe besprochen. Alle können sich zu den Motiven, ihrer Komposition und Positionierung im Raum sowie der farblichen Gestaltung äußern. Jetzt werden die Motive im Bildbearbeitungsprogramm entsprechend der Vorstellung des Teilnehmers zum Schablonenmotiv weiterverarbeitet. Nach Fertigstellung durch die entsprechende Software wird das Motiv mittels Beamer auf die Wand und das daran angebrachte gewählte Trägermaterial projiziert. Das Bild kann so mit einem Marker ganz einfach nachgezogen und daraufhin mit einem Skalpell, einem Cuttermesser oder einer Schere ausgeschnitten werden. Nach dem Schnitt kann die fertige Schablone im Raum A aufgemalt oder auch gesprüht werden. Danach hat jeder Teilnehmer die Möglichkeit, sein an die Wand gebrachtes Motiv frei nach seinen Vorstellungen und Fähigkeiten zu vervollständigen, zu verändern oder zu beenden – falls noch nicht erfolgt. http://www.farbklexs.de
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Jolly Fellow
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La Bohème
GAB
Lower Idiots 25
Minka Idiots 25
Martin
http://www.ibug-art.de
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140 bpm (Elektronische Musik und Clubs) Fotografien aus der goldenen Zeit der Techno-Bewegung und vor ihrer Kommerzialisierung. Die drei Werkgruppen beziehen sich auf das Innen und Außen bzw. die Erscheinung, die DIY Kultur und auf einige Drogen. Der Anspruch vollständig zu sein, kann nicht eingelöst werden, also werden exemplarische Orte und Dinge gezeigt. Die Clubs sind exemplarische, temporäre, legendär gewordene Räume in Berlin: Der Tresor Club, das WMF, die Maria am Ostbahnhof. Die Ära der kleinen Clubs bzw. Underground Locations ist vorbei, mit der Gentrifizierung von Stadtteilen fiel die Freiheit, temporäre Räume in alten Häusern, Fabriken
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und Kellern zu bespielen. Die T-Shirt Serie zeigt die Symbolkraft von Dingen: Es sind von Freunden und Bekannten gestaltete und auf Rave oder Partys getragene Sachen, beispielsweise mit dem Motiv »No Fear«, aber auch die ersten Shirts mit doppeldeutigen Namen wie »Mecca Germany« oder »Sabotage«. Die Fotografien Luftballons stehen symbolisch für den unbegrenzten Spaß als auch für das Erwachsenwerden der Technomusik. Es sind von der Loveparade 1999 aufgelesene Luftballons, die mit Helium gefüllt waren. Das nunmehr luftlose, mit Zeichen und Schrammen versehene kleine Stück Gummi erfährt in der Fotografie durch die technische Brillanz und Ausleuchtung eine Mehrdeutigkeit sowie eine
Aufladung und Überhöhung. Die Federboa, das Eintrittsband der Loveparade und der kleine Lippenstift erscheinen als nahezu museale Artefakte für Schönheit, Hedonismus, Party, Zugangscodes und Kennzeichnung. Das abgebildete rosa Bändchen erinnert an Neugeborene, die im Krankenhaus ein solches an den Arm bekommen, nur dass auf diesem statt des Namens der Slogan »No Limits« steht. Die Federboa hat schon bessere Zeiten erlebt, und der Lippenstift scheint eine Anspielung auf die 80er Jahre zu sein. Alles hat seine Zeit, alles ist vergänglich, aber den Zeitpunkt dieser Vergänglichkeit bestimmen wir selbst. http://www.marek-brandt.de
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Unbekannte Himmelsrichtung Drei Foren ergründen ein Stadtgebiet, das in der emotionalen Geografie der Stadt eine Sonderrolle einnimmt. Ein vorläufiges Fazit An einem Juniabend 2010 tritt im Offenen Freizeittreff Rabet eine Runde zusammen, um über den Leipziger Osten zu sprechen. Vorsichtiges Einkreisen eines Areals, das in der emotionalen Geografie der Stadt einen Sonderstatus einnimmt: Es ist Projektionsfläche für kreative Hipster genauso wie No-go-Area für Ängstliche, ohne dass jemand eine verlässliche Aussage darüber treffen könnte, ob die Gentrifizierungskarawane den Stadtteil je wird überformen können. Was ist der Osten? Wo beginnt und wo endet er? Die Runde auf dem Podium bestimmt die Koordinaten eines Gebiets, das sich weder geografisch noch in seinen Rollen leicht fassen lässt. Grafikdesignerin Susan Baldermann stellt ihr narrativ-geografisches Projekt »Entdecke die Eisenbahnstraße« vor. Kornelia Ehrlich vom Leibniz-Institut für Länderkunde erklärt, was Geografie und Kreativwirtschaft miteinander zu tun haben. Stefan Heinig vom Stadtplanungsamt setzt den Leipziger Osten in den Kontext seiner Arbeit im Rathaus. Von Andreas Kaufmann, Stadtentwickler, Stadtbeobachter und Anrainer des Rabet, kommt der Abgleich zwischen Theorie und alltäglichem Leben: Ja, die Lebensqualität im Viertel steige. Zur Heterogenität, die das Viertel
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interessant mache, sagt er, gehören aber immer noch die benutzten Spritzbestecke der Drogenabhängigen auf Brachen und in Hinterhöfen. Thorsten Hinz, Gastgeber der Runde, erläutert, wohin die Reise mit dem Pöge-Haus gehen soll. Das Atelierhaus und der Neustädter Markt sind da beinahe noch ein Geheimtipp auf der Leipziger Kunstlandkarte. Ein Modebegriff und seine Grenzen Ein Jahr später, abermals im Rabet, diskutieren der Architekturkritiker Wolfgang Kil, der Grünenpolitiker Jürgen Kasek, Thorsten Hinz und die Künstlerin Verena Landau über die Frage »Künstlerhäuser und Ihre Bedeutung für die Stadtentwicklung: Chance oder Fluch?«. Dahinter verbirgt sich die Auseinandersetzung mit dem Begriff »Gentrifizierung« und seiner Anwendbarkeit auf den Leipziger Osten. Die Ortsansässigen im Publikum winken ab: Bevor es zu Verhübschung und Verdrängung im Stadtteil komme, würden noch einige Häuser in sich zusammenfallen und weitere Straßenzüge verwaisen. Oder doch nicht? Das Pöge-Haus ist zu dieser Zeit dabei, sich zu konsolidieren. Und unterhalb der akademischen Auseinandersetzung mit dem G-Wort wissen Raumpioniere und Immobilienentwickler doch schon, wo es in der Stadt weitergeht, wenn der Westen einmal voll sein wird. Auf gute Nachbarschaft Für das dritte Forum Kreativwirtschaft, im Juli 2012, steigen die Podiumsgäste in die Krypta der Heilig-Kreuz-Kirche
am Neustädter Markt hinab, um über »Kirchen als Kulturakkumulatoren« zu sprechen. Gentrifizierung und Kreativwirtschaft: Die Schlüsselbegriffe der ersten beiden Foren wirken inzwischen abgenutzt. Letzterer hat seine Grassroots-Anmutung verloren und steht fest auf der Agenda der amtlichen Wirtschaftsförderer. Der andere Begriff ist ein Reizwort in den Stadtentwicklungsdebatten, hat aber für den Leipziger Osten – noch? – kaum Bedeutung. Die Teilnehmer des Forums sprechen in dieser dritten Runde ohnehin lieber über Konkretes: darüber, wie eine Kirche, die viel zu groß für den Stadtteil geworden ist, ihm auf die Beine helfen kann. Axel Schneider, Mitglied im Vorstand der Heilig-Kreuz-Gemeinde, beschreibt die schwierige Situation seines Hauses und vergleichbarer Kirchen in den angrenzenden Stadtteilen angesichts weniger und älter werdender Gemeindemitglieder. Eine Öffnung hin zur Soziokultur, die Rita Werner vom Kulturamt als alternative Nutzungen für nicht ausgelastete Kirchen ins Gespräch bringt, kann er sich vorstellen, solange deren Hauptaufgabe, Orte für Gottesdienste zu sein, nicht infrage gestellt werde. Henry Hufenreuther weiß als Kopf des Bürgervereins Neustädter Markt e.V. und als Gemeindemitglied um die Doppelrolle der Kirche als religiöse wie städtebauliche Landmarke, und Andreas Kaufmann führt den Besuchern der Krypta vor Augen, welche Parallelen zwischen Kirchen und profanen Infrastrukturen es in Stadtteilen mit abnehmender Bevölkerungsdichte und geringer werdendem Nutzungsdruck gibt.
Thorsten Hinz vom Pöge-Haus schließlich beschreibt, wie das inzwischen an eine Nutzergemeinschaft verkaufte Atelierhaus von der Kirche als Kulturort profitiert. Und dieses Mal hat sich über Stadtteil und Kreativmilieus hinaus herumgesprochen, was auf dem Forum verhandelt wird: Zwei Frauen, die sich für die kulturelle (Nach-)Nutzung der Gohliser Friedenskirche einsetzen, haben den Weg in die Neustädter Kirche gefunden. Vom unscharfen Schlagwort »Osten« über das unscharfe Wort »Gentrifizierung« zur klar benennbaren Mitte des Viertels: Der Neustädter Markt mit seiner baulichen Geschlossenheit und dem hoch aufragenden Kirchenbau empfiehlt sich an diesem vorerst letzten von drei Diskussionsabenden als ein vertrautes, identitätsstiftendes städtebauliches Modell, um das herum sich belastbare Netzwerke und Nachbarschaften entwickeln. Die alte urbane Mitte als Nukleus für die neue gesellschaftliche Mitte: Das Pöge-Haus ist verkauft und mit einer stabilen rechtlichen Konstruktion als Kunstort gesichert, die Schule gegenüber bekommt in Kürze einen neuen Anstrich. Und zur informellen Fortsetzung der Diskussion in der Gaststätte »Zur Tenne« stößt am Ende des Abends ein Fotograf hinzu. Er ist erst kürzlich in die Stadt gezogen – von Berlin-Kreuzberg nach Neustadt-Neuschönefeld. Robert Schimke
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2013 Phase 5: Wir bleiben! In welcher Art Stadt und wie wollen wir in ihr zukünftig leben? Wie definieren wir öffentlichen Raum und wer hat Zugang dazu? Das Jahr 2013 markiert den Beginn des Modellprojektes »Pöge-Haus«, welches das bislang lediglich temporär genutzte Pöge-Haus als kulturell identitätstiftenden Ort beständig macht. Pöge-Haus: Es erhält eine neue Nutzergemeinschaft und wird zum künstlerischen und gesellschaftspolitischen Zentrum für partizipatorische Strategien. Dieses entwickelt integrative kulturelle Angebote für alle Bewohner im und außerhalb des Viertels und will damit ein wichtiger und dauerhafter Bestandteil des selbstbestimmten, kooperativen und integrativen Wirkens in der Stadt sein. Als fest ins Quartier eingebundene Institution wird das neue Pöge-Haus auch einen Schwerpunkt auf Bildung und Teilhabe legen und darüber hinaus als Kompetenzzentrum für Künstler, Kunstpädagogen und Kreative beratend und unterstützend agieren. Das Pöge-Haus steht für den Mut sowie eine veränderte Wahrnehmung und Mitgestaltung des urbanen Raumes. Das Haus und seine Bewohner werden in Zukunft nicht nur kreative Chancen- und Ideenräume öffnen, sondern das im Stadtteil gewachsene bürgerschaftliche Engagement der letzten zwanzig Jahre weiterführen.
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Franziska Müller, Höheres Lehramt Kunst, 2009 Titel: »Geisterwäsche« Seminar: »Installation im Außenraum«, betreut von Tobias Rost Ausstellungsort Kunstfest 2013, Schulze-Delitzsch-Str. 27
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Wir danken allen Beteiligten! 2009 Nadine Aust, Robert Aust, Christoph Bartsch, Sabine Becker, Stefanie Böhnsch, Annina Bornstein, Claudia Bothe, Sophia Brüning, Marie-Louise Daniel, Nico Curian, Florian Dedek, Linda Dietrich, Annemarie Dietze, Anais Edely, Uwe Engelhardt, Fanny Engler, Franziska Freckmann, Matthias Frenzel, Anne Fröhlke, Funk-Soul-Blues-Formation, Katharina Gahlert, Benjamin Gladis, Florian Glaubitz, Carsten Göring, Lydia Gothe, Stephanie Gundelach, Sascha Herrmann, Martin Holz, Nicole Hotze, Stefanie Hübner, Ulrike Jäger, Yvonne Kaiser, Christina Kandlhofer, Magdalena Kaul, Ivan Kavtea, Marta Kryszkiewicz, Jenny Kuhnert, Katja Kummer, Katrin Kynast, Larissa Lackner, Dana Lorenz, Marie-Luise Marchand, Göran Michaelson, Caterina Micksch, Wenke Möller, Franziska Müller, Julia Neuber, Kori Niehoff, Diana Paul, Robert Pasitka, Josephine Raab, Tobias Rank, Anja Rohloff, Jenny Rosenberg, Tobias Rost, Constanze Sasse, Viviana Schmidt Suárez, Schwatzmaler, Michael Schweßinger, Anja Staack, Nelly Stein, Gunthard Stephan, Norbert Strahl, Ulrich Strube, Christina Sühler, Thomas Szabo, Thomas Taube, Tadeusz Tischbein, Tina Twarok, Dominik Weber, Diana Wehmeier, Katja Weimann, Bertram Weisshaar, Daniela Wiedner, Sascha Wild, Josefine Will 2010 Christin Baumann, Maximiliane Beck, Elisa Buchterkirchen, Eberhard Dorschfeld, Dramavision, Caroline Eibl, Rebecca Fleckeisen, Sophie Girwert, Ronja Guth, Kathleen Hegenbarth, Maria Hupach, Yvonne Kaiser, Ivan Kavtea, Nicole Kwiatkowski, Kristina Lammert, Anja Mannecke, Nancy Martin, Hanna Mock, Carolin Müller, Bettina Naumann, Sarah Neufeldt, Tobias Rank, Bence Rohanzsky, Simon Rosenow, Nicole Rüde, Marcus Rüssel, Christian Rug, Robert Schimke, Andrea Schumann, Gunthard Stephan, Melanie Watzlawek, Anne-Luise Weber, Felix Wenzel, Wurstbande, Sören Zweiniger 2011 Laslo Antal, Susan Baldermann, Annina Bornstein, Marlena Buczek, Alexandra Demming, Marlen Dietrich, Henrike Fischer, Falk Fiedler, Grit Fiedler, Jochen Fiedler, Ulrich Grützner, Evelyn Haack, Lisa Cathrin Hammelmann, Felix Hille, Martha Hoba, Maria Horinek, Alexander Jorden, Jenny Klein, Stephanie Koch, Ulrike Krause, Claudia Kühn, Yossi Lemel, Philipp Lein, Jean-Benoit Levy, Andrew Lewis, Juliane Mahler, Anja Mannecke, Anne-Marie Markov, Roland Meinel, Ulrike Neufeld, Tobias Rank, Christian Rug, Laila Sahrai, Henrike Schafer, Claudia Schaedlich, Robert Schimke, Henriette Schröter, Sixth June, Franziska Salomon, Alexander Schneider, Linda Schymanski, Ines Seumel, Gunthard Stephan, Ulrich Strube, Christian Tell, Lena Thomaka, Teemboosespinsteen (Alexander Schneider, Matthew Lambert, Daniel Neumann), Eva-Maria Walter, Julia Wangemann, Christine Wegner, Anne Wendrich, Andreas Wendt, Melanie Weser, Michael Wilhelm, Benjamin Wolf, Gert Wunderlich, Zamir Yushaev, Sarah Zapf, Katarzyna Zenkiewizc 2012 Jana Ahlemann, Felix Almes, Madlen Avram, Back To The Future, Anne Bastl, Maria Becker, Alexey Belavin, Blumen / Bergen, La Bohéme, Linda Böhm, Verena Böß, Marek Brandt, Lisa Breyer, Sophia Brüning, Theresa Marie Bünsour, Chaotic Sel, Christine Fehr, Jolly Fellow, Carolin Feuer, Elitsa Filcheva, Susanne Flaccus, GAB, Theresa Geißler, Frank A. Gräber, Luise Grigoleit, Isabelle Grubert, Ulrich Grützner, Ulrike Hennig, Marcus Hiebel, Elena Injia, Zarah Jung, Anna Kiethe, Christoph Knitter, Christiane Knoll, Sophia Krause, Friederike Kuhn, Judith Kurtzke, Theresa Lehnert, Lower Idiots 25, Juliane Lutter, Martin, Roland Meinel, Michaela Meyer, Zeljko Milosevic, Minka, Katja Morgenweck, Morris Lesky + Floyd + Glace One, Daniel Neumann, Ina Nitzsche, Annett Oehme, Julia Perkuhn, Sarah Pieper, Anne Prahtel, Anika Preissler, Tobias Rank, Ulrike Riemann, Katrin Röhmer, Christian Rug, Robert Schimke, Markus Schladitz, Alexander Schneider, Claudia Schulze, Laura Schumann, Bianva Seidel, Anna-Maria Sever, Julia Staatz, Gunthard Stephan, Ulrike Stolte, Yvonne Storbeck, Stricker LE, Alexandra Süß, Teemboosespinsteen (Alexander Schneider, Daniel Neumann), Michelle Tehsmer, Konrad Thalmann, Pauline Thiele, Franz Thöricht, Christian Thomas, Christopher Utpadel, Anna Walter, Andreas Wendt, Zamir Yushaev, Christian Ziller Sowie folgenden Institutionen Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW), Bernd Blindow Schule Leipzig, Buchkinder e.V., Bund bildender Künstler Leipzig (BBKL), Bund Mitteldeutscher Grafikdesigner (BmG), Bülowviertel e.V., Bürgerstiftung Leipzig, Gangart, Evang.-Luth. Kirchgemeinde zum Heiligen Kreuz Leipzig, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB), IBUg, Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig, Kulturamt der Stadt Leipzig - namentlich Rita Werner für Ihre Beratung und Unterstützung, Kulturpaten, Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Leipziger Bürgerdienst, Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig, Naomi e.V., OFT Rabet, O.S.K.A.R., Pöge Druck, SagArt e.V., Schwatzmaler, Second Attempt e.V. / Urban Script Europe Camp, Selbstnutzer Kompetenzzentrum, WANDERKINO »Laster der Nacht« Stellvertretend für alle ehrenamtlichen Helfer Stefanie Hampel, Henry Hufenreuter, Karl Krüger und seiner Truppe, Gabriele Oertel, Cornelia Römer, Robert Schroschk, Christian Tell, Hildegard Wölfel ... und vielen mehr.
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IMPRESSUM Ausstellungen 2009 bis 2012 und Katalog: Thorsten Hinz und Verena Landau mit Studierenden und Absolventen des Institutes für Kunstpädagogik der Universität Leipzig Ausstellungsorganisation: Thorsten Hinz, Neustädter Markt e.V., Verena Landau Herausgegeben aus Anlass des seit 2003 jährlich stattfindenden Kunstfestes »Kunst am Markt« und der Kunstwoche am Neustädter Markt Leipzig und der Gründung des Kultur- und Wohnprojektes »Pöge-Haus« in der Hedwigstraße 20, 04315 Leipzig Redaktionsleitung: Thorsten Hinz, Verena Landau Redaktion, Koordination und Lektorat: Dana Meyer-Hinz Bildredaktion, Grafische Gestaltung und Satz: Isabelle Grubert Papier: Gardapat 13 Klassic 135g/qm Druck: Pöge Druck, Leipzig Auflage: 750 Copyright: Neustädter Markt e.V., die Autoren, die Künstler, die Urheber Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Vermerk: Wir haben uns für diese Publikation aus gestalterischen Gründen gegen den Gender_Gap entschieden. Bei Bezeichnungen von Personen und Personengruppen in alter Schreibweise sind alle Geschlechteridentitäten inbegriffen. Herausgeber: Neustädter Markt e.V., Schulze-Delitzsch-Str. 19, 04315 Leipzig, www.neustaedtermarkt-leipzig.de Erschienen im Eigenverlag Printed in Germany
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