ARTMAPP #15, Sommer 2017

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J U L I – O K T O B E R 2 0 17 E U R 6 , 9 0 D/A

S F R 9, 9 0

DAS KU NSTM AGA ZI N FÜ R ENTD ECK ER

3-D-EFFEKT FÜR DIESES COVER! Laden Sie die TB – Tim Berresheim App. Dann das Smartphone/Tablet auf das Cover halten, um das Motiv mit 3-D-Effekt zu sehen.

Die Kunst-App im App Store und bei Google Play mobil.artmapp.net

URBAN ART WALK

SKULPTUR PROJEKTE

CROSS THE STREETS ARTE ALBIGNA

CARNEIN MOORE OPPENHEIM RÖTHEL STILLING VITAL

AARAU BERLIN CHUR DÜSSELDORF KASSEL KREMS MÜNCHEN WEIMAR


17

2017

26–29

OCTOBER

23rd International Contemporary Art Fair | ABB Hall 550 | Zurich-Oerlikon Thu 4pm – 10pm | Fri 12pm – 9pm | Sat Sun 11am – 7pm | www.kunstzuerich.ch


Titelmotiv: Tim Berresheim, „Aspettatori (gradient) VI“, Ausschnitt, TB14/UC-315, 2014, 90 x 80 cm, Ultrachrome on Paper, Auflage unique © Tim Berresheim, Aachen

Editorial 15 2017

Foto Editorial: © Carmen Jäger unten: Anne Carnein, Foto: Carina Lüschen

Dornröschen

In der neuen ARTMAPP stellen wir diesmal keine ausgewählten Kulturregionen vor. Dafür gibt es die Themenschwerpunkte „Urban Art“ und „Skulptur Projekte“. Es bot sich in diesem Sommer einfach an, regionen- und länderübergreifend Festivals, Biennalen, Ausstellungen und Künstler zu entdecken. Seit einiger Zeit schon fallen mir die surrealen und humorvollen Objekte von Anne Carnein auf – nun möchte ich Sie auf die Seiten 98/99 einladen, sich ebenso von diesen wundervollen und zugleich etwas unheimlichen Pflanzenwesen verzaubern und in fantastische Märchenwelten entführen zu lassen. Reiner Brouwer: Anne, deine Pflanzen lässt du in stundenlanger Handarbeit aus eigenen getragenen Kleidungsstücken erwachsen. Wo hast du das Nähen gelernt? Anne Carnein: Nähen habe ich nie gelernt, aber als Kind schon mit alten Stoffen und Kleidern gespielt. Für mich ist meine Arbeitsweise – zwar mit Nadel und Faden – eher eine Art zu modellieren. RB: 2012/13 warst du Meisterschülerin bei Stephan Balkenhol in Karlsruhe. Wie kam dein Professor mit der Näherei zurecht? AC: Das weiß ich bis heute nicht so genau. Allerdings mischt sich Stephan Balkenhol auch nur ein, wenn die Arbeitsweise seiner Meinung nach in eine falsche Richtung geht ... – Mich hat er machen lassen. RB: Im letzten Winter nahmst du in deiner alten Heimat am „Rostocker Kunstpreis 2016“ teil; anschließend hattest du eine Ausstellung in deiner neuen Wahlheimat im Neuen Schloss Kißlegg im Allgäu. Haben deine fantastischen Arbeiten auch regionale Bezüge? Und wo kann man sie demnächst erleben? AC: Nein, ich bilde nicht die Natur ab. Pflanzen nutze ich als Protagonisten meiner Erzählungen, das aber kommt vielleicht tatsächlich aus dem Selbstverständnis meines Lebens auf dem Land. Noch bis zum 23. Juli läuft meine Einzelausstellung „Leises Wachsen“ im Kunsthaus Alte Mühle in Schmallenberg – vom 21. bis 23. Juli sind meine Arbeiten im österreichischen Dornbirn auf der „Art Bodensee“ zu sehen. Liebe Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß in diesem Sommer auf Ihren Entdeckungstouren mit ARTMAPP! Reiner Brouwer Herausgeber



DAS MUSEUM DAS MUSEUM DER ZUKUNFT DER ZUKUNFT IN SAARBRÜCKEN IN SAARBRÜCKEN

AB OKTOBER AB OKTOBER 20172017 ADRIANADRIAN FALKNER FALKNER (CH) (CH) ALEXEYALEXEY LUKA (RUS) LUKA (RUS) ARYZ (E)ARYZ (E) CONE THE CONE WEIRD THE WEIRD (D) (D) FINTANFINTAN MAGEEMAGEE (AUS) (AUS) HEIKO HEIKO ZAHLMANN ZAHLMANN (D) (D) LAUNELAUNE (D) (D) LEK (F) LEK (F) LXone (F) LXone (F) RAKS (D) RAKS (D) REMI ROUGH REMI ROUGH (GB) (GB) RESO (D) RESO (D) SEN2 (USA) SEN2 (USA) SOWATSOWAT (F) (F) STOHEAD STOHEAD (D) (D)

www.artwalk.saarland www.artwalk.saarland

Mit freundlicher Mit freundlicher Unterstützung Unterstützung von: von:


TERESA DIEHL


SOMMERER & MIGNONNEAU

BERNHARD LEITNER An exponierter Lage öffnet THE VIEW vom 24. Juni bis Ende September 2017 erneut ihre Türen. Die drei unterirdischen Räumlichkeiten – ein umgenutztes Wasserreservoir, ein Zivilschutzbunker und ein militärischer Unterstand aus dem Kalten Krieg – werden diesen Sommer von folgenden Künstlern zum Leben erweckt: TERESA DIEHL (Artist in residence 2017) BERNHARD LEITNER CHRISTA SOMMERER & LAURENT MIGNONNEAU Führungen sind jederzeit auf Voranmeldung möglich: T +41 (0)71 669 19 93 oder info@the-view-ch.com The View Fruthwilerstrasse 14 CH-8268 Salenstein www.the-view-ch.com


Inhalt

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(auszugsweise)

ARTM APP Sommer 2017

Patrick Jungfleisch, Foto: Galerie Zimmerling & Jungfleisch

Urban Ar t

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„ ART WALK“ SA AR BRÜCKEN Ein Gespräch mit Initiator Patrick Jungf leisch – von Bülent Gündüz

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KU NST U N T ER FR EIEM HIMMEL „Stadt. Wand. Kunst“ Mannheim und „Metropolink“ Heidelberg von Nina Reinhardt

50

ZW EI NEU E U R BA N-ART-MUSEEN MUCA München – von Barbara Brubacher URBAN NATION Berlin – von Wolfgang Siesing

54 56

VICTOR ASH Erste Generation Street-Art – von Rik Reinking

58

VON DER ST R ASSE INS MUSEU M Mirko Reisser (DAIM) im MACRO, Rom – von Nicole Büsing & Heiko Klaas

60

BLEK VS. BA NKSY Stencilkunst – Von Polkes Pop-Art zu Banksys Street-Art von Ulrich Blanché

65

Skulptur

80

NAT U R U ND GESELLSCHAF T Henry Moore in einer großen Einzelausstellung im Arp Museum von Chris Gerbing

84

LOOKING FOR NEW DIR ECT IONS 11. „Blickachsen“ in Bad Homburg und im Rhein-Main-Gebiet von Chris Gerbing

86

VIEL PL AT Z F Ü R MEHR SKU LP T U R Interview mit Ewald Karl Schrade, Kurator der art KARLSRUHE von Sebastian Baden

90

KEIN K AFFEEKR Ä NZCHEN Meret Oppenheim, Anke Eilergerhard und Anne Carnein – von Kim Behm

94

Anke Eilergerhard, Foto: Werner Gerhard

GER HAR D MARCKS – W EGE AUS DEM BAU HAUS Ausstellungsprojekt in Weimar und in Bremen von Nicole Büsing & Heiko Klaas Gilbert & George, Foto: Daniel Biskup

T HOMAS RÖTHEL Schwebender Stahl – von Babette Caesar

100 112


»Die Linie ist ein Punkt, der spazieren geht.«

Dimitris Tzamouranis, Foto: privat

(Paul Klee)

Por trät DAS W ESEN DER DINGE   Dierk Maass: TRACES° OF‘ URBANIT Y“ von Marc Peschke

128

BILDER GEGEN DAS V ERGESSEN   Dimitris Tzamoranis’ „Mare Nostrum“ von Nicole Büsing & Heikos Klaas

134

Zeitgenössische Zeichnung 24. September bis 4. November 2017

Ausstellungen NOLDE-SOMMER in Ahrenshoop, Mülheim an der Ruhr und Jena – von Katja Behrens

142

LU T HER U ND DIE AVA N TGAR DE Internationales Ausstellungsprojekt in Berlin, Kassel, Wittenberg von Sarah Alberti

146

AUS LUST A M ER LEBNIS KU NST Die Sammlung Alison und Peter W. Klein – von Hansjörg Fröhlich

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KU NST HALLE KR EMS Eine Weltkulturerbe-Region, eine Kunstmeile, drei Museen von Eva Habison SWISS POP-ART Neu entdeckt: zwei sehenswerte Ausstellungen in Aarau und Genf von Alice Henkes

Sonja Alhäuser Matthias Beckmann (Kurator) Bea Emsbach Katharina Hinsberg Pia Linz Nanne Meyer

156

Bettina Munk Herbert Nauderer

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Christian Pilz Brigitte Schwacke Barbara Camilla Tucholski

Graubünden ART E ALBIGNA Gipfelsturm der Kunst – von Alice Henkes BAU EN, U M DER DER NAT U R ZU BEGEGNEN Not Vital im Bündner Kunstmuseum Chur – von Alice Henkes

Not Vital, Foto: Beny Steiner

168 171

APPETIZER

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AMREI’S ARTBLOG

183

TER MINE

184

IMPRESSU M

199

Galerie Netuschil Schleiermacherstraße 8, 64283 Darmstadt Tel. 06151 24939, info@galerie-netuschil.net www.galerie-netuschil.net





UNDRESSED

HELMUT NEWTON. UNSEEN

JEAN PIGOZZI. POOL PARTY

AB 3. JUNI 2017 | HELMUT NEWTON FOUNDATION | MUSEUM FÜR FOTOGRAFIE JEBENSSTRASSE 2, 10623 BERLIN | DI, MI, FR, SA, SO 11-19, DO 11-20 UHR

Paris, Vogue Paris, 2001 © Mario Testino

MARIO TESTINO.


DIE ZÜRCHER GALERIEN www.dzg.ch Ausstellungen Künstler Stadtplan

Saisoneröffnung Mittwoch/Donnerstag/Freitag, 23./24./25. August 2017 ZÜRICH AUSSERSIHL Gemeinsame Vernissagen, Mittwoch, 23. August 2017, ab 18 Uhr Arthobler Gallery – Galerie Museum Baviera – Bildhalle – Marlene Frei Galerie & Edition Havana, B. Liaskowski – Bernard Jordan – Brigitte Weiss – Stephan Witschi Galerie & Edition

INNENSTADT LINKS DER LIMMAT Gemeinsame Vernissagen, Donnerstag, 24. August 2017, ab 17 Uhr Andres Thalmann – ArteF Galerie für Kunstfotografie – Nadja Brykina – Dierking Galerie am Paradeplatz Gmurzynska – Haas AG – Edwynn Houk – Katz Contemporary – Le Sud Galerie – Orlando – Proarta Roehrs & Boetsch – Galerie Rosenberg – Scheublein + Bak – Alex Schlesinger – Galerie von Vertes

INNENSTADT RECHTS DER LIMMAT Gemeinsame Vernissagen, Donnerstag, 24. August 2017, ab 17 Uhr Art Forum Ute Barth – art station isabella lanz – Bruno Bischofberger AG – Werner Bommer – Sylva Denzler Elten & Elten GmbH - Am Hottingerplatz – Faessler & Ochsner – Galerie Clemens Gunzer – Christophe Guye Häusler Contemporary Zürich – Jedlitschka Gallery – Mai 36 – Maurer – Plutschow Gallery – Römerapotheke, Philippe Rey – Susanna Rüegg arT + booK – sam scherrer contemporary – semina rerum - Irène Preiswerk Galerie Thalberg – Annemarie Verna Galerie – Fabian & Claude Walter – Galerie Wenger – Galerie Ziegler SA

LÖWENBRÄUAREAL UND UMGEBUNG Gemeinsam geöffnet am Freitag, 25. August 2017, ab 18 Uhr annex14 – BolteLang – Grieder Contemporary – Bob Gysin – Hauser & Wirth – Karma International Lange + Pult – Lullin + Ferrari – Mark Müller – Eva Presenhuber – Barbara Seiler – Nicola von Senger

Galerien-Wochenende Samstag/Sonntag, 4./5. November 2017, 11 bis 17 Uhr


Dimitris Tzamouranis Mare Nostrum Juli 2017

Galerie Michael Haas NiebuhrstraĂ&#x;e 5 10629 Berlin www.galeriemichaelhaas.de


www.maxernstmuseum.lvr.de

Joan Miró, Jeune fille s’évadant (Fliehendes junges Mädchen), 1968, bemalte Bronze, Sammlung Fondation Maeght © Successió Miró | VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Tickets inkl. VRS-Fahrausweis über

Gefördert durch

3 . 9 . 2017 – 28 . 1 . 2018 Monste r Welt der


Oval with Points | Henry Moore | 1968–70 Reproduced by permission of The Henry Moore Foundation. Foto: Chris Kozarich

Bahnhof Rolandseck

HENRY MOORE VISION.CREATION. OBSESSION 28. Mai 2017 – 7. Januar 2018

Partner

www.arpmuseum.org

Förderer


Der Kultursüden feier t

Schatzkammer Baden-Württemberg

Von prähistorischer Eiszeitkunst bis zu den zeitgenössischen Inszenierungen der Theater- und Opernbühnen lassen sich Kunst und Kultur in Baden-Württemberg in all ihren Facetten erleben. Auch 2017 präsentiert sich das Kulturangebot im Süden in seiner ganzen Bandbreite und lockt zudem mit vielen Festivitäten. Gleich mehrere große Jubiläen warten darauf, gefeiert zu werden. So jährt sich etwa der Beginn der Reformation zum 500. Mal. Auch in Deutschlands Süden hinterließen die Ideen Martin Luthers viele Spuren, die im Jubiläumsjahr entdeckt werden können. In Mannheim, Karlsruhe und an vielen anderen Orten wird außerdem an eine bahnbrechende Erfindung und ihren Urheber erinnert: Vor genau 200 Jahren

entwickelte der gebürtige Karlsruher Karl Drais in der Qua­ dratestadt Mannheim den Prototyp des modernen Fahrrads. Von Baden-Württemberg aus trat das Rad seinen Siegeszug um die Welt an und wird inzwischen millionenfach genutzt. In der Goldstadt Pforzheim steht das Kulturjahr 2017 hingegen ganz im Zeichen des 250. Geburtstages der Schmuck- und Uhrenindustrie, die bis heute die Stadt am nördlichen Rand des Schwarzwalds prägt. Feierwütige, Geschichtsinteressierte, Freunde der Schönen Künste und Technikbegeisterte finden im „Kultursüden“ das passende Angebot. www. tour ismus-bw. de/ Kult ur


© Foto: TMBW, Mende

Karlsruher Schloss

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — B A D E N - W Ü R T T E M B E R G

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DIERK MAASS TRACES° OF‘ URBANITY“

AUSSTELLUNG AM BODENSEE IN SALENSTEIN (CH) JUNI - SEPTEMBER 2017 WWW.SCHREINEREI14.COM Besuche im Atelier bitte mit Voranmeldung: +41 (0)71 669 19 93 oder info@schreinerei14.com


UR BAN ART „ArtWalk“ Saarbrücken 2017: Christoph „Stohead“ Hässler und Heiko Zahlmann, „Mapped 66117“, Acr yl und Sprühlack auf Beton, Foto: Stohead



22 Carsten Probst

Urban Art und Street-Art Mehr als 70.000 Besucher in zwei Monaten – dem vom ­ erliner Designerkollektiv „Die Dixons“ organisierten StreetB Art-Event „The Haus“ ist ganz offenkundig der e­ ndgültige Nachweis gelungen, dass Graffiti in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Von den Anwohnern wegen der auf Einlass drängenden Menschenmengen in „The Schlange“ umbenannt, wurde „The Haus“ von der Boulevardpresse bis zum Life­style-Magazin der bürgerlichen Mitte „Monopol“ wohlwollend adoptiert. Als sei das allein nicht schon erstaunlich genug, lässt sich der Trend zugleich weltweit in vielen Städten ­be­obachten, in denen Urban-Art-Festivals und Street-­A rtMuseen derzeit nur so aus dem Boden schießen. Diese Entwicklung wirft durchaus Fragen auf: Bei „The Haus“ in ­e iner Bankruine im alten Westberliner Zentrum oder ­g roßformatigen E ­ r­l ebnisausstellungen wie „Magic City“ im Münchner Olympiapark sind ja nicht nur Wallpaintings oder Stencils zu sehen – also landläufig inzwischen als „Kunst“ a­ kzeptierte illusionistische Gestaltungen von Brandwänden oder pointierte Schablonendrucke à la Blek le Rat oder Banksy –, sondern oft auch vergleichsweise ordinäre Graffiti, deren Urheber von der Berliner Polizei bis vor Kurzem noch mit nächtlichen Hubschraubertieff lügen gejagt wurden.

Belin, „Post Neo Cubism“, w w w.instagram.com/belin_official

Auch das Bekleben von Fassaden, Verkehrsschildern oder U-Bahn-Fenstern mit kleinen, schwer wieder ablösbaren ­Stickern, das Verätzen von Wartehäuschen, Übermalen von Werbeplakaten, Guerilla Gardening oder Flashmobs, die ja ebenfalls zu den Strategien der Urban Art gehören, werden immer noch eher als Belästigung oder Vandalismus denn als Kunstaktion geführt. Lebt die Urban Art also von der notorischen Störung des wohlgeordneten Stadtbildes oder darf sie auch dazu­ gehören, ohne ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren? Frank Krämer, Kurator der 2011 gegründeten „Urban Art Biennale“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, sieht den Trend zur ­Popularisierung zunächst einmal als Ausdruck einer weltweit konstant wachsenden Bewegung von jungen Kreativen, die sich „ungeachtet nationaler Grenzen und kultureller ­Unterschiede die Stadt als Leinwand nehmen“. Die sozialen Netzwerke und die Möglichkeiten, live bei Aktionen „auf Sendung“ zu gehen, hätten dieser Bewegung in den letzten Jahren eine überregionale Vernetzung beschert. So gesehen liegt der Gedanke von Festivals nicht fern, die dann von re­ gionalen Initiativen popularisiert werden. Andererseits trägt dies potenziell zur Einebnung lokaler Ausprägungen der Street-Art bei. Denn gerade politischer Aktivismus im ­Gewand der Street-Art geht auf lokale Initiativen und soziale Konf likte zurück. Als transnationales Event, das sich über ­I nstagram verabredet, so könnte man nun beklagen, werde die Urban Art zur Spaßveranstaltung und gäbe ihren rebel­ lischen Charakter preis. Zweifellos sind Murals in Ramallah, der Bronx oder in der mexikanischen Provinz von anderer kommunikativer Relevanz als auf einer von Kulturmanagern eröffneten „Urban Art Biennale“ im Weltkulturerbe Völk­ linger Hütte. In dieser Lesart könnte man die Erweiterung der Street-Art zur Urban Art seit Anfang der 2000er-Jahre an sich schon als Beginn einer unguten Entwicklung sehen, als Trend zur postmodernen Beliebigkeit, weltweiten Vereinheit­ lichung, Kommerzialisierung – mithin all das, was bereits viel länger der Gegenwartskunst entgegengehalten wird. „Kunst im öffentlichen Raum“ (oder „Public Art“) – um noch ein ­weiteres Reizwort aufzugreifen – leidet ohnehin schon unter dem Stigma administrativ betreuter Kreativität. Jetzt ­erwischt es also auch die Street-Art? Gerade Künstlerinnen und Künstler, die im öffentlichen Raum arbeiten, kritisieren wiederum, dass in der Street-Art mittlerweile selbst Werbedesigns und spontane Selbstverwirklichungen ungeniert als Kunst ausgegeben werden.


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Zwei Argumente sprechen allerdings gegen die These vom großen Niedergang. Zum einen ist die Street-Art nicht erst seit diesen Tagen kommerziell. Veteranen der Szene wie Blek le Rat, der lange vor dem Einsetzen von Banksys Ruhm die Stencils für sich entdeckt hatte, berichtete kürzlich in e­ inem Gespräch mit dem Kunstmarktexperten Stefan Kobel, dass es schon in den 1980er-Jahren eine schnell wachsende Szene kommerzieller Interessenten, Sammler und Galerien für Street-Art gab, die sich auch international vernetzten und an die Entwicklung des allgemeinen Kunstmarktes andockten. Der Markt für Street-Art sei dann in den 1990er-Jahren mit der allgemeinen Krise des globalen Kunstmarktes ebenfalls zusammengebrochen, während der erneute Aufschwung nach der Jahrtausendwende mit dem Beginn des spekulativen Marktes für Gegenwartskunst einherging, als bislang eher kunstferne Investoren aus der Finanzwelt anfingen, Kunst ­a ller Sparten als Wertanlage zu handeln, darunter auch Hauptwerke der Street-Art. Ist das also der schnöde Grund für den aktuellen Erfolg von Shows wie „Urban ­Nation“ in Berlin, „Magic City“ im Münchner Olympiapark oder der „Urban Art Biennale“ im Ruhrgebiet? Interessiert die ­Street-Art etwa nur als besonders coole Form der Geldanlage? Macht etwa das den metaphorischen Thrill einer Show wie „The Haus“ in jenem abbruchreifen Berliner Bankgebäude aus? Oder ist es das „subversive und subkulturelle Potenzial“, das Frank Krämer von der „Urban Art Biennale“ beschwört, das sich oft mit geläufigen Zitaten aus der am Markt hoch gehandelten Pop-Art und der nicht weniger hoch gehandelten Hip-Hop-Kultur schmückt?

Ein Seitenblick auf gängige Praktiken der Public Art und ihre unterschiedlich begründeten Miseren könnte hier als zweites Argument für die Popularität der Street-Art dienen, zu­min­ dest im „alten Westen“. Nur höchst selten gelingt es einer Kunstaktion im öffentlichen Raum überhaupt noch, De­bat­ ten und breites Interesse zu wecken – in letzter Zeit waren dies hierzulande vor allem die Aktionen des Zentrums für ­Politische Schönheit oder auch unlängst Manaf Halbounis temporäres Mahnmal mit senkrecht aufgestellten Buswracks aus Aleppo auf dem Dresdner Neumarkt. Im Vergleich zur kommunalen Kunstförderung wirkt Urban Art unvermeidlich wie eine Explosion kreativer Spontanität, ausgeführt von anarchistischen Geistern, die auf eigene Rechnung arbeiten und deren riskante Lebensentwürfe (vermeintlich) nicht von Steuergeldern alimentiert werden. Das entspräche einer allgemeinen Umdeutung des Alltäglichen zum kreativen Spiel, das Werbung und Arbeitswelt seit Langem propagieren, und beschert dem Publikum eine schmeichelhafte Form von Identifikation. Gereckte Fäuste sind ja auch auf dem Kunstmarkt gerade en vogue. Doch seien wir optimistisch: Als Klischee der Subversion wird sich die Street-Art auf Dauer nicht widerstandslos vereinnahmen lassen.

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — U R B A N A R T

Hugh Lovatt, „Your Middle East“, Graffiti in Palestina


GALERIE ZIMMERLING & JUNGFLEISCH

www.zimmerling-jungfleisch.com info@zimmerling-jungfleisch.com


Ein Gespräch mit Initiator Patrick Jungfleisch

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„ArtWalk“ Saarbrücken Viele kennen Patrick Jungf leisch (* 1975) unter seinem ­Pseudonym „Reso“ als Urban-Art-Künstler. Seit 2014 ist der Kunstpädagoge auch Mitinhaber und künstlerischer Leiter der Galerie Zimmerling & Jungfleisch in Saarbrücken, die sich ganz auf Urban Art spezialisiert hat; 2017 ist er einer der ­b eiden Kuratoren des „ArtWalks“ in seiner Stadt. Bülent Gündüz traf ihn für ARTMAPP zum Interview. ARTMAPP: Wie bist du auf die Idee eines ­Urban-Art-Kunstspaziergangs gekommen? Patrick Jungfleisch: Ich habe überall auf der Welt gesehen, wie in den Großstädten Urban-Art-Wände entstehen und dort von unabhängigen Initiativen Führungen organisiert werden. Gleichzeitig habe ich als Künstler über Demokratisierungsprozesse in der Kunst nachgedacht und als Lehrer darüber, wie ich bei meinen Schülern Berührungsängste abbauen kann. Die meisten können mit Museen und Galerien nicht viel ­a nfangen. Ich wollte Kunst und ihre Entstehung im öffent­ lichen Raum erfahrbar machen. In der Stadt soll es zu einer engen Verflechtung von Leben und Kunst kommen. Die Menschen sollen Spaß daran haben, sie erleben und inmitten der Kunst leben. Man muss kein Eintrittsgeld bezahlen und kann die Werke unabhängig von Alter, Herkunft, sozialem Status und Mobilität anschauen. Auch der touristische Ansatz ist sehr interessant. Es werden Besucher in die Stadt gelockt, die sich für diese Kunst interessieren. Das sollte man nicht unterschätzen.

Qualitäten. Wir haben dann eine Vorauswahl getroffen, die aber auch von außen beeinflusst war. Entscheidend war die Lage. Die Wände sollten fußläufig erreichbar sein und ­möglichst exponiert stehen, um einen ungetrübten Blick zu ermöglichen. Besonders schwer war das in der zentralen Einkaufsmeile, denn hier kann man die Wände nur in größerer Entfernung sehen und nicht direkt herantreten. Als die Orte feststanden, haben wir dann Künstler ausgesucht, die zu ­d iesen Objekten passen und einen möglichst breiten Querschnitt der Kunstrichtung repräsentieren. ARTMAPP: Wieso? PJ: Weil das Landesdenkmalamt sich eingeschaltet und uns sechs Wände herausgestrichen hat. Es blieben ursprünglich 15 Wände übrig, allerdings mussten wir aus Kostengründen auf zwölf Werke reduzieren, weil die ­U ntergründe zuvor mit Dampfstrahlern vom Feinstaub ­b efreit werden mussten. Das brachte unsere Kalkulation ins Wanken.

PJ: Einzigartig ist, dass alles in der Innenstadt passiert und nicht wie so oft in den Randgebieten. Die Stadtmitte wird mit Kunst versehen, die fußläufig zu erreichen ist. Zu unserem Konzept gehörte es, dass die Künstler die Umgebung auf­ greifen. Wir haben sie dabei so ausgesucht, dass ihre Bildsprache jeweils zum Objekt passt und auch versucht, in der Farbgebung darauf einzugehen. ARTMAPP: Wie wurden die Wände ausgesucht? PJ: Wir erhielten sehr viele Anfragen von Hausbesitzern, sind aber zusätzlich selbst auf die Suche gegangen und hatten schließlich 30 bis 40 Wände in unterschiedlichen Lagen und

Patrick Jungfleisch, Foto: Galerie Zimmerling & Jungfleisch

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ARTMAPP: Du erwähntest, dass es ähnliche ­Modelle wie den „ArtWalk“ schon gibt. Was ist das Besondere in Saarbrücken?


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Patrick Jungfleisch, „Crossroads“, 2009, Acr yl auf Leinwand, 160 x 200 cm, „Urban Art – Graffiti 21“, Weltkulturerbe Völklinger Hütte, Foto: A xl Klein

ARTMAPP: Wie hoch ist das Budget? PJ: Wir haben jetzt 350.000 Euro zur Verfügung. Diese ­Finanzierung kommt aus EU- und Landesmitteln sowie von Sponsoren. Machbar ist das Projekt aber nur, weil auch die Künstler den „ArtWalk“ sehr spannend finden und zu ge­ ringen Honoraren arbeiten. Wir müssen außerdem die Öffentlichkeitsarbeit und ein Buch davon finanzieren. ARTMAPP: Es wird also eine Publikation geben? PJ: Ja, es wird ein 200-seitiges Buch erscheinen mit vielen ­F otos von den Wänden, auch mit Vorher/Nachher. Dazu ­erläutert jeweils ein Text Werk und Künstler. Außerdem wird

es einen Stadtplan geben, der kostenlos in der Tourismus­ zentrale ausliegt, höchstwahrscheinlich auch in ­e inigen Geschäften. Außerdem erstellen wir noch eine Website und eine Smartphone-App. ARTMAPP: Es gibt ja schon einige sehr schöne Wände in der Innenstadt. Warum wolltet ihr die nicht integrieren? PJ: Das war ursprünglich eine Überlegung von uns, aber wir fokussieren nun Wände, die extra für den „ArtWalk“ konzipiert worden sind. Wir wollten uns von ähnlichen Konzepten dadurch unterscheiden. In anderen Städten sind es eben genau die Wände, die schon da waren, die man dann zu einem


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ARTMAPP: Gab es auch Künstler, die abgesagt haben? PJ: Ja, wir hatten welche, denen unsere Konditionen nicht ­zugesagt haben. Wir können nicht viel Honorar zahlen, wollen aber jedem etwas geben und das sollte unabhängig vom Renommee immer das Gleiche sein. Wenn mehrere Künstler eine Wand gestalten, müssen sie sich auch das Honorar teilen, denn wir haben pro Objekt ein festes Budget eingeplant.

ARTMAPP: Wird der „ArtWalk“ fortgesetzt? PJ: Es soll 2018/19 weitergehen. Wir wollen aus dem Stadtkern in die anderen Viertel wachsen. Das hängt aber von den Verhandlungen mit Sponsoren ab. Auch die Künstlersuche wird nicht einfacher. Wir wollen keine Überschneidung mit anderen Veranstaltungen und möchten Saarbrücken eine gewisse Exklusivität garantieren. ARTMAPP: Patrick Jungfleisch – vielen Dank für das Gespräch! www. ar t walk. saarland www. R E SO1. com www. zimmerling-jung f leisch. com

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Spaziergang verbunden hat. In Mannheim entsteht mit „Stadt Wand Kunst“ etwas Ähnliches, aber dort muss man die Nahverkehrsmittel benutzen, um die Kunstwerke zu erschließen. Vielleicht nehmen wir aber einige bereits bestehende Wände in unseren Rundgangsplan auf.


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29 „ Ar tWalk“ Saarbrücken

Der öffentliche Raum als Galerie Paris, New York, London – und nun Saarbrücken. Die saar­ ländische Landeshauptstadt wird in diesem Sommer zu einem Freiluftmuseum der besonderen Art. 15 international renommierte und regionale Urban-Art- sowie Street-ArtKünstler werden in diesem Sommer zwölf Wände für den Kunst­s paziergang „ArtWalk “ gestalten. Diese außerge­ wöhnliche Kunstaktion ist eine Idee des Kultusminister Ulrich ­Commerçon. Sein Haus tritt als Veranstalter auf und hatte entsprechende Mittel bei der Europäischen Union an Land gezogen. Längst ist das Saarland zu einem Hotspot der Urban-­ Art-Szene geworden. Impulsgeber dieser Entwicklung waren Benjamin Knur, der mit der Agentur „Art Connexxion“ früh Kontakte in die weltweite Szene geknüpft hatte, und der ­international renommierte Saarbrücker Urban-Art-Künstler Reso. Beide überzeugten 2011 den Direktor der Völklinger Hütte zu einer Ausstellung zur Urban Art, die inzwischen als Biennale fest etabliert ist und die Stars der Szene an die Saar lockt. Seit 2012 ist Knur Besitzer der Galerie Neuheisel und zeigt hier regelmäßig Künstler der Urban Art. Reso, der mit bürgerlichem Namen Patrick Jungf leisch heißt, hat inzwischen ebenfalls eine eigene Galerie in Saarbrücken eröffnet, die sich auf Urban Art spezialisiert hat. Schon seit einigen Jahren gibt es Bestrebungen, das Saarland zu einem Zentrum der Populärkultur zu machen. Im Zuge der Gründung des zehntägigen Pop-Kultur-Festivals „Colors of Pop“ in diesem Jahr kam Organisator Thilo Ziegler auf Jungfleisch und Knur zu und bat sie um Ideen. Jungfleisch hatte sich schon länger mit Demokratisierungsansätzen in der Kunst beschäftigt und griff die Idee auf, einen Urban-Art-­ Kunstspaziergang durch die Stadt zu entwickeln, wie es sie in anderen Großstädten auf der ganzen Welt bereits seit Längerem gibt. Dazu hat er gemeinsam mit Knur Künstler der beiden Galerien eingeladen, sich über den Sommer in der Stadt auszutoben. Die zwölf entstandenen respektive ent­ stehenden Werke sollen ab Herbst dieses Jahres über einen Spaziergang miteinander verbunden und so zu einem

linke Seite: Der französische Künstler LX.One, rechts:Turnschuhe des französichen Künstlers Sowat, Fotos: bildware.net

Parcours durch die Innenstadt werden. Das ist einzigartig! Denn bisher gibt es kein vergleichbares Projekt, bei dem die Wände vorher geplant sind, alle in der City einer Großstadt liegen und fußläufig erreichbar sind. Die Auswahl der Künstler fiel leicht, denn die beiden Saar­brücker Galerien haben in ihren Portfolios große Namen. Nachdem auch geeignete Wände gefunden waren, machte Ende April der Moskauer Alexey Luka den Anfang. Der Russe dekonsturiert Formen im Stil der Kubofuturisten und reduziert sie auf geometrische Grundformen in Pastellfarben. Seine Bilder sind ganz persönliche Geschichten, die allerdings nur er erkennt. Mit viel Glück lässt sich ein Auge oder ein Ohr entdecken, eine Hand oder eine Brust. Nur 100 Meter entfernt bemalte Aryz an einem kleinen Platz inmitten des Saarbrücker Alternativviertels eine Giebelwand. Der als kommender Star gehandelte Spanier hat eine mediterran anmutende Szene mit Zitronen und Hortensienblüten kreiert und eine Bild-im-Bild-Situation geschaffen. Nur der große Knochen irritiert und zerstört das Idyll. Wenige Meter weiter verschönerten Remi Rough und LX.One ein mehrstöckiges Wohnhaus. Der Brite Remi Rough arbeitet mit einer Formensprache, die mal an den abstrakten Expressionismus erinnert, dann wieder an den Suprematismus Kasimir Malewitschs. Der Franzose LX.One nutzt geometrische


30 ­ uster und kombiniert sie mit klassischen Techniken der M Graffitikunst. Die einstmals graue Wand leuchtet jetzt im oberen Bereich in Rot, Orange und Blau, die beiden unteren Drittel werden von f lirrenden Rautenmustern bestimmt. Die bisher einzige Arbeit im Stadtteil Alt-Saarbrücken ist eine mehr als 20 Meter hohe Wand einer Schule, die von Stohead und Heiko Zahlmann bespielt wird. Die beiden Künstler kennen sich seit der gemeinsamen Zeit in einem Hamburger Atelier und kommen immer wieder projektbezogen zusammen. Stohead arbeitet derzeit oft mit rauchigen Farbverläufen, Zahlmann eher mit geometrischen Strukturen, die skulptural in den Raum zu wachsen scheinen. In der ­A rbeit für den „ArtWalk“ übersäte Stohead die schwarz grundierte Wand mit zarten weißen Schriftzeichen, die vor und hinter den Rechtecken und Linien von Zahlmann im Bildraum „schwimmen“. Erstmals befinden sich Urban-Art-Werke auch in der zentralen Einkaufsmeile einer Großstadt. Aufgrund der durchgehenden Arkadenbebauung der Erdgeschosszone sind diese allerdings nicht direkt einsehbar und können erst aus etwas größerer Distanz betrachtet werden. Da sich die Flächen aber über vier Stockwerke erstrecken, ist das zu verschmerzen.

Hier haben die Franzosen Lek & Sowat ein Wandgemälde in Blau, Gelb und Schwarz gestaltet. Da sind schwarze und gelbe Schriftzeichen scheinbar in Eile gesprüht worden, Farbnasen und Spritzer zieren die Wand. Dazwischen durchzucken farbige Elemente in Blau und Gelb das Bild. An das Nachbarhaus hat Adrian Falkner alias Smash137 Farbfelder im Stile Mark Rothkos gesprüht, die nur über das Kolorit und die e­ rkennbare Bewegung der Sprühdose gestaltet sind. Die sichtbaren waagerechten Streifen der Wandverschalung im Beton werden ebenso Teil des Kunstwerks. Lange hat der Künstler in gestischen Abstraktionen geschwelgt, seit letztem Jahr arbeitet er wieder stärker mit der Sprühdose und experimentiert mit Farbfeldmalerei. Im Herzen der Saarbrücker Innenstadt hat auch der New Yorker Sen2 sein Werk gestaltet. Im für ihn typischen Stil kombinierte er Pop-Art, Marvel-Comics und gepunktete Raster zu einer farbenfrohen Intervention im urbanen Raum. Direkt gegenüber zeigt der Saarländer Cone The Weird sein Werk. Er erschuf mit Comic-Elementen in einer ganz eigenen Ästhetik eine Welt, in der er sich selbst und sein Alltagsleben reflektiert. Mit überlangen Extremitäten sitzt er da in einem skurrilen Bilderkosmos und sinniert über den Lauf der Dinge.

Kultusminister Ulrich Commerçon, Initiator des ArtWalks mit den Urban-Art- Künstlern Christoph „Stohead“ Hässler und Heiko Zahlmann, Foto: Mike Mildenberger


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Detailaufnahme der Hausfassade in der Futterstraße, Kaiser viertel, gestaltet von dem Künstler Cone The Weird, „ArtWalk“ Saarbrücken,

Daniel Hahn („Raks“) und Alexander Fielitz („Laune“) ­ erden dann Mitte Juli gemeinsam an einer Wand arbeiten. w Die beiden Saarbrücker pflegen einen sehr unterschiedlichen Stil. Raks arbeitete bisher vor allem mit einer Kombination aus a­ rchitektonischem Formenvokabular und den Schrift­ zeichen seines eigenen Tags, dem individuellen Namenszug als ­Sprayer. Designstudent Laune arbeitet eher figurativ. Die ­Verknüpfung beider Ausdrucksformen verspricht ein spannendes Werk. Im Juli wird „ArtWalk“-Organisator Reso eine monumentale Wand an der Hochschule für Musik bemalen. Resos Arbeiten sind geprägt von einem sehr klaren, scharfkantigen Stil, der an Hard-Edge-Malerei erinnert. Auf den ersten Blick wirkt das mitunter etwas unterkühlt, schaut man aber ge­ nauer hin, erkennt man, dass dort die Buchstaben „RESO“ expressiv gekippt, geschichtet sowie ineinander verschlungen sind und die Bildfläche sprengen.

Den vorläufigen Abschluss bildet Anfang August der 32-­jährige Fintan Magee mit der Gestaltung einer weiteren Giebelwand. Der Australier gilt in seiner Heimat als einer der großen Stars der Szene. Seine figurativen Wandgemälde ­erzählen poetische Geschichten und mahnen einen anderen Umgang mit Natur und Umwelt an. Angefragt sind außerdem noch Künstler, die mit Stencils, also Schablonen, arbeiten, wie man es zum Beispiel von Banksy kennt. So werden schlussendlich alle Spielarten der Urban Art abgedeckt. Und es soll in den nächsten Jahren ­weitergehen. Weitere Wände sind geplant und der „ArtWalk“ soll bald auch andere Stadtteile Saarbrückens einbeziehen. BÜLENT GÜNDÜZ

www. ar t walk. saarland

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Foto: bildware.net



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„ArtWalk“ Saarbrücken /  Alexey Luka / Wand 1 /  Bleichstraße

Alexey Luka, Sprühlack, 8,5 x 9 m, Foto: A xl Klein

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Alexey Luka, Foto: Patrick Jungfleisch


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„ArtWalk“ Saarbrücken / Sowat & Lek / Wand 2 /  Bahnhofstraße


linke Seite und oben: Sowat & Lek, Wandfarbe, 15 x 9 m,

Fotos: bildware.net

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rechts: Sowat & Lek,


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rechts: Smash, unten: Wände von Smash / Sowat & Lek, rechte Seite: Smash, Sprühlack, 15 x 9 m, Fotos: bildware.net


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„ArtWalk“ Saarbrücken / Smash / Wand 3 /  Bahnhofstraße


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Ar yz, Wandfarbe, 11 x 7 m, Foto: Ar yz

„ArtWalk“ Saarbrücken / Aryz / Wand 4 /  Nassauerstraße


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Ar yz, Foto: bildware.net


Heiko Zahlmann & Stohead, SprĂźhlack & Wandfarbe, 18 x 7 m, Foto: Heiko Zahlmann


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Heiko Zahlmann, Foto: Stohead

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„ArtWalk“ Saarbrücken / Heiko Zahlmann & Stohead / Wand 5 /  Stengelstraße


„ArtWalk“ Saarbrücken / Remi Rough & LX.One / Wand 6 /  Försterstraße

oben: LX.One, rechts: Remi Rough, unten und rechte Seite: Remi Rough & LX.One, Sprühlack & Wandfarbe, 13 x 4 m,

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Alle Fotos: bildware.net



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Cone The Weird, Sprühlack, 10 x 8 m, Fotos: bildware.net

„ArtWalk“ Saarbrücken / Cone The Weird / Wand 7 /  Futterstraße


„ArtWalk“ Saarbrücken / Sen2 / Wand 8 /  Futterstraße

Sen2, Fotos: Patrick Jungfleisch


Raks und Laune, Sprühlack & Wandfarbe, 5 x 4 m, Foto: Daniel Hahn Wand wurde erst nach dem Redaktionsschluss realisiert. Abb. einer früheren Arbeit des Künstlers am Heizkraft werk Römerbrücke aus dem Jahr 2013

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„ArtWalk“ Saarbrücken / Raks und Laune / Wand 9 /  Mainzerstraße


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„ArtWalk“ Saarbrücken / Reso / Wand 10 /  Musikhochschule Saar

Reso, „Sparks og Light“, Sprühlack auf Beton, 250 x 400 cm, Wand wurde erst nach dem Redaktionsschluss realisiert. Abb. einer früheren Arbeit des Künstlers aus 2017


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Foto: © Fintan Magee, Wand wurde erst nach dem Redaktionsschluss realisiert. Abb. einer früheren Arbeit des Künstlers in San Juan, Puerto Rico aus dem Jahr 2016

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„ArtWalk“ Saarbrücken / Fintan Magee / Wand 11 /  Mainzerstraße


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„Stadt.Wand.Kunst“, M annheim, und „ M etropolink“, Heidelberg

Kunst unter freiem Himmel


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Die beiden Projekte „Stadt.Wand.Kunst“ in Mannheim und „Metropolink“ in Heidelberg führen diese Idee einer urbanen Galerie – eines „Museums ohne Dach“ – seit mehreren Jahren noch einen Schritt weiter: Hier entsteht Street-Art nicht nur zufällig im öffentlichen Raum, sondern wird gezielt und auf hohem Niveau kuratiert. Eine Reg ion, eine Vision, zwei Konzepte. Die ­I n­tention ist bei „Stadt.Wand.Kunst“ wie auch bei „Metropolink “ ­d ieselbe: Beide haben das Ziel, eine Galerie im Außenraum zu konstruieren, Gebäude und Fassaden in der Stadt zu ver­s chönern und einen freien, unbegrenzten ­Z ugang zur Kunst zu schaffen. Der signifikante Unterschied: „Metropolink“ ist konzeptuell als Festival angelegt, weshalb sich über einen Zeitraum von zwei bis vier ­Wochen ein regelrechtes ­„ Kreativ-Happening“ in Heidelberg und Umgebung abspielt. „Stadt.Wand.Kunst“ hingegen hat den Anspruch, in Mannheim nach und nach das erste frei ­z ugängliche Museum für Fassadenkunst in ganz Baden-­ Würt­temberg entstehen zu lassen. S TA D T.WA N D. K U N S T I N M A N N H E I M

„Stadt.Wand.Kunst“ – das sind zurzeit elf bemalte groß­ f lächige Wandfassaden, von denen sich eine noch im Entstehungsprozess befindet. Angesiedelt sind die Kunstwerke in der Mannheimer Innenstadt sowie in den Quartieren Neckarstadt und Vogelstang. Den Beginn des Projekts ­m arkiert das Jahr 2013, als sich das deutsche Künstlerduo ­„ Herakut“ einer sechs Stockwerke hohen Hauswand in Mannheim annahm. Entstanden ist aus der ursprünglich einmalig gedachten Aktion eine bis dato anhaltende Kooperation der Alten Feuerwache Mannheim mit der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft CBG, dem Kulturamt der Stadt Mannheim und dem Farbenhersteller MONTANA-CANS. Seitdem werden für das Projekt regelmäßig renommierte

Mural von Hendrik ECB Beikirch, „VÉRA“, 2016, Brandenburger Straße 44, Mannheim-Vogelstang, Projekt: Stadt.Wand.Kunst, Foto: Alexander Krziwanie

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Keine Öffnungszeiten, kein Anstehen, kein Eintritt. Wenn sich der öffentliche Raum in ein grenzenloses urbanes ­Mu­seum verwandelt, wird eine ganze Stadt zur Leinwand und Hausfassaden werden zu Kunstwerken. Street-Art – viele ­M etropolen haben inzwischen das Potenzial dieser Kunst als kulturelle Bereicherung erkannt. Jung, gefragt und modern ist sie, die „Kunst von der Straße“. Fast täglich kommen neue Werke zur Freiluftgalerie hinzu, werden zu Sehens­w ürdigkeiten erklärt und sind sogar Inhalt und Ziel von Stadtführungen.


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Mural von Yazan Halwani, Mannheim, Projekt: Stadt.Wand.Kunst, Foto: Alexander Krziwanie

rechte Seite: Mural von Herakut, Mannheim, Projekt: Stadt.Wand.Kunst, Foto: Alexander Krziwanie

M E T R O P O L I N K I N H E I D E L B E RG

Street-Artists zu „Stadt.Wand.Kunst“ eingeladen. Die Liste der Künstler liest sich wie das Who’s who der internationalen Street-Art-Szene: die beiden polnischen Künstler Bezt und Sainer (auch bekannt als das Kollektiv „Etam Cru“), das Belgrader Künstlerduo „Sobekcis“ oder Alexey Luka aus Moskau, um nur einige zu nennen. Herausragend ist das Wandgemälde des deutschen Künstlers Hendrik Beikirch aus dem Jahr 2016, das sich über eine Höhe von 43 Metern, 13 Stockwerke und eine Fläche von 13.000 Quadratmetern erstreckt. Aktuell ist der libanesische Künstler Yazan Halwani aus Beirut bei „Stadt. Wand.Kunst“ zu Besuch. Halwani selbst bezeichnet seinen Stil als „Calligraffiti“ und beeindruckt in Mannheim mit einer „Mural“, bei der orientalische Muster, arabische Kalligrafie und Porträtkunst eine harmonische Einheit auf der Hausfassade bilden.

„Metropolink“ – das bedeutet für Kurator und Veranstalter Pascal Baumgärtner das Auf brechen, Eröffnen und Transformieren von Räumen und Räumlichkeit. „Auf engem Raum und in einem komprimierten Zeitfenster soll möglichst viel an Kunst geschaffen und gezeigt werden“, so beschreibt Baumgärtner seine persönliche Erwartung an das Heidelberger Kunstspektakel. Das Festival findet nun schon das dritte Jahr in Folge statt: Insgesamt zehn Wände in Heidelberg, Walldorf, Schwäbisch Hall und St. Leon-Rot werden unter anderem von Künstlern aus Israel, Spanien und Deutschland bemalt; hinzu kommen mehrere Stromverteilerkästen und Trafohäuser – gestaltet von Talenten aus der lokalen StreetArt-Szene. Begleitend zu den offiziellen Eröffnungen der Wandgemälde bietet „Metropolink“ ein so umfang- wie abwechslungsreiches P rogramm: Livebands, Showacts,


Wand anfährt, organisiert. „Stadt.Wand.Kunst“ arbeitet ­gerade an einer „virtuellen Schnitzeljagd“ via App, welche Fragen und Aufgaben zu den verschiedenen Werken im ­Außenraum stellt und vor allem Kinder spielerisch an das Thema „Kunst“ heranführt. Beide P rojekte im Südwesten vereint , dass die Wandgemälde langfristig angelegt sind, denn die Kunst soll bleiben. So wird hier wie da jeder Passant, ob gezielt oder zufällig, ­b ewusst oder unbewusst, zum Besucher im „Museum ohne Dach“. NINA REINHARDT

w w w . s t a d t- w a n d - k u n s t . d e w w w . m e t ro p o l i n k -f e s t i v a l . n e t

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­P erformances, Lichtinstallationen, Foodtrucks und sogar ­ ogakurse finden im Rahmen des Festivals statt. Den Auftakt Y von „Metropolink“ bildet dieses Jahr das deutsche Künst­ lerkollektiv „Quintessenz“, die für ihre plastischen, oft überdimensionalen Arbeiten bekannt sind. Das Duo, das sich selbst als „resozialisierte Graffiticrew“ bezeichnet, kreiert auf dem Bismarckplatz in der Heidelberger Innenstadt eine ­einzigartige Installation aus 162 verschiedenen Farben und 1,7 Kilometern Holz. Doch wie besucht, begeht und erlebt man die Frei­ luftgalerien in Mannheim und Heidelberg? Beide Projekte arbeiten bereits mit dem jeweiligen Stadtmarketing zu­ sammen. So werden beispielsweise Führungen im Rahmen von „Metropolink“ nicht wie in einem „normalen“ Museum zu Fuß, sondern mit einem Cabriobus, der jede gestaltete


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MUCA München, Außenansicht rechte Seite: Vhils, „Cola“, Fotos: © MUCA München

MUCA München

„Schutzraum“ für Straßenkunst Da s Münchne r M UC A hält Schät ze von namhaf te n Kün stle r n wie B ank sy be re it u n d e n g a g i e r t s i c h f ü r d i e C o n t e m p o ra r y S t r e e t- A r t .

Etwas versteckt im Herzen der Altstadt, direkt hinter der ­Hofstatt und dem alten „Süddeutsche“-Verlagsgelände in der Hotterstraße 12, verbirgt sich Münchens Neuzugang unter den Museen: Das Museum of Urban and Contemporary Art, kurz MUCA. – Übrigens Deutschlands erstes Museum für ­Urban Art. Dass es sich hier um Contemporary Art – und ­damit hauptsächlich um „Kunst von der Straße“ – handelt, ist unübersehbar. Mit wilden schwarzen Streifen auf der Fassade ist das ehemalige Umspannwerk der Münchner Stadtwerke jetzt schon selbst ein Urban-Art-Kunstwerk: Der Berliner Graffitikünstler Stohead, bekannt für seine kalligrafisch-­ typografisch abstrahierten Werke auf Leinwänden und Fassaden, gestaltete die Außenfassade und hat der neuen Location ihren unverwechselbaren Look gegeben. Auch im Inneren des Ende 2016 eröffneten „Schutzraums“ für Straßenkunst, wie es der Gründer und Betreiber Christian Utz selbst gerne nennt, war Stohead bereits aktiv.

Demnächst soll das Museum, das nach aufwendigen ­ m­bauarbeiten jetzt auf einer 1.500 Quadratmeter großen U Ausstellungsf läche A ­ rbeiten von in der Szene namhaften Künstlern wie Banksy präsentiert, auch noch einen Gastronomiebereich bekommen. Dessen künftige Betreiber sind keine Unbekannten in ­München – mit ihrer Bar „Kopper“ in der Theresienstraße h ­ aben sie sich bereits einen Namen in der Stadt gemacht. Ab Ende Juni soll es nun losgehen mit der ­B ewirtung in der sehr ­extraordinären, kleinen und künst­ lerisch feinen mu­sealen Location. Zurück zum MUCA: Eröffnet Ende 2016 hat das neue Museum schon viel Aufmerksamkeit und Zuspruch erhalten. Zur Eröffnung im Dezember 2016 hielt Münchens zweiter Bürgermeister Josef Schmid, selbst ein großer Fan von Urban und Street-Art, die Laudatio. Und seither verzeichnen die ­beiden Gründer Stephanie und Christian Utz, seit über 20 Jahren passionierte Sammler dieser jungen, modernen Kunst, an


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BARBAR A BRUBACHER

M U C A – M u s e u m o f U r b a n a n d C o n t e m p o ra r y A r t www. urbanar t mu seum . org

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diesem für München neuen und sehr außergewöhnlichen Ort ein ­stetig wachsendes Besucherinteresse. Und das nicht nur von Münchnern. Auch unter Touristen hat sich die neue Attrak­t ion schon herumgesprochen – trotz ihres in der Szene eigentlich für einen Widerspruch gehaltenen Konzepts. „Diese Kunst gehört doch auf die Straße“, bekamen die beiden Münchner immer wieder zu hören. Doch die Young-Urban-Art-Förderer, die schon seit Jahrzehnten Sammler und Kenner der Szene sind, halten dagegen: „Wir wollen nicht Kunst aus irgendwelchen Mauern brechen und in ein Museum stellen. Sondern den Künstlern einen Schutzraum geben, wo sie abseits der Straße in Ruhe ihre Kreativität ausleben können“, so Christian Utz. „Street-Art als Kunstform des 21. Jahrhunderts ist zwar ein global gefeiertes Phänomen, aber noch immer zu wenig im Kunstdiskurs ­a ngekommen. Mit dem MUCA wollen wir München zum Zentrum für ‚Urban Fine Art‘ machen und hier experi­ mentellen Formaten und interessanten Positionen eine Plattform bieten“, so Utz weiter.

Obwohl Stephanie und Christian Utz mit dem MUCA nun quasi in ihren Heimathafen eingefahren sind, wollen sie an ihrem seit vielen Jahren etablierten Konzept „MUCA on tour“ festhalten: „Darüber werden wir auch weiterhin klassisch auf der Straße entstandene Projekte transportieren und im ­S tadtumfeld bekannt machen“, verspricht Stephanie Utz. Nachdem das MUCA bereits einige Urban-Art-Outdoor-­ Projekte, zum Beispiel mit dem Hilton oder dem Münchner „Tollwood“, umgesetzt hat, konnten die beiden dieses Jahr das Münchner Hotel „Le Méridien“ als Partner gewinnen: Dessen Fassade erstrahlt seit Ende Mai ganz im Street-­Style-Look: D a s Berl i ner „Tape A r t Kol lek t iv“ K L E BE BA N DE schuf im Auftrag von „MUCA on tour“ eine unübersehbare Klebeband-Fassaden­gestaltung, die im relativ statischen und selten von großen Veränderungen geprägten Münchner Bahnhofsviertel sicherlich noch lange Zeit für Aufsehen ­sorgen wird.


Museum for Urban Contemporar y Ar t

URBAN NATION Berlin oben: Arbeit von Snik-Artists unten: Die Kunstzeitschrift „Juxtapoz“ präsentiert sich in einem Kiosk im „Urban Nation“- Office in der Bülowstraße 97,

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Fotos: Wolfgang Siesing

Im alten Berliner Westen, in Schöneberg, Bülowstraße 97, soll die urbane Street-Art ein eigenes Museum bekommen. Noch ist das Gebäude eingepackt in schwere, knallbunte Planen und erscheint wie ein überdimensioniertes Geburtstagsgeschenk seiner selbst. Doch im September 2017 sollen die Hüllen de­ finitiv fallen und die Türen weit geöffnet werden. Das Haus, ein Gebäude aus der Gründerzeit, wird durch seine Trans­ formation überraschen. Ein Architektenteam von GRAFT zeichnet für das Potenzial einer Wechselfassade verantwortlich, mit der immer wieder aufs Neue eine Metamor­phose zwischen Gebäude und Kunstwerken stattfinden wird. Im ­I nneren wird ein Steg durch den zweigeschossigen Bau ­f ühren. Yasha Young, ehemalige Galeristin und Leiterin der jungen Kunstmesse „Bloom“ wird als die Direktorin von „URBAN N ­ ATION“ die Geschicke des Hauses leiten. Um die Wartezeit bis zur großen Eröffnung ein wenig zu überbrücken, findet derweil gegenüber, im Production Office in der ­Bülowstraße 97, und an den Wänden der umliegenden H ­ äuser eine Ausstellung der „Project M series“ statt. Evan Pricco, ­Redakteur des legendären „Juxtapoz Art & Culture Magazine“ aus San Francisco, kuratierte eine schreiende Bilderf lut an ­hoher Wand und im hellen Raum. WOLFGANG SIESING

www. urban-nat ion. com


Lek Sowat Alex Hoffmann Adrian Falkner (Smash 137) Alex Fielitz (Laune) Daniel Hahn (Raks) Alex Fielitz, „Enthüllung“ Acryl auf Papier, 2017

galerie-neuheisel.de


58 Erste Generation Street - Ar t

Victor Ash Victor Ash, geboren 1968 in Portugal, ist in Frankreich ­auf­gewachsen und lebt heute in Dänemark. Er zählt zu den ­P ionieren des europäischen Graffitis und ist einer der ersten Künstler aus diesem Kontext, dessen Werke bereits seit den 1980er-Jahren regelmäßig in Galerien und Museen gezeigt werden. Rik Reinking sprach für ARTMAPP mit der Urban-Art-Legende.

Victor Ash, „Astronaut/Cosmonaut“, Berlin- Kreuzberg, Backjumps 3, 22 x 14 m, 2007

Tomás Saraceno, „Museo Aero Solar“ in Prato, Italien, 2009, Foto: Janis Elko, © Museo Aero Solar, 2009


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Victor Ash in Berlin, Scharnweberstraße, 2008

Jean-Michel Basquiat und Keith Haring ab. Es war für mich eine sehr besondere Zeit, in der ich viel über zeitgenössische Kunst gelernt und mein Leben und den Stil meiner Kunst komplett verändert habe. Ich habe dann zunehmend mehr mit Institutionen und Galerien gearbeitet. ARTMAPP: Du hast „nur“ als Künstler angefangen – zu einer Zeit, in der es noch gar kein Label „Street-Art“ gab. VA: Heutzutage möchten aber viele Künstler sogenannte Street-Art-Künstler sein. ARTMAPP: Wann hast du begonnen, dich selbst als Künstler zu verstehen? Victor Ash: Ich habe schon immer gemalt, aber erst als Teenager habe ich begonnen, das in den Straßen zu tun. Das war 1983/84. Ich war auf der Suche nach meiner Identität und mochte die Revolte, das Verbotene und die dabei freigesetzte Energie, das Adrenalin. Ich habe mich zu dieser Zeit aber noch nicht als Künstler verstanden, sondern ich konnte einfach nur gut zeichnen. Bei Graffitis geht es überwiegend um Wettbewerb. Darum, die besten oder die meisten Werke zu sprühen oder auch einfach nur an die waghalsigsten Orte. Graffiti half mir aber auch, Museen und Galerien auf eine ganz andere Art und Weise zu betreten. In den späten 1980er-Jahren fingen Galeristen an, mich anzusprechen und daraufhin meine Arbeiten in ihren Galerien auszustellen. Ich glaube, das war die Zeit, als Menschen anfingen, mich einen Künstler zu nennen.

ARTMAPP: Du hingegen, als Vertreter der ersten Generation – also als jemand, der diese Bildsprache von Anfang an mitgeprägt hat –, bevorzugst (wie viele deiner Weggefährten), nicht zu dieser Gruppe gezählt zu werden. Gibt es hierfür einen ­besonderen Grund? VA: Für mich ist Street-Art ein sehr vager Begriff. Unter Street-Art fällt für mich jede Form von kreativer Geste oder Ausdruck, die im öffentlichen Raum passiert. Dazu zähle ich neben Kreidemalereien auch Straßentheater und Straßen­ musiker etc. Wie auch immer – was ich heutzutage unter dem Begriff Street-Art sehe, das ist überwiegend sehr stereotyp und ziemlich kitschig. Allein die Tatsache, dass es im öffent­ lichen Raum stattfindet, reicht in meinen Augen nicht aus, um Teil einer ernsthaften Kunstform zu sein. ARTMAPP: Wie sind deine Pläne – oder deine Träume für die Zukunft?

VA: Das verlief alles so schnell in den späten 1980ern. ­ gnès b., die französische Modedesignerin, hatte damals eine A sehr angesagte Galerie im Zentrum von Paris. Sie bot mir an, meine Werke auf Leinwand dort in ihren Räumen auszustellen.Diese Schau war sehr erfolgreich und die Nachfrage nach meinen Arbeiten stieg kontinuierlich, was dazu führte, dass ich immer mehr im Studio arbeitete. Mein Stil veränderte sich dabei komplett. Das lag daran, dass für mich die „Sprache der Straße“, so wie ich sie kannte, auf einer kleinen sauberen Leinwand einfach nicht funktionierte. Also habe ich meinen Stil weiterentwickelt und mich dabei von dem engen Korsett des Graffitis ein Stück weit emanzipiert. In dieser Zeit habe ich mein Atelier mit befreundeten New Yorker Graffitikünstlern geteilt. Einige von ihnen hingen in den 1980er-Jahren mit

VA: Ich möchte weiter an meiner Arbeit wachsen und dabei Werke schaffen, die so inspirierend und interessant sind, dass sie einen Mehrwert für die Gesellschaft und für mich persönlich darstellen. ARTMAPP: Was ist deine größte Sorge? VA: Mich selbst zu wiederholen und dabei ein langweiliger Künstler zu werden. ARTMAPP: Victor Ash, vielen Dank für das Gespräch! w w w . v i c t o ra s h . n e t

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ARTMAPP: Was für ein Gefühl war das für dich und was ist da genau passiert?


60 Mirko Reisser (DAIM) im M ACRO, Rom

Von der Straße ins Museum Urban Art ist en vogue: Im Interview mit den ARTMAPP-Autoren Nicole Büsing und Heiko Klaas spricht der Hamburger Urban-Art-Künstler Mirko Reisser (DAIM), Jahrgang 1971, über seine Anfänge als Graffiti-Sprüher und die große Urban-Art-Ausstellung, die zurzeit im MACRO Museum in Rom zu sehen ist. ARTMAPP: Deine Kunst hast du bereits rund um den Globus präsentiert. Noch bis zum 1. Oktober bist du mit einer großen Wandarbeit in der multimedialen Gruppenausstellung „Cross the Streets“ im MACRO in Rom, dem Museum für zeitgenössische Kunst, zu sehen. Was macht gerade diese Schau so besonders? Mirko Reisser: Paulo Lucas von Vacano, der Kurator der Ausstellung, kennt sich sehr genau in der europäischen und US-amerikanischen Urban-Art-Szene aus. Er ist Gründer des römischen Verlagshauses DRAGO, das auch einen ganz wesentlichen Anteil an der professionellen Umsetzung der Ausstellung im MACRO hat. Es wird die ganze Vielfalt an herausragenden Positionen von Graffiti über Street-Art, Street-Photography bis hin zu Pop-Surrealism gezeigt. Neben Arbeiten, die direkt vor Ort umgesetzt wurden, sind aber auch über 150 Leihgaben zu sehen.

ARTMAPP: Rom scheint in der Geschichte der Urban Art also nicht ganz unwichtig zu sein. Wie geht die Schau darauf ein? MR: Die Ausstellung im Hauptraum des Museums wird durch eine von Christian Omodeo kuratierte Ausstellung über die ganz besondere Geschichte des Graffiti-Writings in Rom ergänzt. In Rom fand bereits 1979 die erste Galerieausstellung mit New Yorker Graffitis statt, die erste auf europäischem Boden. ARTMAPP: Wie wird die Ausstellung von den Römern angenommen? MR: Die Eröffnung war bereits ein voller Erfolg, es kamen über 6.000 Besucher. Es bildeten sich lange Schlangen. Bis spät in die Nacht wurde diese Kunstrichtung, die auch einen Großteil der jüngeren römischen Kunst- und Jugendszene geprägt hat, gefeiert.

ARTMAPP: Warum findet diese Ausstellung ausgerechnet in Rom statt? Gibt es dort bestimmte Traditionen oder eine besonders aktive Szene?

ARTMAPP: Was bedeutet es für dich, Teil dieses Projektes zu sein?

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MR: Die römische Graffiti-Szene ist immer eine sehr aktive gewesen, aber auch Writer aus ganz Europa sind viel nach Rom gereist. Zeitweise war das römische U-Bahn-Netz so stark besprüht wie seinerzeit das von New York. Jeder Waggon war von oben bis unten vollgesprayt, die Bilder sind teilweise Jahre lang gefahren.

MR: Natürlich ist es besonders spannend, als einer der wenigen eingeladenen Künstler bei so einer Ausstellung direkt vor Ort etwas umzusetzen. Ich komme mit meiner Arbeit traditionell von der Straße, aus dem öffentlichen Raum, und auch wenn ich heute eher im Atelier und auf Leinwand arbeite, sind für mich die großen Wandarbeiten im musealen Kontext auch eine Art von Arbeit im öffentlichen Raum. Dazu bietet das MACRO mit seinen teilweise bis zu 15 Meter hohen Wänden eine hervorragende Umgebung.

Mirko Reisser (DAIM), „DAIMmonomania II“, 2017, Sprühlack und Acr yl auf Wand, 8 x 6 m, Ausstellungsansicht: „CROSS THE STREETS: An exhibition of Urban Art“, Courtesy: MACRO – Museo D‘Arte Contemporanea Roma / DRAGO, Foto: MRpro



62 ARTMAPP: Du hast bereits als Schüler angefangen, deine ersten Graffitis im Hamburger Stadtraum zu sprühen. Katz- und Mausspiele mit Sicherheitsdiensten oder der Polizei gehörten damals zu deinem Alltag. Heute hängen deine Arbeiten im Museum. Wie steinig war der Weg dorthin?

MR: Ich habe wie viele andere auch aus der Begeisterung für die Hip-Hop-Musik damit angefangen, zu sprühen. Es war pubertierende Abenteuerlust, die Suche nach Anerkennung und Freundschaften. Schnell wurde daraus mehr, denn ich habe relativ spät, erst mit 17, angefangen und konnte neben der Schule bereits erste Erfahrungen mit Auftragsarbeiten, aber auch Leinwandbildern und Ausstellungen sammeln. So war es mir bereits nach meinem Abitur mit 19 Jahren möglich, ein Stück weit meinen Lebensunterhalt davon zu bestreiten. Das Studium der freien Kunst in Luzern ab 1996 festigte dann diesen Weg.


63

MR: Am Anfang steht immer die Bleistiftskizze im traditionellen „ Blackbook “. Erst nach dem Einscannen und Weiterentwickeln am Computer wird die erste Idee vollends ausgearbeitet, sodass dann der Entwurf für die Umsetzung an der Wand komplett geplant ist. Die Mengen der Sprühdosen,

der Streichfarben und die Farbtöne müssen besonders bei eng getakteten Umsetzungen, so wie es jetzt auch in Rom war, sehr genau festgelegt werden. Ein Nachbestellen an Sprühdosen ist oft aus Zeitgründen nicht möglich. Der ausgearbeitete Entwurf wird mithilfe eines Rasters sehr präzise auf die Wand übertragen, Laser oder Kreideschlagschnur helfen bei der Vorzeichnung der langen geraden Linien. Die unteren Farbschichten werden oft mit Streichfarbe gerollt, das Motiv hingegen, mein „Style“, wird dann mit der Sprühdose frei aus der Hand gesprüht. Oft kommt am Ende noch ein transparenter Lack über die bemalten und besprühten Flächen, um einen einheitlichen Glanz zu erzielen. Eine solche Umsetzung ist weit weg von der Spontaneität, die man Graffiti und StreetArt gemeinhin unterstellt. Diese entsteht bei mir heute eher bei der Umsetzung von Leinwandarbeiten im Atelier, wo ich mich mit Spritzern oder Tropfen und ohne ausgearbeitete Entwürfe voll auf die Entwicklung von Neuem einlassen kann. ARTMAPP: Über deine Website vertreibst du Limited Editions, Poster, T-Shirts und anderes. Wie wichtig ist es dir, deine Kunst nicht nur vermögenden Sammlern, sondern auch Menschen mit kleinerem Budget zugänglich zu machen? MR: Graffiti kommt genau aus diesem Anspruch heraus. Es ist für den Betrachter kostenlose Stadtgestaltung. Auch wenn heute Urban-Art auf dem Kunstmarkt hoch gehandelt wird und ich davon natürlich auch profitiere, sollten alle Liebhaber dieser Kunst, unabhängig von Alter und Geldbeutel, die Möglichkeit haben, sich daran zu erfreuen. ARTMAPP: Mirko Reisser, vielen Dank für das Gespräch!

bis 1. Ok tober 2017 „ C ro s s t h e S t r e e t s“ M AC R O – M u s e o d i A r t e C o n t e m p o ra n e a d i R o m a w w w . m u s e o m a c ro . o r g w w w . m i r k o r e i s s e r. d e

Vorne: EVOL / dahinter: Shepard Fairey (OBEY), Ausstellungsansicht: „CROSS THE STREETS: An exhibition of Urban Art“, Courtesy: MACRO – Museo D‘Arte Contemporanea Roma / DRAGO, Foto: MRpro

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ARTMAPP: Wie entsteht eigentlich eine Arbeit von der ersten Skizze bis zur Ausführung? Könntest du deine Vorgehensweise am Beispiel der Wandarbeit für Rom kurz erläutern?


Neue Edition von THOMAS BAUMGÄRTEL

„ U S A P E “, 2 0 1 7 4 0 x 8 0 c m , 1 3 0 g /q m B l u e B a c k P a p e r, F i n e A r t- P r i n t m i t E P S O N - u l t ra c h ro m - p ro -T i n t e n , Auf lage 999 , numme r ie r t und sig nie r t zum P re i s von 99 , 00 EU R , e rhältlich im Pop A r t Shop Pe te r Kle mm , www. popar t shop. de


Banksy, „If graffiti changed anything – it would be illegal“, 2011, Detail. Den titelgebenden Spruch hat die Ratte gerade auf die Wand geschrieben. Die Arbeit befand sich an der Ecke Clipstone/Cleveland Street in Fitzrovia, London. „To be caught red-handed“ – in Anspielung auf den roten Handabdruck – bedeutet, auf frischer Tat ertappt zu werden. Foto: w w w.fitzrovia.org.uk

Blek vs. Banksy Die Schablonentechnik wurde laut „Graffiti-­Lexikon“ Anfang der 1980er-Jahre von Blek le Rat für die StreetArt entdeckt. Der „Father of Stencil ­Graffiti“ sei b ­ ekannt dafür, dass Banksy seinen Stil „stahl“:

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Stencilkunst – Von Polkes Pop - Ar t zu Banksys Street - Ar t


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Blek wirft Banksy das Plagiieren vor, weil er dieselbe Technik verwendet. Ich erzähle die Geschichte anders. Denn: Waren alle, die je mit Ölfarbe malten, Plagiatoren des allerersten? Blek war nicht der Erste, der Schablonen in der StreetArt einsetzte. Er selbst gibt zu, dass vor ihm Punks diese Technik urban nutzten. Auch linke und rechte Propaganda vor 1945 setzte Schablonen im Stadtraum ein, die Bereiche ­Grafikdesign und Außenwerbung sogar schon vor 1900. Blek sah als Kind in den 1960er-Jahren übergroße ausgeblichene Mussolini-Schablonenbilder aus der Zeit des Faschismus auf Wänden norditalienischer Dörfer.

Sigmar Polke, „Fernsehbild (Kicker) II“, 1971, Spraylack und Schablone auf schwarzem Offsetdruck auf Karton, 64 x 84 cm, in Passepartout, unten rechts signiert und datiert „S. Polke 71“ © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

Auch in der Galeriekunst ist die Sprühschablone früh heimisch geworden. Sigmar Polke verwendete sie ab 1971 (Andy Warhol schon 1958). Der Künstler John Fekner, dem wir die lakonische Definition „Street-Art ist alle Kunst auf der Straße, die nicht Graffiti ist“ verdanken, ist ein Jahr älter als Blek. Er schafft ab 1968 selbstautorisierte Schablonenwerke, etwa die „Random Dates“ von 1977. Wie Blek wurde er von Schablonen aus dem Zweiten Weltkrieg beeinflusst. Weitere Stencils entstanden in Kollaboration mit Don Leicht ab 1978, statt „Post no bills“ (Plakatieren verboten) sprühten sie etwa „Post no Dreams“ (Träumen verboten). Ebenfalls bereits vor 1980 wurde David Wojnarowicz, dessen Retrospektive im Whitney Museum of American Art in New York 2018 ansteht, ebenda mit Schablonen aktiv. Sein ikonisches brennendes Haus und andere Schablonen fanden später Eingang in seine Leinwandarbeiten. Blek war also mitnichten der erste Stencil-Street-Artist. Doch was ist mit seinem Vorwurf an Banksy? „Ich sehe sofort, woher er die Idee nimmt“, sagt Blek über Banksy in einem Interview mit Jane Preston, dazu der Hinweis, dass Banksy Ratten oder eine Madonna mit Kind

Mussolini auf Google Maps

John Fekner, „Random Dates“, 1976/77, erste Stencilserie des Künstlers, anonym in den Straßen New Yorks ausgeführt


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schaffe. Ist also jeder Künstler, der eine Madonna mit Kind malt, Plagiator? Im Hintergrund der Interviewaufnahme ist derweil eine Blek-Arbeit zu sehen, die ein Gemälde Pere Borrell del Casos mittels Schablonen übersetzte ... – „Blek, machst du dich über mich lustig? Hör auf zu sagen, dass ich meine Ideen von dir nehme“, so Banksy an Blek per E-Mail. 2008 lud er ihn sogar zu seiner Ausstellung „The Cans Festival – Banksy street exhibition“ in London ein und bemerkte: „Jedes Mal, wenn ich glaube, ich habe etwas nahezu Originelles gemalt, merke ich, dass Blek es auch getan hat, nur 20 Jahre zuvor.“ Banksy gibt hier nicht zu, dass er von Blek stahl, nur, dass Blek ähnliche Ideen wie Banksy hatte – früher, ohne Banksys Wissen. „Es ist schwierig, eine Technik zu finden, einen Stil […]. Wenn du [...] siehst, dass jemand anderes deinen Stil nimmt und reproduziert – das gefällt dir nicht. Ich bin mir nicht sicher, was seine Integrität angeht“, so Blek gegenüber Preston. Ist Technik gleich Stil? In den 1990er-Jahren schwand auch in Frankreich Bleks Bekanntheit, der in England vor Banksy nie berühmt war. Woher sollte dieser, der Anfang der 1992 begann, damals noch ohne Internet, von Bleks Arbeit(en) erfahren haben? Banksy selbst wurde wohl über Punk-Schablonen wie im LP-Cover der Band Crass (1980) und durch lokale Bristoler Writer wie 3D auf diese Technik aufmerksam. 3D sah 1983 ein Video der Punkband The Clash, deren Single-Schallplatte eine Sprühschablone beigegeben war. Vergleiche von Banksys und Bleks Arbeiten im Preston-Interview, welche die künstlerische Aneignung des

Blek le Rat beim Sprühen seiner Ratten am Quai de la Seine, Paris © R. Klatzman

Ersteren belegen sollen, hinken: Blek zeigt formal naturalistisch-reduzierte „Ratten-Schatten“. Ratten im urbanen Raum wurden wiederum schon von der Künstlerin Christy Rupp ­illegal in New York 1979 – vor Blek – ausgeführt. Banksy-Ratten sind dagegen vermenschlicht, verhalten sich menschlich, malen, agieren, erzählen eine Geschichte, beziehen den Anbringungsort mehr ein als Bleks. Dessen Ratten könnten überall sein. Blek hat sich zur Beantwortung von Suggestivfragen hinreißen lassen, um den erfolgreicheren Kollegen zu schmähen, dem er letztlich sein eigenes Revival verdankt, wie er selbst sagt. ULRICH BLANCHÉ

Der Street-Art-Forscher Ulrich Blanché publizierte u. a. „Street Artivist Banksy“ (2010) und „Konsumkunst. Kultur & Kommerz bei Banksy & Damien Hirst“ (2012, engl. 2016).

Punkband The Clash, „Straight to Hell“, Single -Schallplatte mit beigegebener Sprühschablone, veröffentlicht am 17. September 1982 © CBS

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Institut für Europäische Kunstgeschichte, Universität Heidelberg


Blek le Rat, „The Man Who Walks Through The Walls (German flag)“, 2016, Spraypaint mit Schablone auf Leinwand, 190 x 130 cm, Unikat, handsigniert unten rechts


69 Pioniere der Urban Ar t in der Münchner Galerie Kronsbein

„Der Mann, der durch die Wände geht“

Stik, „Family Unique“, 2011, Acr yl auf Leinwand, 51 x 101 cm,

In der Münchner Wurzerstraße prangt an einer Hauswand seit Kurzem das Bild eines eleganten Mannes. Er trägt Anzug, Krawatte, Einstecktuch, Sonnenbrille – und könnte Filial­ leiter eines Luxusgeschäfts in der nahen Maximilianstraße sein. Doch der Koffer, den er in der rechten Hand hält, trägt die ­Aufschriften „Blek le Rat“ und „Stencils“ („Schablonen“). Der französische Urban-Art-Künstler Blek le Rat – mit ­bürgerlichem Namen Xavier Prou – sprühte das Werk „Mann, der durch Wände geht“ im September 2016 auf die Hauswand. Die Galerie Kronsbein gegenüber widmete ihm gerade die ­erste Ausstellung in Deutschland. Und das in München! Die bayerische Landeshauptstadt ist nicht eben berühmt für ihre Street-Art-Szene. Zwar ­be­malten Studenten nach den Olympischen Spielen 1972 das Olympische Dorf, hinterließ der US-amerikanische Muralist Richard Haas 1978 zwischen Rumford- und Frauenstraße sein einziges Werk in Europa. Dieses wird jedoch heute von einem Neubau verdeckt. Hier und da verewigte sich der Street-Art-­ Pionier Loomit, der in den 1980er-Jahren einen S-Bahn-Zug besprühte und damit die Gründung der deutschlandweit ­e rsten Polizei-Sonderkommission „Graffiti “ auslöste.

­ nsonsten darf sich das künstlerische Sprayertum MünA chens auf dem ehemaligen Fabrikgelände des Kunstparks Ost austoben. Die noch junge Galerie Kronsbein hat es nun geschafft, ­M ünchen auf der Landkarte der Urban Art zu etablieren. Mit ihrer Ausstellung „Banksy – King of Urban Art“ löste sie im April 2016 ein enormes nationales Medien­ echo aus. 400 Be­sucher standen auf der Vernissage dicht an dicht , dar unter Holly wood-Haudegen R alf ­M oeller. ­Münchens Ex-Ober­bürgermeister Christian Ude hielt eine ­i nhaltsreiche Eröffnungsrede. Zu bestaunen waren 45 Uni­ kate sowie ­Siebdrucke bekannter Motive, etwa „Girl with Balloon“ und „Monkey Queen“, alle versehen mit Banksys Echtheitszerti­f ikat. Die Bilder stammten aus der Privatsammlung des Galeriegründers Dirk G. Kronsbein. Er sammelt seit Jahrzehnten Kunst und besitzt vermutlich eine der größten Banksy-Sammlungen weltweit. Sein Vermögen machte er als Unternehmer. In den 1970er-Jahren gründete er einen führenden Hersteller von Hochleistungs-Filtertechnik, der bis heute besteht und inzwischen von seinem Sohn geleitet wird. 2009 gründete er in

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Unikat, Zertifikat vorhanden, signiert, datiert, gerahmt, COA


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München die Firma ArtConsult, die Vorläuferin der jetzigen Galerie. Zunächst handelte Kronsbein vor allem mit der Künstlergruppe Zero. Er fand jedoch das Angebot „zu ­be­liebig“, wie er gesteht. 2015 spezialisierte er sich auf U ­ rban Art, eine Stilrichtung, an die er glaubt und ­deren Markterfolg ­seither ihm recht gibt. Bei ­Auktionen erzielten Banksy-Bilder zuletzt sechsstellige ­B eträge. Nach dem Erfolg mit dem Briten, der seine Identität hartnäckig geheim hält, landete Kronsbein gleich darauf im Herbst den nächsten Coup mit ­einer Aus­stellung von Banksys französischem V ­ orläufer Blek le Rat. Der erfand in den 1980er-Jahren die Schablonenkunst, die Banksy übernahm. Über Blek le Rat soll er gesagt haben: „Jedesmal, wenn ich denke, etwas halbwegs Origi­nelles ­geschaffen zu haben, f­ inde ich heraus, dass Blek le Rat es vorwegnahm, nur 20 Jahre ­f rüher.“ Der Franzose, Jahrgang 1952, benutzte ­S chablonen, um seine sozialkritischen Bilder und seine Parodien ­be­r ühmter Kunstwerke schnell an eine Wand sprühen und ebenso schnell wieder verschwinden zu können. Anders als Banksy wurde er 1991 enttarnt. Der Zwang, schnell zu sein, motivierte auch den Londoner Künstler Stik zu seiner Technik: „Ich erkannte, dass sechs Striche und zwei Punkte die schnellste Art waren, eine menschliche Gestalt zu malen, ohne erwischt zu werden.“ Wer seine in England verbreiteten Strichmännchen und deren Gestik und Mimik betrachtet, ist erstaunt, wie reduziert menschliche Darstellungen sein können, die den Betrachter dennoch anrühren. Ob ein Elternteil die Hand auf die Schultern seiner beiden Kinder legt oder ein verschleiertes und ein unverschleiertes Strichmännchen sich die Hand reichen: Körpersprache, Kopfhaltungen und Gesten sagen alles. Stik, dem die aktuelle Ausstellung bei Kronsbein gewidmet ist, war obdachlos, als er anfing zu malen. Er ist heute ein Star der Szene.

Dem Kunsthistoriker Valeri Lalov, gebürtiger Bulgare und seit 2016 Leiter der Galerie, imponiert an Stik die Art, wie er soziale Probleme anspricht. „Er sprühte sein piktogrammartiges Bild einer alleinerziehenden Mutter auf ein Haus mit Sozialwohnungen, gegenüber einem Luxuswohnkomplex.“ Mit sparsamsten Mitteln erinnert der Künstler so die reichen Menschen auf der einen an die Nöte der anderen Straßenseite. Lalov treibt die Entwicklung der Galerie zu einer In­ stitution für Urban Art voran. Dazu gehört, als Leihgeber für renommierte Ausstellungen aufzutreten. Mehrere Werke aus der Sammlung Kronsbein sind aktuell auf der „Urban Art ­Biennale“ im Weltkulturerbe Völklinger Hütte zu sehen. ­Neben der Galerie möchte Lalov einen Showroom für Bilder aus dem Depot eröffnen. Und natürlich möglichst viele Bilder verkaufen. Die Gewohnheit des Galeriegründers, Werke zu ­sammeln, um sie dann zu verkaufen, führt gelegentlich zu ­Interessenskonflikten. Wenn der Sammler sich nämlich nur ungern von seinen Lieblingen trennt. „Dann muss ich fast ein bisschen bremsen“, schmunzelt Dirk Kronsbein. Der Kunsthistoriker überrascht ihn ein ums andere Mal mit seinem Verkaufsgeschick. Einem deutschen Sammler brachte Valeri Lalov jüngst zwei Bilder zur Auswahl mit. „Am Ende verkaufte er beide“, berichtet Kronsbein bewundernd und irgendwie auch ein wenig traurig über den Verlust. HOLGER CHRISTM ANN

b i s 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7 P o p & U r b a n A r t w i t h H i g h l i g h t s f ro m S t i k w w w . g a l e r i e k ro n s b e i n . c o m

Galerieteam v. l. n. r.: Stephanie Weiser, Grafik & Marketing, Valeri Lalov M. A., Galerist, Dirk G. Kronsbein, Inhaber, Foto: Galerie


Mambo, „Downtown Absurdia“, 2015, Acr yl auf Leinwand, 150 x 300 cm © Weltkulturerbe Völklinger Hütte/ Hans- Georg Merkel

Weltkulturerbe Völklinger Hüt te

Die Möllerhalle der stillgelegten Völklinger Hütte ist zugig. Staub hat sich auf Arbeitsgerät und Spinde gelegt, überall riecht es nach Öl, mächtige Betonmauern bröckeln langsam. Die Halle mit ihren verwinkelten Gängen und Räumen ist ein herrlicher Ort für Graffitisprayer, die sich hier gerne austoben. Aber keine „Vandalen“ haben diese Wände „beschmiert“. Hier zeigen seit Anfang April renommierte Urban-Art-Künstler Arbeiten auf Leinwand, Papier und Holz. Die Werke sind Teil der vierten UrbanArt Biennale® in der ehemaligen E ­ isenhütte, die seit 1994 als Weltkulturerbe der UNESCO ­u nter Denkmalschutz steht. Einst wurden in der Halle die Rohstoffe für die Hochöfen gemischt. Davon zeugen noch heute die vom Eisenerz rostroten Wände. Nur wenig hat sich seither verändert: Durchbrüche öffnen Kabinette und kleine Ausstellungsäle, außerdem wurde für die Besucher ein Holzboden über den Schütttrichtern eingezogen. Auf 10.000 Quadratmetern zeigen Generaldirektor Meinrad Maria Grewenig und Kurator Frank Krämer 150 Werke von 100 Künstlern aus der ganzen Welt. Besonders spannend ist die Einbeziehung des „Paradieses“, wie man den 33.000 Qua­ dratmeter großen Landschaftsgarten auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei getauft hat. Hier durfte sich die Natur die Ruinen zurückerobern. Einige Künstler haben sich von Architektur und Geschichte inspirieren lassen und eigens für diesen Ausstellungsort Werke geschaffen. Zu den Höhe­ punkten des Parcours gehört Thomas Cantos Installation im 30 Meter hohen Treppenaufgang des Kohleturms. Jede UrbanArt Biennale® setzt einen ­Schwerpunkt. In diesem Jahr ist das – parallel zu einer Inka-­Ausstellung – die urban inspirierte Kunst Südamerikas. Wie viele Urban Artists holen sich auch die Südamerikaner ihre ­I nspiration aus der Jahrtausende alten Bildsprache der eigenen Kultur und kombinieren diese mit den Einf lüssen der urbanen Moderne.

Doch selbst Stars wie Os Gêmeos, Cranio und Curiot ­bleiben trotz drängender Probleme ihres Kon­t inents seltsam kraftlos – ganz anders als die arabischen Künstler, die man vor zwei Jahren in den Mittelpunkt stellte. Die Biennale-Macher verzichten in diesem Jahr auf viele große Namen und erlauben dafür mehr Entdeckungen, etwa den Polen Robert Proch, dessen figurative Malerei von Licht und Farbe durchwoben scheint. Fast schon langweilig wirkt da e­ iner der Superstars der Szene. Erstmals zeigt die Völk­linger Hütte eine Arbeit von Banksy. In sakral anmutender At­mosphäre hängt „Toxic Mary“ wie ein Altarbild in einem kleineren Raum, in dem mit Blek le Rat ein weiterer Altmeister präsentiert wird. Ein Besuch der Biennale ist unbedingt empfehlenswert. Die Ausstellung ist eine der größten ihrer Art weltweit und bietet einen Überblick über die Urban Art in all ihren Ausprägungen. Mit der „Urban Art 2.0“ greift man auch einen Trend auf, Kunstwerke mit Smartphone-Apps interaktiv zu erleben. Nur Weniges kann nicht überzeugen: Die quietschbunten Kitschfiguren von Buff Monster funktionieren vielleicht als Intervention in trostlosen Vororten US-amerikanischer Großstädte, nicht aber auf kleinformatigen Leinwänden im musealen Rahmen. Dass es auch anders geht, zeigt der Spanier OKUDA mit seiner ebenso bunten und fast fünf Meter langen Leinwand mit geometrischen Abstraktionen, figurativen Gedankenlandschaften und surrealen Traumsequenzen. BÜLENT GÜNDÜZ

bis 5 . November 2017 4 . Urban Ar t Biennale® 2017 w w w . v o e l k l i n g e r- h u e t t e . o r g

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Urban Art Biennale 2017


72 Venet - Haus Galerie, Neu - Ulm

Fuck Boring P u r e P ro v o k a t i o n o d e r p ro g ra m m a t i s c h e s S t a t e m e n t ? Die Neu-Ulmer Galer ie begeister t mit einer ehemaligen Subk ult ur den Süddeutschen R aum

Die Frage nach der Provokation oder dem programmatisches ­Statement kann man im Falle von VAN RAY wohl mit letzterem b ­ eantworten werden. Denn der Düsseldorfer, der zu den erfolgreichsten Vertretern deutscher Urban Art zählt, gilt als ebenso expliziter wie geistreicher Kritiker sozio-kultureller Missstände und vermeintlicher Zeitgeist-Phänomene. Und so diente dieser Ausstellungstitel weniger als provokative Geste denn als pointierte Zusammenfassung seiner künstlerischen Intentionen. VAN RAY gehört zu den jüngeren Künstlern der Urban Art, deren Arbeiten international gehandelt werden. Geprägt durch die besonders in Paris 1980 verbreiteten Schablonen-Graffiti, begann er in den 1990er-Jahren, als Graffiti-Künstler den städtischen Raum mit sozialkritischen Botschaften und Bildern zu füllen. Seine Werke sind in zahlreichen Privatsammlungen in Deutschland, Italien, Schweiz und China vertreten. Mit ­seinen W ­ erken war Van Ray in der 30works Galerie bereits im Rahmen der Ausstellungsreihe „Dirty Works“ neben StreetArt Künstlern wie „Bananensprayer“ Thomas Baumgärtel oder L.E.T. zu sehen. Seit 2017 ist er der Neuzugang in der ­Venet-Haus Galerie. „Ich freue mich sehr mit VAN R AY ­einen Umbruch des Galerieprogramms zu schaffen und die Graf­f itikultur und Urban Art im Süddeutschen Raum zu ­präsentieren“, so Verena Schneider Inhaberin der Galerie.

Verena Schneider, Inhaberin, und VAN RAY, Künstler @ Venet- Haus Galerie


VAN RAY, „The Thinker“, Foto: © Venet- Haus Galerie, Neu- Ulm

VA N R AY A L S M E I S T E R D E S M I N D B A S H I N G S :

So reichert er figürliche Motive mit diametralen Claims, Parolen und Suggestivfragen an – und bricht damit ganz gezielt ihre bisherige Konnotation. Indem er Supermodels, Pin-ups und Comic-Helden durch Sprache konterkariert und in gänzlich andere Kontexte einbettet, versieht der 32-Jährige sie mit unkonventionellen Bedeutungen und entwirft so völlig neue Geschichten. Damit reift VAN R AY zum versierten Storyteller, ­dessen ­Bildwelten gleichermaßen durch Eloquenz, Anmut und Humor bestechen.

Neben den sprachlichen und figurativen Elementen spielt auch die Materialität eine gewichtige Rolle in VAN RAYS Œuvre. Dabei f­ usioniert er Spraylack mit so kapriziösen Trägerkomponenten wie Rost oder hochglänzendem Acrylglas. Das Ganze gipfelt bei VAN RAY in einer fulminanten B ­ ildsprache, die den Betrachter direkt adressiert und ihn zu mehr W ­ agemut, zu freiem Denken und Zivilcourage auf­f ordert und Beliebigkeit, Konformismus und Lange­ weile selbstbewusst den Kampf ansagt. In diesem Sinne: Fuck Boring!

VAN RAY, „Astronaut“, Foto: © Venet- Haus Galerie, Neu- Ulm

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Uwe Eisenbeis (rechts) in der Galerie Zimmerling & Jungfleisch, Saarbrücken, mit dem Urban-Art- Künstler Sen2, Foto: Patrick Jungfleisch

Inter view mit dem Sammler Uwe Eisenbeis

„Urban and Contemporary Art“ Uwe Eisenbeis lebt in den Städten Hamburg und Stuttgart und arbeitet als Professor für Medienmanagement und Ökonomie an der Hochschule der Medien. Als l­ eidenschaftlicher Kunstinte­ressierter beschäftigt er sich seit einigen Jahren verstärkt mit Urban Art. Für ARTMAPP ­unterhielt sich Hansjörg Fröhlich mit Uwe Eisenbeis über die Unterschiede zwischen Straße und Galerie sowie die Ver­bindung von Sammeln und Vermitteln. ARTMAPP: Der Laie denkt bei Urban Art zunächst nicht an eine sammelbare Kunst, sondern bringt sie mit Sprühereien an S-Bahn-Waggons oder mit der „East Side Gallery“ in Berlin in Verbindung. Was zählt für Sie alles zum Bereich der Urban Art? Uwe Eisenbeis: Zunächst einmal sind das ja zwei unter­ schiedliche Welten. Wobei diese beiden durchaus auch Überschneidungen haben. Zum einen gibt es das, was man sieht, wenn man aufmerksam und mit offenen Augen durch die Straßen läuft: Graffitis, kleine Papier- oder Styropor­ arbeiten oder kreativ gestaltete Kacheln, große Wandarbeiten und vieles mehr. Zum anderen gibt es Arbeiten in Galerien. Das sind dann Werke von Künstlern, die ursprünglich aus der

­ rban-A rt-Szene kommen, aber ihre Techniken und U ­Bildsprache transformiert, weiterentwickelt und auf die ­Bedingungen einer Galeriesituation angewandt haben. Bei solchen Arbeiten, die heute in einschlägigen Galerien aus­ gestellt werden, ist die Herkunft von der Straße nur noch selten auf den ersten Blick nachzuvollziehen, oft ist sie einzig noch in der Biografie des jeweiligen Künstlers vorhanden. Es handelt sich hier für mich um zeitgenössische Kunst. Ich ­bevorzuge daher den Begriff „Urban and Contemporary Art“. ARTMAPP: Sie sammeln Urban Art. Nach welchen Kriterien treffen Sie Ihre Wahl? UE: Für mich ist es wichtig, dass in irgendeiner Weise ein besonderer Bezug zum Werk be- oder entsteht. Entweder lerne ich den Künstler persönlich kennen oder ein anderer Aspekt verbindet mich mit der Arbeit. Es muss jedenfalls über ein bloßes „Gefällt mir“ hinausgehen. Das können dann Arbeiten auf Leinwand sein, Collagen, aus Holz gefräste Werke oder auch skulpturale Objekte. Darüber hinaus halte ich Beton für einen sehr spannenden Werkstoff – hier denke ich beispielsweise an Arbeiten von Heiko Zahlmann.


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Museumssammlungen unter dem Label Urban Art zu sehen sind, treffen keine explizit politischen Aussagen mehr. Dieses Mitteilungsbedürfnis ist wohl auf dem Weg von der Straße in die Kunstinstitutionen von der thematisch-inhaltlichen auf die ästhetische Ebene gewechselt. ARTMAPP: Mitunter wird auch das „Adbusten“, also das kreative, meist sinnentstellende ­Verfremden von Außenwerbung, zum Beispiel von Wahlplakaten und Modeanzeigen, zur Urban Art gezählt. Kann man das machen? UE: Klar kann man das dazuzählen. Für mich sind die Begriffe Urban Art und Street-Art sehr weit gefasst. Selbst ein Flash­ mob im Kauf haus, eine Performance auf einem Platz oder Urban Gardening sind Versuche, den urbanen Raum – vielleicht auch nur temporär – zu gestalten. Urban Art ist offen für alle Seiten, sich kreativ zu beteiligen. ARTMAPP: Sammeln Sie auch andere Kunstgenres?

UE: Ich bin zur Urban Art gekommen, als ich 2012/13 be­r uf­ lich häufig in London war. Im Stadtteil Shoreditch, für mich das europäische Mekka der Urban Art, habe ich an einer Street-Art-Führung teilgenommen. Durch Zufall lernte ich kurze Zeit später Patrick Jungf leisch in meiner Heimat ­Saarbrücken kennen. Wir sind inzwischen eng befreundet. Er betreibt dort die Galerie Zimmerling & Jungf leisch, als Künstler arbeitet er unter dem Namen Reso. Mein erster Kauf war eine sehr aufwendige Schablonenarbeit von Jef Aérosol, die aus größerer Distanz betrachtet fast wie eine Schwarz-­Weiß-Fotografie aussieht. Erst dann, wenn man näher herangeht, sieht man, dass die Leinwand gesprayt ist. Die Führung in London war aber auch in einer zweiten ­Hinsicht folgenreich. Mittlerweile biete ich selbst Urban-Art-­ Führungen durch Hamburg an. Dort gebe ich jetzt anderen diesen Einblick, was mir ein großes Anliegen ist. Im Sommer führe ich regelmäßig Gruppen von Leuten durch die Stadt und hoffe, ihnen damit die Augen zu öffnen für die Urban Art am Straßenrand. ARTMAPP: Spielt bei Ihren Kaufentscheidungen auch eine eventuelle politisch-sozialkritische ­Aussage des Werks eine Rolle? UE: Zweifellos waren die Anfänge der Street-Art politisch motiviert. Die Motive griffen globale und gesellschaftliche Themen auf oder markierten bestimmte Straßenzüge als ­Territorium der einen oder anderen Sprayergang. Viele ­A r­beiten jedoch, die heute in Galerien, Ausstellungen oder

UE: Ich mag auch Fotografie und generell zeitgenössische Kunst. Das, was der Künstler Wolfgang Flad macht, gefällt mir sehr gut. Seine Arbeiten würden auch sehr gut in meine Sammlung passen. Aber ganz sicher würde man Flad nicht in die Nähe von Urban Art rücken. Auf der anderen Seite würde man die mit geometrischen Formen spielenden Arbeiten ­eines LX.One oder Remi Rough, ohne den Kontext zu kennen, nicht zwingend als Urban Art erkennen, wobei diese aber eindeutig in diesem Genre zu verorten sind. Kürzlich habe ich im Hamburger Bahnhof in Berlin die Ausstellung „moving is in every direction. Environments – Installationen – Narrative Räume“ mit größtenteils Rauminstallationen besucht und war begeistert. Ich bin interessiert und fasziniert, unabhängig von Genregrenzen. ARTMAPP: Neben dem Sammeln gehört auch das Vermitteln von Kunst zu Ihren Leidenschaften? UE: Ja! Das Ganze nennt sich in Stuttgart „kultursalon“, in Hamburg „gruppe zwoelf “. Beide Initiativen (übrigens auch auf Facebook zu finden) habe ich gemeinsam mit einem Freund und Kollegen gegründet. Aus einem Pool von Leuten laden wir monatlich ein, verraten nur den Treffpunkt, aber nicht, was genau wir dann zusammen ansehen werden. Dies können Galerien außerhalb der Öffnungszeiten, Generalproben von Performances oder der Besuch einer Privatsammlung und vieles mehr sein. Das Fabelhafte ist: Die Leute lassen sich darauf ein. Ich habe großen Spaß daran, anderen individuelle und ungewöhnliche Zugänge zu ermöglichen, um Kunst und Kultur im Allgemeinen gemeinsam zu erleben und sich darüber auszutauschen. ARTMAPP: Uwe Eisenbeis – vielen Dank für das Gespräch!

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ARTMAPP: Wie lange sammeln Sie schon? Von welchem Künstler stammt Ihre erste ­erworbene Arbeit?


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Buchtipps

Diogenes 256 S. 25 x 33,5 cm Hardcover Leinen Euro 49 ISBN 978-3-257-02149-3

Banksy – Urban Art in a Material World von Ulrich Blanché — Banksy wird oft als Street Artist kategorisiert, obwohl seine Kunst diesen Begriff inhaltlich und formal überschreitet. Das Buch beschäftigt sich mit Banksy als Urban Artist und seiner Beziehung zur Konsumkultur. Es untersucht Banksy im Licht seiner illegalen Straßen-Arbeiten und seiner Galerie-Ausstellungen. Dieses Buch präsentiert die erste wissenschaftliche Studie auf Englisch zu Banksys Kunst; mit einer Diskussion der Begriffe Graffiti, Street Art und Urban Art und einer reichen Auswahl an biographischen Informationen.

Tectum Verlag 256 Seiten 48 SW-Abb. 14,5 x 20,5 cm Paperback EUR 24,95 ISBN 978-3-8288-3541-2 Engl.

Nummerierte und signierte Vorzugsausgabe in einem Leinenschuber mit exklusivem Siebdruck ›Baker Beach, 2016‹ (150 Exemplare) 256 S. 25 x 33,5 cm Hardcover Leinen Euro 300 ISBN 978-3-257-02150-9

Drago Media Kompany 320 Seiten 350 Farb-Abb. 32 x 25,5 x 3 cm Hardcover EUR 40 ISBN 978-88-98565-01-6 Dt., Engl.

MIRKO REISSER (DAIM) 1989–2014 Hrsg.: Mirko Reisser, Vorwort: Rik Reinking — Das vorliegende Buch zeigt in über 350, teilweise noch nie veröffentlichten, farbigen Abbildungen die Entwicklung der Arbeiten des Künstlers über 25 Jahre hinweg und dabei alle wichtigen Schaffensperioden seines Werkes. Zu sehen sind Wandarbeiten, Leinwände, Skulpturen, Editionen, Grafiken und die späteren Tapings. Ebenso gewähren die Ab­ bildungen einen Blick hinter die Kulissen und zeigen den ­Entstehungsprozess einiger Werke.

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — B U C H T I P P S

Souvenir Mit einem Vorwort von Philipp Keel und einem Nachwort von Christoph Niemann — Christoph Niemann erzählt mit seinen Bildern die Geschichten ferner und naher Orte und zeichnet verrückte Porträts von M ­ enschen und Dingen. Es sind Beobachtungen über das ­U nterwegssein, das Ankommen, das ­Eintauchen, über die M ­ elancholie beim ­Reisen und das Abenteuer in der Fremde, über skurrile Begegnungen und faszinierende Beobachtungen. Meisterhafte, iko­nische Zeichnungen, die mit wenigen Strichen die Magie, das Licht und die Stimmung eines ­O rtes ­e inzufangen vermögen.


Short cuts Urban Art 4 4 3 0 9 S T R E E T//A R T G A L L E RY D O R T M U N D

Die Galerie beschäftigt sich seit 2010 mit den Themen Urban Contemporary Art, Contemporary Art, Graffiti, Urban Art. Sie vertritt und stellt in wechselnden Einzel- und Gruppenausstellungen international wahrgenommene Künstlerinnen und Künstler dieser Genres aus. Das Portfolio verbindet Kunstschaffende ganz verschiedener Stile und Techniken – von abstrakt bis ­fotorealistisch, von Stencil, Writing bis Foto. Im zweiten Halbjahr 2017 werden noch zwei große Ausstellungsprojekte realisiert. Im August/September wird eine Auswahl von griechischen Urban-Art-Künstlern gezeigt. Im Oktober/November stellt die Galerie mit Chad Hasegawa und Paul Owen Weiner zwei aufstrebende Vertreter der „New American Contemporary“ vor. Neben der Arbeit einer „klassischen“ ­Galerie wird mit dem gemeinnützigen Projekt, dem 44309 PUBLIC//ART SPACE, seit 2017 der Ausbau und die weitere Etablierung einer frei zugänglichen Mural-Galerie im öffentlichen Raum verfolgt. www. 4 4 309st ree tar tgalle r y. ne t

© 44309 STREET//ART GALLERY

Jim Avignon vor seinem Stück Berliner Mauer

S TÄ D T I S C H E G A L E R I E B Ö B L I N G E N

Der 1968 bei Karlsruhe geborene, ehemals in New York und gegenwärtig in Berlin lebende A llroundkünstler Jim ­Avignon zählt zu den Urban Artists der allerersten Stunde. Anfang der 1990er-Jahre provozierte Jim Avignon den ­Kunstmarkt mit „Cheap Art“-Bildern, die erschwinglicher als ein Kauf ­h ausdruck waren, später nahm er mit seinen Live-­ Paintings die Street-Art vorweg. Oftmals erregen seine Projekte Auf­s ehen, etwa seine Performance während der ­„documenta X“, bei der er jeden Tag ein neues Bild malte, um es anschließend zu vernichten. Er ist international bekannt für seine über­d imensionierten Mauermalereien, etwa für ­s eine Bemalung des längsten erhaltenen Berliner Mauer­ abschnitts. Daneben gestaltete er Bühnenbilder, Filmplakate, Swatch-­Uhren und Autos (Rover). Auch als Musiker und DJ hat er sich mit seiner „Ein-Mann-Heimelektronik-Band“ ­u nter dem Pseudonym „Neoangin“ in der Clubszene einen Namen gemacht. 9 . J u l i b i s 1 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7 Jim Avig non www. boeblingen. de

A R T R O O M KO N S TA N Z

Der artROOM Konstanz ist seit 2012 ein neues Zentrum für zeitgenössische Kunst und Kultur – seinen Sitz hat es in einer umgebauten Fabrik namens „Rieter-Werke“. Diese spezielle urbane Architektur ist der ideale Platz für kreative Inspirationen und bietet den perfekten Raum, um Kunst wie Street- und Urban Art, Fotografie, Malerei, Installationen, Skulpturen, Theater und vieles mehr zu präsentieren. Ein Schwerpunkt des Künstlerportfolios der Galerie bildet die Street- und ­Urban Art mit den Künstlern kunst­r asen, Sebastian Wandl und Peintre X. Weitere wichtige Künstler der Galerie sind Uwe Langmann, Hans Findling, Carla Manco, Cherry ­G oldenberg und seit April 2017 auch Eva Bur am Orde. Der ­a rtROOM-Onlineshop bietet auch die Möglichkeit, die Kunstwerke seiner Künstler direkt zu erwerben. w w w . a r t ro o m - k o n s t a n z . c o m S h o p : w w w . a r t ro o m . b i g c a r t e l . c o m S T ROK E vom 4 . bis 8 . Ok tober 2017 in München w w w . s t ro k e - a r t f a i r. c o m

Sebastian Wandl, „Ibella“, Siebdruck, Edition von 20


79 Eva Bur am Orde prägt einen neuen Genrebegrif f

Ethno Pop Art

Banner „Peace Collection“, © Eva Bur am Orde

JASMIN HUMMEL

P E AC E C O L L E C T I O N , W E LT F R I E D E N S S T I F T E R , 2 0 1 2

Die sieben Bildtafeln der „Peace Collection“ ergeben eine exemplarische Zusammenschau globaler Kulturgeschichte und Weltpolitik, die von der grundoptimistischen Überzeugung von Eva Bur am Orde getragen ist, dass die Haltung und Taten einzelner Persönlichkeiten zum Gelingen eines fried­ lichen Zusammenlebens aller Erdbewohner insgesamt leiten und anzuleiten vermögen. Schrifttableaus vier verschiedener Weltsprachen wechseln dabei mit drei im Format größeren Motivtafeln. In chinesischen, englischen, spanischen sowie russischen – jeweils individuell charakterisierten – Lettern kehrt hier das berühmte Zitat Sitting Bulls, Häuptling und Medizinmann der Hunkpapa-Lakota-Sioux, wieder, dass wir die Erde nicht von unseren Vorfahren geerbt hätten, sondern nur von unseren Kindern geliehen.

E VA B U R A M O R D E

Die 1961 geborene Künstlerin lebt und arbeitet in Rottweil und ist bekannt durch zahlreiche Ausstellung im In- und ­Ausland. Eva Bur am Orde studierte Archäologie und ­Philo­sophie sowie freie Malerei an der Akademie der ­Bildenden Künste München und an der Städelschule in Frankfurt am Main. Sie ist Künstlerbotschafterin für ­E-Water Deutschland, ein nachhaltiges Label für ethischen Konsum, und seit 2014 Member of Rainforest Art Foundation Europe. Derzeit wird sie vertreten durch die Galerie ­artROOM Konstanz, die The Gallery S ­ TEINER, Wien, und LDXArtodrome Gallery, Berlin.

Eva Bur am Orde, Foto: © Alexander Mechow

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — U R B A N A R T

Die Künstlerin Eva Bur am Orde prägt den Begriff der ­E thno Pop Art im Jahre 2012 in Zusammenhang mit ihrem ­Werkkomplex „Peace Collection“ – ein geplantes Aus­stel­ lungsprojekt für das UNO-Gebäude in Paris. In der Ethno Pop Art treffen Strömungen der Populärkultur und Eth­ no(sozio)logie aufeinander. Ihre Werke entspringen einer ethnologischen und ethischen Grundhaltung auf der Suche nach einem universellen Weltethos und verbinden globale Themen mit figurativen Darstellungsformen. In ihre groß­ formatigen Werke fließen Urban, Street- und Pop-Art sowie Elemente des Naturalismus und der Art déco ein. Eva Bur am Orde lässt sich im Bereich der bildenden Kunst als Stilikone und prägende Figur dieses neuen ­k ünst­lerischen Genrebegriffs beschreiben, der derzeit in ­u nterschiedlichen Formen, etwa der Kunst, Musik, Mode oder anderen populären Trends, Ausdruck findet. Sie bringt Kunst und Gesellschaft sowie Kunst und Ethos in Einklang als Symbol einer universellen Botschaft, mit der der Mensch zu seinen Wurzeln und Ursprüngen zurückkehrt und den ­Respekt vor der Schöpfung und dem Leben wiedererlangt.


Nordrhein -West falen im Sommer

Kunst ohne Ende!

Wer mit Nordrhein-Westfalen plattes Land und fette Kühe verbindet, dem sei gesagt, dass sich gerade dieses Jahr eine breite „Kunst-Spur“ von Nord nach Süd, von Ost nach West zieht, sich spannende Themen, Projekte und Künstler ent­ decken lassen. Flanieren und spazieren, Kunst draußen in Stadt und Natur erleben, das ist 2017 an zahlreichen Orten in Nordrhein-Westfalen möglich. Das große Highlight dieses Kunstsommers sind die nur alle zehn Jahre stattfindenden „Skulptur Projekte Münster“, die dieses Mal Arbeiten präsentieren, bei denen es um Raum und Zeit in der digitalisierten Gesellschaft geht. Über die Stadt verteilt werden sich über 30 neue Kunstwerke zu den „Überbleibseln“ der vergangenen Ausgaben gesellen und auf diese Weise einen Dialog zwischen Alt und Neu, Digitalem und Analogem, Kunst und

Betrachtern anregen. Köln wirbt derweil mit Urban Art im quirligen, trendigen Ehrenfeld sowie im Belgischen Viertel, wo 2017 wieder das „CityLeaks“-Festivals stattfindet und den Blick dezidiert auf Murals, Graffitis, Stencils und Sticker lenkt. Die Ruhrtriennale lockt wie jedes Jahr als „Festival der Künste“ Kulturinteressierte in die Industriedenkmäler der Region, die mit Musik, Theater, Literatur, Film, bildender Kunst, Tanz und Performance bespielt werden und damit ganz neu erlebbar sind. Beschaulicher geht es dagegen im Wald zwischen Bad Berleburg und Schmallenberg zu, wo sich entlang des „WaldSkulpturenWegs“ Kunstwerke unter anderem von Timm Ullrichs, Alan Sonfist oder Andreas Oldörp aufreihen, die auf die Natur Bezug nehmen. Und das sind nur einige der zahlreichen Events, mit denen NRW in diesem Sommer lockt. CHRIS GERBING


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Ay şe Erkmen, Steg Hafenbecken Münster (Visualisierung),

N O R D R H E I N -W E S T FA L E N E N T D E C K E N : Z U F U S S , M I T D E M R A D O D E R D E M WA N D E R TA X I I n f o s z u d e n v e r s c h i e d e n e n E v e n t s w i e d e m „ C i t y L e a k s“ - F e s t i v a l K ö l n , d e n „ S k u l p t u r P ro j e k t e n M ü n s t e r“ , d e r R u h r t r i e n n a l e o d e r d e m „Wa l d S k u l p t u r e nWe g“ , a b e r a u c h z u d e n z a h l r e i c h e n M u s e e n , z . B . Z e c h e Z o l l v e r e i n i n E s s e n , M a r t a H e r f o rd , ­ M u s e u m s i n s e l H o m b ro i c h m i t L a n g e n F o u n d a t i o n o d e r M u s e u m S c h l o s s M o y l a n d : www. nr w-tour ismus. de

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — N O R D R H E I N - W E S T FA L E N

Foto: © Skulptur Projekte Münster 2017


25.6. - 10.9.2017

NACH DER NATUR MATERIAL FORM STRUKTUR

Continua, 2015 © Studierende der Hochschule für Gestaltung Offenbach

Präsentiert werden Künstler, die ihr Arbeitsmaterial direkt in der Natur finden. Form und Formbildung spielen hier eine große Rolle. Die spezifischen Eigenschaften der Materialien sind oft unabdingbarer Wesenszug der Arbeiten, wie beispielsweise die Fragilität von Blütensamen. Was aber bedeutet heute das Siegel „natürlich“ – wo liegt die Grenze zwischen „echt“ und „künstlerisch“? Materialdesigner der Hochschule für Gestaltung in Offenbach reagieren mit eigenen Objekten auf die Arbeiten der Künstler und hinterfragen die natürlichen Materialien, Formen und Strukturen.

MUSEUM SINCLAIR-HAUS Bad Homburg v.d. Höhe Löwengasse 15 www.museum-sinclair-haus.de



84 Henr y M oore in einer großen Einzelausstellung im Arp Museum

Natur und Gesellschaft Er ist einer jener Künstler, die mit ihrem Kunstschaffen das 20. Jahrhundert prägten. Henry Moore, geboren 1898 im englischen Castleford, war schon in frühen Jahren der Ansicht, Kunst würde den gesellschaftlichen Fortschritt befördern und wäre damit Teil des Alltags. Gut möglich, dass dies nach anfänglichem Zögern der Grund war, weshalb er sich vom War Artists’ Advisory Committee anwerben ließ, künstlerisch über den Kriegsverlauf in England Bericht zu erstatten. Seine „Shelter Drawings“ über die Zustände in der Londoner U-Bahn während des „Blitzkriegs“ 1940 bis 1942 oder die Zeichnungen, in denen er die Minenarbeiter der Wheldale Colliery in Castleford als „Englands Untergrundarmee“ ­por­t rätierte, zählen – Goyas „Schrecken des Krieges“ vergleichbar – zu den wichtigen Serien wider den Krieg. Moores Zeichnungen machten ihn sowohl im In- als auch im Ausland berühmt und werden zu den großen Hervorbringungen der Kunst des 20. Jahrhunderts gezählt. Die Ausstellung „Vision. Creation. Obsession“ würdigt Henry Moore in einer umfassenden Schau, die gleichzeitig dem zehnjährigen Geburtstag des Arp Museums Bahnhof Rolandseck und dem 40-jährigen Jubiläum der Moore-Foundation Rechnung trägt. Ihr Parcours zieht sich als Skulpturenweg vom Bahnhof Rolandseck

links: Henr y Moore im Bahnhof Rolandseck, 19. September 1979, Porträt von Lothar Wolleh © Oliver Wolleh

bis zum Neubau von Richard Meier; zahlreiche, auch groß­ formatige Kunstwerke sind, obgleich für den Außenraum konzipiert, im Innenraum zu sehen. Damit vollziehen sie das nach, was in der kleinen „Reclining Figure“ von 1938 bereits angelegt war: Monumentalität hängt nicht von der realen Größe des Kunstwerks ab, sondern von stimmigen Propor­ tionen, die den Eindruck innerer Größe über beispielsweise eine entsprechend inszenierte Fotografie vermitteln. Der Dreiklang „Vision. Creation. Obsession“ leitet sich ab von der Vision Moores, Kunst möge die Gesellschaft verändern. Dazu notwendig ist künstlerische Originalität, das Erschaffen neuer Formen, eine neue Formensprache, wobei seine Obsession klar das große Format war: „Alles, was ich mache, ist dafür ­bestimmt, groß zu sein“, war sein Leitspruch. Ob dies seine „Krieger“ waren, liegende Frauenkörper oder abstrakt scheinende organische Formen, die inspiriert waren beispielsweise von Wirbelknochen – Henry Moore dachte groß. Unter dem Einf luss unter anderem von Hans Arp ­w urden Henry Moores Motive ab Mitte der 1920er-Jahre zunehmend abstrakter, wobei der Zweite Weltkrieg zwar eine Unterbrechung seines außerordentlich produktiven plastischen Schaffens bedeutete, an das er aber nach 1945 unter dem Eindruck der Geburt seiner Tochter mit „Mutter-Kind-­ Gruppen“ anknüpfen konnte. Gleichzeitig verfolgte er sein A nliegen, Kunst insbesondere f ür den öffent lichen


Henr y Moore, „Goslar Warrior“, 1973/74, reproduced by permission of The Henr y Moore Foundation, Foto: Mick Vincenz

Renaissance auf Moore hatte. Dieser weilte mehrfach in Remagen, wovon etliche Fotografien von Lothar Wolleh zeugen. Die jetzt präsentierte Schau zeigt in umfassender Weise und zahlreichen Facetten den britischen Ausnahmekünstler von seinen Anfängen im kleinen Format bis hin zu Großskulpturen und Zeichnungen. Darüber hinaus und ebenso spannend versucht sie, den Menschen dahinter zu beleuchten. CHRIS GERBING

b i s 7. J a n u a r 2 0 1 8 „ H e n r y M o o r e – V i s i o n . C r e a t i o n . O b s e s s i o n“ Ar p Mu seum B ahnhof Roland seck www. ar pmu seum . org

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — S K U L P T U R

Außenraum zu schaffen, um seiner Überzeugung der ­E influssnahme durch die Kunst gerecht zu werden. Zahlreiche Skulpturen entstanden in den 1950er- und 1960er-Jahren, die ihn – unter anderem auch durch seine dreimalige Teilnahme an der „documenta“ in Kassel – weit über die Grenzen Englands hinaus bekannt machten. Ausweis dessen ist ins­ besondere die Skulptur „Large Two Forms“ vor dem Bonner Bundeskanzleramt, die bis zum Fall der Mauer und dem Umzug des deutschen Regierungssit zes nach Berlin ein zeitgemäßes, internationales Bild vermittelte und das sicher mit Abstand am häufigsten gezeigte Kunstwerk Westdeutschlands gewesen ist. Abgesehen von einer kurzen Phase in den 1950er-Jahren war Henry Moores wesentliches künstlerisches Thema der weibliche Körper, den er bevorzugt liegend darstellte; auch seine abstrakten Formen lassen sich letztlich davon herleiten. Im Dialog der Freunde Arp und Moore treten die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede ihres künstlerischen Schaffens deutlich zutage, wie das Museum als Patronatshaus für das Künstlerpaar Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp mit den in der eigenen Sammlung vertretenen Kunstwerken sinnfällig illustrieren kann. Im Nebeneinander mit der Sammlung des 2002 verstorbenen Kunstsammlers Gustav Rau, der UNICEF als Universalerbin einsetzte, wird außerdem der große Einf luss deutlich, den etwa die


Die 11. „Blickachsen“ in Bad Homburg und im Rhein - M ain - Gebiet

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — S K U L P T U R

Looking for New Directions An einer Weggabelung im Kurpark von Bad Homburg steht ein Wegweiser, der eigentlich keiner ist: Das Kunstwerk von Ben Vautier weist zwar einen Weg – aber welchen und wohin? Denn auf den Schildern stehen mitnichten mehr oder minder bekannte Orte, sondern Worte wie „Doute“, „Incertitude“ – Zweifel bzw. Unsicherheit – und „Wahrheit“. Damit fasst das Kunstwerk en passant die Intention der „Blickachsen“ seit ­ihren Anfängen vor inzwischen 20 Jahren zusammen. Einer der Kernpunkte der alle zwei Jahre stattfindenden, vom ­Homburger Galeristen und Kurator Christian Scheffel konzipierten Schau ist nämlich das Zusammenspiel zwischen Kunst, Natur und öffentlichem Raum. Die Werke sollen dabei mit dem sie umgebenden Raum, aber auch mit anderen ­A r­beiten in einen Dialog treten. Dafür erhält jede von ihnen den für ihre Aus­sage optimalen Platz. Außerdem geht es noch um e­ inen weiteren Dialog: Bad Homburgs Gartenanlagen

­ urden 1854 von dem renommierten preußischen Garten­ w bau­a rchitekten Peter Joseph Lenné entworfen und sind bis heute ein Musterbeispiel des englischen Landschaftsgartens. Lenné schuf mit den sich durch die scheinbar unberührte ­Natur h ­ inschlängelnden Wegen immer wieder Sichtbezüge zwischen einzelnen, teils eigens dafür errichteten Gebäuden und Denkmälern, ermöglichte Ein- wie Ausblicke und damit eine reizvolle A ­ bfolge unterschiedlicher „malerischer“ Ansichten. Sie ­werden nun zum elften Mal durch die neuen „Blickachsen“ zeitgenössischer Kunst ergänzt, mit denen sich weitere ­Sichtbezüge auftun, alte Achsen betont oder von neuen unterbrochen werden. Von den insgesamt 37 Künstlern war ein knappes ­Viertel bereits in vorherigen „Blickachsen“ vertreten. Damit ermöglicht Christian Scheffel dem Betrachter eine Begegnung mit „alten Bekannten“. Stefan Rohrer beispielsweise


87 linke Seite: Stefan Rohrer, „Vespa azzurro chiaro“, Motorroller, Stahl, Lack unten: Joana Vasconcelos, Courtesy: Galerie Scheffel © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

ist schon zum dritten Mal dabei. 2011 und 2013 war je eines seiner Autos, die wie eine Mischung aus Verkehrsunfall und Sprengzeichnung wirken, in Bad Homburg zu sehen. Nun w ­ ickelt sich seine „Vespa azzurro chiaro“ in Eschborn in ­rascher W ­ indung – Schnelligkeit und Eleganz gleichermaßen sym­b o­l isierend – um einen Laternenpfahl, während der „Turbo“ – ebenfalls in Eschborn – turboschnell auseinanderfällt. Auch Joana Vasconcelos ist – neben der Ausstellung, mit der sie aktuell die Jakobshallen in Bad Homburg bespielt – wieder dabei und zeigt in diesem Jahr einen überdimensional riesigen und dennoch filigran-zarten, mit Reben umrankten Weinkrug, der Blickfang am Kur­parksee ist. Joannis Avra­ midis ist mit seinen bronzenen Figurengruppen, die trotz ihres hohen ­Abstraktionsgrads merkwürdig gegenständlich ­w irken, ebenso neu zu entdecken wie Wolfgang Becksteiner, Abraham David Christian, Bruno Gironcoli und Franz Xaver Ölzant – um nur einige der Künstler zu nennen, die erstmals im Rahmen der „Blickachsen“ präsentiert werden. Arrivierte ­Positionen ­stehen dabei gleichberechtigt neben jungen, noch wenig bekannten Künstlern. Zudem entstanden etliche ortsspezifische Installationen, beispielsweise „Shelter (Space of Moments)“ von Manfred Erjautz im Kaiser-Wilhelms-Bad. Bei der i­ mmensen Fülle an Möglichkeiten, die die zeitgenös­ sische Skulptur bietet, möchte man sich fast zur Entspannung auf e­ iner der „Modified Social Benches“ von Jeppe Hein ­niederlassen. Doch halt! – Sie sind ja modifiziert und dort, wo üblicherweise eine Sitzfläche oder eine Rückwand wären, ist: nichts. So laden die über Bad Homburg verteilten Bänke nicht zuletzt auch dazu ein, sich über das eigene Verhalten im ­öffentlichen Raum auszutauschen, angestoßen durch diese merkwürdig einladenden und doch wieder die Einladung ­abweisenden Sitzmöbel. Ein echter Denkanstoß eben, wie ­etliche der präsentierten Kunstwerke in Bad Homburg und im Rhein-Main-Gebiet. Tatsächlich ist diese Freiluftausstellung in dem mit Kunst im öffentlichen Raum üppigst ausgestatteten Jahr 2017 inzwischen den Stadtgrenzen Bad Homburgs entwachsen. Fast von Anfang an kooperiert die Galerie Scheffel mit renommierten Museen der Region, aber auch europa- und weltweit; in diesem Jahr findet die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Privatmuseum Liaunig im österreichischen Neuhaus statt, das Maria Schneider als Kokuratorin für die „Blickachsen“ entsandte, die wiederum einen Schwerpunkt auf junge österreichischer Kunst legte. Die „Blickachsen“ bespielen mittlerweile acht Orte im Rhein-Main-Gebiet, sie schaffen neue Sichtbezüge und vernetzen mithilfe von zeitgenössischer Kunst. Auf diese Weise wird der Blick zugleich darauf gelenkt, dass es jenseits der Bankenmetropole Frankfurt am Main eine Vielzahl kleiner

Städte in ihrer nahen Umgebung gibt, die nun erneut durch die Kunst zusammengeschlossen werden und damit die Sicht auf die Region zu verändern ­vermögen. Dennoch bleibt die Kurstadt Bad Homburg Kernstandort der „Blickachsen“ mit den beiden Schwerpunkten Kurpark und landgräf lichem Schlosspark, zu denen neu auch Bad Vilbel hinzugekommen ist. Kronberg im Taunus, der Skulpturenpark Niederhöchstadt in Eschborn, Burg Eppstein, das Freilichtmuseum Hessenpark und das Kloster Eberbach sind neben dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt ebenfalls Spielstätten dieser ungewöhnlichen Schau, die durch den Kulturfonds Frankfurt Rhein/Main g­ efördert wird. CHRIS GERBING

bis 1. Ok tober 2017 1 1 . „ B l i c k a c h s e n“ R hein-Main-Gebiet www. blickachsen. de bis 2 1. Ok tober 2017 J o a n a Va s c o n c e l o s Jakobshallen der Galer ie Schef fel, B ad Homburg v. d. Höhe www. galer ie-schef fel. de


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Kunsttipps Rhein-Main: Wiesbaden, Bad Homburg, Darmstadt

Neben Frankfurt am Main, das mit zahlreichen Museen die Kunstbegeisterten lockt, haben es die umliegenden Städte ­etwas schwerer. – Zu Unrecht! Denn das, was sie zu bieten ­h aben, ist ebenfalls eine Reise wert. Die mondäne Kurstadt Wiesbaden lockt beispielsweise mit Jugendstil- und opu­ lenter historis­t ischer Architektur in einer vom Zweiten Weltkrieg nahezu unzerstörten Innenstadt. Und das Mu­ seum W ­ ies­baden bietet von der Ur- und Vorgeschichte bis zur ­zeitgenössischen Kunst einen großen Facettenreichtum. Dort fand 1962 zudem das erste Fluxus-Festival statt, das mitten in die Auseinandersetzung um das Kunstwerk bzw. dessen Idee führte – ein Gedanke, der bis heute in der Kunst fortwirkt. Diese Herangehensweise ist auch für Thomas Werner charakteristisch, der sich mit den verschiedenen Kunst­ gattungen auseinandersetzt und den Fragen von Ornament

und Figuration nachgeht. Dabei entstehen gelegentlich, wie jetzt in Wiesbaden zu sehen, ganze Räume, die er als orts­ spe­zifische Installation kreiert. Leinwandgemälde, Arbeiten in Tempera auf Wellkarton und auf Gips zeigen unter dem Motto „Echte Oberfläche“ die Möglichkeiten auf, die in der Ver­wendung verschiedener Materialien liegen, wobei Werner in der Gegenüberstellung der Kunstwerke verdeutlicht, dass der hervorgerufene Eindruck – beispielsweise ein f laches ­Relief – auf unterschiedliche Art zu erzeugen ist. Im Herbst wird dann der Blick weiter in die Vergangenheit gerichtet: ­Zunächst folgt eine Ausstellung zu Heinrich Kirchhoff, einem lokalen Mäzen, der deutsche Expressionisten sammelte, ­daran anschließend ­ziehen Werke von „Delacroix – Courbet – Ribot“ ins Museum ein.


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Ernst Ludwig- Haus, 1901, Museum Künstlerkolonie Darmstadt, Joseph Maria Olbrich, früheres Atelier- und Wohnhaus, Bildarchiv, Foto: Marburg / Norbert Latocha

Mit Material, Form und Struktur setzt sich auch die Aus­ stellung „Nach der Natur“ im Museum Sinclair-Haus der ALTANA Kulturstiftung in Bad Homburg auseinander, wobei das ­Moment der Inspiration aus der Natur selbst kommt. Sogar die verwendeten Materialien sind ihr entnommen, wodurch ein Dialog mit der Natur in ihren unterschiedlichsten Fa­cetten, von abstrakt bis greif bar, entsteht. Dieser wird e­ rgänzt um ­A rbeiten von Studierenden des Material­ designs an der HfG Offenbach, die sich den Kunstwerken von Ricardo C ­ alero, Angela M. Flaig, Wolfgang Laib und weiteren Künstlern ­s tellen. Nicht zu vergessen sind natürlich in di­r ekter Nach­barschaft die „Blickachsen“, die den Fokus auf die Vielfalt zeitgenössischer Skulptur lenken und – quasi nebenan – die Ausstellung von Joana Vasconcelos, die merkwürdige Räume voller Überraschungen kreiert, bei ­denen der Besucher aus kindlichem Staunen kaum mehr herauskommt. In der Auseinandersetzung mit der Form darf natürlich auch die Darmstädter Mathildenhöhe nicht fehlen, die dem Gedanken der Arts-&-Crafts-Bewegung verpflichtet und ein herausragendes Beispiel des Jugendstils in seiner f loralen Ausprägung ist. Gerade wurde die Sammlung neu gestaltet und präsentiert sich nun thematisch unter dem Titel „Raumkunst – Made in Darmstadt“, wobei das Augenmerk klar auf dem Schaffen der Mitglieder der Künstlerkolonie liegt.

2 8 . Juli bis 29 . Ok tober 2017 „ T h o m a s We r n e r : E c h t e O b e r f l ä c h e“ www. museum-wiesbaden. de bis 10. September 2017 „ N a c h d e r N a t u r“ www. altana-k ult urst if t ung. de a b 2 7. J u l i 2 0 1 7 „ R aumk unst – Made in Dar mstadt“ www. mathildenhoehe. eu

CHRIS GERBING

in der Ausstellung „Nach der Natur“, Museum Sinclair- Haus, ALTANA Kulturstiftung © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

Thomas Werner, „Maquette 2“, 2016, Ausstellung im Museum Wiesbaden, Foto: Thomas Werner © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — S K U L P T U R

linke Seite: Werner Henkel, Ohne Titel (Gerollte Silberpappelblätter), 2014,


90 Inter view mit Ewald Karl Schrade, Kurator der ar t K ARLSRUHE

Viel Platz fĂźr mehr Skulptur


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In der Region Süddeutschland hat die art KARLSRUHE seit mehr als zehn Jahren einen festen Platz. Die Messe für moderne und zeitgenössische Kunst setzt mit ihrem Angebot von Skulpturenplätzen zudem einen wichtigen Akzent in einem von Bildern dominierten Kunstmarkt. Damit zeigt sie, dass aktuelle Plastik raumgreifend, ungewöhnlich und für Sammler attraktiv ist. Kurator und Galerist Ewald Karl Schrade erklärte Sebastian Baden für ARTMAPP das Erfolgsrezept ­seines Messemodells. ARTMAPP: Die art KARLSRUHE setzte von ­A nfang an auf „One Artist Shows“ und auf Skulpturenplätze. Was hat zu diesem zweiten Fokus auf dreidimensionale Kunst geführt? Warum leistet sich die Messe eine so großzügige Raumnutzung? Ewald Karl Schrade: In der Tat spielte die Skulptur von Anfang an, also seit 2004, eine große Rolle. Die Kunstgeschichte zeigt schließlich, dass sie nicht nur eine Geschichte der Malerei ist. Die Avantgarden unter den Künstlern haben immer auch dreidimensional gearbeitet. Und es ist natürlich so, wie Sie feststellen: Die von mir eingeführten Skulpturenplätze geben der art KARLSRUHE eine besondere Großzügigkeit. Die ­ohnehin schönen hohen Hallen gewinnen durch diese Präsentationen zusätzliche Attraktivität, wie Aussteller und Besucher immer wieder bestätigen. Auch der stattliche Anteil der „One Artist Shows“, zuletzt knapp 200, sorgt dafür, dass diese Messe ihr unverwechselbares Profil zeigen kann. ARTMAPP: Auch die Art Basel hat sich mit einem Format für große Skulpturen – der Art Unlimited – profiliert. Wie grenzt sich die art KARLSRUHE vom nahen Basel ab? Und wie erklären Sie sich den enormen Erfolg des Standorts Karlsruhe?

Skulpturenplätze der art K ARLSRUHE 2017, Halle 2 / A17, Galerie Georg Nothelfer, Berlin, mit Robert Schad © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

Foto: KMK / Jürgen Rösner

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — S K U L P T U R

EKS: Die Basler Initiative wurde einst begründet, um ­ r­beiten zu zeigen, die für die Kojen viel zu groß sind. Und A sie sollen miteinander im Dialog t reten. Auf der art K A R L S­R U H E bleiben w ir bew usst im R a hmen der ­r äum­l ichen Möglichkeiten privater und öffent licher Sammlungen. Es geht um das „normale“ Format. Obendrein sind die Skulp­t urenplät ze wegen der besseren Betreuung stets in unmittelbarer Nachbarschaft der jeweils zuständigen Gale­r ien angesiedelt. So ergibt sich, behutsam über die ganze Messe verteilt, eine eigene Struktur, die dem Kunsthandel auf allen Ebenen dient.


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ARTMAPP: Skulpturen sind raumgreifend und passen nicht in jede Wohnung. Wer kauft in Karlsruhe die großen Werke? Wie motivieren Sie Sammler und Museen, Großplastiken zu kaufen? EKS: Gerade in diesem Jahr zeigt sich, dass die von mir geförderte Skulptur überall ihren großen Auftritt hat, ob in Venedig oder Athen, ob in Kassel oder Münster, wo nach zehn Jahren wieder einmal die „Skulptur Projekte“ stattfinden. Auch andernorts, in Bingen am Rhein etwa, treibt der Kunstsommer 2017 dreidimensionale Blüten. So rechne ich schon mit einem noch ausgeprägteren Interesse vieler Aussteller, auf der kommenden art KARLSRUHE (22. bis 25. Februar 2018) einen der rund zwei Dutzend Skulpturenplätze zu bespielen. Eine Extramotivation ist da nicht erforderlich, auch nicht für Privatsammlungen und Museen, weil viele Skulpturen durchaus im Außenraum aufgestellt werden können.

ARTMAPP: Mit welchen weiteren Formaten im skulpturalen Bereich, etwa multimedialen ­Installationen oder Performances, wird die art KARLSRUHE in Zukunft aufwarten? EKS: Natürlich beobachte ich die Entwicklungen genau, längst haben wir auch unsere Erfahrungen gemacht, etwa in Bezug auf multimediale Installationen. Doch Sammler sind zumeist skeptisch, wenn Kunst aus der Steckdose gespeist wird, wenn viel Technik erforderlich ist. Auch der heutzutage zunehmende Performancebereich lässt sich nicht ohne ­Weiteres in Kunstmessen lenken, mag auch der deutsche ­Pavillon auf der Biennale in Venedig gerade mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden sein. Aber ich darf verraten, dass wir derzeit planen, die art KARLSRUHE 2018 mit einem zusätzlichen Element zu bereichern – eben im Segment Skulptur. Dazu demnächst mehr.

Ewald Karl Schrade, Foto: KMK / Jürgen Rösner


ARTMAPP: Wenn Sie an besondere Präsen­t ationen auf den Skulpturenplätzen der art KARLSRUHE denken, was waren für Sie wichtige Positionen der vergangenen Jahre, die zugleich für den Kunstmarkt wegweisend gewesen sind?

Skulpturenplätze der art K ARLSRUHE 2017, Halle 3 / J27, Tammen & Partner, Berlin, Werner Tammen in der Papierschnitt- Installation L AUNDROMAT der Künstlerin Marion Eichmann, Foto: Albert Schmidt

EKS: Im Rückblick fällt es schwer, einzelne Bildhauer und Aussteller hervorzuheben. Alle, die dieses spezielle Format der art KARLSRUHE belebt haben, verdienen es, gewürdigt zu werden, mithin Hunderte von Künstlern und Galeristen. Und selbstverständlich wollen wir die Sammler nicht vergessen, die mit ihren Erwerbungen dazu beigetragen haben, dass wir diese überaus erfolgreichen Skulpturenplätze auch fortan, Jahr für Jahr aufs Neue, inszenieren werden. art K A R LSRUHE 2018 2 2 . bis 2 4 . Febr uar w w w . a r t- k a r l s r u h e . d e

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© VG Bild- Kunst, Bonn 2017


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Die surrealen Welten von M eret Oppenheim, Anke Eilergerhard und Anne Carnein

Kein Kaffeekränzchen Da s Zu samme nt re f fe n unge wöhnliche r Mate r ialie n ode r alltägliche r Dinge i n e i n e m a n d e r e n K o n t e x t , k u r z : d a s A b s u rd e u n d ­F a n t a s t i s c h e d u r c h z i e h e n d i e K u n s t n i c h t e r s t s e i t d e n 1 9 2 0 e r- J a h r e n . Die dre i Kün stle r inne n Me re t Oppe nhe im – die Ikone des Sur reali smu s – , A n k e E i l e r g e r h a rd u n d A n n e C a r n e i n s e t z e n d a s S u r r e a l e i n i h r e n e i g e n w i l l i g e n B i l d s p ra c h e n j e w e i l s a u f i r r i t i e r e n d e u n d d u r c h a u s h u m o r v o l l e We i s e e i n .

Meret Oppenheim, „Tätowiertes Porträt“, 1980 © VG Bild- Kunst, Bonn 2017


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Die Pelztasse war ihr Schicksal – so könnte man das Leben der deutsch-schweizerischen Künstlerin Meret Oppenheim (1913–1985) zusammenfassen. 1936 entstand ihr wohl berühmtestes Werk, das „Frühstück im Pelz“, die mit Fell bezogene Tasse samt Untertasse und Löffel. Oppenheim gehörte damals zum Kreis der Surrealisten in Paris. Sie hatte eine Liaison mit Max Ernst und war Muse Man Rays, in dessen Serie von Aktfotografien an der Druckerpresse (einer Inkunabel der Fotografiegeschichte) sie das Modell ist. Als André Breton sie 1936 um einen Beitrag für eine Ausstellung der Surrealisten bat, lieferte Oppenheim die Pelztasse, die Alfred Barr Jr. sofort für die Sammlung des Museums of Modern Art in New York erwarb. Ein grandioser Erfolg, der die junge Künstlerin, ein Freigeist, der sich weder im Leben noch in der künstlerischen Arbeit in eine Nische drängen lassen wollte, für einige Jahre in die Krise stürzte. Bis zu ihrem Tod hat

Meret Oppenheim ein durchaus heterogenes Werk im Geist des Surrealismus geschaffen, das einmal mehr zeigt, dass ­d ieser weniger ein Stil, als eine künstlerische Haltung ist. ­O ppenheim war eine Spezialistin für das hintersinnige Spiel mit dem Absurden und der unerwarteten Begegnung der D ­ inge, für das humorvolle Experiment mit dem Mate­ rial. Die Kunstsammlung Neubrandenburg lädt nun in einer großen Sonderschau dazu ein, die Künstlerin und ­Lyrikerin Meret Oppenheim im Umfeld ihrer Zeitgenossen und Wegbegleiter wie Pablo Picasso, André Breton, Daniel Spoerri oder Dieter Roth jenseits der Pelztasse neu zu entdecken. Allerdings ist diese in Form eines Offsetdrucks nach der Fotografie des Künstler­kollegen Man Ray auch hier anwesend. Die Aus­stellung wurde in Zusammenarbeit mit der Hamburger ARTOMA GmbH Kunst- und Kulturmanagement konzipiert.

Meret Oppenheim, „Hundeschnauzenhut“, 1942 © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

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MER E T OPPE N HEI M


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A N K E E I L E RG E R H A R D

Üppig. Das ist wohl eine der ersten Assoziationen, die der ­Betrachter von Anke Eilergerhards Plastiken hat, bevor sich ein glückliches Lächeln aufs Gesicht legt. Ihre „Annas“, Auf­ türmungen von gespritzten Silikon-Sahnehäubchen und Teilen alter Porzellanservices, bevölkern derzeit die Schaufenster von weltweit zehn Flagship-Stores des Mode­labels Fendi – von Tokio über New York und Dubai bis zum KaDeWe in Berlin. Unter dem Titel „The Sweet Dream“ hat die Berliner Bildhauerin eigens für die Präsentation der ­F rühjahr/Sommer-Kollektion von Fendi zwölf Plastiken geschaffen. Kunst und Mode – das ist ein altes Thema. Auch Meret Oppenheim hatte zunächst ihren Armreif mit Pelz bezogen, bevor das „Frühstück im Pelz“ entstand; neben ihrer künstlerischen Arbeit entwarf sie Schmuck, Mode und Möbel. Zugleich ist es ein heikles Thema, denn allzu oft muss sich in dieser Verbindung die Kunst der Mode unterordnen. Eine Gefahr, die die „Annas“ durch die überwältigende physische Präsenz ihrer prallen Lebensfülle mühelos umgehen. „Anna“, das ist der Titel einer Werkgruppe, in der jede Plastik einen Namen trägt, der wie­ derum – wie der Name Anke – eine Variation von Anna ist: Annalou, Annissa oder Anechka. Das Wesenhafte dieser Gebilde kommt noch stärker zum Tragen, wenn Eilergerhard die Tassen und Untertassen bisweilen so zusammenfügt, dass

Gesichter entstehen, wie bei einigen der „Annas“ für Fendi. Dann überlagert die Figur die Abstraktion und das Komische, das Eilergerhards Plastiken häufig innewohnt, kommt zum Tragen. Und doch bleiben die Figurinen irgendwie fremdartig und unwirklich. So, wie Schönheit der Verfall von Anbeginn eingeschrieben ist, zeigt sich in der Leichtigkeit der „Annas“ auch ihre fragile Zartheit. Die von der Berliner Galerie Tammen & Partner koordinierte Ko­operation mit Fendi war eine echte Herausforderung für die Künstlerin, denn so groß ­w aren ihre Plastiken bis dahin nie. Für Fendi sind sie nun ­lebens- oder mit 320 Zentimetern Höhe sogar deutlich über­ lebensgroß. Torten allerdings be­g leiten die 1963 geborene Anke Eilergerhard schon seit Studienzeiten. 1986 entstand das erste Tortenbild und seit 2004 verwendet sie Silikon für ihre plastischen Arbeiten. Das Sahnehäubchen ist seitdem das durchgehende Motiv in ihrem Werk. Es wird in der gleich­ förmigen Wiederholung zum komplexen Ornament, das Struktur und Form gibt. Für sich allein suggeriert es den „Himmel auf Erden“, so der Titel einer Bodenarbeit aus sieben überdimensional großen Sahnehäubchen, die sie 2008 aus ­S anitärkeramik hat gießen lassen. Der Betrachter kann sich wie Alice im Wunderland fühlen, wenn er durch die sahnig anmutenden Verlockungen wandelt.

rechte Seite: Anke Eilergerhard, „ANNA TOKIO“, 2016, 172 x 80 cm (Höhe x Durchmesser), hochpigmentiertes Silikon, Weimar Porzellan, Courtesy: Galerie Tammen & Partner, Berlin

Anke Eilergerhard, Fotos: Werner Gerhard


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Anne Carnein, „Blumengruß“, 2016, Stoff, Garn, Draht, 32 x 17 x 5 cm

rechts: Anne Carnein, „Wanderer“, 2017, Stoff, Garn, Draht, 27 x 40 x 35 cm

Fotos: Anne Carnein © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

ANNE CARNEIN

Aus der farbenfrohen Welt der lustvollen Über­t reibung in die düsteren Untiefen des menschlichen Bewusstseins führt Anne Carnein. Beim flüchtigen Hinsehen erscheint die Arbeit „Blumengruß“ als eine zarte Blüte mit üppigem Blatt- und Wurzelwerk. Doch halt! Die Wurzel hat die Form einer menschlichen Hand. Das ist die morbide Irritation, die dem Fantastischen innewohnt. Es ginge ihr darum, „etwas wachsen zu lassen“, sagt die 1982 geborene Anne Carnein. Ihre poetischen Pf lanzenwesen sind zusammengenäht aus ge­ tragenen Kleidungsstücken. Vertraut Geglaubtes entpuppt sich als etwas ganz anderes, nichts ist so, wie es scheint: Stoff, ­L eder, Garn, Draht statt echter Blüten und Blätter. Der ­zerklüftete „Sellerie“ mit seinem verschnörkelt rankenden Blattwerk ist ein ornamentales Stillleben, das organisch-vegetabile Wachsen zugleich ein Memento mori, die Erinnerung

an den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen. „Die Söhne der Helden“ ist eine Serie betitelt, in der die Formen von Samenkapseln die Geschichte des Lebens fortschreiben. Carneins Pf lanzen wachsen ganz für sich im geschützten Raum der Glasglocke oder wie „Dornröschen“ im Glaskasten. Bei „Eine Wunderblume“ wachsen Hände aus dem Kelch der Pflanze und der Keramikhirschkuh und ihrem Kalb sprießen anstelle des Kopfes Zweige aus dem Hals. „Mutterpf lanze“ nennt Carnein diese surreale Komposition, die gleicher­ maßen bizarr und gruselig ist. Wieder ist da dieses Moment, in dem das Schöne ins Unheimliche kippt. Anne Carneins Objekte entführen in fantastische Märchenwelten – wer ihr folgt, wird verzaubert. KIM BEHM


MER E T OPPE N HEI M

ANNE CARNEIN

bis 3. September 2017

23. Juli bis 5 . November 2017

„Unbeschre iblich sur real –

„ Schön vergänglich –

M e r e t O p p e n h e i m u n d We g g e f ä h r t e n“

Blumen in der zeitgenössischen Kunst“

K u n s t s a m m l u n g N e u b ra n d e n b u r g

Kallmann-Museum, Ismaning

w w w . k u n s t s a m m l u n g - n e u b ra n d e n b u r g . d e 1 4 . b i s 1 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7 „ P o s i t i o n s B e r l i n A r t F a i r“ , B e r l i n S t a n d G a l e r i e P e t e r s - B a r e n b ro c k A N K E E I L E RG E R H A R D 1 4 . b i s 1 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7 P O S I T I O N S B E R L I N A r t F a i r, A r e n a B e r l i n S t a n d G a l e r i e Ta m m e n & P a r t n e r w w w . g a l e r i e - t a m m e n - p a r t n e r. d e

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100 Ausstellungsprojekt in Weimar und Bremen

Gerhard Marcks – Wege aus dem Bauhaus E i n A u s s t e l l u n g s p ro j e k t i n We i m a r u n d B r e m e n u n t e r s u c h t , w i e d e r B i l d h a u e r G e r h a rd M a r c k s d i e I d e e n d e s B a u h a u s e s k r i t i s c h h i n t e r f ra g t e u n d z u s a m m e n m i t a n d e r e n n e u e We g e b e s c h r i t t .

Er war einer der berühmtesten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Gerhard Marcks (1889–1981) schuf zeit ­seines Lebens figürliche Plastiken, aber auch Steingut- und ­K e­r amikarbeiten, etwa 80.000 Handzeichnungen sowie ­z ahlreiche druckgrafische Werke. Dreimal nahm er an der „documenta“ teil sowie regelmäßig an der Biennale in Venedig. Der gebürtige Berliner war Autodidakt. Er bewegte sich ­zunächst im Umfeld der Berliner Secession. Ab 1908 arbeitete er in einer Werkstattgemeinschaft zusammen mit dem Bildhauer Richard Scheibe. Eine Ausstellungskooperation zwischen der Klassik Stiftung Weimar und dem Gerhard-Marcks-Haus in Bremen, wo sein Nachlass auf bewahrt wird, untersucht jetzt unter dem Titel „Wege aus dem Bauhaus. Gerhard Marcks und seine Freunde“ das Verhältnis des für seine antiaka­ demische ­H altung bekannten Bildhauers zum Bauhaus sowie seine Emanzipation von der staatlichen Lehranstalt. Die Kustodin des Gerhard-Marcks-Hauses, Yvette Deseyve, erläutert das Zustandekommen der Kooperation: „ Die Gerhard-­M arcks-Stiftung besitzt einen umfangreichen ­B estand an Arbeiten aus der Weimarer Bauhaus-Zeit, die Klassik Stiftung Weimar ebenfalls. Den Link zwischen ­u nseren beiden Häusern hat in diesem Fall die DFG-Forschungsgruppe ‚Die be­wegten Netze des Bauhauses‘ unter Leitung von Prof. Magdalena Droste und Prof. Patrick Rössler gelegt, die mit dem Vorschlag an uns heran­getreten ist, den Fokus ihrer Netzwerkanalyse auf ­Gerhard Marcks zu richten und im Anschluss gemeinsam eine Ausstellung zum Netzwerk um Gerhard Marcks zu ­e ntwickeln, sozusagen als ‚Prolog‘ für die großen Bau­haus-Jubiläums-Veranstaltungen.“

Oskar Schlemmer, „Abstrakte Figur“, 1921, Bronze vernickelt, 42,13 x 24,8 x 8,27 Inch, mumok, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Foto: © mumok 2017


Marcks kam bereits 1919 an das Staatliche Bauhaus in Weimar. Er gehörte zusammen mit Lyonel Feininger und J­ ohannes ­Itten zu den ersten Künstlern, die Walter Gropius berufen hatte. Nachdem er zunächst als freier Bildhauer ­ge­arbeitet hatte, wurde er ab 1920 mit dem Auf bau der Keramikwerkstatt im nahegelegenen Dornburg/Saale be­auftragt. Die Künstler waren hier auf einfache Mittel zurückgeworfen. Die Bauhaus-Töpferei als Ausbildungsstätte hatte mittelalterliche Bauhütten als Vorbild. Gerhard Marcks’ eigene künstlerische Auffassung war geprägt von der Suche nach einer allgemeinen Formensprache. Diese Haltung f loss auch in seine Lehre ein. Er brachte seinen Schülern bei, sich vom Zufall zu befreien und im gestal­terischen Zusammenspiel Mensch, Form und Gefäß zu verschmelzen. Zu seinen erfolgreichen Zöglingen gehörten Theodor Bogler (1897–1968), Otto Lindig (1895–1966) und die Keramikerin Marguerite Friedlaender-Wildenhain (1896–1985), die später in den USA Erfolge feierte und wie ihre Kollegen Gefäße entwarf, die in die Designgeschichte eingingen. Der Bauhaus-Lehrer Gerhard Marcks proklamierte ­i ndividuelle Modell- und Versuchsarbeit und wirkte damit „einer rein auf die Industrie konzentrierten Produktion“ subversiv entgegen. Der Schule selbst ging es angesichts des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks stark um marktorientierte Kategorien wie Fabrikreife und Serienproduktion. Das war jedoch nicht im Sinne Gerhard Marcks’, der eher vom künstlerischen Denken geprägt war. Als das Bauhaus 1925 nach Dessau umzog, wurde die Keramikwerkstatt nicht übernommen. Marcks gab seinen Rückzug vom Bauhaus bekannt. Yvette Deseyve: „In seinem ‚Abschiedsbrief ‘ an Walter Gropius 1925, geprägt von tiefem gegenseitigem Respekt, schrieb Marcks: ‚Ich werde immer gern an die Bauhauszeit zurückdenken, was mich betrifft, und ich glaube auch an die Notwendigkeit Eurer Vorsätze. – Wir haben allerhand schwierige Situationen zusammen durchgemacht, und Gott sei Dank, wir sind immer ehrlich geblieben, auch darin, dass wir schließlich zwei verschiedenen Welten angehören.‘“ Seinem Ansatz, der unmittelbar vom Menschen ­ausging, blieb er selbst stets treu. Mit Oskar Schlemmer (1888–1943), Johannes Driesch (1901–1930) oder Werner ­G illes (1894–1961) fand er gleichgesinnte Wegbegleiter. ­D ieser Kreis erweiterte sich um ehemalige Kollegen und Schüler, die gemeinsam ein Netzwerk bildeten, das die am Bauhaus entwickelten Ideen weit über Deutschland und ­Europa hinaustrug. Kann Gerhard Marcks als Kritiker des Bauhauses betrachtet werden? Dazu Yvette Deseyve: „Mit Gropius’ ursprünglicher Vision einer Erneuerung aller Künste durch das Handwerk ging Marcks absolut konform. Erst mit zunehmendem w ­ irtschaftlichem Druck auf das Bauhaus und der Neuausrichtung auf Kunst und Technik als neue Einheit ­meldete Marcks Kritik an. Er sah die Gefahr, dass die Schule so nicht mehr ­w eiter das Kreativzentrum bleiben könne, ­s ondern zunehmend zu einer Entwicklungsstätte für In­ dustrieprodukte degradiert werde. Die Ausstellung und der

Gerhard Marcks, „Jüngling (Lindig)“, 1921, Holz, Foto: Fotostudio Bartsch, Berlin © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

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„Wege aus dem Bauhaus. Gerhard Marcks und sein Freundeskreis“ ist die Auftaktausstellung der Klassik Stiftung Weimar zum 100-jährigen Gründungsjubiläum des Bauhauses im Jahr 2019. Die Klassik Stiftung ist zudem vom Bund und dem Land Thüringen damit beauftragt, für die Sammlung zur Geschichte des Staatlichen Bauhauses einen Neubau zu errichten. Den Architekturwettbewerb mit über 500 Teilnehmern gewann der Entwurf der Berliner Architekten Heike Hanada und Benedict Tonon. Zurzeit wird ihr geometrisch klar gesetzter Solitär am Rande des Weimarhallenparks errichtet, der im Jahr 2019 plangemäß eröffnen soll. NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

1 7. A u g u s t b i s 5 . N o v e m b e r 2 0 1 7 „We g e a u s d e m B a u h a u s . G e r h a rd M a r c k s u n d s e i n e F r e u n d e“ N e u e s M u s e u m We i m a r www. kla ssik-st if t ung. de w w w . b a u h a u s m u s e u m w e i m a r. d e 26. November 2017 bis 4 . März 2018 G e r h a rd - M a r c k s - H a u s , B r e m e n www. marck s . de

Gerhard Marcks in seinem Atelier am Bauhaus in Dornburg, im Hintergrund seine Figur „Adam“ (1925), Gerhard- Marcks-Stiftung, Bremen, unbekannter Fotograf © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

begleitende Katalog werden, ent­g egen vieler oppositärer ­ arstellungen in der Forschung, erstmals eine differenzierte D Sicht auf die Reformbemühungen des Bauhauses werfen, die Gerhard Marcks als Bauhaus-internen Kritiker und Mahner, aber keineswegs als reformresistenten Kollegen zeigen.“ Die Ausstellung in Weimar und Bremen präsentiert über 200 Skulpturen, Zeichnungen, Gemälde, Keramiken und Metallarbeiten, die in der Zeit zwischen 1919 bis in die späte Nachkriegszeit entstanden sind. Herausragende Werke der Schau sind eine abstrakte Bronzefigur von Oskar Schlemmer von 1921/1923, verschiedene Teekannen von Gerhard Marcks und Theodor Bogler aus den frühen 1920er-Jahren sowie ein Holzschnitt Lyonel Feiningers, der 1919 das Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses zierte.

Gerhard Marcks, „Absage (Urteil des Paris)“, 1925/26, Holzschnitt, 26,2 x 21,7 cm, Gerhard- Marcks-Stiftung, Bremen © VG Bild- Kunst, Bonn 2017


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Michael Kienzer, ohne Titel, 2017, Metall, Magnete, Courtesy: Galerie Elisabeth & Klaus Thoman, Foto: Tom Klengel

Michael Kienzer im Gerhard-Marcks-Haus bildhauerische Positionen der Moderne an. Michael Kienzer studierte Bildhauerei an der Kunstgewerbeschule Graz und anschließend an der damaligen Hochschule für angewandte Kunst Wien. Der heute in Wien lebende Künstler gilt als ­e iner der bedeutendsten Bildhauer Österreichs. Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Kunsthaus Zug in der Schweiz entstanden. NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

bis 1 2 . November 2017 „ M i c h a e l K i e n z e r : L o s e D i c h t e“ G e r h a rd - M a r c k s - H a u s , B r e m e n www. marck s . de

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Das 1971 eröffnete Gerhard-Marcks-Haus in Bremen ­w idmet sich regelmäßig wichtigen zeitgenössischen bildhauerischen Positionen. So findet vom 2. Juli bis 12. November 2017 eine Einzelausstellung zum Werk des österreichischen Bildhauers Michael Kienzer statt. Unter dem Titel „Lose ­D ichte“ zeigt der 1962 im oberösterreichischen Steyr ge­b orene Künstler Objekte aus industriell vorgefertigten Materialien wie Aluminium, Stahl, Textilien, Gummi oder Glas. Seine optisch dichten Skulpturen vermessen und besetzen den Raum. Bei Kienzers leicht ironischen Kompositionen geht es stets um Gewichte und Gegengewichte, Statik und Schwerkraft, ­A usbalancieren und Kontrastieren. Mittels ­Verschnürungen, Verknotungen und Verspannungen bändigt er die von ihm ­b enutzten Werkstoffe. Im Spiel der Kräfte ­v erbindet er die Materialien und knüpft so an zentrale


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Gunther Stilling, „Akrai Gea“, 2008, Bronze auf Granitsockel, 165 x 95 x 50 cm, Ausstellung in Fiesole, 2010, Foto: Alessandro Moggi, Florenz


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„SKULPTUR A“, Wasserburg am Bodensee

Der Bildhauer und Kunstprofessor ist ein leidenschaftlicher Mensch. Stillstand scheint es für den 1943 in Srpski Miletić , Serbien, geborenen Künstler nicht zu geben. Alle drei bis vier Wochen pendelt er zwischen seinem Wohnsitz in der ­O rtschaft Güglingen nahe Heilbronn und dem italie­ nischen Pietrasanta nahe den Steinbrüchen von Carrara hin und her. Seit diesem Frühjahr macht er mehrfachen Zwischenhalt in Wasserburg – einem idyllischen Kleinod am Ufer des ­ö st­l ichen Bodensees in der Nachbarschaft von Lindau. Die dortige Kunstszene ist bemerkenswert. Der Kunstverein im Bahnhof (KuBa) zählt 150 Mitglieder, darunter viele Profis. Über den Sommer finden hier stets monatlich wechselnde, mitunter sehr hochkarätige Kunstausstellungen statt. Zudem veranstaltet die Gemeinde Wasserburg jährlich die „ SK UL P T U R A“. Im Rahmen dieser beachtlichen Skulpturen­ausstellungen mit namhaften Bildhauern werden derzeit rund 60 metallene Skulpturen von Kunstvereinsmitglied Gunther Stilling ­präsentiert, die im Freien platziert sind. Kurator ist Bernd Steinlein vom Kunstverein Wasserburg. In der Mehrheit sind es überdimensionale Werke ­vorzugsweise aus gegossener Bronze auf Stein- oder Stahl­ sockeln. Im Fokus steht der Mensch, dessen Kopf und Gesicht, Hände und Füße sowie der Korpus in Gestalt des Torsos. Bruch­stücke also, wie sie als Fragmente am ehesten aus der Antike überliefert sind. Doch so sehr sich Gunther Stilling diesen vergangenen Hochkulturen verpf lichtet fühlt, rein formal gesehen gibt es keine Anleihen an diese Idealtypen. Seine Skulpturen verweigern jedwede V ­ orstellungen von ­sogenannter Schönheit mit Wohlfühl­charakter. „Wenn es anfängt, den Leuten zu gefallen, hab’ ich etwas falsch gemacht“, ist eine seiner schlagkräf­t igen Aussagen über sein eigenes Schaffen. Gefällig sein, das wollte er schon zu Anfang seines Studiums in den 1960er-Jahren an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart nicht. Zu diesem Zeitpunkt lag eine Jugend hinter ihm, ­geprägt vom frühen Tod des Vaters und der fortan alleinerziehenden Mutter von fünf Kindern. Sie flüchteten 1945 nach Deutschland, wo Gunther Stilling das Abitur machte. In seiner Familie gab es Schlosser und Hufschmiede – was womöglich eine Keimzelle für seine ­s pätere Bildhauerei sein könnte. Auch Professor ­R udolf Hof lehner, der selbst Schüler von Fritz Wotruba war, übte Einf luss auf Gunt her St illing aus, ebenso P rofessor ­C arl-Heinz Kliemann, dessen Assistent er von 1973 bis 1978 am Institut für Bildende Künste an der Universität Karlsruhe

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Gunther Stilling


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war. Im Alter von 36 Jahren wurde er selbst Professor für ­Plastisches Gestalten an der University of Applied Sciences Kaiserslautern. Eine Fülle an Ausstellungen in Deutschland, der Schweiz, Liechtenstein und den USA sowie Werke in ­öffentlichen Sammlungen begleiten sein Schaffen bis heute. „Ich habe immer nur das gemacht, was mich als Künstler gereizt hat.“ Bestes Beispiel hierfür ist seine monumentalste Arbeit aus rost­rotem Stahl in Gestalt eines Schiffswracks ­namens „Styx“, das direkt an der Wasserburger Anlegestelle gestrandet ist. Das Wort, zu übersetzen ins Deutsche mit „Wasser des Grauens“, ist in der griechischen Mythologie gleichbedeutend mit dem Fluss Styx, der Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich Hades. Der Fährmann Charon bringt die Seelen der Toten hinüber. Den Obolus für diesen Dienst wird den Toten in den Mund gelegt. Was Stilling zu diesem Werk bewegt hat, sind die aus dem Wasser im Hafenbecken herausragenden Holzpfähle. An das Gerippe eines Sauriers, an Stonehenge oder an die Menhire von Carnac hätten sie ihn bei einem früheren Besuch in ­Wasserburg erinnert. Vor 15 Jahren sei ein Öltanker an der bretonischen Küste ha­variert. Dortige Fischer hätten danach aus

oben: Gunther Stilling, „Ophelia“ rechte Seite: Gunther Stilling, „St yx“, Fotos: Gerd Schneider


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Protest über die ausbleibenden Entschädigungen ihre Kutter in der Brandung gegen die ­F elsen gefahren. Auch die Ein­ drücke dieses Schiffsfriedhofs haben Stilling nicht mehr losgelassen. Er hat schließlich ein Modell gebaut, nach dem sein „Styx“ aus in­einander verschränkten Stahlstreben entstanden ist. Aus dem Rumpf ragen zwei einsame Masten in den Himmel. Bei genauem Hinsehen erkennt man im Innern einen Bronzekopf in Gestalt einer Maske mit einer Goldmünze im Mund. Gewöhnlich b ­ licken Besucher vom Landesteg aus auf das Wrack hinunter. Stilling hätte es lieber auf Augenhöhe gehabt, denn erst beim Umschreiten er­öffnet sich die eigentliche Wucht und Viel­gestaltigkeit dieser Arbeit. Im sogenannten „Bodendenkmal – Alt-Wasserburg“ hat Stilling seinen „Corridoio delle mani“ installiert. Eine Reihe einander gegenübergestellter „Hand“-Skulpturen auf hohen Sockeln bildet eine lange Gasse, an deren Ende der Kopf des „Lakedaimon“ thront. Seinen Blick frontal ausgerichtet, den Kopf wie eingespannt in Bronzeblöcke wirkt das Gebaren des Zeus-Sohnes und Stammvaters der Spartaner kriegerisch. „Die Ausrichtung der Hände ist wichtig“, betont Stilling deren wegweisenden Aspekt. Sollen sich die Paare doch im Sinne ­einer nonverbalen Kommunikation begegnen. Neben dem Gesicht sei die Hand aufgrund ihrer Vielschichtigkeit des Ausdrucks der wichtigste Körperteil des Menschen. Aus ­a rchitektonischer Sicht werden hier zugleich Assoziationen an die Strenge griechisch-römischer Tempelbauten wach. „Es ist gar nicht so einfach, etwas umzusetzen. Man muss ein neues Vokabular finden“, ist eine seiner Prämissen bei der ­Gestaltungsweise. Betrachtet man die gussbronzenen Oberflächen der maskenartigen Köpfe eines „African King“

oder einer „Agora“, des Torsos eines Boxers („Retiario“) oder des auf den See schauenden Auges („Occhio“) aus der Nähe, geben diese sich alles andere als ästhetisch glatt wie zu Zeiten der Antike, Renaissance und des Barocks. Stilling bevorzugt ­F ragmentiertes, in dessen Haut sich Spuren von Verletzungen, von Rissen und Brüchen eingegraben haben. Dafür kommen Beil und Raspel zum Einsatz, auch Abdrücke von Fingern und a­ ufgeworfenen Tonstücken sind erkennbar. ­Warum er so hässliche Sachen mache, würde er oft gefragt. Er wisse es selbst nicht. Doch der Hang, dem Existenziellen im Leben von Menschen und ihrem Eingebundensein in Machtgefüge b ­ ildnerisch mittels Verfremdung und Überzeichnung Ausdruck zu verleihen, ist unübersehbar. Gefällig wollen ­Stillings W ­ erke genau aus dem Grund bis heute nicht sein. Und im ­Ü brigen entsteht Feuer durch Reibung nur auf einer rauhen Fläche. BABETTE CAESAR

bis 1. November 2018 „ SK ULP T UR A 2016“ m i t We r k e n v o n G u n t h e r S t i l l i n g In de n Parkanlage n am B ode n see u n d a u f a u s g e w ä h l t e n P l ä t z e n i n Wa s s e r b u r g


oben: Gunther Stilling, „Phalanx“ linke Seite: Gunther Stilling, „La Mano“, Fotos: Gerd Schneider

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Stefan Faas

Die Seele des Stahls Die zum Teil in monumentaler Höhe aufragenden Stelen ­b eziehen sich wie alle Arbeiten von Stefan Faas auf den menschlichen Körper. Sie sind jedoch stark reduziert und in ihrer anthropomorphen Gestalt verfremdet. Ebenso auffallend wie der Kontrast aus weicher Linienführung und kraftvoll kantiger Form ist die deutliche Überlängung der Figur, vergleichbar mit der gotischen Bildhauerkunst, der Malerei El Grecos oder in der Moderne beispielsweise mit den Werken Alberto Giacomettis. Im künstlerischen Prozess von der Skizze über den ­Zuschnitt der Seiten ist es unerlässlich, von Beginn an dreidimensional zu denken und die fertige Skulptur sowohl in ihrer eigenen Dimension als auch in Bezug auf den umgebenden Raum zu imaginieren. Oberflächen von gegensätzlicher Qualität teilen das Schaffen von Stefan Faas in zwei Werkgruppen. Diese Unterscheidung wird auch in der Bezeichnung der Arbeiten deutlich.

Den individuellen Namen jeder Arbeit, sie beziehen sich ­häufig auf Protagonisten antiker Mythen, ist dabei das Wort „Anthropocor“ für Cortenstahl oder „Anthropomir“ für hochglänzend polierten Spiegelstahl vorangestellt. Der ­r ostbraun nuancierte Cortenstahl mit seiner fein diffe­ renzierten Patina wirkt lebendig und erscheint wie eine Art Schutzmantel. Die auf Hochglanz polierte Oberf läche des Spiegelstahls erweitert dagegen die Skulptur um eine weitere entscheidende Dimension. Neben Form und Bezug zum Raum tritt nun die Reflexion hinzu. Die gesamte Umgebung spiegelt sich ebenso wie der Betrachter in den blanken Oberf lächen und wird so zu einem Teil des Kunstwerks. Im übertragenen Sinne liegt darin eine Reflexion über das eigene Ich und das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft. Diese inhaltliche Tiefe steht im Dialog zur formalen Konsequenz und lässt die Werke von Stefan Faas zu komplexen Kunstobjekten in zeitloser Ästhetik werden.

Stefan Faas mit Arbeiten aus der Serie der TESTE, Foto: Susanne Roth


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Ein wahrer Wald von Stelen war kürzlich im Kiesraum der Galerie Strzelski in Stuttgart ausgestellt. „Stahl ist das Material der industriellen Moderne per se. Hochhäuser, Brücken, Rüstungsgüter, Automobile etc. – wir haben uns in den letzten zwei Jahrhunderten eine Welt gebaut, die auf Stahl fußt. Er ist der Garant für Stabilität und Belastbarkeit, dies ist seine Funktion. Bildhauer verwenden dieses Material komplett gegenteilig. Hier geht es um den ästhetischen Reiz der spiegelglatten, gebürsteten, verrosteten, patinabehafteten oder sonst wie gestalteten Oberflächen“, so der Kulturjournalist Hansjörg Fröhlich. DIE SEELE DES STAHLS wird geprägt durch die dem Material immanenten Gesetzmäßigkeiten. Das bedeutet: Der Prozess unter großer Krafteinwirkung und gleichzeitig sehr hohen Temperaturen lässt sich nur bedingt und nicht immer präzise steuern. Dem Vermögen des Künstlers Stefan Faas stehen in Gestalt von Härte, Faserverlauf und Hitze Widerstände gegenüber, denen er sich zuweilen unterwerfen muss. Das Kräftemessen auf die Spitze zu treiben, würde bedeuten, die Seele des Stahls und mit ihr das Kunstwerk zu zerstören.

Eine weitere Werkreihe bilden die Köpfe – TESTE. Hier geht Stefan Faas formal und ästhetisch der Frage nach, wie stark man einen Kopf reduzieren kann, sodass er eben noch als solcher wahrgenommen wird, ähnlich wie Alexej von Jawlensky in seiner späten Malerei die Physiognomie des Menschen oder das Christusantlitz auf immer sparsamere, zuletzt nur noch wenige Linien beschränkt hat. Zwei dieser Köpfe sind aktuell Teil einer kuratierten Ausstellung, die im Rahmen der Biennale in Venedig im Palazzo Bembo zu sehen ist, oder in der Galerie am Lindenplatz in Vaduz, Liechtenstein, die den Künstler vertritt. REGINA M. FISCHER

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Arbeiten von Stefan Faas im Kiesraum der Galerie Strzelski, Stuttgart, 2016/2017, Foto: Winfried Reinhardt


112 Thomas Röthel

Schwebender Stahl

Jüngst hat der Bildhauer Thomas Röthel den Innenhof und die Städtische Galerie Kunsthalle im Schloss Isny mit seinen Stahlskulpturen bespielt (bis 18. Juni 2017). Jetzt, ab Anfang Juli, realisiert er zusammen mit Herbert Mehler bereits das nächste große Ausstellungsprojekt in seiner Heimatstadt Ansbach. 20 neue Skulpturen präsentiert er dort im Stadtraum und Röthels Vorfreude ist deutlich spürbar. Nicht so wichtig sei es, wie man etwas erschaffe. Er mache nichts, nur um es zu zeigen. Für ihn zähle die Idee, die hinter einem Kunstwerk stecke. Dass seine Stahlskulpturen trotz aller Tonnenschwere wie schwebend leicht daherkommen, davon ist er auch nach Jahren der Auseinandersetzung fasziniert. „Ich finde das so toll, dass acht Tonnen so federleicht aussehen können“, äußert er sich spontan mit Blick auf die in Isny im Freien platzierten Plastiken. An welcher Stelle könnte welche Arbeit stehen, das ist die generelle Frage im Vorfeld jedes Ausstellungsaufbaus. Im Falle von Isny ist der begrünte Innenhof vollständig von der Architektur der barockisierten Vierflügelanlage des einstigen Klosters umgeben, gegen dessen Fassaden aus rundbogigen Fenstern und Türen sich die Plastiken behaupten mussten. Der ganze Innenhof sei etwas abgefedert worden, beschreibt Röthel die Situation und hat dabei das Schwebemoment seiner Werke im Kontrast zu den steinernen Gemäuern vor Augen. Das barg einiges an Spannung zwischen horizontalen und vertikalen Verläufen, die sich gegenseitig aufluden, ineinandergriffen im Bestreben, in einen nonverbalen Dialog zu gelangen. „Man kann sich auf verschiedenen Arten den Skulpturen nähern“, ist eine Beobachtung, die ihn anspricht.

Die Plastiken „Bezug“ und „Doppelschale“, bei denen zwei Stahlplatten horizontal übereinanderliegen und die Form ­e iner leicht schwingenden Wippe bilden, sah Röthel ­b eispielsweise im Kontext zu den Dachformen mit ihren ­geschwungenen Gauben. Mehr noch nahm die überdimen­ sionale Plastik zweier gegenteilig aneinandergesetzter „Segmentbögen“ bauliche Aspekte auf. Mit jedem Umschreiten einer solchen Arbeit ändern sich die Blickachsen und nichts ist so wie vorher. Ob sich seine Großplastiken nicht als Vermittler zwischen Mensch und Architektur eignen würden, soll Röthel sich in jüngster Zeit gefragt haben. Seine hoch aufragenden Stelen aus der Serie der „Drehungen“ gehören ebenfalls in diese Reihe. Sie sind jeweils aus vier Stahlschichten zusammengefügt. Das mittlere Teilstück versah er zuvor mit Brennschnitten, die bei über 1.000 Grad Hitze um ihre Achse gedreht wurden – je nachdem, wie Röthel die Skizze angelegt hat, um 90, 180 oder 360 Grad. Dem Zufall überlässt er bei diesem Vorgang nichts. Im fertigen Zustand bricht dann ebendieses raumgrafisch aufgebrochene Teilstück aus den starren Bahnen der Säulenform aus, um als eigenständiges lineares Gebilde frei wuchernd in sein Umfeld auszugreifen. Zugleich beliebt es dabei aber fest eingespannt zwischen den vierkantigen Blöcken zu bleiben. Fragiles und Kompaktes kommen in eine Balance, die aus statischer Sicht kaum möglich erscheint. Röthels Werken haftet Organisches und Gewachsenes an, das sich jenseits aller ursprünglichen Funktionalität des Stahls wähnt. „In meinen Arbeiten geht es um Wachstum und Leben“, fasst der 1969 in Ansbach geborene Skulpturenkünstler zusammen.


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Courtesy: BEGE Galerien Ulm, Fotos: Steffi Charlotte Fluri


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In den 1980er-Jahren ließ er sich zum Holzbildhauer ausbilden, bevor er sich von 1992 bis 1998 an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Professor Johannes Peter Hölzinger in die K lasse „ Kunst und öffentlicher R aum“ einschrieb. Dass er sich Mitte der 1990er-Jahre vom Holz abund dem Stahl zuwandte, hat zum einen mit Julio González (1876–1942), dem Pionier der Eisenplastik, zu tun und dessen Ausruf, dass dieses Material endlich nur mehr von den friedlichen Händen des Künstlers geschmiedet werden solle. Zum anderen mit Röthels Eindruck bei der ersten Begegnung mit dem Werkstoff: „Katastrophal aufgrund der Härte, aber dennoch reizvoll.“ Losgelassen hat ihn diese Faszination bis heute nicht, womit er in der Tradition Richard Serras, Eduardo Chillidas oder Bernar Venets steht. In seinem Atelier in Mitteldachstetten ist er sein ­ei­gener Herr: „Ich kann da an allem arbeiten, was mich interessiert.“ Der fortwährende Gedanke, dem widerspenstigen Material eine nächste, neue Gestalt geben zu können, ist Röthels Antrieb. Zwingen könne man den Stahl zu nichts. Jede Skulptur müsse aus sich selbst heraus entstehen, lautet seine Devise, die erstaunlich leicht tönt angesichts der schweren Kolosse. Überhaupt keine Schwergewichte ­stellen dagegen seine Prägedrucke dar: Mehrere übereinandergelegte weiße Papierbögen aus dickem Büttenpergament weisen an der Oberfläche kreisförmige Öffnungen auf, die mal vereinzelt, mal verdichtet über die Fläche zu gleiten scheinen. Deren Ränder sind stark eingerissen und aufgeworfen, sodass sie den Blick auf das tiefer gelegene Innenleben freigeben. Ähnlich den Stahlplastiken, die mit „Ausschmelzung“ betitelt sind. „Ich gehe genauso ans Papier heran wie an den Stahl“, sagt Röthel vor dem Hintergrund, dass er im Stahl gerne spontaner arbeiten würde. Doch da sei so eine materialbedingte Trägheit, die er im Papier nicht habe, weshalb er vor ein paar Jahren mit direkten Abdrücken des Stahls diese Werkreihe begonnen habe. Die wechselnden Materialvorhaben zeigen: Ihm geht es um die Idee und deren Realisierung. BABETTE CAESAR

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Das Ausstellungsprojekt in Isny wurde durch die BEGE ­ alerien Ulm und durch die Städtische Galerie im Schloss G Isny realisiert. Ebenso wurden auf Initiative der BEGE ­Galerien die großen Einzelausstellungen 2011 auf der Insel ­Mainau im Bodensee und 2013 im Landschaftspark Gut ­Hohen Luckow bei Rostock realisiert.

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www. bege-galer ien. de


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Refugium – Flucht ins Paradies

5. Biennale Kulturort Weiertal 20 Schweizer Künstlerinnen und Künstler – darunter schweizweit und international renommierte Namen wie ­P ipilotti Rist, Yves Netzhammer, Victorine Müller und ­T homas Hirschhorn – zeigen im landschaftlichen Idyll von Weiertal am Rande von Winterthur auf über 6.000 Quadratmetern Kunst von Weltformat. Kathleen Bühler, Kuratorin für Gegenwartskunst am Kunstmuseum Bern, ist Gastkuratorin der 5 . Biennale ­Weiertal und hat gemeinsam mit den Künstlern unter dem ­Titel „Refugium“ das Thema Zufluchtsorte, Fragen um Inklusion / E x k lu sion sow ie i m be sonderen S et t i ng der Veranstaltung das Spannungsmoment zwischen Kunst und Landschaft, Künstlichkeit und Natur auf die Agenda gesetzt. Hier finden wir einen Kosmos vor, der viel Spielraum für Denkanstöße und Andockmöglichkeiten an aktuelle Debatten um Globalisierung, Flüchtlingskrise und Urbanisierung bietet. Existenzielle Fragen zu den Spannungsfeldern des postmodernen Individuums im Ringen um Perfektion und Künstlichkeit sowie die dringende Notwendigkeit zur ­Rückbesinnung auf seine Naturverbundenheit werden auf­ geworfen. Sind wir dabei, unser Paradies zu verlieren, oder

haben wir uns durch künstliche Welten inzwischen ein vermeintlich neues Paradies sowie gesicherte Zuf luchtsorte geschaffen? Oder führen diese Spannungsfelder und Grenzen, in denen wir uns bewegen, geradewegs zur Frage des Verlusts von Sicherheit, Geborgenheit und Freiheit? Die Biennale selbst wird zum Zufluchtsort, wo Kunst in natürlicher, geradezu paradiesischer Umgebung Raum für Kontemplation sowie Entspannungsmomente bietet. Die Werke sind meist dreidimensional und raumgreifend – stellen ebenso ein Eindringen in die natürliche Umgebung dar –, ­f ügen sich ein oder konterkarieren. Jede einzelne Arbeit greift einen Kernaspekt der Debatten und postmodernen Existenzfragen auf. Einige der Installationen sind in bestehende Gebäude auf dem Gelände integriert, etwa das Werk von ­P ipilotti Rist im Obstkeller, und laden zu einer spannenden Entdeckungstour ein. JASMIN HUMMEL

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Eveline Cantieni, „My home is my castle“

B i e n n a l e K u l t u ro r t We i e r t a l www. sk ulpt ure n-bie nnale. ch


BEGE Galerien Thomas Röthel

Markus Lüpertz Ausstellung in der Galerie am Saumarkt Ulm

Sonderpräsentation Art Bodensee 21. – 23. Juli 2017 Stele (Ausschnitt), 2017, Stahl

Vernissage in Anwesenheit von Markus Lüpertz im Stadthaus Ulm 5. Oktober 2017

Martin C. Herbst Positions 30. Juni – 29. Juli 2017 Art BODENSEE 21. Juli – 23. Juli 2017 Angela M. Flaig + Josef Bücheler Duett 18. August – 23. September 2017 Markus Lüpertz HERZSCHMERZ 5. Oktober – 17. November 2017 Robert Schad + Sati Zech PingPong 24. Novemer 2017 – 20. Januar 2018 BEGE Galerien Ulm 89073 Ulm Tel +49 (0) 179 . 483 41 88 www.bege-galerien.de

Galerie am Saumarkt Fischergasse 34 , 89073 Ulm Tel +49 (0) 731 . 934 074 11 und +49 (0) 731 . 6 33 49 Mo und Di nach Vereinbarung, Mi bis Fr 11 – 13 und 14 – 18 Uhr, Sa 11 – 15 Uhr


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Short cuts Skulptur

A N S B AC H E R S K U L P T U R E N M E I L E 8 . Juli bis 8 . Ok tober 2017 „ S t a h l w e l t e n“ m i t H e r b e r t M e h l e r u n d T h o m a s R ö t h e l

So viele Kunstwerke wie nie zuvor werden bei der 11. Skulpturenmeile im Sommer in der Ansbacher Innenstadt zu sehen sein: Die beiden renommierten Bildhauer werden insgesamt 40 ihrer großen Plastiken präsentieren. Spannend finden die beiden Künstler dabei den „Dialog ihrer Werke“ sowie die „Ambivalenz zwischen Schwere und Leichtigkeit“. Die Skulpturenmeile reicht dabei vom Hofgarten und Schlossplatz über die neu gestaltete Promenade bis hin in die historische Altstadt. Im August ist außerdem eine zusätzliche Ausstellung mit kleineren Werken im Zitrushaus im Hofgarten geplant. Für alle interessierten Besucher wird es auch wieder einen Flyer zur Ausstellung mit genauem Lageplan geben; dieser ist ab Anfang Juli kostenlos im Amt für Kultur und Tourismus erhältlich.

Herbert Mehler, Foto: © Klaus Mosch

A m t f ü r K u l t u r u n d To u r i s m u s Johann-Seba st ian-B ach-Plat z 1, 915 2 2 An sbach T + 4 9 (0) 9 8 1 5 1 2 4 3 www. ansbach. de S K U L P T U R E N I N A L L E N S B AC H – „ BRÜCK E N BI L DE N “ bis 1 4 . Ok tober 2017 Seegar ten Allensbach

Mit 32 Exponaten und Performances interpretieren Künstler aus Deutschland und der Schweiz das Thema mit Ortsbezug Allensbach in künstlerisch gestalteten Brücken. Auch wird es als Metapher für das „Überbrücken“ im humanitären, ­sozialen, kulturellen, internationalen Sinn verwendet. Richtungsgebend steht hierfür das während der Ausstellung entstandene Projekt „Gelebte Integration“ des Schweizer Künstlers Adrian Bütikofer: Brückenbau als Verbindung ­z wischen Menschen und Kulturen in sozialer Beziehung. Bildhauer: Anwander, Baumgärtner, Bittiger, Braun, Bühler, Bütikofer, Buhmann, Burrer, Dierauer, Dittus, Endemann, Faas, F EROSE, Hackenbracht, Jäger/Riesterer, Janthur, Knöpfle, Knubben, Koellner, Kopp/Mazenauer, Landmann, Lauinger, Lenzing/Lenzing, Lüthi K, Majer, Mann, Ortmann, Sälzle, Stehle, Steigerwald, Treiber, Weber. ar t A-Sk ulpt ure n in Alle n sbach S e e g a r t e n A l l e n s b a c h , S t ra n d w e g 2 artA-Skulpturen in Allensbach, Seegarten Allensbach

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„ L E I D E N S C H A F T . PA S S I O N – I M F O K U S : P I E R R E S O U L AG E S “ I M M U S E U M A R T. P L U S D O N AU E S C H I N G E N

Das Museum Art.Plus Donaueschingen zeigt noch bis 21. Januar 2018 die Ausstellung „Leidenschaft . Passion – Im Fokus: Pierre Soulages“. Pierre Soulages (*1919) zählt zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlern Frankreichs und ist einer der letzten lebenden Vertreter einer Künstler­ generation, die die moderne Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg neu definierte. Die Ausstellung ist seiner be­ sonderen Leidenschaft für die Farbe Schwarz gewidmet. Sie zeigt Gemälde aus seiner aktuellen Schaffensphase, den ­sogenannten „Outrenoirs“, und stellt ihnen zwei- und drei­ dimensionale Arbeiten weiterer internationaler Künstler an die Seite, darunter Tony Cragg, Masayuki Koorida, Thomas Lenk und Nunzio. w w w . m u s e u m - a r t- p l u s . c o m Raumansicht „Leidenschaft . Passion – Im Fokus: Pierre Soulages“ © VG Bild- Kunst Bonn, 2017 & Museum Art.Plus / Art.Plus Foundation

K U NS T H A L L E BI E L E F E L D 2 . September bis 2 2 . Ok tober 2017

Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert ab dem 2. September 2017 Werke des Bildhauers Thomas Kiesewetter (* 1963). Seine Skulpturen sind aus Metall gebildet und monochrom farbig gefasst. Die Ausstellung konzentriert sich auf den schaffenden Prozess des Bildhauers und schließt auch frühe Modelle aus Papier, Pappe sowie originalgroße Modelle aus Holz und anderen Materialien mit ein. Kiesewetter erschafft seine Skulpturen durch das Zusammenfügen von Elementen, die Form entsteht aus dem Arbeitsprozess heraus. Diese Vorgehensweise führt zu der Allansichtigkeit der Skulpturen Kiesewetters. Es gibt hier kein Vorn oder Hinten, man blickt beim Umlaufen der Skulptur 360 Mal von vorn auf die aufgefächerte oder verdichtete Figuration. Thomas Kiesewetter, „Untitled (Neon)“, 2011, Foto: Philip Ottendörfer, © Kunsthalle Bielefeld

www. k unsthalle-bielefeld. de

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„ T h o m a s K i e s e w e t t e r – B i l d h a u e r“


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Franz Bernhard, „Sitzende“, im Hintergrund „Nr. 5“, © Nachlass Franz Bernhard, 2017 / VG Bild- Kunst, Bonn 2017

H E R M A N N VO I T H G A L E R I E – K U NS T M USEU M HE I DE N HE I M F ra n z B e r n h a rd a u s d e r S a m m l u n g d e s M o ra t- I n s t i t u t s f ür Kunst und Kunst wissenschaf t

Mit über 30 zum Teil großformatigen Arbeiten aus der Sammlung des Morat-Instituts in Freiburg im Breisgau erinnert das Kunstmuseum Heidenheim an einen der wichtigsten Vertreter der abstrakt-autonomen Skulptur in Deutschland. Franz Bernhard (1934–2013) entwickelte in den 1970er-­Jahren eine originelle Form der autonomen Skulptur, die auf überzeugende Weise rein geometrische Formen mit der figurativen Abstraktion verbindet. Anhand der Motive Kopf, Körper und Körperhaltungen gibt die Heidenheimer Ausstellung einen Einblick in die spezifische Vorgehensweise und Ausdruckswelt eines Bildhauers, dessen Werk in den letzten Jahren zu Unrecht aus dem Fokus des Kunstbetriebs geraten ist. Wer Krach macht, erzeugt Aufmerksamkeit. Damit zählt das Krachmachen zu den ursprünglichsten sozialen Äußerungsformen des Menschen, denn mit Krach kann man seinesgleichen vor Gefahren warnen oder aber Dominanz über andere ausdrücken, weil Lärm alle übrigen Formen der

Kommunikation unterbindet. Aus diesem Grund bleibt das Krachmachen im normalen Alltagsleben meist auf wenige, ­r ituell legitimierte Ereignisse wie Feste, Karneval, Kriege, ­Demonstrationen oder Spiele beschränkt. Wenn nun ein Künstler wie Klaus Illi uralte Lärm­ erzeugungsinstrumente – wie Ratschen und Pfeifen – mit modernster Automatisierungstechnik (der Firma FESTO) zu einem Ratschenorchester verbindet, dann überschreitet er bewusst Grenzen: 1. die Grenze als erwachsener Mensch jenseits rituell legitimierter Ereignisse wie Karneval, im Stadion oder bei Demonstrationen Lärm zu machen; 2. die Grenze zwischen bildender Kunst und Musik; 3. die Grenze des guten Geschmacks, weil er eben keine Musik, sondern Lärm macht. Mit den Mitteln der kinetischen Kunst macht der Stuttgarter Künstler damit die Freude am Krachmachen sowohl als ­a nthropologische Grundkonstante als auch als Grenzüberschreitung sicht- und hörbar. b i s 1 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7 F ra n z B e r n h a rd a u s d e r S a m m l u n g d e s M o ra t- I n s t i t u t s www. k unst museum-heidenheim. de


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DA S C E N T R O I N T E R N A Z I O N A L E D I S C U LT U R A I N P E C C I A W I R D G E B AU T

Foto: © Skulpturenpark Köln

2 0 J A H R E S K U L P T U R E N PA R K KÖ L N

Der Skulpturenpark Köln wurde 1997 durch eine Privat­ initiative von Michael und Eleonore Stoffel gegründet. Für die Ausstellungsreihe KölnSkulptur wurden seitdem über 150 Werke herausragender Künstler_innen wie Rosemarie Trockel, Louise Bourgeois, Jenny Holzer, Isa Genzken, Dan Graham, Peter Fischli und David Weiss, George Condo und vielen anderen realisiert. Die Ausstellungsreihe KölnSkulptur genießt nicht allein aufgrund der herausragenden Qualität der gezeigten Werke nationales und internationales Ansehen. ­B esonders ist sie vor allem wegen des hier gegebenen ­Zu­sammenspiels von Kunst und Landschaft. In diesem ungewöhnlichen Kontext können künstlerische Ausdrucksformen entwickelt werden, die über Form, Maßstab sowie die Beziehung zur Natur anregen, über die gemeinsame Zukunft von Leben und Kultur nachzudenken. KölnSkulptur #9 wird am 15. Oktober 2017 eröffnet. Parallel wird der 20. Jahrestag des Bestehens des Skulpturenpark Köln gefeiert. Die 9. Ausstellung von Außenskulpturen ist bis Sommer 2019 zu sehen.

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Werkplatz, Foto: © CIS

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www. sk ulpt ure nparkkoeln . de

Am 12. April 2017 hat der Tessiner Regierungsrat die Unterstützung in Höhe von drei Millionen Schweizer Franken für das zukünftige Internationale Bildhauerzentrum in Peccia bestätigt. Dieser Betrag entspricht etwa der Summe, der von der Stiftung während der letzten Jahre gesammelten Gelder von privater Seite. Mit diesem Entscheid kann das Bauvorhaben eingeleitet werden. Das Ausstellungsgebäude wird eine repräsentative ­A rchitektur am Eingang des Dorfes Peccia. Es beherbergt den großen Ausstellungssaal, die Administration sowie die drei Werkstätten für Stein, Holz und Metall. Die fünf Künstler­ ateliers werden als reine Werkateliers geplant und schließen direkt an den gemeinsamen Werkplatz mit einem Zwölf-Tonnen-Kran an. Die eingeladenen Künstler wohnen mitten im Dorf Peccia in individuellen Appartements des „Künstlerhauses“. Für die Realisierung des Centro und die Start-up-Phase wird gemäß Businessplan mit Kosten von über sechs Mil­ lionen Schweizer Franken gerechnet. Der Zeitplan: 2017 wird die Baueingabe eingereicht. Im Laufe des Jahres 2018 soll der ­gesamte Bau verwirklicht werden. Der Betrieb mit den ersten fünf „Artists in Residence“ und einer repräsentativen ­Skulpturenausstellung im Ausstellungsgebäude des Centro soll planmäßig im Frühjahr 2019 starten. Eine große Ein­ weihungsfeier mit zahlreichen lokalen, nationalen und internationalen Gästen wird der Bedeutung des Ereignisses Ausdruck verleihen: das Centro Internazionale di Scultura soll zu einer wichtigen neuen und lebendigen Kulturdestination für das Valle Maggia, den Kanton Tessin und die ganze Schweiz werden.


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Małgorzata Chodakowska, „Con amore“, 2011, Bronze, Foto: Lothar Sprenger

„ S K U L P T U R E N . S C H AU ! “ W E I K E R S H E I M

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F E I E R T Z E H N J Ä H R I G E S J U B I L ÄU M

Zum zehnjährigen Jubiläum der „Skulpturen.SCHAU!“ hat die Stadt eine besondere Bildhauerin gewinnen können. ­Małgorzata Chodakowska aus Dresden (* 1965 in Łód ź). Sie reiht sich ein in eine Künstlerschar, die allesamt professionell arbeiten, zum Teil an Hochschulen unterrichteten bzw. immer noch lehren und in Weikersheim ausstellten. Małgorzata Chodakowska studierte Bildhauerei an den ­A kademien für bildenden Künste in Warschau und Wien. Seit 1991 lebt sie und arbeitet in ihrem Atelier in Dresden. In ­Weikersheim stellt sie einige ihrer formvollendeten Plastiken aus. Die Bildhauerin setzt sich mit voller Kraft mit dem Menschenbild und dessen Anatomie sowie der großen Form auseinander. Dabei geht ihr sicheres Form- und Proportionsempfinden mit einer umfassenden Fähigkeit zur Sinnlichkeit einher, die den Mut und die Kraft zur Erotik besitzt. In einigen Figuren sind unverkennbar die Anmut und das Feingliedrige von Balletttänzerinnen zu sehen. Die Art, wie die Frau steht,

die Hände nach oben reckt oder die Füße aufstellt, ist eindeutig. Die Betrachter erleben einen sinnlichen Hochgenuss. Die Plastiken bestechen durch die Geschlossenheit der Formen sowie durch eine ästhetische Energie, die sich in der Klarheit der kompositorischen Ordnungen konzentriert. Die Bildhauerin hat sich auch einen Namen mit ihren wunderschönen Springbrunnenentwürfen gemacht. Diese verspüren pure Lebensfreude. Das Element Wasser verbindet Chodakowska gekonnt mit dem Werkstoff Bronze. Auch hier findet sich wieder ihre Affinität zum Ballett. So heißt etwa ein Springbrunnen „Kleine Ballerina“. Es ist der Stadt Weikersheim gelungen, eine solche Brunnenfigur in der Tauber aufzustellen: der „Engel“. Seine Flügel, so zart und schillernd, erinnern an jene von Libellen. Das ist ein besonderes Geschenk zum zehnjährigen Bestehen dieser Ausstellung. Małgorzata Chodakowska hatte bereits viele Ausstellungen, unter anderem in Deutschland, Japan, Österreich, Polen und Dänemark. Dass sie nun in Weikersheim ausstellt, freut die Stadt sehr. bis 2 4 . September 2017 Sk ulpt ure n . SC H AU! 201 7 www. weikersheim. de


5. Biennale «Refugium»

20. Mai - 10. Sept . 2017 · Mi-Sa 14-18h · Fr 14-22h · So 11-17h · mit Bistro

Monica Ursina Jäger und Michael Zogg ‚Contradictory Complicities‘ (Visualisierung)

Maya Bringolf, Eveline Cantieni, Mia Diener, Quynh Dong, Marianne Engel, Gregor Frehner, Gabriela Gerber und Lukas Bardill, Bob Gramsma, Thomas Hirschhorn, Huber.Huber, Monica Ursina Jäger und Michael Zogg, Victorine Müller, Yves Netzhammer, RELAX (chiarenza & hauser & co), Pipilotti Rist, Ilona Ruegg, Olga Titus

Biennale Kulturort Weiertal · Rumstalstrasse 55 · CH-8408 Winterthur skulpturen-biennale@bluewin.ch · www.skulpturen-biennale.ch

centroscultura.ch Veronica Branca-Masa, membro del comitato artistico del CIS, scultura spaziale

Ab 2019 wird Peccia mit dem internationalen Bildhauerzentrum ein wichtiger Kulturort mit internationaler Ausstrahlung.

scultura.ch/corsi Wo Stein, Holz, Metall und vieles Andere künstlerische Form annimmt. Ferienkurse oder Weiterbildung, die Bildhauerschule ist und bleibt ein Ort der künstlerischen Entfaltung für alle!



Robert Schad >PERCURSO LUSITANO< um caminho de esculturas em Portugal Julho 2017 - Março 2018

Município de Valença do Minho Mosteiro de Sanfins, Friestas Município de Vila Nova de Cerveira Quinta das Camélias, Fornelos Municipio e MIEC- Museu International de Escultura Contemporanea, Santo Tirso Vila Chã Municipío de Maia Bico de Cabedelo, Canidelo Praia Cabide Sul Praia de Valadares Senhor da Pedra, Miramar Esplanada de São Felix da Marinha Quinta de Napoles de Dirk Niepoort, Santo Antao Município de Viseu Santuário da Nossa Senhora do Rosário, Fatima Município de Cascais Casino de Estoril Castelo de Evoramonte, Evora Monte Municipío de Estremoz Terreno chamado ‚O Telo‘, Tavira

www.schad-percursolusitano.pt Katalog im modo Verlag ist in Vorbereitung Foto: Dominique Verite


Sean Scully + Liliane Tomasko

25. Juni - 22. Dezember 2017

Über den Umgang mit Menschen, wenn Zuneigung im Spiel ist.

Sammlung Klein 15.07. – 05.11.2017

Sean Scully, Landline Green White (Detail), 2014, Öl auf Aluminium, 215,9 x 190,5 cm, Sammlung Klein, Foto: Sean Scully, © Sean Scully / Courtesy Kerlin Gallery, Dublin

KUNSTWERK I SAMMLUNG KLEIN I SIEMENSSTRASSE 40 I 71735 EBERDINGEN-NUSSDORF GEÖFFNET MITTWOCH BIS FREITAG UND SONNTAG VON 11 - 17 UHR I WWW.SAMMLUNG-KLEIN.DE



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Dierk M aass: Traces° of‘ Urbanit y“

Das Wesen der Dinge D i e r k M a a s s’ F o t o g ra f i e i s t A u s d r u c k e i n e r I d e e , d i e We l t n i c h t n u r z u r e z i p i e r e n , s o n d e r n s i e z u g e s t a l t e n . Seine neuen Bilder erzählen schlichter als zuvor vom Menschsein, v o n d e r m e n s c h l i c h e n K u l t u r.

DIERK MA ASS, 70° 40‘ 35.965“ N 52° 07‘ 52.540“ W, 2016, aus der Serie GREENL AND, Diasec, 80 x 120 cm, Edition 6 + 2, ID 1180


A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — P O R T R Ä T


130 Dierk Maass zeigte uns in der Vergangenheit Bilder aus dem Nordwesten Nepals, einem tibetischen Siedlungsgebiet im Himalaja: faszinierende Bergpanoramen, deren Sepiatöne auch Fotografienostalgikern gefallen konnten. Bevor diese Bilder entstanden, galt es, Pässe zu überqueren, die 5.000 Meter hoch liegen. Die Welt ist atemberaubend. Das zeigt nicht nur das Buch SHADES° OF ‘ DOLPO“, das im Kehrer Verlag erschienen ist – das erzählen so viele der Bilder des in Zürich lebenden F ­ otografen Dierk Maass. Sie stillen Fernweh, aber schreiben sich auch ein in die lange Geschichte einer Fotokunst, die das G ­ esehene nicht allein abbilden, sondern interpretieren will. Kurz: Dierk Maass’ Bilder, etwa auch jene überbelich­teten Aufnahmen, mit denen er bekannt geworden ist, sind mehr als Urlaubserinnerungen: Sie sind Ausdruck einer Idee, die Welt nicht nur zu rezipieren, sondern sie zu gestalten. ­D iese Fotografien wurden einmal als „Vorstellungs- und Augen­bilder zugleich“ beschrieben. Eine gute Einschätzung, denn sie sind beides: Sie zeigen die Wirklichkeit durchaus, aber gestaltet, geformt, wie auch seine Serie TENSION° OF‘ SECLUSION“ verdeutlicht, die ebenfalls als Buch publiziert wurde.

DIERK MA ASS, 2017, aus der Serie TRACES° OF‘ URBANITY“, Diasec, 120 x 80 cm, Edition 6 + 2, ID 7388


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Diese Bilder zeigen weite Landschaften, die an verschiedenen Orten der Erde fotograf iert wurden. Wüsten mit Well­blechhütten, karge Steinlandschaften, Schotterpisten durch das Nichts, verwaiste Baustellen, „Nicht-Orte“ – um den ­foto­historisch bedeutsamen Begriff des „non-lieu“ des französischen Anthropologen Marc Augé aufzugreifen. Es sind mitunter Orte, die keine besondere Identität oder Geschichte haben – denen erst die Bearbeitung als Motiv künstlerischer Fotografie eine Bedeutung verleiht. „ So wie ein Ort durch Identität, Relation und ­G eschichte gekennzeichnet ist, so definiert ein Raum, der ­keine Identität besitzt und sich weder als relational noch als ­his­torisch bezeichnen läßt, einen Nicht-Ort“, schreibt Augé schon 1994 – und ebendiese Einsamkeit vieler Bilder von Maass ­f asziniert. Andere wieder feiern das Spektakuläre der Wildnis, der unberührten Natur. Weitere zeigen die „Ani­ mitas“, die farbenprächtigen, fantasievollen Gedenkstätten für ­t ödlich Verunglückte am Straßenrand entlang des ­südamerikanischen Teils der Panamericana: In diesen Gegensätzen entfaltet sich das Werk von Dierk Maass – pendelt mal in die eine, dann in die andere Richtung. „Dem Betrachter sollen nicht die Augen übergehen. Sein Blick ist vielmehr eingeladen, sich darin suchend ­ein­zurichten“ – so hat Christian Janecke das Werk von Maass beschrieben, das sich niemals zu sehr dem Pittoresken zu­ wendet. Auf die Darstellung des Menschen verzichtet er in seinen Fotografien zumeist: Stattdessen thematisieren seine lichtdurchf luteten, rätselhaft zeitlosen Bilder Leere und

­E insamkeit. „Mit dem Bewusstsein ist schlechthin Licht ­ erbunden. Ich weiß mich im Licht; mein Wissen ist Licht“, so v hat Dierk Maass selbst einmal sein Schaffen resümiert. Seine neueste Serie hat der Künstler TRACES° OF ‘ UR­B ANIT Y“ genannt. Auch diese kommt ganz ohne die Darstellung des Menschen aus – auch wenn dieser mehr als je zuvor p ­ räsent ist. Wir sehen Strandgut, eine Salzpyramide, ein Wirrwarr von Kabeln an einem Strommast, eine aus ein­ fachen Holzplatten zusammengezimmerte Hütte. Schlichter als zuvor, unspektakulärer und doch ­a n­r ührend erzählen diese einfachen Bilder vom Menschsein, von der menschlichen Kultur. Sie zeigen eine neue Facette im Werk von Dierk Maass. Sie künden von einem ­neuen bild­nerischen Interesse, das nun nicht mehr um Farb-­ Licht-Phänomene, um monumentale Landschaften kreist, sondern um die Einfachheit, die Schlichtheit des foto­g ra­ fischen Ausdrucks. Wählte Maass in seiner Fotografie bisher oft den Weg der Verrätselung des in der Welt Gese­henen, so ist es jetzt anders: Er zeigt die Dinge, selbst scheinbar erstaunt über ihre einfache körperliche Präsenz, ihre Wesenhaftigkeit. MARC PESCHKE

www. schre ine re i 1 4 . com

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — P O R T R Ä T

DIERK MA ASS, 2008, Diasec, 65 x 200 cm, ID 2395



documenta 14

Marta Minujín, „The Parthenon of Books“, 2017, Stahl, Bücher, Kunststofffolie, Friedrichsplatz, Kassel, „documenta 14“, Foto: Roman März

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Kassel, 10. Juni bis 17. September 2017


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Dimitris Tzamouranis’ „ M are Nostrum“

Bilder gegen das Vergessen D e r g r i e c h i s c h e M a l e r D i m i t r i s Tz a m o u ra n i s p rä s e n t i e r t a u f d e r „ d o c u m e n t a 1 4“ e i n S e e s t ü c k d e r b e s o n d e r e n A r t . S e i n We r k k o m p l e x „ M a r e N o s t r u m“ w i rd z u r z e i t in der B erliner Galer ie Michael Haas gezeigt.

Tiefschwarze Nacht über der Ägäis. Am Horizont kein Licht. Kein Fischerboot, keine Fähre, kein Frachter und auch kein Leuchtturm in der Ferne bieten Trost oder deuten auf menschliche Zivilisation hin. Auf einer 235 x 340 Zentimeter großen Leinwand ist ein alles verschlingender Brecher im fahlen Nachtlicht zu sehen, der sich gerade voller Gischt, Wirbel und Strudel auf den Betrachter zu wälzt. „36° 45‘N – 021° 56‘E“ lautet der Titel dieses monumentalen Ölgemäldes, das der griechische Maler Dimitris Tzamouranis zurzeit im Kasseler Museum Fridericianum als seinen Beitrag zur „documenta 14“ präsentiert. Das Bild ist Teil der Sammlung des Nationalen Museums für Zeitgenössische Kunst (EMST) in Athen, die noch bis zum 17. September im Hauptaustragungsort der Weltkunstschau ausgestellt wird.

Dimitris Tzamouranis, „Seegefährten“, 2014, Öl auf Leinwand, 255 × 360 cm, Privatsammlung, Basel

unten: Dimitris Tzamouranis, „Shipwreck“, 2015, Öl auf Kupfer, 50 × 70 cm


Der 1967 in der Hafenstadt Kalamata geborene, seit 1991 ­überwiegend in Berlin lebende Maler hat in den vergangenen zwei Jahren eine ganze Gemäldeserie mit Seestücken geschaffen, die er jetzt unter dem Titel „Mare Nostrum“ präsentiert. Sie besteht aus rund einem Dutzend großformatiger Bilder und einigen kleineren Skizzen und Bildern in Öl auf Kupfer. ­W ährend das eingangs erwähnte Gemälde also auf der ­„do­c umenta“ gezeigt wird, besteht noch bis zum 29. Juli die Gelegenheit, sich die übrigen Werke an den beiden Stand­ orten der Berliner Galerie Michael Haas anzuschauen. Neben menschenleeren Darstellungen der brachialen Urgewalt des Meeres sind hier auch einige Bilder von Schiffswracks zu ­s ehen. Eine besondere Stellung nimmt die von einem ­G e­m älde Jean-Antoine Watteaus inspirierte Darstellung „Einschiffung nach Kythera“ ein, die drei modern gewandete junge Frauen und ein unbekleidetes Kind an einem Felsenstrand zeigt, die angesichts der tosenden Wellen mit ihrem Schicksal zu hadern scheinen.

Gerade in der Zusammenschau entfalten diese Bilder auf besondere Weise ihr erschütterndes Potenzial. Was Dimitris Tzamouranis uns auf seinen nur mit den Koordinaten betitelten Meeresdarstellungen auf virtuos gemalte, aber gleichzeitig auch beklemmende Art und Weise zeigt, sind Orte, an denen Flüchtlingsboote gekentert und Menschen auf oft dramatische Art und Weise ums Leben gekommen sind. Dimitris Tzamouranis dazu: „Die Arbeiten sind als Vergegenständlichung im Sinne von Memorialen der Katastrophen zu verstehen, die keine Spuren hinterlassen haben, außer der geografischen Verortung, daher die Koordinaten als Titel.“ Entstanden sind alle diese Arbeiten in den vergangenen zwei Jahren. Dimitris Tzamouranis berichtet davon, wie die Idee zu der Serie entstanden ist: „Im Sommer 2015 war ich mit meiner Lebensgefährtin Kathrin Lind längere Zeit in Griechenland. Die Flüchlingskrise ist zu dieser Zeit allgegenwärtig gewesen. Wir waren in unmittelbarer Nähe, täglich am und auf dem

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Meer mit dem Segelboot unterwegs. An einem Tag in der Bucht von Koroni ist uns bewusst geworden, dass wir uns unmittelbar an der Stelle befinden, wo eines der Boote gestrandet ist, und dass wir vielleicht unzählige Male zufällig an anderen Unglücksstellen vorbeigefahren sind. Im Grunde war der ­I mpuls, diese Orte zu besuchen, ein Gedenken an die Ver­ unglückten, vielleicht auch ein Stück Hilf losigkeit, nichts ausrichten zu können. Als Künstler wollte ich auf dieses Gefühl reagieren. Wir haben uns dann von der Hafenbehörde die Koordinaten der Unglücksorte geben lassen und sind diese abgefahren, um zu erleben, was die Orte mit uns machen.“ Zurück im Berliner Atelier hat er die ersten Arbeiten der Serie noch anhand der vor Ort entstandenen Fotos, Skizzen und Notizen realisiert. Doch schon bald befreite er seine Malerei von dem Druck, das Gesehene allzu detailgetreu

wiedergeben zu wollen, und begann, das Katastrophische in toxisch aufgeladene Wasserlandschaften voller angedeuteter Dämonen, Unterwasserwesen und anthropomorpher Formen zu übersetzen. „Ich habe die Dramatik der Geschehnisse in den Wasserformen gesucht“, so Dimitris Tzamouranis. Der Titel der Ausstellung „Mare Nostrum“ verweist auf zweierlei. Einerseits bezeichneten die Römer das Völker und Kulturen verbindende Mittelmeer als „mare nostrum“, was ganz einfach „unser Meer“ bedeutet. Der Ausstellungstitel rekurriert allerdings auch auf die gleichnamige humanitäre Marineoperation der italienischen Armee und der Küstenwache, die 2013/14 Zehntausenden Menschen, die die Flucht über das Mittelmeer angetreten hatten, das Leben rettete. Unter veränderten politischen Vorzeichen wurde die von vielen Menschenrechtlern befürwortete Aktion eingestellt. Seitdem


137 steht unter der Federführung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die Sicherung der EU-Außengrenzen und damit die Abwehr von Flüchtlingen im Fokus der Aktivitäten. Auch wenn er es erst jetzt so konzentriert in kraftvolle Malerei umgesetzt hat – Dimitris Tzamouranis beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Migration: „Mit dem Thema Flüchtlinge habe ich 2001 begonnen, mich auseinanderzusetzen. Dieses Problem existiert ja seit Jahrzehnten, verschärft hat sich die Situation im Sommer 2015. Ich bin oft auf dem ­Peloponnes in meiner Heimatstadt Kalamata. Sogar in einer solch abgelegenen Kleinstadt war die Flüchtlingssituation ­omnipräsent. Seitdem liegt eigentlich immer wieder eins oder mehrere der auf See aufgenommenen Flüchtlingsboote im Hafen von Kalamata.“ Was ihn stört und letztendlich auch zu seiner Serie ­angeregt hat, ist die große Distanziertheit von Zeitungen und elektronischen Medien, wenn es um die aktuelle Flücht­ lingssituation geht: „Die mediale Berichterstattung fokussiert oft die politischen Aspekte, weniger die tragischen Einzel­ schicksale, die uns sehr nahekommen, wenn wir direkten Kontakt haben.“ NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

bis 29. Juli 2017 „ D i m i t r i s Tz a m o u ra n i s . M a r e N o s t r u m“ Galer ie Michael Haas und Kunstlager Haas, B erlin K atalog : Hrsg. G ale r ie Michel Haa s, 5 6 S . , 15 E U R www. galer iemichaelhaas. de

Dimitris Tzamouranis, „36°45´N – 021°56´E“, 2015, Öl auf Leinwand, 235 x 340 cm, ausgestellt auf der „documenta 14“, Museum Fridericianum

rechts: Dimitris Tzamouranis, Segeln in der Ägäis zusammen mit Kathrin Lind, Juni 2015

Alle Fotos: Lea Gr yze © Galerie Michael Haas / Dimitris Tzamouranis

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — P O R T R Ä T

www. doc umenta 1 4 . de


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Dietrich Klinge, „Ent wurf für eine große Figur II“, 2004, Bronze, 250 x 265 x 215 cm, Ex. 2/6, vor dem Marstall, Daniel Rauch- Museum, Bad Arolsen

Bad Arolsen

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A U S S T E L L U N G E N

40 Kilometer nebenan Wem die zahllosen Ausstellungen in Kassel nicht genug sind, kann im nahe gelegenen Bad Arolsen auf einem anregenden Spaziergang Historisches erkunden. Die ehemalige Residenzstadt ist eine barocke Planstadt, entstanden zu ­Beginn des 18. Jahrhunderts und einzigartig in ihrer heute noch zu erkennenden Geschlossenheit. Das Museum Bad Arolsen besteht aus fünf historischen Gebäuden, die nicht nur architektonisch verschieden sind, sondern auch in ihrer ­vormaligen Funktion. W ä hrend im West f lügel des S chlosses heute Wechsel­ausstellungen zur Kunst- und Kulturgeschichte, zu zeitgenössischer Kunst und Fotografie gezeigt werden, ­f inden sich im Christian Daniel Rauch-Museum (Schloss­ straße 30) viele bedeutende Werke des Bildhauers, die dem Museum unter anderem von der Alten Nationalgalerie in Berlin zur Verfügung gestellt wurden. Als Hauptvertreter des deutschen Klassizismus sind Rauchs Arbeiten allenthalben präsent, gemeinsam mit anderen Exponaten bietet sich im Museum ein lebendiges Bild des Kunstgeschehens der ­G oethezeit mit ihren Bezügen zur Antike. Als Sohn eines

fürstlichen Lakaien und Kammerdieners wurde Rauch 1777 in dem ehemaligen Lakaienhaus, dem heutigen Rauch-Geburtshaus (Rauchstraße 6), geboren. Auch hier findet sich eine Auswahl an Porträtbüsten des Künstlers. Zeichnungen und Reisetagebücher seiner Italienreisen 1804 und 1829 geben ­zudem Einblicke in die Inspirationsquellen des Bildhauers. In einem typischen Handwerkerhaus, dem Kaulbach-Haus (Kaulbachstraße 3), zugleich das Geburtshaus des Historienmalers und Illustrators Wilhelm von Kaulbach (1805–1874), findet sich neben dessen Gemälden und gra­ fischen Arbeiten auch noch die originale Schreinerwerkstatt, in der vieles zum Thema Holz und Handwerk zu lernen ist. Das Schreibersche Haus (Schlossstraße 24) ist eines der ältesten Gebäude der Stadt, hier sind nicht nur frühklassizistische Schnitzereien und Wanddekorationen zu bewundern, sondern auch Gemälde und Grafiken des 19. Jahrhunderts aus der Malerdynastie um Wilhelm von Kaulbach. Daneben gibt es dokumentarisches Material zur Stadtgeschichte. w w w . m u s e u m - b a d - a ro l s e n . d e


Ulrich RĂźckriem Multiples 1969 bis heute Schenkung Jacobs Thomas Kiesewetter Bildhauer 02 09 17 22 10 17

Kunsthalle Bielefeld

kunsthalle-bielefeld.de


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Entdecken und Wiederentdecken

POSITIONS Berlin Kristian Jarmuschek, Foto: © Jarmuschek+Partner

Im Rahmen der „Berlin Art Week“ startet am 14. September die vierte Ausgabe der Kunstmesse POSITIONS BERLIN Art Fair. ARTMAPP-Autoren Nicole Büsing und Heiko Klaas sprachen im Vorfeld mit deren Direktor Kristian Jarmuschek. ARTMAPP: Herr Jarmuschek, für den Berliner Kunstherbst 2017 werden die Karten gerade neu gemischt. Die abc – art berlin contemporary existiert nicht mehr. Die Art Cologne entwickelt ein neues Messeformat für Berlin. Wie reagiert die Kunstmesse POSITIONS darauf?

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A U S S T E L L U N G E N

Kristian Jarmuschek: Es mag vielleicht ein paar konzeptuelle Überschneidungen geben, aber wir sind mit der POSITIONS BERLIN Art Fair erst einmal gut aufgestellt und können bei dem Konzept bleiben, mit dem wir schon in den letzten J­ ahren Erfolg hatten: Uns geht es um starke künstlerische Positionen und deren Vermittlung – ob jung oder etabliert, zeitgenössisch, modern oder sogar auch barock, das ist für uns erst einmal zweitranging. Unter anderem werden wir in diesem Jahr eine größere Anzahl von Nachlässen präsentieren – fast vergessene Positionen, die wir sehr spannend finden. Insgesamt möchten wir den Besuchern die Möglichkeit zum persönlichen Entdecken geben – das funktioniert unabhängig von dem, was noch in Berlin passiert. ARTMAPP: Die POSITIONS kehrt an ihren alten Standort, die Arena in Treptow, zurück. Was macht für Sie den Reiz dieses Ortes aus? KJ: Für eine Kunstmesse in Berlin passt die Arena einfach ­super und bietet genau die richtige Atmosphäre: Sie hat den Charme einer rauen Industriearchitektur aus den 1920er-Jahren, es gibt einfallendes Tageslicht und die freitragende Halle bietet mit ihren 6.500 Quadratmetern enorm viel Platz und gestalterische Freiheit. Außerdem ist die Lage in einem Umfeld mit Atelierhäusern direkt an der Spree und neben dem Badeschiff perfekt.

KJ: Sehr viele Berichte über den Kunstmarkt drehen sich um sensationelle Highlights und Auktionsergebnisse. Das führt dazu, dass sich bestimmte Leute ausgeschlossen fühlen. Wir möchten das auf brechen. Sammler, Kuratoren, Museums­ leute und Autoren sollen sich ebenso zum Entdecken und Wiederentdecken von Kunstwerken und natürlich auch zur Förderung sowie zum Kauf favorisierter Positionen eingeladen fühlen wie auch alle anderen, die Interesse haben und Neugier mitbringen. ARTMAPP: Welche Synergieeffekte versprechen Sie sich von der „Berlin Art Week“? KJ: Die „Berlin Art Week“ wurde gegründet, um Berlin als Kunststandort zu stärken, ein klares Image und eine starke Gesamtpräsenz für die Berliner Kunstszene zu entwickeln. Als Dachmarke soll sie das zusammenfassen, was Berlins Kunstlandschaft ausmacht – nämlich eine Vielzahl von ­Formaten und Akteuren. Wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht und alle sich gegenseitig im Weg stehen würden, wäre Berlin um viele Besucher ärmer. ARTMAPP: Allgemein gehen die Besucherzahlen von Kunstmessen zurück. Im besten Fall stagnieren sie. Welche Faktoren spielen da Ihrer Meinung nach eine Rolle? Wie versuchen Sie, diesen Trend aufzuhalten? KJ: Ein großer Faktor ist vermutlich eine allgemeine Überforderung: Das Gefühl, immer weniger Zeit und immer mehr Möglichkeiten zu haben, führt dazu, dass Galerien immer ­weniger Besucher verzeichnen und größere Plattformen mit Eventcharakter für die Sichtbarkeit wichtiger werden. Dadurch entstehen auch immer mehr Kunstmessen, die um Aufmerksamkeit buhlen. Eine Zeit lang mag das funktionieren und mitunter auch mal alles übertönen, aber letztendlich kommt es doch immer wieder auf die Qualität an. Die der Kunstwerke, die der Präsentation und die der Vermittlung – nicht nur von Kunst, sondern auch von den Menschen, die mit ihr arbeiten und jenen, die sich für sie interessieren. Bisher läuft das für uns gut: Wir können nicht über sinkende Besucherzahlen klagen ... ARTMAPP: Kristian Jarmuschek, vielen Dank für das Gespräch! 1 4 . b i s 1 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7

ARTMAPP: Wie würden Sie den Anspruch der POSITIONS beschreiben?

P O S I T I O N S B E R L I N A r t F a i r, A r e n a B e r l i n www. posit ions. de


Lars Theuerkauff „Serie Orange“ / 2016 / Acryl auf Leinwand / 68 x 54 cm

G A L E R I E TA M M E N S O M M E R P R O G R A M M

Marion Eichmann „Laundromat“ / 2017 / Papierschnitt- Installation

D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14

Tel: +49 (0)30 225 027 910

Fax: +49 (0)30 225 027 911

info @ galerie-tammen-partner.de

www.galerie-tammen-partner.de


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Leiko Ikemura, „Memento mori“, 2013, Patinierte Bronze, ca. 38 x 135 x 38 cm © VG Bild- Kunst, Bonn 2017

Ahrenshoop, Mülheim an der Ruhr, Jena

Nolde-Sommer K U NS T M USEU M A H R E NSHOOP bis 8 . Ok tober 2017

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A U S S T E L L U N G E N

„ I k e m u ra u n d N o l d e“

Er war fasziniert von der Farbe, ließ sie in seinen Gemälden und Aquarellen leuchtend explodieren und suchte in der Reduktion der Motive das Wesentliche. Unbestritten ist Emil Nolde (1867–1956) einer der populärsten – obwohl politisch zugleich einer der umstrittensten – deutschen Expressionisten des 20. Jahrhunderts. Die Nationalsozialisten verfemten seine Kunst, er selber verehrte ihre Gesinnung, tauchte ab und malte seine „ungemalten Bilder“. Anlässlich seines 150. Geburtstages haben sich 2017 acht Museen in Norddeutschland und Dänemark zusammengetan und würdigen in verschiedenen Ausstellungen die Vielfalt und Breite seines Schaffens. Noldes Wirkungskreis freilich beschränkte sich nicht nur auf den Norden. Eine wichtige Etappe auf seinem Weg führte ihn beispielsweise auch nach Jena, wo er früh schon an zahllosen Ausstellungen teilnahm. Sein Geburtstag wird also auch andernorts gefeiert. Katja Behrens empfiehlt für ARTMAPP im Nolde-Sommer drei ganz besondere Ausstellungen:

Das Kunstmuseum Ahrenshoop bringt Werke des Ex­ pressionisten Emil Nolde mit Arbeiten der Künstlerin Leiko Ikemura (* 1951) in einen Dialog. Ein wundersames ­Zwie­g espräch entspinnt sich zwischen den beiden so verschiedenen Positionen. Ikemura etwa hat mehrfarbige Zeichnungen gemalt – mit verbundenen Augen. Seltsam stimmig sind nicht allein jede der Einzelfiguren, sondern ihre gesamten Figurationen. Überlagerungen und Überschneidungen mögen auf das blind Komponierte hinweisen, im Ganzen betrachtet aber haben derartige bildnerische Strategien und Störungen einen eigenen ästhetischen Wert. Ihre Wirkung ähnelt derjenigen mancher Nolde-­ Aquarelle, die der Künstler ebenfalls nicht absichtsvoll und methodisch schuf, sondern deren jeweilige Ergebnisse in ­ihrer Stimmigkeit nicht zuletzt ihn selbst überrascht haben mögen. Auch Ikemuras großformatige Gemälde, Landschaftsdarstellungen, Blumen- und Horizontbilder lassen den taumelnden Pinselstrich einer nicht kalkulierten Malerei ­erkennen. Beunruhigend verschwimmen die Formen, figurieren sich neu, konzentrieren sich in undurchdringlicher Schwärze. Vergleichbares geschieht auch in den Bildern Noldes: Formen nehmen Gestalt an, nur um sich im nächsten Augenblick wieder aufzulösen, menschliche Figuren und ­G esichter werden zu wilden Fratzen, zerbersten in einem ­Farbenmeer, kochen, entladen ihre Energie. Der leise Dialog der beiden Künstler gerät mitunter zur lauten Diskussion.


143 Die Terrakotta-Plastiken Ikemuras erscheinen auf den ersten Blick recht ruhig: menschliche Büsten, Köpfe, friedfertige Wesen. Ganzfiguren leuchten dick glasiert, strahlen in heller Farbigkeit und erst auf den zweiten Blick gewahrt der Betrachter ihre Unstimmigkeiten und Mutationen. Mit einem Mal werden die menschlichen Gesichter zu Tierschnauzen, die Arme oder Beine zu Pfoten, die Körper zu Gefäßen. Gestalten figurieren sich, um sich einen Moment später wieder zu verwandeln. Auch diese freundlich-subversiven Werke der Künstlerin Leiko Ikemura haben in der Konfrontation mit den Werken Emil Noldes keinen Grund, kleinlaut zu sein. www. k un st mu se um- ahre n shoop. de We i t e r e I n f o r m a t i o n e n z u d e n a n d e r e n A u s s t e l l u n g e n i m N o rd e n f i n d e n s i c h h i e r : w w w . n o l d e - i m - n o rd e n . d e

K U NS T M USEU M M Ü L HE I M A N DE R RU HR b i s 7. J a n u a r 2 0 1 8 „ E m i l N o l d e z u m 1 5 0 . G e b u r t s t a g – S a m m l u n g Z i e g l e r“

Das Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr ist nicht Teil des norddeutschen Nolde-Sommers, dennoch gratuliert es dem Künstler in einer kleinen feinen Studioausstellung. Mit der Sammlung Ziegler nämlich verfügt das Haus über einen beachtlichen Bestand an Aquarellen, Gemälden und Grafiken Noldes. Der 150. Geburtstag ist nun willkommener Anlass, wieder einmal an dessen Kunst zu erinnern, an die „Triebkräfte der Natur“, die Nolde im intuitiven Malprozess erkunden wollte, an die „absolute Ursprünglichkeit“, die er in seinen Motiven suchte, den „Ausdruck von Kraft und Leben in aller­ einfachster Form“, den er in seinen Bildern fand.

am Beginn des 20. Jahrhunderts nicht wegzudenken. Nicht nur beriet er Hochschule und Stadt beim Ankauf von Kunstwerken, er war selber mit den jungen avantgardistischen Künstlern befreundet. Er förderte sie durch Ausstellungen und Publikationen, schrieb Artikel, hielt Vorträge und hatte auch keine Scheu vor umstrittenen Positionen ... Und, be­ sonders wichtig, er brachte die Künstler zusammen. Zum 100. Todestag von Botho Graef erinnert eine Ausstellung in den Städtischen Museen in Jena nun an das Wirken des ­g roßen Anregers. Hier treffen sie sich alle wieder: die expressionistischen Künstler der Künstlervereinigung „Die Brücke“, Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff oder Fritz Bleyl, Emil Nolde und manch andere. Als die „Brücke“-Künstler den älteren Kollegen Emil Nolde bei einer von Graef initiierten Gruppenausstellung kennenlernten, waren sie sogleich begeistert von den „Farbstürmen“ ihres Kollegen. 1905 boten sie ihm, dem bald eine Generation Älteren, die Mitgliedschaft an, suchten den künstlerischen Austausch, und Nolde, der störrische Einzelgänger, offenbar auch. Bis zum Herbst 1907 blieb er der Künstlervereinigung verbunden, von ihnen ließ er sich zum Holzschnitt anregen, mit ihnen teilte er die Liebe zu van Gogh. Irgendwann aber behagten Nolde der Gemeinschaftsgeist der „Brücke“ und das Boheme-Leben nicht mehr, außerdem ­hatten sich Schmidt-Rottluff und Heckel in seine Frau Ada verguckt. So verabschiedete er sich und sollte fortan wieder ­a llein malen. Botho Graef aber blieb Teil seines Lebens und Arbeitens. Insgesamt hatte Nolde 14 Ausstellungen in Jena, wahrlich ein Rekord. www. k un st sammlung. je na . de

w w w . m u e l h e i m - r u h r. d e

K U NST SA M MLU NG J E NA 3. September bis 19. November 2017 „ K i r c h n e r, N o l d e , H e c k e l u n d a n d e r e E x p r e s s i o n i s t e n . Z u m 1 0 0 . To d e s t a g v o n B o t h o G ra e f “

Als Kunsthistoriker und klassischer Archäologe, als Univer­ sitätsprofessor und kritischer Berater des 1903 gegründeten Jenaer Kunstvereins spielte Botho Graef (1857–1917) eine ­z entrale Rolle bei der Entdeckung und Etablierung des ­E xpressionismus in Deutschland. Als Kunstmäzen und ­Mentor, als Kunstsachverständiger und Mitglied der Baukommission für die neue Universität sowie andere kulturelle Einrichtungen ist er aus dem Kultur- und Geistesleben Jenas Emil Nolde, Abendsonne an der Küste, 1946/47, Aquarell auf Japanpapier, 22,8 x 26,9 cm, Stiftung Sammlung Ziegler im Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr © Nolde Stiftung, Seebüll


www.kunstsammlung.jena.de

KUNSTSAMMLUNG JENA

Karl Schmidt-Rottluff, Vorfrühling, 1911, Museum Ostwall im Dortmunder U, Dortmund, VG Bild-Kunst, Bonn 2017

ES GIBT NUR EIN PROGRAMM: FREIHEIT!

Kirchner, Nolde, Heckel, Schmidt-Rottluff, Amiet und Hodler Zum 100. Todestag von Botho Graef Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafik

3. September – 19. November 2017

WOLFGANG MATTHEUER

ROGER BALLEN BALLENESQUE – A RETROSPECTIVE

Zum 90. Geburtstag

Trotz alledem!, 1981

SAMMLUNG PETER MATHAR ZEICHNUNGEN 13. MAI – 13. AUGUST 2017

KUNSTSAMMLUNG. Städtische Museen Jena. JenaKultur

Altercation, 2012, Serie „Asylum of the Birds“ Courtesy Galerie Karsten Greve Köln, Paris, St. Moritz

FOTOGRAFIEN UND VIDEOS 6. MAI – 13. AUGUST 2017


Wellnesshotel MEERLUST Genießen mit allen Sinnen

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146 Wit tenberg, Berlin und Kassel

Luther und die Avantgarde Anlässlich des 500. R efor mat ionsjubiläums sind 70 Künstler geladen, sich zu Luthe r und se ine n Idee n zu posit ionie re n .

2017 trifft das Reformationsjubiläum aufs Super-Kunst-Jahr, das viele Besucher ins Alte Gefängnis nach Wittenberg lockt. Das Künstlerduo Gilbert & George bespielt die St.-Mat­t häusKirche in Berlin mit poppigen Bildern zu religiösen und sozialen Konflikten, Fundamentalismus, Terrorgefahr und dem urba­nen Nebeneinander westlicher und muslimischer Werte. Weniger schrill hingegen die Kasseler Karlskirche, die sich quasi nahtlos in den „documenta“-Rundgang einfügt: Schon von Weitem sieht man den von Thomas Kilpper realisierten Entwurf eines Leuchtturms für Lampe­dusa. Im Inneren, auf der Orgelempore, sind Ausweise, Plastikflaschen, Fotos ausgestellt, die Menschen auf dem Weg ins Ungewisse im Wasser verloren haben – eine ergrei­f ende Sammlung, ­i nsbesondere im Zusammenspiel mit den Tausenden von

Mikrofonen, die die indische Künstlerin Shilpa Gupta gleich einem Bienenschwarm an der Decke i­ ns­t allierte. Undeutlich flüstern sie durcheinander – das Schicksal des Einzelnen verschwindet in der Masse. In Wittenberg kann sich die Künstlerliste ohne Frage sehen lassen. Von Ai Weiwei und Christian Boltanski über Ilya Kabakov und Christian Jankowski bis hin zu Julian ­Rosefeldt und Er­w in Wurm. Insgesamt 70 Künstler waren eingeladen, sich mit eige­nen Arbeiten zu Luther zu positionieren und – so hieß es in der Ankündigung – auf die drängenden Fragen von heute zu ant­worten. Der Besuch lohnt sich, schon allein aufgrund des ­außergewöhnlichen Ausstellungsortes: Ein ehemaliges ­G ef ängnis in der Lutherstadt sorgt nicht etwa für ein

Jonathan Meese inmitten seiner Arbeit, ERZTARZAN‘S ZELLE, DIE 95 KUNSTTHESEN DES TEUFELS (BABIES) AL ASK A KIDADDY MACHT DAS RENNEN „K.U.N.S.T.“ (M.E.E.S.E. IST JOHNNY SINCL AIR), 2017, Mischtechnik, Foto: Daniel Biskup, © VG Bild- Kunst, Bonn 2017


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Für die Ausstellung „Luther & die Avantgarde“ ent wickelte der Konzeptkünstler Mischa Kuball eine neue sich überlagernde Textcollage im Gefängnis Wittenberg. © VG Bild- Kunst, Bonn 2017 „Nach 500 Jahren zählt nicht die Konsensfähigkeit von Martin Luther, sondern seine Streitbarkeit – in der Methodik wählte er den Weg in die Öffentlichkeit – der öffentliche Luther ist der Katalysator für eine veränderbare Gesellschaft, deshalb interessiere ich mich für die Weiterent wicklung dieses öffentlichen Diskurses.“ Mischa Kuball

beklem­mendes Gefühl während des Rundgangs, nein, die ­eigens für die Ausstellung hergerichteten Räume ermög­ lichen im Vergleich zum gängigen musealen Display eine besondere Rezeption: Jeder Künstler bespielt eine eigene ­Z elle und so gestaltet sich der Parcours durch die Zellen- Gänge abwechslungsreich und er möglicht volle ­Konzentration auf die jeweilige Einzelposition. Derartige Themenausstellun­gen sind stets geprägt von der unterschiedlichen Herangehensweise der geladenen Künstler – Kenner werden ihren Spaß daran haben, anhand der Werke und ihrer formalen Ausführung die nam­h aften Schöpfer zu erraten. Ein ausführlicher Audioguide und Kurztexte führen in die Werke ein. Bezüge zu Luther sind in den Werken mal deutlich, mal eher mit Fantasie zu erken­nen. „Martin Luther beeindruckt mich sehr, besonders sein Beitrag zur Sprache. Der freie Ausdruck eines jeden Indivi­duums ist überaus wichtig für die menschliche Entwicklung“, formuliert etwa Ai Weiwei. So, wie Luther den Buchdruck für die Verbreitung seiner Ideen nutzte, so bedient sich Ai Weiwei heute der sozialen Medien. In Wittenberg thematisiert er ­seine eigene Erfahrung des Eingesperrtseins: 2011 war er am Flug­hafen in Peking verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. 81 Tage musste er in einer videoüber­ wachten Zelle verbringen, ohne Kontakt zu seinem Anwalt und seiner Familie. Vorgeworfen wurde ihm ein Steuervergehen. In Wittenberg steht nun ein Betonblock, in den sein

Körper hineingegossen ist – ein Selbstporträt, das einerseits Isolation, aber auch die Freiheit des Geistes zementiert. Auch Luther verbrachte mehrere Jahre in einem vergleichbaren ­Set­t ing – als Mönch in einer Klosterzelle. Unbequem, ehrlich, grenzüberschreitend, das war Martin Luther (1483–1546). Er heiratete eine Nonne, hinterfragte gewachsene Strukturen und Autoritäten, trat für Gewissensfreiheit ein – auch gegenüber dem Papst. Seiner Zeit voraus ebnete er der Individualisierung den Weg, seine Forde­ rung nach einer grundlegenden Reform der Kirche führte zu ihrer Spaltung, seine Übersetzung der Bibel trug wesentlich zur Alphabetisierung bei. Jonathan Meese füllte seine Zelle in überquellender Meese-Manier und spricht im präsentierten Video über 95 Kunstthesen des Teufels. Christian Jankowski, im vergange­ nen Jahr Künstler-Kurator der europäischen Kunstbiennale „Manifesta“ in Zürich, zeigt im Gefängniskeller seine bereits 2011 entstandene Arbeit „Casting Jesus“, in der eine Jury den perfekten Gottessohn sucht – zur Erheiterung der Kunstzu­ schauer. 13 Schauspieler brechen Brot, tragen das Kreuz und üben sich darin, Wunder zu vollbringen. „‚Casting Jesus‘ nutzt die Sprache des TV-Castingshow-Formats und befragt gleichzeitig das mediale Spektakel, die westliche Bildikonografie sowie das eingeimpfte und selbst konstruierte Glaubensbekenntnis einer jeden ‚Rezipientenseele‘“, erklärt Jankowski im ausführlichen Audioguide.

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Foto: Daniel Biskup


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Gilbert & George zur Eröffnung GILBERT & GEORGE­ „SCAPEGOATING“, St. Matthäus- Kirche, Berlin, Foto: Daniel Biskup


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Ernster wird es in der Neuproduktion von Assaf G ­ ruber: Das fiktionale Porträt erzählt vom Schicksal eines Pfarrerssohns, der in der DDR nicht zum Kunststudium ­zu­gelassen wurde – unter anderem aufgrund seines Glaubens. Ein Schicksal, in dem sich einige Besucher wiedererkennen werden. Klug ­verzichtet der Film auf einen anklagenden Ges­t us und dramatische Szenen, dagegen betont er gerade durch die stille Beobachtung des Protagonisten, wie prägend auch Unerfülltes für die eigene Identität sein kann. Und dann ist da Olaf Metzel, dessen schier endlose ­Spiralkonstruktion aus überdimensionalen Zeitungsseiten auf den derzeitigen Luther-Hype referiert – dessen Play­mobilVersion steht auch hier im Ausstellungsshop. Lässt sich der Umgang mit Jubiläen als ein Zeitmoment abhandeln und ­d amit festhalten – in diesem Fall bei „Luther und die Refor­ mation“ als ein Umrunden der Jetztzeit im Treppenhaus eines ehemaligen Gefängnisses in Wittenberg? – So hinterfragt Metzel das Ausstellungskonzept direkt im Ohr der Besucher. Auch jenseits der Gefängnismauern geht die Aus­ stellung wei­ter: Vor dem Tor liegt ein poolgroßes Feld aus schwarzen, weißen und grauen Quadraten – aus der Luft ­ergibt es das Ge­sicht von Edward Snowden. Die niedrige Auflösung der Vorlage erschwert das Lesen des großformatigen Mosaiks und auch der Titel „0,000672 Megapixel“ verrät nur die digitale Bildauflösung. Der analoge Nachbau des digitalen Fotos ist nun via Satelliten vom Weltall aus sichtbar und durch Geoin­formationsprogramme wie Google Earth ortbar. Ein Beitrag von Achim Mohné, der noch einmal deutlich macht, dass in dieser Themenausstellung nicht die historische Person Luther, sondern seine Ideen im Vordergrund stehen – er hat Macht­strukturen hinterfragt, Missstände aufgezeigt und ­R eformen angestoßen, die in alle Gesellschaftsbereiche ­gewirkt haben.

b i s 1 7. S e p t e m b e r 2 0 1 7 „ L u t h e r u n d d i e A v a n t g a rd e“ Zeitgenössische Kunst in Wit tenberg, B erlin und Ka ssel Altes Gefäng nis, Lutherstadt Wit tenberg, St . Mat thäu s-Kirche, Mat thäik irchplat z , B e rlin, K arl sk irche, K arl splat z , K a ssel w w w . l u t h e r- a v a n t g a rd e . d e

SARAH ALBERTI

Walter Smerling initiierte die Ausstellung als Vorstands­ vorsitzender der Stiftung für Kunst und Kultur e. V., kuratiert wurde sie von einem internationalen Team: Neben Smerling ­stellten Kay Heymer von der Stiftung Museum Kunstpalast in Düsseldorf, Susanne Kleine von der Bonner Bundeskunsthalle, Dimitri Ozerkov von der Staatlichen Eremitage in St. Petersburg, Peter Weibel, Direktor des ZKM – Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe, und die Kunst­ historikerin Dan Xu die Künstlerliste zusammen. Realisiert wurde das außergewöhnliche und aufwendige Projekt in Kooperation mit dem Reformationsjubiläum 2017 e. V.

Thomas Kilpper, „Ein Leuchtturm für Lampedusa!“, 2008 –2017, Stahl, Kunststoff ehemaliger Flüchtlingsboote und Licht, ca. 600 x 550 x 500 cm, Courtesy: der Künster und Galerie Nagel Draxler, Köln/Berlin, und Patrick Heide Contemporar y, London, Foto: medio.t v / schauderna © VG Bild- Kunst, Bonn 2017


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20.03.2009

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Ausstellungen im Schloß Schreibersches Haus C.D. Rauch-Geburtshaus Kaulbach-Haus

Christian Daniel

Rauch

Museum

Bad Arolsen

www.museum-bad-arolsen.de

STAHLWELTEN mit Herbert Mehler und Thomas Röthel

40 große Plastiken an verschiedenen Plätzen in der historischen Altstadt Ansbachs

Ansbacher Skulpturenmeile 8. Juli bis 8. Oktober 2017

GANZ KONKRET – 30 JAHRE GALERIE KLAUS BRAUN ab 23.09. mit Waldo Balart, Ivo Ringe, Diet Sayler und Richard Schur ab 03.11. Alan Ebnother und Joseph Marioni Charlottenstr. 14, 5. OG, 70182 Stuttgart www.galerie-klaus-braun.de

Amt für Kultur und Tourismus Joh.-Seb.-Bach-Platz 1 • 91522 Ansbach Tel. 0981/ 51243 • www.ansbach.de


151 Die Sammlung Alison und Peter W. Klein

Aus Lust am Erlebnis Kunst

Alison und Peter W. Klein,

Seit knapp 30 Jahren sammelt das Unternehmerehepaar Peter W. und Alison Klein leidenschaftlich zeitgenössische Kunst. Unter den derzeit nahezu 2.100 Positionen finden sich gleichermaßen Arbeiten von weltberühmten Avantgardegrößen, wie Werke von weniger etablierten sowie von jungen Künstlern. Im Vordergrund ihrer Sammeltätigkeit steht für die Kleins die Lust am Erlebnis Kunst, der spontane sinnliche ­Zugang zum Bild, wie auch eine Faszination am Wesen des Künstlers. Unabhängig von Trends oder von Namen wird gekauft, was die beiden anspricht: Arbeiten, die eine Botschaft vermitteln. So ist das offensichtliche Programm der Sammlung Klein die Vielfalt: Anselm Kiefer trifft auf Gottfried Helnwein, die Fotografin Rosemary Laing trifft auf Günther Uecker. Die Malerin Karin Kneffel steht gegenüber aktueller Kollektivkunst der Aborigines. In Eberdingen-Nussdorf ist die globale Kunstwelt versammelt. Neben Werken aus Aus­ tralien und Asien, stellen europäische und amerikanische

Positionen einen Schwerpunkt dar. Dabei folgt die Sammel­ tätigkeit in der jüngeren Zeit zunehmend monografischen Aspekten. Angefangen hat alles Ende der 1980er-Jahre, als Peter W. Klein in Pforzheim den Maler Wolfgang Kappis traf. Mehr noch als vom damals gekauften Bild war der erfolgreiche ­Unternehmer Klein von der Lebensweise des Künstlers beeindruckt, von dieser ganz speziellen Sicht auf die Welt und der daraus resultierenden unbekümmert freien Praxis. Der Vorstandsvorsitzende und Inhaber der Rectus AG fasste also denn Entschluss, gemeinsam mit seiner Frau Alison in diese Szene einzutauchen. Aus beruf lichen Reisen wurden all­ mählich Reisen der Kunst wegen. Die anfangs noch in Firmengebäude der Rectus AG, ein Hersteller von Schnell­ verschluss-Kupplungen, ausgestellten Werke, verlangten nach mehr Raum und vor allem nach einem größeren Pub­ likum. Seit Oktober 2007 zeigt das Sammlerpaar im vom

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Foto: Jochen Detscher


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Sean Scully, „Oisin Sea Green“, 2016, Öl auf Aluminium, 215,9 x 190,5 cm, Foto: Christoph Knoch, © Sean Scully

Pforzheimer Architekten Folker Rockel entworfenen Museum KUNSTWERK auf rund 1.000 m 2 Fläche Werke aus ihrer Sammlung. Die etwa halbjährlich wechselnden Ausstellungen firmieren jeweils unter dem sympathisch pragmatischen Titel Hängung. Zum zehnjährigen Jubiläum des KUNSTWERKs ist nun ab dem 25. Juni Hängung #17 „beide/both“ zu sehen, die sich exklusiv den Werken des irischen Malers Sean S ­ cully und jenen seiner schweizerischen Ehefrau, der ­M alerin Liliane ­Tomasko widmet. Sammlerpaar zeigt Künstlerpaar. Sean Scullys in Malschichten verdichteten und aus schwingenden Bildgefügen aus Farbfeldern und Farb­blöcken komponierten Gemälde treffen auf Tomaskos Arbeiten, die mit gestischen Zügen bildräumliche Gewebe aus grafischen und malerischen Elementen bilden. Beide Künstler sind seit Jahren in den ­g roßen Museen weltweit vertreten und haben

Einzelausstellungen auf allen Kontinenten, doch bisher meist unabhängig voneinander. Erst seit kurzer Zeit stellen sie ihre Werke gemeinsam aus. Die Doppelausstellung „beide/both“ lässt nun die in ihren gemeinsamen Studios parallel zuein­ ander verlaufende künstlerische Arbeit des Paars öf­fentlich nachvollziehen. Dieses unmittelbare Mit- und Neben­ einander im kreativen Prozess zweier, jeweils mit ­einem kraftvollem individuellen Duktus befähigten Künstler auszustellen, hat erst die freundschaftliche Verbundenheit des Sammlerpaars mit dem Künstlerpaar ermöglicht. Gemälde und Pastellarbeiten von Sean Scully sind auch in der zweiten Veranstaltung zum zehnjährigen Jubiläum zu sehen. Unter dem entzückenden Titel „Über den Umgang mit Menschen, wenn Zuneigung im Spiel ist. Sammlung Klein“ zeigt das Kunstmuseum Stuttgart ab 15. Juli einen Ausschnitt der Kollektion. Direktorin Ulrike Groos hat gemeinsam mit


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Liliane Tomasko, „The Great Unfolding“, 2016, Öl und Acr yl auf Leinwand, 193 x 178 cm, Foto: Eric Tschernow, © Liliane Tomasko

HANSJÖRG FRÖHLICH

bis 2 2 . Dezember 2017 „beide | both – S e a n S c u l l y u n d L i l i a n e To m a s k o“ K U N S T W E R K – S a m m l u n g A l i s o n u n d P e t e r W. K l e i n , E b e rd i n g e n - N u s s d o r f
 www. sammlung-klein. de 15 . Juli bis 5 . November 2017 „Über den Umgang mit Menschen, w e n n Z u n e i g u n g i m S p i e l i s t . S a m m l u n g K l e i n“ Kunst museum Stuttgar t www. k unst museum-st ut tgar t. de

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dem Berliner Galeristen Klaus Gerrit Friese aus den fast 900 Künstlerpersonen der Nussdorfer Sammlung 27 ausgewählt: zeitgenössische Grafiken und Zeichnungen sowie Foto­grafien und Gemälde, die geeignet sind, das Interesse und die Leidenschaft des Sammlerpaars widerzuspiegeln und die ­Poesie zu vermitteln, die in diesem Lebenswerk steckt. Entsprechend poetisch ist der Titel der Stuttgarter Ausstellung. Er stammt vom aktuellen Neuzugang der Sammlung Klein, Anna Oppermanns raumgreifende Bildinstallation „En­ semble mit Dekor“. Dieses Ensemble bringt recht genau auf den Punkt was eine über Jahrzehnte aufgebaute Kollektion aus der Sicht des Sammlers ist: ein Arrangement aus Wahrnehmungen und Reflexionen von Ereignissen, Geschichten, Emotionen, Theorien und Momenten.


Leidenschaft Passion

(1883 –1959)

Architekt einer sozialen Moderne

22/07–22/10/2017 Arthur Köster: Siedlung Siemensstadt, Wohnzeile Südfassade, 1930 (Verwendung in einer Collage) © VG Bild-Kunst, Bonn 2017 / ullstein bild, Alexander Bengsch / Collage: © 2017 Thomas Hahn, www.polynox.de, Darmstadt

im fokus: Pierre soulages 19.02.2017 – 21.01.2018

Städtische Galerie Karlsruhe Lorenzstraße 27 76135 Karlsruhe www.staedtische-galerie.de

Öffnungszeiten : Mi – Fr 13 – 17 Uhr : Sa – So 11 – 17 Uhr

Museumsweg 1 : 78166 Donaueschingen : museum-art-plus.com

Julius EchtEr DEr umstrittEnE FürstbischoF

Eine Ausstellung nach 400 Jahren 23. 6. – 17. 9. 2017 Museum am Dom

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 10.00 – 17.00 Uhr Donnerstag 10.00 – 20.00 Uhr Museum am Dom Kiliansplatz 1 - 97070 Würzburg www.museum-am-dom.de www.echter2017.de

Pierre Soulages I Foto: Bouchon/figarophoto/laif © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Otto Bartning


155 Die Galerie Klaus Braun in Stut tgar t feier t 30 - jähriges Bestehen

„Ganz Konkret“ Ivo Ringe, „SCARLET FIELD“, 2016, 110 x 90 cm, Acr yl auf Leinwand, in der Ausstellung ab 23. September 2017,

Im Herbst feiert die Stuttgarter Galerie Klaus Braun ihr 30-jähriges Bestehen. Wie kaum ein anderer Galerist im Südwesten der Republik verfolgt Klaus Braun ein konsequent auf eine spezifische Erscheinungsform der bildenden Kunst ­fokussiertes Programm: Von wenigen Ausnahmen abgesehen vertritt Braun Positionen, die der Farbmalerei oder der kon­ struktiv-konkreten Malerei zugeordnet werden. Zu seinem Metier kam der studierte Architekt, als er mit 22 Jahren eine Künstlerin kennenlernte. 1982 organisierte er dann mit befreundeten Künstlern seine erste Ausstellung im Stuttgarter Bohnenviertel. Fünf Jahre später folgte der professionelle Betrieb. Im Portfolio seiner Galerie findet sich zeitgenössische gegenstandsfreie Kunst von vorwiegend internationalen Künstlern, die am Tafelbild im weitesten Sinne festhalten. Zum 30. Jubiläum wird es gleich zwei Ausstellungen geben. Den Anfang machen ab 23. September vier konstruk­ tive Maler: Der in Kuba geborene Waldo Balart studierte in den frühen 1960er-Jahren am MoMA in New York. Neben ­seinen meist als Serien angelegten Gemälden ist er für be­ deutende kunsttheoretische Beiträge und Essays bekannt. Heute lebt und arbeitet er in Madrid. Seit 2016 wieder sehr ­aktiv und deutschlandweit gleich in mehreren Ausstellungen vertreten ist der Beuys-Schüler Ivo Ringe. Der für seinen poetischen Umgang mit subjektiver Geometrie bekannte Diet Sayler v ­ erbindet in seinen Werken mathematische Ge­ nauigkeit mit dem Zufall. Zuletzt waren sie in Stuttgart im Kunstmuseum in der Ausstellung „[un]erwartet. Die Kunst des Zufalls“ zu sehen. Die Arbeiten des Münchners Richard Schur zeichnen sich durch kleinteilige, komplex angeordnete rechteckige Farbfelder aus. In den USA ist er bereits einem größeren Kunstpublikum bekannt, hierzulande ist er noch zu entdecken.

„Es gibt nichts zu malen, außer die Farbe selbst“ – so lautet ein Zitat des Kaliforniers Alan Ebnother. Bis vor einigen Jahren arbeitete er ausschließlich in Grün. Seine aktuelle, nun mehrfarbig aufgebaute minimalistische Malerei lebt von einer mit dem Pinsel gespachtelten Struktur. Im zweiten Teil der ­Jubiläumsschau ab 3. November werden seine Bilder zu sehen sein. Gemeinsam mit den meditativ wirkenden Werken des New Yorker Künstlers Joseph Marioni. Seine in mehreren Schichten lasierten Leinwände sind nur scheinbar mono­ chrom – je nach Lichteinfall und Betrachtungswinkel geben sie ihre Mehrfarbigkeit preis. HANSJÖRG FRÖHLICH

ab 23. September und ab 3. November 2017 „ G a n z K o n k r e t – 3 0 J a h r e G a l e r i e K l a u s B ra u n“ w w w . g a l e r i e - k l a u s - b ra u n . d e

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Foto: © Ringe/Weible


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Eine Weltkulturerbe - Region, eine Kunstmeile, drei Museen

Kunsthalle Krems

Kunsthalle Krems, Außenansicht, Architekt: Adolf Krischanitz, Foto: Christian Redtenbacher

D i e K u n s t h a l l e K r e m s a n d e r D o n a u i n d e r Wa c h a u , e i n e r d e r s c h ö n s t e n K u l t u r l a n d s c h a f t e n E u ro p a s , l ä d t z u r W i e d e r e rö f f n u n g e i n !

Bald sind es sogar vier Museen! Die Landesgalerie Nieder­österreich, gleich ­gegenüber der Kunsthalle Krems, soll im Sommer 2018 eröffnet werden. Der viergeschossige Museums­bau von marte.marte architekten wird im Unter­geschoss mit der Kunsthalle Krems verbunden sein und die umfassende Kunstsammlung des Landes Niederösterreich präsentieren. Direkt auf der Baustelle wurde ein mittelalterlicher ­Hafenbereich entdeckt. Hermann Fuchsberger vom Bundesdenkmalamt jubelt: „Es handelt sich um einen der wichtigsten archäologischen Funde der letzten Jahre in Österreich.“ Umfassend saniert ist die Kunsthalle Krems bereits ab 2. Juli 2017 w ­ ieder für Besucher geöffnet. Aber nicht nur das Haus ist frisch renoviert – auch der künstlerische Leiter ist neu. Eva Habison bat Florian Steininger für ARTMAPP zum Interview.


Florian Steininger, Künstlerischer Direktor der Kunsthalle Krems, Foto: Lukas Beck, © Kunstmeile Krems

ARTMAPP: Florian Steininger, Sie sind ab Juli 2017 der neue künstlerische Leiter der Kunsthalle Krems. Wieso haben Sie sich beworben? Florian Steininger: Die Kunsthalle Krems ist für mich eines der herausragenden Häuser für internationale zeitgenössische Kunst mit einer wunderbaren Architektur, in einer der schönsten Regionen Österreichs gelegen. Solch eine Institu­t ion künstlerisch zu leiten, ist ­immer schon ein Traum von mir gewesen, den ich nun umsetzen darf. ARTMAPP: Unter Ihrer Leitung wird die Kunsthalle Krems künftig mit arri­ vierten und aktuellen, jungen Positionen verstärkt auf eine interdisziplinäre, progressive und internationale Ausrichtung setzen. Was machen Sie dabei anders als Ihre Vorgänger? FS: Jede künstlerische Leitung hat eine spezifische Handschrift. So gab es in der Geschichte der Kunsthalle seit Mitte der 1990er-Jahre unterschiedliche Profile. Mal avantgardistischer mit dem Jetzt verbunden, mal klassischer. Ich sehe die Kunsthalle als einen Ort für aktuelle Kunst, und das mit anspruchsvollem internationalem Format. Mir geht es um einen leben­ digen und sinnlichen Erfahrungsraum der Kunst und nicht um einen elitären Tempel. So wird sicherlich die große Malerei-Eröffnungsausstellung „Abstract ­P ainting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully …“ ein Fest für die Sinne sein.

FS: Tobias Pils ist ein echter Shootingstar der aktuellen Malereiszene, er stellt in New York, Zürich, Köln aus, wird von Top-Galerien vertreten. Ich verfolge sein Werk seit Jahren und war immer schon ein großer Anhänger seiner M ­ alerei und Zeichnung. Er wird eigens für die Kunsthalle Krems eine malerische Installation in der zentralen Halle gestalten. Sébastien de Ganay wird die Dominikanerkirche in Krems bespielen, ein neuer, zusätzlicher Ausstellungsort unseres Hauses. Mir war es wichtig, hier eine Position zu zeigen, die sich intensiv mit der räumlichen Situation auseinandersetzt und darauf reagiert. Mir reichte es nicht, ­einfach vorhandene Werke in den ehemaligen Kirchenraum zu hängen. De Ganay wird uns dabei überraschen. ARTMAPP: Florian Steininger – vielen Dank für das Gespräch! Fazit: Die Kunstmeile Krems bleibt spannend! Auch das Karikaturmuseum Krems – übrigens Österreichs einziges Museum seiner Art – und das Forum Frohner zeigen auf.

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ARTMAPP: Warum haben Sie Tobias Pils ausgewählt? Warum Sébastien de Ganay?


2. Juli bis 30. September 2017 1200–2565 m ü. M.

ARTE ALBIGNA

Judith Albert Remo Albert Alig Evelina Cajacob Bob Gramsma Haus am Gern Isabelle Krieg Manfred Alois Mayr Yves Mettler Reto Rigassi Pipilotti Rist Roman Signer J ules Spinatsch Jürg Stäuble arte-albigna.ch


Neu entdeckt: z wei sehenswer te Ausstellungen in Aarau und Genf

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T R ÄU M E VO N DA M E N S T R Ü M P F E N U N D ROSA RO T E N SCH W E I N E N Da s A argaue r Kun sthau s z e ig t mit „ Swi ss Pop A r t“ die e rste umfa sse nde ­M u s e u m s a u s s t e l l u n g z u r P o p - A r t a u s S c h w e i z e r A t e l i e r s . D i e A u s s t e l l u n g ­v e r m i t t e l t e i n g ro ß a r t i g e s B i l d d e r t h e m a t i s c h e n B a n d b r e i t e d i e s e r ­K u n s t r i c h t u n g u n d p rä s e n t i e r t e i n i g e f a s z i n i e r e n d e W i e d e r e n t d e c k u n g e n .

Barbara Davatz, „Souvenirs aus Appenzell“, 1968, Silbergelatineabzug auf Bar ytpapier, handkoloriert, 38,2 x 28,4 cm, Foto: Aargauer Kunsthaus

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Swiss Pop-Art


160 Peter Stämpfli, „Pudding“, 1964, Öl auf Leinwand, 146 x 165 cm, Aargauer Kunsthaus, Aarau,

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Foto: Archiv P.S.

Der Fogal-Strumpf schmiegt sich ans Bein, als sei er aus der Farbtube über die Haut gegossen. Das Sinalco-Logo leuchtet in knalligen Farben. Die Ausstellung „Swiss Pop Art“ im Aargauer Kunsthaus beginnt mit Werbeplakaten aus den 1960er-Jahren. Und das aus guten Gründen. Die alten Reklame­g rafiken erzählen von der Unschuld des Werbens und Konsumierens in einer Zeit voller Technikbegeisterung und Zukunftsgläubigkeit, unbeschwertem Optimismus und künstlerischer Spielfreude. Dass Kunstschaffende sich in der Werbung ausprobierten oder Werber in die Kunst wechselten, galt seinerzeit nicht als ehrenrührig. War doch selbst Andy Warhol, der Godfather der US-amerikanischen Pop-Art, ­ursprünglich ein Mann der Werbung. Mit den Reklameplakaten gibt Museumsdirektorin Madeleine Schuppli, die die Ausstellung gemeinsam mit ­K atrin Weilenmann kuratiert hat, dem Publikum ein wenig Zeitgeist mit auf den Weg. Einen Weg, der durch eine bunte, vitale Bildwelt führt, die noch heute verblüfft durch ihre überbordende Lust an Spielen und Experimenten. Margrit Jäggli porträtierte sich und ihren Mann im Badezimmerspiegel, ­u mgeben von gemalten Kacheln und echten, ins Bild integrierten Zahnputzbechern. Bei Flavio Paolucci strukturieren Damen­strümpfe die abstrahierenden Gemälde. Ueli Berger schuf abstrakte Skulpturen, die mit der Lust der Sixties-Generation an weichen Kurven, blasigen Formen und knalligen Farben spielen. Emilienne Farny malte Paris-Bilder, in denen allein großflächige Werbeplakate Leben ins graue Einerlei der Stadt bringen. Werbung wird hier als gestalterisches Medium gesehen und weniger als Ausdruck eines kapitalistischen Systems, das ab den 1970ern immer wieder kritisiert wurde – und wird. Die Schweizer Kunstschaffenden waren ebenso wie ihre Vorbilder aus Großbritannien und den USA fasziniert von der Ästhetik der Warenwelt und von der klaren, eingängigen Bildsprache der Comics sowie der Gebrauchsgrafik, derer sie sich gern über Anleihen bedienten. Peter Stämpflis übergroße in Acryl gemalte Tomaten und Puddings faszinieren mit ­ihrem leuchtenden Rot und schokoladigen Braun: so frisch,

saftig und verheißungsvoll, als seien sie der Fantasie eines ­ obbykochs entsprungen. In einem White Cube kann man H sie sich ebenso gut vorstellen, wie auf einer Puddingver­ packung. Diese Nähe zur Alltags- und Warenwelt führte dazu, dass die Pop-Art ab den 1970er-Jahren als zu kritiklos ab­ge­ lehnt wurde. In der Schweiz geriet diese kurze Periode der Kunstgeschichte besonders gründlich in Vergessenheit, ­m anche Kunstschaffende distanzierten sich gar von ihren poppigen Anfängen. „Viele Werke mussten wir lange suchen“, erzählt Museumsdirektorin Madeleine Schuppli. Die Aus­ stellung im Aargauer Kunsthaus zeigt einige Arbeiten, die seit den 1970er-Jahren nicht mehr zu sehen waren. Einige ­mussten aufwendig restauriert werden. Der lange Dorn­ röschenschlaf in Lagerräumen oder Ateliers hatte ihnen zugesetzt. Der kuratorische Aufwand hat sich gelohnt. Das Aargauer Kunsthaus zeigt mit „Swiss Pop Art“ die erste umfassende Auseinandersetzung mit einer vielfach noch immer unterschätzten Kunstströmung. Neben den poppigen Anfängen heute bekannter Künstler wie Franz Gertsch, Markus Raetz oder Urs Lüthi offenbart die Ausstellung auch die politische Seite der Pop-Art, zum Beispiel Collagen von Rosina Kuhn, Flavio Paolucci und Willi Schoder, die sich kritisch mit dem Vietnamkrieg auseinandersetzen. Und sie zeigt, ganz wie es der Titel verheißt, wie Schweizer Kunstschaffende die Bildsprache der aus dem angelsächsischen Raum stammenden Pop-Art aufgegriffen haben, um damit über die Schweiz zu sprechen, vor allem über Landschaften, Geschichte, Traditionen. Damit fügten Schweizer Kunstschaffende der Pop-Art eine ganz eigene Dimension hinzu. Vor allem in den USA war sie demgegenüber geschichtslos sowie durch und durch urban. Pop-Art aus Schweizer Ateliers zeigt, dass auch Berge und Almen Pop sein können. Die künstlerischen Schweizer Selbstbetrachtungen sind dabei meist ebenso farbenfroh wie ironisch. Max Matter etwa malte das Schloss Chillon, eines der großen historischen Wahrzeichen der Schweiz, eingezwängt zwischen Autobahn und Düsenjägern. Und in den nachkolorierten Fotografien aus dem Appenzell von Barbara Davatz wirken sogar die Schweine wie lässige Beatniks.

G L Ä N Z E N D E S AU G E N Z W I N K E R N Klein, kompak t, unglaublich wit zig, f rech und an spielungsre ich: D i e A u s s t e l l u n g „ S w i s s P o p“ i m M A M C O i n G e n f

Das „ Bedroom Ensemble“ von Sylv ie Fleur y ist ein ­p lüschig-voluminöses Spiel mit Wahrnehmung und ­jüngerer Kunstgeschichte. Alle Objekte, vom Bett bis zum Bild an der Wand, sind mit zotteligem, buntem Faserpelz


161 über­z ogen und perspektivisch stark verkürzt. Diese irri­ tierende Verzerrung wirkt so, als seien die Möbel aus einem Bild h ­ erauskopiert und in den realen Raum gestellt worden. ­Tatsächlich spielt Sylvie Fleury mit ihrer Schlafzimmer-­ Installation auf ein bekanntes Kunstwerk an, auf das „Bedroom Ensemble“ von Claes Olden­burg, das vom Design her kühler wirkt, jedoch mit der gleichen perspektivisch ­verkürzten Darstellung der Objekte spielt. Fleurys Hommage an Oldenburg ist repräsentativ für die kleine, aber sehr facettenreiche Ausstellung „Swiss Pop“, die Sophie Costes, Paul Bernard und Julien Fronsacq in einer Raumf lucht in der dritten Etage des Genfer MAMCO ein­ gerichtet haben. Die Sammlung des Hauses, aber auch die Fantasie der Kuratoren sind wichtige Stützpfeiler dieser dichten Präsentation, die mit einem silbern ausgemalten Saal beginnt. Die metallische Wandfarbe steht für Arbeit und Eitel­keit, sie verweist auf die Lust am Artifiziellen ebenso wie auf die Produktion serieller Werke. Der ganze Raum wirkt wie ein augenzwinkernder Gruß an Andy Warhols berühmte Factory. Dekoriert mit federleichten Steinen aus Kunstfasern von Piero Gilardi und Grafiken von H. R. Giger, die sich optisch geschmeidig in den Saal einfügen, kunsthistorisch jedoch an die Fragen rühren, wo Pop-Art anfängt, wo sie ­auf hört. Gilardi ist heute vor allem als Künstler der Arte ­Povera bekannt. Giger, der nicht zuletzt durch die Gestaltung des Monsters für die „Alien“-Filme weit über die Kunstwelt hinaus Berühmtheit erlangte, wurde für seine Nähe zur ­Populärkultur von der Kunstwelt lange Zeit mit Geringschätzung abgestraft. Wieviel Pop in Pop-Art stecken darf, das war immer wieder beliebter Streitstoff unter Kunstexperten.

Die Genfer Schau greift den Diskurs um Wertigkeit und Ernsthaftigkeit der Pop-Art, aber auch um die Eigen­heiten verschiedener regionaler und nationaler Pop-Art-Strömungen in ironischer Weise auf. Zentrales Werk der Ausstellung ist eine kleinformatige Grafik namens „Swiss Pop“, die ein Stück Schweizer Käse zeigt. Urheber des Blattes ist Vern Blosum, ein Künstler, dessen Identität bis heute ungeklärt ist. In den frühen 1960er-Jahren tauchten unter diesem Namen rund 45 Arbeiten im Stil der Pop-Art auf dem Kunstmarkt auf. Die Bilder zeigen banale Gegenstände und folgen so ganz dem Geist der Strömung. Die Anonymität ihres Schöpfers, die bis heute nicht aufgedeckt werden konnte, lässt sich als raffi­ nierte Anspielung auf Starkult und Medienmacht l­ esen. Ein Thema, das in der Ausstellung mehrfach anklingt, zum ­Beispiel in einer Arbeit von Olivier Mosset und Andy Warhol, die aus einer monochrom gelben Leinwand besteht, auf der nichts zu sehen ist, nur Warhols Signatur – gewissermaßen das c­ levere Gegenstück zu Blosums Käse. ALICE HENKES

bis 1. Ok tober 2017 „ S w i s s P o p A r t . F o r m e n u n d Te n d e n z e n d e r P o p A r t i n d e r S c h w e i z“ A a a r g a u e r K u n s t h a u s , A a ra u www. aargauerk unsthau s. ch bis 10. September 2017 „ S w i s s P o p“ M A M C O – M u s é e d ’a r t m o d e r n e e t c o n t e m p o ra i n , G e n f www. mamco. ch

Sylvie Fleur y, „Bedroom Ensemble“ (Hommage à Claes Oldenburg), 1997, Sammlung MAMCO, Genf, Ausstellungsansicht „Swiss Pop“, MAMCO, 2017, Foto: Annik Wetter


Der Verein «Die Zürcher Galerien» lädt auf einen Rundgang durch die Schweizer Kunstmetropole ein.

«Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann» FRANCIS PICABIA

Wie aus Galeriekreisen zu erfahren war, nutzten auch dieses Jahr zahlreiche Sammler und Kuratoren ihre Reise an die Art Basel für einen Abstecher nach Zürich. Verglichen mit an­ deren Metropolen hat sich hier auf kleinem Raum eine lebendige Kunstszene etabliert, die weltweit beachtet wird. Man schätzt die Vielfalt des Angebots, das von junger Kunst über Werke von Künstlerinnen und Künstlern reicht, die international mehr Beachtung verdienten, bis zu solchen, die schon vielerorts in Museen vertreten sind. In den Zürcher Galerien, so der Tenor, ist für jedes Budget gute Kunst zu entdecken. Manche der Ausstellungen bleiben noch bis Ende Juli oder sogar bis September geöffnet. So sind zum Beispiel bei Eva Presenhuber eine Portrait-Show von Henry Taylor zu sehen (bis 22.7.), bei Hauser & Wirth Werke von Jenny Holzer (bis 29.7.), bei Mark Müller Malerei von Joseph Marioni sowie eine Parallelausstellung (bis 22.7) und in der Galerie Ziegler SA ­A rbeiten von Yoko Ono (bis 3.9.) und Meret Oppenheim (bis 9.9.). Die Galerie Thalberg stellt Marc Chagall aus (bis 19.8.), die Römerapotheke Ph. Rey widmet Gottfried Honegger eine Hommage (bis 22.7.) und die Galerie Baviera zeigt Werke des Zürcher Künstlers Dieter Meier, der mit dem Duo „Yello“ zu Weltruhm kam (bis 12.8.). Geschätzt wird am Kunststandort Zürich, dass die meisten Galerien, trotz ökono­ mischem Druck und der Fokussierung der Medien auf Grossanlässe und internationale Stars, ihrem Kernanliegen treu bleiben. Im Sinne von Francis Picabias Aphorismus „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ arbeiten sie beharrlich daran, die


Aufmerksamkeit unabhängig von Tendenzen immer wieder auf hochkarätige Kunst zu ­lenken. Nicht zuletzt helfen sie damit wesentlich mit, den wirtschaftlichen Druck abzu­ mildern, der Kunstschaffende oft bedrängt. Der 2001 gegründete Verein „Die Zürcher Galerien“, der 60 Galerien vertritt, die über 10 .000 m 2 Ausstellungsfläche bespielen, koordiniert und kommuniziert die gemeinsamen Auftritte. Den Auftakt zur Saisoneröffnung Ende August (23.–25.) macht am Mittwoch die Zone „Zürich Aussersihl“. Beispielsweise sind von El Frauenfelder Werke bei Brigitte Weiss zu sehen (bis 7.10) oder in der Galerie Marlene Frei Bilder und Zeichnungen von Peter Roesch, der Ende 2017 mit dem Luzerner Kunst- und Kulturpreis geehrt wird (bis 14.10.). In der Zone „Innenstadt“ links der Limmat sind im zweiten Zürcher Domizil von Gmurzynska weiterhin Arbeiten von Judd und Malevich zu sehen (bis 15.9.). Rechts der ­L immat kuratiert Giovanni Carmine bei Häusler Contemporary die Jubiläumsaus­ stellung (bis 14.10.) und Fabian & Claude Walter legt den Fokus auf die Fotoausstellung „A Journey to Cuba“ mit Juan Carlos Alom, René Burri, Adrián Fernández u. w. (bis 23.9.). Zudem widmet die Galerie Annemarie Verna James Bishop zum 90. Geburtstag eine ­Aus­stellung (ab 23.9.). In der Zone „Löwenbräuareal und Umgebung“ wiederum zeigen u. a. Lange + Pult Einzel­ausstellungen von Jacob Kassay und Olivier Mosset (bis 7.10.), Lullin + ­Ferrari eine Einzelausstellung von der in Zürich lebenden Britin Clare Goodwin (bis 7.10.) und Nicola von Senger stellt Arbeiten des Schweizers Mario Sala aus (bis 28.10.). Der vom Verein jährlich zehnmal herausgegebene Folder ermöglicht eine gute Übersicht über das gesamte Ausstellungsprogramm sowie die Standorte der jeweiligen Galerien in den verschiedenen Zonen. ANDRÉ BEHR, ZÜRICH

D I E Z Ü RC H E R G A L E R I E N S a i s o n e rö f f n u n g e n : 2 3 . / 2 4 . / 2 5 . A u g u s t 2 0 1 7 G a l e r i e n - Wo c h e n e n d e : S a m s t a g / S o n n t a g , 4 . / 5 . N o v e m b e r 2 0 1 7, 1 1 b i s 1 7 U h r *

Z Ü R I C H AU S S E R S I H L S a i s o n e rö f f n u n g : M i t t w o c h , 2 3 . A u g u s t 2 0 1 7, a b 1 8 U h r *

I N N E N S TA D T L I N K S D E R L I M M AT S a i s o n e rö f f n u n g : D o n n e r s t a g , 2 4 . A u g u s t 2 0 1 7, a b 1 7 U h r *

L ÖW E N B R ÄUA R E A L U N D U M G E B U N G S a i s o n e rö f f n u n g : F r e i t a g , 2 5 . A u g u s t 2 0 1 7 , a b 1 8 U h r *

* Detaillier te P rog ramme und Teilnehmerliste unter www. d zg. ch oder auf Webseiten der Galer ien .

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — Z Ü R I C H

I N N E N S TA D T R E C H T S D E R L I M M AT S a i s o n e rö f f n u n g : D o n n e r s t a g , 2 4 . A u g u s t 2 0 1 7, a b 1 7 U h r *



165 Kunstmuseum Thurgau, Kar tause It tingen, War th/Schweiz

Bildstein | Glatz: „LOOP“ linke Seite Detail und rechts: BILDSTEIN | GL ATZ, „LOOP“, 2017–2020,

Seit Ende Mai 2017 steht vor dem Westtor der Kartause Ittingen ein Doppellooping mit knapp 15 Metern Höhe. Die spektakuläre Form und ihre starken Farbkontraste lassen an Vergnügungsparks oder Sportanlagen denken, an Geschwindigkeitsrausch und den Abschied von der Schwerkraft. Wird die Kartause zum Eventpark? Ist nun auch in Ittingen das Streben nach spirituellen Erfahrungen durch die Suche nach dem ultimativen Adrenalinkick ersetzt worden? Zwei Jahre lang arbeitete das Künstlerduo Bildstein | Glatz am Entwurf des Kunstwerks, das dann innerhalb von fünf Wochen unter dem Titel „LOOP“ aus 24 großen Aluminium-Bogenelementen, viel Holz und unzähligen Schrauben in den Himmel wuchs. Losgelöst vom Anspruch jeglicher Benutzbarkeit wird der Doppelloop seinen sehr präsenten Platz auf dem Gelände für die nächsten drei Jahre behalten. In ihrem Schaffen bedienen sich die Künstler Matthias Bildstein (Wien) und Philippe Glatz (Kreuzlingen/Schweiz) häufig der formalen Sprache von Sport- sowie Freizeit­ elementen und überführen diese in die bildende Kunst. Das gemeinsame Werk des Künstlerduos umfasst neben über­ dimensional großen Konstruktionen und Gemälden in öffentlichen und musealen Räumen (z. B. „Immortal“, 2014/15, und „So weit das Budget reicht“, 2009, beide Arbon/

Schweiz) auch kleinere Skulpturen oder Installationen, ­b eispielsweise eine Minigolfanlage mit Hindernissen aus Bronzegüssen („Futurepark“, 2017, Wien). Der für Ittingen neu geschaffene „LOOP “ ist ein Gebilde zwischen Spek­ takel und Konsumkritik, Bauexperiment und Denkfigur, ­Ver­heißung und Verweigerung. Er vereint Nostalgie mit ­F uturismus und ist technisch wie ästhetisch eine einzigartige Konstruktion. Die „Fahrbahn“ des zweifachen Loopings ­w urde von den Künstlern gemeinsam mit Mitarbeitern der Stiftung Kartause Ittingen in den stark kontrastierenden ­Tönen Schwarz, Rosa und Hellblau bemalt. Die Buchstaben vor einem nächtlichen Firmament voller Kometen und ­Galaxien formen sich zum Endlossatz: „LOOP THE LOOP THE LOOP [...]“. Das Schriftband und die komplexe Form der elliptischen Bögen spielen auf verschiedene Sinnbilder und Modelle an: Sie erinnern etwa an die Spirale der DNA-Doppelhelix, an das mathematische Modell des Möbiusbands oder an die Unendlichkeitssymbolik einer liegenden Acht. Die durch die Kreisformen suggerierte Dynamik und die ­S ternennebel verweisen auf unbekannte Dimensionen. „LOOP“ erweist sich somit als Sinnbild für die Reflexion über jegliches Handeln und Dasein, für Versenkung und Ent­ rückung, er wird zur Metapher für die Bewegung in Richtung Unendlichkeit. CORNELIA MECHLER

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BILDSTEIN | GL ATZ, „LTL SYS III“, Maquette, Nr. 08, 2016/17, MQ -Amore Skulpturenpark, MuseumsQuartier Wien

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A U S S T E L L U N G E N

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Ein bunter Kunstsommer im Kunstmuseum St.Gallen

Arp, Gehr, Matisse, Monet …

M A R K DION ’ S „T H E WO N D R O U S M U S E U M O F N AT U R E “ E R S E T Z T DA S E H E M A L I G E N AT U R M U S E U M

Mit Mark Dion konnte das Kunstmuseum St.Gallen, nach dem Auszug des Naturmuseums aus den bis dahin gemein­ samen Räumen, den vielleicht passendsten Künstler für die erste Ausstellung in den nun leer gewordenen Räumen ­g ewinnen. Er beschäftigt sich in seinen Arbeiten mit der ­Repräsentation von Natur im musealen Kontext. In seinen ­V itrinen und Schränken tauchen nicht nur echte Tiere auf, sondern auch allerlei phantastische Wesen und Spuren menschlicher Zivilisation. Das ist nicht nur witzig, sondern macht auch geschickt die Prozesse des naturwissenschaft­ lichen Diskurses sichtbar. Denn was wir als Natur verstehen, unterliegt, laut Mark Dion, immer auch dem gesellschaft­ lichen, historischen und politischen Wandel.

M AG A L I R E U S – N I G H T P L A N T S

Magali Reus (*1981, Den Haag) entwickelt komplexe skulp­ turale Werke, die existierende Objekte wie Behältnisse, Klappstühle oder Pferdesättel evozieren und dabei potentiell funktionsfähig erscheinen. Aufgrund ihrer eigenwilligen ­G estaltung und differenzierten Materialität erhalten die

Magali Reus, „Arbroath Smokie“ (Detail), 2016, Courtesy: The Approach, London, Foto: Plastiques Photography © Magali Reus 2017

­ bjekte einen entschiedenen Fetischcharakter. Die Skulp­ O turen wirken in ihrem raffinierten Design vertraut, zugleich höchst eigenwillig. In Kooperation mit dem Stedelijk Mu­ seum Amsterdam zeigt das Kunstmuseum St.Gallen die erste Einzelausstellung der jungen Künstlerin in einem Schweizer Museum.

DIE LOK R E MISE – K U LT U R L A B O R F Ü R Z E I T G E N Ö S S I S C H E K U N S T

Als eigenständiger Satellit des Kunstmuseums fungiert die Kunstzone in der Lokremise. Mit ihrem industriellen Charakter ermöglicht sie ortsspezifische, interdisziplinäre Projekte, so in diesem Jahr u.a. mit einer Ausstellung des Oscar-­P reisträgers, Künstlers, Drehbuchautors und Regisseurs Pierre Bismuth (ab dem 8. Juli 2017). Unter dem Titel Where is Rocky II? – Promotional Occurrences präsentiert das Kunstmuseum eine eigens auf die spezielle Architektur der Lokremise zugeschnittene Videoinstallation, bestehend aus mehreren Trailern zu Bismuths letzter starbesetzter Holly­wood-Produktion „Where is Rocky II?“. IRINA WEDLICH

www. k un st mu se um sg. ch

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — S T. G A L L E N

Als Franziska Gehr, die Tochter des Künstlers Ferdinand Gehr, am 10. März 2017 die Ausstellungsräume im Obergeschoss des Kunstmuseums St.Gallen betritt, ist sie überwältigt: „Ich kam mir vor, als würden die Arp-Plastiken tanzen für meinen Vater.“ Ein grösseres Kompliment für die Ausstellung konnte sich das Kunstmuseum St.Gallen wohl kaum wünschen. Die Ausstellung Arp Gehr Matisse stellt das Schaffen von Ferdinand Gehr (1896–1996) erstmals in den Zusammenhang mit der internationalen Avantgarde. Mit Hans Arp (1886–1966) und Henri Matisse (1869–1954) tritt er in Dialog mit zwei zentralen Künstlern der Klassischen Moderne. Einblicke in die reiche Sammlung des Museums ermöglicht eine umfangreiche Dauerausstellung. Unter dem Titel Endlich! Glanzlichter der Sammlung präsentiert das Kunstmuseum unschätzbare Werke von internationalem Rang vom Mittelalter bis zur Modern. Glanzlichter bilden u. a. Delacroix’ Romantik, Courbets Realismus, Corots Freilichtmalerei und Spitzwegs Idyllen. Der Impressionismus ist unter anderem mit Monets weltberühmtem Palazzo Contarini (1908) vertreten. Hodler und die Kunst um 1900 beschliessen diese erste Version der „Glanzlichter der Sammlung“.


Ar te Albigna

Gipfelsturm der Kunst


169 D a s P ro j e k t „ A r t e A l b i g n a“ m a c h t d i e B ü n d n e r A l p e n z u r a t e m b e ra u b e n d e n K u l i s s e f ü r z e i t g e n ö s s i s c h e S c h w e i z e r K u n s t

Erhabene Gipfel, breite Gletscherzungen und das p ­ rickelnd klare Licht der Bergwelt: Die Albigna-Region in den Bündner Alpen fasziniert nicht nur Bergsteiger und ­R eisende. Sie diente auch als Inspiration für Künstler wie die Maler ­Giovanni ­Segantini und Giovanni Giacometti, die die beeindruckende Landschaft mehrfach auf die Leinwand brachten. Nun wird die majestätische Bergregion im Bergell zum Kunstort. Das Projekt „Arte Albigna“ vereint Naturerlebnis und Kunstbegegnung in Form eines alpinen Kunstparcours. 13 Künstler aus der Schweiz u ­ nd dem benachbarten Südtirol verwandeln den Wanderweg von der Talstation der ewz Seilbahn Albigna in Pran­z aira (1.200 Meter) hinauf zur Staumauer (2.165 Meter) bis zur SAC-Hütte Capanna da l’Albigna (2.333 Meter) in einen Ausstellungsort unter freiem Himmel. Alle Arbeiten sind eigens für „Arte Albigna“ entstanden und nehmen auf die geschichtlichen, ­landschaftlichen sowie sozialpolitischen Besonderheiten dieses Orts Bezug. Das Projekt lebt von der sehr unterschiedlichen ­A rbeitsweise der eingeladenen Kunstschaffenden. In In­stallationen, Objekten und Videoarbeiten setzten sich international bekannte Künstlerinnen und Künstler wie R ­ oman Signer und Piplotti Rist, Jules Spinatsch und Bob Gramsma mit dem Verhältnis Natur und Technik, Alpen­ begeisterung und Verkehr, Bergtourismus, Energiegewinnung und alten Mythen auseinander. Reto Rigassi ist bekannt für seine poetischen Land-Art-Projekte, denen meist gründliche historische, soziale und geologische Recherchen zugrunde liegen. Das Duo Haus am Gern reflektiert in ironisch vertrackten Installationen die Wahrnehmung von Kunst und Welt sowie das eigene Künstlersein. Für die „Arte Albigna“ haben die beiden Kunstschaffenden Barbara Meyer Cesta und Rudolf Steiner unter anderem eine Arbeit konzipiert, die mit Bergmotiven und Kaugummis spielt. ­Wei­tere Werke und Projekte kommen von Judith Albert, Remo Albert Alig, Evelina Cajacob, Isabelle Krieg, Manfred Alois Mayr, Yves Mettler und Jürg Stäuble. Eingerichtet wird dieser besondere Kunstparcours vom Verein Progetti d’arte in Val Bregaglia, der bereits mit Kunstprojekten rund um Landschaft und Architektur auf sich aufmerksam gemacht hat. Ein umfangreiches Rahmenprogramm reichert das alpine Kunstevent „Arte Albigna“ an. Dazu gehören geführte Wanderungen, ­Performances und ein Künstlerfrühstück in der SAC-Berghütte. Am 27. Juli eröffnet außerdem eine kleine Vitrinenpräsentation „Das Bergell – Schauplatz zeitge­ nössischen Kunstschaffens“. Diese Ausstellung in der Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Kantonsbibliothek Graubünden. Und am 5. August liest Tim Krohn, der als Koautor an der Publikation zur „Arte Albigna“ mitgewirkt hat. Krohn lebt als freier Schriftsteller in Santa Maria Val Müstair. Bekannt wurde er mit „Quatemberkinder“, einem Spiel mit Hochsprache und Dialekt, Sagenstoffen und modernem Erzählen. Sein Roman „Vrenelis Gärtli“ stand lange auf Platz 1 der Schweizer Bestsellerliste. Die Publikation zum Kunstevent „Arte Albigna“ erscheint Ende August. „Arte Albigna“ versteht sich als Sommerereignis für Alpinisten, Wanderer, Tagestouristen, Einheimische und Kunstinteressierte. Der Kunstparcours führt hoch in die B ­ erge, es empfiehlt sich, eine gute Wanderausrüstung, Regen- und Sonnenschutz mitzunehmen. ALICE HENKES

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A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — G R A U B Ü N D E N

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171 Not Vital im Bündner Kunstmuseum Chur

Not Vital, „Invisible Bridge“, im Park „Not dal Mot“, Sent im Engadin, Kanton Graubünden, Foto: Eric Gregor y Powell

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — G R A U B Ü N D E N

Bauen, um der Natur zu begegnen


Not Vital, Foto: Beny Steiner


173

Not Vitals Bauten sind in der Regel zugänglich. Die Idee des abgeschirmten Kunstwerks missfällt dem Künstler. Ein ­g elungenes Projekt entsteht für ihn aus dem Zusammen­ wirken skulpturaler und architektonischer, aber auch sozialer Elemente. In Agadez hat er 2005 die „Makaranta“, eine ­pyramidenförmige Koranschule für 500 Kinder, erbaut. Ein Jahr später entsteht ebendort das „Haus gegen Hitze und Sandstürme“. In seinen Bauten kommt Not Vitals besondere Ver­ bundenheit mit der Natur zum Ausdruck. Die begehbaren Skulpturen sind zuweilen Schutzräume, häufiger noch Orte kontemplativer Naturbegegnung. Schon als kleiner Junge grub er gemeinsam mit seinem Bruder Duri Tunnel im Schnee, errichtete Hütten im Wald und genoss die besondere, ein wenig wundersame Stimmung in diesen vergänglichen Räumen. Dieses eigenwillige, magische Raumgefühl des ­K indes in einer selbst gebauten Hütte lässt Not Vital in dem Skulpturenpark „Not dal Mot“ aufleben. Auf dem Gelände eines ehemals großbürgerlichen Parks am Ortsrand von Sent errichteten Not Vital und sein Bruder Duri ein Ensemble verspielter und verwunschener Räume und Bauten, die zwar alle unbewohnbar sind, deren Besuch aber Raum- und Naturerfahrungen jenseits des blassen Alltagserlebens ermöglichen. Die „Büna“ beispielsweise, eine bühnenartige Plattform, schwebt – nur durch eine Treppe im Boden verankert – gleichsam frei über dem Steilhang und vermittelt ein Gefühl des Schwebens im Grün und Blau der Landschaft. Die „Punt“ (Eselsbrücke) verweist namentlich auf die Erzählung „Die Esel von Sent“ von Gudench Barblan, ihr Weg führt über Eselsköpfe auf schwankenden Stelen über stark abschüssiges Gelände. In der „Chamonna da Glatsch“, einem miniaturesken, jeweils nur für eine Person zugänglichen Häuschen aus Muranoglas, wird das Licht zum eigentlichen Raum. Und die tortenstückförmige „JoSüJo“ ist komplett im B ­ oden versenkbar, wird also gleichsam von der Natur verschlungen, um sich jedoch wieder daraus zu erheben. Das Bündner Kunstmuseum Chur zeigt derweil eine große Retrospektive mit Werken aus allen Arbeitsbereichen des Künstlers. ALICE HENKES

Park „ Not dal Mot“, S e n t i m E n g a d i n , K a n t o n G ra u b ü n d e n Vo n J u n i b i s O k t o b e r f i n d e n j e d e n F r e i t a g F ü h r u n g e n s t a t t . N u r a u f A n m e l d u n g a m Vo r t a g u n t e r G ä s t e i n f o S e n t : T + 4 1 (0) 8 1 8 6 1 8 8 2 9 w w w . s e n t- o n l i n e . c h 9. September bis 19. November 2017 Not Vital – „univers pr ivat“ Bündner Kunst museum Chur w w w . b u e n d n e r- k u n s t m u s e u m . c h

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — G R A U B Ü N D E N

Weltweit realisiert Not Vital eigenwillige künstlerische ­B auten. In seiner Heimat Sent im Unterengadin hat er ­gemeinsam mit seinem Bruder Duri einen Park voll wundersamer Brücken und Häuser eingerichtet. Ein Haus kann weit mehr sein als ein Ort, um darin zu wohnen. Es kann Ausdruck einer Zeit und Persönlichkeit, Darstellung handwerklicher Fähigkeiten und persönlicher Bedürfnisse, Einladung zum Dialog mit anderen und mit der Natur sein. Im Werk von Not Vital existieren zahlreiche Bauten, die vor allem Ausdruck und Darstellung menschlicher Bedürfnisse und Beziehungen sind – zu Zeit, Region und ­Natur, zu anderen Menschen, zu sich selbst –, ohne bewohnbar zu sein. Zu seinen architektonischen Skulpturen gehören ein Tunnelbau durch eine Insel, aber auch ein Schulhaus, ­eigenwillige Brücken, Häuser, die eigens dafür gedacht sind, den Sonnenuntergang zu betrachten, aber auch ein Haus, das sich per Knopfdruck im Boden versenken lässt. Not Vital, 1948 in Sent im Unterengadin geboren, zählt zu den profiliertesten Schweizer Kunstschaffenden seiner Generation. Als 20-Jähriger geht er nach Paris an das damals neu gegründete Centre universitaire expérimental de Vincennes. Wenig später beginnt er zu reisen. Eine Tätigkeit oder wohl besser eine Lebens- und Kunstform, die prägend wird für sein Werk. 1974 siedelt er nach New York über. Es folgen regelmäßige Aufenthalte in Lucca in Italien sowie Agadez in Niger. Seit 2007 auch in China. Sein Heimatort Sent indes bleibt ihm stets ein wichtiger Bezugs- und Lebensort. Not ­V ital bewohnt dort gemeinsam mit seinem Bruder, dem Architekten Duri Vital, das Elternhaus. Auf seinen Reisen und Auslandsaufenthalten sammelt Not Vital nicht nur Eindrücke, Gedanken und Kontakte. Not Vital ist ein Weltbürger im eigentlichen Sinne, einer, der sich für Land und Leute interessiert und engagiert, der sozialen Strukturen ebenso nachspürt wie kulturellen Traditionen, ­a lten Handwerkstechniken und regionalen Materialien. Durch sein vielgestaltiges Werk, das neben Skulpturen, ­A rchitekturen und Kunst im öffentlichen Raum auch Zeichnungen, Druckgrafiken und Malerei umfasst, zieht sich eine enorme Lust am Umgang mit unterschiedlichen Materialien. In seinen Zeichnungen schlägt sich diese oft in spielerischer Form ­nieder, etwa wenn Elemente wie Zahnseide, Alufolie, Blasenpf laster integriert werden. In seinen plastischen ­A r­beiten nutzt er am liebsten Rohstoffe und Verarbeitungsmethoden, die mit dem Entstehungs- und Bestimmungsort des Werks verbunden sind. Dabei arbeitet er vielfach mit ­einheimischen Handwerkern und Fachleuten zusammen. In der Oase Aladab nahe Agadez entstand 2005 ein „Haus, um den Sonnenuntergang zu betrachten“. Typisch für Not Vitals skulpturale Bauten folgt dieses aus Lehm errichtete Gebäude in der Ausführung regionalen Traditionen. In seiner Funktion hingegen widerspricht es landläufigen Erwartungen an ein Haus als Behausung. Es ist ganz auf die Idee einer Naturerfahrung hin ausgerichtet. Auf allen Kontinenten lässt Not Vital „Häuser, um den Sonnenuntergang zu betrachten“ entstehen. Material und Bauweise variieren dabei je nach den lokalen Bedingungen. Auf den Tongainseln entsteht eine leicht transportable ­Variante aus Aluminium; auf der Marmorinsel Notona in ­P atagonien (Chile) wurde der Zugang zum Haus tunnelartig in die Insel hineingeschnitten.


Chur Panorama im Sommer, Foto: © Chur Tourismus

Pauschalangebot Kunst und Kultur

Giacometti in Graubünden In Graubünden gibt es auch in diesem Jahr wieder jede Menge Giacometti zu entdecken. Im Bündner Kunstmuseum Chur etwa. Und natürlich im Bergell – im Tal der Künstler, wo man auf den Spuren der Familie G ­ iacometti wandern kann ...

­ ital oder Hans Danuser. Jährlich werden fünf bis sechs V ­t hematische oder monografische Wechselausstellungen ­gezeigt. Das Museum verfügt zudem auch über ein stilvolles Café, das sich im herrschaftlichen Wintergarten der Villa Planta befindet.

EI N GL A NZST ÜCK!

Bündner Kunst museum Chur

DA S B Ü N D N E R K U N S T M U S E U M C H U R

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Im vergangenen Sommer eröffnete das Bündner Kunst­ museum nach zweijähriger Bauzeit seine Tore wieder. Ein Glanzstück! In der 1900 eröffneten, historischen „Villa Planta“ und dem mit dem renommierten Mies-van-der-Rohe-Preis ausgezeichneten neuen, markanten Erweiterungsbau von ­F abrizio Barozzi und Alberto Veiga ist unter anderem eine umfassende Sammlung von Künstlern zu sehen, welche in Graubünden geboren wurden oder gelebt haben. Mit der Erweiterung ist das Bündner Kunstmuseum Chur (rätoromanisch „Museum d‘art dal Grischun“, italienisch „Museo d‘arte dei Grigioni“) eines der attraktivsten Museen in der Schweiz geworden. Es versteht sich als Zentrum für Kunst in und aus Graubünden mit internationaler Ausstrahlung. Die einmalige Sammlung umfasst rund 8000 Werke aus allen Bereichen der bildenden Kunst vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart und wird auf einer Fläche von über 1.200 Quadratmetern gezeigt. Zu den Höhepunkten zählen Werkgruppen der in Chur ge­b orenen Angelika Kauffmann: eine der ersten angesehenen Künstlerinnen der Royal Academy in London. Das Herz der Sammlung ist die Künstlerfamilie Giacometti, mit dem ­weltbekannten Bildhauer Alberto und den beiden wichtigen Schweizer Malern Giovanni und Augusto. Ernst Ludwig Kirchner und der Schweizer Expressionismus sind in der Sammlung mit Schlüsselwerken vertreten. Neuere und zeitgenössische Positionen sind etwa Matias Spescha, Not

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Bündner Kunstmuseum Chur, Villa Planta und Er weiterungsbau, Foto: © Chur Tourismus


Alberto Giacometti, Foto: Paola Salvioni- Martini / Bregaglia Turismo

G R AU B Ü N D E N G I AC O M E T T I A R T PAC K AG E

Leistungen: • 1 Übernachtung im Hotel in Chur • 2 Übernachtungen im Hotel im Bergell • Eintritt ins erweiterte Bündner Kunstmuseum in Chur • Kostenlose Miete des Audio-Guides oder 50% Rabatt auf eine öffentliche Stadtführung in Chur • Geführte Wanderung auf den Spuren der Künstlerfamilie Giacometti in Stampa und Borgonovo • Eintritt ins Talmuseum mit dem Giacometti-Varlin Saal im Bergell • 1 Wanderkarte Angebot bis 30. November 2017: 3 Nächte pro Person CHF 341,–.

seinem Vater Giovanni. Über die Jahre entwickelte Alberto ebenso wie seine drei Geschwister eine innige Beziehung zum Bergell, die bis zu seinem Tod anhalten sollte. Er kehrte immer wieder in sein Heimattal zurück, um seine Mutter ­A nnetta zu besuchen und sein Schaffen im Atelier des ­Vaters fortzusetzen. Als er am 11. Januar 1966 im Kantons­ spital in Chur starb, war das Atelier in Stampa Zeugnis seines in­t ensiven Bergeller Schaffens, gefüllt mit zahlreichen ­u nvollendeten Werken. Weltweite Bekanntheit erlangte ­Giacometti in Paris – die Anregungen für seine Arbeiten fand der junge Künstler aber vor allem in der Natur seines Heimattals: Die astlosen Bäume in einem Wald hinter dem Dorf von Stampa etwa inspirierten ihn zu seiner Skulptur „La Forêt“, die er im Jahr 1950 schuf. Im Talmuseum, der Ciäsa Granda, können Besucher neben Giacomettis Werken noch heute das Atelier, das ihm und ­seinem Vater diente, besichtigen. Zusätzlich bietet die „Giacometti Art Walk“-App die Gelegenheit, auf den Spuren der Künstlerfamilie Giacometti zu wandern: Es können verschiedene Themenwege zwischen Sils im Engadin und Chiavenna heruntergeladen werden und das eigene Smartphone wird zum Audio- und Videoguide. B R E G A G L I A E n g a d i n Tu r i s m o

Die Reise ins Bergell wird auf eigene Faust organisiert. Mit dem Öffentlichen Verkehr empfehlen wir den graubündenPASS.

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Das Bergell es ist eines von vier Bündner Tälern, in denen man Italienisch spricht und Italienisch auch die Amtssprache ist: ein kurzes, steiles und tiefes Tal der südlichen Alpen. Jahrhundertealte Wälder, mächtige Berge und ruhige, pittoreske Dörfer – die Schönheit der Natur inspiriert Künstler im ­Bergell bereits seit Jahrhunderten. Nicht ohne Grund nahm Giacometti hier zum ersten Mal einen Pinsel in die Hand. Der Mensch wird krank, wenn sich das Auge langweilt“, konstatierte bereits der Maler Varlin, der einst die Entscheidung traf, seine letzten Lebensjahre im Bergell zu verbringen. In unberührter Landschaft, zwischen einsamen Weiden und steilen Berggipfeln finden in diesem Tal nämlich nicht nur Naturliebhaber, sondern vor allem Künstler Inspiration und Zuflucht. Alberto Giacometti ist der berühmteste „Bergeller“. Giacometti wurde im Bergell, in Borgonovo geboren und ruht dort heute auch im Familiengrab. Das Handwerk lernte er von

Bergell, © Switzerland Tourism/JanGeerk

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — G R A U B Ü N D E N

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„Kunst und Natur ideal kombinieren“

Reisetipp Bergell Bregaglia, Foto: © Graubünden Ferien, Andrea Badrutt

Michael Kirchner, Direktor Bregaglia Engadin Turismo, Foto: Bregaglia Turismo

zu arbeiten. Besucher können hier nun an authentischen ­ rten das Leben von Alberto Giacometti kennenlernen. In O Stampa ist es möglich, sein Atelier zu besuchen, in dem noch die Spuren seiner Arbeit sichtbar sind. Das sind Details, die den Besuch des Bergells zu etwas Besonderem machen. ARTMAPP: Wie sieht es mit dem zeitgenössischen Kunstschaffen aus? Was hat die Region da zu bieten?

ARTMAPP: Herr Kirchner, was empfehlen Sie kulturinteressierten Reisenden, die ins Bergell kommen? Michael Kirchner: Das Besondere am Bergell ist die Kom­ bination von Natur und Kultur. Aus dem Bergell stammt die Familie Giacometti, deren berühmtester Vertreter Alberto ­G iacometti ist. Für andere Künstler wurde das Tal zur ­Wahlheimat, wie zum Beispiel Giovanni Segantini, der die herrlichen Landschaften und das besondere Licht schätzte oder Varlin, den die Liebe ins Tal führte. Der Ehrgeiz des ­Bergells ist es, das vermeintlich Bekannte in einem anderen Licht zu zeigen. Man möchte die Begegnung der Künstler mit dem Bergell aufdecken. Wer in die Heimat der Künstler kommt und hier die Landschaft und die lokale Kultur er­ kundet, wird vollkommen neue Künstler erleben. ARTMAPP: Eine zentrale Rolle bei Kunst­ begegnungen im Bergell spielt natürlich Alberto Giacometti. Wie wichtig war das Bergell für diesen Weltkünstler, der lange in Paris gelebt hat? MK: Das Licht und die Landschaft waren für alle Künstler, die hier gelebt haben, enorm wichtig – auch für Alberto Giacometti. Er kam immer wieder ins Bergell. Hier hat er die Ruhe gesucht und den Kontakt zur Familie, zu seiner Mutter Annetta. Im Bergell konnte er auftanken, um an seinen Werken

ARTMAPP: Das Bergell galt lange Zeit vor allem als Sehnsuchtsort für Naturliebhaber. Jetzt wandelt sich diese Bergregion immer mehr zu einer Kunstdestination. Was bedeutet diese Veränderung? MK: Die Angebote für Naturfreunde gibt es nach wie vor. Aber wir bieten nun auch die Kombination von Wanderungen und Kunsterlebnissen – das ist recht speziell. Dabei passen die beiden Gruppen – Naturfreunde und Kunstinteressierte – perfekt zueinander! Man kann Kunst und Natur ideal kombinieren. Es gibt zum Beispiel die „Giacometti Art Walk-App“, auf der sich wandernd das Bergell des Künstlers ­erkunden lässt. ARTMAPP: Haben Sie noch einen ganz persön­ lichen Tipp, was man im Bergell keinesfalls ­verpassen darf? MK: Ein Aufenthalt in Soglio! Soglio wurde 2015 zum schönsten Dorf der Schweiz gewählt. Es ist ein wunderbar erhaltener Ort mit einer wunderschönen Aussicht auf die ­B erge. Es ist einer der Flecken, an dem man die besondere Kraft, die besondere Inspiration des Bergells stärker als an ­anderen Orten fühlen kann. ARTMAPP: Michael Kirchner, vielen Dank für das Gespräch! www. bregaglia . ch

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A P P E T I Z E R

Das Bergell mit seiner großartigen Landschaft ist ein Traumziel für Naturbegeisterte, aber auch für Kunstinteressierte hat die Region im Schweizer Kanton Graubünden viel zu bieten. Michael Kirchner, Direktor von Bregaglia Engadin Turismo, gibt Tipps, wie man das Bergell erkunden kann. Das Interview für ARTMAPP führte Alice Henkes.

MK: Es hat auch viele zeitgenössische Kunstschaffende im Bergell. Und es gibt viele Menschen, die sich für die Kunst im Bergell engagieren. Zum Beispiel Luciano Fasciati, der in diesem Sommer das Projekt „Arte Albignia“ lanciert. Dieses zeigt außerdem wieder, dass Kunst und Natur unglaublich gut zueinanderpassen.


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A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A P P E T I Z E R

D i e S t i f t u n g S c h l o s s N e u h a r-


Wege aus dem Bauhaus

Gerhard Marcks und sein Freundeskreis Arnold Newman, Der Bildhauer Gerhard Marcks, New York, 1950, Getty Images

17. 8.— 5. 11. 2017 Neues Museum Weimar

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183

A m r e i’s A r t b l o g f ü r E n t d e c k e r Amrei Heyne ist Kunstberaterin (Stuttgart/München) und berichtet sehr persönlich vom Suchen und Finden der Kunst.

Alle Fotos: Amrei Heyne

Meditieren Sie? Ja? Kompliment! Ich bewundere das und alle, die im heißen Kunstjahr 2017 alles sehen müssen. Ich meine: wirklich alles. Seit April ist „documenta“ – von Athen lernen wir in Kassel. Fahren Sie hin! Ob Adam Szymczyk den millionsten Besucher persönlich begrüßt? Immer ist irgendetwas. Biennale in Venedig, Art Basel mit allen Satelliten auf den Kontinenten … und in Düsseldorf. Wie soll man das schaffen …? Journalisten und Freie bloggen und posten um die Wette. Fotos gibts noch vor den Previews – wir sind VIP! Wer ist mehr? Hase grüßt Igel! In Bosnien-Herzegowina ist Biennale, die „D-0 ARK“ in Konjic! Nahe Sarajevo wurde von 1953-79 ein Atomschutzbunker gebaut, der 2019 Museum wird. „Titos Bunker“ – heißt die Ausstellung, die die Kuratoren der inzwischen 4. Biennale vor Ort, die Stuttgarter Iris Dressler und Hans Christ, im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart bis 6. August 2017 zeigen. Der Bunker als Überlebenskapsel und Wohnmaschine. Übergeordnete Fragen zu Kontrolle, Rettung, Entkommen – mit Blick auf den real- utopischen Alltag werden verhandelt. „Me2“ ein Video von Taysir Batniji (Sfeir-Semler Gallery, Hamburg- Beirut) zeigt ihn schemenhaft tanzend zu „I Will Survive“ – kurz nach Ausbruch des Irakkriegs, Klangfetzen eines Straßenfests wahrnehmend.

Feiern Sie den Fotosommer weiter im Frankfurter Städel: „Fotografien werden Bilder“ bis 13. August 2017. Die Becher-Klasse: Volker Döhne, Andreas Gursky, Candida Höfer, Axel Hütte, Tata Ronkholz, Thomas Ruff, Jörg Sasse, Thomas Struth, Petra Wunderlich at its best! Das ist Bildungsnahsehen! Neue Zeichnungen des vielseitigen Vorarlberger Künstlers Peter Wehinger sind in „Sonderbare Geschehen“ bis Ende Juli 2017 im Kunstverein Kaeshmaesh in der Ennsgasse 20 in Wien zu sehen. Sorgen Sie sich nicht, etwas zu verpassen – der Weg ist das Ziel! Schalten Sie mal (alles) ab. Lauschen Sie den Baumkronen, schließen Sie die Augen, spüren Sie die Meeresbrise – ganz egal, wo Sie sind! Geübte schaffen das im Stau oder ICE. Und probieren Sie: Karamell-Salz-Limone-Basilikum-Tonka-Rhabarber-Applaus! Fragen Sie Ihren Gelato-Dealer. Der Sommer wird heiß! Machen Sie doch, was Sie wollen!

Olaf Metzel, 1984, Württembergischer Kunst verein, Stuttgart

Gelateria Kaiserbau, Marienplatz, Stuttgart

Katharina Sieverding, Gilbert & George, Erwin Wurm, Schauwerk Sindelfingen

„SPLIT“ Spiegel, Licht, Reflexion im SCHAUWERK Sindelfingen (bis 30. Oktober 2017) mit Stars der Kunstszene: von John M. Armleder bis Nam Jun Paik, Michelangelo Pistoletto, Katharina Sieverding, Wolfgang Tillmanns, Not Vital und Erwin Wurm. Ein geniales Geheimtipp-Supermuseum! Peter Lindbergh, Kunsthalle München

Geheimtipp See

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — A M R E I ’ S A R T B L O G

Amrei Heyne vor Josef Alexander Henselmann, 2013, Flughafen München,

München: „Peter Lindbergh. From Fashion to Reality“, bis 27. August 2017 in der Kunsthalle zeigt den Meister, der natürlich(e) Ikonen schuf. Seine unveränderte Bildsprache hat Klasse, die bleibt. „Thomas Struth. Figure Ground“ macht mit seinem Werk bis 17. September 2017 Station im Haus der Kunst und beeindruckt durch Großformate. Am Eröffnungsabend lauschten Thomas Weski und Okwui Enwezor u. a. David Chipperfield, Doris Dörrie, Lothar Schirmer. Im Kunstfoyer der Versicherungskammer ist bis 10. September 2017 eine Münchner Retrospektive „Peter Keetman. Gestaltete Welt“ bitte nicht zu verpassen! Dass Keetman als deutscher Pionier in der angewandten und künstlerischen Fotografie gilt, wird spätestens jetzt jedem deutlich. Die Wolfgang-Tillmans-Ausstellung „Angstfrei auf die Welt schauen“in der Fondation Beyeler in Riehen nahe Basel läuft noch bis 1. Oktober 2017. Punk, Poesie, Fantasie!


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Bad Arolsen

Bietigheim- Bissingen

Düsseldorf

Dietrich Klinge Im Dialog mit der Klassik Interventionen im Christian Daniel Rauch-Museum bis 31.12.2017

Jenseits des Dokumentarischen Aktuelle Fotografie aus China und Deutschland 21.7. – 3.10.2017 Eröffnung: 20.7.2017, 19 Uhr Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen

SIN­G U­L AR / PLU­R AL. Kol­l a­b o­r a­t io­n en in der Post-Pop-Po­l it-Are­n a bis 1.10.2017 Aus­s tel­l ung zum 50-jäh­r i­g en Ju­b i­l ä­u m der Kunst­h al­l e Düs­s el­d orf

Die Intervention im Christian Daniel Rauch-Museum gestaltet der Bildhauer Dietrich Klinge. Seine Skulpturen, vor dem Marstall und im Inneren des Museums präsentiert, stehen im Dialog oder Diskurs zu den Skulpturen des Klassizismus. Wie Christian Daniel Rauch arbeitet Klinge mit dem Material Bronze, jedoch mit dem künstlerischen Anspruch eines zeitgenössischen Bildhauers, der seine Grundformen aus grob bearbeiteten Holzstämmen entwickelt. Es entstehen gegenständliche Figuren, die mytholo­g ische oder religiöse Inhalte aufweisen können. Die Prämisse des Gewinns von Erkenntnissen und der Erweiterung ästhetischer Erfahrungen ist auch der Intervention Dietrich Klinges zu eigen, der einer der renommiertesten Bildhauer der Gegenwart ist. „Ich habe eine starke Affinität zu unserem Zeitalter, aber ich denke ebenso an andere Räume, andere Epochen. Das ist nur ein anderer Dialog.“ (Dietrich Klinge) ☞ Christian Daniel Rauch-Museum Mi–Sa 14–17 Uhr, So 11–17 Uhr und nach Vereinbarung Schlossstraße 30, 34454 Bad Arolsen T +49 (0) 5691 625734 www.museum-bad-arolsen.de

Die Ausstellung zeigt zwölf Künstler, welche die Möglichkeiten der aktuellen Fotografie ausloten und die herkömmliche Vorstellungen von deren Rolle kritisch unter die Lupe nehmen: Was heißt Dokumentation? Muss ein Foto einen realen Ausgangspunkt haben oder kann es eine reine Bilderfindung sein? Wie wird ein fotografisches Bild hergestellt? Braucht man dafür eine Kamera oder kann man das Bild am Computer „zusammenbauen“ – oder gar von der Natur erstellen lassen? Muss ein Foto „lesbar“ sein, um seiner Funktion als Dokumentation gerecht zu werden? Und um­g ekehrt – wie gehen wir damit um, dass präzise aufgenommene Bilder von Objekten und Räumlich­ keiten diese weder dokumentieren noch kom­ mentieren, sondern „lediglich“ präsentieren? Den zeitgenössischen deutschen Fotokünstlern Andreas Gefeller, Corina Gertz, Samuel Henne, Michael Reisch, Michael Schnabel und Kris Scholz werden in der Ausstellung die chinesischen Fotografen Shan Feiming, Wang Ningde, Jiang Pengyi, Jiaxi Yang und Xu Yong gegenübergestellt. ☞ Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Di/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, Sa/So und feiertags 11–18 Uhr Hauptstraße 60–64, 74321 Bietigheim-Bissingen T +49 (0) 71 42 74 483 www.galerie.bietigheim-bissingen.de

Der Fo­k us die­s er Aus­s tel­l ung liegt auf Künst­l er*in­n en, die in den 1970er-Jah­r en in Düs­s el­d orf leb­t en und ge­m ein­s am ar­b ei­t e­t en: Micha­e l De­i st­l er, Bru­n o De­m at­t io, Achim Duchow, As­t rid Hei­b ach, Can­d i­d a Hö­f er, Chris­t of Kohl­h ö­f er, In­g­r id Kohl­h ö­f er, Klaus Met­t ig, Lutz Mom­m artz, Tony Mor­g an, An­g e­l i­k a Oehms, Sig­m ar Pol­k e, Ul­r i­k e Ro­s en­b ach, Ste­f an Run­g e, Con­r ad Schnitz­ler, Emil Schult, Mem­p his Schul­z e, Ka­t ha­r i­n a Sie­v er­d ing, Klaus vom Bruch, Ilo­n a & Wolf­g ang We­b er. Wir wer­f en mit die­s en Prot­a go­n ist*in­n en ei­n en fri­s chen Blick auf die Aus­d if­f e­r en­z ie­r ung der Küns­t e der Nach­k riegs­z eit so­w ie sub­k ul­t u­r el­l e Im­p ul­s e im deutsch­s pra­c hi­g en so­w ie eu­r o­p äi­s chen Raum; die meis­t en der in Sin­g u­l ar / Plu­r al ver­t re­t e­n en Wer­k e wur­d en noch nie in ei­n er Aus­s tel­lung ge­z eigt. Es ist da­b ei zen­t ral, dass die­s e lo­s e wie kos­m o­p o­l i­t isch ori­e n­t ier­t e Grup­p e ih­r e In­t er­e s­s en und Stra­t e­g i­e n in Aus­e in­a n­d er­s et­z ung mit und in Ab­g ren­z ung vom Nach­le­b en des deut­s chen Fa­s chis­m us ent­w i­c kel­t e. ☞ KUNSTHALLE DÜSSELDORF Di–So und feiertags 11–18 Uhr Grabbeplatz 4, 40213 Düsseldorf T +49 (0) 211 89 962 40 www.kunsthalle-duesseldorf.de

Christof Kohlhöfer, „Commedia dell’Arte of the coloured dogs“, 1976, Of fsetdruck, 28 x 21 cm, Courtesy: Christof Kohlhöfer

Jiaxi Yang, „The Horizontal Mode of a Waking Life (Pasta)“, 2016 Dietrich Klinge, „Daphne II“, Bronze, 2016, Höhe 167 cm, Ex. 5/6


185

Durbach

Eberdingen

Frankfur t

Herbert Zangs – Vom Sinn des Chaos bis 3.9.2017 Museum für Aktuelle Kunst Sammlung Hurrle Durbach

beide | both Sean Scully und Liliane Tomasko bis 22.12.2017 KUNSTWERK – Sammlung Klein

Kulturelle Vielfalt in der ganzen Stadt! 25. – 27.8.2017

Herbert Zangs (1924–2004 Krefeld) gilt heute als bahnbrechender Vorreiter der Avantgarde und der Gruppe ZERO. Er begann bereits in den frühen 1950er-Jahren mit Objektkunst und den sogenannten Verweißungen zu experimentieren, die von seinen Beobachtungen der verschneiten Landschaft Skandinaviens geprägt waren, wo er als junger Soldat der Luftwaffe stationiert war. 1977 trat er mit seinen „Anti-Büchern“ auf der documenta Kassel auf, bemühte sich jedoch nicht darum, im Kunstbetrieb anerkannt zu werden. Immer wieder versuchte er sich an neuen Techniken, von seinen Objektcollagen und Gussreliefs über die Scheibenwischer- und Blasenbilder bis hin zu Installationen, und digitaler Kunst. Zangs‘ Leben wie auch seine Kunst sind impulsiv, sich ständig verwandelnd – Kunst war für ihn Metamorphose, Erfindung und Entdeckung, niemals Stillstand. So konnte er früh (und zunächst unerkannt) die avantgardistische Kunst von u.a. Manzoni vorwegnehmen. Bis heute ist seine Kunst wegweisend. Die Retrospektive würdigt das Werk mit über 80 Arbeiten. ☞ Museum für Aktuelle Kunst Sammlung Hurrle Durbach Mi–Fr 14–18 Uhr, Sa/So und feiertags 11–18 Uhr Almstraße 49, 77770 Durbach T +49 (0) 781 93 201 402 www.museum-hurrle.de

In der zweiten Jahreshälfte präsentiert das KUNSTWERK – Sammlung Klein Werke des Künstlerpaares Sean Scully und Liliane Tomasko. Beide sind genuine Maler. Beide malen abstrakt, und dennoch schöpft sich bei beiden das künstlerische Tun aus dem persönlichen Wahrnehmen und Erleben. Über grundsätzliche Gemeinsamkeiten hinaus verläuft ihre künstlerische Arbeit parallel zueinander mit jeweils individuellem Stil. Jeder von ihnen hat einen eigenen Weg. Sean Scully hat mit seinen Bildgefügen aus Farbfeldern und -bändern bereits in den 1980er-Jahren den internationalen Durchbruch erzielt. Seine Gemälde befinden sich in den Sammlungen der großen Museen weltweit. Wie Scully ist auch Liliane Tomasko in internationalen Ausstellungen mit ihren Gemälden präsent, die mit gestischen Zügen bildräumliche Gewebe aus grafischen und malerischen Elementen bilden. Dass nun Arbeiten der beiden Künstler in Eberdingen-Nussdorf zu sehen sind, findet einen Grund im Bestand der Sammlung. Alison und Peter W. Klein haben in den letzten Jahren repräsentative Werke von Sean Scully erworben, die – in Europa einzigartig – alle Schaffensphasen von Beginn der 1970er-Jahre bis in die Gegenwart umfassen. ☞ KUNSTWERK – Sammlung Klein Mi–Fr/So 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 70 42 376 95 66 www.sammlung-klein.de

Slg. Hurrle Durbach, Foto: George Ksandr © Galerie Maulberger, München 2016

Sean Scully, „Oisin Sea Green“, 2016,

Öl und Acryl auf Leinwand,

Öl auf Aluminium,

193 x 178 cm,

215,9 x 190,5 cm,

Foto: Eric Tschernow

Foto: Christoph Knoch

© Liliane Tomasko

© Sean Scully

Foto: Holger Ullmann, © IHK Frankfurt am Main

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Herbert Zangs, O.T., Objektcollage, Verweißung, 1953, verschiedene Objekte auf Sperrholz, verweißt, 58 x 34 x 7 cm,

Liliane Tomasko, „The Great Unfolding“, 2016,

Das Museumsufer Frankfurt zählt zu den wichtigsten internationalen Museumsstandorten. Avantgarde und alte Meister, spektakuläre Ausstellungen, eine reiche Stadtgeschichte, Goethe und seine kreativen Erben, Weltkultur und Finanzkultur, Design und Prähistorie – in diesem kulturellen Spannungsfeld bewegt sich Frankfurt am Main und sein in Europa einzigartiges Bauensemble aus 34 herausragenden Häusern. In nächster Nähe zum Fluss, zur Schirn Kunsthalle, Fotografie Forum, Frankfurter Kunstverein und MMK Museum für Moderne Kunst wird 2017 im Herzen der Stadt am Römerberg der Neubau des Historischen Museums feierlich eröffnet. Frankfurt ist zudem für seine attraktiven Kultur-Events bekannt. Neben der Nacht der Museen im Frühjahr ist vor allem das Museumsuferfest im Sommer ein Highlight: Bei einem der größten europäischen Kulturfestivals verwandeln sich am letzten Wochenende im August (25.–27.08.2017) beide Mainufer in eine Partymeile. ☞ www.museumsuferfest.de www.museumsufer-frankfurt.de


23. Juli bis 10. September 2017

24. September bis 19. November 2017

SHARED SPACES

papier = kunst 9

Joe Hamilton, An Illusion of Democratic Experience, 2012 (Still)

Helmut Dirnaichner, Lichtsteine

mit Marieta Chirulescu, Michael Hakimi, Joe Hamilton, Esther Poppe, Daniel Keller, Daniel Kiss, Florian Meisenberg, Aude Pariset, Ellen Wagner, Benjamin Zuber, kuratiert von Ellen Wagner

mit Christoph Dahlhausen, Helmut Dirnaichner, Katharina Fischborn, Christian Frosch, Sabine Jacobs, Irmtraud Klug-Berninger, Maren Ruben, Heike Weber, Tilmann Zahn, kuratiert von Elisabeth Claus

im Erdgeschoss: Show it again... Annette Reichardt + Stewens Ragone Eröffnung: Sa., 22. Juli, um 18 Uhr

im Erdgeschoss: Show it again... Peter Völker Eröffnung: Sa., 23. September, um 18 Uhr

Johannes Heisig KLIMAWECHSEL 1. Juli – 26. November 2017

Pfaffengasse 26 | www.museen-aschaffenburg.de


187

Frankfur t

Goch

Hannover

22. Hafen-Auktion 9.9.2017 190. Kunstauktion 11.11.2017 Kunst- und Auktionshaus Döbritz

Norbert Schwontkowski Dem Tod ins Gesicht gelacht bis 10.9.2017 Museum Goch

20. ZINNOBER 1./2./3.9.2017 Kunst-Saisonauftakt in Hannover

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Bernard Schultze (1915–2005), „Mystische Lichtlandschaft“

Norbert Schwontkowski, „am Meer“, 1996 © The Estate of Norbert Schwontkowski & Contemporary,

1./2. /3.9.2017 Fr + S a 1 6 -2 1 U h r / S o 1 1 -1 9 U h r

Fine Arts, Berlin

Landeshauptstadt hannover

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Ku n s

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Zum 20-jährigen Jubiläum öffnen 59 Kunstorte ihre Türen und über 350 Künstler/innen zeigen das breite Spektrum der zeitgenössischen Kunst in Hannover mit aktuellen Ausstellungen. Zusätzlich gibt es spannende Aktionen an den einzelnen Ausstellungs­ orten wie Performances, Live-Musik, Lesungen, Künstlergespräche und Künstlerfeste. Aus Anlass des Jubiläums kommt in diesem Jahr ein kuratiertes Sonderprogramm an vier weiteren Orten dazu. Den ZINNOBER-Auftakt bildet am Donnerstagabend in der Städtischen Galerie KUBUS die KUBUS-Party. Der ZINNOBER ist eine jährlich Anfang September stattfindende Veranstaltung mit professionell arbeitenden Künstler/innen der Bildenden Kunst. Die großen Institutionen wie die Kestner Gesellschaft, der Kunstverein Hannover und die Städtische Galerie KUBUS beteiligen und präsentieren sich an diesem Wochenende ebenso wie die großen und kleinen Galerien, Projekträume und Atelierhäuser. ☞ Veranstalter/Information/Programm Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover Landschaftstraße 7, 30159 Hannover T +49 (0) 511 168 45245 allgemeine Öffnungszeiten der Kunstorte: Fr/Sa 16–21 Uhr, So 12–18 Uhr www.zinnober-hannover.de

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Im Herbst finden im Auktionshaus Döbritz gleich zwei spannende Versteigerungen statt. Am 9. September werden antike und moderne Möbel versteigert sowie Teppiche und großformatige Gemälde. Mit der 190. Kunstauktion am 11. November beschließt Döbritz das erfolgreiche Jahr 2017. Zum Aufruf kommen Gemälde und Zeichnungen von Altmeistern des 17. Jahrhunderts bis hin zur klassischen Moderne. Darunter ein großes Werk des Frankfurter Quadriga-Künstlers Bernard Schultze von 1977 (siehe Abbildung). Außerdem kommen Skulpturen, Uhren, Porzellan, Silber und Schmuck unter den Hammer. ☞ Kunst- und Auktionshaus Döbritz Mo–Fr 10–18 Uhr, Sa 10–14 Uhr Braubachstraße 10-12, 60311 Frankfurt T +49 (0) 69 28 77 33 www.doebritz.de

Das Museum Goch widmet dem Maler Norbert Schwontkowski (1949–2013) in diesem Sommer eine umfangreiche Ausstellung. Die große malerische Qualität seiner Bilder, verbunden mit einem subtilen Sinn für Humor, zeichnet das malerische Oeuvre des Künstlers aus. Seine Farbgründe sind in vielen Schichten übereinanderliegend durchgearbeitet. Sie bilden den Bühnenraum für die Geschichten, die sich jedoch den Deutungen und dem raschen Zugriff entziehen. Der Betrachter wird allein gelassen mit den stillen und melancholischen Welten. Surreale Geschichten, die mit historischen, religiösen oder auch alltäglichen Bezügen spielen und beim Betrachter mehr Zweifel als Sicherheit hinterlassen. Im Anschluss wird die Ausstellung in der Kunsthalle Wilhelmshaven gezeigt. ☞ Museum Goch Di–Fr 10–17 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Kastellstraße 9, 47574 Goch T +49 (0) 2823 9708 11 www.museum-goch.de


Galerie Wild zu Gast im St.Johann

POPSOMMER Vom 27. Mai bis 21. September 2017 Christo, James Gill, Allen Jones, Andrei Krioukov, Jeff Koons, Roy Lichtenstein, Rolf Lukaschewski, Takashi Murakami, Nina Nolte, Mel Ramos, Niki de Saint Phalle, Wolfgang Sinwel, David Spiller, Wolfgang Thiel, Ernest White u. A. St.Johann, Brückengasse 1, D-78462 Konstanz Galerie Wild, Turbinenstr. 32, CH-8005 Zürich, Tel.+41-43 9603484, www.galerie-wild.ch, mail@galerie-wild.ch

WOLDEMAR WINKLER – SCHATTENSTRÖME

8. Juli bis 22. Oktober 2017

PANORAMA MUSEUM

Am Schlachtberg 9 06567 Bad Frankenhausen Tel.: 034671 / 6190 www.panorama-museum.de Di bis So 10 - 18 Uhr

Leda mit dem Schwan im Garten der lasziven Blumen 1979 Woldemar-Winkler-Stiftung der Sparkasse Gütersloh


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Heidenheim

Heilbronn

Innsbruck

Klaus Illi RATSCHENORCHESTER und Chor der Whistleblower bis 17.9.2017 Kunstmuseum Heidenheim

Vom Raum an die Wand. Bildhauergrafik 15.7. – 8.10.2017 Kunsthalle Vogelmann

ART Innsbruck Eine Kunst-Show exquisiter Vielfalt 25. – 28.1.2018 Messe Innsbruck Die 22. ART Innsbruck vom 25. bis 28. Jänner 2018 lockt einmal mehr mit einem aufregenden Mix an internationaler zeitgenössischer Kunst und einer erlesenen Auswahl an Klassischer Moderne. Gleichwohl diese Messe auf vertrautem Terrain stattfindet, sei sie doch jedes Mal aufs Neue wieder eine Herausforderung, wie die ambitionierte Messegründerin Penz charmant lächelnd gesteht. „Wir wollen uns immer wieder selbst toppen.“ Eine Messe bleibe nämlich nur dann frisch und jung, wenn man sich fortwährend nach neuen Highlights und Specials umsieht, findet Penz. „Und wir haben einfach den Anspruch an uns selbst, unser Publikum immer wieder mit einem spannenden Ausstellermix und aufregenden Sonderschauen zu begeistern. Bei der ART Innsbruck sollen anspruchsvolle Kunstliebhaber ebenso andocken können wie erfahrene Sammler.“ Gezeigt wird zeitgenössische Kunst des 19./20./21. Jahrhunderts – Gemälde, Arbeiten auf Papier, Auflagenobjekte, Originalgraphiken, Skulpturen, Objekte/Installationen, Künstlerbücher, Fotografien, Neue Medien und weitere Kostbarkeiten. ☞ ART Innsbruck Do–Sa 11–19 Uhr, So 11–18 Uhr Messe Innsbruck, Haupthalle, A-6020 Innsbruck T +43 (0) 512 567101 www.art-innsbruck.com

Stimmungsbild der Messe: Die Fotografen

Klaus Illi, „Ratschenorchester“, 2015–17 © VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Eduardo Chillida, „Galerie Maeght. Af fiche No. 87“, 1964, Lithografie, Kunstsammlung Büsser, Foto: Gregor Zawadzki © Zabalaga-Leku / VG Bild-Kunst, Bonn 2017

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Wer Krach macht, erzeugt Aufmerksamkeit. Damit zählt das Krachmachen zu den ursprünglichsten sozialen Äußerungsformen des Menschen, denn mit Krach kann ein Mensch seinesgleichen vor Gefahren warnen oder aber seine Dominanz über andere Menschen ausdrücken, weil Lärm alle anderen Formen der Kommunikation unterbindet. Aus diesem Grund bleibt das Krachmachen im normalen Alltagsleben meist auf wenige, rituell legitimierte Ereignisse wie Feste, Karneval, Kriege, Demonstrationen oder Spiele beschränkt. Wenn nun ein Künstler wie Klaus Illi uralte Lärmerzeugungsinstrumente – wie Ratschen und Pfeifen – mit modernster Automatisierungstechnik (der Firma FESTO) zu einem Ratschenorchester verbindet, dann überschreitet er bewusst Grenzen: 1. Die Grenze als erwachsener Mensch jenseits rituell legitimierter Ereignisse wie Karneval, Stadion oder Demonstration Lärm zu machen; 2. die Grenze zwischen Bildender Kunst und Musik; und 3. die Grenze des guten Geschmacks, weil er eben keine Musik, sondern Lärm macht. ☞ Kunstmuseum Heidenheim Di–So/feiertags 11–17 Uhr, Mi 13–19 Uhr Marienstraße 4, 89518 Heidenheim T +49 (0) 7321 327 4810 www.kunstmuseum-heidenheim.de

Erstmals widmet sich die Kunsthalle Vogelmann der Bildhauergrafik. Für den Spanier Eduardo Chillida (1924–2002) sowie die amerikanischen Künstler Fred Sandback (1943–2003) und Richard Serra (* 1939) ist die Druckgrafik nicht nur Hilfsmittel, sondern ein eigenständiges Betätigungsfeld. Eine farbliche Zurückhaltung charakterisiert alle ausgestellten Arbeiten. Zugleich ist daran ablesbar, wie verschiedenartig Bildhauer mit Raum auf dem Papier umgehen. Insbesondere die unterschiedlichen Techniken der Radierung, der Lithografie und des Linolschnitts inspirieren die Bildhauer zu neuen Bildfindungen: Sie denken und realisieren klassische Fragestellungen bezüglich der Räumlichkeit, Proportion und Bewegung in der Fläche. Die Ausstellung mit Leihgaben aus zwei renommierten Privatsammlungen erlaubt eine Gegenüberstellung dieser drei international bedeutenden Bildhauer und veranschaulicht Methoden skulpturalen Denkens. ☞ Kunsthalle Vogelmann Di/Mi/Fr–So/feiertags 11–17 Uhr, Do 11–19 Uhr Allee 28, 74072 Heilbronn T +49 (0) 71 31 56 44 20 www.museen-heilbronn.de


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Oberhausen

Pforzheim

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Finding the Unexpected SAM SHAW 60 Jahre Fotografie bis 17.9.2017 LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

Doppelausstellung Must-haves – Schmuck großer Juweliere Must-sees – Schmuck in der Kunst bis 10.9.2017 Schmuckmuseum Pforzheim

Picasso und die Frauen bis 12.11.2017 kunsthalle messmer

Mit der Ausstellung „Finding the Unexpected. SAM SHAW. 60 Jahre Fotografie“ widmet sich die LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen einem der wichtigen amerikanischen Fotografen des 20. Jahrhunderts. In einer umfangreichen Präsen­ tation mit etwa 230 Schwarz-Weiß-Fotografien werden die verschiedenen Facetten des vielseitigen Werks des in New York geborenen Shaw beleuchtet. Ikonen wie Marilyn Monroe aus „Das verflixte 7. Jahr“ – wer kennt den hochfliegenden Plisseerock nicht – sind ebenso zu sehen, wie seine einfalls­ reichen Künstlerporträts oder die Bildberichte zu Armut und Verbrechen. Der Film ist das große Vorbild für seine Aufnahmen. So finden sich vielfach ungewöhnliche Blickwinkel, die an Kamera­ einstellungen für Filmsequenzen erinnern. Neben den Klassikern sind thematische Schwerpunkte herausgearbeitet zu Bereichen wie Sport, Porträt, Verbrechen oder Film. ☞ LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Di–So 11–18 Uhr Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen T +49 (0) 208 41249 28 www.ludwiggalerie.de

Menschen lieben Schmuck und lassen sich mit dessen Pracht auf Bildern verewigen. So ist in der Schau „Must-haves“ Goldschmiedekunst vom Feinsten zu sehen, während parallel in „Must-sees“ gezeigt wird, wie in der Bildenden Kunst der getragene Schmuck als Bildmotiv wieder auftaucht. Die Schau spannt einen Bogen von der Antike bis heute. Eine spannende Symbiose aus einzigartiger, wertvoller Juwelierskunst, die zu den Must-haves zählt und deren Abbildungen in der Bildenden Kunst echte Must-sees sind! ☞ Schmuckmuseum Pforzheim im Reuchlinhaus Di–So und feiertags 10–17 Uhr Jahnstraße 42, 75173 Pforzheim T +49 (0) 7231 39 21 26 www.schmuckmuseum.de

Maisie Broadhead, „Ball and Chain“, 2016, Großbritannien, aus der Serie „Pearls“, Digitale Farbfotografie und Glasperlen © Maisie Maud Broadhead

Pablo Picasso, „Figure au corsage rayé“, 1949, Farblithographie Probedruck, 65 x 45 cm, Bloch 604 Sam Shaw, „Sophia Loren“, Los Angeles 1960 © Sam Shaw Inc. – www.shawfamilyarchives

© Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2017

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Die kunsthalle messmer beleuchtet in ihrer sensationellen 25. Ausstellung Leben und Schaffen des bedeutendsten Künstlers der Moderne: Pablo Picasso. Sie setzte dabei nun einen völlig neuen Schwerpunkt: Dass Dora Maar eine erfolgreiche und talentierte Fotografin war, ist gut dokumentiert. Doch wer kennt die originalen Arbeiten von Françoise Gilot, der einzigen Frau, die es jemals wagte, Picasso in aller Öffentlichkeit zu verlassen? Oder die Aquarelle von Sylvette David, die Picasso in kurzer Zeit über 50 Mal porträtierte und die zur Stilikone wurde, an der sich sogar Brigitte Bardot orientierte? Neben zahlreichen Arbeiten Picassos werden auch originale Arbeiten von Françoise Gilot, Dora Maar, Sylvette David und Fernande Olivier präsentiert. In einzigartiger Weise werden so nie dagewesene Einblicke in das künstlerische Schaffen der Frauen um Picasso vermittelt. ☞ kunsthalle messmer Di–So 10–18 Uhr Grossherzog-Leopold-Platz 1, 79359 Riegel a. K. T +49 (0) 7642 920 16 20 www.kunsthallemessmer.de


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2. April–22. Oktober 2017

Simeonstr. 60, neben der Porta Nigra | 54290 Trier Fon | +49 (0)651 718-1459 | www.museum-trier.de Dienstag bis Sonntag 10–17 Uhr Erster Sonntag im Monat: Eintritt 1,- €

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21. Mai bis 22. Oktober 2017 im Kurpfälzischen Museum


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Rosenheim

Schwäbisch Gmünd

Erlebnisausstellung PHARAO – LEBEN IM ALTEN ÄGYPTEN bis 17.12.2017 Ausstellungszentrum Lokschuppen

Stefan Rohrer. Roller Coaster 8.7. – 10.9.2017 Galerie im Prediger Schwäbisch Gmünd

Zwischen Menschen und Göttern, zwischen Himmel und Erde. Gewaltige Grabanlagen und steinerne Monumente königlicher Allmacht, die den Himmels­ aufstieg des Pharaos und seine Eingliederung in den Kreislauf der Sonne symbolisieren. Hier lebten Menschen, die arbeiteten und feierten, an Kulten und Kriegen teilnahmen, liebten und litten, Kinder zeugten und starben. Von 24. März bis 17. Dezember 2017 dreht sich im AUSSTELLUNGSZENTRUM LOKSCHUPPEN in Rosenheim alles um die legendären Pharaonen und ihr Reich, das Alte Ägypten. Die Ausstellung eröffnet einen neuartigen Blick auf die älteste Hochkultur der Welt. Was hielt diese Gesellschaft über Jahrtausende zusammen? Wer erkämpfte Ägyptens Größe? Wer baute die monumentalen Grabanlagen, Tempel und Paläste? Über 300 originale, bis zu 4.500 Jahre alte Artefakte vermitteln eine einmalige „Aura“ der Geschichte(n). Detailgetreue Modelle und spannende Medien­ stationen machen das Leben im Alten Ägypten erfahrbar. ☞ Ausstellungszentrum Lokschuppen Mo–Fr 9–18 Uhr, Sa/So und feiertags 10–18 Uhr Rathausstr. 24, 83022 Rosenheim T +49 (0) 8031 365 9036 www.lokschuppen.de

Das Werk von Stefan Rohrer, geb. 1968, dreht sich um das wohl wichtigste Kulturgut des 20. Jahrhunderts, um einen modernen Mythos, ja gar einen Fetisch: das Auto. Alte Autokarosserien, Motorroller und Modellautos zerlegt er in ihre Einzelteile. Neu zusammengesetzt, schweißt, schraubt und schleift er daraus in Popfarben lackierte und auf Hochglanz polierte Skulpturen, die mit bekannten Formen beginnen und sich alsbald im Fantastischen verlieren. Stefan Rohrer, der seine Skulpturen als ins Dreidimensionale übersetzte Comicstrips versteht, spielt dabei mit Ambivalenzen: „Meine Arbeiten vereinen Bewegung und Erstarrung, Realität und Täuschung, Spiel und Ernst“, sagt er. In Kooperation mit der Galerie Scheffel, Bad Homburg v. d. H. zeigt die Ausstellung ältere und neue, speziell auf den Ausstellungsraum abgestimmte Boden- und Wandarbeiten sowie ausgewählte Zeichnungen. ☞ Museum im Prediger Di/Mi/Fr 14–17 Uhr, Do 14–19 Uhr, Sa/So und feiertags 11–17 Uhr Johannisplatz 3, 73525 Schwäbisch Gmünd T +49 (0) 7171 603 4130 www.museum-galerie-fabrik.de

PHARAO LEBEN IM ALTEN ÄGYPTEN

11.03. - 04.12.2016 www.lokschuppen.de

Stefan Rohrer, „Roller Coaster“, 2009, Motorräder, Stahl, Lack, 80 x 140 × 720 cm

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Das OVB-Medienhaus präsentiert:


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Schwerin

Waib ling en

Die Menagerie der Medusa Otto Marseus van Schrieck und die Gelehrten 7.7. – 15.10.2017 Staatliches Museum Schwerin Galerie Alte & Neue Meister Schwerin

Die Linie ist Gedanke – Faszination Zeichnung bis 27.8.2017 Christoph Niemann. Modern Times 23.9.2017 – 7.1.2018 Galerie Stihl Waiblingen

Die Ausstellung zeigt zum ersten Mal den Erfinder des „Waldbodenstilllebens“ – Otto Marseus van Schrieck – im Kontext seiner Zeitgenossen. Sie stellt nicht allein die Schönheit von Stillleben ins Zentrum der Betrachtung, sondern auch die Faszination des Dunklen, Verborgenen, Unheimlichen und dessen vielfältige Bedeutungen. Otto Marseus van Schrieck stellte Pilze, Insekten und Spinnen, Amphibien und Reptilien, vor allem Schlangen, dar. All diese Pflanzen und Tiere wurden zu seiner Zeit von Gelehrten und Künstlern intensiv erforscht. Das 17. Jahrhundert erlebte einen Epochenwandel, der von der Buchgelehrsamkeit zur empirisch forschenden Naturwissenschaft führte und die Grundlage unseres heutigen Weltbildes schuf. Bis dahin unbekannte visuelle Welten, Dinge, die nie zuvor gesehen worden waren, verlangten nach Darstellung. Der Zusammenhang der Stillleben mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ihrer Zeit lässt die Ausstellung in einer ganz eigenen lebendigen Faszination erstrahlen. ☞ Staatliches Museum Schwerin/Ludwigslust/Güstrow Galerie Alte & Neue Meister Schwerin Di–So 11–18 Uhr Alter Garten 3, 19055 Schwerin T +49 (0) 385 5958 0 www.museum-schwerin.de

Das Zeichnen ist eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen. Mit einer Auswahl von 12 Künstler­ positionen widmet sich die Galerie Stihl Waiblingen vom 3. Juni bis 27. August 2017 der Faszination der Zeichnung in der aktuellen Kunst. Gerade die Prozessualität und Dynamik zeichnet die schöpferische Erfindung der zeichnerischen Linie aus. Laut Paul Klees Kunstlehre fasst die Linie Gedanken und übersetzt sie in ein Bild. Die in der Ausstellung präsentierten Werke führen vor Augen, wie sich Raum, Zeit oder Bewegung in Gestalt der Linie als Bild einfangen lassen. Die Waiblinger Gruppenausstellung zeigt die überraschende Vielfalt, mit der deutsche und internationale Künstlerinnen und Künstler ihre Ideen mit wenigen Linien sichtbar machen oder große bildnerische Gefüge entstehen lassen. Das Spektrum der Werke reicht von abstrakt bis gegenständlich, vom kleinen bis zum monumentalen Format. ☞ Galerie Stihl Waiblingen Di/Mi/Fr–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr Weingärtner Vorstadt 12, 71332 Waiblingen T +49 (0) 7151 50 01 16 86 www.galerie-stihl-waiblingen.de

Thomas Müller, Ohne Titel, 2016, Kugelschreiber auf Papier, Courtesy: Galerie Michael Sturm, Stuttgart, Peter Paul Rubens, „Das Haupt der Medusa“, um 1618,

Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart

Öl auf Holz, 60,6 x 112 cm

© Thomas Müller

© Moravská Galerie v Brn ě (Moravische Galerie), Brno


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Wo lf sb urg

Würzburg

Zürich

BERND LUZ – Legends of Le Mans bis 13.8.2017 Stiftung AutoMuseum Volkswagen

Julius Echter. Der umstrittene Fürstbischof. Eine Ausstellung nach 400 Jahren bis 17.9.2017 Museum am Dom

Hommage an Emmett Williams bis 22.7.2017 Galerie & Edition Marlene Frei

Der Fürstbischof Julius Echter prägte in den 44 Jahren seiner Herrschaft die Region Mainfranken bis heute nachhaltig. Umstritten war Echter aber immer: den einen gilt er als beispielhafter Bischof und durchsetzungsstarker, frühneuzeitlicher Landesherr, für die anderen ist sein Namen verknüpft mit der Vertreibung der Protestanten, der Entweihung des jüdischen Friedhofs und fanatischen Hexenverbrennungen. Die Ausstellung beleuchtet die Hintergründe und Auswirkungen derselben und bietet eine Auseinandersetzung mit Person und Zeit Echters. Zahlreiche historische Zeugnisse nationaler und internationaler Leihgeber zeichnen zusammen mit interaktiven Medienstationen, Audiobeispielen und Karten ein lebendiges Bild einer uns heute fremden Zeit. Die Besucherinnen und Besucher sind dazu eingeladen, die Person Julius Echter aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen und sich abschließend ein eigenständiges Urteil zu bilden. ☞ Museum am Dom Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Kiliansplatz 1, 97070 Würzburg T +49 (0) 931 386 65 600 www.museum-am-dom.de

Emmett Williams war ein begnadeter Künstler, Dichter und Performer, der unbeirrt von allen Tendenzen ein eigenständiges Werk schuf, das ihm einen vorderen Platz in der Kunst- und Literaturgeschichte sichert. Der 1925 in South Carolina geborene US-Amerikaner gehörte dem „Darmstadt Circle“ Konkreter Poesie an, war Mitbegründer der Fluxus-Bewegung und prägte von 1966 bis 1970 in New York als Chef-Redaktor die legendäre Something Else Press. Ab 1980 lebte er in Berlin, wo er 2007 verstarb. Zu seinen bedeutendsten Publikationen zählt der erotische Gedichtband „sweethearts“(1966), zu dem Marcel Duchamp das Cover beisteuerte. Eine seiner populärsten Performances war „Alphabet Symphony“ (1962), in der Buchstaben mit Aktionen kombiniert wurden. Darauf bezieht sich die Serie „12 Portraits“ (1992), in denen er mit Objekten anstelle von Buchstaben die Namen seiner Künstlerfreunde lesbar macht. Die Ausstellung umfasst auch Druckgrafiken und wichtige Arbeiten aus thematischen Serien von 1963 bis 2003. ☞ Galerie & Edition Marlene Frei Mi–Fr 14–18 Uhr, Sa 13–16 Uhr Zwinglistrasse 36, CH–8004 Zürich T +41 (0) 44 291 20 43 www.marlenefrei.com

Bernd Luz, „Legends of le Mans“, Ausstellungsansicht

Emmett Williams, aus der Serie „12 Portraits: Jean Tinguely“, 1992, Porträt des Fürstbischofs Julius Echter, um 1615, Kloster Dettelbach

Objekte auf Plastiklaminat, auf Holzplatte, in Holzrahmen, 155 x 124,8 cm

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — T E R M I N E F Ü R E N T D E C K E R

Die Historie des 24 Stunden Rennens spannend illustriert und in Szene gesetzt in besonderer „Abstrakt Pop-Technik“. Der Künstler Bernd Luz zeigt mit seinen PopArts nicht nur Kunst, sondern einen Querschnitt durch die Geschichte des wichtigsten Autorennens. Seit seinem Ursprung in den 1920er-Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute. Porsche, Jaguar, Mercedes, Alfa, Ford, BMW und andere. Kunst und Information überaus emotional und faszinierend umgesetzt. 130 Fahrzeuge geben auf 5.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche einen faszinierenden Eindruck der Volkswagen Produkthistorie. Zum Künstler Bernd Luz: – BMW ArtCar und Campagnolo-ArtBike – Zeitgenössischer internationaler Pop-Art-Künstler – Bilder in Nationalmuseen, Museen weltweit – internationale TV Auftritte – Autor von zwei Kunstbücher – BMW Art Car und Campagnolo-Art-Bike ☞ Stiftung AutoMuseum Volkswagen Di–So 10–17 Uhr Dieselstraße 35, 38446 Wolfsburg T +49 (0) 53 61 520 71 www.automuseum.volkswagen.de www.BerndLuz.de


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23.10.12 13:58 aus Artmapp, Herbst / Winter 2012 / 2013, Redaktion / Text Christiane Morsbach, c.morsbach@artmapp.net.

3/13 – Winter 2013/14

2/13 – Sommer 2013

1/13 – Frühjahr 2013

1/12 – Winter 2012/13


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Wo gibt es Freiheit, wenn nicht in der

Leidenschaft? Gustave Flaubert

Es gibt vielleicht Wichtigeres im Leben als Kunst zu schaffen. Aber kaum etwas Befreienderes! Jede Form von Kunst ist Leidenschaft! Eine Leidenschaft, die wir seit 35 Jahren mit unseren Kunden teilen. Deshalb sind die über 40 boesner-Häuser viel mehr als nur Bezugsquellen für Künstlermaterialien, Rahmen und Bücher. Es sind Orte der Inspiration für Künstler und Kunstbegeisterte. Das ist uns wichtig.

www.boesner.com

Alice Henkes, Amrei Heyne, Jasmin Hummel,

ART DIRECTION

Cornelia Mechler, Marc Peschke, Carsten Probst,

Bethmann Design GmbH & Co. KG

Nina Reinhardt, Wolfgang Siesing, Irina Wedlich

www.bethmann-design.de

erscheint im Verlag ARTMAPP GmbH

TEXTREVISION

DRUCK

Geschäftsführerin Silvia Brouwer

Katrin Günther, Berlin

NEEF + STUMME premium printing

Verlag in der Pfizerstraße 11, 70184 Stuttgart

KUNST – Buch, Text, Netz

Schillerstraße 2, 29378 Wittingen

Firmensitz Stuttgart

katrin_guenther@gmx.net

IMPRESSUM

ARTMAPP MAGAZIN 15. Ausgabe – 6. Jahrgang

VERTRIEB

HRB 760200 Amtsgericht Stuttgart

HERAUSGEBER

MITARBEITER DIESER AUSGABE

DPV Vertriebsservice GmbH

Mark Brouwer, Bettina Götz, Nina Czayka,

Süderstraße 77, 20097 Hamburg

Carmen Jäger, Ute Lauterjung ABO

Reiner Brouwer M +49 (0) 171 170 69 23

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Silvia Brouwer

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Weitere Informationen unter www.artmapp.net

AUTOREN DIESER AUSGABE

Silvia Brouwer

Sarah Alberti, Sebastian Baden, Kim Behm,

Pfizerstraße 11, 70184 Stuttgart

Am 13. November 2017 erscheint die nächste

Katja Behrens, Dr. Ulrich Blanché,

T +49 (0) 711 161 224 15

Ausgabe ARTMAPP Winter 2017/18.

Barbara Brubacher, Nicole Büsing & Heiko Klaas,

s.brouwer@artmapp.net ISSN 2195-1594

Babette Caesar, Holger Christmann, Hansjörg Fröhlich, Dr. Chris Gerbing,

DESIGNKONZEPT

www.artmapp.net, mobil.artmapp.net,

Bülent Gündüz, Mag.MAS Eva Habison,

Design – Chris Steurer, www.csteurer.com

www.facebook.com/ARTMAPP

Der ARTMAPP-Teilauflage liegen auf Seite 17 die Broschüre „Kultursüden“ der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg, Stuttgart, auf Seite 81 die Broschüre „DEIN NRW #neuentdecken“ von Tourismus NRW e. V., Düsseldorf, und auf der Umschlagrückseite die Hotelbroschüre „Sightsleeping-Hotels – Besondere architektonische Hotels in Bayern“ von BAYERN TOURISMUS Marketing GmbH, München, bei. Sollten diese Beilagen nicht vorhanden sein oder Sie weitere Exemplare wünschen, wenden Sie sich bitte an: mail@artmapp.net.

A R T M A P P   S O M M E R 2 017 — I M P R E S S U M

USt.-IdNr. DE284814593


Schweizer Fotografie im Wechselspiel zwischen Fernweh und Heimat Mit Reto Camenisch, David Favrod, Martin Glaus, Yann Gross, Daniela Keiser, Ella Maillart

Martin Glaus, Ausflug einer Artistenfamilie, 1950 ŠFotostiftung Schweiz

ALLER-RETOUR 20.5.–13.8.2017



2017/18

SINGULAR / PLURAL

Kollaborationen in der Post-Pop-Polit-Arena 8. Juli – 1. Oktober 2017 Klaus vom Bruch Michael Deistler Bruno Demattio Achim Duchow Astrid Heibach Candida Höfer Christof Kohlhöfer Ingrid Kohlhöfer Klaus Mettig Lutz Mommartz Tony Morgan Angelika Oehms Sigmar Polke Ulrike Rosenbach Stephan Runge Conrad Schnitzler Emil Schult Memphis Schulze Katharina Sieverding Ilona & Wolfgang Weber

Ständige Partner Kunsthalle Düsseldorf

Kunsthalle Düsseldorf wird gefördert durch

Die Ausstellung wird gefördert durch

Christof Kohlhöfer Commedia dell’Arte of the Coloured Dogs, 1976 Offsetdruck, 28 x 21 cm Courtesy Christof Kohlhöfer


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