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Die Smart Factory braucht intelligente Netzwerke

Berthold Wesseler

Aufbau und Betrieb von Campusnetzwerken gelten als aufwändig. Es gibt aber durchaus Ansätze und Massnahmen, mit denen der IT-Chef eines mittelständischen Unternehmens den Aufwand nachhaltig senken und damit deutlich bei den Einrichtungs- und Betriebskosten sparen kann. Die wohl effektivste Methode ist ein Network-as-a-ServiceModell. Sprich: Ein Dienstleister übernimmt die Planung, Installation, 7x24-Betrieb und Technologie-Updates – abgerechnet wird das Ganze monatlich «nach Verbrauch», also beispielsweise abhängig von der Zahl der ge-

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Allerorten ist die Rede heutzutage von der Digitalisierung – natürlich auch und gerade in der Industrie. Doch wie so oft ist das leichter gesagt als getan, denn gerade bei der Digitalisierung in der Fabrik steckt der Teufel im Detail. Sensoren unterschiedlichster Maschinen speisen z. B. Informationen in die IT-Systeme ein, die erst einmal verstanden und zeitnah, wenn möglich in Echtzeit, zentral weiterverarbeitet und in sinnvolle Aktionen umgewandelt werden wollen. Die Techniker sprechen dann von Campusnetzen, 5G-Mobilfunk, Edge Computing oder KI. Das klingt alles andere als einfach und vor allem nicht gerade billig, sodass der Mittelständler oft zurückzuckt. IT business gibt Tipps auf den langen Weg zur «Smart Factory».

nutzten Access-Points, Switcher und Router. Mit diesem Modell entfällt nicht nur der Investitionsaufwand für das Campusnetz, es sinken auch nachweislich die Gesamtbetriebskosten. Das Netz lässt sich ausserdem schnell und unkompliziert im Rahmen der variablen Abrechnung skalieren. Dabei sollte dieses Campusnetzwerk allerdings möglichst genau auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens zugeschnitten sein – vor allem auf die Anwendungsszenarien des Campusnetzes und auf die Endgeräte, die mit diesen Anwendungen arbeiten sollen. Die Frage ist zum Beispiel: Sind diese Endgeräte mobil oder stationär vernetzt? Ein zweckorientiertes Campusnetzwerk zeichnet sich dadurch aus, dass es die erforderlichen Geräte und Dienste ohne jede Ausnahme unterstützt – und zwar nicht nur drahtlose Netzvarianten wie WLAN, LTE/5G, Bluetooth oder Ultra-Breitband (UWB), sondern auch drahtgebundene und weitere Wide-Area-Anbindungsformen, die zunehmend am Campus Anwendung finden, wie etwa die Funktechnologien LoRa oder NBIoT. Es sollten aber – Stichwort Einsparung

– nur diejenigen Netzvarianten ausgebaut werden, die wirklich benötigt werden. Nicht jedes mittelständische Unternehmen benötigt beispielsweise 5G – selbst dann nicht, wenn es «Smart Manufacturing» betreibt.

Einsparpotenzial bei Rollout und Betrieb

Neben diesen Grundsatzüberlegungen besteht hohes Einsparpotenzial bei Rollout und Betrieb der IT-Infrastruktur durch Dashboardnutzung, die die Verwaltung des gesamten Netzwerks zentralisiert und somit vereinfacht. Ein zentrales Dashboard verringert den Konfigurationsaufwand bei der Integration neuer Komponenten und erlaubt so die Reduzierung der Bereitstellungszeiten. Dann ermöglicht das Campusnetz auch innovative Anwendungen wie autonome Transportsysteme, mobile Roboter oder KIgestützte Wartung. Solche Anwendungen erfordern Echtzeitanalysen von Massendaten auf dem Campus. Hier ist nicht aber nur ein leistungsfähiges, schnelles Campusnetz gefragt, sondern kommt es vor allem darauf an, dass die IT-Infrastruktur überhaupt für Echtzeitverarbeitung geeignet ist. Ausserdem spielen kombinierte, synchronisierte und gesicherte Abläufe vor allem für das «Industrial Internet of Things» (IIoT) eine kritische Rolle, weil ja Maschinen und Planungsprozesse – zum Teil in Echtzeit – miteinander vernetzt sein müssen. Ein Ansatz, der dies möglich macht, ist «Time-Sensitive-Networking». TSN im industriellen Ethernet ermöglicht es, verschiedene Werksnetze in einem sicheren, deterministischen Industrienetz für Industrie 4.0 zusammenzuführen. IIoT-Anwendungen werden über dieselbe Ethernet-Infrastruktur ausgeführt wie die zeitkritische industrielle Automatisierungs- und Steuerungskommunikation. TSN kann auf diese Weise Silos beseitigen, die eine Erreichbarkeit kritischer Komponenten blockieren können. Gleichzeitig hilft TSN, Echtzeitdaten für Analysen und Geschäftseinblicke zu extrahieren, und erlaubt es, diese Echtzeitdaten auch zu sammeln. Auf der Basis lassen sich dann Analysen durchführen, betriebliche Erkenntnisse gewinnen und schlussendlich produktive Abläufe realisieren.

Edge-Systeme direkt am Endgerät

In vielen Fällen kann es sogar notwendig sein, bereits unmittelbar am datenerzeugenden Endgerät ein intelligentes Edge-System zu platzieren, das die dort anfallenden Daten erfasst, normalisiert, analysiert und dann die nötigen Reaktionen vor Ort einleitet. Nur relevante Daten – etwa Analyseergebnisse oder Abweichungen vom Normalwert – werden dann noch ins nahegelegene Mikrorechenzentrum oder direkt in die Cloud geschickt. Das entlastet das Netz und die zentralen Server. Ein Knackpunkt ist dabei die Kommunikation der Edge-Systeme mit den industriellen Systemen in der Fabrik, denn allen Standardisierungsbemühungen zum Trotz sind Produktionsumgebungen nach wie vor durch grosse Heterogenität geprägt. Edge-Systeme müssen deshalb standardmässig eine grosse Bandbreite an Optionen – etwa CANBus, Modbus oder Profinet – für das Ansteuern von industriellen Systemen bieten, sei es über einen multiprotokollfähigen Standard wie PXI oder über dedizierte Adapter. Entscheidend ist die übergreifende Integration von der Feld- bis zur Unternehmensebene, sprich: vom SPS- bis zum ERP-System und wieder zurück. Dazu sind z. B. Technologien wie «Data Pipelines» oder «Data Taps» nötig, um heterogene und verteilte Daten über das Campusnetz und die Unternehmensnetze zusammenzuführen. Ausserdem helfen sogenannte Low-Code-Workflow-Generatoren – damit lassen sich Datenquellen, Adapter, Treiber, Middleware, Analytics, MES- und ERP-Anwendungen sehr einfach zu einem Workflow verknüpfen. Eine geschickte Kombination aus Mobilfunk und Edge Computing kann die Reaktionszeiten im Campusnetz heute unter 10 Millisekunden drücken. Das kann aber auch schon mit 4G-Technologie oder WLANs gelingen, sodass 5G aus Performance-Aspekten nicht zwingend im Campusnetz erforderlich ist.

5G-Technologie in der «Smart Factory»

Es gibt aber ganz spezifische Vorteile der neuen 5G-Technologie für IIoT-Anwendungen in der «Smart Factory». Beispielsweise ermöglicht 5G entweder sehr geringe Latenz bei reduzierter Bandbreite – oder aber auch sehr hohe Datenraten bei grösserer Latenz. Für das IIoT versprechen vor allem Anwendungsfälle der ersten Kategorie spezifische Vorteile: URLLC – kurz für «Ultra Reliable Low Latency Communication» ist für zeitkritische Anwendungen vorgesehen, die auf Latenzzeiten von einer Millisekunde oder darunter angewiesen sind. Beispiele dafür sind Robotersteuerung oder die Überwachung von Prozessen in der Produktion. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass 5G langfristig hohe laufende Gebühren verursachen kann. Es wird über lizenzierte Bänder bereitgestellt, für deren Nutzung den Netzbetreibern hohe Kosten entstehen, die sie wiederum an ihre Kunden weitergeben müssen. Für die Campusvernetzung sind daher andere drahtlose Technologien meist zielführender und kostengünstiger: WLAN, Bluetooth und Narrowband. WiFi-6 (802.11ax), der neue WLAN-Standard, eignet sich besonders für die Vernetzung des Innenraums – und ist dabei deutlich kostengünstiger als 5G. Auch WiFi-6 ist darauf ausgelegt, eine Vielzahl von Datenströmen gleichzeitig ohne Verzögerungen zu verarbeiten. Die Vorteile von 5G für die «Smart Factory» sind also bei Weitem nicht so offensichtlich, wie manche Verkäufer versprechen. Die weitaus grössere Bandbreite von 5G kann zwar bei sehr datenintensiven Anwendungen wie zum Beispiel der Video-Analyse von grossem Nutzen sein – aber in vielen IIoTSzenarien geht es im Gegenteil um relativ kleine Sensordatensätze. Ein grosser Vorteil von 5G ist und bleibt aber die technische Nähe zu WiFi-6, denn damit wird es erstmals möglich, Mobilfunk- und WLAN-Netze einheitlich und übergreifend zu managen. Das ermöglicht u. a. auch einen völlig unterbrechungsfreien Übergang zwischen diesen beiden Übertragungstechniken. So kann zum Beispiel ein Gabelstapler, der im Fabrikgebäude mit WiFi-6 mit der IT verbunden ist, automatisch auf eine 5GVerbindung umschalten, sobald er auf das Aussengelände fährt. Das bedeutet, dass Fertigungsfirmen die Wahlfreiheit bekommen, im Campusnetz für jedes einzelne Anwendungsszenario die jeweils bestgeeignete Übertragungstechnik einzusetzen. Von 5G ist zwar derzeit ständig die Rede, doch WLAN bietet ebenfalls nachhaltige Vorteile, denn es ist in der Regel nicht nur deutlich günstiger als Mobilfunknetze, sondern ermöglicht zudem die Integration mit Standards wie Bluetooth Low Energy, Zigbee Pro oder Wireless HART. Somit können Sensoren beispielsweise ihre Daten im Campusnetz extrem energiesparend per Bluetooth Low Energy über einen WLANAccess-Point nicht nur an nahe Edge-Rechner schicken, sondern auch an das ferne Datacenter oder in die Cloud. ■

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