DAS MAGAZIN FÜR MITGLIEDER
Oktober 2015
P.b.b. Verlagspostamt 1030 Wien, Zulassungsnr. 03Z034897M
TAG DER INDUSTRIE
U N T E R N E H M E N .
Z U K U N F T.
Fotos: IV/Andreas Hross, istockphoto.com/Dizzo
M E N S C H E N .
2015
Gastkommentar Winkler: Arbeit als Schlüssel zur Integration Seite 10
Flüchtlinge willkommen: Flüchtlingskrise als Chance Seite 11
Vorarlberg: Neuer Schub für Lehrlingsausbildung in Vorarlberg Seite 23
economics corner
Wir müssen nicht wachsen – wir wollen! DISKUSSION Die 1. Industrie-Konferenz stand ganz im Zeichen der Auswirkungen eines drohenden Minimalwachstums. Das birgt die Frage, warum wir überhaupt Wachstum benötigen? Hier eine nicht nur rein ökonomische Antwort.
D
ie 1. Industrie-Konferenz stand ganz im Zeichen der Debatte über die Auswirkungen eines uns bedrohenden Minimalwachstums. Das birgt implizit die Frage in sich, warum wir denn überhaupt Wachstum benötigen? Hier eine nicht nur rein ökonomische Antwort: Oft wird Wachs-
Visionäre immer auf den Schultern ihrer Vorgänger stehen können. Jedes Wachstum vergrößert also den Pool an Ideen, auf den für die Entwicklung von neuen Ideen zugegriffen werden kann – sprich: in einer wachsenden Wirtschaft wächst die Grundlage für weiteres Wirtschaftswachstum. Und für diese Grundlage – die Menge an Wissen, Ideen und technischen
„Für Österreich stellt sich weniger die Frage, ob wir noch wachsen wollen, sondern vielmehr die Frage, warum uns die Politik daran hindert?“ Clemens Wallner, Wirtschaftspolitischer Koordinator
tum irrtümlich als ein „immer Mehr“ verstanden. Das ist eine zu simple Definition, die dem Phänomen nicht gerecht werden kann. Wirtschaftswachstum bedeutet in erster Linie Wandel, Entwicklung und Fortschritt. Im Umkehrschluss heißt Nullwachstum: Erstarrung und Stillstand. Und weil sich die Welt um uns weiter dreht und unsere Bedürfnisse sich mit ihr verändern, würde aus diesem Stillstand bald ein Rückschritt. Wachstum bedeutet nicht eine quantitative Vervielfachung, sondern eine Werterhöhung. Daher kann auch von der „Gefahr“ eines „exponentiellen Wachstums“ nicht die Rede sein. Konsum und Investitionen steigen vor allem wertmäßig und nicht mengenmäßig. So bleibt ein biologisch angebauter Apfel zwar weiterhin ein Apfel, sein Preis und sein Beitrag zum BIP sind jedoch höher als bei der üblichen Produktion – ganz zu schweigen vom Nutzen für den Konsumenten.
Möglichkeiten – gibt es keine natürliche Begrenzung. „Exponentielles Wachstum“ bedeutet daher nichts anderes, als auf den Errungenschaften der Vergangenheit aufzubauen und nicht das Rad immer wieder neu zu erfinden. Für Wachstum als ein natürliches Phänomen sprechen außerdem die sich ständig än-
dernden und latenten unbegrenzten Konsumbedürfnisse. Sie spiegeln den Drang nach neuem Wissen, sozialer Interaktion und einer Verbesserung des eigenen Daseins wider. Solange die Menschen nach einer Verbesserung oder Vereinfachung ihres Lebens streben, so lange wird es Wirtschaftswachstum geben. Ob dieser Prozess irgendwann zum Erliegen kommt, kann man heute nicht vorhersagen. Für Österreich stellt sich derzeit aber weniger die Frage, ob wir noch wachsen wollen, sondern vielmehr die Frage, warum uns die Politik daran hindert? Österreichs aktuelle Wachstumsschwäche zeigt eines ganz deutlich: Wir sind nicht Opfer einer globalen Nachfrageschwäche, sondern Ausreißer. Unser Stillstand ist nicht Schicksal, sondern hausgemacht – mit allen damit verbundenen Konsequenzen für den Abbau der Schuldenlasten, die Finanzierung des Sozialstaates und für den Umgang mit der Jahrhundert-Herausforderung des demografischen Wandels.
Reales BIP pro Kopf seit 2007 Index: Q1-2007=100 110 109 108 107
Minimalwachstum – ein globales Phänomen oder hausgemacht?
106
Deutschland
105 104 103
Österreich
102
OECD
101 100
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99 Quelle: OECD
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2013
2012
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2010
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2009
96
Foto: IV/Prantl
98
2008
Joseph Schumpeter stellte fest, dass neue Ideen auf der Grundlage von bereits bestehenden entstehen, wie auch bestehende Technologien Grundlage für die Entwicklung von neuen sind. Er verglich dies damit, dass Forscher, Tüftler und andere
2007
Wachstum fördert Wachstum
Editorial
Raus aus dem Koma Das Leben mit weniger Wachstum ist ein internationales Szenario, aber kein österreichisches Schicksal.
veranschaulichen den Erosionsprozess: Unter 61 teilnehmenden Ländern ist Österreich im IMD-Ranking auf Platz 26 zurückgefallen (von Rang 11 vor acht Jahren!). Ebenso geht der Trend beim Ende September erschienenen Ranking
Ist Minimalwachstum eine österreichische Erfindung? Sieht man sich die heimi-
des World Economic Forums gegenüber dem Vorjahr weiter nach unten – von
schen Wachstumsraten und Arbeitslosenzahlen im Vergleich zu Mitbewerbern an,
21 auf 23. (Auch langfristig geht es bergab, vor acht Jahren lag Österreich noch auf
könnte man fast dieser Meinung sein. Dazu kommt, dass politische Vorschläge
Rang 15.) Die Kritik an der Methodik dieser Rankings hat sich als falsch erwiesen:
wie Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, sechste Urlaubswoche für
Neben den Einschätzungen jener, die Investitionsentscheidungen treffen, sind
alle, Bonus-Malus-Quotensystem oder Maschinensteuer tatsächlich dramatisch
es auch zunehmend die „Hard Facts“, bei denen Österreich im internationalen
negative Effekte auf Wachstum und damit Arbeitsplätze hätten. Doch auch ohne-
Vergleich immer schlechter abschneidet. Laut World Economic Forum hat Ös-
dies tut Österreich eindeutig zu wenig, um seine Wachstumschancen zu nützen.
terreich vor allem in den Bereichen „Flexibilität der Lohnfestsetzung“ (139. Platz)
Wachstumsbremsen wie zu hohe Lohnnebenkosten und bürokratische Strukturen
oder „Auswirkungen des Steuersystems, um Arbeitsanreize zu schaffen“ (131.
von gestern wurden bisher nicht aus dem Weg geräumt, sondern konserviert.
Platz) weiter abgebaut.
Damit wäre unser Land besonders gefährdet, falls das Szenario eines internatio-
Der Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen am Standort
nalen Minimalwachstums dauerhaft wird. Aufgrund unkluger oder unterlassener
Österreich sowie die regulierungs- und bürokratiebedingte Kostenlast sorgen
standortpolitischer Maßnahmen beobachten wir seit Jahren eine Erosion des
neben völlig realitätsfremden Arbeitnehmervertreter-Ideen dafür, dass unser Land
heimischen Standortes. Die Konsequenz ist wenig überraschend: Unternehmen
heute schon unter jenem Minimalwachstum leidet, für das wir uns eigentlich
in Österreich sind verunsichert. Sie investieren nachvollziehbarerweise äußerst
wirtschaftlich, sozial und strukturell fit machen sollten. Das muss sich durch tief-
zurückhaltend. Die Wirtschaft wächst nicht. „Austrosklerosis“ ist fast schon
greifende Veränderungen rasch ändern. Denn das Leben mit weniger Wachstum
Realität geworden.
ist ein internationales Szenario, aber muss kein österreichisches Schicksal sein.
Der Vergleich bringt das Problem auf den Punkt: Während in Österreich die Er-
Ihr
weiterungsinvestitionen, also jene Investitionen, die für neue Arbeitsplätze sorgen, weiterhin auf niedrigem Niveau bei einem Anteil von 21 Prozent stagnieren, sind in Deutschland Erweiterungsinvestitionen mit rund 35 Prozent noch vor Ersatzinvestitionen das dominierende Motiv. In Österreich hingegen werden in erster Linie Ersatz- (41 Prozent) und Rationalisierungsinvestitionen (27 Prozent) vorgenommen. Mit einem Wort: Unser Investitionsklima ist komatös. Aktuelle Standortrankings
Christoph Neumayer, Generalsekretär
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Foto: IV/Johannes Zinner
Herausgeber, Medieninhaber und Redaktion: Vereinigung der Österreichischen Industrie (Industriellenvereinigung), Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Tel.: 01/711 35-2301, Fax: 01/711 35-2313, E-Mail: positionen@iv-net.at, Homepage: www.iv-net.at, ZVR: 806801248, LIVR-N.: 00160, EU-Transparenzregister Nr.: 89093924456-06, Vereinszweck gemäß § 2 Statuten: Die Industriellenvereinigung (IV) bezweckt, in Österreich tätige industrielle und im Zusammenhang mit der Industrie stehende Unternehmen sowie deren Eigentümer und Führungskräfte in freier und demokratischer Form zusammenzufassen; ihre Interessen besonders in beruflicher, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu vertreten und wahrzunehmen, industrielle Entwicklungen zu fördern, Rahmenbedingungen für Bestand und Entscheidungsfreiheit des Unternehmertums zu sichern und Verständnis für Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu verbreiten. Chefredaktion: Dr. Raphael Draschtak, Andrea Gabmeyer. Redaktionelle Mitarbeit: Mag. Martin Amor, Mag. Robert Albrecht, BA. Lektorat: Mag. Brigitte Mayr. Verantwortlich für den Inhalt: MMag. Mathias Burtscher, DI Dr. Joachim Haindl-Grutsch, Mag. Johannes Höhrhan-Hochmiller, Mag. Josef Lettenbichler, Dr. Claudia Mischensky, Mag. Gernot Pagger, Dr. Ingrid Puschautz-Meidl, Mag. Michaela Roither, Mag. Irene Schulte. Für den Inhalt der letzten drei Seiten zeichnet die jeweilige Landesgruppe verantwortlich. Grafik: Matthias Penz, Doris Grussmann. Druck: Ueberreuter Druckzentrum GmbH, 2100 Korneuburg. Erscheinungsort: Wien. Offenlegung nach § 25 des Mediengesetzes: iv-positionen erscheint 10x jährlich in einer Auflage von 8.300, Unternehmensgegenstand: Information zu industrie- und gesellschaftspolitischen Themen für Mitglieder der Industriellenvereinigung und Meinungsträger in Österreich. Siehe auch unter www.iv-net.at/b80 Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Endungen verzichtet. Die verwendeten Bezeichnungen beziehen sich auf beide Geschlechter gleichermaßen.
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Coverstory
Weniger Wachstum? Mehr Reformen! TAG DER INDUSTRIE Trübe Wachstumsaussichten könnten zum Dauerzustand werden. Das erfordert kurzfristig das Lösen aller Wachstumsbremsen und mittelfristig das Nachdenken über Anpassungsstrategien. Beim 1. Industrie-Kongress widmete sich Österreichs Industrie einem fordernden Zukunftsthema.
W
achstum wird zur Mangelware. Im Frühjahr 2015 hatte der Internationale Währungsfonds für 2014 bis 2018 eine Zunahme des weltweiten BIP um jährlich 3,2 Prozent prognostiziert. Im „,More of the same‘ Herbst 2013 hatte führt in der vernetzten der entsprechende Welt des 21. JahrhunPrognosewert noch rund sechs Prozent derts zu Wettbewerbsund Wohlstandsverlust.“ betragen. Sind die Wachstumsraten IV-Präsident Georg Kapsch der Vergangenheit endgültig Geschichte? Oder steht uns mit der Digitalisierung der Wirtschaft eine neue indus-
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trielle Revolution mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten bevor? Diesen Fragen stellte sich Österreichs Industrie beim 1. Industrie-Kongress am „Tag der Industrie“ 2015 gemeinsam mit internationalen und nationalen Fachleuten. „Wir müssen über ein Leben mit Nullwachstum konkret nachdenken und nebst strukturellen Reformen Adaptionsansätze entwickeln. Wir müssen uns mit den geänderten Rahmenbedingungen vertraut machen und Strategien entwickeln, um ihnen zu begegnen – „more of the same“ führt in der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts zu Wettbewerbs- und Wohlstandsverlust“, begründet IV-Präsident Georg Kapsch das Themensetting und warnt: „Sonst finden
Die Industrie-Konferenz eröffnete den Tag der Industrie 2015 und zeigte Chancen, aber auch dringende Reformen auf.
jene Antworten, die keinen unternehmerischen Zugang haben.“
Fotos: IV/Andreas Hross
Systeme am Prüfstand Im Zeitalter des Nullwachstums kann der Staat vor allem eines: weniger verteilen. Das fordert unsere Sozialsysteme, damit der Sozialstaat europäischer Prägung auch bei geringem Wachstum Zukunft hat. Es wird daher noch wichtiger, die Eigenverantwortung zu stärken und die Sozialsysteme auf eine langfristige Finanzierung – unabhängig vom BIP-Wachstum – umzustellen. Doch das ist nur ein Handlungsfeld, in dem Politik und Gesellschaft grundlegend umdenken müssen, um unser Wirtschafts- und Sozialsystem fit für die Zukunft schwächer wachsender
Volkswirtschaften zu machen. Auch im Bildungs- und Innovationssystem besteht Handlungsbedarf.
Re-Dynamisierung und Anpassung IV-Präsident Kapsch verwies bei der Industrie-Konferenz vor mehr als 400 Gästen im Wiener Haus der Industrie darauf, dass Wachstumszyklen kein Naturgesetz seien. Die Digitalisierung könne, aber müsse keinen neuen Wachstumszyklus einläuten. Umso wichtiger sei es, sich aus unternehmerischer, gesellschaftlicher und politischer Perspektive mit den Konsequenzen niedriger Wachstumsraten zu beschäftigen und Lösungen dafür zu entwickeln. Derzeit sei man nämlich in keiner Weise auf ein solches Szenario vorberei-
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Coverstory
tet. Neben der kurzfristigen Re-Dynamisierung brauche es daher Adaptionsstrategien.
Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich Handlungsbedarf besteht auch aus Sicht von Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des deutschen Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“). Er verwies bei der Industrie-Konferenz auf die rückläufigen Wachstumsraten in vielen Industrie- und Schwellenländern. Schmidt nannte den demografischen Wandel, die nachlassende Innovationsfähigkeit, unzureichende Bildung, steigende ökonomische Ungleichheit, Staatsverschuldung und ökologische Grenzen als angebotsseitige Gründe für niedriges Wachstum. Auf der Nachfrageseite seien geringe Investitionsnachfrage, hohe Sparquoten und auch veränderte Konsumpräferenzen wichtige Faktoren. Ein Szenario mit niedrigem Wachstum ist seinem Befund nach für Österreich unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. In jedem Fall hätte dies weitreichende Folgen für Politik, Gesellschaft, Industrie und Unternehmen. Vor diesem Hintergrund plädierte der deutsche Wirtschaftsweise für eine Strategie der Re-Dynamisierung und eine Strategie der Resilienz, welche die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaft gegenüber Schocks erhöht. Letztere erforderte z.B. den Abbau der übermäßigen Staatsverschuldung. Als „Plan B“ solle aber auch die Anpassung an ein möglicherweise lang andauerndes Minimalwachstum strategisch vorbereitet werden. Damit solle sichergestellt werden, dass Wirtschaft und Gesellschaft strukturell nicht mehr auf permanentes Wirtschaftswachstum angewiesen sind. Es lohne sich aber, „um jedes kleine Bisschen Wachstum zu ringen“ und menschliche Leistungsfähigkeit und unternehmerische Kreativität zur Entfaltung kommen zu lassen, sagte der deutsche Wirtschaftsweise bei der Industrie-Konferenz.
„Die EU hat längst nicht alles erreicht, was sie sich zum Ziel gesetzt hat. Und wir wollen die Vereinigten Staaten als Partner. TTIP ist eine Riesenchance.“ Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner
tumsbremsen lösen. Wir dürfen es uns nicht leisten, durch mangelnde politische Reformbereitschaft Wachstumschancen zu verschenken, wie Österreich das gegenwärtig noch tut“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Die Fakten sprechen eine klare Sprache: Die Zahl der Arbeitslosen steigt Monat für Monat in Österreich an, während die Arbeitslosigkeit sowohl in der Eurozone als auch in der EU insgesamt deutlich zurückgeht. Neumayer: „Mit diesem Trend wollen wir uns in der Industrie jedenfalls nicht abfinden. Unerlässlich bleibt die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für Unternehmen – denn nur diese schaffen die Arbeitsplätze. Diese grundlegenden Voraussetzungen für die Betriebe müssen ungeachtet der jeweiligen Wachstumssituation immer passen.“ Mit Rezepten aus der Vergangenheit wie Arbeitszeitverkürzung, einer Maschinensteuer oder überproportional steigenden Löhnen werden nur Arbeitsplätze gefährdet und Wohlstand vernichtet, warnt die Industriellenvereinigung“. Vielmehr muss sofort der Kosten- und Bürokratiedruck auf Unternehmen massiv gelockert werden.“
EU kann mehr erreichen
„Wir dürfen es uns nicht leisten, durch mangelnde politische Reformbereitschaft Wachstumschancen zu verschenken, wie Österreich das gegenwärtig noch tut.“ IV-Generalsekretär Christoph Neumayer
Offene Worte zu notwendigen Reformen gab es bei der Industrie-Konferenz auch von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Er zeigte sich besorgt, dass Österreich im europäischen Vergleich hinterherhinkt. Angesichts der schwierigen Budgetsanierung sei es nicht möglich, notwendige Konjunkturimpulse zu setzen und in Infrastruktur oder Universitäten zu investieren. Auf europäischer Ebene plädierte Mitterlehner für die Umsetzung des Juncker-Investitionsprogramms, den digitalen Binnenmarkt und die Energieunion. „Die EU hat längst nicht alles erreicht, was sie sich zum Ziel gesetzt hat.“ Ein klares Bekenntnis legte der Vizekanzler auch zum internationalen Freihandel ab: „Wir wollen die Vereinigten Staaten als Partner. TTIP ist eine Riesenchance.“
Hausgemachte Wachstumshemmnisse beseitigen
Ruck nach vorne
Außer Frage steht, dass die internationale Debatte über den Umgang mit Minimalwachstum keine Entschuldigung für den Standort Österreich sein kann, Reformen zu unterlassen. „Viele unserer Wachstumshemmnisse sind hausgemacht. Wir müssen mehr denn je bestehende Wachs-
Mitterlehners Doppelstrategie für Wachstum umfasst mehr Effizienz in den Systemen und eine Re-Dynamisierung der Wirtschaft. So sollen am Arbeitsmarkt die Anreize für die Arbeitsaufnahme ausgebaut werden. Auch bei den Lohnnebenkosten bestehe Hand-
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Coverstory
lungsbedarf. Hier müsse sich die Sozialpartnerschaft weiterbewegen, machte Mitterlehner deutlich. Beim Thema Pensionsreform sprach er sich auch für die raschere Angleichung des Antrittsalters von Männern und Frauen aus. In Fragen der Verwaltungsreform gehe es darum, nicht nur alles aus Perspektive der Konsumenten zu sehen, wie dies die EU tut, sondern aus Sicht der Unternehmen. Österreich brauche jedenfalls einen „Ruck nach vorne“. Neben der Dynamisierung der Wirtschaft müssten laut Mitterlehner eine Änderung der Reformkultur und vor allem „weg vom gegenseitigen Abtauschen insbesondere in der Sozialpartnerschaft“ am Programm stehen. Nur das bringe eine nachhaltige Stärkung des Wirtschaftsstandortes.
Fotos: IV/Andreas Hross
Ambivalente Stimmung Dass die Unternehmen zur Zukunft des Wachstums und zu Reformen in Österreich ambivalente Einschätzungen haben, wurde bei der Industrie-Konferenz auch an mehreren interaktiven Publikumsvotings deutlich. So gehen 60 Prozent der Befragten davon aus, dass die Entwicklung des Wirtschaftswachstums in Österreich in den nächsten sechs bis zwölf Monaten unterdurchschnittlich gegenüber den anderen Euro-Ländern ausfallen wird. Die Ursachen für die heimische Wachstumsschwäche führen 84 Prozent mehrheitlich auf nationale Rahmenbedingungen zurück. Hauptgründe für das aktuelle Minimalwachstum werden in der hohen Steuerbelastung (32
Prozent) und in den hohen Lohnnebenkosten (30 Prozent) gesehen. Während sich 44 Prozent für Strukturreformen und Wachstum aussprechen, seien 56 Prozent der Meinung, dass Zeiten mit über zwei Prozent Wachstum vorbei sind und es nun darum gehe, Sozialsystem und Firmenstrategien anzupassen. Vordringlichste Reformen für mehr Wachstum in Österreich sind nach den Ergebnissen des Publikumsvotings eine „Bildungsrevolution“ (29 Prozent) sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten (24 Prozent) und der Steuern (16 Prozent).
Prof. Christoph M. Schmidt, Vorsitzender des deutschen Sachverständigenrates, war für seine Ausführungen live aus Berlin zugeschaltet.
Unternehmerische Perspektive gefragt Fazit der Debatten: Minimalwachstum ist kein unentrinnbares Schicksal. „Aber wenn sich hier ein langfristigerer Trend abzeichnet, müssen wir entsprechend reagieren und unsere Hausaufgaben erledigen, anstatt durch kontraproduktive Handlungen den Trend noch zu verstärken“, so IV-Generalsekretär Neumayer beim Schlusspanel mit dem deutschen Wirtschaftsforscher Bert Rürup sowie dem Präsidenten des Fiskalrats Bernhard Felderer. Für IV-Präsidenten Kapsch ist klar: Der Umgang mit Nullwachstum sei jedenfalls weniger eine betriebswirtschaftliche als vielmehr eine volkswirtschaftliche Frage. Seine Forderung: Bei der Diskussion optionaler Anpassungsstrategien sollten jedenfalls jene den Ton angeben, die damit verbundene Herausforderungen durch das Unternehmertum und nicht durch mehr Staat lösen wollen.
INFORMATION Videos zum „Tag der Industrie“ 2015 unter www.industrieland.at Fotos vom Abendempfang finden Sie auf den Seiten 14 und 15.
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Junge Industrie
„Gründen in Wien“ – Partei-Pitch der JI-Wien WAHL Am 30. September 2015 stellten sich fünf Vertreter der im Wiener Landtag und Gemeinderat vertretenen Parteien sowie der Neos dem Partei-Pitch der Jungen Industrie Wien.
I
m Format eines Startup-Pitches stellten die Podiumsteilnehmer unter dem Thema „Gründen in Wien – was tut die Politik für die Zukunft der Wiener Wirtschaft?“ dem Publikum ihre Wirtschaftskonzepte vor. Markus Ornig vom NEOS Landesteam, Alexander Biach, Wirtschaftsbund-Direktor, Christoph Chorherr von den Grünen in Wien, Katharina Schinner Landesparteisekretär-Stellvertreterin der SPÖ Wien und Eduard Schock von der FPÖ Wien hatten die Möglichkeit jeweils in 90 Sekunden ihre wichtigsten Standpunkte zum Thema zu äußern. Den Anfang machte Markus Ornig und nutzte seine 90 Sekunden Pitching-Zeit, um die Notwendigkeit von Reformen vor allem in der Unternehmensgründung aufzuzeigen. Alexander Biach setzte für eine positive Entwicklung vor allem auf Wirtschaftsbildung in Schulen, Verwaltungsabbau für Startups und
gegen Betriebsflächenumwidmungen. Der Vertreter der Grünen, Christoph Chorherr, betonte die Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Katharina Schinner legte ihren Fokus auf mehr europäische Vernetzung und für Eduard Schock steht mehr Gründerförderung und Anlockung von Auslandsinvestoren im Mittelpunkt
für eine positive Entwicklung. Im Anschluss an die Pitches hatte das Publikum die Möglichkeit, per Online-Voting das beste Konzept zu küren. Alexander Biach konnte mit seinem Konzept am meisten überzeugen und wurde deshalb mit dem „City Angel-Award“ der Jungen Industrie Wien ausgezeichnet.
„Grow2Lead“ Mentoring-Programm GRUPPE1031 Mit einer positiven Bilanz ging am 15. September im Haus der Industrie die zweite Runde des „Grow2Lead“ Mentoring-Programms der gruppe1031 zu Ende.
V.l.n.r.: Mentor Christian Stüger, 1031-Präsidentin Birgit Stöber, Mentee Clemens Degendorfer, 1031-Vizepräsident Frederik Tengg
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scheider nicht mehr ausschließlich auf Kostenoptimierung und Accounts liegt, sondern sich das neue Rollen- und Kompetenzprofil in Richtung Change Leader entwickelt. Engagierte Nachwuchskräfte in ihrer Rolle als Entscheider und Verantwortungsträger zu stärken und mit hochkarätigen Mentorinnen und Mentoren an ihrer Seite auf die berufliche Erfolgsstraße zu bringen, ist auch die Intention des branchenübergreifenden 1031-Mentoring-Programms. In der Feedbackrunde ließen die Mentoring-Paare ihre durchwegs positiven Erfahrungen aus dem einjährigen Mentoring-Programm Revue passieren. Fast die Hälfte der Mentees befand sich in der Vorbereitung auf einen Jobwechsel oder durchlief einen Change-Prozess im Unternehmen. Die Mentorinnen und Men-
toren unterstützten sie dabei, Karrierepläne zu entwickeln, Optionen auszuloten und negative Erfahrungen zu vermeiden. Oder wie es ein Teilnehmer so treffend formulierte: „Die Zeit ist zu kostbar, um alle Fehler selbst zu machen.“ Für die erfolgreiche Teilnahme am „Grow2Lead“ Mentoring-Programm im Jahr 2014/2015 wurden den 20 Absolventen Urkunden überreicht. Birgit Stöber, Präsidentin der gruppe1031 und Koordinatorin von „Grow2Lead“, zeigte sich erfreut darüber, dass sich die Mentoring-Paare so gut ergänzt und gemeinsam kreative Ideen entwickelt haben: „In einem speziellen Fall ist sogar ein Startup entstanden. Schön zu sehen, dass das 1031-Mentoring-Programm der Beginn von Partnerschaften war, die heute Abend ganz sicher nicht enden werden.“
Fotos: JI, gruppe1031
Z
um Auftakt präsentierte Christoph Trauttenberg, Executive Manager Vienna von Michael Page, die Ergebnisse des „CFO & Financial Leadership Barometer“, das die Schlüsseltrends im Finanzmanagement weltweit analysiert. Die Langzeitstudie deckt auf, dass der Fokus heutiger Finanzent-
Junge Industrie
Die Anderen sind schuld! Die Ergebnisse der Landtagswahl in Oberösterreich wurden zur Abmahnung für Rot und Schwarz. Das Flüchtlingsthema dominierte den Wahlkampf, aber als „Ausrede“ ist das auch zu wenig.
wehrte. Denn in der Tat verlieren ÖVP und SPÖ auf
Schuld sei am Debakel (man selber natürlich nicht!).
allen Ebenen schon seit langem sukzessive an Stim-
Die Flüchtlingskrise hat viel verstärkt – aber die
men. Seit Jahren bereits wird über den politischen
Krise der beiden ehemaligen großen Volksparteien
Stillstand gemosert. Immerhin hat ja auch die „große
ist zu einem großen Teil hausgemacht. Die Erosion
Koalition“ im Nationalrat nur noch knapp über 50
des Vertrauens in die Gestaltungskraft der Politik
Die Landtagswahl in Oberösterreich war – vor allem
Prozent – eine Mehrheit, die also alles andere als
ist unter anderem auch eine Folge der sinkenden
aufgrund der Flüchtlingsproblematik – ein Stim-
komfortabel ist.
Wettbewerbsfähigkeit und damit steigenden Arbeits-
mungstest, der nicht nur in ganz Österreich, sondern
losigkeit bzw. der fehlenden Chancengerechtigkeit
sogar im EU-Ausland mit Spannung erwartet wurde.
Die Skepsis gegenüber der Politik im Allgemeinen
in Österreich – Stichwort Bildungssystem. Hier gilt
Die Ergebnisse haben dann doch deutlich gezeigt,
war bereits vor den Flüchtlingen da – und wird
es anzusetzen, wenn man langfristig wieder zu einer
dass ein großer Teil der Bevölkerung verunsichert ist,
noch immer da sein, wenn wir in vielen Jahren die
funktionalen Politik in Österreich zurückfinden will.
den in Österreich traditionellen Regierungsparteien
Herausforderungen der aktuellen Flüchtlingskrise
Ausreden darf es nicht mehr geben.
SPÖ und ÖVP nichts mehr zutraut. Die Reaktionen
überwunden haben. Die Menschen wählen keines-
am Wahlabend auf Seiten der Wahlverlierer waren
wegs nur aus Angst die FPÖ, sondern auch, weil es
durch die Bank ähnlich: Das sei eben keine Land-
ihnen einfach „reicht“, weil nichts weitergeht – wie
tagswahl, sondern eher eine Bundes- oder gar
man von vielen hören kann. Dabei geht es manchen
Europawahl gewesen – immerhin könne OÖ als
offenbar nicht einmal darum, dass sie glauben die
Bundesland die Flüchtlingsproblematik auch gar
Blauen könnten es besser machen, sondern darum,
nicht alleine lösen. Ausnahmsweise musste man
„denen da oben“ mal eine auszuwischen. Es ist
da direkt dem FPÖ-Obmann H.C. Strache Recht
also zu billig, nach eines Wahlniederlage seitens
Therese Niss,
geben, der sich gegen diese einseitige Darstellung
SPÖ und ÖVP nur immer zu hören, wer denn alles
Bundesvorsitzende der Jungen Industrie
Herzlichst Eure
Grenzen überschreiten PARTNERSCHAFT Seit Jahren bereits besteht ein reger Austausch zwischen der JI-Kärnten und den Giovani Imprenditori der Confindustria Udine.
Fotos: JI, JI-Kärnten
I
Matteo Tomba und Paul Sommeregger wollen die Parnterschaft zwischen JI-Kärnten und den Jungunternehmern Udines noch intensivieren.
m Sinne einer gelebten Partnerschaft waren Mitte September die Vertreter der CYMAA – die Confederation of Young Manufacturers Alpe Adria zu Gast bei der JI-Kärnten. Diesmal waren zudem auch Gäste des Jungunternehmerverbands aus dem deutschen Aschaffenburg mit von der Partie. Am Programm stand als Erstes ein Besuch beim CTR – dem Carinthian Tech Research in Villach. Vorstandsmitglied Simon Grasser führte durch die kürzlich erst eröffneten Labors und den neuen Reinraum. Nächste Station war Lindner Recyclingtech in Spittal an der Drau. CFO Hans Sagerschnig und Personalchefin Karin Lindner hießen die
Besucher im Familienbetrieb willkommen. Unter dem Motto „We reduce it“ dreht sich hier alles um das Schreddern aller möglichen Stoffe in Recyclingprozessen. Alle Anlagen werden in Kärnten entwickelt und gebaut. Im Rahmen des Abendessens und angeregter Gespräche wurde Matteo Tomba, Geschäftsführer von Pert Engineering aus Udine, zum Vorsitzenden der CYMAA für die nächsten drei Jahre gewählt. JI-Vorsitzender Paul Sommeregger gratulierte und wünscht sich noch intensivere Zusammenarbeit zwischen den Regionen. Die JI-Kärnten freut sich schon auf ein Wiedersehen und den Besuch im Frühjahr 2016 in Friaul.
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Kommentar von außen
Arbeit als Schlüssel zur Integration
„Wenn ‚Integration von Anfang an‘ geschehen soll, muss man auch die vielen Asylwerber, die jetzt ins Land kommen, als Potenzial für den Arbeitsmarkt betrachten.“ Hans Winkler, Journalist
Flucht und Migration sollen nicht der Weg in die Arbeitslosigkeit sein. Öffnung des Arbeitsmarkts auch für Asylwerber. Anerkennungsgesetz zur Bewertung von mitgebrachten Kenntnissen.
Transferleistung nicht nur für das Leben in Ös-
werden, Flüchtlingen die Chance auf Arbeit
terreich und für den eigenen Integrationsweg
zu geben. Das liegt in deren Interesse und im
aufgewendet wird, sondern auch für Über-
Interesse der österreichischen Wirtschaft, die
weisungen an die Familie daheim.
Arbeitskräfte braucht.
Eine Pfarre in Oberösterreich betreut einen
Man muss freilich zugeben, dass die Einkom-
Die Flüchtlingswelle der letzten Monate hat dem
Flüchtling aus Syrien.
Man verschaffte ihm
mensoptimierung auf Kosten des Sozialsystems
Problem eine neue Dimension gegeben. Wenn
Unterkunft und eine Arbeit, bei der er zwar nicht
keineswegs eine Spezialität von Migranten ist,
„Integration von Anfang an“ geschehen soll,
viel verdiente, aber Verantwortung für sich selbst
sie kommt auch bei Einheimischen vor. „Ziel des
wie einschlägig der Slogan lautet, dann muss
trug und sogar noch 100 Euro erübrigen konnte,
Bezugs von Sozialleistungen sollte aber nur eine
man auch die vielen Asylwerber, die jetzt ins
die er Verwandten daheim schickte. Eines Tages
temporäre Überbrückung, nicht eine transferab-
Land kommen, als Potenzial für den Arbeits-
tauchten zwei andere Syrer auf und erzählten
hängige Existenz sein“, formulieren die Experten.
markt betrachten. Bei den Sozialpartnern steigt
ihm, dass er ohne Arbeit mit der Mindest-
deshalb die Bereitschaft, die Beschränkungen
sicherung besser aussteigen würde. Das ließ er
Arbeit und Leistung sind der Schlüssel zu
für Asylwerber zu lockern. Zwar hält der ÖGB
sich nicht zweimal sagen, quittierte den Dienst
einem selbständigen und würdigen Leben in
am Ersatzkräfteverfahren fest, von der ideolo-
bei der Pfarre und freut sich, dass
Österreich – sollten es zumindest sein. Die
gischen Vorstellung, dass ein bestimmtes Maß
er nun, ohne zu
allermeisten Immigranten versichern auch, dass
an Arbeit vorhanden sei, das man „gerecht“
arbeiten, 300
sie hergekommen seien, um nicht nur Sicherheit
aufteilen müsse, hat man aber auch dort Ab-
Euro
nach
und rechtsstaatliche Verhältnisse zu finden,
schied genommen.
Hause schi-
sondern vor allem, um hier zu arbeiten und Geld
cken kann.
zu verdienen. Dringend ist auch ein Anerkennungsgesetz, Das ist nicht so einfach wie es ausschaut und es
das die Kriterien für die Bewertung von mit-
„Ein positiver
sich manche auch vorstellen. Nach Erhebungen
gebrachten Qualifikationen und Berufskennt-
Asylbescheid
des AMS haben 93 Prozent der Flüchtlinge aus
nissen festlegt. Das gilt keineswegs nur für
geht oftmals
Afghanistan oder Pakistan und 75 derer aus Sy-
den akademischen Bereich, sondern auch für
mit einem Ein-
rien nur einen Pflichtschulabschluss. Wenn man
einfache Tätigkeiten. Da viele Immigranten aus
stieg in das So-
weiß, dass auch österreichische Schulabgänger
kaufmännisch geprägten Gesellschaften kom-
zialsystem ein-
oft nicht für einen Lehrplatz geeignet sind, ist das
men, müssen sie für industrielle und gewerb-
her“, stellt eine
keine sehr gute Aussicht.
liche Produktion erst geschult und ausgebildet werden. Das kostet Zeit und Geld.
im Außen- und
„Der syrische Arzt ist nicht der Normalfall“, kon-
Integrationsministerium unverblümt fest. An-
statierte die deutsche Arbeitsministerin Andrea
Flucht oder Migration dürfen jedenfalls nicht
erkannte Asylanten haben unmittelbar Zugang
Nahles nüchtern. Nicht einmal jeder zehnte
die Reise in die Arbeitslosigkeit gewesen sein.
zur Mindestsicherung, weil sie in ihren sozialen
Immigrant habe die nötigen Qualifikationen, um
Ansprüchen den Einheimischen gleichgestellt
direkt einen Arbeitsplatz zu finden. Trotzdem
Hans Winkler hat eine Streitschrift zum Thema
sind. Es gibt Beispiele, dass diese staatliche
müssen alle
verfasst – die Rezension finden Sie auf Seite 22.
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Anstrengungen unternommen
Foto: SonerCdem Foto: istockphoto.com/ xxxxxxxxx
Expertengruppe
Flüchtlinge willkommen
Flüchtlingskrise als Chance
MIGRATION Nach Einschätzung des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sind weltweit 60 Mio. Menschen auf der Flucht, Europa rechnet bis Ende 2015 mit einem Zustrom von ca. eine Mio. Flüchtlingen.
N
Foto: istockphoto.com/ timsa
ur eine gemeinsame europäische Antwort kann die Lösung für die aktuelle Flüchtlings- und Migrationskrise sein. Dennoch besteht die Möglichkeit, aus dem Potenzial der geflüchteten Menschen auch eine Chance für Österreich abzuleiten – für die Gesellschaft, die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Viele hunderttausende Menschen, die Schutz vor Krieg, Vertreibung und politischer Verfolgung suchen, sind in den vergangenen Monaten in Europa angekommen. Österreich rechnet für 2015 mit bis zu 100.000 Asylanträgen und einer positiven Anerkennungsquote von 40 Prozent. Das sind Menschen, die in Österreich bleiben werden und die es so rasch wie möglich zu integrieren gilt. Die IV ist sich auch hier ihrer gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Verantwortung bewusst und
will sowohl humanitär als auch politisch einen spürbaren Beitrag leisten.
Das „Projekt Wohnraum“ Die IV hat Flüchtlingskoordinator Christian Konrad Unterstützung bei der Suche nach Unterbringungsmöglichkeiten zugesagt, was natürlich nur gemeinsam mit den Mitgliedunternehmen gelingen kann. Die Grundidee des „Projekts Wohnraum“ ist: Unternehmen stellen Unterkünfte zur Verfügung und bieten Asylwerbern eine Wohnmöglichkeit. Die Betreuung dieser Menschen wird von den zuständigen NGOs übernommen, die IV sorgt für eine möglichst unbürokratische Abwicklung des Vorgangs. Dabei geht es nicht um Notunterkünfte, sondern um eine mittelfristige (sechs Monate bis drei Jahre) Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten für Personen, die sich in einem Asylverfahren befinden und eine gute Chance haben, in Österreich zu bleiben.
Qualifikationserhebung und es braucht Deutschkurse in ausreichender Zahl. Auch die OECD empfiehlt, so früh als möglich in jene zu investieren, die langfristig bleiben werden. Dies bedeutet zwar anfänglich finanzielle Anstrengungen, doch langfristig wird sich der Einsatz von Kapazitäten volkswirtschaftlich lohnen. • • •
Die IV fordert, den Arbeitsmarktzugang von Asylwerbern zu lockern. Wir halten eine Qualifikationserhebung so früh wie möglich für sinnvoll. In Ausnahmefällen ist die Schaffung eines Korridors zwischen Asylverfahren und RWR-Karte vorstellbar.
Herausfordernde Situationen erfordern neue Wege. Wir müssen Abstand nehmen vom defensiven Zugang zu Migration und Internationalität und können die Herausforderung Flucht zur Chance für die Betroffenen und für Österreich machen.
Beschäftigung und Ausbildung Neben der Unterbringung müssen Asylwerber die Möglichkeit auf Beschäftigung und Ausbildung haben. Nur so können diese Menschen langfristig ökonomisch sinnvoll teilhaben. Primär bedarf es daher aus Sicht der IV bereits am Beginn des Asylverfahrens einer
INFORMATION
www.facebook.com/ refugeeswelcometoaustria Wenn Sie Interesse am „Projekt Wohnraum“ haben, bitten wir Sie um Kontaktnahme mit Alexandra Schöngrundner asyl@iv-net.at 01/711 35-2323
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Neustart Schule
Druck für Reformen steigt BILDUNG Bis 17. November will die Bundesregierung Vorschläge für eine Reform der Schulorganisation vorlegen. Partner und Unterstützer der Initiative NEUSTART SCHULE haben konkrete Erwartungen an die politisch Verantwortlichen formuliert und längst überfällige Bildungsreformen eingefordert.
Neustart Schule – Gemeinsam Bewegung in die Bildungspolitik bringen!
FACTBOX Über „NEUSTART SCHULE“ „NEUSTART SCHULE“ ist eine Initiative der Industriellenvereinigung und ihrer Partner, die Bewegung in die österreichische Bildungspolitik bringt. Sie thematisiert die Zukunft von Bildung in Österreich und wird bisher von mehr als 18.000 Personen unterstützt. Ziel von NEUSTART SCHULE ist es, mit der Unterstützung von Partnern, Experten und der Bevölkerung auf die Notwendigkeit einer Bildungsreform aufmerksam zu machen und die Politik dafür zu gewinnen. Weitere Infos: www.neustart-schule.at/blog Liken: www.facebook.com/neustartschule Fotos: www.flickr.com/photos/neustartschule
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Diakonie, Hilfswerk, Industriellenvereinigung, Junge Industrie, EduCare, Wirtschaftskammer, Bundesjugendvertretung oder das Österreichische Rote Kreuz – formulierten gemeinsame Vorschläge an die Bundesregierung. Gemeinsam sprechen sie für fast fünf Millionen Menschen in Österreich.
Zentrale Ziele „Mehr Autonomie, eine moderne und schlanke Schulorganisation und eine Aufwertung der Elementarbildung“, so der gemeinsame Tenor in Richtung der politisch Verantwortlichen. Wichtig sei, sich endlich einem modernen Bild von Schulorganisation anzunähern, denn: Schulorganisation ist nicht Selbstzweck, sondern dient der besten Bildung aller Kinder. Neben pädagogischer, personeller und finanzieller Autonomie spielt für NEUSTART SCHULE auch eine wirkungsorientierte Steuerung des Bildungsressorts eine entscheidende Rolle. Bei einer Neuorganisation sind die elementaren Bildungs-
einrichtungen, für die es eine generelle Aufwertung braucht, selbstverständlich mit einzubeziehen.
Start der Bildungsrevolution Einig sind sich alle Unterstützer jedenfalls darin, dass mit dem 17. November die Bildungsreform nicht zu Ende ist, sondern erst richtig beginnt. Denn dann müssen die nächsten Reformschritte zu den wichtigsten Fragen des Bildungswesens erst richtig auf den Weg gebracht werden. Konkret geht es unter anderem darum, Bildungsziele zu definieren, die Pflichtschulqualität zu steigern, kontraproduktive Übergänge und soziale Selektion zu beseitigen und zeitgemäße Arbeitszeitmodelle für die Pädagogen zu schaffen. „Österreich braucht eine ‚Bildungsrevolution‘ – und dafür benötigt es ein gemeinsames Vorgehen der Politik mit den Betroffenen, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft“, so die Neustart-Community. Ein solcher Prozess soll noch in dieser Legislaturperiode die Weichen für eine Neukonzeption stellen.
Foto: Neustart Schule
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ie Initiative NEUSTART SCHULE lud Partner und ausgewählte Gäste zum Bildungsgipfel „Schule neu starten“ und präsentierte als Ergebnis jene Forderungen, die es für eine erfolgreiche Reform der Schulorganisation in Österreich braucht. Mehr als zwanzig Organisationen – unter anderem Caritas,
Stipendiaten mit Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer (2.v.l.), IV-Vizepräsidenten Otmar Petschnig (4.v.r.) und IV-Generalsekretär Christoph Neumayer (2.v.r.)
IV und WK Kärnten vergeben hohe Stipendien HOCHBEGABT Je 10.000 Euro im Rahmen sogenannter Exzellenz-Auslandsstipendien – diese Unterstützung erhielten 13 junge Forscher für ihren Aufenthalt an den renommiertesten Forschungsinstituten der Welt.
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tmar Petschnig, Vizepräsident der IV-Bundesorganisation und der Wirtschaftskammer Kärnten, außerdem Mitglied der Jury zur Vergabe der Exzellenz-Auslandsstipendien, bedankte sich bei beiden Organisationen für die großzügige Unterstützung. Über eine halbe Million Euro seien seit 2011 schon an hochbegabte junge Studie-
rende oder Wissenschaftler gegangen. „Vielfach wäre ein derart hochkarätiges Studium im Ausland ohne diese Hilfe gar nicht möglich gewesen“, so Petschnig bei der Verleihung im Wiener Haus der Industrie Anfang September. Er sieht die Stipendienaktion als Chance, um die jungen „High-Potentials“ nach ihren Auslandsaufenthalten wieder zurück zu holen. So sehr sich IV-General-
sekretär Christoph Neumayer über die Hochbegabten freut, kritisierte er bei der Verleihung doch auch den Mangel an Absolventinnen und Absolventen von naturwissenschaftlich-technischen Fächern (MINT): „Wir brauchen eine echte Bildungsreform, wie sie u.a. die IV mit ihrer Hochschulstrategie vorgelegt hat. Die FTI-Strategie der Bundesregierung ist zügig umzusetzen.“
Schulterschluss für bessere Elementarbildung FORDERUNGEN Industriellenvereinigung (IV) und Sozialpartner haben ein 10-Punkte Forderungsprogramm zur Zukunft der Elementarbildung vorgestellt. Ihr klarer Appell an die Bundesregierung: keine Bildungsreform ohne Elementarbildung.
Fotos: IV, Prantl
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m 23. September haben IV und Sozialpartner ein gemeinsam erarbeitetes 10-Punkte-Programm zu Qualität, Finanzierung und Chancengerechtigkeit in der Elementarbildung präsentiert. Ziel war es – nach der Vorstellung des IV-Elementarbildungskonzepts im April –, nun auch organi-
Die Sozialpartner und die IV versuchen im Schulterschluss den Druck auf die Politik zu erhöhen.
sationsübergreifend die Bedeutung der Elementarpädagogik zu vermitteln und inhaltliche und strukturelle Reformen von der Politik einzumahnen. Hauptforderungen von Georg Kapsch, Christoph Leitl, Rudi Kaske, Renate Anderl und Elisabeth Leitner: Bundeskompetenz für Kindergärten, Bundesrahmengesetz mit einheitlichen Qualitätsstandards, Tertiärisierung der Ausbildung für Elementarpädagogen und ein zweites, verpflichtendes Kindergartenjahr für alle Kinder. Mit Blick auf den 17. November und die für diesen Tag angekündigten Vorschläge für eine Bildungsreform haben IV und Sozialpartner damit ein deutliches und klares Signal an die Bildungsreformkommission gesendet: keine Bildungsreform ohne Elementarbildung.
FAKTEN & INFORMATIONEN Die 10 Forderungen im Überblick 1. Elementarbildung in Bundeskompetenz 2. Aus 9 mach 1 − ein Bundesrahmengesetz für elementare Bildungseinrichtungen 3. Flächendeckendes Angebot mit umfassenden Öffnungszeiten 4. Fortsetzung der Bundesförderung und laufenden Finanzierung nach Leistungserbringung 5. Qualifizierungsschub in der Ausbildung 6. Ganzheitliches Lernen und Fördern 7. Mehr Männer im Kindergarten 8. Erfolgreicher Übergang in die Schule ohne „Brüche“ 9. Systematische Qualitätssicherung 10. Ausbau und Stärkung der Elternarbeit Kontakt: Mag. Eva Haubner e.haubner-hufnagl@iv-net.at Zukunft der Elementarbildung in Österreich: www.iv-net.at/b3594
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Tag der Industrie 2015
Foto: xxxxxxxxx
Fotos: IV/Andreas Hross
Tag der Industrie 2015 – der Abend
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Tag der Industrie 2015
Foto: xxxxxxxxx
EMPFANG Eine erfolgreiche 1. Industrie-Konferenz neigte sich dem Ende zu. Am Abend standen mit Professor Hans Rosling spannende globale Trends abseits gewohnter Betrachtungsweisen auf dem Programm. Mehr als 1.000 Gäste waren beim Industrie-Empfang im Wiener „Art for Art“ dabei.
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Initiative
Stummvoll: „Starker Standort sichert Arbeitsplätze“ REFORM Günter Stummvoll, Sprecher der Initiative „Der österreichische Mittelstand“ übt massive Kritik an den schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für Unternehmen am Standort Österreich. gerade jetzt und angesichts der Tatsache, dass Österreich in den vergangenen Jahren an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Was wir hingegen sehr wohl benötigen, ist eine Modernisierung im Arbeitszeitbereich. Das Tempo der Veränderung war noch nie so hoch wie jetzt. Es ist völlig absurd, das ganze Jahr in Blöcke von 40 oder 38,5 Wochenstunden einzuteilen, egal wie die Auftragslage im Unternehmen aussieht. Wir müssen endlich von diesem „Kasterldenken“ wegkommen: da die Wirtschaft und dort die Arbeitnehmer.
Welche Argumente wollen Sie demnach der Öffentlichkeit kommunizieren? Die Unternehmen noch mehr zu belasten, wie es eine Arbeitszeitverkürzung oder eine generelle sechste Urlaubswoche tun würde, geht in die komplett „Es ist völlig absurd, falsche Richtung, das ganze Jahr in sowohl für UnterBlöcke von 40 oder nehmen als auch für die Arbeitneh38,5 Wochenstunden einzuteilen, egal wie die mer. Die Annahme, dass eine 30-StunAuftragslage im Unterden-Woche einen nehmen aussieht.“ BeschäftigungszuGünter Stummvoll, Sprecher der Initiative wachs von drei bis vier Prozent bringt, nicht einfach abwarten, was die Politik zu- ist absurd. Das gesamte Arbeitspotenzial sammenbringt. Wir propagieren deshalb mit einer Arbeitszeitverkürzung zu dividieauch das Gespräch zwischen Chef und Mit- ren, ist eine Milchmädchenrechnung. Was arbeitern. Damit soll das Bewusstsein der bringt es einer arbeitslosen Textilarbeiterin Arbeitnehmer gestärkt werden, dass die im Waldviertel, wenn eine Technikerin in Rahmenbedingungen für die Unternehmen der Steiermark weniger arbeitet? Gar nichts. in Österreich immer schwieriger werden und Für diese falschen Argumente wollen wir das darunter ihre Arbeitsplätze leiden. Bewusstsein stärken. Wenn es um das Thema Arbeitslosigkeit geht, wird parallel immer wieder der Ruf nach einer Arbeitszeitverkürzung laut. Die „Initiative Mittelstand“ spricht sich klar dagegen aus, warum? Eine Arbeitszeitverkürzung geht mit einer Erhöhung der Arbeitskosten einher und das ist Gift für die Wirtschaft und Arbeitsplätze,
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Was halten Sie von der Möglichkeit, dass Arbeitnehmer zwischen Lohnsteigerung und mehr Freizeit wählen können? Dort wo es geht, bin ich sehr dafür, denn Wahlmöglichkeiten sind immer vorteilhaft. Das geht allerdings nur in einem gewissen Ausmaß. Das Problem ist ja, dass die Ge-
werkschaft eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich will, und das ist für die Unternehmen nicht finanzierbar. Darum lehnen wir diese Forderungen auch nachdrücklich ab. Sie haben bereits die negative Entwicklung des Standortes Österreich angesprochen. Worin liegen, abgesehen von der Arbeitszeitregelung, die größten Herausforderungen? Für die Unternehmen stellt vor allem auch die überbordende Bürokratie in Österreich eine enorme Belastung dar. Was den bürokratischen Aufwand betrifft, ist Österreich in vielen Bereichen ein Negativbeispiel. Laut Weltbank liegt Österreich, was die Rahmenbedingungen für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, das bestehende Regulierungsumfeld sowie Reformschritte betrifft, derzeit nur auf Rang 21, laut IMD-Ranking sogar nur auf Platz 26, vor wenigen Jahren aber noch auf Platz elf! Das heißt Jahr für Jahr eine Verschlechterung! Können Sie ein Beispiel für die unverhältnismäßigen bürokratischen Hürden nennen? Heimische Unternehmen müssen im Durchschnitt 166 Stunden pro Jahr für Steuererklärungen aufwenden, bei einer gesamten Steuerbelastung von 52 Prozent des Gewinns. In der Schweiz hingegen sind es nur 63 Stunden bei einer gesamten Steuerbelastung von 29 Prozent des Gewinns. Was würden Sie nach der Bürokratie an zweiter Stelle nennen? Die hohen Arbeitszusatzkosten: Unsere Betriebe müssen rund 90 Prozent des Direktentgelts an die Mitarbeiter zusätzlich an Steuern und Abgaben zahlen. Das gehört zur Stärkung der Arbeitsplätze unbedingt reduziert. Außerdem sind wir bei Urlaub und Feiertagen mit 38 Tagen pro Jahr weltweit an der Spitze. Weitere Infos unter: www.der-mittelstand.at
Foto: Parlamentsdirektion / WILKE
Die „Initiative Mittelstand“ kritisiert die schlechten Rahmenbedingungen für Unternehmen in Österreich. Was ist das Ziel der Initiative? Uns als Initiative geht es um die Sicherung und Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich und das bedeutet Arbeitsplätze, Einkommen und letztlich soziale Sicherheit. Wir wollen Daten und Fakten aus der Wirtschaft aufzeigen und damit das öffentliche Bewusstsein stärken. Hier kommen auch unsere Betriebe direkt ins Spiel, denn auch sie haben die Verantwortung und die Verpflichtung, ihre Mitarbeiter über die Auswirkungen von politischen Maßnahmen, beispielsweise im Bereich der Arbeitszeitregelung, zu informieren. Bereits seit Jahren rutscht Österreich in Standortrankings permanent ab. Die Unternehmen sollten
Netzwerk
Vielfalt als Wettbewerbsvorteil ERFOLGSFAKTOR Gemischte Teams sind effizienter, daher ist Diversity-Management keine Frage der Verantwortung, sondern knallharter Wirtschaftsfaktor, weiß man bei IBM aus Erfahrung.
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Fotos: IBM/Christina Laggner, IBM/Pepo Schuster, austrofocus.at
ielfalt im Unternehmen darf kein Lippenbekenntnis sein“, sagt Tatjana Oppitz, Generaldirektorin von IBM Österreich, denn “gemischte Teams sind essenziell für den Unternehmenserfolg“. Als Arbeitgeber hat sich IBM zum Ziel gesetzt, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die niemanden ausgrenzen oder benachteiligen. Das Technologieunternehmen geht im Verständnis aber noch einen Schritt weiter. „Wir sehen Vielfalt als Erfolgsfaktor für eine innovative und zukunftsorientierte Arbeitsweise, die unsere Spitzenposition im Wettbewerb sichert und unsere Attraktivität als Arbeitgeber ausmacht“, so Oppitz. Besonderen Fokus legt IBM auf das Thema Frauenförderung in technischen Berufen. „Kein Unternehmen kann es sich leisten, auf 50 Prozent des Potenzials zu verzichten“, bringt es Oppitz auf den Punkt.
Vielfalt im Unternehmen ist Führungsaufgabe „Was man nicht misst, kann man nicht steuern“, ist die studierte Handelswissenschafterin überzeugt. Deshalb arbeitet das IT-Unternehmen auch im DiversityBereich mit einer so genannten „Equal Opportunity Scorecard“, die die wesentlichen Zahlen und Daten umfasst, wie z.B.
den Anteil von Frauen im Management, die Frauenanzahl bei High-Potentials und jene bei den Neueintritten. Transparenz und Bewusstsein sind wesentliche Schritte, aber damit ist es nicht getan. „Diversity-Management ist auch Chefsache. Wenn ich Vorschläge für Beförderungen bekomme und unter zehn Namen findet sich keine einzige Mitarbeiterin, dann schicke ich das Mail kommentarlos zurück“, sagt Oppitz. Rund 30 Prozent der Belegschaft bei IBM Österreich sind Frauen, ebenso hoch ist die weibliche Repräsentanz in Führungspositionen. Warum nicht 50 Prozent? Schlichtweg, weil es an weiblichem Nachwuchs im IT-Bereich fehle, so Oppitz: „Wir müssen weit vor der Universität ansetzen, denn das Interesse von Mädchen an Technik geht ab dem zwölften Lebensjahr zurück.“ Oppitz sieht nicht nur Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen in der Pflicht, „auch die Wirtschaft muss etwas beitragen“. Deshalb veranstaltet IBM jedes Jahr im Sommer kostenlose Technikcamps für Mädchen zwischen neun und zwölf Jahren. Ziel ist es, die Neugier der Mädchen auf MINT-Fächer zu wecken und damit vielleicht den Grundstein für eine spätere Karriere in der IT zu legen. „Traut euch“, so die Botschaft, die Oppitz den Mädchen mitgeben will.
Tatjana Oppitz, Generaldirektorin von IBM Österreich
FACTBOX Im Lichte der Bedeutung weiblichen Potenzials für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen hat die Industriellenvereinigung das „Frauennetzwerk der Industrie“ ins Leben gerufen, welches sich für die Erhöhung des Frauenanteils in der Wirtschaft und Industrie einsetzt. Im Rahmen der Initiative stellt die IV Good-Practices aus Unternehmen vor. Weitere Informationen zum Technikcamp für Mädchen (EXCITE 2016): Isabella Gassama-Luschin (IBM), Isabella_Gassama-Luschin@at.ibm.com
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Energieunion
Energie nach wie vor tragende Säule europäischer Politik EUROPA Energie bleibt ein zentrales Handlungsfeld für die Industrie. Kommissions-Vizepräsident Maroš wirbt auf Tour für die energiepolitische Leitidee einer „Energieunion“.
FACTBOX Energieunion • Im Februar 2015 verlautbarte die Kommission ihre Mitteilung zur Energieunion. • Die genannten fünf Dimensionen dieser Strategie: Versorgungssicherheit, vollständig integrierter Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Emissionsminderung sowie Forschung und Innovation. • Die IV begrüßt diese Strategie grundsätzlich, weil ein vollständig integrierter europäischer Binnenmarkt den Standort stärkt. • Die wichtigsten Forderungen der IV sind: • Wettbewerbsfähige Energiekosten durch eine Reduktion der politischen Kosten • Ausbau der Energieinfrastruktur und damit Erhalt des gemeinsamen Marktgebiets Deutschland-Österreich • Dauerhafte Lösung der Carbon-Leakage-Frage im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems Mehr Fotos finden Sie unter: www.iv-net.at/b3729
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nergie und deren gemeinsame Bewirtschaftung war bekanntermaßen eines der wesentlichen Motive für die Gründung der EU bzw. deren Vorläufer. Knapp 65 Jahre später ist es wieder die Energie, die die europäischen Staaten näher zusammenbringen soll.
Energieunion-Tour machte Halt in Österreich Im Rahmen der Energieunion-Tour begrüßte die IV den zuständigen Vizepräsidenten der Kommission, Maroš sowie den österreichischen EU-Kommissar Johannes Hahn im Haus der Industrie. Auf Einladung von Generalsekretär Christoph Neumayer und Vize-Generalsekretär Peter Koren kamen hochrangige Vertreter hauptbetroffener Mitgliedunternehmen zu einem High Level Executive Meeting am 21. September 2015 zusammen. Während Vizepräsident die Vorteile einer Energieunion erläuterte, ging Kommissar Hahn auf die Rolle der Energie bei der Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik ein.
Energieunion muss Industriestandort stärken Für die IV ist klar, dass die Leitidee einer Energieunion zu einem Mehr an europäischer Integration führen muss. Eine solche verstärkte Zusammenarbeit in einem strategisch so zentralen Themenfeld wie der Energiepolitik kann den Standort Europa wirtschaftlich stärken, ist aber auch die Voraussetzung, um die ökologisch bedeutsame Energiewende ökonomisch verträglich voran zu bringen. Maßnahmen im Rahmen der Energieunion dürfen jedoch nicht zu zusätzlichen Belastungen der Industrie führen. Besonders das Emissionshandelssystem stellt durch seine auf lange Sicht kostentreibenden und unkalkulierbaren Elemente eine Gefahr für den Investitionsstandort Österreich dar. Ein weiteres besonders aktuelles Thema ist die gemeinsame Strompreiszone zwischen Deutschland und Österreich, deren Teilung derzeit heftig diskutiert wird. Eine Trennung würde aus Sicht der IV im krassen Gegensatz zum Geist einer Energieunion mit dem Ziel eines integrierten Energiebinnenmarktes stehen.
Foto: Sirwan Aminy
Vizepräsident Maroš Šef ovi und Kommissar Johannes Hahn diskutierten mit ausgewählten IV-Mitgliedern die Fragen der Energieunion.
Neumayer: „Wir müssen für Rahmenbedingungen sorgen, die es der Automobilbranche erlauben Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu generieren.“
Die Zukunft der individuellen Mobilität DISKUSSION Über die Zukunft des Individualverkehrs gehen die Meinungen der politischen Parteien auseinander, so auch bei einer Podiumsdiskussion im Haus der Industrie. Für den Großteil der Österreicher ist eine Stadt ohne Autos nicht vorstellbar!
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Wenn das Auto als Verkehrsmittel diskriminiert wird, schadet man damit der Wirtschaft in Österreich und gefährdet Arbeitsplätze und Wohlstand: „Die Vorstellung von einer Großstadt ohne Auto ist absurd.“ Alleine eine Einschränkung beim Lieferverkehr in Wien würde einen klaren Wettbewerbsnachteil für die Stadt bedeuten und zu Abwanderung führen. Ähnlich sieht das ÖVP-Landesparteiobmann Manfred Juraczka, der endlich ein Ende der Autofahrer-Schikanen fordert. Zwar würde sich „Wenn wir das Auto die Wiener Stadtdiskriminieren, scharegierung offiziell zur Multimodaden wir der Wirtschaft lität bekennen, und gefährden Arbeitspraktisch würde plätze und Wohlstand der Individualverin Österreich.“ kehr allerdings sabotiert. Etwas Felix Clary, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure anders sieht das naturgemäß Rülität auch ohne eigenes Auto? Ob das diger Maresch, Gemeinderat und Vermöglich und vor allem erstrebenswert kehrssprecher der Grünen Wien. Er setzt ist, welche Auswirkungen dies hätte und in der Stadt vor allem auf das Fahrrad als welche Voraussetzungen es benötigen Verkehrsmittel. Dass Fahrräder jedoch würde, darüber wurde im Haus der In- nicht die Lösung aller Probleme darsteldustrie im Rahmen einer von den Auto- len, sieht auch SPÖ-LAbg. und Planungsmobilimporteuren initiierten und von der und Verkehrssprecher Gerhard Kubik GSV (Österreichische Gesellschaft für ein. Er wünscht sich mehr Anreize, um Straßen- und Verkehrswesen) veranstal- vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsteten Podiumsdiskussion leidenschaftlich mittel umzusteigen. debattiert. „Ohne Auto geht’s nicht“, ist sich der Sprecher der österreichischen Österreich ist ein Autoland! Automobilimporteure Felix Clary sicher. Das bekräftigte auch IV-Generalsekretär
Fotos: Automobilimporteure
as belegen nicht nur Studien, sondern auch der Pkw-Bestand von 4,7 Millionen in Österreich, wonach statistisch gesehen jeder zweite in Österreich im Besitz eines Autos ist! Dennoch werden in Wien immer wieder Stimmen laut, besonders in Wahlkampfzeiten, die den motorisierten Individualverkehr am liebsten gänzlich aus der Stadt verbannen möchten. Volle individuelle Mobi-
Christoph Neumayer in seiner Begrüßungsrede: „Freie individuelle Mobilität ist Ausdruck einer hoch entwickelten Gesellschaft. Autofahren darf keinesfalls zu einem Privileg werden, welches sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung leisten kann.“ Die Automobilwirtschaft stellt immerhin einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in Österreich dar. Würde jeder mit dem eigenen Auto fahren, würde der Verkehr in Wien zusammenbrechen, so ein häufig gehörtes Argument. Aber was passiert, wenn alle Autofahrer auf die Öffis umsteigen, drehte der Generalsekretär der GSV und Moderator der Diskussion, Mario Rohracher, den Spieß um. Es brauche integrierte, konsistente und vernetzte Verkehrskonzepte, die alle Verkehrsträger miteinbeziehen, forderte Clary. Nur so könne die Zukunft der Mobilität gestaltet werden. Wie wichtig das Verkehrsmanagement einer Stadt sei, bekräftigte auch der Leiter Verkehrsmanagement bei der BMW Group, Martin Hauschild. Vernetzung, Digitalisierung, alternative Antriebe: all diese Entwicklungen stellen die Automobilindustrie vor enorme Herausforderungen. Die Hersteller jedenfalls sind hoch innovativ und investieren Milliarden in neue Technologien, wodurch ihre Produkte immer sicherer und umweltfreundlicher werden. Die Aufgabe der Politik muss es sein, für eine konstruktive und ideologiebefreite verkehrspolitische Debatte zu sorgen. Infos unter: www.automobilimporteure.at
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Bücher
GEDENKJAHR 2015
Stefan Karner, Alexander O. Tschubarjan (Hg.), Böhlau Verlag, 296 Seiten, 34,90 Euro
Die Moskauer Deklaration 1943 Am 30. Oktober 1943 brachten die Alliierten des Zweiten Weltkrieges auf der ersten gemeinsamen Außenministerkonferenz in Moskau ihren Willen zum Ausdruck, Österreich nach einem Sieg über NS-Deutschland wieder zu errichten. Das Buch basiert auf zwei in Moskau und Wien durchgeführten Tagungen der Österreichisch-Russischen Historikerkommission. Die These von Österreich als dem „ersten Opfer Hitler’scher Aggression“ steht im Zentrum des großen historischen Bogens, den das Buch spannt: Von der Staatsgründung und der Rolle der Alliierten bis in die 1980er-Jahre, als die erneut aufflammende Diskussion zu einer kritischen Analyse der jüngsten Vergangenheit Österreichs führte. Die Moskauer Deklaration 1943 – Österreich wieder herstellen
Constructive News
Ulrik Haagerup ist als Chefredakteur des Dänischen Rundfunks (DR) einer der innovativsten Nachrichtenjournalisten Europas. Seit Jahren verfolgt er ein spannendes Konzept. Haagerup komponiert Nachrichten anders als die meisten Nachrichtenjournalisten. Bei ihm sind News nicht die klassische Sammlung täglicher Horrormeldungen. Er sucht bei seinen Geschichten gezielt nach konstruktiven Ansätzen, die den Menschen Hoffnung geben oder im besten Fall sogar Nutzen stiften. Im vorliegenden Buch schildert der Autor interessante Beispiele aus seiner journalistischen Arbeit. Constructive News
Ulrik Haagerup, Johann Oberauer GmbH, 216 Seiten, 24,90 Euro
Dagegen sein ist nicht genug
Thomas Hofer, Verlag KremayrScheriau, 224 Seiten, 22,00 Euro
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Wie kommen wir wieder an kompetente Persönlichkeiten, die sich den „Job Politik“ überhaupt antun? Wie überbrücken wir die immer größer werdende Kluft zwischen Politik und Bevölkerung? Sind Reformen angesichts der politischen Systemverfilzungen überhaupt durchsetzbar? Diese und ähnliche Fragen stehen im Zentrum des von Politikberater und TV-Analytiker Thomas Hofer herausgegebenen Buches. Spitzenpolitiker wie Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Neos-Chef Matthias Strolz oder der Shootingstar im Außenamt, Sebastian Kurz, liefern unorthodoxe Vorschläge, um dem politischen Vertrauensverlust Herr zu werden. Dagegen sein ist nicht genug
Bücher
Vorne ist immer Platz Innovation ist eine wesentliche Voraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit. Doch wie werden Unternehmen kreativ und umsetzungsstark? „Vorne ist immer Platz“ beschreibt in humorvoller Weise die ungeschminkte Wahrheit über Innovation und die richtige Herangehensweise an die damit verbundenen Herausforderungen. Konzern-Vorstand Peter Schwab und Innovationsmanager Stefan Punz (beide voestalpine) geben praxistaugliche und fundierte Tipps, wie sich Unternehmen auf das Abenteuer Innovation vorbereiten, den Hindernislauf erfolgreich meistern und dabei immer besser werden können. Als Destillat aus langjähriger Praxis ist dieser ungewöhnliche Ratgeber ein hilfreicher Begleiter für alle, die neue Ideen generieren und umsetzen möchten. Vorne ist immer Platz – Durch Innovation an die Spitze
Peter Schwab / Stefan Punz, Linde Verlag, 144 Seiten, 19,90 Euro
Niemals aufgeben
Hannes Androsch (aufgezeichnet von Peter Pelinka), Ecowin, 400 Seiten, 24,95 Euro
Im Buch schildert Hannes Androsch sein Leben als Hochschaubahn, seine Erfolge als Finanzminister mit Bruno Kreisky, die Entzweiung der beiden bis zum Bruch, sein Wirken an der Spitze der damals größten Bank, der Creditanstalt, seine Gerichtsverfahren, seine Tätigkeit für die Weltbank, dann den Aufbau seines globalen Industriekonzerns. Stets unter seinem Lebensmotto: Niemals aufgeben! Gleichzeitig erschließt sich das „Jahrhundert der Extreme“ (Eric Hobsbawn) für den 1938 geborenen Zeitzeugen Androsch: Nazi-Besetzung, Vertreibung aus Südmähren, Besatzungszeit, Studentenpolitik, Kreisky-Ära, Kalter Krieg, Bankenkrise, der Aufstieg Chinas. Niemals aufgeben – Lebensbilanz und Ausblick
Herausforderung Migration
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Die europäischen Länder werden durch die Zuwanderung und den religiös-politischen Radikalismus zunehmend beunruhigt. Die etablierte Politik hat keine Antwort auf die Fragen der Protestbewegungen von rechts und links. Die alternden Gesellschaften Europas sind im Dilemma: Sie brauchen junge qualifizierte Zuwanderer für den Arbeitsmarkt, können sich aber die Ankömmlinge nicht aussuchen. Viele Zuwanderer vergrößern nur das Heer der Arbeitslosen. Gibt es Grenzen für die Aufnahmefähigkeit? Was bedeutet die starke Zuwanderung für die Integration? Wie können die Immigranten in das Wertesystem einer liberalen westlichen Demokratie integriert werden? Herausforderung Migration
Hans Winkler, Leykam-Streitschriften, 84 Seiten, 7,50 Euro
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Vorarlberg
Im abwechslungsreichen Vortrag wurden auch Medikamente und ihre Wirkungsweise präsentiert.
innovation(night im Zeichen des Silicon Valley ERFOLGSFAKTOREN Der Vizepräsident des Milliardenkonzerns Gilead Sciences und gebürtige Mellauer, Norbert Bischofberger, verriet auf der innovation(night am 14. September das Erfolgsrezept der kalifornischen Hightech-Region.
Funktionierender Kapitalmarkt Sowohl ein florierender Aktienmarkt als auch ein hohes Aufkommen an Risikokapital (privat und öffentlich) würden die Kapitalbeschaffung für Startups leicht machen. Jemand mit einer guten Idee finde immer jemand anderen, der diese finanzieren wolle.
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Hervorragende Infrastruktur Die sehr gute Verkehrsanbindung und die unmittelbare Nähe zu hochinnovativen Bildungseinrichtungen wie der Stanford University oder der University of California (Berkeley) seien für die ansässigen Unternehmen von großem Wert.
Attraktive Umgebung Die Nähe zu San Francisco, das angenehme Klima sowie die vielen Sport- und Outdoor-Möglichkeiten würden aus dem Silicon Valley einen angenehmen Ort zu leben machen und den hochqualifizierten Mitarbeitern ein attraktives Umfeld bieten.
Gründermentalität Der wichtigste Erfolgsfaktor ist laut Bischofberger aber die Gründermentalität, der tief verwurzelte Optimismus und der Glaube, dass das Morgen durch Technologie besser werden als das Heute. Risiko werde als etwas Positives wahrgenommen und dementsprechend seien auch Fehlschläge im Vergleich zu Europa viel breiter akzeptiert. Zudem gehe es vielen nicht um schnellen Reichtum, sondern darum, etwas zu verändern und einen positiven Beitrag zu leisten.
Die Projektpartner (v.l.n.r.): Gerard Hann (VN), Oskar Müller (FHV), Joachim Heinzl (Wisto), Mathias Burtscher (IV), Norbert Bischofberger (Gilead Science), Bernhard Ölz (Prisma)
Nach der Analyse der Erfolgsfaktoren folgte ein Überblick über das Unternehmen Gilead Sciences, dessen Börsenwert dank zahlreicher erfolgreicher Medikamente sogar weitaus höher ist als der aller österreichischen ATX-Unternehmen zusammen, wie Bischofberger eindrucksvoll darstellte. Die anschließende Fragerunde sowie der gemeinsame Ausklang bei Imbiss und Getränken wurden dann auch intensiv für ausgiebige Diskussionen genützt. Die innovation(night ist eine Initiative der FHV, Prisma, Wisto, VN und IV-Vorarlberg.
Fotos: Prisma
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ber 200 Gäste fanden sich im Millenium Park in Lustenau ein, um den Ausführungen des erfolgreichen Auslandsvorarlbergers an der Spitze des fünftgrößten Biopharmazie-Unternehmens der Welt (Marktwert 172 Mrd. Dollar) zu folgen. Das Ende der 1980er gegründete Unternehmen Gilead Sciences, das höchst erfolgreich Medikamente gegen Aids, Hepatitis C und Influenza herstellt, ist dabei nur eines von unzähligen, hochinnovativen und höchst erfolgreichen Unternehmen, die sich im Silicon Valley südlich von San Francisco niedergelassen haben oder sogar dort gegründet wurden. Bischofberger nannte vier wichtige Faktoren, die seiner Meinung nach wesentlich zum Erfolg der Region beigetragen haben:
Vorarlberg
Neuer Schub für Lehrlingsausbildung in Vorarlberg SOZIALPARTNER und Landesregierung trafen sich am 28. September, um über Maßnahmen gegen die sinkenden Lehrlingszahlen sowie die hohen Durchfallquoten bei den Abschlussprüfungen zu beraten und Handlungsschritte zu beschließen.
A
uf Seiten der Industriellenvereinigung nahmen Präsident Martin Ohneberg und Geschäftsführer Matias Burtscher daran teil. Im Rahmen des Gipfeltreffens wurde ein Maßnahmenpaket geschnürt, das die Ausbildungsqualität weiter steigern soll. Das Gespräch sei „ausgesprochen konstruktiv verlaufen und ein Zeichen dafür, dass die Sozialpartnerschaft in Vorarlberg funktioniert“, zeigte sich IV-Vorarlberg-Präsident Martin Ohneberg mit dem Ergebnis des Gipfels zufrieden. „Wir haben festgestellt, dass es nicht nur an der Qualität der ausbildenden Unternehmen fehlt, sondern auch an qualifizierten Lehrlingen“, so IV-VorarlbergPräsident Martin Ohneberg. In Verbindung mit Maßnahmen des Landes im Bereich der Schulbildung führe das beschlossene Paket zu besser ausgebildeten Lehrlingen für die Unternehmen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Beitrag leisten können, das Erfolgsmodell duale Ausbildung zu attraktivieren. Von Seiten der Industriellenvereinigung gibt es jedenfalls volle Unterstützung für eine Wei-
Land, AMS, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung, Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Egon Blum an einem Tisch.
terentwicklung der dualen Ausbildung in Vorarlberg“, kündigt der Präsident an. Bis Ende 2015 sollen nun Konzepte erarbeitet und organisatorische sowie finanzielle Fragen geklärt werden. Die Spitzenvertreter der Sozialpartner vereinbarten jedenfalls, weitere regelmäßige Treffen abzuhalten, um die aktuelle Situation zu analysieren und die Entwicklung in der Lehrlingsausbildung weiter voranzutreiben.
FACTBOX
Fotos: Alexandra Serra
Beschlossene Maßnahmen des Lehrlingsgipfels • Mehr Ausbildungsberater zur Unterstützung für Ausbildungsbetriebe und zur Optimierung der Ausbildungsqualität • Einführung einer Zwischenprüfung für alle Lehrlinge • Ausbildungsstarthilfemodell für lernleistungsschwächere Lehrlinge im Rahmen des überbetrieblichen Ausbildungszentrums (ÜAZ) • Forcierung des Vorarlberger Lehrlingsmodells mit Option auf Lehre mit Matura für leistungsstarke Lehrlinge Maßnahmenpräsentation auf der gemeinsamen Pressekonferenz
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Vorarlberg
VORARLBERG
An TTIP führt kein Weg vorbei! fiteure in Vorarlberg abgestempelt zu werden. 60
mische Wirtschaft und bevorzugen sachliche Kritik
Prozent aller in Vorarlberg produzierten Waren und
gepaart mit konstruktiven Vorschlägen gegenüber
Dienstleistungen gehen ins Ausland, eindrucksvoller
der Totalverweigerung. Wir begrüßen daher die von
kann man mit Zahlen nicht belegen, wie sehr hei-
EU-Kommissarin Malmström präsentierte Reform
mischer Wohlstand und Arbeitsplätze vom Export
der Schiedsgerichte, die unabhängige Richter,
Dies nahmen unter anderem die Vorarlberger Grü-
abhängen. Ohne Wirtschaftswachstum, zu dem
Berufungsmöglichkeiten und mehr Transparenz
nen zum Anlass, um erneut gegen das Abkommen
sowohl der freie Handel als auch die Vorarlberger
vorsieht. Hier wurde die Kritik ernst genommen und
zu wettern. Während zeitgleich die Landesre-
Industrie maßgeblich beitragen, nützt die beste
eine Verbesserung in Aussicht gestellt.
gierung und die Sozialpartnerspitzen über eine
Lehrlingsausbildung nichts. Sogar der als Präsi-
Verbesserung der Lehrlingsausbildung verhan-
dentschaftskandidat gehandelte ehemalige Bun-
Der Wegfall tarifärer und insbesondere nichttari-
delten, wetterte man ein paar Stockwerke tiefer
dessprecher der Grünen, Alexander van der Bellen,
färer Handelshemmnisse zwischen der EU und
auf einer Pressekonferenz gegen TTIP und den
outete sich kürzlich – in einem Interview auf TTIP
den USA führt zu stärkerem Warenaustausch und
freien Handel. Waren es vorher stets nur globale
angesprochen – als Anhänger des Freihandels.
damit zu einem höheren Wirtschaftswachstum
Großkonzerne, die von den Gegnern als alleinige
und mehr Arbeitsplätzen. Das ist es, was wir an-
Gewinner des Freihandelsabkommens ausgemacht
Wer sich dazu entschließt, Regierungsverantwor-
gesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen und
wurden, kommen nun erstmals auch Vorarlberger
tung zu übernehmen, der sollte in einem Indus-
des niedrigen Wirtschaftswachstums brauchen.
Industriebetriebe in den Genuss, als alleinige Pro-
trie- und Exportland wie Vorarlberg nicht unwider-
Einheitliche strenge Standards führen zu gerin-
sprochen wirtschaftskritische Stimmung schüren,
geren Entwicklungs-, Zertifizierungs- und somit
ohne Gefahr zu laufen, als verantwortungslos
Internationalisierungskosten und daher zu einem
dargestellt zu werden. Baden-Württembergs grü-
Wettbewerbsvorteil der heimischen Wirtschaft
ner Ministerpräsident Kretschmann beweist mit
gegenüber dem Rest der Welt. Den aufstrebenden
05. November 2015 | ganztägig
seiner ungleich positiveren Einstellung gegenüber
asiatischen Volkswirtschaften können wir nur ge-
Vorarlberger Wirtschaftsforum
TTIP, dass man die Schaffung und Sicherung von
meinsam begegnen. Wenn zukünftige Standards
Festspielhaus Bregenz
Arbeitsplätzen mittels Freihandelsabkommen über
weiterhin in Europa und Amerika bestimmt werden
die ideologischen Fesseln stellen kann. Die von den
sollen, führt an TTIP kein Weg vorbei.
TERMINE
09. November 2015 | 19:00 Uhr
innovation(night mit DI Dr. Peter Schwab (voestalpine) Foyer, CCR, Millennium Park 4, Lustenau 12. November 2015 | 19:00 Uhr
JI-PokerNight iv.lounge, CCR, Millennium Park 4, Lustenau 24. November 2015 | 07:00 Uhr
JI-Betriebsbesuch bei ZF Friedrichshafen Werk 2, Friedrichshafen
24 iv-positionen Vorarlberg | Oktober 2015
Vorarlberger Grünen vorgebrachten Argumente sind dabei nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen, denn die EU-Kommission hat viele
Ihr
der Kritikpunkte längst widerlegt. Die Industriellenvereinigung Vorarlberg steht TTIP nicht vorbehaltlos gegenüber und ist beispielsweise strikt gegen ein Absenken von Sozial-, Umweltoder Lebensmittelstandards, wir begreifen das
Martin Ohneberg
Abkommen aber auch als große Chance für die hei-
Präsident der IV-Vorarlberg
Fotos: Eva Rauch, istockphoto.com/_nhfotos
In einem Schreiben an die als TTIP-frei deklarierten Vorarlberger Gemeinden versuchte Jörg Wojahn, der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, die Bedenken der Kommunen auszuräumen.