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Ausgabe 01/2010
Heft 3
Naturfotografen-for-Nature Keinerlei kommerzielle Vermarktung, die Bereitstellung dieses Magazin erfolgt kostenneutral 端ber das Internet. Verantwortlich f端r den Inhalt sind die jeweiligen Autoren und Fotografen der Artikel.
MAGAZIN
Der Auwald Die Wildkatze Faszination Wolf Interview: Wolfsregion Lausitz Fotoziel: NSG Jusi am Berg Kiwis f端r den Kiwi Naturschutz in Neuseeland
Gefiederte Wanderer Die Bedeutung des Vogelzugs
Öffnungszeiten: Mo. 11:30-23:00 Uhr Di.-Do. 11:30-24:00 Uhr Fr. und Sa. 11:30-1:00 Uhr So. und Feiertags 10:00- 23:00 Uhr
So finden Sie uns: Römerstrasse 109 47 179 Duisburg - Walsum Telefon (02 03) 99 19-450 Parkplatz an der Römerstrasse e-mail: info@brauhaus-urfels.de Die DVG-Buslinie 919 hält vor dem Brauhaus. Haltestelle: Walsumer Brauhaus
Vorwort Wieder ist eine neue Ausgabe des Magazins der Naturfotografen for Nature fertig. Wieder wollen wir versuchen, die Schönheit von Flora und Fauna in Verbindung mit den Herausforderungen des Schutzes der Natur mit Ihnen zu teilen. Die letzten Wochen und Monate waren bestimmt von einer, wenn nicht gar der größten Naturkatastrophe dieser Welt. Täglich bestimmten die Bilder von den Versuchen, den Ausfluss des Erdöls im Golf von Mexiko zu stoppen, die Berichterstattung. Wie konnte es zu einer solchen Katastrophe eigentlich kommen? Kann es richtig sein, dass die Ölkonzerne aus reiner Profitgier kilometerweit unter der Wasseroberfläche und unter dem Meeresgrund nach dem schwarzen Gold bohren, egal wie hoch das Risiko für die Umwelt ist? Warum tun sie das? Sind nicht wir, liebe Naturfreunde, der eigentliche Anlass dafür? Ich nehme mich da gar nicht aus. Denn jedes Mal, wenn ich an der Tankstelle stehe, um meinen Wagen neu zu befüllen, dann liefere ich einen Grund für dieses Verhalten. Wir Konsumenten sind es in erster Linie, die den Bedarf an diesem Rohstoff beständig erhöhen. Immer neue Produkte, basierend auf dem schwarzen Öl, erblicken das Licht der Welt und erfreuen uns. Wir kaufen sie und liefern damit den Grund. Innovation und Fortschritt bezogen auf die Erzeugung von Produkten ohne Öl scheinen kaum sichtbar. Und heute, wer spricht noch darüber? Nun ist doch wieder alles ganz wunderbar. Das Leck ist geschlossen, das Meer und die Küste sicher ganz schnell wieder rein! Manchmal bieten solche Katastrophen auch Chancen. Die Chance zu einer Erkenntnis zu gelangen und Rahmenbedingungen neu zu definieren. In einem Anflug von Umweltbewusstsein hat die amerikanische Regierung Verbote für derartige Tiefseebohrungen ausgesprochen. Aber da hatten sie die Rechnung ohne die Konzerne gemacht. Schnell gab es eine Klage gegen das Verbot
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und schon war wieder alles beim Alten! Ja, die liebe Energiegewinnung. Was machen eigentlich unsere Volksvertreter (das sollen sie doch sein, die Frauen und Männer an der politischen Spitze in Berlin)? Na sie haben scheinbar DIE Lösung gefunden! Sie bringen uns die ERlösung von den fossilen Brennstoffen, zumindest teilweise. Sie wollen die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern! Wenigstens freuen sich die großen Energiekonzerne darüber. Ach ja, und ich vergaß, eine Rundreise machen sie auch, unsere Volksvertreter, machen sich ein Bild von den verschiedensten Möglichkeiten der Energiegewinnung. Eine tolle Idee: Lasst uns mal gucken fahren, dann können wir viel besser entscheiden. Und im Zeugnis steht dann: Sie waren stets bemüht! Wie geht es weiter? Sind die Windkraftanlagen der Weisheit letzter Schluss? Sind Gezeitenkraftwerke die Lösung? Fragen über Fragen, auf die auch ich nicht wirklich eine Antwort zu bieten habe. Ohnmächtig scheinen wir vor unseren eigenen Ansprüchen zu stehen. Wenden wir uns dieser Ausgabe zu. Die Bedeutung des Vogelzugs bringt uns Tamara Emmenegger näher. Über die heimische Flora und Fauna berichten Christine Jung - Der Auwald -, Christoph Jansch - NSG Jusi am Berg - , Carsten Fischer - Die Wildkatze- und über den Wolf in Deutschland steuere ich einen kleinen Artikel bei. Im Namen der Naturfotografen for Nature darf ich Ihnen viel Spaß beim stöbern in der Sommerausgabe des Magazin wünschen! Jan Bleil im August 2010
Jan Bleil Redaktion und Layout NFN-Magazin Naturfotograf aus Leidenschaft
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Gefiederte Wanderer Der Vogelzug ist ein wesentlicher Bestandteil der weltweit funktionierenden Flora und Fauna. Tamara Emmenegger gibt uns einen interessanten Einblick in die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen für die Tiere und die Menschen
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Projekt 2010 - birdlife und der NFN-Kalenderwettbewerb Mit den Siegerbildern des NFN-Kalenderwettbewerbes wollen wir einen Kalender zum Themenbereich Vogelzug auflegen und mit den Einnahmen die VogelzugKampagne von birdlife unterstützen!
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Spendenprojekte 2009 Was ist aus den unterstützten Projekten geworden? Christian berichtet Schönes wie Trauriges über die aktuellen Entwicklungen bei den Schneeleoparden und den Rotmilanen.
Wildkatzen Heimische Samtpfoten
Faszination Wolf Kaum ein Raubtier bewegt uns Menschen so wie der Wolf. Und nun ist er auch noch zurück und schickt sich an, hier zu bleiben. Ein kurzer Abriss über diese wunderbare Tierart von Jan Bleil.
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Raubkatzen in Deutschland - Carsten Fischer berichtet über die Samtpfoten und den notwendigen Schutz ihres Lebensraumes.
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NSG Jusi am Berg Die Motive der Makrofotografie liegen oft direkt vor unserer Haustür. Die Veränderungen der Natur sind gerade im großen Kosmos der Pflanzen und Insekten schnell zu Beobachten. Christoph Jansch reist mit uns durch die Jahreszeiten.
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Der Auwald Der Waldpark in Mannheim ist ein kleines Stück Auwald, welches uns die Schönheit, Vielfalt und die Bedeutung dieser Wasserwälder aufzeigt. Christine Jung nimmt uns mit in ihr Fotorevier.
NFN News und NFN Tipps Das Neueste um und aus der Gruppe Naturfotografen-for-Nature sowie Nachrichten aus der Natur.
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NFN Interview 64 Die Wolfsregion Lausitz ist seit vielen Jahren durch Funk und Fernsehen bekannt. Diplomforstwirtin Jana Schellenberg beantwortet im Interview mit Jan Bleil Fragen rund um den Wolf in Deutschland.
Kiwis für den Kiwi Kerstin Langenberger war lange Zeit auf den Neuseeländischen Inseln, Sie berichtet über den unermüdlichen Einsatz der Neuseeländer beim Schutz ihrer Naturschätze.
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NFN Portrait Es gibt viele Organisationen und Vereine zum Schutz von Tier und Natur in Deutschland. In dieser Ausgabe stellt Herr Dr.Rolf Jaeger die Anliegen und Aufgaben der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe vor.
NFN Tipps - Stative aus Holz Holz oder Carbon - die ewige Frage! Ob der Einsatz von schweren Holzstativen die Mühe lohnt, versucht Jan Bleil anhand eines Erfahrungsberichtes zu schildern.
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NFN - Tipp Blu-ray:
WILDES RUSSLAND Diese absolut atemberaubende Darstellung der russischen Natur ist eine der aufwendigsten Produktionen der letzten Jahre. Die Koproduktion von ndr und wdr glänzt nur so mit Superlativen. Fantastische Bilder von hervorragenden Kameraleuten ziehen uns in ihren Bann. Die komplette Serie, welche im deutschen Fernsehen in sechs Folgen ausgestrahlt wurde, ist seit einiger Zeit endlich auf Blu-ray erhältlich. Kaukasus, Ural, Sibirien, Arktis, der ferne Osten und nicht zuletzt Kamtschatka, sind für viele Westeuropäer noch immer die letzten Bastionen in ihrer Tätigkeit als Naturfotografen und Filmer. Licht aus, Vorhang auf und Film ab, mehr bleibt zu dieser Serie nicht zu sagen! NFN - Buchtipp I:
WILD WONDERS OF EUROPE UNBEKANNT, UNERWARTET, UNVERGESSLICH
69 Fotografen, 125 Foto-Missionen, 48 Länder - das größte Naturfotografie-Unterfangen der Welt. Das Ziel: Europas unbekannte Wildnis und ihre einzigartige Schönheit einer breiten Öffentlichkeit zu enthüllen und für einen verantwortungsbewussten Umgang mit den unwiederbringlichen Naturschätzen zu werben. Der dabei entstandene Bildband zeigt in bisher unveröffentlichten Aufnahmen der renommiertesten Fotografen Europas unerwartete Landschaftsund Naturbilder von beeindruckender Schönheit.(Zitat National Geographic) Gebundene Ausgabe: 288 Seiten Verlag: NATIONAL GEOGRAPHIC Deutschland; Auflage: 1., Aufl. (1. Mai 2010) ISBN-10: 3866901747 ISBN-13: 978-3866901742 Bezug über: www.amazon.de
Sprache: Deutsch (DTS 5.1), Englisch (DTS 5.1) Region: Alle Regionen Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1 FSK: Ohne Altersbeschränkung Studio: Polyband & Toppic Video/WVG Spieldauer: 270 Minuten Bezug über: www.amazon.de
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Brehms Tierleben - Jübiläumsausgabe in acht Bänden, 1928, Verlag von Philipp Reclam jun., Leipzig © Jan Bleil
NFN - Antiquariat:
Brehms Tierleben Während wir unser Augenmerk auf der gegenüber liegenden Seite auf aktuelle Erscheinungen legten, möchte ich an dieser Stelle einen Blick in die Vergangenheit empfehlen. Schon immer haben mich Bücher fasziniert, ganz besonders alte Ausgaben. Vor einiger Zeit setzte ich mir in den Kopf, Brehms Tierleben zu lesen. So bin ich denn über das Internet auf die Suche gegangen und habe mir neuere Ausgaben zu Brehms Tiergeschichten gekauft. Zum einen „Brehms Tierleben Säugetiere“ aus dem area verlag, ein nostalgisch gehaltener Band mit wunderbaren, auf Brehms Farbangaben basierenden, nachkolorierten Stichen und Federzeichnungen (ISBN 3-8996-007-6). Zum anderen „Die schönsten Tiergeschichten aus Brehms Tierleben“ - ausgewählt von Roger Willemsen. Dieser Band ist im S. Fischer Verlag erschienen und beinhaltet neben einem Nachwort von Roger Willemsen, Illustrationen von
Klaus Ensikat (ISBN 3-10-092101-1). Irgendwie wollte es mir aber keine Ruhe lassen, zumal der eine Band nur Säugetiere und der andere nur ausgewählte Tierarten beinhaltete. Also ging ich wieder auf die Suche und fand zu meiner Freude die Jubiläumsausgabe in acht Bänden. Diese Ausgabe, erschienen im Verlag von Philipp Reclam jun., Leipzig, aus dem Jahre 1928, stellt eine zweite, verbesserte Auflage dar. Wenn ich somit noch immer nicht das Original in der Hand hatte, so konnte ich doch nun in den ganz wunderbaren, sehr lebendigen Beschreibungen von noch mehr Tierarten schwelgen. Wer gerne altdeutsche Texte liest, insbesondere aus der Natur, dem lege ich dieses Werk ans Herz. In langen, sehr ausformulierten Sätzen, nimmt uns Brehm mit in die Beobachtungen der Tiere. Die hier angesprochene und oben abgebildete Ausgabe ist über den Antiquariatshandel im Internet zu unverschämt günstigen Preisen zu beziehen. Und wer weiß, vielleicht liegen die Bände ja auch einfach nur auf dem Dachboden oder im Keller. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
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N NFN -SPENDENPROJEKTE 2009
achwuchs bei den Schneeleoparden!
Schneeleopard Foto © NABU Thorsten Harder
Von Christian Falk Fotos: Thorsten Harder/Wolfgang Semle
Im Jahr 2009 unterstützten die Mitglieder von Naturfotografen-fn das Schneeleoparden Projekt vom NABU. Die neue „Schneeleo- Post“ von Herr Klemens Karkow war sehr interessant und berichtete über viele Neuigkeiten. So kann ich dazu schon einiges berichten, denn die vier kleinen Schneeleoparden aus zwei unterschiedlichen Familien haben auch ein neues zusätzliches Gehege im NABU Reha-Zentrum in Kirgistan bekommen. So haben beide Familien genügend Platz, um sich mit den Jungen nicht gegenseitig zu stören. Die fast 120 kg schweren und handvermessenen Gitterelemente wurden in nur acht Wochen montiert. Nun gibt es insgesamt vier große abtrennbare Bereiche für die Tiere. Die beiden jüngsten Leos aus dem zweiten Wurf haben leider eine Augen-
krankheit, die von einem Spezialisten behandelt werden muss, da die Behandlung mit Antibiotika nicht anschlug. Die Unterkunft für die Zukunft der jungen Schneeleoparden wird wohl in deutschen Zoos liegen, da sie leider nicht ausgewildert werden können. Die Mütter trainieren ihre Jungen im Normalfall bis zu 1 ½ Jahren in der Wildnis, um ihnen zu zeigen, wie man Blauschafe, Schraubenziegen oder Steinböcke erbeutet. Da dies leider nicht möglich ist, müssen die Kleinen eine neue Heimat in Zoologischen Gärten finden. Frau Finke vom NABU ist mit einigen Zoos in Verhandlung, doch die hohen Auflagen bereiten weitere Probleme, denn so eine Sache erfordert jede Menge schriftliche Genehmigungen. Dies ist natürlich wichtig, denn zum Schutze der seltenen Schneeleoparden sind diese Maßnahmen entstanden und das Wohlergehen der Tiere steht ja an erster Stelle.
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Schneeleoparden Foto © NABU Thorsten Harder
Weitere Informationen können sie auf der Webseite http://www.schneleoparden.de finden. Unter anderem sind einige Filmaufnahmen zu sehen, sowie reichlich Information, um selbst Pate eines Schneeleoparden zu werden. Vielen Dank an Heike Finke und Klemens Karkow, für die Informationen, sowie an Thorsten Harder und Wolfgang Semle, für die schönen Fotos aus dem Schneeleoparden-Reha-Zentrum in Kirgistan. Christian Falk - 2010 Schneeleoparden - Die Anlage Foto © NABU Thorsten Harder
Schneeleoparden Foto © Wolfgang Semle
NFN -SPENDENPROJEKTE 2009
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Besenderung Foto © Christian Gelpke
eine Signale vom Rotmilan!
„Leider ist von den Sender-Vögeln wohl keiner mehr am Leben, es gibt keine Signale mehr.“ Das war die leider enttäuschende Antwort von Christian Gelpke / HGON - Projekt „Rotmilan“, auf meine Anfrage, was es Neues beim Projekt der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz gibt. Christian Gelpke berichtete weiter, dass der letzte Vogel noch bis ins Überwin-
terungsgebiet in die Extremadura gekommen war, aber dann gab es irgendwann kein Signal mehr. Positiv war zu vermelden, dass es dann doch zwei Flügelmarkenfunde von „seinen Vögeln“ gab. (siehe HGON Seite). „Insgesamt war 2009 ein sehr schlechtes Bruterfolgsjahr auch in den guten Gebieten. Dies hatte natürlich auch seine Gründe – es gab eben sehr wenig Mäuse!“, so Gelpke. Seine Einschätzung zur diesjährigen Entwicklung ist, dass es in
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diesem Jahr sicher mehr Mäuse geben wird, auch wenn der Winter hart war. Außerdem berichtete mir Christian Gelpke folgendes: „Geplant ist in diesem Jahr mehr Altvögel zu fangen und neue Erkenntnisse über die Wiederkehr der Altmilane zu bekommen. Wie es scheint, ist auch da eine große Verlustrate zu verzeichnen. Ein Senderkauf ist derzeit nicht geplant, da fehlt das Geld zur Finanzierung. Aber wir arbeiten daran, denn eure Spenden tragen doch ungemein dazu bei und vielleicht können wir bald dadurch einen GPS-Sender kaufen. Ortung bis auf 5 m genau ist damit möglich und so können wir dann viel genauere Daten bekommen. So könnte man vor allem die toten Vögel dann gleich finden und Todesursachen feststellen lassen. Unsere Kontakte in Spanien und Frankreich sind sehr gut, man würde den Leuten vor Ort die Koordinaten geben und man könnte so die Vögel sehr schnell finden. Auch im Brutgebiet lassen sich interessante Daten über Habitatspräferenzen herausfinden. Alles in allem ist es natür-
lich trotzdem sehr aufwendig und muss neben meinem eigenen Leben laufen. Immerhin ist die zu bearbeitende Fläche gut 1000 km² groß. Und die Zeit wird mit dem älter werden nicht gerade mehr, sondern immer weniger. 2010 soll auch ganz Hessen wieder kartiert werden und mit der Kartierung von vor 10 Jahren verglichen werden. Die Ergebnisse werden sicherlich sehr spannend sein.“ Eine interessante Neuigkeit verriet mir der Rotmilanexperte Christian Gelpke dann noch zum Schluss. Bald wird es eine Puplikation seiner Diplomarbeit, zusammen mit vielen anderen Rotmilanartikeln in einem Sonderheft „Rotmilan“ geben. Noch einmal vielen Dank an Christian Gelpke für seine aktuellen Informationen. Weitere Informationen zum Rotmilan-Projekt finden sie auf der Webseite der HGON.
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Geschwister 818 und 817 bei der Markierung Foto © Christian Gelpke
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Text und Fotos: Tamara Emmenegger
Gefiederte
Wanderer
Die gefiederten Wanderer der Lüfte – schützenswerte Nomaden auf unsicheren Wegen. Eine Bestandsaufnahme über die Herausforderungen und aktuellen Entwicklungen um den Vogelzug von Tamara Emmenegger.
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oben: Weißstorch (Ciconia ciconia), links: Kuckuck (Cuculus canorus)
Man stelle sich vor, ein Menschenkind müsste, kurz nachdem es auf seinen eigenen Füssen stehen kann, seine Eltern verlassen, selber für sein (Über-)Leben sorgen und eine bis zu 30‘000 km lange Reise planen und bestreiten. Was für uns ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, ist für einige Vögel das Normalste von der Welt. Dieser Bericht soll aufzeigen, wozu die Zugvögel diese Strapazen auf sich nehmen, welche biologischen Voraussetzungen dafür nötig sind und welche Gefahren ihnen auf dem Weg drohen. Egal ob Bakterien, Algen, Wirbellose oder Wirbeltiere bis hin zum Menschen, Lebewesen wandern. Vor allem auch in aquatischen Lebensräumen kommen Wanderungen mit Tages- oder Jahresperiodik häufiger vor als man denkt. Denn es gibt nicht nur Schmetterlinge welche bis zu 4000 km wandern, sondern auch das Plankton, viele Fische, Krebse und natürlich die grossen Meeressäuger sind beinahe ununterbrochen unterwegs, um ihre
eigene und die Lebensgrundlage ihres Nachwuchses sicher zu stellen. Wir wollen uns aber an dieser Stelle mit den gefiederten Wanderern beschäftigen. Bis auf einige wenige Ausnahmen (in Nordamerika und Afrika lebende Nachtschwalbenarten, welche den Winter über in Höhlen in eine Kältestarre fallen) sind alle Vogelarten das ganze Jahr durch mehr oder weniger aktiv. Dies bedingt eine ganzjährige Abhängigkeit von allen lebenswichtigen Ressourcen. So kommt es, dass sich einige Vogelarten z.B. zu sogenannten Kulturfolgern entwickelt haben und sich in der Hoffnung auf stetige Nahrungsversorgung in Menschennähe aufhalten. Andere stellen ihre Nahrungsgrundlage durch Wanderungen zu den saisonal verfügbaren Futtergründen sicher. Einstmals fasste man alle diese kurzen bis sehr langen, genetisch festgelegten bis sehr flexiblen Wanderungen unter dem Begriff Vogelzug zusammen. Heutzutage definiert man Vogelzug aber oftmals
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oben: Wiedehopf (Upupa epops), linke Seite: Kranich (Grus grus)
etwas enger als früher und bezieht sich nur auf regelmässige saisonale Pendelbewegungen zwischen einem Brut- und einem Überwinterungsgebiet. Als Ursachen für dieselben können die Veränderungen der Umweltbedingungen (wie z.B. Temperatur), die damit verbundene jahreszeitliche Nutzung des Nahrungsangebotes verschiedener Regionen und einige weitere, mit innerartlicher Konkurrenz zusammenhängende Faktoren, in Frage kommen. Dies führt zu einer schier unglaublichen Vielfalt verschiedener Zugverhalten, welche vom kurzstreckigen Tageszug der Lerchen und Finken bis hin zum nächtlichen Langstreckenzug des Kuckucks reichen kann. Von einigen vor allem grösseren Zugvögeln wie dem Weissstorch (Ciconia ciconia) oder dem Kranich (Grus grus) liegen extrem viele Beobachtungen aus dem Brut- und Überwinterungsgebiet vor und die Zugwege, -ziele und Rastplätze sind ebenfalls ziemlich genau bekannt. Bei anderen Zugvögeln tappt die Vogelzugforschung noch im Dunkeln und die Technik muss noch einiges an Fortschritt erlangen bis auch der Zug kleinerer Zugvögel, wie
z.B. des Zilpzalp (Phylloscopus collybita), mit seinem Gewicht von etwas über 8 Gramm, mit individuellen Sendern erforscht werden kann. Für den Schutz der wichtigsten Zugrouten, ist es wichtig, nicht nur zu wissen wohin die Vögel ziehen, sondern auch wo sie wann rasten. Genau dazu ist die Satelliten-Telemetrie die Technik der Wahl. Dabei werden möglichst viele Individuen (stets durch finanzielle Mittel begrenzt) meistens in ihren Brutgebieten mit Sendern ausgestattet, welche mit Satelliten in Verbindung stehen, die entsprechenden Informationen an Bodenstationen weiterleiten. Daraus kann dann insbesondere die Position und somit der ganze individuelle Zugweg berechnet werden. Dies ist ein grosser Vorteil gegenüber den älteren Telemetrie-Techniken (bei denen die Tiere mit einem Empfänger verfolgt werden mussten) und der Beringung (bei der jedoch sehr viele Informationen über die Populationsdynamik und die demographischen Parameter gewonnen werden können). Biologisch gesehen brauchen Zugvögel ganz besondere Eigenschaften, welche es ihnen ermöglichen ein Wander-
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oben: Brachvogel (Numenius arquata), rechts: Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus)
leben zu führen. Da die Nahrungsgrundlage es den adulten Vögeln in der Regel nicht erlaubt früher aus dem Überwinterungsgebiet heimzukehren, ist die Zeit zwischen Flüggewerden und dem Wegzug der Jungvögel oft extrem kurz, im Minimum um die drei Wochen. Damit die grosse Gefahr des Nestraubs vermindert werden kann, müssen die Jungvögel das Nest so früh wie möglich, meist noch bevor das Grossgefieder vollständig ist, verlassen. Studien zeigten, dass spät geschlüpfte Nestlinge ihre Jugendentwicklung verkürzen, indem Entwicklungsprozesse überlappend oder verschachtelt ablaufen. Zudem wird ab einem bestimmten Zeitpunkt vor der Wegzugperiode erheblich mehr Nahrung aufgenommen. So können sie den „Treibstoffvorrat“, der für den Zug dringend gebraucht wird, aufbauen. Es kommt teilweise auch zu einer Umstellung der Nahrungswahl, so dass viele (auch insektenfressende) Arten vermehrt Früchte und Beeren verzehren. Die Energie wird in Fett gespeichert, weil dieses ohne Wasser „trocken“ in den Fettzellen eingelagert, sparsam und effizient abgebaut werden kann und gut gegen Kälte isoliert. Infolgedessen muss auch der Stoffwechsel für die Zugzeit auf den
Abbau von Fett umgestellt werden. Ein sowohl für Laien als auch Biologen extrem interessanter Aspekt des Vogelzugs sind die Orientierungsmechanismen der Vögel. Bei den meisten Zugvögeln beobachtet man zeit-, art- und populationsabhängige Zugrichtungen und wie schon angetönt variiert auch die Zugdistanz zwischenartlich sehr stark. Neuere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass besonders gute Orientierungsfähigkeiten nicht notwendig mit Langstreckenzug verbunden sein müssen, sondern dass Vögel sich vielmehr generell sehr gut orientieren können und so auch Stand-/Jahresvögel ihren Brutort nach Versetzungsversuchen sehr schnell wieder finden. Zum einen orientieren sich vor allem tagziehende Zugvögel visuell nach Landmarken wie z.B. Wäldern, Städten, Inseln, Leuchttürmen. Bei den nächtlich ziehenden Arten nehmen dann die Kompass-Orientierungssysteme und andere Richtgrössen wie z.B. Mond und Sterne, Wind oder Duftfelder beim Navigieren Überhand. Das erste Kompasssystem, dass man in den frühen 50er Jahren entdeckte, ist der Sonnenkompass. Bei in Rundkäfigen gehaltenen Zugvögeln wurde
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Rotmilan (Milvus milvus) © Jan Bleil
festgestellt, dass sie bei Sicht der Sonne, nicht aber bei bedecktem Himmel eine Richtungspräferenz aufzeigen, die zudem der Zugrichtung freilebender Individuen entspricht. Dies war sowohl der Beweis für eine Orientierung nach dem Sonnenstand als auch für eine genetisch programmierte Sollrichtung. In den späten 50er Jahren hat man Vermutungen aufgestellt, dass es zusätzlich auch einen Magnetfeldkompass gibt, mit dem Vögel das Erdmagnetfeld wahrnehmen und sich daran orientieren können. Der Beweis gelang in einem Versuch, bei dem man die Nordrichtung des Erdmagnetfeldes lokal änderte und so die Richtungsbevorzugung von gekäfigten Rotkehlchen in voraussagbarer Weise verändern konnte. Dies ermöglicht es Nachtziehern auch bei bedecktem Himmel, wenn weder der Sonnen- noch der Sternkompass anwendbar sind, ihr Zugziel oder ihren Rastplatz zuverlässig finden zu können. Noch relativ unerforscht ist die Möglichkeit der Nahorientierung durch Echoortung über ausgestossene Laute, welche angeblich bei Seglern vorkommen soll. Beispiele hierfür sind der Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) und der Brachvogel (Numenius arquata).
Ein für Zugvögel neben Orientierung und Navigation viel größeres Problem ist, in der heutigen Zeit überhaupt noch geeignete Lebensräume zu finden. Die stetige Ausbreitung des Menschen führt zur Zerstörung und Fragmentierung wichtiger Verbreitungsgebiete. Durch die zunehmende Urbanisierung und radikale Intensivierung der Landwirtschaft in ganz Europa wurden in der Vergangenheit und werden leider noch immer für die Zugvögel besonders wichtige Elemente wie Grünlandgesellschaften und Feuchtgebiete immer artenärmer oder fallen gänzlich der sogenannten Flurbereinigung zum Opfer. Im Flachland wurden viele Feuchtwiesen, Ried und sogar Flachmoore durch Drainagen entwässert und für die intensive landwirtschaftliche Nutzung verfügbar gemacht. Durch die Kanalisierung der meisten grossen Flüsse in Europa, verschwanden auch die dynamischen Feuchtbiotope entlang der Fliessgewässer und somit einer der wichtigsten Lebensräume als Rastplätze vieler Vogelarten. Den zweitgrössten Schwund unter den artenreichen Lebensräumen erlebt aktuell die Agrarlandschaft, die durch die Intensivierung der Nutzung von Gunstlagen und die Nutzungsaufgabe in schwer zu bewirt-
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schaftenden Gebieten einen grossen Teil des Artenreichtums, der durch traditionell extensive Bewirtschaftung entstand, verliert. Auch dieser Lebensraumverlust führt zur zunehmenden Bedrohung vieler, von den Landschaftselementen der Agrarlandschaft abhängiger Arten. Zugvögel haben den Vorteil, dass sie durch ihre Wanderungen das ganze Jahr über einigermassen günstigen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind, während Standvögel vor allem in nördlicheren Gebieten einen harten Winter durch- und überleben müssen. Andererseits müssen vor allem Langstreckenzieher mit nur einer Jahresbrut d.h. einer relativ geringen Nachwuchsrate auskommen und können deswegen grosse Verluste wie z.B. durch die illegale Vogeljagd nur schwerlich kompensieren. Es kommt dazu, dass diese sogenannten Jäger oft Arten gar nicht eindeutig bestimmen können, geschweige denn, dass ihnen die Häufigkeit und der Gefährdungsstatus der Zugvogelarten bekannt wären. So ist ihnen im Gegensatz zu den meisten Revierjägern der Hochund Niederwildjagd nicht bewusst, dass die Jagdstrecke vom einen Jahr grosse Auswirkungen auf die Populationsdynamik und somit auf die Schwärme im nächsten Jahr haben kann. Während Vogeljagd im Herbstzug auch zum Tod von Vögeln führt, welche den Winter sowieso nicht überlebt hätten (kompensatorische Mortalität), führt besonders die Frühlingsjagd zur additiven Mortalität, d.h., es werden viele Individuen geschossen, welche ansonsten im Frühjahr gebrütet und somit zur Reproduktion beigetragen hätten. Deswegen ist es wichtig die sinnlose, meist nur als Trophäenjagd, aus Tradition oder purer Tötungslust betriebene Zugvogeljagd in den wichtigen Rastregionen (z.B. Malta) besonders im Frühling zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang will BirdLife International mit der Born to travel – Kampagne eine Zusammenarbeit zwischen vom Vogelzug „betroffenen“ Ländern aufbauen, fördern und erhalten. Es geht darum... ... die lokalen Schutzgebiete (IBA = Important Bird Areas) global miteinander zu vernetzen (v.a. Feuchtgebiete entlang der Zugrouten).
... die entscheidenden Habitate zu restaurieren, indem man eine nachhaltige Landnutzung (in Land- und Forstwirtschaft) fördert. ... den Vögeln eine sichere Wanderroute zu ermöglichen, indem man Gefahren wie z.B. Stromleitungen und Windräder richtig plant, den Gebrauch von Pestiziden reguliert und die Jagd auf Zugvögel im Frühling verbietet. Um diese Ziele zu erreichen engagieren sich BirdLife und Partnerorganisationen in verschiedensten Bereichen, welche von Zugvogel-Monitoring über die Umweltbildung bei Kindern bis hin zu Lobby-Arbeit für bessere Gesetzgebung. Um auf die Faszination und Problematik rund um das Thema Zugvögel und Vogelzug aufmerksam zu machen, wurde in der NFN – Gruppe beschlossen die Kampagne „Born to Travel“ von BirdLife International mit einem Kalenderprojekt zu unterstützen. Es wird für das Jahr 2011 einen wunderschönen, informativen Zugvogelkalender geben, dessen Erlös vollumfänglich der Rettung der Zugvögel und ihrer Lebensräume zu Gute kommen wird.
Betroffene Arten
Gänsesäger © Tamara Emmenegger
Der kleine Bestand von brütenden Gänsesägern (Mergus merganser) am Alpenrand zieht im Winter an fischreiche, eisfreie Gewässer. In südlicheren Gebieten ist der Gänsesäger ein Standvogel. Als Höhlenbrüter sind sie auf Felslöcher oder Häusernischen angewiesen, sie nehmen aber auch Nisthilfen an. Fischereiverbände fordern den Gänsesäger als Fischfresser bejagen oder vergrämen zu dürfen, obwohl er
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berechtigterweise unter Schutz steht und in der Schweiz sogar als Prioritätsart gilt.
Insekten, Schnecken und Würmern. Der grosse Brachvogel überwintert an den Küsten Süd- und Westeuropas. Da sich der Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) gerne in Streuobstwiesen, Parks oder lichten Laubmischwäldern aufhält, leidet er ganz besonders unter der Intensivierung der Landwirtschaft. Der Rückgang von Hochstammobstbäumen zwingt
Wiedehopf © Christine Jung
Der Wiedehopf (Upupa epops) lebt in Mitteleuropa vor allem in wärmeexponierten, trockenen Lebensräumen wie z.B. Wein- und Obstanlagen. Er ist auf lockeren Baumbestand mit kurzer Vegetation angewiesen und baut sein Nest in Baumhöhlen, Mauern oder Erdlöchern. Im Winter ziehen Wiedehopfe in die Savannengebiete südlich der Sahara, wobei die genauen Zugstrecken noch nicht bekannt sind. Mit sogenannten Geodatenloggern, welche Uhrzeit und Sonnenlichtverlauf messen und zu geographischen Positionen verrechnen, sollen nun die Rast- und Überwinterungsplätze ausfindig gemacht werden.
Gartenrotschwanz © Christine Jung
die farbenfrohen Höhlenbrüter immer mehr auf Nistkästen auszuweichen. Die kalte Jahreszeit verbringt er in Afrika. Der Weissstorch (Ciconia ciconia) ist auf Sumpfgebiete und flache Gewässerufer angewiesen, da er Kleinsäuger, Amphibien, Insekten und Fische jagt. Der ursprüngliche Koloniebrüter baut hierzulande seine Nester vor allem auf Hausund Kirchendächern sowie Masten und Kaminen. Da der Weissstorch beim Zug ins tropische Afrika das Mittelmeer umfliegt,
Brachvogel © Jan Bleil
Eine der Zugvogelarten, die besonders unter dem Rückgang der Feuchtwiesen, Moore und Überschwemmungsgebiete leidet ist der Grosse Brachvogel (Numenius arquata). Dieser grosse Watvogel polstert als Nest eine Bodenmulde mit Gras aus und legt seine meist vier perfekt getarnten Eier hinein. Mit seinem gebogenen Schnabel stochert er im Boden nach
Weißstorch © Tamara Emmenegger
kommt es zur Zugzeit im Bosporus und über Gibraltar zu grossen Konzentrationen.
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Rotmilan © Jan Bleil
Seinen Horst baut der Rotmilan (Milvus milvus) auf grossen Bäumen bevorzugt in Landschaftsmosaiken aus bewaldeten Regionen mit Seen und Feldern. Er ernährt sich von Aas, Abfällen, Kleinsäugern, Fischen und Insekten. Im Winter zieht ein Teil der mitteleuropäischen Rotmilanpopulation nach Südwesten und überwintert vor allem in Spanien. Während der Zugzeit sammeln sich Rotmilane oft an Gemeinschaftsschlafplätzen. In sehr unterschiedlichen Lebensräumen von allen Waldarten, über die Agrarlandschaft bis hin zu alpinen Gegenden und Küstenregionen kann man den Kuckuck (Cuculus canorus) antreffen. Er ernährt sich vor allem von (grossen, haarigen) Raupen und leidet daher sehr stark unter der Intensivierung der Landwirtschaft, welche zu einem Rückgang
der meisten Grossinsektenarten geführt hat. In der Brutzeit legt er seine Eier in die Nester verschiedener Wirtsarten und im Winter zieht er ins tropische Afrika. Tamara Emmenegger Informationen: Weitere Informationen zu dem birdlife Projekt „born to travel“ finden Sie im Internet unter: http://www.birdlife.org (englisch) , http://www.birdlife.org/flyways/africa_ eurasia/borntotravel/index.html , http://www.nabu.de/nabu/birdlife (deutsch), http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/ voegel/zugvoegel/borntotravel/
Nach einer abenteuerlichen Kindheit am und vor allem im Wald, hat sie sich durch sämtliche obligatorischen Schuljahre gekämpft, um anschließend willentlich das Lehrerinnenseminar zu absolvieren. In diesen fünf Jahren voller Pädagogik und Didaktik wurde ihr klar, dass das, was schon seit längerer Zeit ihre Passion war, auch ihre Profession werden soll. Somit begann sie im Herbst 2007 mit ihrem Biologie-Studium an der Universität Bern. Mit der Fotografie hat sie begonnen, als sie die Beobachtungen auf den wöchentlichen biologischen Bestimmungsübungen am Seminar bildlich festhalten wollte. Immer mehr nahm sie sich bewußt Zeit die Natur zu beobachten, deren Bilder zu verstehen und sie in Form von Fotos festzuhalten. Dabei stand nie im Vordergrund Kunstwerke zu schaffen, sondern stets der Anspruch die Lebewesen ohne Störung in ihrer natürlichen Umgebung abzubilden oder die (Naturschutz-) Arbeit des Menschen mit ihnen bildhaft zu beschreiben.
Kaufe den
Vogelzugkalender der NFN!
Vielen Dank! Weitere Informationen zum Vogelzugkalender 2011 findest Du unter www.naturfotografen-fn.de
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birdlife
Siegerbilder
Die auf dieser und den folgenden Doppelseiten gezeigten Motive stellen die Siegerbilder des NFN - Kalenderwettbewerbes dar. In den Kategorien Kranich, Weißstorch, Singvögel, Greifvögel, Wasservögel und sonstige Vögel konnten sie sich durchsetzen. Die Bilder des Wettbewerbs bilden die Grundlage für den Vogelzugkalender, welcher im Rahmen der Unterstützung des birdlife-Projektes durch die Mitglieder der NFN verkauft wird Herzlichen Glückwunsch den Gewinnern!
Grauer Kranich (Grus grus) © Jan Bleil
WeiĂ&#x;storch (Ciconia ciconia) Š Christine Jung
Braunkehlchen (Saxicola rubetra) Š Christine Jung
Rotmilan (Milvus milvus) Š Thomas Hinsche
Schwarzstorch (Mergus merganser) Š Thomas Hinsche
Wiedehopf (Upupa epops) Š Christine Jung
36 - Naturfotografen-for-Nature Magazin 01/2010
Text und Fotos: Christoph Jansch
NSG Jusi am Berg Dieses Kleinod im Vorland der Schw채bischen Alb l채dt ein zum Verweilen und zum Erkunden des Mikrokosmos der Natur. Eine Entdeckungsreise vor unserer Haust체r von Christoph Jansch.
Elbe - nahe der Saalem체ndung
Geschichte und Geologie Das NSG Jusi am Berg umfasst 49 Hektar, in dessen Zentrum der Jusi, ein Berg südlich von Kohlberg im Landkreis Esslingen, liegt. Der Jusi (672,8 m ü. NN) ist mit einem Durchmesser von 1100 Metern der größte Vulkanschlot im Schwäbischen Vulkangebiet Kirchheim/Urach. Er entstand vor 18 Millionen Jahren durch Gesteinseruptionen aus 50 Kilometer Tiefe und bildet den Abschluss eines schmalen, knapp 4 km langen Bergrückens, der mit der Hochfläche der Schwäbischen Alb verbunden ist. Der erodierte Jusi von heute besteht aus konzentrisch gelagertem Schichttuff mit Weißjurablöcken. Die markante Kuppe des Jusis entstand in Folge der erosiven Rückverlagerung des Albtraufs, dem nordwestlich ausgerichteten Steilabfall der Schwäbischen Alb. In der sonst bewaldeten Mauer des Albtraufs erkennt man den Jusi schon von weitem als fast baumlosen Heideberg, der als landschaftliches Kleinod vielen seltenen Pflanzen- und Tierarten idealen Lebensraum bietet. Der Nordhang mit Kalkmagerrasen wird als Schafweide genutzt. Die Herkunft des Namens Jusi ist unklar. Einer Theorie nach könnte er vom lateinischen Wort „ius“ für „Recht“ abgeleitet sein, was auf eine einstige rechtliche Sonderstellung des Berges hindeuten könnte. Tatsächlich stellte der Jusi über Jahrhunderte hinweg die Grenze zwischen den verschiedenen Herrschaftsgebieten um Nürtingen und Reutlingen dar.
Tourismus und Naturschutz Aufgrund seiner landschaftlichen Schönheit und seiner exponierten Lage zieht der Jusi an Sonn- und Feiertagen oft Heerscharen von Ausflüglern und Touristen an. Dies ist nicht zuletzt auch auf den tollen Ausblick vom Jusi zurückzuführen. An klaren Tagen sieht man bis zum Rand des Nordschwarzwalds, die Burg Hohenzollern, den Schönbuch und die Fildern, ins Neckartal, auf den Schwäbischen Wald und die Kaiserberge. Da durch den intensiven Besuch der Lebensraum vieler seltener Pflanzenund Tierarten im Bereich des Jusi in Gefahr geriet, wurde der lange Bergrücken vom Albtrauf bis zum Jusi 1992 als Naturschutz-
Naturfotografen-for-Nature Magazin 01/2010 - 37
gebiet ausgewiesen. Befestigte Wege führen durch das gesamte Gebiet und die ehemaligen Trampelpfade wurden vom Albverein mit Barrikaden aus Gestrüpp gesperrt. Der Abstieg vom Jusi-Gipfel nach Kohlberg oder Kappishäusern gehört dabei zu den landschaftlich schönsten Wegen. Der Wanderweg führt steil durch die Gesteinszonen des Vulkanschlots. An mehreren Stellen ist dort der Kalk der Sinkschollen und Vulkantuffe freigelegt. Die Interessen des Naturschutzes werden seit 1995 von einer Gruppe von Freiwilligen, den „Volunteers“, vertreten. Dem großen Einsatz dieser Gruppe ist es zu verdanken, dass der Lebensraum bedrohter Arten erhalten bleibt und bislang auch nicht durch zusätzliche Einzäunungen vor den Besuchern geschützt werden mußte. Das Motto der Gruppe „Wer mehr weiß, sieht mehr, schont und schützt“ wird über geführte Wanderungen durch das Naturschutzgebiet mit Leben gefüllt. Das NSG Jusi am Berg ist seit Kurzem auch Teil des von der Unesco anerkannten Biosphärengebiets Schwäbische Alb.
Flora und Fauna Das NSG Jusi am Berg bietet aufgrund seiner unterschiedlichen Vegetation vielen Tier- und Pflanzenarten optimalen Lebensraum. Der fast baumfreie Jusi beheimatet auf seinen warmen südlich abfallenden kalkarmen Magerwiesen viele Insektenarten. Neben zahlreichen Schmetterlingsarten lockt das trockene, heiße Klima in den verwitterten Basaltrinnen des Jusi vor allem diverse Heuschrecken an, unter ihnen die blauflügelige Ödlandschrecke, die in Deutschland sonst nur am Kaiserstuhl und in Europa in größerer Zahl nur in der Provence vorkommt. Die Schutthalden des Jusi sind aber auch Lebensraum vielerlei Eidechsen. Vereinzelt konnte sogar der Alpenbock, ein unter Naturschutz stehender seltener sonst in den Alpen lebender Käfer, am Jusi nachgewiesen werden. Im Herbst findet man an den Rändern des befestigten Weges von Kohlberg zum Gipfel des Jusi Fransenenzian in größerer Anzahl. Auf den Wiesen der an den Jusi angrenzenden Wälder, die wie überall am Albtrauf von der Rotbuche dominiert werden, findet man im Frühjahr
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Aurorafalter männlich (Anthocharis cardamines)
einige seltene Orchideenarten, wie z.B. den Pyramiden-Hundswurz. Auch für Ornithologen ist das NSG Jusi am Berg durchaus interessant, denn in den Talbereichen rund um Kappishäusern mit den nach Dettingen/Erms hin abfallenden Streuobstwiesen kann man mit etwas Glück unter Anderem Neuntöter, Gartenrotschwanz, Halsbandschnäpper, Girlitz sowie Grün-, Mittel-, Klein- und Buntspecht antreffen.
Naturfotografie im NSG Jusi am Berg Wie man den vorherigen Abschnitten entnehmen kann, ist das NSG Jusi am Berg insbesondere für Naturfotografen interessant, die einen Schwerpunkt im Bereich Makrofotografie haben. Wer seltene Insekten- und Pflanzenarten sucht, wird hier im gesamten Gebiet fündig. Vogelfotografen sollten sich dagegen auf den Talbereich rund um
Gefährdungsstufe
Bedeutung
Erläuterung
RL V
Arten der Vorwarnliste
Arten, von denen zu befürchten ist, dass sie bei Fortbestand bestimmter Gefährdungsfaktoren in naher Zukunft in weiten Teilen des einheimischen Verbreitungsgebietes als gefährdet eingestuft werden müssen.
RL 3
Gefährdet
Die Gefährdung besteht in großen Teilen des einheimischen Verbreitungsgebietes.
RL 2
Stark gefährdet
Gefährdung im nahezu gesamten einheimischen Verbreitungsgebiet.
RL 1
Vom Aussterben bedroht
Arten, die nur noch in Einzelvorkommen oder isolierten und kleinen bis sehr kleinen Populationen auftreten oder deren Bestände durch anhaltenden starken Rückgang auf eine bedrohliche bis kritische Größe zusammengeschmolzen sind.
Kappishäusern und die Streuobstwiesen in Richtung Dettingen/Erms konzentrieren.
Ein fotografisches Jahr im NSG Jusi am Berg Ich möchte Sie nun mitnehmen auf eine Reise durch ein Jahr im NSG Jusi am Berg und Ihnen einige der Naturschätze, die ich dort bereits angetroffen habe, vorstellen. Seltene Arten kennzeichne ich mit der jeweiligen Gefährdungsstufe der Roten Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten in Deutschland. Die dort zu Grud nde gelegten Gefährdungsstufen habe ich in Tabelle 1 dargestellt.
März/April Mein fotografisches Jahr im NSG Jusi am Berg beginnt Ende März/Anfang April. Zu dieser Zeit beginnt die Flugzeit einiger Schmetterlinge. Zu den ersten Faltern im Jahr gehört der schöne Aurorafalter, der im Jahr 2009 eines meiner Hauptmotive im Frühjahr war. Da der Aurorafalter ein Bewohner eher magerer trockener und feuchter Wiesenbereiche in Waldrandnähe ist, begann ich meine Suche in den Talbereichen des NSG oberhalb von Kappishäusern. Fündig wurde ich sehr schnell auf einer feuchten Hangwiese unterhalb eines kleinen Waldabschnittes, durch den sich ein kleiner Bach zieht. Links und rechts des Bachlaufes stand zu dieser Zeit das Wiesenschaumkraut, eine der Hauptnahrungsquellen des Aurorafalters, in voller Blüte. Anfang April fand ich dort in den frühen Morgenstunden an den Blüten des Wiesenschaumkrautes mehrere männliche und weibliche Falter. Der männliche Aurorafalter ist durch seine orangeroten Flügelspitzen unverkennbar, der weibliche Falter dagegen kann lediglich aufgrund der Flügelunterseite, die ein grünlich marmoriertes Muster aufweist, von anderen Weißlingen unterschieden werden. Neben den Aurorafaltern findet man im April im gleichen Lebensraum auch noch Grünader- oder Rapsweißlinge der 1. Generation.
Aurorafalter weiblich (Anthocharis cardamines) Rapsweißling (Pieris napi)
Rotbeinige Tanzfliege (Empis variegata)
Himmelblauer Bläuling (Polyommatus bellargus) Bild rechte Seite: Thymian-Widderchen (Zygaena purpuralis)
Mai Da ich am Jusi Anfang Mai noch sehr wenig lohnenswerte Motive vorfand, konzentrierte ich mich bis Ende Mai auf den Wiesenbereich oberhalb von Kappishäusern. Dort begann die Flugzeit weiterer Weißlings- (Tintenfleck-Weißling) sowie einiger Dickkopffalter- (Kleiner Würfel-Dickkopffalter, Gelbwürfeliger Dickkopffalter – RL V), Edelfalter- (Kleines Wiesenvögelchen) und Spannerarten (Hartheu-Spanner) und auch die ersten Tanzfliegen konnte man taubenetzt am frühen Morgen an den Blüten der Frühblüher antreffen. Ende Mai erwachte die Natur am Jusi explosionsartig und innerhalb weniger Tage konnte ich sehr viele Bläulingsarten (neben dem sehr häufigen HauhechelBläuling auch noch Rotklee-Bläuling – RL V, Himmelblauer Bläuling – RL 3 und Sonnenröschen-Bläuling – RL V), die erste Widderchenart (Thymian-Widderchen – RL 3) und auch eine Raubfliegenart (Sand-Raub-
fliege) auf dem Hochplateau unterhalb des Gipfels beobachten.
Juni Der Juni ist neben dem Juli der Monat mit dem größten Artenreichtum im NSG Jusi am Berg. Auf dem trockenen Kalkmagerrasen am Waldrand von Kappishäusern kann man eine sehr seltene Orchideenarten, den Pyramiden-Hundswurz – RL 2, finden. Die zur Gattung der Hundswurzen gehörende Orchideenart wurde vom Arbeitskreis „Heimische Orchideen“ 1990 zur Orchidee des Jahres gewählt, um auf die besondere Schutzwürdigkeit der Art hinzuweisen. Am Rand des befestigten Weges, der durch das Waldstück oberhalb von Kappishäusern führt, fand ich zudem ein Exemplar des Aufrechten Ziests, einer Pflanze aus der Familie der Lippenblütler. I m Römischen Reich soll die Pflanze zur Heilung von Hieb- und Stichwunden gedient haben und Gladiatoren sollen sie auch als
Aufrechter Ziest (Stachys recta) Pyramiden-Hundswurz (Anacamptis pyramidalis)
Amulett benutzt haben. Neben der Flora bringt auch die Fauna im Juni sehr viele weitere Arten hervor. Bei den Schmetterlingen kann man neben weit verbreiteten Edelfalterarten auch die selteneren Arten Weißbindiges Wiesenvögelchen – RL V und Kleines Fünffleck-Widderchen – RL V im gesamten Gebiet des NSG finden. Im Bereich oberhalb von Kappishäusern fand ich Mitte Juni am frühen Morgen eine Schwebfliegenart der Gefährdungsstufe RL V, die auf den ersten Blick wie eine Biene aussah. Erst bei genauerer Betrachtung fallen einem die typischen Schwebfliegeeigenschaften, wie z.B. die großen kugelförmigen Facettenaugen und die kleinen Fühler auf. Deshalb erhielt die Art wohl auch den treffenden Namen Frühe Bienenschwebfliege. Neben der Frühen Bienenschwebfliege erwartete mich an diesem Morgen noch eine weitere Überraschung, die ich so überhaupt nicht erwartete. Ich war gerade dabei, auf einer Hangwiese in Waldrandnähe auf Motivsuche zu gehen, als ich weiter unten einen männlichen Neuntöter auf einem Dornenstrauch entdeckte. Kurzum musste das Makro- dem langen Teleobjektiv weichen und das kleine Tarnnetz wurde ausgepackt. Mit langsamen Schritten versuchte ich mich dem Neuntöter zu nähern. Ein Jagdansitz bot mir dabei zusätzlichen Sichtschutz. Als ich endlich die für ein gutes Bild notwendige Nähe erreicht hatte und Stativ und Kamera ordentlich ausgerichtet waren, wurde der Neuntöter von einer Krähe verscheucht. Pech gehabt, dachte ich, das war wohl leider nichts. Ich war schon dabei, die Kamera wieder auf das Makrosetup umzustellen, als es links neben mir piepte. Ich schaute auf und entdeckte in einer Entfernung von etwa 10 Metern einen kleinen Vogel, der auf einem freistehenden Ästchen eines kleinen Strauches saß. Sofort wurde wieder das Teleobjektiv montiert und ein Blick durch den Sucher der Kamera zauberte ein Lächeln in mein Gesicht. Auf dem Ästchen saß ein Neuntöterjungvogel, der erst kurz flügge sein musste und eifrig um Futter bettelte. Ich konnte mich dem Vogel mit übergestreiftem Tarnnetz in mehreren Etappen bis auf ca. 3 Meter nähern und dieses Mal funkte mir keine Krähe Bild rechte Seite: Frühe Bienenschwebfliege (Brachypalpus valgus)
dazwischen. Ich konnte den Jungvogel ohne Störung in mehreren Posen ablichten. Danach verweilte ich noch eine Weile, in der Hoffnung, die Fütterung des Jungvogels dokumentieren zu können, was mir allerdings nicht gelang. Das wäre wohl aber auch zu viel Glück auf einmal gewesen.
Juli Auch im Juli ist die Artenvielfalt im NSG Jusi am Berg noch sehr hoch. Neben sehr vielen Insektenarten kann man auch bereits einige Spinnenarten, wie z.B. die EichblattRadspinne, antreffen. Ein besonderes Highlight im Juli war für mich jedoch die Entdeckung der seltenen Schmetterlingsarten Schwarzfleckiger Ameisenbläuling – RL 2 und Mattscheckiger Braun-Dickkopffalter – RL 3, die ich beide an einem Tag früh morgens auf dem Hochplateau unterhalb des Gipfels des Jusi in unmittelbarer Nähe angetroffen habe. Oberhalb von Kappishäusern findet man Ende Juli auf den Hangwiesen eine seltene Widderchen-Art, das Esparsetten-Widderchen – RL
Neuntöter - Jungvogel (Lanius collurio) Weißbindiges Wiesenvögelchen (Coenonympha arcania)
Eichblatt-Radspinne
Mattscheckiger Braun-Dickkopffalter (Thymelicus acteon))
3, in höherer Anzahl. Diese Widderchenart hat ein für Schmetterlinge sehr eigenartiges Schlafverhalten. Sie verbringt die Nacht in großer Anzahl dicht aneinandergeschmiegt auf einer Blüte. Dabei ist interessant, dass sich entweder nur männliche oder nur weibliche Tiere auf bestimmten Blüten oder dürren Halmen zusammenfinden. Ähnliche Blüten oder Pflanzen in der Umgebung bleiben unbesetzt. Unklar ist bislang der Auslöser dieses Verhaltens.
August Mit Beginn des Augustes nimmt die Artenvielfalt im NSG Jusi am Berg langsam ab. Die Flugzeit vieler Schmetterlingsarten endet und auch andere Insektenarten verschwinden. Nach wie vor häufig sind einige Bläulings- und Widderchenarten, die oft auch bereits in der 2. Generation fliegen. Ein besonderer Fund gelang mir mit dem Kleinen Esparsetten-Bläuling – RL 3, der auch im NSG Jusi am Berg nicht oft anzutreffen ist.
Schwarzfleckiger Ameisen-Bläuling (Maculinea arion)
Dafür kann man im August im gesamten Gebiet sehr viele Spinnenarten antreffen, darunter auch die Wespenspinne, die sonnige und offene Standorte mit hoher Heuschreckenpopulation liebt.
September Der September läutet langsam aber unaufhaltbar das Ende der Saison im NSG Jusi am Berg ein. Bis auf einige Heuschreckenarten verschwinden die meisten anderen Insektenarten bis Ende September nahezu vollständig. Lediglich einige Spinnenarten, wie z.B. die Gartenkreuzspinne und die Vierfleck-Kreuzspinne findet man bis in den Oktober hinein. Von Anfang bis Mitte September kann man oberhalb von Kappishäusern auf den Wiesen in Waldrandnähe und auf den Hangwiesen direkt unterhalb des Gipfels des Jusi regelmäßig Raupen des Schwalbenschwanzes antreffen. Diese Nachkommen der 2. Generation überwintern als Puppe. Die Schmetterlinge Bild rechte Seite: Sechseck-Widderchen (Zygaena filipendulae) und Esparsetten-Widderchen (Zygaena carniolica)
Eichblatt-Radspinne
schlüpfen dann im nächsten Frühjahr und bilden die 1. Generation des neuen Jahres.
Oktober Endgültig vorbei ist die Saison Anfang Oktober. Hier kann man entlang der Wege zum Gipfel des Jusi als letztes Highlight noch den Ende September zur Blüte kommenden Fransenenzian – RL 3 in größerer Anzahl antreffen.
Schlussbemerkungen Ich hoffe, ich konnte Ihnen das NSG Jusi am Berg mit seiner besonderen Schönheit etwas näher bringen und Sie auf den verantwortungsbewussten Umgang mit unserer Natur sensibilisieren. Denn nur so bleibt uns auf lange Sicht die Natur in ihrer Schönheit und mit ihrem Artenreichtum erhalten. Christoph Jansch (Februar 2010) Mitglied der Gruppe NFN Quellen: - Wikipedia - Annette Mohl: Der Jusi - heißer Kahlkopf im Voralbland - Jürgen Mauch: Jusi und Florian - Berge am und vor dem Albtrauf
Christoph Jansch, 41 Jahre, Dipl. Informatiker, verheiratet, zwei Kinder, wuchs in einer naturverbundenen Familie auf und interessierte sich von Kindes Beinen an für alle Facetten der Natur. Die Naturfotografie ist seit 2005 neben Familie und Beruf seine größte Leidenschaft und Ausgleich zum oft stressigen Berufsleben. Christoph ist Mitglied der NFN und Webmaster für das Aktions- und Business-Center der Gruppe.
Bild linke Seite: Kleiner Esparsetten-Bläuling (Polyommatus thersites)
Schwalbenschwanz - Raupe (Papilio machaon) Fransenenzian (Gentianella ciliata)
52 - Naturfotografen-for-Nature Magazin 01/2010
F
aszination Wolf Text und Fotos (Gehege): Jan Bleil
W채hrend die Medienwelt noch von R체ckkehr spricht, so ist er doch schon lange wieder unter uns. Canis lupus, erfolgreich wie kaum ein anderes S채ugetier dieses Planeten, schickt sich an, in Deutschland zu bleiben.
Naturfotografen-for-Nature Magazin 01/2010 - 53
Erfolgsstory eines Säugetiers Der Wolf war einst das am weitesten verbreitete Säugetier der Welt. Nördlich des 15. Breitengrades konnte man ihn auf der gesamten Nordhalbkugel antreffen. Heute ist der Wolf aus weiten Teilen seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes verschwunden. Weltweit gibt es nach ungefähren Schätzungen weniger als 172.000 Wölfe. In weiten Teilen Westeuropas ist der Wolf ausgestorben (Boitani 1995), in Mexiko und weiten Teilen der USA (Mech 1970) ebenfalls. Die Wölfe treten dort vor allem in der Wildnis, in abgelegenen Gebieten in Kanada, Alaska und im Norden der USA sowie in Teilen Europas und Asiens von ca. 75° Nord bis 12° Nord auf. Ihr ursprünglich weltweiter Bestand wurde um rund ein Drittel durch Vergiftung und Verfolgung reduziert. Hauptgrund für die starke Bejagung war die Plünderung der Viehbestände, welche hauptursächlich dem Wolf angelastet wurde. Zwar haben sich seit 1970 die Bedingungen durch entsprechende Schutzgesetze, Landnutzungsänderungen und einer allgemein gesellschaftlich veränderten
Auffassung über die Natur verbessert und eine Wiederbesiedlung ehemaliger Gebiete durch den Wolf gefördert. Gerade in Entwicklungsländern jedoch wird er noch immer als Nahrungskonkurrenz zum Menschen gesehen und in den fragmentierten Lebensräumen in Europa ist eine langfristige Etablierung in vielen Regionen sicher fraglich. Länder, in denen Wölfe leben, laut IUCN Red List: Afghanistan, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Bhutan, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kanada, China, Kroatien, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Griechenland, Grönland, Ungarn, Indien, Iran, Irak, Israel, Italien, Jordanien, Kasachstan, Korea, Nord- und Südkorea, Republik; Kirgisistan, Lettland, Libyen, Litauen, Mazedonien, die ehemalige jugoslawische Republik, Mexiko, der Republik Moldau, der Mongolei, Montenegro, Myanmar, Nepal, Norwegen, Oman, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, SaudiArabien, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Arabische Republik Syrien, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan,
Ukraine, Vereinigte Arabische Emirate, Vereinigte Staaten, Usbekistan, Jemen. Möglicherweise ausgestorben ist er in Bangladesch. Regional ausgestorben in Österreich, Belgien, Irland, Japan, Luxemburg, Niederlande, Schweiz, Vereinigtes Königreich. Eichblatt-Radspinne Im Grunde ringt mir der Wolf
allerhöchsten Respekt ab! Bedenkt man die gnadenlose Verfolgung, den Hass, welcher ihm Jahrhundertelang entgegen gebracht wurde. Mit welchem Aufwand und unwürdigen Mitteln wir versucht haben, ihn von der Erdkugel verschwinden zu lassen, so ist alleine die Tatsache, dass es ihn noch immer gibt auf unserem
Planeten, schon als kleines Wunder zu bezeichnen. Letztlich unterstreicht dies seine unglaubliche Anpassungsfähigkeit und sein Durchsetzungsvermögen. Eine Eigenschaft, vor der wir Menschen nur allzu oft Angst haben. Nämlich immer dann, wenn es nicht unsere eigene ist.
Biologie des Europäischen Wolfes Widmen wir uns einen Moment dem Säugetier Wolf und schauen ihn uns etwas genauer an. Körper- und Knochenbau sind in der Grafik auf der folgenden Seite dargestellt, Vielen Dank an Anja Imke! Der Schädel ist schlank und lang.
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Körper- und Knochenbau des Wolfes - Vielen Dank an Anja Imke!
Er beherbergt das im Volumenvergleich zum Hund deutlich größere Gehirn des Wolfes. Wölfe sind zu Problemlösungsstrategien fähig, nur durch Beobachten. Das haben Experimente gezeigt, in denen Sie, durch alleiniges Zuschauen erlernten, einen Knopf zu drehen, um eine Tür zu öffnen (Baumgartner, Gloor, Weber, 2008). Die Zähne sind eindeutig
Wolf (Canis lupus)
auf vorrangig fleischliche Kost ausgelegt, wobei auch Beeren nicht verschmäht werden (Ian McAllister 2009). Wie Hunde, so besitzen auch Wölfe 5 Zehen, von denen jedoch nur 4 ihren Abdruck auf dem Boden finden. Die Abbildung unten soll die Unterschiede zwischen Wolf, Hund und Fuchs anhand der Trittsiegel verdeutlichen.
Hund (Canis familiaris)
Fuchs (Vulpes vulpes)
Oftmals sind Hunde selbst für erfahrene Jäger schlecht von Wölfen zu unterscheiden. Einer der Gründe, welcher dann zum versehentlichen Abschuss des vermeintlich wildernden Hundes führt. Eine gute Möglichkeit, festzustellen, ob Wölfe im Revier unterwegs sind, ist der Vergleich der Trittsiegel. Die Pfoten eines Wolfes sind länglicher als die eines Hundes, welche in aller Regel eher rund wirken. Da es jedoch Hunde gibt, welche in ihrer Größe der eines Wolfes entsprechen können, ist der reine Vergleich von Trittsiegeln zu unzuverlässig. Daher ist die Beurteilung des Gesamtbildes einer Spur sehr wichtig. Während sich die Spur von Wölfen durch Geradlinigkeit und Zielstrebigkeit sowie eine geringe Spurbreite auszeichnet, verlaufen Hundespuren oft im Zickzack und drücken die Neugier, mit der alles erkundet und untersucht wird, aus.
Aktuelle Verbreitung der Wolfsrudel in Sachsen, Quelle: Büro Lupus
Im sogenannten geschnürten Trab, setzen Wölfe die Pfote des Hinterbeines immer in die Spur der auf der gleichen Seite liegenden Vorderpfote. Sie können das bis zur Perfektion steigern. Da Wölfe auf ihren gemeinsamen Streifzügen oftmals in einer Reihe hintereinander laufen, setzen die nachfolgenden Tiere ihre Pfoten in die Abdrücke des anführenden Artgenossen. Dann ist es schwierig bis unmöglich zu erkennen, wieviele Wölfe eigentlich unterwegs waren. Die Fähen erleben einmal im Jahr die Ranzzeit (monöstrisch). Diese spielt sich von Januar bis März ab. Ist der Akt erfolgreich, beträgt die anschließende Tragzeit 61-64 Tage (Ø63). Läuft dann alles nach Plan, erblicken ca. 1-11 (Ø4-6) Welpen das dunkle Höhleninnere des Wurfbaus. Gute 3 Wochen später kommen sie dann an das Tageslicht und lassen sich vor dem Wurfbau blicken. Die Fähe säugt ihren Nachwuchs 6-8 Wochen. Mit gut 22 Monaten erreichen die Jungwölfe dann die Geschlechtsreife. Wolfsaugen faszinieren! Da es sich hier nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung handelt, sei mir diese Anmerkung gestattet: Einige Wölfe haben
Augen, welche den Beobachter in ihren Bann ziehen. Mir jedenfalls erging es bei einigen Exemplaren so, ich konnte mich dieser Wirkung nicht entziehen. Fast hypnotisch wirken so manche Blicke! Und manchmal auch beängstigend. Wölfe sind hervorragende Nachtjäger. Durch sehr dicht stehende Stäbchen auf der Netzhaut, können sie selbst schwächstes Licht sehr gut ausnutzen und entsprechend gut ihre Umgebung und Beute wahrnehmen. Ihr Blickwinkel beträgt gut 250°, im Vergleich dazu sehen wir Menschen 180°. Ebenfalls hervorragend ist das Gehör der Wölfe. Sie können Töne bis 40 kHz wahrnehmen, wir Menschen bis 20 kHz. Darüber hinaus können sie andere Wölfe bis auf eine Distanz von 6,4 - 9,6 km heulen hören, je nach Wetterlage und regionalen Gegebenheiten. Nicht zu verachten ist auch ihre Nase, bzw. ihr ausgezeichneter Geruchssinn. Damit ist es ihnen möglich, Beutetiere und Artgenossen auf eine Entfernung von bis zu 2 km zu wittern. Die Oberfläche des Riechepithels eines Wolfes ist mit 130cm² um ein Vielfaches größer als das des Menschen. Mit unseren 5 cm² werden wir gegen einen Wolf
wohl kaum einen Blumentopf gewinnen.
Zurück in Deutschland Kommen wir zu den in Deutschland zweifellos bekanntesten Auslösern für die Eichblatt-Radspinne Diskussion um die Rückkehr der Wölfe in
unser Land, kommen wir zu den Wölfen in der Oberlausitz. Vielen von uns sind die Schlagzeilen der vergangenen Jahre hierzu bekannt, manch einer aus der Region wird die damit verbundenen Aufmacher in der örtliche Presse wohl noch vor Augen haben. Entgegen allen Annahmen, die vermehrt in Brandenburg auftauchenden
Wölfe würden eine entsprechende Ansiedlung in dieser Region nach sich ziehen, kam es etwas anders als geplant (wir Menschen planen ja gerne immer alles, Natur kann man jedoch nicht planen). Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland begann in der öffentlichen Wahrnehmung mit einem medialen Paukenschlag der
ungeeignesten Art: „Ein ganzes Dorf in Angst!“, „Grausiges Schweigen der Lämmer“, „Lautloser Tod“, „Überfall auf der Weide“, „Lausitz zittert vor den Wölfen“. Auslöser ist der morgendliche Fund des Schäfermeisters Frank Neumann am 30. April 2002 auf einer Weide am Ortsrand des Dorfes Mühlrose in der Oberlausitz.
60 - Naturfotografen-for-Nature Magazin 01/2010
Fünfzehn tote Schafe mit durchgebissener Kehle, drei weitere schwer verletzte Tiere müssen von ihren Qualen erlöst werden, neun Tiere fehlen spurlos. Das Fazit einer für Wölfe erfolgreichen Nacht. Der Schäfer war schockiert, die Region ebenfalls und die Medien fanden endlich neue Schlagzeilen. Wie konnte dies passieren? Wölfe gab es nicht erst seit diesem 30. April in der Gegend. Rolf Röder, damaliger Vorsteher des Bundesforstamt Muskauer Heide, wusste das ebenso wie sein Reviermeister, die Biologin Gesa Kluth und einige wenige Eingeweihte. Bereits seit Mitte der neunziger Jahre konnte Rolf Röder in seinem Revier, welches im größten und östlichen Teil des Truppenübungsplatzes Oberlausitz gleich an der polnischen Grenze liegt, die Spuren der Tiere ausmachen. Und nicht nur die Spuren konnte er sehen, später auch die Tiere selbst. Die vielen Spurenfunde und Hinweise ließen kaum einen anderen Schluß zu. Und Ende 1996 dann ist dem Bundesförster klar, es lebt ein Wolf in seinem Revier! Im Jahre 1998 sind es zwei und im Jahr 2000 leben insgesamt sechs Tiere in der Lausitz. Zwei Elterntiere und ihre Welpen begründen das erste, seit gut hundertfünzig Jahren in Deutschland lebende, Wolfsrudel! Der beste Schutz für die Wölfe, so denkt sich Rolf Röder, ist es, wenn es kein großes Aufsehen um diese Tiere gibt. „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, lautet, flapsig formuliert, das Motto. Menschen, die nicht um die Wölfe in ihrer Nähe wissen, die können auch keine Ängste entwickeln. Von der Öffentlichkeit also weitestgehend unbeobachtet, abgesehen von einigen wenigen Presseartikeln und Beiträgen in Jagdzeitschriften, entwickeln sich die Tiere. Einzig die Militärs und die Soldaten wissen um die Wölfe und es macht sie stolz. Im Jahre 2001 dann bringt die Lausitzer Rundschau einen ersten Bericht. Rolf Röder will Gerüchten vorbeugen. Derweil hält sich das Sächsische Staatsministerium für Umweltschutz und Landwirtschaft (SMUL) noch zurück. Die Angst vor einer breiten Ablehnung durch die Öffentlichkeit ist zu groß. Doch zu schnell nimmt der Informationsfluss seinen Lauf. So titelt das SMUL noch im Jahre 2001 „Isegrimm fühlt sich wohl in Sachsen“. Der Ansturm beginnt. Journalisten, Filmteams, Biologen,
alle wollen sie sehen, DIE SENSATION, Deutschlands erste Wölfe! Doch sie beißen auf Granit. Die allermeisten Gesuche werden abgelehnt. Zu groß ist die Angst davor, ein sich zart entwickelndes Pflänzchen gleich wieder zu zerstören. Und die Bewohner der Lausitz? Sie hatten sich längst mit den Wölfen arrangiert, „Die tun uns doch nichts.“. So ergab sich dann auch das lang ersehnte, kaum zu Hoffen gewagte, Betätigungsfeld für die Biologin Gesa Kluth. Im Auftrag des Landes kümmerte sie sich nun fortan um die Wölfe und die Menschen in der Lausitz. Dabei ist es weniger die Beobachtung von Wölfen, welche ihren Tagesablauf bestimmt. Sie zu sehen, bleibt nur wenigen in großen Glücksmomenten vorbehalten. Spuren suchen, Losung sammeln und analysieren, Sichtungen aufnehmen, nehmen einen großen Teil der Arbeitszeit ein. Aber auch der Umgang mit besorgten Anwohnern, der - oft schwierige - Dialog mit der Jägerschaft und die ständige Werbung um Verständnis bei Schafzüchtern und Haltern. Gibt es Meldungen zu gerissenen Nutztieren, so begutachtet sie die Risse vor Ort um zu klären, ob ein Wolf der Übeltäter war. Nachtwachen, Hilfe bei Besorgung und Aufbau von Schutzzäunen für Nutzvieh zur Sicherung der Nächte runden ihren selbstlosen Einsatz ab. Mit Ilka Reinhardt gesellt sich eine weitere Wolfsinteressierte an ihre Seite. Gemeinsam übernehmen sie mit ihrem Büro Lupus Aufgaben des Landes und das erste praktische Wolfsmanagement in Deutschland. Die Anfragen und die Begeisterung der Öffentlichkeit zu Bedienen ist nicht mehr zu schaffen. Mit Dipl. Forstwirtin Jana Schellenberg und der Begründung des Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz werden die Aufgaben der Öffentlichkeitsabreit auf neue Schultern gelagert. Wölfe in der Region zu haben, ist eine Attraktion, ein Alleinstellungsmerkmal. Auch das sollte nicht unterschätzt werden. Eine strukturschwache Region kann einen derartigen Umstand nicht ignorieren, sie muss ihn vielmehr nutzen. Für die hier lebenden Menschen und für die Wölfe. Wolfstourismus lautet das Zauberwort. Gezielt angebotene Ausstellungen, Veranstaltungen, Touren zur Spurensuche und entsprechende Angebote zu
Übernachtung und Gastronomie können hier ihren Beitrag leisten. Und die Wölfe? Die Heimkehrer entwickeln sich über die Jahre recht ordentlich. Dies darf jedoch über die Schwierigkeiten der Populationsfestigung nicht hinweg täuschen. Insbesondere die Auffrischung des Genpools stellt eine der Hauptsorgen der Biologinnen dar. Unsere Wölfe stammen aus der westpolnischen Population, welche wiederum von einer Versorgung mit Genen aus dem Osten lebt. Korridore für Wildtierwanderungen sind eine unabdingbare Voraussetzung für Tierarten wie Wolf und auch Bär. Jungtiere werden erwachsen, sie ziehen ab, um ihr eigenes Territorium für ein neues Revier zu suchen. Für die Begründung eines neuen Rudels, einer Familie, benötigen sie andere, abgewanderte oder einzeln lebende Tiere. In „geschlossenen Gesellschaften“ ist dies nicht möglich. Reviergrenzen sind nicht sichtbar, sie bestehen nicht aus Zäunen. Die Tiere nehmen sie wahr, wir sehen sie nicht. Gibt es keine Möglichkeit der Zu - und Abwanderung, so verkümmert der Genpool einer Population. Hybridisierung, Inzest und Gendefekte sind die Folge, irgendwann ist die Population dem Untergang geweiht. Schaut man sich die Zahl der Welpen an und berücksichtigt die Abwanderung der Tiere nach zwei bis drei Jahren, so bleibt die Frage nach dem Verbleib der Wanderer.
Was ist mit ihnen passiert? Leben sie noch oder sind sie Verkehr und/ oder Blei zum Opfer gefallen? Sind wir ehrlich zu uns? Trauern wir um die verlorenen Tiere oder sind wir insgeheim froh, sie nicht vor der eigenen Haustüre zu wissen? Ist die Begründung abgeschossener Wölfe durch die Verwechslung mit wildernden Hunden wirklich aufrichtig? Wölfe nach Deutschland zurückkehren zu lassen, ist nur die eine Seite der Medaille, ihnen dauerhafte Koexistenz mit uns und den nötigen Freiraum in unserem Lande zu ermöglichen, die andere, weitaus schwerere Seite! Jan Bleil Quellen: http://wolfsregion-lausitz.de/ http://gzsdw.de/index.php ; Beatrix Stoepel Expedition ins Tierreich „Wölfe in Deutschland“; Baumgartner, Gloor, Weber, Dettling - „Der Wolf Ein Raubtier in unserer Nähe“; Mc Allister „Wölfe Die letzten Ihrer Art in Kanada“; L. David Mech: AlphaStatus, Dominanz und Arbeitsteilung in Wolfsrudeln (Canis lupus), 1999, aus: Canadian Journal of Zoology 77: 1196-1203.; Quelle: Jamestown, ND: Northern Prairie Wildlife Research Center Homepage http://www.npwrc.usgs.gov/resource/2000/alstat/ alstat.htm (Version 15/05/2000) Übersetzung: Mag. Heidrun Krisa, Zoologin, Ulrich Wotschikowsky, Wölfe, Jagd und Wald in der Oberlausitz, April 2006
Leitwรถlfe unterwegs im Schnee
64 - Naturfotografen-for-Nature Magazin 01/2010
NFN INTERVIEW Das Interview führte Jan Bleil
Im Interview: Dipl. Forstwirtin Jana Schellenberg Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz
NFN - INTERVIEW
schaftlichen Beobachtung (Monitoring) der Wölfe beauftragt sind. Durch die Organisation und Durchführung von Vorträgen, Informationsständen sowie von Wolfsprojekten in Schulen, der Herausgabe von Presseinformationen und Faltblättern, den Betrieb der Internetseite www. wolfsregion-lausitz.de und einer Wolfsausstellung, leistet das Kontaktbüro langfristige Informations- und Aufklärungsarbeit.
Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz
Sehr geehrte Frau Schellenberg, wie sind Sie auf den Wolf gekommen? Ich habe mich nach Abschluss eines Forstwirtschafts-Studiums und verschiedenen Berufserfahrungen im Bereich Umweltbildung auf eine vom Landratsamt des Niederschlesischen Oberlausitzkreises ausgeschriebene Stelle zur Projektleitung des Kontaktbüros „Wolfsregion Lausitz“ beworben. Da ich aus der Region komme und hier seit einigen Jahren im ehrenamtlichen Naturschutz tätig bin, habe ich die Entwicklung rund um den Wolf von Anfang an verfolgt. Im Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz bin ich seit 2004 für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Erzählen Sie uns bitte etwas über Ihre Arbeit und die Aufgaben des sächsischen Wolfmanagement. Das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz bearbeitet Anfragen zum Thema Wolf von Bürgern, Medien und betroffenen Interessensgruppen. Dabei stehe ich im engen Kontakt mit den Biologinnen Gesa Kluth und Ilka Reinhardt vom Wildbiologischen Büro LUPUS, die mit der wissen-
Der Wolf ist uns als Märchenfigur bekannt, er steht für eine ausgeprägte Rangordnung, ein starkes Sozialverhalten, für ausdauernde Wanderungen und endlose Hetzjagden. Mit ihm wird unberührte Natur, die pure Wildnis verbunden. Von nicht wenigen wird er mit Attributen versehen, welche sich durch Langzeitbeobachtungen widerlegen lassen. Welche sind die häufigsten Fehleinschätzungen mit denen Sie konfrontiert werden? Einige der häufigsten Fehleinschätzungen haben sie bereits in der Frage erwähnt. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung gibt es im Wolfsrudel in freier Natur keine ausgeprägte Rangordnung mit den „Alphatieren“ und einem „Omegawolf“ am unteren Ende der Hierarchie. Eine strikte Rangordnung ist typisch für Wolfsrudel, die in Gefangenschaft leben, und ist i.d.R. auf die vom Menschen gesteuerte Zusammensetzung der Wolfsgruppen in den Gehegen zurückzuführen, einschließlich fehlender Abwanderungsmöglichkeiten für jungerwachsene Wölfe. Eine weitere Fehleinschätzung ist, dass Wölfe auf einsame Wildnisgebiete angewiesen seien. Wölfe können durchaus auch in enger Nachbarschaft des Menschen leben, wenn es dort ausreichend große Wildbestände und ungestörte Tageseinstände (Ruheplätze) gibt. So kommen
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Wölfe z.B. in Italien bis in den Vororten Roms vor und in Spanien leben einige Rudel in ausgedehnten Getreidefeldern. Ein häufiges Vorurteil ist die vermeintliche Gefährlichkeit des Wolfes. Anhand Erfahrungen aus vielen Wolfsgebieten gilt es als nachgewiesen, dass Wölfe in Kulturlandschaften leben können, ohne eine Gefahr für den Menschen darzustellen.
Polen konzentrieren sich zunehmend auf die Erhaltung oder Schaffung von Korridoren und Querungshilfen, um wildlebenden Tieren einen uneingeschränkten genetischen Austausch über die Landesgrenzen hinweg zu ermöglichen. Dies ist auch für die Zukunft der Wölfe in Deutschland, die derzeit alle eine enge Verwandtschaft untereinander aufweisen, sehr wichtig.
Seit wann gibt es wieder Wölfe in Deutschland?
Welchen Einfluss hat die Rückkehr dieses Beutegreifers auf den Wildbestand in seinen Revieren?
Ende der neunziger Jahre wurden zwei Wölfe aus Polen in der Lausitz auf einem Truppenübungsplatz im Nord-Osten Sachsens sesshaft. Im Jahr 2000 kamen dort erstmals nach über 150 Jahren in Deutschland wieder Wolfswelpen auf die Welt.
Der Wolfsbestand in der Lausitz ist mittlerweile auf 6 Wolfsrudel (Eltern mit Welpen) und ein jungenloses Wolfspaar angewachsen. Die Anzahl der in den Rudeln lebenden Wölfe schwankt im Jahresverlauf meist zwischen 5 bis 10 Wölfen. Die Rudel grenzen flächenmäßig aneinander, wodurch sich ein geschlossenes, ca. 2500 km² großes Vorkommensgebiet ergibt, das sich vom Nord-Osten Sachsens bis nach Süd-Brandenburg erstreckt. Wie kann die Wolfpopulation in Deutschland genug „frisches Blut“ erhalten? Ist die Zuwanderung aus Polen weiterhin ohne Einschränkungen möglich oder besteht schon jetzt die Gefahr einer mittelfristigen Verarmung der Genvielfalt? Die bisherigen genetischen Ergebnisse sprechen dafür, dass in den letzten Jahren (2000 bis 2007) einige Wölfe aus Polen in die Lausitz eingewandert sind und sich hier auch fortgepflanzt haben. Die in Deutschland lebenden Wölfe sind Teil der deutsch-westpolnischen Population, die als gefährdet gilt, da es nach derzeitigem Kenntnisstand keinen regelmäßigen Austausch mit anderen Populationen gibt. Umweltbehörden und -Organisationen in Deutschland und
Junge Wölfe wandern irgendwann aus den Revieren der Eltern ab. Funktioniert das in unserer hoch zivilisierten und dicht besiedelten industriellen Gesellschaft überhaupt? Viele Fragen sich, ob Deutschland genug Platz für den Wolf bietet. Grundsätzlich könnten Wölfe in vielen Regionen Deutschland geeignete Lebensräume finden, da sie sehr anpassungsfähig sind. Die Abwanderung der Jungwölfe erfolgt meist im Alter zwischen ein und zwei Jahren. Einige in der Lausitz geborene Wölfe haben in unmittelbarer Nachbarschaft ihres Elternterritoriums ein eigenes Revier
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Ist die Bestandsentwicklung stabil? Wie viele Wölfe und Rudel können sie derzeit nachweisen?
Die Wechselbeziehungen zwischen Wölfen und ihren wildlebenden Beutetieren sind sehr kompliziert und dynamisch, da sie von vielen Faktoren beeinflusst werden. Es sind sowohl Untersuchungen bekannt, in denen trotz Zunahme des Wolfsbestandes die Häufigkeit der Beutetiere in einem Gebiet auf gleichem Niveau blieb, als auch Untersuchungen, die eine erhebliche Reduzierung der Huftierpopulationen durch den Wolf dokumentieren. In Gebieten, in denen sowohl menschliche Jäger als auch Wölfe aktiv sind, kann die Nutzung der Beutetiere insgesamt über deren jährlichem Zuwachs liegen, so dass die Beutetierpopulation abnimmt. Grundsätzlich ist das Territorium eines Wolfsrudels immer so groß, dass es genügend Beutetiere für eine erfolgreiche Welpenaufzucht umfasst. Die Lebensweise des Wolfes (Leben in Rudeln mit ausgesprochener Territorialität, Abwanderung der Jungwölfe) verhindert ein beliebiges Anwachsen der Wolfsdichte in einem bestimmten Gebiet.
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gefunden, andere sind weit weg gewandert. In einer zersiedelten und zerschnittenen Kulturlandschaft sind abwandernde Wölfe vor allem durch den Straßenverkehr gefährdet. Verkehrsunfälle und illegale Abschüsse können die natürliche Ausbreitung der Wölfe in Deutschland behindern.
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Wie arrangieren sich die Menschen hier im direkten Umfeld zu den Wölfen der Lausitz mit den neuen Nachbarn? Die meisten Menschen im Wolfsgebiet bemerken die Wölfe überhaupt nicht. Die Aufregung, die im Wolfsgebiet in den Anfangsjahren der natürlichen Wiederbesiedlung entstand, hat sich inzwischen weitestgehend gelegt. Durch Öffentlichkeitsarbeit versuchen wir, unbegründete Ängste und Vorurteile abzubauen. Schaf –, und Ziegenhalter werden darüber aufgeklärt, wie sie ihre Tiere schützen können und haben sich inzwischen überwiegend darauf eingestellt. Insbesondere in Printmedien, ein hoch aufgelegtes Tagesblatt sticht dabei hervor, wird immer wieder das Bild des blutrünstigen Wolfes geschürt. Finden diese Artikel fruchtbaren Boden? Das Klischee des bösen, menschenfressenden Wolfes wird durch unseriöse Beiträge dieser einschlägig bekannten Boulevardzeitung immer wieder „aufgewärmt“. Bilder von zähnefletschenden Gehegewölfen und reißerische Schlagzeilen schüren die Angst vieler Leser. Wir versuchen, durch eine langfristige, seriöse Informationsarbeit entgegen zu wirken. Auf dem Landesjägertag 2009 wurde dem Antrag zugestimmt, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Dabei wird darauf verwiesen, dass der LJV dem „Managementplan für den Wolf in Sachsen nur vorbehaltlich zustimmt. Als Begründung für die Aufnahme wird die flexiblere, schnellere und kostengünstigere Reaktionsmöglichkeit auf die Aufhebung von Schonzeiten angeführt. Schließlich gäbe es ja genug Tierarten, welche dem Jagdrecht unterliegen und eine ganzjährigen Schonzeit genießen. Wie stehen Sie zu diesen Wünschen
und Entwicklungen? Zur Bewertung dieses Antrages wird derzeit im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft eine gutachterliche Prüfung vorgenommen, um abzuklären, ob der national- und europarechtlich vorgegebene Schutz des Wolfes auch bei Übernahme des Wolfes in das Jagdrecht möglich und vorteilhaft wäre und welche Folgen sich daraus ergeben würden. Wie arbeiten Sie auf internationaler Ebene in Europa mit anderen Schutzorganisationen und Landesverbänden zusammen? Das in Sachsen mit dem Monitoring beauftragte Wildbiologische Büro LUPUS steht im engen Kontakt zu europäischen Wolfsexperten. Intensiver Austausch besteht insbesondere zu den polnischen Kollegen. Was können wir Naturfreunde tun, um dem Wolf bei seiner Rückkehr und ihnen bei ihrer Arbeit zu helfen? Sie können die Informations- und Aufklärungsarbeit aktiv unterstützen z.B. durch Gespräche mit den Menschen in ihrem Umfeld. Die Ablehnung des Wolfes basiert bei Vielen auf Unkenntnis und Vorurteilen, z.B. was die Gefährlichkeit des Wolfes anbelangt. Wenn es gelingt der Gesellschaft zu vermitteln, dass der Wolf eine wichtige Rolle im Ökosystem spielt und seine Rückkehr eine Bereicherung für unsere Artenvielfalt ist, und keine Plage, vor der wir uns fürchten müssen, hat er in Deutschland langfristig eine Überlebenschance. Frau Schellenberg, vielen Dank für das ausführliche Interview. Wir wünschen Ihnen und allen Mitarbeitern und Helfern viel Erfolg bei ihrer Arbeit! Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz Am Erlichthof 15 02956 Rietschen Tel.: 035772 46762 Fax: 035772 46771 E-Mail: kontaktbuero@wolfsregion-lausitz. Dipl. Forstwirtin Jana Schellenberg
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Geben wir dem Wolf eine Chance! Von Dr. Rolf Jaeger, Gesellschaft zum Schutz der Wölfe
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Seit mit Beginn dieses Jahrhunderts auch in Deutschland (Lausitz) nach mehr als 100 Jahren wieder mehrere reproduzierende Wolfsrudel heimisch geworden sind, ist auch das Thema Wolf wieder auf der Tagesordnung. Wer vom Wolf spricht, erntet entweder interessierte, anteilnehmende Zustimmung oder sehr ausgeprägte, krasse Ablehnung. Kaum ein Thema polarisiert die Fronten so stark, wie das Thema Wolf. Es werden immer wieder alte – wissenschaftlich längst widerlegte - Klischees, Vorurteile und gezielt Unwahrheiten und Greuelgeschichten über das menschenfressende Ungeheuer Wolf verbreitet. Dabei ist der Wolf nicht irgendein exotisches, gefährliches Tier, sondern Wölfe sind ein völlig normaler Bestandteil der heimischen Tierwelt und waren es über viele Jahrtausende, auch wenn der vom Menschen betriebene, systematische „Verfolgungswahn“ dazu geführt hat, dass diese außerordentlich sozialen Tiere vor 100 – 150 Jahren in Deutschland und weiten Teilen der Welt ausgerottet waren. Veränderte Umwelt- ebenso wie Umfeldbedingungen, die sich nicht zuletzt durch wirtschaftliche und politische Entwicklungen ergeben haben, aber vor allem auch die außergewöhnlich große Anpassungsfähigkeit des Wolfes, machten und machen es möglich, dass diese Beutegreifer - und darüber hinaus eine Vielzahl anderer Tierarten – in einen Teil ihrer angestammten Lebensräume zurückkehren. Die weniger dicht besiedelten Gebiete in den östlichen Bundesländern, die noch nicht so stark von Autobahnen und anderen Infrastrukturmaßnahmen zerschnitten sind, vor allem
die großen Truppenübungsplätze und neuen Naturschutzgebiete, aber auch die ausgedehnten Waldgebiete der Mittelgebirgsregionen bieten geeignete Habitate. Entgegen der immer wieder vorgebrachten – längst widerlegten Meinung – können Wölfe sehr wohl in der Nähe menschlicher Ansiedlungen – auch dauerhaft leben, wenn der Mensch es denn zulässt. Gerade hier liegt aber der “Knackpunkt”. Es gibt zahllose Interessenvertretungen und –gruppierungen (Verbände, Vereine, Bürgerinitiativen, u.ä.), – inhaltlich und emotional sehr unterschiedlich orientiert – in denen Menschen immer wieder “alte, aufgewärmte” Gründe suchen und finden, den Wolf als störendes und auch gefährliches Element im täglichen Leben zu verunglimpfen, zu verdammen und zu verfolgen. Dabei ist interessanterweise festzustellen, dass die weit überwiegende Mehrzahl dieser Menschen noch nie einem frei lebenden Wolf “in natura” begegnet ist und/oder das fundierte Wissen und die erlebte Erfahrung hat, über diese Tierart und sein Verhalten aus eigener Beurteilung argumentieren zu können. Aus dieser Situation ergibt sich konsequenterweise die Forderung, der Wolf braucht eine eigene Stimme. Einzelne dieser Stimmen – aber leider viel zu wenig – gibt es immer wieder. Eine davon gab und gibt es u.a. in der Person von Prof. Dr. Erich Klinghammer, der vor nunmehr fast 40 Jahren den „Wolf Park“ in Battle-Ground, Indiana, USA (North American Wildlife Park Foundation) gegründet hat und seit dem leitet und dessen wissenschaftlichen Forschungen intensiv auf das Verhalten von Wölfen konzentriert waren und sind. Zu Beginn der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts trafen sich eben dort, rein
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zufällig, einige deutsche Wolfsenthusiasten, die zusammen mit Erich Klinghammer über Wölfe und deren Leben und Verhalten in freier Wildbahn diskutierten. Der beiläufige Vorschlag von Erich Klinghammer, doch auch in Deutschland „etwas für die Wölfe zu tun“, fiel bei Günther und Karin Bloch auf fruchtbaren Boden. Beide zählten zu dieser „Runde“ und hatten damals gerade begonnen, das Verhalten freilebender Wölfe im Bow-Valley, Banff National Park, Alberta, Canada, systematisch zu beobachten und zu dokumentieren. Nach kurzer Zeit hatte Günther Bloch die zur Gründung eines Vereines notwendigen 7 Gründungsmitglieder zusammen und am 26.5.1991 wurde die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V.“ (GzSdW) in Wolfswinkel (Birken-Honigessen) gegründet und am 22.7.1991 in das Vereinsregister Wetzlar (Wohnsitz der 1. Vorsitzenden (Elli Radinger)) eingetragen.
Im Sinne der Zielsetzung ihrer Satzung und des daraus resultierenden Aufgabenspektrums erarbeitet die GzSdW deshalb nicht nur theoretische Konzepte auf dem Papier und/oder gibt „kluge“ Ratschläge, wie „man“ alles besser machen kann und muss, sondern versteht die Realisierung ihrer Aufgabenstellung vor allem in der Umsetzung konkreter, messbar nach-
Damit hat der Wolf seit Anfang der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts eine unermüdliche Stimme, die sich überall dort laut und deutlich erhebt und dafür kämpft, wo es um das uneingeschränkte Recht des Wolfes geht, auch in Deutschland, unabhängig, ungestört, in Freiheit und nach eigenen „Regeln“ leben und überleben zu können. Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V. (GzSdW) www.gzsdw.de
Die GzSdW leistet wichtige, auch finanzielle Beiträge zum Schutz und Erhalt der Wolfspopulationen in Deutschland. Die Entschädigungen von durch Wolfsrisse betroffenen Schafshaltern ist nur einer davon. Wir danken Dr. Rolf Jaeger, Geschäftsführendem Vorstand der „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V., für diesen Beitrag!
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Durch den unermüdlichen Einsatz seiner Gründer und deren Nachfolger ist die GzSdW heute Deutschlands größte, als gemeinnütziger Verein anerkannte Organisation, die sich ausschließlich den Wolfsschutz im weitesten Sinne des Wortes auf die Fahne geschrieben hat, worunter alle Maßnahmen zum direkten und indirekten Schutz sowie zur Erhaltung der Tierart Wolf zu verstehen sind. Dabei dürfen wir beiläufig betonen, dass wir ausschließlich ehrenamtlich tätig sind – wir haben keine angestellten und/oder bezahlte Mitarbeiter – so dass ausschließlich alle uns zufließenden Gelder (Beiträge, Erlöse aus unserem Wolf-Shop, Spenden etc.) nur dem Wohle der Wölfe zugute kommen und nicht – wie zumindest teilweise - in teuren Verwaltungsstrukturen oder Imagekampagnen „untergehen“, d.h. aber auch, dass wir keine bezahlten „Funktionäre“ kennen, die man zu bestimmten Tätigkeiten verpflichten kann.
vollziehbarer Maßnahmen, die vor allem der Art Wolf und weniger dem einzelnen Individuum helfen. Das entspricht auch den „Leitlinien für Managementpläne für Großraubtiere auf Populationsebene“, die im Namen der Europäischen Kommission von der LCIE (Large Carnivore Initiative for Europe) erarbeitet wurden, sowie dem Artikel von John Linnell (einem der führenden europäischen Wolfsforscher aus Norwegen). „Platz machen für das Wilde in Europas Landschaften des 21. Jahrhunderts: Ein Prüfstein für das Paradigma “global denken – lokal handeln!“.
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Text Carsten Fischer Fotos: Jan Bleil
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Raubkatzen in Deutschland - f端r die meisten Menschen kaum vorstellbar. Wildkatzen haben oft unter der Verwechslung mit wilden Hauskatzen zu leiden, und unter dem schwindenden Lebensraum.
Wildkatzenwegeplan www.bund.net/wildkatze
Hamburg
Legende Startpunkte – Wildkatzenvorkommen
Schorfheide
Bremen
Lüneburger Heide
Zielpunkte – potenzielle Wildkatzengebiete, Übergänge in Nachbarländer
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geeignete Wildkatzenlebensräume
Hannover
Wildkatzenkorridore
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Es ist fast unmöglich, diese scheue Waldbewohnerin zu entdecken, die vorzugsweise alte Laub- und Eichenwälder ihr zu Hause nennt. Man sagt auch es wäre eine Waldkatze, da sie den Großteil ihres Lebens im Wald verbringt. Kleine helle Lichtungen, im Wald verborgene Wiesen und ruhige, Heckenreiche Säume am Waldrand sind die Lieblingsplätze der Wildkatze. Baum- und Felshöhlen sowie totes Astwerk sind wichtige Bestandteile in ihrem Leben. Hier ziehen sie auch ihre Jungen groß bzw. nutzen sie tagsüber als Versteck. Wildkatzen sind meistens nachtaktiv und gehen dann auf Beutesuche. In dichten Gebüschen und Hecken wagen sich die Wildkatzen dann schon mal aus der Deckung heraus. Ursprüngliche alte Buchenmischwälder gibt es in Deutschland kaum noch. Somit ist die Wildkatze vom Aussterben bedroht. Ihre Nahrung deckt die scheue Waldbewohnerin meist mit Kleinsäugern wie Mäusen und Kaninchen sowie Fröschen, Eidechsen und kleinen Vögeln. Zuweilen auch Insekten, selten Aas. Die Reviergröße von weiblichen Wildkatzen können sich über einen Berghang erstrecken, jedoch kann das Revier auch über mehrere Täler gehen. Je nachdem wie gut das Nahrungsangebot ist. Bei gutem Nahrungsangebot ist das Revier zwischen 100- 300 ha groß. Bei schlechten Nahrungsgebieten bis zu 1000 ha. Die Reviere der männlichen Wildkatze sind deutlich größer , etwa 500 - 1500 ha groß. Ein „richtig“ guter Wald für eine Wildkatzenfamilie muß ein gutes Nahrungsangebot haben. Beste Versteckmöglichkeiten, Ruheräume, hohle Bäume, Wildwiesen und eine mehr oder weniger geschlossene Waldfläche von mindestens 20000 ha. Solch große zusammenhängende Wälder, die nicht von Straßenflächen durchschnitten sind, sind in Deutschland bereits selten. Es ist für die Arterhaltung der
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Lebensraum, Nahrung und Verbreitungsgebiet
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Wildkatze unheimlich wichtig, dass so viele zusammenhängende Waldgebiete in Deutschland erhalten bleiben wie nur irgendwie möglich. Es gibt in Deutschland 2 Hauptverbreitungsgebiete: Taunus, Hunsrück, Eifel und Pfälzer Wald, welche vermutlich im Austausch miteinander stehen. Zum zweiten im Solling, Harz, Kyffhäuser, die Waldge-
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© BUND e.V. Grafik: Marc Alexander Venner
biete Nordthüringens und den Hainich. In Bayern gibt es sie im Spessart und im Steigerwald, neuerdings (seit 2007) auch in der Rhön und in Südostthüringen. Die Population schwankt in Deutschland zwischen 1.300 bis 2.800 Tiere. Die meisten davon in der Eifel und im Hunsrück. Es gibt jedoch Hoffnung, dass sich die Wildkatze in Deutschland weiter ausbreiten könnte. So gibt es eine Reihe von geeigneten Wildkatzenwäldern bei uns. Die wären: Die Lüneburger Heide, die Schorfheide, der Kaiserstuhl, die Fränkische Schweiz, der Odenwald, das Rothaargebirge, der Fläming sowie die Schwäbische Alb, Oberbayern und die Schwäbisch- Fränkischen Waldberge.
Aufmerksam beobachtet der junge Kater seine Umgebung
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Merkmale
Wildkatze
Hauskatze
Fellfarbe
Grau mit cremegelbem bis ockerfarbigem Ton, weißer Kehlfleck
glänzend, große Variabilität der Graufärbung
Fellmuster
deutlich abgeschwächte verwischte Zeichnung
meist kräftig durchgezeichnet
Körperbau
plumper wirkend, da langhaa- schlanker wirkend, da kurzrig, Läufe dick haarig, Läufe dünner
Kopfform
wuchtig, breite Schnauzenform
zarter, schlanke Schnauzenregion
Schnurr- und Tasthaare
weiß, kräftig ausgebildet
schwächer ausgebildet, zuweilen hornfarbig
Nasenspiegel
hell fleischfarben
meist dunkler
Ohr
klein wirkend, da längeres Kopfhaar
groß wirkend, da kürzeres Kopfhaar
Schwanz
stumpfendig, stark buschig, über 50 % der Körperlänge
Kurzhaarig, spitzendig, bis 50 % der Körperlänge
Schwanzmusterung
deutlich dunkel abgesetzte Ringe in der hinteren Hälfte
helle Felder, silbergrau gefärbt, meist nicht so scharf abgesetzt
Krallen
hell hornfarbig
hell- oder dunkelhornfarbig
Hinterfüße
schwarze Sohlenfleckung, sehr variabel ♂ 128-178 mm ♀ 115-140 mm
schwarze Sohlenzeichnung meist bis zur Ferse ♂ 110-145 mm~ ♀ 97-130 mm
Hirnschädelinhalt
32,5-50cm Mittel 41,25 cm
20-35cm Mittel 27,5cm
Schädelindex (Hirnschädelvolumen / Schädellänge)
<2.75
>2.75
Gesamtlänge
♂ 83-97 cm ♀ 73-94 cm
♂ 69-92 cm ♀ 67-81 cm
Gewicht erwachsener Exemplare
♂ 3,0-6,5 kg ♀ 2,3-4,9 kg
♂ 3,0-6,5 kg ♀ 2,0-6,5 kg
Darmlänge
♂ 120-170 cm ♀ 110-150 cm
♂ 165-254 cm ♀ 155-220 cm
Tragzeit
63-68 Tage
56-61 Tage
Zahl der Würfe im Jahr
1, selten 2
Stets mindestens 2
Jungenzahl
2-4 im Durchschnitt
4-6 im Durchschnitt
Tabelle: Angaben aus Grabe, H., & G. Worel (2001), nach Haltenorth (1957) und Piechocki (1990), verändert.
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Folgende Vernetzung von Waldgebieten sind für die Wildkatze wichtig: Pfälzer Wald, Bienwald, Eifel, Hürtgenwald, Hunsrück, Schwarzwälder Hochwald und Umland. Des Weiteren Hochtaunus, Rheingau- Taunus, Lahn, Westerwald, Solling, Bramwald, Reinhardswald, Kaufunger Wald, Söhre, Meissner, Knüll/Ludwigsau, Werralandschaft bis zum Hainich. Weiterhin noch Harz, Harzvorland/Heinberg, Kyffhäuser, Hainleite, Ohmgebirge, Dun, Eichsfeld, Hohe Schrecke und Finne.
Geschichte, Verhalten und Merkmale der Wildkatze Prähistorische Funde von Knochen weisen nach, dass schon unsere Vorfahren in der Steinzeit Wildkatzen gut gekannt haben müssen. Die ältesten Funde von Wildkatzen stammen aus dem Mittelpleistozän (vor etwa 500.000 - 300.000 Jahren). Unsere heutige Hauskatze wurde vermutlich von den Römern vor etwa 2000 Jahren in Mitteleuropa eingeführt. Bis vor 150 Jahren war die Wildkatze noch in allen klimatisch begünstigten Mittelgebirgswäldern Deutschlands anzutreffen. Von der Größe her ist die Wildkatze etwa so groß wie eine Hauskatze, jedoch wirkt die Wildform etwas plumper, der Kopf ist kräftiger, die Schnauzenform ist breiter. Sie hat längere Haare wie die Hauskatze, auch die Pfoten sind breiter. Bis über 50% der Körpergröße beträgt der Schwanz. Er ist im allgemeinen buschiger als bei der Hauskatze und an seinem Ende stumpf aussehend. Das Fell an der Körperflanke wirkt verwaschen, wobei es im Vergleich zur Hauskatze keine kontrastreiche Tigerung erkennen lässt. Im Vergleich zur Hauskatze. Das Körpergewicht bei den männlichen Tieren der Wildkatze schwankt zwischen 3 bis 6 KG und bei den weiblichen Tieren von 2 bis 5 KG. Das erreichbare Alter der Tiere schätzt man auf 7 bis 10 Jahre.
Fortpflanzung und Jungenaufzucht Die Tragzeit der Weibchen beträgt zwi-
schen 60 bis 70 Tage, wobei das Weibchen meistens 2 bis 4, selten bis zu 6 Junge zur Welt bringt. Die Wurfzeit der Tiere ist von März bis September wobei die meisten im April das Licht der Welt erblicken. Sollte ein Junges Tot zur Welt kommen, dann werden diese sofort von den Alttieren aufgefressen. Dies geschieht meist innerhalb von wenigen Stunden. Mit ca. 4 Wochen erkunden die kleinen Wildkatzen zum ersten Mal „ihre“ Welt. Ab etwa der 5 Woche, beginnen sie meist, auf Bäume zu Klettern. Anfangs kann es oft vorkommen, dass die Kätzchen zu weit nach oben klettern und dann von der Mutter von weit oben im Baum gerettet werden müssen. Dabei nimmt die Katze das Junge ins Maul und klettert mit ihm wieder den Baum herunter. Ab der 6. Woche beherrschen die Kleinen dann auch das rückwärts Klettern und sind somit nicht mehr auf die Hilfe der Mutter angewiesen. Wenn die jungen Wildkatzen nach 1 Monat die Höhle verlassen, beginnen sie sofort, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Nach etwa 6 Wochen fressen die Kleinen dann auch alles, was die Alttiere fressen. Wildkatzen sind von ihrem Verhalten her sehr selbstsicher und zuweilen auch dominant. In Wildgehegen hat sich oft gezeigt, dass selbst ihnen vertraute Menschen sich noch in Acht nehmen müssen. Die Wildkatze ist für den Menschen völlig ungefährlich, jedoch kann sie einem schon erhebliche Verletzungen zufügen. In freier Wildbahn ist die Wildkatze ein Einzelgänger, aber oft auch in Kontakt mit ihren Artgenossen. Jedenfalls per Geruchsmerkmalen. Quellen:
www.Wildkatze.info bund.net www.Wildkatze-rlp.de „Die Wildkatze“ von Herbert Grabe und Günter Worel, Buch- und Kunstverlag Oberpfalz Carsten Fischer ist Mitglied der Gruppe Naturfotografen-for-Nature. Er unterstützt den NABU Reinickendorf als aktives Mitglied und als Naturfotograf. Für sein heimisches Fotorevier im Tegeler Fließtal, einem ausgewiesenen NATURA 2000-Gebiet, bietet er über seine Webseite geführte Touren an. www.fotowandertouren.de
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Text und Fotos: Christine Jung
DerAuwald
Der Waldpark in Mannheim ist ein kleines St체ck Auwald, welches uns die Vielfalt und die Bedeutung dieser Wasserw채lder aufzeigt. Christine Jung nimmt uns mit in ihr Fotorevier.
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Der „Wald“ ist ein Lebensraum, der jedem von uns ein Begriff ist. Das ist auch kein Wunder, denn laut der zweiten Bundeswaldinventur[1], die 2001 und 2002 durchgeführt wurde, ist rund ein Drittel der Fläche Deutschlands von Wald bedeckt, mit steigender Tendenz. Der nächste Wald ist deshalb meist nicht weit. Für den Menschen hat der Wald einen hohen Erholungswert. Wer geht nicht gerne im Wald spazieren und genießt dabei die Ruhe, die dort herrscht. Oder kehrt nach einer längeren Wanderung in eine der vielen Hütten ein, um sich dort zu stärken. Dem aufmerksamen Beobachter wird dabei schon aufgefallen sein, dass Wald aber nicht gleich Wald ist. Je nach Zusammensetzung der verschiedenen Baumarten wird unterschieden zwischen Laub- und Nadelwäldern und allen möglichen Mischformen. Eine weniger bekannte Form des Waldes stellen Auwälder dar. Bei diesen handelt es sich um ökologisch besonders wertvolle Lebensräume, die jedoch in Deutschland nur rund 2,7% (~291000 ha) der gesamten Waldfläche ausmachen. [1]
Auwälder im Allgemeinen Das Wort „Au“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet „Wasser“. Auwälder sind somit Wasserwälder und auf den ständigen Wechsel zwischen Überflutung und Trockenfallen angewiesen; es ist der wichtigste ökologische Faktor. Auwälder finden sich aus diesem Grund in direkter Nähe von großen Flüssen, wo diese heute noch regelmäßig über die Ufer treten. Bei Hochwasser werden viele Sedimente mitgeführt; die gröberen setzen sich meist flussnah ab, während die feineren, wie Schluff, Ton und Lehm, in die Auen eingetragen werden. Diese sedimentieren dort und sorgen damit für eine Nährstoffzufuhr, d.h. die Auenbereiche werden immer wieder natürlich gedüngt. Doch nicht nur das Hochwasser an sich ist für den Auwald ein wichtiger Faktor, sondern auch die Höhe des Grundwassers, die durch den Wasserstand des Flusses beeinflusst wird. Bei Hochwasser steigt ebenfalls der Grundwasserpegel in der Aue an, wodurch auch Waldbäume und Kulturpflanzen außerhalb
des eigentlichen Überschwemmungsgebietes mit Wasser versorgt werden. Des Weiteren wird das Lückensystem des Bodens durch die Grundwasserschwankungen regelmäßig ausgespült und gleichzeitig mit Sauerstoff angereichert, was für das Pflanzenwachstum wichtig ist. Auwälder lassen sich in Hartholzaue und Weichholzaue unterteilen: Die Weichholzaue ist der Teil des Auwaldes, der bei Hochwasser lange überflutet wird. Hier stehen spezialisierte Bäume wie z.B. die Silberweide, die ein bis zu 300 Tage dauerndes Hochwasser toleriert. Bäume der Hartholzaue, wie die Stieleiche oder die Esche, ertragen zwar auch Überflutungen, jedoch nicht über einen so langen Zeitraum (bis maximal ~100 Tage). Die Hartholzaue befindet sich deshalb meist etwas höher gelegen. Aufgrund der langen Überschwemmungen sind Weichholzauen deutlich artenärmer als Hartholzauen, doch einige Tiergruppen, z.B. die Laufkäfer, weisen hier hohe Individuenzahlen auf. Aufgrund des kleinflächigen Mosaiks unterschiedlicher Standortverhältnisse in den Auwäldern und der vom Wald geprägten Auenlandschaft zählen sie zu den artenreichsten und vitalsten Lebensräumen Europas. So konnten z.B. entlang des Oberrheins bis zu 50 Säugetier-, 17 Amphibien-, acht Reptilien- und 200 bis 250 Vogelarten (brütende und durchziehende), sowie 400 bis 500 Großschmetterlingsund über 1000 Käferarten nachgewiesen werden. Die Zahlen gelten allerdings nicht für den Auwald allein, sondern für den gesamten Lebensraum mit seinen unterschiedlichen Ausprägungen. [2],[3],[4]
Gefährdungsfaktoren der Auwälder und ihre Folgen Wie zuvor beschrieben, ist der Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser der wichtigste ökologische Faktor für das Entstehen und den Erhalt von Auwäldern – und auch der, der am einfachsten negativ vom Menschen beeinflusst werden kann bzw. bereits wurde. Durch Flussbegradigungen und den Bau von Buhnen, Uferbefestigungen und Stau-
Schuppiger Porling (Polyporus squamosus)
Erdkrรถte (Bufo bufo-Komplex)
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stufen etc. wurde die Gewässerdynamik vieler Flüsse stark verändert, was u. a. zu einem Absinken des Grundwasserspiegels und dem Nachlassen der Überflutungen führte. Dadurch konnten die Flüsse besser schiffbar gemacht und neues Ackerland gewonnen werden – auf Kosten der Auwälder. So ging z.B. der größte Teil der typischen Weichholzauenstandorte oberhalb der Staustufe von Iffezheim durch den modernen Rheinausbau verloren. Die baulichen Maßnahmen am Rhein hatten auch zur Folge, dass heute zwischen Breisach und Mainz das Wasser zu schnell abfließt. Dadurch kann sich der Rhein weiter in seine Aue einschneiden, was wiederum einen stark sinkenden Grundwasserspiegel bewirkt (in Mannheim um 2 m) und somit negative Folgen für die Auwälder hat. Während Hochwasser nun im Oberrhein zu schnell abfließt, staut es sich an Engpässen im Unterlauf und kann dort Hoch[3],[5] wasserkatastrophen verursachen.
Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen von Auwäldern Flussauen und naturnahe Auwälder sind inzwischen europaweit nach der FFH-Richtlinie geschützt, wobei die Hartholzauen großer Flüsse in ganz Europa noch stärker gefährdet sind als die Weichholzauen.[6] Der Erhalt der noch vorhandenen Auwälder ist relativ einfach, da man sie weitgehend der natürlichen Entwicklung überlassen kann, wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind. Der wichtigste Faktor hierbei ist die Erhaltung, Sicherung oder Wiederherstellung der natürlichen Wasserstandsschwankungen. Hierzu gehört auch, dass der Grundwasserstand und die Grundwasserdynamik erhalten und gesichert werden. Ist dies nicht gegeben, sollten Flussbegradigungen und „abflussverbessernde“ Maßnahmen zurückgebaut oder verhindert werden. Außerdem sollten im Bereich von Feuchtwäldern Überflutungsflächen neu geschaffen, Regenrückhaltebecken gebaut und Dränagegräben rückgebaut werden. Diese Maßnahmen kommen nicht nur den Auwäldern zugute, sondern auch den Menschen in hochwassergefährdeten Gebieten. Denn ein hoch-
wasserführender Fluss oder Bach kann sich in ausgedehnten, naturnahen Auwäldern ungehindert ausbreiten, und die Wassermassen kommen beim Durchfließen der Auwälder wesentlich langsamer voran als im Flussbett. Ausgedehnte Auwälder können also dazu beitragen, dass extreme Hochwasserspitzen gemildert werden: Die Wasserstände steigen und fallen langsamer, die Überflutungen sind flacher und ausgedehnter.Die Auengebiete können nicht nur vor Hochwasser schützen, sie fördern auch die Trinkwasserqualität, da in diesen Gebieten grundwassergefährdende menschliche Aktivitäten ausgeschlossen werden. Eine natürliche Dynamik des Flusses bewirkt zudem in der Regel höhere Grundwasserstände als dies bei reduziertem Abfluss der Fall ist, was auch zur quantitativen Erhaltung des Grundwasservorkommens beiträgt. Weitere Schutzmaßnahmen bei Auwaldbeständen, die ihren naturnahen Baumbestand teilweise verloren haben, können unter anderem das Nachpflanzen von Weiden und Erlen an ihren natürlichen Standorten und die naturnahe Bewirtschaftung von Hartholzauwäldern sein. Neben diesem „allgemeinen“ Schutz können auch spezielle Arten durch Artenschutzmaßnahmen erhalten bzw. vermehrt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Wilde Weinrebe, auf die ich im weiteren Verlauf noch eingehen werde. [3],[5],[7] Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Schutz bzw. die Renaturierung von Auengebieten nicht nur dem Auwald mit seinen Pflanzen und Tieren zugute kommt, sondern auch dem Menschen.
Auwälder in Mannheim im Speziellen Wenn ich Leuten erzähle, dass ich aus Mannheim bin, ist es interessant zu hören, was Leute mit Mannheim in Verbindung bringen. Quadratestadt, BASF und hohe Kriminalitätsrate werden am häufigsten genannt. Doch Mannheim hat für Naturliebhaber und Naturfotografen eine Menge zu bieten. So habe ich z.B. das große Glück, ein Stück Auwald direkt vor der Haustür zu haben, den Waldpark
(Landschaftsschutzgebiet, 112 ha) mit der Reißinsel (Naturschutzgebiet, 92 ha). Das Gebiet ist nicht ausgedeicht, so dass bei Hochwasser 275 ha Auenlandschaft überflutet werden können. Naturnahe Auenbereiche dieser Größe gibt es in der Oberrheinebene nur noch wenige. [8]
Geschichte des Waldparks
Unbekannter Pilz Rädchen-Tintling (Coprinus plicatilis)
Geht man heute auf dem Hochwasserdeich des Waldparks spazieren, sieht man zwischen den Bäumen immer wieder einen Graben, der – abhängig vom Niederschlag und der Rheinhöhe – mit Wasser gefüllt sein kann. Hierbei handelt es sich um den Schlauchgraben, einen ehemaligen Nebenarm des Rheins. Tulla hatte während seiner Rheinbegradigung beabsichtigt, diesen Graben zu verbreitern und so die Neckarauer Rheinschlinge zu durchstechen. Preußen befürchtete jedoch, dass die Hochwassergefahr am Niederrhein zunehmen würde und verhinderte dieses Vorhaben. So kommt es, dass Waldpark und Reißinsel heute zu Mannheim gehören und nicht zu Ludwigshafen. Für die Erhaltung der Auenlandschaft ist jedoch die Geschichte der Reißinsel entscheidend: Die Reißinsel ist nach dem Mannheimer Konsul Carl Reiß (1843 – 1914) benannt. Dieser hat die Insel 1885 aufgekauft und der Stadt Mannheim vermacht. Bedingung war jedoch, dass die Insel in ihrem ursprünglichen Zustand belassen werden und für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben müsse. 1950 wurde die Reißinsel zum Naturschutzgebiet erklärt, 1981 wurde im nördlichen Teil ein 15 ha großes Stück zum Bannwald ernannt und 1983 wurde aufgrund einer Anpassung an das neue Naturschutzgesetz das Gebiet auf 100 ha erweitert. [8] Mit dem Wachstum der Bevölkerung und der immer dichteren Bebauung im Laufe der Jahrzehnte wurden Naherholungsflächen immer wichtiger und der Nutzungs- und Freizeitstress für Waldpark und Reißinsel nahmen stark zu. So wurde 1970 die Reißinsel mit einer weiteren Brücke und zusätzlichen Eingängen für die Bevölkerung erschlossen. Das bis dahin nur sonnBild rechte Seite: Hohler Lerchensporn (Corydalis cava)
tags zugängliche Gebiet erlebte einen enormen Besucherandrang (am 12.5.1988 13.623 Besucher im Gesamtgebiet) und nicht alle hielten sich an das Wegegebot im Naturschutzgebiet. Das hatte natürlich Folgen für Tier- und Pflanzenwelt. Der BUND versuchte daraufhin seit Beginn der frühen 80er, eine Schließung der Reißinsel für mehrere Jahre zu erreichen, um der Insel Zeit zur Regeneration zu geben. 1990 wurden schließlich 4 von 5 Eingängen geschlossen, und seit 1993 ist die Reißinsel jedes Jahr von 1. März bis 30. Juni nicht für Besucher zugänglich. So sind z.B. die Vögel während der Brutsaison, in der sie besonders empfindlich auf Störungen reagieren, weitgehend sich selbst überlassen. Auch die Pflanzenwelt regeneriert sich während der Schließzeit – so wachsen die während des Jahres entstandenen illegalen Trampelpfade wieder zu und werden Teil der Natur. Allerdings halten sich nicht alle Besucher des Waldparks an die vorübergehende Schließung der Reißinsel. Immer wieder sehe ich zu dieser Zeit Jogger, die durch ein Schlupfloch auf die Insel gelangen und dort ihre Runden drehen. [9]
Pflanze mit Eiskristallen Märzveilchen (Viola odorata)
Rรถtelmaus (Myodes glareolus)
Holzkeule (Xylaria spec.)
Bluthelmling (Mycena haematopus)
Naturfotografie im Waldpark und auf der Reißinsel
der „weiten“ Wege suche ich meine Fotoobjekte vor allem auf den ersten 200 m.
Obwohl Waldpark und Reißinsel eine Fläche von rund 200 ha einnehmen, fotografiere ich hauptsächlich in einem relativ kleinen Gebiet im mittleren bis südlichen Teil des Waldparks. Vom Franzosenweg aus, der die Hauptstraße durch den Waldpark darstellt, nach Norden nimmt der Waldpark einen immer parkähnlicheren Charakter an. Deshalb und weil dort mehr Spaziergänger unterwegs sind, halte ich mich eher in dem richtigen Waldgebiet direkt nördlich des Franzosenwegs auf. Die Reißinsel weist ebenfalls unterschiedliche Lebensräume auf. Die ersten 200 m nach dem Eingang zur Insel befindet man sich noch im Wald, bevor man aus ihm herauskommt und auf die großen Streuobstwiesen schaut. Folgt man dem 4,2 km langen Rundweg, gelangt man wieder in den Wald und läuft erst am Bellenkrappen und später am Rhein entlang. Die Landschaft ändert sich hier immer wieder. Aufgrund
Vielfalt im Mannheimer Auwald Der Frühling (Januar bis April)
Bild linke Seite: Gemeine Weidenjungfer (Chalcolestes viridis)
Mein fotografisches Jahr beginnt im zeitigen Frühjahr, wenn die Blausterne anfangen zu blühen. Der Zweiblättrige Blaustern ist ein Vertreter der Hartholzauen-Flora, weshalb die Pflanze im Waldpark hauptsächlich am Hochwasserdeich und dem angrenzenden Wald vorkommt. Im Frühling bilden sich vor allem auf der Deichwiese ausgedehnte Teppiche, die jedoch aufgrund der geringen Größe erst beim genaueren Hinschauen auffallen. Neben den meist blaugefärbten Blüten, die der Pflanze ihren Namen gegeben haben, kommen auch immer wieder weißgefärbte vor. Bei den Blausternen kann man als Fotograf sehr gut Offenblende und/ oder Gegenlicht als Stilmittel einsetzen und erhält so immer wieder neue, faszinierende Bilder. Der Blaustern ist aber nicht nur ein
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lohnendes Fotoobjekt, sondern hat auch eine interessante Strategie, seinen Samen zu verbreiten. Der Samen besitzt ein ölhaltiges Anhängsel, das Elaiosom, das Ameisen besonders gerne fressen. Deshalb sammeln sie die Samen und bringen sie als Nahrungsvorrat in ihre Bauten und tragen so zur Verbreitung der Blausterne bei. Diese Strategie der Samenverbreitung verfolgen u. a. auch Schneeglöckchen, Waldveilchen und Lerchensporn. [8],[10] Nach den Blausternen geht es Schlag auf Schlag: Mehr oder weniger gleichzeitig fangen Buschwindröschen, Waldveilchen, Scharbockskraut, Hohler Lerchensporn und Hohe Schlüsselblume an zu blühen. Während Buschwindröschen, Veilchen und Scharbockskraut an vielen Stellen zu finden sind, muss man bei Lerchensporn und Schlüsselblume wissen, wo man zu suchen hat. Während des Fotografierens hat man im Frühjahr die ganze Zeit einen lauchartigen Geruch in der Nase. Dieser kommt vom Bärlauch, der definitiv der häufigste Frühblüher im Waldpark ist. Nicht nur für den Fotografen ist dies eine genussvolle Zeit, sondern auch für die Feinschmecker. Immer wieder sieht man Spaziergänger mit kleinen Körbchen umherziehen, die auf der Suche nach den frischesten Bärlauchblättern sind. Doch Vorsicht ist angesagt: Bärlauchblätter können leicht mit denen von Maiglöckchen, Herbstzeitlosen oder den ungefleckten Blättern jüngerer Pflanzen des Gefleckten Aronstabs verwechselt werden. [11] In den letzten Jahren hat mein fotografisches Jahr vor Beginn der Bärlauchblüte geendet, da wir zu dieser Zeit meist in den Frühjahrsurlaub fahren. Dieses Jahr war der Urlaub etwas später geplant, so dass ich mich das erste Mal intensiver mit den „späteren Frühblühern“ wie Aronstab und Wiesenschaumkraut beschäftigen konnte. Ein Wunsch von mir war schon lange, einmal einen Aurorafalter vor die Linse zu bekommen. Ein befreundeter Fotograf meinte, dass der Waldpark eigentlich die Habitatansprüche dieser früh fliegenden Schmetterlinge erfüllen würde. Also machte ich mich dieses Jahr, ohne zu wissen, ob mein Unterfangen
Erfolg haben würde, auf die Suche nach Aurorafaltern. An mehreren Tagen lief ich frühmorgens alle Wiesen ab und schaute an jeder Wiesenschaumkrautpflanze, ob nicht vielleicht ein Schmetterling darauf sitzt. Meine Ausdauer hat sich bezahlt gemacht: Neben mehreren Aurorafaltern fand ich auch einen Tintenfleck-Weißling und sehr viele Wollschweber. Während ich mich auf die genannten Frühblüher konzentriere, nimmt ein weiteres Naturspektakel – von mir dieses Jahr das erste Mal fotografiert – seinen Lauf: Die Amphibienwanderung. Erdkröten und Grasfrösche kehren in ihre Laichgewässer zurück, um für Nachwuchs zu sorgen. Aber nicht nur die Amphibien leben nun ihre Frühlingsgefühle aus. Auch in der Vogelwelt werben die Männchen um die Gunst der Weibchen; der Wald ist erfüllt vom Gesang der Vögel und dem „Baulärm“ der Spechte. In dem genannten Gebiet kommen – bis auf den Dreizehenspecht – alle deutschen Spechtarten vor: Am häufigsten sieht man den Buntspecht, gefolgt vom Mittelspecht. Auch den Schwarzspecht bekommt man verhältnismäßig oft zu sehen, während man vom Grünspecht meist nur das wie lautes Lachen klingende Rufen hört. Und wenn man den Kleinspecht finden will, dann sollte man mit einem Fernglas bewaffnet bei den Streuobstwiesen auf der Reißinsel die Augen offen halten. Der Wald stellt den Fotografen bei der Vogelfotografie allerdings aufgrund der schwierigen Lichtverhältnisse vor eine besondere Herausforderung, weshalb ich mich auch noch nicht richtig daran versucht habe. Ich habe jedoch fest vor, dies im Laufe der nächsten Jahre zu ändern. Säugetiere leben ebenfalls auf den ~200 ha. Allen voran sind die Eichhörnchen zu nennen, die vor allem im Frühjahr, wenn die Bäume noch nicht belaubt sind, gut zu sehen sind. Wer aufmerksam durch den Wald läuft, wird auch immer wieder Mäuse auf dem Boden herumhuschen sehen. Dieses Jahr habe ich eine ganz gute Stelle gefunden, an der ich Rötelmäuse fotograBild rechte Seite: Zweiblättriger Blaustern (Scilla bifolia)
fieren konnte. Allerdings erfordert die Mausfotografie noch einmal mehr Geduld als es die Naturfotografie eh schon erfordert, da die Mäuse doch recht scheu sind und auf jede Bewegung der Kamera reagieren. Rehe sieht man immer mal wieder auf den Wiesen und Wegen stehen, wohingegen nur die aufgewühlte Erde von der Anwesenheit der Wildschweine zeugt.
Der Sommer (Mai bis September)
Wald-Vergissmeinnicht (Myosotis sylvatica) Tintenfleck-Weissling (Leptidea sinapis Linnaeus, 1758)
Im Sommer fotografiere ich zwar eher in anderen Gebieten, doch auch in dieser Zeit bietet der Waldpark ein paar Highlights, die ich bisher jedoch nicht entdecken konnte. Die vielen Eichen, die im Waldpark zu finden sind, stellen den Lebensraum für zwei ganz besondere Käferarten, den Hirschkäfer und den Großen Eichenbock, dar. Letztes Jahr habe ich schon einmal versucht, den Hirschkäfer zu Gesicht bekommen, allerdings ohne Erfolg. Dieses Jahr habe ich es erneut versucht und auch der Heldbock, wie der Große Eichenbock ebenfalls genannt wird, stand auf meiner „Fahndungsliste“. Leider war das Wetter in diesem Jahr für mein Vorhaben nicht das beste, so dass ich beide Arten wieder nicht gesehen habe. Doch nächstes Jahr gibt es eine neue Chance. Etwas später wird es aus botanischer Sicht wieder interessant: Ungefähr Ende August blühen auf den Streuobstwiesen der Reißinsel die Herbstzeitlosen. Sie zu fotografieren ist jedoch schwierig, da die Wege nicht verlassen werden dürfen. Als Fotograf muss man also das Glück haben, ein Exemplar am Wegesrand zu finden. Indisches Springkraut wächst ebenfalls an einigen Stellen auf der Reißinsel und im Waldpark. Es stellt zwar ein hübsches Fotomotiv dar, allerdings ist die Anwesenheit dieser Pflanze mit einigen Problemen verbunden. Beim Indischen Springkraut handelt es sich um einen Neophyten, also eine Pflanze, die in Deutschland nicht heimisch ist. Sie wurde eingeschleppt und breitet sich nun beständig aus, wobei sie die einheimischen Pflanzen verdrängt.
Der Spätsommer ist auch eine gute
Zeit, um Libellen zu fotografieren. Man sieht immer wieder Großlibellen, wie sie entlang der Wege auf und ab patrouillieren, doch sie abzulichten ist schwierig. Einfacher ist es da schon mit der Gemeinen Weidenjungfer: Hat man erst einmal ihren Schlafplatz entdeckt, kann man in Ruhe sein Stativ vor einem Ast aufbauen, da die Libelle immer wieder auf ihn zurückkehrt. Man muss nur noch nach jeder Landung die Schärfe einstellen.
Der Herbst (Oktober) Im Herbst ist der Waldpark ein Eldorado für Pilze. Fliegenpilze wird man hier allerdings vergeblich suchen, denn in den letzen 3 Jahren habe ich festgestellt, dass es so gut wie keine Bodenpilze im Waldpark gibt. Bei allen von mir fotografierten Arten handelt es sich stattdessen um Totholzarten, und Totholz gibt es genug im Waldpark. Obwohl die Pilze so ziemlich überall wachsen, muss man schon genau hinsehen, um die teilweise kleinen und unscheinbaren Pilze zu entdecken. Hat man aber erst einmal einen Blick für sie entwickelt, überrascht einen doch die Farben- und Formenfülle, die die Pilze aufweisen. Neben der klassischen Ansicht des freigestellten Pilzes habe ich im letzten Jahr Gefallen an Weitwinkelaufnahmen gefunden, bei der die Umgebung des Pilzes in das Bild einbezogen wird.
Schlingpflanzen Neben den aufgeführten Frühblühern und der Vielzahl an Pilzen kommen im Waldpark und auf der Reißinsel einige für Auwälder typische Schlingpflanzen vor, von der jede ihren eigenen Reiz hat. Wilder Hopfen stellt mit seinen interessanten Früchten ein lohnenswertes Fotoobjekt im Spätsommer dar. Die Waldrebe, die lianenartig von den Bäumen herunterhängt, verleiht dem Wald an manchen Stellen ein fast dschungelartiges Aussehen. Viele Bäume sind auch mit Efeu bewachsen. Das sieht zum einen sehr schön aus, zum anderen stellt der Efeu mit seinem Rankengeflecht einen wichtigen Lebensraum für Vögel und Kleintiere dar. So wurden bei einer Untersuchung im „Weisweiler Rhein-
Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) Buntstieliger Helmling (Mycena inclinata)
Skorpionsfliege (Panorpa communis)
Grasfrosch ((Rana temporaria)
Scharbockskraut (Ranunculus ficaria)
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wald“ 10 Vogelarten (Amsel, Singdrossel, Mönchsgrasmücke, Zaunkönig, Zilpzalp, Sommergoldhähnchen, Schwanzmeise, Waldbaumläufer, Ringeltaube und Eichelhäher) als Brutvogel im Efeu registriert. Des Weiteren sind die reifen Früchte des Efeus gegen Ende des Winters eine wichtige Nahrung für Drosseln, Spechte und Stare. Die Raupen mehrerer Nachtfalterarten, wie Nachtschwalbenschwanz und Schwarzes Ordensband sind als Efeunutzer bekannt. Außerdem bietet das Geflecht von Lianenarmen und immergrünen Blättern Versteck- und Jagdmöglichkeiten für die verschiedensten Kleintiere und auch Vögel suchen während der Wintermonate oft Efeugeflechte als deckungsreiche Schlafplätze auf. Viele Forstleute stehen dagegen dem Efeu skeptisch gegenüber und sehen ihre Bäume durch den „Baumwürger“ gefährdet. Ich habe im Waldpark schon oft gesehen, dass die Ranken durchtrennt und die Pflanze dadurch abgestorben war. Bei der oben genannten Untersuchung stellte sich heraus, dass die Bekämpfung von Efeu aus waldbaulichen Gründen unnötig ist, da 98% der mit Efeu bewachsenen Bäume keinen Schaden aufwiesen, obwohl der Efeu teilweise über 50 Jahre alt war. Stattdessen behindert die Bekämpfung von Efeu das Erreichen gewünschter Naturschutzziele (z.B. Arten- und Individuenreichtum der Vogelwelt und der blütenbesuchenden Insekten). Der Efeu spielt also in diesen Wäldern eine wichtige Rolle als Versteckmöglichkeit und Nahrungslieferant für die Tierwelt, so dass der Schutz und die Erhaltung von alten Efeubeständen ein Anliegen des Waldnaturschutzes sein sollte. Die moderne Waldbewirtschaftung in den Rheinauen sollte Efeu als weit verbreitete Lianenart in ihren Konzepten entsprechend würdigen. [12] Zusätzlich zu den genannten wächst eine botanische Besonderheit unter den Schlingpflanzen auf der Reißinsel: Die Wilde Weinrebe Vitis vinifera ssp sylvestris, ebenfalls eine typische Auwaldpflanze. Wildreben waren früher in den Rheinauen weit verbreitet, doch durch Rheinbegradigung, Pilzbefall und weitere schädigende Faktoren gingen sie immer weiter zurück und sind inzwischen vom Aussterben bedroht.
Auf der Reißinsel wachsen heute 3 alte und rund 40 jüngere Wildrebstöcke, die in den letzten Jahrzehnten aus Rebsamen anderer Populationen gezogen und auf der Reißinsel an geeigneten Standorten angepflanzt wurden. Um den Bestand aufrecht zu erhalten, werden in regelmäßigen Abständen Pflegemaßnahmen durchgeführt. Hierzu gehört z.B. das Zurückschneiden der Waldrebe, die wie die Wildrebe eine Kletterpflanze ist. Allerdings ist sie vitaler und kann dadurch die Wildrebe überwuchern. Durch die genannten Maßnahmen hofft man, langfristig eine stabile Population aufzubauen, die sich selbst fortpflanzen kann. [13],[14]
„Gefahren“ für den Fotografen Das Fotografieren im Mannheimer Waldpark ist nicht ganz ohne. Auf Platz 3 der Gefahrenliste stehen Hunde. Obwohl sie eigentlich an der Leine geführt werden sollten, geschieht das in der Realität nicht immer. So ist es mir letztes Jahr passiert, dass ich, während ich halb im Gestrüpp neben dem Weg lag, plötzlich ein Geräusch hörte. Ich blickte auf und sah, dass ein doch recht kräftiger Hund auf mich zuschoss. Dass sein Frauchen ihn zurückrief, interessierte ihn nicht weiter. Kurz bevor er mich erreichte, blieb er Gott sei Dank stehen und bellte mich nur noch an. Sein Frauchen erklärte mir anschließend, dass ich den Hund erschreckt hätte. Platz 2 belegen Schnaken. Besonders im Sommer auf der Reißinsel können diese Plagegeister einen in den Wahnsinn treiben. Doch wer gute Bilder machen will, muss leiden (oder das nächste Mal an Autan denken). Die unangefochtene Nummer 1 sind jedoch die Zecken. Besonders bei der Pflanzenfotografie hält man sich als Fotograf recht lange und mit einer großen Körperfläche am Boden auf und ist damit für die Zecken ein einfaches Opfer. Ich suche mich zwar regelmäßig nach den Fototouren ab, doch ab und zu finde ich sie erst, wenn sie sich schon festgebissen haben. Letztes Jahr hatte ich meine erste Zecke sogar schon im Februar, als eigentlich alles noch gefro-
Buschwindröschen (Anemone nemorosa)
ren war. Gegen FSME bin ich zwar geimpft, doch gegen Borreliose gibt es keinen Impfstoff. Dieses Jahr habe ich ein AntiZecken-Schutzspray getestet und hatte den Eindruck, dass es wirklich hilft. Ich danke Herrn Thomas Kilian (Fachbereich Baurecht und Umweltschutz, Mannheim) für die Bereitstellung von Literatur und die Beantwortung meiner Fragen.
Quellen:
Christine Jung
[1] Bundeswaldinventur2, www.bundeswaldinventur.de [2] http://www.bfn.de/natursport/info/SportinfoPHP/ infosanzeigen.php?lang=de&z=Lebensraum&cod e=f15 [3] V. Späth: Biotope in Baden-Württemberg 7: Bruch-, Sumpf- und Auwälder. Hrsg: Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg. ISSN 0945-2583 [4] http://de.wikipedia.org/wiki/Auwald [5] Pflegeplan für das Natur- und Landschaftsschutzgebiet „Waldpark-Reißinsel“. Stand 1.X.1971 [6] www.ffh-gebiete.de [7] Auendossier: Faktenblätter. Red.: Auenberatungsstelle Bern und Yverdon-les-Bains. Bern: Bundesamt
für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), 2001– 2005. http://www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00895/index.html?lang=de [8] T. Breunig und S. Demuth: Naturführer Mannheim – Entdeckungen im Quadrat. Verlag Regionalkultur, 2000 [9] http://umweltforum-mannheim.de/natur_in_ mannheim/reissinsel.php [10] http://de.wikipedia.org/wiki/Elaiosom [11] http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rlauch [12] F. Hohlfeld, 2001: Efeulianen in den Rheinauen – Gefahr oder Naturschutzziel? AFZ-Der Wald 56/2001, S. 188-190 www.waldwissen.net [13] H. Riechmann-Kastl, 1996: Verbreitung und Zustand der Wildrebe Vitis vinifera ssp sylvestris im Mannheimer Naturschutzgebiet „Reißinsel“ [14] F. Schumann: In-situ-Erhaltung der Wildrebe am Oberrhein
Christine Jung ist Mitglied der Gruppe Naturfotografen-for-Nature. Mit ihrem Partner geht sie regelmäßig auf Fotoreisen rund um die Welt. Mit viel Gefühl für das richtige Bild hält sie Flora und Fauna im Bild fest. www.living-nature.eu
Bild rechte Seite: Gefleckter Aronstab (Arum maculatum)
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Text und Fotos: Kerstin Langenberger
K
Vorlage: Apteryx Mantelli, 1873, „A history of the birds of New Zealand“
iwis für den Kiwi
Neuseeland ist ein Land, das jeden Besucher in seinen Bann zieht: Gerade die ursprünglichen Landschaftsformen und ende-mischen Tierarten sind es, die wohl die meisten Besucher begeistern. Für mich persönlich, die ich elf Monate auf den Inseln verbrachte, sollte mir eines besonders in Erinnerung bleiben: Der unermüdliche Einsatz der Neuseeländer für den Erhalt ihre Tierwelt.
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Die Takahe (Porphyrio hochstetteri) galt bereits als ausgerottet.
Als sich vor spätestens 85 Millionen Jahren das Kontinentbruchstück Zealandia mit dem heutigen Neuseeland von der Landmasse trennte, die jetzt Antarktika bildet, hatte die Evolution noch keine Säugetiere hervorgebracht. Folglich wurden die Inseln bis vor 1000 Jahren nur von Vögeln besiedelt, einigen wenigen Eidechsen- und zwei Fledermausarten, die es vermutlich von Tasmanien (Australien) nachträglich hierher verschlagen hat. Da es keine Landraubtiere gab, konnten sich die neuseeländischen Vögel den Luxus erlauben, nicht mehr zu fliegen. Im Laufe der vergangenen Jahrtausende entwickelten sich so viele Arten zu Laufvögeln, die heute teilweise nicht einmal mehr Flügel besitzen. Die Takahe (Porphyrio hochstetteri) ist eine flugunfähige, endemische neuseeländische Vogelart, die schon ausgerottet galt und von der es heute dank strenger Schutzmaßnahmen wieder schätzungsweise 300 Exemplare gibt. Die ersten Menschen, die heutigen Maori aus Polynesien, brachten Ende des 13. Jahrhunderts dann die ersten Säuge-
tiere mit: Ratten wurden eingeschleppt und Hunde und Schweine als Haustiere mitgebracht. Gleichzeitig begannen sie, die neuseeländische Fauna zu bejagen, und rotteten so erste Spezies aus: Unter anderen die 10 Moa-Arten (bis zu vier Meter große und bis zu 230kg schweren Laufvögel), die es nur auf Neuseeland gab. Als dann ab dem 17. Jahrhundert die Europäer in Neuseeland anlandeten, fanden immer mehr Säugetiere den Weg dorthin. Besonders die britischstämmigen Einwanderer schienen das Bedürfnis zu verspüren, Teile ihre Heimat mit ans andere Ende der Welt zu nehmen. So setzten sie unter anderem Kaninchen und Wachteln aus und pflanzten Ginsterhecken an. Die Wachteln überlebten zwar nicht - jedoch breitete sich europäisches Heidekraut schnell aus, welches extra für die Wachteln tonnenweise auf der zentralen Nordinsel gesät worden war. Die Kaninchen wiederum vermehrten sich ohne Fressfeinde so rasant, dass extra Wiesel und Marder ausgesetzt wurden, um ihnen Herr zu werden - was natürlich auch nicht klappte, da die Marderarti-
Hochstetters-Frosch (Leiopelma hochstetteri), auch seine Vorkommen werden geringer.. In der Kiwi-Brutstation in Rotorua werden die angelieferten Eier auf Leben untersucht und ihr Alter ermessen.
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gen viel lieber die träge einheimische Tierwelt verspeisten als flinke Säugetiere. Der Hochstetters-Frosch (Leiopelma hochstetteri) gehört zu den vier einheimischen Froscharten, die man auch nicht mehr allzu häufig antrifft. Der Schaden, den die endemische Tier- und Pflanzenwelt durch die eingeschleppten Arten erlitten hat, ist enorm. Die Säuger sind aggressiver und erfolgreicher beim Nahrungskampf, und auch viele Pflanzenarten können der moderneren Konkurrenz sowie dem intensiven Verbiss nicht standhalten. Marder- und Wieselartige jagen genau wie verwilderte Katzen alles, was ihnen über den Weg läuft und plündern zusammen mit Ratten und Possums Nester leer. Ratten, Hirsche, Wallabys und fremde Vogelarten sind direkte Nahrungskonkurrenten zu vielen endemischen Arten. Die ebenfalls eingeschleppte europäische Wespe verteidigt den Honey-Dew (die zuckerhaltigen Ausscheidungen von Insekten, die in der Rinde der einheimischen Scheinbuchen leben und von denen wiederum sehr viele Insekten- und Spinnenarten abhängig sind) und dezimiert gleichzeitig die einheimische Insektenpopulation (welche ihrerseits Hauptnahrungsquelle für die meisten einheimischen Vogelarten darstellt). Die aus Australien eingeschleppten Possums (Trichosurus vulpecula, auch Fuchskusu genannt: ein nachtaktives, kletterndes Beuteltier, das so anpassungsfähig ist wie etwa der amerikanische Waschbär) begrasen die Bäume so stark, dass diese absterben. Und fremde Pflanzen wuchern über die ursprüngliche Vegetation hinweg und verdrängen sie gänzlich. Kurzum: Die neuseeländische Flora und Fauna hat ein riesiges, von Menschen geschaffenes Problem. Genau deswegen wurde vor zwei Jahrzehnten das ‚Department of Conservation‘ ins Leben gerufen, abgekürzt auch DOC genannt. Landesweit beschäftigt die neuseeländische Umweltbehörte Tausende von Menschen und Freiwilligen, um der einheimischen Flora und Fauna ein Überleben zu sichern.
Heutzutage steht ein Drittel des Landes unter irgendeiner Art von Landschafts- oder Artenschutz, in denen ‚Pest Eradication‘ betrieben wird, wie das aktive Entfernen der eingeschleppten Arten genannt wird. Man bekämpft die unerwünschten Arten mit allen Mitteln: Sei es aktives Bejagen mit Schusswaffen (so etwa Hirsche und Ziegen), durch das Stellen von Fallen (Possums, Marderartige, Katzen und Ratten) oder das Auslegen von Gift (welches nur Säugetiere tötet und vor allem auf Ratten ausgelegt ist). Die Bevölkerung wird überall mit einbezogen: So werden z.B. Seminare angeboten, bei denen durch Einsatz von Elektro-Halsbändern Hunden das Jagen von Kiwis abgewöhnt wird. Ganze Schulen werden mobilisiert, um gebietsweise Pflanzen auszurupfen, und es wird daran geforscht, Insekten- und Milbenarten zu züchten, die gezielt Pflanzenarten begrasen oder töten. Diese radikalen Methoden haben in den vergangenen Jahren große Erfolge gezeigt: So auch im Moehau Kiwi Sanctuary, einem Kiwi- und Vogelschutzgebiet auf der Coromandel-Halbinsel östlich von Auckland. Dort arbeitete ich ein halbes Jahr lang und lernte vor Ort, was Vogelschutz auf Neuseeland bedeutet. Das Schutzgebiet erstreckt sich über 18.000 ha Gebirgszug, der auf drei Seiten von Meer umgeben ist. Das Ziel ist ganz klar: zu versuchen, den Säugetierbestand der Halbinsel so stark zu dezimieren, wie es nur möglich ist. Es ist bereits gelungen, die großen Arten wie Ziegen und Marder komplett auszurotten, doch die Bestände der kleineren Tiere wie Ratten und Wiesel können nur durch ständiges Bejagen auf kleinem Niveau gehalten werden. Dementsprechend war dies eine meiner Arbeiten, während ich in Moehau unterwegs war: Einmal wöchentlich ging ich Ratten- und Wieselfallen ab, und mehrmals im Monat zog ich hinaus, um für uns Säuger tödliches Gift in Plastikcontainer zu füllen, die an Bäumen hingen und Nagetiere anziehen sollten. Meine Hauptarbeit war es jedoch, die Signale unserer 68 mit Sendern ausgestatteten Kiwis zu orten. Der Sinn dessen war es, herauszufinden, wie
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Das Orten von Tieren mit Hilfe von Peilantennen konnte im dichten neuseeländischen Busch sehr anstrenge
sich die ‚Pest Eradication‘ auf die dortige Kiwi-Population auswirkte. Keine andere Tierart hat einen solchen Symbolcharakter für die Neuseeländer wie der Kiwi. Dieser drollige, flugunfähige Vogel steht stellvertretend für die Probleme, die Menschen über die neuseeländische Fauna brachten, und gleichzeitig für den Erfolg des Vogelschutzes. Bis vor wenigen Jahren waren die einst häufigen Vögel bis an den Rand der Ausrottung getrieben worden; von zweien der fünf Unterarten gab es teilweise weniger als 300 Tiere. Ohne die Hilfe des Menschen und insbesondere die Dezimierung der eingeschleppten Tierarten, hätten weder der Kiwi noch viele andere Vogelarten eine Chance auf ein weiteres überleben gehabt. Auf Moehau lebt die größte aller Kiwiarten: Der ‚North Island Brown Kiwi‘ (Apteryx mantelli), auf deutsch Streifenkiwi genannt. Diese häufigste aller Kiwiarten wird gänsegroß und mehrere Kilogramm schwer. Einem erwachsenen Tier können nur Hunde, Katzen und Marder etwas anhaben: Die Jungtiere jedoch werden
stark von Nerzen bejagt und leiden außerdem unter der Nahrungskonkurrenz der Ratten. Um herauszufinden, wie erfolgreich unsere Arbeit war, statteten wir erwachsene Kiwi-Männchen mit Sendern aus und wurden so von ihnen zu ihren Nestern geführt. Bei den Kiwis sind es die Männchen, die brüten, da die Weibchen nach dem Legen der Eier so erschöpft sind, dass sie neue Kräfte sammeln müssen: Die hühner- bis gänsegroßen Vögel legen die, im Verhältnis zu ihrem Körper, größten Eier im Tierreich! Die riesigen Eier messen etwa 13cm in der Länge und sind an ihrer dicksten Stelle etwa 8cm dick und bringen bis zu 450g auf die Wage. Werden Kiwis beim Brüten gestört, so kommen sie oft nicht mehr zu ihren Nestern zurück, weshalb jährlich viele Eier gefunden werden. Diese werden in den landesweit zwei Kiwi-Brutzentren ausgebrütet. Stammen sie aus Gegenden, in denen ihre Überlebenschancen nur gering sind, dann werden sie auf kleinen Inseln ausgesetzt, auf denen die Säugetierpopulation ausgerottet wurde. Haben die Küken eine bestimmte Größe erreicht,
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end sein.
werden sie wieder in die Gebiete umgesiedelt, in denen sie gefunden wurden: Dieser Aufwand wird betrieben, um ihnen bessere Überlebenschancen zu garantieren. In dem Fall wird der Jungvogel meistens auch kurzzeitig dem Stress einer kurzen Präsentation in Schulen ausgesetzt: Die Vögel sind so selten geworden, dass kaum ein Neuseeländer jemals einen ‚wilden‘ Kiwi zu Gesicht bekommt. Wenn wir die brütenden Kiwis geortet hatten, warteten wir so lange, bis die Jungen schlüpften (maximal zwei pro Nest und Jahr), und statteten diese dann auch mit Sendern aus. Die Vögel zu fangen war keine einfache Angelegenheit: Besonders die erwachsenen Tiere sind sehr schnell zu Fuß unterwegs, und ihre kräftigen Füße sind scharfe Waffen. Normalerweise dauert es einen Tag, einen Vogel zu orten, im dichten Busch ausfindig zu machen und zu fangen - teilweise investierten wir aber auch drei Tage, um ein Tier einzufangen. Hatten wir den Kiwi dann endlich in den Händen, vermaßen und wogen wir ihn und wechselten das Band,
das den Sender an einem seiner starken Beine befestigte. Diese kleinen, kirschgroßen Sender gaben drei verschiedene Signale von sich: Eines, wenn sich das Tier wie normal bewegte, eines, wenn es vermehrt ruhte (ein Zeichen dafür, dass es brütet) und eines, wenn der Sender über 12 Stunden nicht mehr bewegt wurde (was nur der Fall ist, wenn der Sender verloren wurde oder der Vogel getötet wurde). Und genau dies interessierte uns: Wie hoch die Todesrate unter den Kiwis ist bzw. wie viele der Tiere überlebten. In Waldgebieten, in denen der Mensch die Säugetierpopulationen nicht bejagt, liegt die Überlebenschance von Kiwiküken im ersten Jahr bei nur 5% - es sterben also 95 von 100 Küken. Durch unsere Peilsender konnten wir herausfinden, dass dank der von uns betriebenen ‚predator control‘ nicht nur 70% der Kiwis das erste Lebensjahr vollenden, sondern diese auch doppelt so schnell Gewicht zulegen, wie ihre Artgenossen in Waldgebieten ohne ‚predator control‘. Auch andere Vogelarten und die teilweise seltenen Insekten- und Amphibienarten der Halbinsel profitieren spürbar vom Einsatz des DOC
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Ein drei Wochen altes Kiwi-Küken, das wir aus der Brutstation abholten. Nachdem es kurz Kindern in einer Schule gezeigt wurde, brachten wir es zurück in die Gegend, in der wir das Ei fanden.
Ich mit einem ausgewachsenen Weibchen des Streifenkiwi (Apteryx mantelli).
und der vielen freiwilligen Helfer. Meinen Teil dazu beigetragen zu haben, ein ganzes Ökosystem am Leben zu erhalten, macht mich wirklich stolz und lässt mich mit viel Freude an die Monate zurückdenken, die ich im neuseeländischen Naturschutz arbeitete! Kerstin Langenberger
Kerstin Langenberger ist Mitglied der Gruppe Naturfotografen-forNature und arbeitet 2009 aktiv für Greepeace in Schweden und Norwegen. Sie arbeitet im Naturschutz auf Island ebenso wie in Neuseeland und erfreut uns regelmäßig mit fantastischen Landschaftsaufnahmen sowie interessanten Berichten über die Natur.
Kiwis können extrem schnell laufen. Hier ein junges Männchen, das am rechten Bein einen Sender trägt. Die vereinzelten weißen Federn und Krallen sind eine Besonderheit der Kiwis des MoehauGebietes.
Das Vermessen der Schnabellänge gehörte zu den Standardprozeduren, welche die gefangenen Kiwis über sich ergehen lassen mussten.
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Text und Fotos: Jan Bleil
Das Holzstativ Was Sind stoff Ein satz
ist dran am Mythos Holzstativ? die Dreibeine aus diesem Rohüberhaupt noch zeitgemäß? Erfahrungsbericht zum Einvon Holzstativen von Jan Bleil.
Holz? - Ja, Holz? „Ist das nicht viel zu schwer?“, „Warum tust Du dir das nur an?“, „Nimm doch lieber eines aus Carbon.“. So oder so ähnlich wird sie der Besitzer eines Holzstatives wohl schon gehört haben. Die gut gemeinten Ratschläge der Fotokollegen. Aber warum schwören doch noch immer so viele Fotografen auf Stative aus Holz?
In der Ruhe liegt die Kraft Stative aus Holz zeichnen sich durch ein sehr gutes Schwingungsverhalten aus. Dies ist nun wirklich nichts Neues und im Grunde versuchen die Hersteller von Stativen aus Basalt und Carbon genau eben dieses gute Schwingungsverhalten mit ihren HightechMaterialien ebenfalls zu erreichen. Warum nun ist das Schwingungsverhalten von Stativen so immens wichtig? Nun, Sie alle, liebe Leser und Leserinnen, wissen um die Herausforderungen, welche sich durch die aktuell unglaublich hoch auflösenden Sensoren der digitalen Spiegelreflexkameras ergeben. Die Flächen der Sensoren haben sich nicht erhöht. Im Gegenteil, wer mit APS-H oder APS-C Sensoren arbeitet, hat noch weniger Fläche bei steigender Pixelzahl zur Verfügung. Die Microlinsen, welche das Licht am Ende auf die Sensorfläche bringen, werden immer kleiner. Mit diesem Trend steigen die Anforderungen an die Verschlusszeiten, denn die Gefahr, Unschärfen durch leichtestes Verwackeln im Bildergebnis zu sehen, wird ebenfalls immer größer. Bedeutet also, macht man ein Foto mit 500 mm effektiver Brennweite an einem Kameramodell mit APS-C Sensor, benötigt man für ein sauberes Bildergebnis eine kürzere Verschlusszeit als an einem Body mit Vollformat Sensor. Und ein Ende des Pixelrennens ist derzeit nicht absehbar! Neben den vorgenannten Verschlusszeiten wirken weitere Rahmenbedingungen auf das Bildergebnis. Dazu zählen ein stabiler, mit ausreichend Tragkraft und seine Position verlässlich haltender Stativkopf, sowie ein entsprechend gutes Stativ. Damit sind wir auch schon
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beim Thema dieses Artikels angelangt und können uns nun den Standbeinen eines guten Fotos widmen - dem Stativ.
Der Fels in der Brandung Mini, REPORT und UNI, so lauten die Bezeichnungen der Fotostative der Firma Berlebach, welche seit 1898 mit Unterbrechungen, Stative aus Holz herstellt und vertreibt. Mein erstes Holzstativ war ein REPORT 8013 und hat mir stillschweigend stets gute Dienste erwiesen. Dann kam eine Zeit, in der ich mich erst Basalt und dann Carbon als Material für Stative zuwendete. Von der Leichtigkeit, gepaart mit Stabilität war ich begeistert. Trotz allem zog es mich in meinen Gedanken immer wieder zum guten alten Holzstativ hin. Die bekannten Stative von Gitzo aus Carbon sind eine Klasse für sich, keine Frage. Gleiches gilt für die Preise. Aber einmal ganz abgesehen davon, gibt es durchaus Punkte, welche für ein solides Holzstativ sprechen. Insbesondere nach den Einsätzen des Statives im Wasser - und wenn ich im Wasser schreibe, dann meine ich im Wasser - hatte ich immer wieder Probleme mit den Drehverschlüssen, welche sich durch Sand und Schmutz kaum mehr betätigen ließen. Darüber hinaus sind Hohlräume immer eine ganz wunderbare Sache, wenn Wasser sich einen neuen Aufenthaltsort sucht. Die Beine der Stative boten sich da natürlich an. Regelmäßiges auseinander nehmen und reinigen in der Badewanne waren ein netter Zeitvertreib. Also war es klar, ein neues Stativ musste her. Die Anforderungen lasen sich wie folgt: Solide Verarbeitung, nur ein Auszug, Nivelliereinheit und eine Höhe, passend zu meinem Astralkörper. Meine Wahl viel auf das UNI 22. Das Datenblatt sagt: - Gewicht: 6,40 kg - Transportlänge: 105 cm - Minimalhöhe: 17 cm - Maximalhöhe: 161 cm - Belastbarkeit: 30,00 kg - Schwingungsdämpfung: extrem gut . Während des fotorum Festival in Münster holte ich mir das Stativ einschließlich Nivel-
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Das Berlebach UNI 22 bietet mit seinen Füßen auf allen Untergründen guten Halt.
liereinheit am Stand von Berlebach ab. Auf dem Weg zum Auto merkte ich dann sofort, auf was ich mich da eingelassen habe. Das UNI 22 ist ein echtes Monster! Es ist grundsolide, sehr stabil und SCHWER! Im Oktober 2009 dann hatte es seinen ersten größeren Einsatz. An der Bodden- und Ostseeküste durfte es unter den verschiedensten Wetterbedingungen zeigen, ob es sein Geld wert war. Vorab kann ich sagen, JA, der Kauf hat sich gelohnt! Es trotzte auch stärkeren Windböen, eine Situation, in welcher ich gerne ein gutes Gefühl habe, wenn Kamera und Objektiv auf dem Stativ sind.
Bedienbarkeit Mit seiner Transportlänge von 105 cm und einem Gewicht von 6,4 kg ist das Dreibein nicht gerade ein Leichtgewicht. In aller Regel transportiere ich das gute Stück auf der Schulter. Hat man einmal den Zielort erreicht, geht es an den Aufbau. Direkt am Schenkelkopf befinden sich an jedem Bein je ein Griff, welcher als Hebel geformt dazu dient, die Beine zu lösen oder fest zu stellen. Das UNI 22 besitzt keine Anschläge um die Beine in vorgegebenen Winkel anzu-
stellen. Für manch einen ist dies ein Nachteil, für mich nicht. Alternativ kann man das UNI 22 C wählen, dieses bietet dann diesen Komfort. Über angesprochenen Hebel sind die Beine sehr schnell gelöst, das Stativ kann aufgestellt und die Beine wieder festgezogen werden. Um den Auszug zu lösen, sind gut dimensionierte Plastikschrauben angebracht. Diese lassen sich auch in der kalten Jahreszeit mit nicht gar so dicken Handschuhen gut betätigen. Große Skalen an den Beinen helfen dem Fotografen dabei, die optimale Höhe (Auszuglänge) schnell zu finden. An den Füßen befinden sich Metallgewinde. Auf diesen hat Berlebach Hartgummifüsse angebracht. Sie bieten guten Halt, auch auf glattem Untergrund. Für den Einsatz im Gelände schraubt man, wie im Bild oben auf dieser Seite gut zu erkennen, diese Füße einfach ein Stück weit nach oben oder gar ganz ab und nutzt die so freigelegten Gewindestangen einfach als Spikes. Für das Arbeiten im Wasser befindet sich am UNI 22 eine Libelle. Allerdings ist das Ausrichten eines Dreibeins nicht
Die gut ablesbare Skala und eine gut dimensionierte Feststellschraube zieren jedes Bein.
Sowohl Stativ als auch Nivelliereinheit bieten eine Libelle f端r die einfache Ausrichtung in Waage.
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Das Berlebach Ministativ ist vielseitig im Gelände einsetzbar.
immer so schnell gemacht, wie es die Situation vor Ort erfordert. Ich war daher froh, mir zu dem Stativ auch eine passende Nivelliereinheit geordert zu haben. So wird das UNI nur grob ausgerichtet und die Feinjustage erfolgt mittels Nivelliereinheit. Gerade wenn man viel mit einem Gimbal Head fotografiert, bei mir ist es der Benro GH 2 (siehe auch NFN Magazin 01/2009), will im Nachhinein nicht alle Bilder am heimischen PC gerade rücken müssen. Die Nivelliereinheit jedenfalls mag ich nicht mehr missen. Gleiches gilt für das UNI 22, welches ich fast ausschließlich im Bereich der Naturfotografie im Einsatz habe.
Arbeiten am Boden Nun habe ich Ihnen das UNI 22 näher gebracht, ein wahres Monsterstativ im Vergleich zu der Empfehlung, die nun folgt. Einen ersten Eindruck können Sie auf der gegenüberliegenden Seite gewinnen. Ein Größenvergleich mit Aussagekraft. Viele ansprechende Bilder entstehen auf Augenhöhe der fotografierten Motive.
Oftmals bedeutet dies, der Fotograf muss sich auf dem Boden legen. Nun heißt es Objektiv und Kamera gut halten, ausrichten und Bilder machen. Sehr oft kommt hier der Bohnensack zum Einsatz. Das war bei mir nicht anders. Gerade in Situationen, in welchen das Motiv sich hin und her bewegt oder schnell ein anderer Ausschnitt gewählt werden soll, hatte ich jedoch so meine lieben Probleme mit dem Sack. Stellen Sie sich vor, Sie liegen auf dem Boden, das 500er mit Kamera haben Sie vor sich und es liegt auf dem Bohnensack auf. Der Habentaucher vor Ihnen verändert seine Position oder schwimmt langsam aus dem Bild. Sie müssen nun „mitgehen“. Mir passierte es dann immer wieder, dass der Ring zur Scharfstellung vom Bohnensack „bedient“ wurde und damit ungewollt manuell in die Scharfstellung eingriff. Das ist besonders ärgerlich, wenn dadurch wertvolle Momente nicht im Bild festgehalten werden können. Aber wie konnte ich das ändern? Eine Lösung musste her, so konnte es nicht weiter gehen. Bei meinem guten Fotofreund Thomas Weber (www.natur-focus.
Ă&#x153;ber das Schiebesegment kann das Bein in die verschiedenen Anschläge gebracht werden.
Die Nivelliereinheit (hier mit aufgesetzten Kirk-Wechselsystem) ist sehr hilfreich bei der Ausrichtung.
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de) konnte ich dann eine Alternative zum Bohnensack sehen und sofort war mir klar: Das will ich auch haben!
Der Winzling Für die oben genannten Einsatzzwecke bietet sich das Berlebach Ministativ mit Nivelliereinheit an. Schauen wir kurz auf die Daten: -Gewicht: 0,90 kg - Transportlänge: 29 cm - Minimalhöhe: 10 cm - Maximalhöhe: 38 cm - Belastbarkeit: 8,00 kg - Schwingungsdämpfung: sehr gut. Für meinen Gebrauch habe ich auf die im Stativ fest integrierte Nivelliereinheit ein Kirk Wechselsystem aufgeschraubt. In Verbindung mit dem entsprechenden Fuß von Kirk unter meinem Canon EF 500 4.0 L IS USM ist so ein schneller Wechsel auf bodennahes Arbeiten möglich. Dieses leichte und trotz dessen sehr stabile kleine Stativ ist eine wirkliche Arbeitserleichterung. Die bis zu 25° mögliche Ausrichtung der Nivelliereinheit sollte in den meisten Fällen reichen. Zum Lösen und Feststellen der Einheit dient ein kleiner Hebel, welcher einfach betätigt werden kann. Dies funktionierte bei mir auch während des Einsatzes gut. Über den Auszug können die Beine auf maximale Länge gebracht werden. Die mit Gummi beschichteten Füße geben guten Halt auf dem Untergrund. Über ein von Berlebach patentiertes Schiebesystem lassen sich die Stativbeine in Anschläge von 25°, 50° und 85° bringen. Wenn ich auch sehr zufrieden mit diesem Stativ bin, so ist doch klar, dass die integrierte Nivelliereinheit in dieser Größe und Form mit einer aus den großen Stativen nicht mithalten kann. Insbesondere bei der Belastung muss man aufpassen, dem Zwerg nicht zu viel zumuten zu wollen. Ein Fotofreund berichtete mir von seinen nicht so guten Erfahrungen damit. Die Nivelliereinheit ließ sich bei ihm nicht wirklich feststellen und die Kamera-Objektiv-Kombi lief
immer wieder aus dem voreingestellten Bild. Bis dato konnte ich das bei mir nicht beobachten, im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung sollte dies jedoch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben.
Holz über Alles? Ganz sicher nicht! Meine Erfahrungen mit den vorgestellten Holzstativen sind ausnahmslos gut. Ich würde sie wieder kaufen. Ich will nicht verschweigen, dass auch ich nebenher Carbonstative nutze. Diese sind allerdings kaum noch im Einsatz und werden vor allem für Abendaufnahmen bei Städtetouren oder auf längeren Fotowandertouren eingesetzt. Gerade und vor allem wenn es um das Gewicht geht, sind Holzstative am Ende der Toplist. Für Flugreisen, Wandertouren, Fotoexkursionen in die Berge will jedes Gramm wohl überlegt sein. Da sind die Hightechmaterialien ganz klar im Vorteil. Sofern man aber kurze Wege mit dem Mehr an Kilos nicht scheut oder gar einen Trolley für den Transport nutzt, hat man ein derart stabiles Grundgerüst für seine Ausrüstung, dass es kaum zu überbieten ist. Stative aller Art haben ihre Berechtigung und jeder muss für sich entscheiden, welche Vor- und Nachteile den für ihn besten Kompromiss bilden. Für mich kann ich sagen, dass ich die hier vorgestellten Holzstative gerne im Einsatz habe. Sie haben mir zu mancher schönen Aufnahme verholfen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser: Immer gut Stand! Jan Bleil August 2010
Informationen: www.berlebach.de
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