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Finnland 2009 Ein Reisebericht
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ange, sehr lange schon hegte ich den Wunsch Finnland zu besuchen. Angefangen hatte es 2006 bei meinem ersten Besuch des GDT Festivals in Lünen. Dort stand im Bereich der Garderoben Lassi Rautiainen mit seinem Angebot zur Beobachtung von Bären. Na das war ja was! Wildlebende Bären fotograeren, ich war Inziert. Aber damals entschied ich mich erst einmal für eine Reise nach Masuren, Polen. Dort wollte ich Seeadler fotograeren. Also musste Finnland warten. Aber diese Idee ließ mich nicht mehr los und so fasste ich 2008 den Entschluss mich mit dieser Sache einmal näher zu beschäftigen. Über das Internet lernt man recht schnell weitere Anbieter solcher Möglichkeiten kennen. Neben Martinselkosen eräkeskus fand ich die Seite von Ari Sääski. Ein guter Bekannter, ebenfalls leidenschaftlicher Naturfotograf, hatte Ari bereits besucht und empfahl ihn mir. Also nahm ich Kontakt auf und informierte mich. Nach Festlegung von Zeitraum und Reiseart sowie der Freigabe durch meine Liebste war es also klar. Anfang Mai 2009 geht es zu den Bären nach Finnland! Zusammen mit meinem Fotofreund Andreas beschlossen wir die Reise mit dem Auto zu machen. Neben der (fast) uneingeschränkten Möglichkeit Gepäck mit zunehmen war der Wunsch, die Fahrt selbst als Erlebnis zu gestalten, eine weiterer Grund für diese Entscheidung. Von Dortmund aus sollte uns unser Weg erst nach Rostock, von dort aus mit der Fähre nach Helsinki und anschließend weitere 650 km nach Vartius führen. Insgesamt legt man dabei eine Strecke von gut 2.270 km zurück, davon gut die Hälfte mit der Fähre.
Spannung wächst somit weiter und ich kann es kaum erwarten. Aber noch ist einiges zu tun. Diese Reise möchte ich weites gehend dokumentieren, in Bild und Ton. So vertreibe ich mir also die Zeit mit der Suche nach einem mobilen Tonaufnahmegerät und schaue parallel nach den Fährverbindungen sowie den Preisentwicklungen für die notwendigen Tickets. Bereits im Oktober habe ich mir einen Finnland-Reiseführer zugelegt, man will ja schließlich etwas mehr über Land und Leute erfahren. Woran denken Sie wenn sie über Finnland reden? Also ich denke an Natur voller Seen und Wälder, an klare Luft, an Pisa und an Nokia und an die Wikinger. Darüber hinaus kommt mir der Eurovision Song Contest und der Sieg der Hardrock-Band Lordi in den Sinn. Und schnelle Finnen aus der Formel 1! In der Zeit der Völkerwanderung sowie der Wikingerzeit nahm der Handel an Finnlands Küstenregionen stetig zu. Über die Handelsverbindungen kam der Kontakt zum christlichen Glauben, im westlichen Teil mit dem römisch-katholischen und im östlichen Teil Finnlands mit dem orthodoxen. Nachdem ab dem 12.Jahundert Nowgorod und Schweden mehr oder weniger militärische Kreuzzüge in das Gebiet antraten, wurde Finnland im wesentlichen Gebiet Schwedens. In der Zeit von 1714 bis 1743 wurden jedoch immer mehr Bereiche Finnlands Teil des russischen Reiches. Aber 1917 erklärte sich Finnland nach der russischen Revolution für unabhängig und 1919 gab sich Finnland eine republikanische Verfassung. Mit 338.145 km² ist Finnland nur etwas kleiner als Deutschland und beherbergt 15,6 Einwohner auf dem km², in Deutschland sind es 230! Die Chance Natur allein genießen zu können sollte also durchaus realistisch sein. Und das sehen die Bären sicher ebenso.
Diese ersten Zeilen schreibe ich im Dezember 2008. Gerade hat Ari sich per Mail gemeldet und die Buchung nochmals bestätigt. Natürlich konnte er es nicht lassen noch einmal Bilder aus diesem Jahr beizufügen. Die
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ag 1 - 28.04.2009 Die Uhr zeigt 22:45 Uhr und ich stehe zwischen Russen, Schweizern und Finnen vor dem Check-Inn im Überseehafen Rostock. In gut einer Stunde soll es nun losgehen und das eigentliche Abenteuer beginnen. Da mein Fotofreund Andreas auf Grund eines tragischen Krankheitsfalls in seiner Familie am Vorabend der Abreise leider nicht mitkommen konnte, musste ich kurzerhand umdisponieren. Entgegen der ursprünglichen Planung fand die Reise nun mit meinem Wagen statt. Am Tag der Abreise habe ich also die Winterreifen wieder aufgezogen, eine Inspektion machen lassen und mir zu guter letzt noch schnell ein kleines Navigationssystem mit Europakarte gekauft. Nun war sie jedoch geschafft, die erste Etappe und ich war voller Vorfreude
auf das was ich hoffte in Finnland sehen und erleben zu dürfen! Die freundliche Mitarbeiterin der Tallink Fährlinie prüfte auf meine Bitte die Passagierliste und nahm mir die letzte Sorge. Denn vom Reisebüro habe ich keine Tickets für die Fähre sondern vielmehr eine Rechnung mit Buchungsnummer erhalten. Bei den Internetgeschäften in der heutigen Zeit kann sich da im Nachgang leider doch einmal etwas als nicht rechtmäßig erweisen, das jedoch war hier nicht der Fall. Dem Abenteuer Braunbärenfotograe in Finnland stand also nichts mehr im Weg!
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Sommer, Sonne, Meer - diese Attribute bildeten den Leitsatz der Überfahrt nach Helsinki.
Genug Möglichkeit zum „Wandern“ an Deck bot die Superfast. Hier ein Blick in Fahrtrichtung in das endlose Blau von Himmel und Meer.
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Sonnenuntergang auf der Ostsse - was für ein wundervoller Anblick! Der Abend auf See gestaltete sich als wunderschön und so konnte ich nicht anders als mir die Kamera zu schnappen, das 17-40 einschließlich CookinVerlaufslter davor zu schrauben und zu versuchen diese schöne Lichtstimmung auf den Chip zu bannen.
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ag 2 - 29.04.2009 Es ist jetzt 14:08 Uhr nnischer Zeit, welche hier auf der Superfast VIII gilt. Der Check-Inn auf der Fähre am gestrigen Abend lief reibungslos, die Kabine ist in Ordnung, in ihren Ausmaßen allerdings wirklich nur für solche Überfahrten geeignet und von einer Kabine wie ich sie mir auf einer Kreuzfahrt vorstellen würde doch um einiges entfernt. Gegen 02:00 Uhr morgens lag ich endlich in der Koje und versuchte zu schlafen. Der Wecker rief mich planmäßig um 04:00 Uhr aus den Federn. Schließlich wollte ich den Sonnenaufgang und das Ablegen der Fähre nicht verpassen. An Deck war es jedoch noch dunkel und so beobachtete ich die Ausfahrt aus dem Hafen, vorbei am Passagierkai, dem Alten Strom und der Westmole. Auch Hotel Neptun, der Teepott und der alte Leuchtturm verschwanden schnell im Nebel des Morgens. Etwas weiter draußen vor der Küste war es dann doch noch soweit und die Sonne kämpfte sich durch den Nebel über der Ostsee.
Um 15:40 Uhr traue ich meinen Augen beim Blick aus dem Fenster kaum. Die Ostsee bietet sich mir fast wellenlos. Nur eine ganz leichte Bewegung trennt das Brackwassermeer vom Anblick eines spiegelglatten Sees. Selbst bei diesem wunderbaren Sonnenwetter vermag die Ostsee mit bis dato unbekannten Gesichtern zu überzeugen. Diesen sehr erholsamen Tag auf der Superfast rundet ein wunderbarer Sonnenuntergang gegen 21:30 Uhr ganz hervorragend ab. Davor gab es noch ein Dinner genanntes Abendessen, welches sich mit 28 € in meinen Reisekosten niederschlägt und nicht wirklich überzeugt. Jetzt aber geht es ab in die Koje und die Freude auf die Ankunft in Helsinki steigt. Der Wecker steht auf 06:00 Uhr, die Einfahrt in den Hafen will ich nicht natürlich mit eigenen Augen verfolgen.
Die Ankunft am neuen Fährterminal erfolgt pünktlich und völlig reibungslos. Auch der Weg zu Ari ist dank Eine weitere Stunde Schlaf überbrückte die Zeit bis zum des neuen Navigationssystem ganz selbstverständlich zu Bordfrühstück um 08:00 Uhr. Das Buffet schlug mit nden. Einzig die hohe Zahl an Radarfallen hat mich schlanken 12,50 € pro Person zu buche. Damit war auf nachdenklich gestimmt. Sind die Finnen etwa geprägt der Fähre zu rechnen und das Angebot war ok. Mittvon Mika, Kimi und Heiki? lerweile zog die Fähre unter strahlend blauem Himmel durch das Wasser der ruhigen Ostsee. Bis zum Nachmit- Telefonisch haben ich Kontakt mit Ari Sääski auftag genoss ich die Sonnenstrahlen und den herrlichen genommen und gleich eine zusätzliche Nacht im VerAusblick von einem windgeschützten Flecken im Heck steck gebucht. Um 17:42 Uhr war es soweit. Nach der Superfast auf Deck 10. Zahlreiche Frachter und langer Fahrt durch traumhafte Landschaften ging es andere Fähren waren ebenfalls auf dieser Wasserstraße nun bepackt wie ein Lastesel in den Ansitz. Den ersten unterwegs und brachten Abwechslung in die fast schon Teil des Weges fahre ich mit dem Wagen, die restlichen eintönige Schönheit von blauem Himmel, Sonne und ca. 300m geht es über einen kaum befahrbaren Weg Meer. Unbeeindruckt davon waren zwei Mitglieder der und über lange Stege durch das Moor. Dann stehe ich Mannschaft damit beschäftigt die Spuren von Sonne, vor dem Ansitz. Dieser ist wirklich gut ausgestattet Wind, Meersalz und Wasser zu beseitigen. Mit je einem und ermöglicht zwei Fotografen ohne gegenseitige EinEimer Farbe und Malerrolle bewaffnet rückten sie den schränkungen ihrer Leidenschaft nachzugehen. Sogar Roststellen, welche schon ihren ersten Schutzlack erhal- eine abgetrennte (!) Toilette ist in Hide 1 Bestandteil der ten haben, zu Leibe. Nun sitze ich im Casinobereich auf Ausstattung. Ein ***-Ansitz also, wer hätte das wohl Deck 7 und bringe meine Gedanken zu Papier. gedacht!
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Die Innenraumkabine Nr. 8216, ausgelegt für 4 Personen, ist im Kombiticket mit enthalten und absolut empfehlenswert. Da ich die Kabine nur zum schlafen genutzt habe und mich ansonsten auf den Decks aufhielt ist der Aufpreis auf eine Aussenkabine als gutes Einsparpotential geeignet. Die Betten sind in Ordnung, der Sanitärbereich ausreichend groß und gut ausgestattet.
Die Superfast stellte sowohl auf Hin- als auch auf Rückfahrt kostenfrei Internetzugang zur Verfügung. Man hat somit genug Abwechslung um die lange Zeit unter Deck bei schlechtem Wetter zu überbrücken und kann in Weltenbummlermanier Grüße an alle Enden der Erde verschicken, vorausgesetzt der Empfänger hat ebenfalls Zugang zum Netz der unbegrenzten Möglichkeiten.
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Traumhafte Landschaften rechts und links der Straßen, bestehend aus Wäldern und Seen, bringen ein Gefühl von Endlosigkeit. Auf manchen Abschnitten ist so gut wie kein Verkehr. Einzig der stete Wechsel aus 80km/h und 100km/h Geschwindigkeitszonen zwingt zur Aufmerksamkeit. Motivierend dazu und treu einer mir nicht bekannten Gesetzmäßigkeit folgend, hat die nnische Ordnungsmacht Radarfallen aufgestellt. Mir scheint die gab es irgendwo im Angebot, so viele jedenfalls sind mir noch nicht begegnet. Die Müdigkeit schickt sich ohne die technischen Aufpasser an ihren Siegeszug anzutreten, spätestens jetzt ist es Zeit sich eine kurze Auszeit zu gönnen. Die vielen Seen mit kleinen Parkplätzen bieten sich dafür an.
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Hide Nr. 3, wunderbar isoliert, richtig bequem und gemütlich mit Abfalleimer und Toilette. Dazu ein formschöner Ansitzstuhl, die vier Öffnungen für die Objektive und darüber ein Sichtstreifen zum besseren Beobachten der Umgebung. Ein Stativ braucht man nicht, Ari hat ausreichend Bohrungen im Balken vorgesehen und die entsprechenden Schrauben zur Aufnahme der Köpfe bereit gelegt.
Ein Blick auf Hide Nr. 5 zeigt den Anblick, welchen die Bären gewohnt sind und akzeptieren. Die Auslösegeräusche sowie die vorsichtigen Objektivbewegungen gehören ebenfalls dazu. Allen anderen Geräuschen, Bewegungen und hektischen Verfolgungen mit dem Objektiv gegenüber sind sie ausgesprochen ängstlich und scheu, da wird schon einmal ordentlich Fersengeld gegeben.
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Hier ist der Schlafbereich für zwei Fotografen zu sehen. Alle Liegen haben Matratzen aus Schaumstoff, eine Decke und zwei Schlafsäcke. Da kann man es schon aushalten. Trotz allem „Luxus“ ist und bleibt es ein kleines Abenteuer. Links unten zu sehen das Lunchpaket, welches dem Fotografen über die Nacht helfen soll.
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Der Blick aus Hide 1 führt geradewegs auf eine schöne Felsformation. Wenn dort jetzt der Vielfrass sitzen würde...
Braunbärwischer - ein Bild mit emotionalen Wert für mich! Technische Perfektion ist eben nicht alles.
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Nun hieß es warten. Das Abendlicht war wunderbar, der Himmel schön blau und die Taiga vor mir strahlte in satten Tönen. Leider tat mir kein Bär den Gefallen sich in diesem Licht in Pose zu stellen, die braunen Riesen glänzten durch Abwesenheit. Aber unzählige Stunden auf das eigentliche Fotomotiv warten ist eine Tugend der Naturfotografen und so erfreute ich mich einfach nur an der Stimmung, an diesem Ort und der Natur. So langsam ging die Sonne unter und der Tag fand sein Ende. Kurz nach 22:00 Uhr jedoch hörte ich etwas langsam durch Schnee stapfen. Ganz nah lief etwas an der Hütte vorbei. Schlagartig war ich hellwach, ein Bär? Sollte etwa in der ersten Nacht schon ein Bär zu sehen sein? Ich hielt den Atem an. Langsam beugte ich den Kopf herunter und schaute vorsichtig durch das Objektiv. Als ob er mich sonst sehen könnte verhielt ich mich ganz ruhig und bewegte mich nicht. Tatsache, ein Bär!, ein Bär!, in meinen Gedanken wollte ich es der Welt zurufen. Hört alle her, ich beobachte gerade meinen ersten wildlebenden Bären! Was für ein Gefühl! Man kann es kaum in Worte fassen geschweige denn zu Papier bringen. Ich hoffe Sie können im Ansatz nachvollziehen wir es mir in diesem Moment ging. Ich war einfach Glücklich, Fotos waren in diesem Moment absolut zweitrangig. Ein Moment des Sammelns und Geniessens. Selbstverständlich habe ich den Auslöser betätigt. Aber in der fast dunklen Nacht war das ein sinnloses Unterfangen. Schnell beruhigte ich mich wieder und konzentrierte mich dann doch auf die Kamera und den Bären. Sofort war klar, hier ist ein Wischer die einzige Möglichkeit eine brauchbare Erinnerung an diesen magischen Moment festzuhalten. Der Bär tat mir den Gefallen und nahm nach einiger Zeit die Beine in die Hand. Dem braunen Riesen mit dem Objektiv folgend und den Auslöser drückend kam ich also um 22:32 Uhr bei ISO2500 und 1/5s zu meinem Bild.
ich etwas Ruhe und Schlaf zu nden, aber das ist in Anbetracht des gerade Erlebten kaum möglich. Gegen 03:15 Uhr ist die Nacht dann vorbei. Kommt vielleicht noch der Vielfraß und gibt sich sein Stelldichein? Alles Warten und Beobachten nützt nichts. Außer den Laut gewandten Kolkraben streiten sich nur einige Möwen um das Aas. Der Buntspecht geht hörbar seiner Arbeit nach und springt dabei von Baum zu Baum. Gegen 08:20 Uhr beende ich meine erste Nacht im Ansitz und es geht zurück zur Unterkunft. Bei der Fahrt mit meinem Wagen wird mir sofort klar: diese Wege tun meinem Auto nicht gut. Es soll die letzte Fahrt gewesen sein. Im Restaurantgebäude, wie Ari es nennt, gibt es Frühstück. Gebratene Eier, Wiener Würstchen geschnitten, Speck, Weißbrot, Käse, Gurken, Tomaten, Butter, Orangensaft, Wasser und Kaffee beinhaltet das Angebot. Dazu gibt es Joghurt, Müsli und Marmelade. So ist für jeden Geschmack etwas dabei und niemand muss verhungern. Da nun alle Fotografen und Naturfreunde eintreffen wird es richtig voll und eine größere Gruppe aus Frankreich macht das Frühstück zum Erlebnis, an Ruhe ist nicht zu denken. Alle tauschen ihre Erlebnisse der letzten Nacht aus. Der französischen Sprache nicht mächtig lasse ich mich berieseln und stärke mich mit gebratenen Eiern.
Nach einem ausreichenden Frühstück nde ich die Muße wieder einige Zeilen zu Papier zu bringen. Auf der Terrasse vor dem Restaurant sitze ich in der wärmenden Sonne und schreibe. Hier kann man es wunderbar aushalten und ich male mir aus wie schön es wohl in einer Mittsommernacht wäre hier zu sitzen und die Natur zu genießen. Der zweite Tag in Finnland schickt sich an so fortzufahren wie mich schon der erste begrüßte. Mit strahlend blauen Himmel und Sonne pur! Das lässt schon wieder Ich war und bin stolz wie Oskar, auch wenn dieses auf ein tolles Abendlicht hoffen und in Anbetracht des Bild niemandem ernsthaft vom Hocker reißen wird so Erlebten wage ich bereits mutig an bessere Fotos bei ist es doch mein persönliches Highlight. Danach versuche mehr Licht zu denken.
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ag 3 - 02.05.2009 Es ist nun 10:18 Uhr und ich nde wieder die Zeit meine Erfahrungen und Eindrücke zu Papier zu bringen. Am gestrigen Abend ging es per Shuttleservice zu den Hides. Ari war mein Fahrer. Da die unbefestigten Wege durch das beständig einsetzende Tauwetter nach mehr Bodenfreiheit verlangten als es mein Wagen bietet wollte ich keine Beschädigungen des Unterbodens riskieren. Diese Nacht verbrachte ich in Hide Nr. 2. Damit schreite ich in der Reihe der Hütten voran und der Blick auf den zugefrorenen kleinen See wird immer breiter. Bei allerbesten Abendlicht warte ich auf den Sonnenuntergang. Davor ist mit Bären wohl kaum zu rechnen. Die Zeit erhält Abwechslung durch einige Möwen, welche sich lautstark das Revier streitig machen. Begleitet von
einem kleinen Trupp Nebelkrähen sowie den obligatorischen Kolkraben gibt es nicht nur genug zu sehen sondern vor allem auch zu hören. Wieder sind es die Kolkraben, welche sich als die Superstars des Stimmenund Lautrepertoires präsentieren. Von 18:00 bis 20:00 Uhr allerdings ist Pause. Um 20:24 Uhr ndet sich zu meiner Überraschung und Freude ein Seeadler ein. In Beobachtungsdistanz sitzt er in einem Baumwipfel, unbeeindruckt von einer mutigen Nebelkrähe. Dies gibt alsdann auch Ruhe und beendet ihre ständigen Attacken da sie zu nichts führen. Einige Zeit später, der Seeadler hat gerade den Baum gewechselt, stößt der Partner hinzu und so ist es mir möglich
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Die strahlend weißen Geederpartien der Silbermöwen erfordern eine korrekte Belichtung.
Silbermöwen (Larus argentatus) iegen im schönsten Abendlicht über die Hütten hinweg.
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Lachmöwen (Larus ridibundus) sind schöne Fotomotive. Immer wieder drehen sie ihre Runden über dem zugfrorenen See, sie balzen, rufen, zetern und vertreiben dem Fotografen so die Langeweile.
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Als einziges brauchbares Bild des Vielfraß kann ich dieses hier präsentieren, leider. Es hat viel Spaß gemacht ihn zu beobachten. Die Art und Weise wie er läuft, wie er inne hält und dabei mit beiden Vorderläufen gleichzeitig auf den Boden aufspringt sowie sein wirklich langer, buschiger Schwanz sind toll anzusehen. Für mich leider nur nachts.
Braunbärwischer Nummer zwei - immer noch kein Bild bei Tageslicht...
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immerhin einige Belege ihres Zusammentreffens zu sammeln. Kaum war der Spuk vorbei hieß es wieder warten. Der Himmel zieht sich an diesem Abend auch nach Sonnenuntergang nicht zu, so bleibt ein wenig mehr Licht und die Hoffnung auf Bären steigt weiter. Etwas früher als am Vorabend, gegen 21:30 Uhr, ist es wieder soweit. Ein Bär zeigt sich! Und wieder bin ich aufgeregt vor Freude. Der Bär nutzt die Deckung der Bäume um sich, den See umlaufend, von hinten an ein ausgelegtes Stück Aas, heranzumachen. Und da ihn auch die Beute nicht wirklich mutiger werden lässt, schnappt er sich das Stück und schleppt es in Windeseile hinein ins Dickicht. Ich freue mich über meine Beobachtungen und beschließe mich für den Rest der kurzen Nacht Schlafen zu legen und von besserem Licht zu träumen. Es ist 03:00Uhr morgens, ich wache auf, schnell ein Blick durch das Sichtfenster, da bewegt sich doch etwas! Dort draußen läuft der Vielfraß! Schlagartig bin ich wieder vollends Wach und bewege mich pantherhaft aus dem oberen Bett hinunter in den Ansitzstuhl (wer mich kennt wird jetzt vor Lachen unter dem Tisch liegen). Schnell montiere ich das 500er und schiebe es vorsichtig durch das Objektivtuch hinaus. Puh, das ging ja noch einmal gut, der Vielfrass war noch da! Aber selbst in Finnland ist es Anfang Mai um diese Uhrzeit nicht wirklich hell und so teilt mir der Fokus meiner 1D MKIII mit, das es an der Zeit wäre auf manuell Fokus zu stellen. Dieser Umstand und meine eingeschränkte Fähigkeit manuell zu Fokussieren, lassen außer einem beherzten Wischer nichts zu. Trotzdem bin ich glücklich den Riesenmarder gesehen zu haben. Ein ganz wunderbares Tier mit einer, sagen wir lustigen Art, zu laufen. Auch der Vielfraß hat ein Stück Aas gefunden und zieht nun in schneller Bahn wieder von Dannen. Zwanzig Minuten später geht es schon weiter in Aris WBB-Arena. Ein Bär kommt zu Besuch und ndet es
klasse das mein Fokus noch immer nicht will. In vollem Bewusstsein das der Fotograf vor ihm noch immer das 500er auf der Kamera hat, kommt er gnadenlos an die Naheinstellgrenze des Objektivs heran. Das diese bei 4,5m liegt sei nur am Rande erwähnt. Was für ein unbeschreiblicher Augenblick. So etwas vergisst man sein Leben nicht mehr. Auch er haut sich hastig etwas in den Magen um dann schnurstracks wieder zu verschwinden. Was für eine Nacht! , versuche ich schon Resümee zu ziehen als gegen 03:37 Uhr der Vielfraß nochmals zwischen den Bäumen hervortritt. Dieses Mal habe ich wohl mehr Glück und ein etwas besseres Belegfoto scheint gelungen. Da es nun etwas heller ist kann ich mich an der Fellzeichnung des Marders erfreuen. Er hat die Fotografen längst bemerkt und unterstreicht dies mit einem direkten Blick in meine Kamera. Ich drücke den Auslöser und schon verschwindet er wieder um nur fünf Minuten später nochmals kurz vorbei zu schauen. Danach kehrt wieder Ruhe ein und ich mache mir Tee aus dem Lunchpaket. In der Thermoskanne ist, wie ich in der ersten Nacht lernte, nur heißes Wasser. Teebeutel und Zucker sind gesondert verpackt, das habe ich aber erst diese Nacht heraus gefunden und so gibt es diesmal etwas geschmackvolleres zu trinken. Die heiße Flüssigkeit tut wirklich gut und wärmt von innen. So gut man sich auch verpackt, am morgen, wenn der Schlaf noch in durch die Knochen zieht, belebt Tee ungemein. Um 07:00 Uhr geht es zurück zu Frühstück und heissem Kaffee. Finnland verwöhnt seine Gäste und beschert mit beim schreiben dieser Zeilen wieder blauen Himmel und Sonnenschein. Ich darf also weiter von einem guten Bärenfoto träumen. Beim Frühstück erfahre ich es handelt sich bei den Seeadlern um ein auf russischer Seite der Grenze brütendes Paar. Selbstverständlich halten auch die Vögel nichts von Grenzen und sind in Anbetracht der zum großen Teil noch zugefrorenen Seen jeder weiteren Art von Nahrung nicht abgeneigt. Ich lege mich schlafen um ausgeruht für den kommenden Ansitz zu sein.
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ag 4 - 03.05.2009 Hier sitze ich nun wieder in der wärmenden Sonne Finnlands und schreibe über das Erlebte. Gestern Abend, nach einer kurzen Stärkung aus Stampfkartoffeln und Bockwürstchen im Käserock, ging es dann wieder los zu den Bären. Ari war wieder mein Fahrer. Gegen 17:00 Uhr war ich also im Versteck, diesmal Hide Nr. 3, und richtete mich für das nächste Fotoabenteuer ein. Schnell noch ein, zwei Aufnahmen von dem Bereich um den Asitz gemacht, dann hieß es Tür zu und warten. Hide Nr. 3 hat, meines Erachtens nach, eine bessere Lage als Hide 1 und Hide 2. Von hier aus ist die Übersicht über das gesamte Areal um den See einfach noch besser. Leider, und das nicht der einzige Nachteil, hat
diese Hütte kein rückwärtiges Fenster und keine rückwärtige Fotoöffnung wie Hide 1. Das Abendlicht scheint sich heute fantastisch zu entwickeln, wieder einmal! Um 17:40 Uhr ist es soweit, die Lachmöwen iegen ein in die WBB-Arena, lautstark begleiten sie sich dabei selbst. Natürlich dürfen die Silber- und Mantelmöwen ebenso wenig fehlen wie die Nebelkrähen und die Kolkraben. Die bunte Mischung ist also wieder vollständig. Da bin ich einmal gespannt ob auch der Seeadler wieder kommt, dieses mal ein wenig näher, das wäre schön. Leider wird er mich an diesem Abend nicht mit seinem Anblick erfreuen und gegen 18:15 Uhr ist in der Arena ganz plötzlich wieder
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Ruhe eingekehrt. Diese Ruhephasen, welche von fast absoluter Stille begleitet sind, für mich sind sie ein Phänomen. Warum ist plötzlich alles Gezwitscher, Gerufe und Gekreische verstummt? Was ist der Auslöser? Ich bin noch nicht dahinter gekommen.
und Zehen jedenfalls sind gedrückt!
Zeit jedenfalls mal einen Blick in das Lunchpaket zu werfen: 1 Thermoskanne mit heißem Wasser 2 Teebeutel und Würfelzucker 1 Erdbeerjoghurt 1 Apfel 1 Brötchen Löffel, Servietten und Trinkbecher. Nun, das sollte mehr als ausreichend sein für die Nacht. Als ich mir in Gedanken mein Lunchpaket auf Abend und Morgen verteile geht es auch schon wieder los. Ich komme mir vor wie am Alten Strom in Warnemünde an der Ostsee, so kreischen die Möwen. Die Taiga in der nnisch-russischen Grenzregion jedenfalls kommt mir dabei nicht in den Sinn. Als die 19:00 Uhr verstreichen stellt sich ein Buntspecht ein. Ich kann nicht sagen ob er der Grund ist aber die Möwen scheinen in diesem Moment völlig auszuippen! Fliegen, Kreischen, Streiten, Rufen - das volle Programm wird abgeliefert. Nur acht Minuten später wird die Szenerie für mich jäh unterbrochen, ein Bär im Dickicht! Ein junger, dunkel gefärbter Bär, welcher durch seine Angst vor dem starken dominierenden Männchen geprägt ist. So lässt er nur einen kurzen Blick auf sein Fell, versteckt hinter Bäumen und Büschen zu, um sofort wieder den Rückweg anzutreten. Aufgeregt und natürlich hoch motiviert beobachte ich die Umgebung. Bei so einem schönen Abendlicht und zu so früher Stunde hat sich seit vielen Tagen kein Bär blicken lassen, dies bestätigten im Nachgang auch die anderen Fotofreunde, welche schon länger hier sind. Ich wage kaum zu hoffen ihn vor dem Sonnenuntergang nochmals zu sehen. Vielleicht wiederholt er aber auch seine Vorgehensweise vom Vorabend und umläuft den See im geschützten Dickicht um sich quasi von hinten an das Futter heran zu schleichen. Daumen
Gut eine Stunde später ist weit weg hinter den Bäumen zu sehen. Die Laufrichtung stimmt schon einmal, Richtung Futter. Als eine weitere halbe Stunde später immer noch nichts passiert ist und das Abendlicht der Sonne nur noch einige wenige Bereiche strahlen lässt erlischt meine Hoffnung und ich bin der Realität wieder ein Stück näher gerückt. Es ist 21:10 Uhr als der dunkle Jungbär wie von der Tarantel gestochen, mit Beuteaas in der Schnauze zurück läuft, stolpert und seine Beute verliert, sich hektisch umschaut, seine Errungenschaft wieder aufnimmt und weiter im Bärengalopp mit großen Sätzen vor irgend etwas üchtet. Dann kehrt Ruhe ein. Eine weiter halbe Stunde später wieder ein Bär, dieses mal wesentlich größer und auch bedeutend ruhiger, nicht aber vorsichtiger. Auch er läßt sich nur kurz Blicken um sofort wieder zu verschwinden. Als um 22:07 Uhr nochmals ein Bär vorbei schaut ist für mich klar: heute Abend ist der sprichwörtliche Bär los! Gegen 23:00 Uhr lege ich mich dann in den Schlafsack, hoffentlich enttäuscht mich morgen mein Laptop angesichts der Bilder nicht! Nach kurzem aber tiefem Schlaf sitze ich kurz nach 02:00 Uhr morgens wieder im Stuhl und hoffe auf den Vielfraß. Als die kommenden zwei Stunden nichts passiert beschließe ich noch etwas Schlaf zu tanken. Diese Phase dauert aber nur kurz an, ganze dreizehn Minuten um genau zu sein. Die Möwen nden es ist Zeit die Fotografen und die anderen Waldbewohner zu wecken. Um sicher zu gehen tun sie dies sehr laut und sehr ausführlich - wie lobenswert! Zwischen 05:00 Uhr und 06:00 Uhr wird der heiße Tee aus dem Lunchpaket zum aufwärmen getrunken, Pullover und Fleecejacke helfen nun ebenfalls. Pünktlich um 07:00 Uhr geht es wieder zurück in die Unterkunft. Waschen, frische Kleidung, Frühstück, Bilder sichern und schon sitze ich wieder über meinen Fototagebuch. Neues gibt es dann morgen zu berichten.
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Besuch um 20:08 Uhr, die Abendsonne zeigt sich gnädig, der Bär ebenfalls. Mit 700mm bei mutigen ISO100 komme ich bei f/5.6 auf 1/80s. Das ich hätte die Empndlichkeit lieber auf ISO200 gesetzt um weniger Bewegungsunschärfe in den Bildern zu haben, teilt mir später mein Rechner mit. Aber einige Bilder sind trotzdem etwas geworden, so wie dieses hier.
Mit 500mm bei f/4.0 und nunmehr ISO2000 komme ich um 22:09 Uhr nur noch auf 1/25s Verschlußzeit. Das macht keinen wirklichen Spaß, soll als Dokumentation des Bärenbesuches am Abend jedoch ausreichen.
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Vorsichtig nähert sich dieser Jungbär, ca. 3 Jahre alt, den Hütten an. Dabei wird jede Deckung konsequent ausgenutzt und immer wieder prüfend die Nase gehoben (rechts). Leider trat der Youngster nicht weiter zwischen den Bäume hervor so dass ich nur diese Aufnahme machen konnte. Einen kurzen Augenblick später schon beurteilte er die Lage als nicht sicher, machte auf der Stelle kehrt und fegte förmlich durch das Unterholz zurück ins Dickicht (oben). Ein Moment der Freude für mich und die Erkenntnis, das die Bären durchaus nicht nur spät in der Nacht vorbeischauen.
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weht und einige Wolkenstreifen ziehen den ansonsten blauen Himmel entlang. In nunmehr geübter Praxis ging ag 5 - 04.05.2009 es gestern Abend gegen 17:00 Uhr in die Ansitzhütte. Geduscht und gestärkt durch das Frühstück gehe ich Entgegen meinen Erwartungen wies Ari mir Hide Nr. nun wieder meiner täglichen schriftstellerischen Kreati- 5 zu, eigentlich wäre Hide Nr. 4 das nächste gewesen. vität nach und gebe alles beim formulieren dieser Zeilen. Dies führte zu „Verwirrungen“ in der französischen Spaß bei Seite. Heute sind es nur 10°C, leichter Wind Gruppe. Am Ende war es aber wohl OK und ich
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konnte Quartier beziehen. Obwohl noch die Sonne schien waren schon ausreichend Wolken am Himmel aufgezogen, Regen war für diesen Abend angekündigt. Mit jedem weiteren Tag lernt man die Gewohnheiten der Tiere rund um den Ansitz besser einschätzen und feste Zeitpläne ausmachen. Gegen 18:00 Uhr kommt kräftiger Wind auf und lässt mich seine Kraft selbst hier im
Versteck deutlich spüren. Abgesehen von den üblichen Verdächtigen wie Möwen, Krähen und Raben sind ab 20:20 Uhr auch Buntspecht, Regenbrachvogel, Waldwasserläufer und Singdrossel in Aktion. Parallel setzt dann auch der Regen ein. Wie tausend kleine Plastikperlen die auf den Boden prasseln hören sich die Regentropfen auf den dünner werdenden oberen Eisschichten an.
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Ich tippe auf eine Singdrossel (Turdus philomelos). Sie brachte Abwechslung in die Zeit des Wartens und lieĂ&#x; sich sogar fotograď€ eren.
Mit dem Regenbrachvogel (Numenius phaeopus) habe ich hier nicht wirklich gerechnet, seine Rufe erinnerten mich an meine Beobachtungen in Deutschland.
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Bären zumindest lockt das bis jetzt nicht an. Ab 21:00 Uhr , es hat aufgehört zu regnen, läßt die hinter uns untergehende Sonne die nassen Bäume in glutroten Licht erstrahlen. Um den Anblick abzurunden gibt es einen schönen Regenbogen als Dreingabe. Um es Perfekt zu machen fehlt nur noch eines, richtig, ein Bär. Und da dies wohl die Nacht der Nächte werden soll kommt er auch um 21:05 Uhr und lässt mein Herz höher schlagen. Sich fast direkt auf mich zu bewegend schwenkt er auf einen Kadaver ein um ihn sich zu holen. Das Abendessen in der Schnauze sieht er sodann einen viel größeren und für Bären wohl auch ansehnlicheren Brocken und entscheidet sich spontan um, auch als Bär ist man schließlich exibel. Das Licht ist zwar noch einigermaßen, für die Kamera allerdings schon eine kleine Herausforderung. Also nutze ich die Vorteile der digitalen Technik aus und schieße Serien bei einer ISO-Zahl, von der ich meine das die Ergebnisse mehr sind als nur reine Dokumentation. Zum Einsatz kommt wie schon die Nächte davor das 500er auf dem Benro GH2. Dieser wiederum ist auf dem dafür vorgesehenen Balken der Hütte verschraubt. So habe ich festen Halt gepaart mit der Beweglichkeit des Kopfes. Es gibt kaum einen Moment in dem der Bär wirklich einmal still steht und wenn dann handelt es sich um einen sehr, sehr kurzen. Glauben Sie mir, das macht es nicht einfacher! Der Bär hat sich also sein Premiumstück geholt und verschwindet damit schnell wieder im Dickicht. Von Sabrina, einer Mitarbeiterin von Ari, erfahre ich es ist ein Youngster, ein ca. dreijähriger Jungbär. Er zeichnet sich durch seine hellen Flecken an den Rumpfseiten aus. Das Fell wirkt an diesen Stellen dünner, vielleicht auf Grund einer Bissverletzung als er noch ganz klein war. Aber wieder zurück zum Verlauf des Abends. Versetzen Sie sich in meine Lage. Das Anliegen der Tour ist es Bärenbilder zu machen. Sie wissen dort sind auch Vielfraß und Seeadler zu sehen, wenn man denn das entsprechende Glück hat. Und kaum ist der Bär verschwunden, landet direkt vor mir ein Seeadler! Der vom Bären ver-
schmähte Kadaver ist ihm gerade recht. Nach den üblichen Momenten des Sicherns der Umgebung watschelt der Seeadler im für diese Vögel typischen Gang schnurstracks auf sein Abendmahl zu. Ebenfalls bereits früher mehrfach von mir Beobachtet versucht auch dieser wunderschöne Vogel mit ausgebreiteten Schwingen den Kadaver etwas von der eigentlichen Fundstelle weg zu ziehen. Insbesondere bei und nach der Landung ergeben sich schöne Motive. Selbstverständlich sind auch die ausgebreiteten Schwingen sehr eindrucksvoll, ein totes Tier allerdings, und in diesem Fall nicht einmal Wildbrett, ist auf Fotos nicht sonderlich schön und gehört wohl nur in das Archiv des Fotografen, nicht in sein Portfolio. Braunbär und Seeadler, direkt hintereinander, was braucht der Naturfotograf eigentlich mehr um Glücklich zu sein? Richtig, das die Bilder auch am Rechner daheim das halten, was Kameradisplay und Laptop versprechen. Dem Naturfreund selbst ist das egal, es zählt das Erlebnis! Der Seeadler lässt sich viel Zeit. Währendessen sehe ich ihn in den verschiedensten Licht- und Nebelstimmungen. Die Natur zeigt eindrucksvoll was sie zu bieten im Stande ist. Gegen 22:00 Uhr kommt der Bär zurück und trifft bei der Suche nach einem weiteren leckeren Stück Abendmahl völlig unerwartet auf den Seeadler. Beide haben sich vor lauter Selbstbeschäftigung nicht wahrgenommen, nur noch wenige Schritte vom Adler entfernt iegt dieser überrascht auf, der Jungbär weicht erschrocken zurück, während sich der Greif in einem Baumwipfel niederlässt. So leicht gibt er seine Beute nicht auf! Die Schrecksekunden des Bären weichen seinem Hunger und weiter geht die Suche. alles was im Angebot ist wird berochen und mit den Lippen betastet um dann doch nicht für gut befunden. Hunger gegen Geschmack, eine scheinbar schwere und langwierige Entscheidung. Noch zwei weitere Male wird er an diesem Abend kommen.
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Diesen Jungbären konnte ich mehrfach beobachten, nicht nur in dieser wahrlich verrückten Nacht. Mit seinem schönen, weich anmutenden Fell und seinen großen, runden Puschelohren bedient er das Teddyschema in ganz hervorragender Weise. Diese Bilder sind mit dem 500er bei f/4.0 entstanden. Die gewählten ISO1600 brachten 1/30s.
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Die untergehende Sonne taucht den Seeadler samt Landschaft in stimmungsvolles, rotes Licht. Nebel breitet sich aus und zieht sich zur端ck, ein Naturschauspiel der ganz besonderen Art.
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Als ich nach kurzen, unruhigen Schlaf ab 02:00 Uhr wieder die Umgebung beobachte, hoffe ich auf den Vielfraß. Leider schenkt er mir seinen Anblick nicht. Ab 04:00 Uhr jedoch schickt sich der Morgen an mir ein einmaliges Naturschauspiel zu bieten. Nebelkompositionen der unterschiedlichsten Arten in Kombination mit verschiedenen Himmelsfarben bieten ausreichend Fotomo-
tive. Die iegenden Hauptakteure sind nun auch wieder lautstark unterwegs. Die Möwen legen sich mächtig ins Zeug und kommen damit unaufgefordert ihrem selbst auferlegten Weckdienst nach. Die Nebelstimmung geht mit der aufgehenden Sonne zurück . Das der Seeader wohl schon eine ganze Zeit lang über mir in den Baumkronen sitzt war für mich leider nicht zu sehen. Aller-
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dings schien er von den eintreffenden Möwen alles andere als begeistert zu sein und zog gegen 06:20 Uhr davon. So wird das nichts mit der Fortsetzung des Abendmahls vom Vortag. Kurz nach 07:00 Uhr ging es zurück in die Unterkunft. So ging diese ereignisreiche Nacht vorüber und in meiner kleinen Zeitreise sind wir nun wieder in der Gegenwart gelandet. Gerade noch
habe ich mit Sabrina HideNr. 4 als das heutige vereinbart. Nun werde ich mich nochmals auf s Bett legen und versuchen für die Nacht vorzuschlafen. Bisher gelingt mir die Tag/Nacht-Umstellung nicht wirklich. Den fehlenden Schlaf beginne ich langsam aber deutlich zu spüren. Aber die Angst etwas zu verpassen läßt mich in der Hütte nicht über einen Dämmerzustand hinaus.
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Was dem Bären schmeckt löst bei uns nicht immer Appetit aus. Aas jedoch wird auch in freier Natur gerne genommen, denn der Aufwand an Nahrung zu kommen damit deutlich geringer als müsste man sie selbst beschaffen. Und in der noch kalten Jahreszeit ist das Angebot an Beeren und Früchten noch nicht sonderlich groß.
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Der Blick nach oben zeigt es. Noch immer wird der Seeadler miĂ&#x;trauisch beobachtet und nur vorsichtigt bewegt sich Usrus arctos auf dem nassen, weichen Boden. Auch hier sind ISO2000 notwendig gewesen um bei f/4.0 am Ende noch 1/6s Belichtungszeit zu erhalten. Den Rest macht der Fotograf dann am PC und nutzt die Vorteile des RAW aus.
Es ist dunkel, es ist Nebel und der AF der Kamera ist nicht gewillt in dieser Situation zu arbeiten. So wird auch diese Szene mit manuellen Fokus festgehalten. Die Stimmung der Nacht spiegelt sie gut wieder.
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ag 6- 05.05.2009 Heute etwas später und auch nicht von der Terasse sondern aus dem Zimmer melde ich mich vom letzten Einsatz zurück. Jetzt zeigt sich Finnland dann doch noch von der eher tristen Seite, es regnet und der Himmel ist grau. Selbstverständlich kann dies gut für Motive sein, die Stimmung jedenfalls hebt es nicht gerade. Ich nutze diesen Tag um etwas zu schlafen, die Sachen zu packen und etwas Konversation im www zu pegen. Auch wenn ich weiß das die Entscheidung, die letzte Nacht im Bett zu verbringen die richtige ist, wäre ich wohl ein schlechter Naturfotograf, würden mich keine Zweifel überkommen. Schließlich gibt es so viel zu verpassen. Das Wetter allerdings bleibt überwiegend schlecht und so hardere ich nur kurz mit mir. Am Nach-
mittag kann ich mich ausführlich mit Ari unterhalten. Stolz berichte ich von meinen Beobachtungenwährend Ari einige Hintergrundinfos zu Wild Brown Bear gibt. Wir sprechen über den doch eher unansehnlichen Anblick der Ferkel, welche teilweise als Luder genutzt werden. Im Sommer werden schwarze Plastikwannen eingesetzt um das Lockmittel für die Bären einzusetzen, erklärt Ari. Diese sind dann rund um die Hides verteilt. Damit schlägt Ari zwei Fliegen mit einer Klappe. Zum einen wird das Futter jedesmal in anderen Wannen deponiert und auch nie in allen gleichzeitig. So müssen die Bären die Runde mit den Wannen ablaufen und nachschauen. Die Fotografen haben somit die Möglichkeit die braunen Riesen zu fotograeren. Zum anderen bewahrt diese
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Die strahlend weißen Geederpartien der Silbermöwen erfordern eine korrekte Belichtung.
Silbermöwen (Larus argentatus) iegen im schönsten Abendlicht über die Hütten hinweg.
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Art der Präsentation des Futters den Boden vor den Grabarbeiten der Bären. Reste und Gerüche auf dem Boden verleiten dazu und die Umgebung wäre schnell sehr unansehnlich. Morgen fährt Ari zu einem Anbieter für Vogelbeobachtungen nach Kuusamo. Mit ihm wird es eventuell eine Kooperation geben um den interessierten Naturfotogra-
fen Beides zu ermöglichen. Im Oktober 2009 wird Ari in Lünen auf dem GDT-Festival sein. Ich freue mich ihn dort wieder zu Treffen. Ebenfalls interessant sind Aris Ausführungen über die Verteilung der Wölfe in diesem Bereich Finnlands. Die Region in welcher wir uns hier benden liegt am äußersten Rand des Revieres eines Wolfsrudels. Der Wolf,
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welcher auf einigen Bildern zu sehen ist, ist wohl tatsächlich immer ein und derselbe. Will man vor allem Wölfe fotograeren so muss man zu Lassi Rautiainnen gehen. Sein Fotoangebot liegt mitten im Wolfsrevier. Damit sind die Chancen auf fotograschen Erfolg also nicht schlecht. Den Abend verbringe ich auf dem Zimmer am Laptop. Radio WDR2 stimmt mich via Internet
langsam auf die Heimat ein. Auf die Idee Radio übers www zu hören hätte ich auch früher kommen können aber da waren meine Gedanken ausschließlich bei den Bären! Morgen geht es spätestens 09:00 Uhr wieder los, jetzt geht es ins Bett. In Finnland haben wir nun 22:45 Uhr. Die „Bärenuhr“ tickt noch in mir und so bin ich pünktlich 02:00 Uhr wieder wach...
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ag 7 - 08.05.2009 Bei einer Tasse Kaffee sitze ich an Bord der Superfast VIII. Das Meer, blauer Himmel und Sonne begrüßen nach einer ruhigen Nacht. Die Fahrt von Vartius nach Helsinki gestaltete gestern problemlos. Nicht zuletzt dank geringem Verkehrsaufkommen und Geschwindigkeitsbegrenzung war die Fahrt stressfrei. Einige Kilometer nach dem Start hielt die Natur noch eine kleine Überraschung für mich parat. Eine Gruppe aus 4 Rentieren stand auf einem Ackerstück neben der Straße. Also ugs eine Waldeinfahrt genutzt und die Kamera startklar gemacht. Gut das noch das 500er mit 1,4xTC und Body fertig im Rucksack lag. So konnte ich einige Bilder machen. Plötzlich hält ein Finne neben mir , steigt aus und kommt geduckt im Sichtschutz meines
Wagens zu mir. Er beobachtet ebenfalls die Rentiere. Dann zückt er sein Handy und zeigte mir mit leuchtenden Augen seine gespeicherten Handyfotos von 3! Bären. Er hatte diese auf einer Nebenstraße getroffen und gleich im Bild festgehalten. Das es sich um ein Nokia handelte sei nur am Rande erwähnt. Das nächste Abenteuer erwartete mich in Helsinki. Wie komme ich zum neuen Fähranleger? Der Plan war zu alten zu fahren, welchen mein Navigationssystem gespeichert hatte. Dort, so hoffte ich, gibt es eine Beschilderung zum neuen Terminal. Etwas enttäuscht musste ich feststellen, das dem nicht so war. Da hätte ich von einer internationalen Stadt wie Helsinki doch mehr erwartet. Also hilft nur Fragen. Eine sehr nette
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Licht und Nebel in Kombination mit den sanften Strahlen der aufegehenden Sonne ergeben immer wieder schöne Stimmungen. Diese Aufnahme entstand um 05:38 Uhr morgens, so läßt sich ein neuer Tag gut an. Oben gut zu sehen, die Hides sind entlang des kleinen Sees aufgestellt.
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TALLINK - SUPERFAST, die F채hre am neuen Hansa Terminal in Helsinki. Zu sehen die Zufahrt auf das Schiff im Heck.
Selbst die Hafenausfahrt ist Natur pur. Viele kleine Inseln verabschieden den Finnlandbesucher bei der Ausfahrt auf die Oststee und wecken die Wehmut.
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Dame bemühte sich mit Wort und Schrift und Skizze den Weg zu beschreiben. Das hilft und so ist gegen 17:42 Uhr die Ankunft am neuen Terminal zu verzeichnen. Da der Check-Inn um 18:15 Uhr beginnt, passt es also hervorragend. Erwähnt sei noch das die Abfahrt in Vartius unter grauen Himmel mit Nebel um ca. 08:00 Uhr begann und in Helsinki am Hansa Terminal unter blauem Himmel bei rund 17°C endet. Nun gilt es noch den Tag auf der Superfast VIII in Ruhe zu verbringen und sich auf zu Hause zu Freuen. Ein guter Moment um ein kurzes persönliches Fazit zu ziehen. In der Rückbetrachtung zu dieser Fotoreise bleibt festzuhalten das diese Reise ein voller Erfolg für mich persönlich war, Bären nicht nur beobachten sondern auch fotograeren zu können. Sie alle kennen diesen so oft herauf beschworenen und beschriebenen magischen Zeitpunkt. Für mich war er erreicht als ich den ersten wildlebenden Bären in meinem Leben gleich so hautnah erleben durfte. Ebenfalls unvergessen bleiben wird für mich der 03. Mai 2009. Eine Nacht, in welcher sich die Natur von ihrer allergroßzügigsten Seite gezeigt hat. Fantastische Lichtstimmungen am Abend, anschließend Bären und Seeadlerbesuch im noch glutrot getauchten Licht der untergehenden Sonne und Nebel. Dazu wunderbare Licht- und Nebelstimmungen am Morgen. Finnland hat sicher noch viel mehr zu bieten. Diese wunderschönen Landschaften gepaart mit den netten Menschen um Ari sind nur ein kleiner Ausschnitt davon. Dessen bin ich mir ganz sicher! Klar ist schon jetzt: ich komme wieder 2011, dann im Juli. Alles wird dann grün sein und die Herausforderung der kalten, noch nicht so hellen Nächte weicht den Angriffen von Millionen von Mücken...
Kontaktdaten der von mir genutzten Anbieter: Bärenfotograe: Wild Brown Bear Ari Sääski Kostamustie 5644 88930 Lentiira Finland Phone:+358 (0)40-5469008 E-mail: ari.saaski@wbb. Internet: www.wbb. Tickets für die Fähre Skandinavische Reiseagentur Reiner Mergenthaler Phone: +49 (0) 911-7658198 E-mail: r.m@skandinavische-reiseagentur.com Internet: www.skandinavische-reiseagentur.com Meine verwendete Fotoausrüstung Kameras EOS 1D MKIII, EOS 30D, PowerShot G9 Objektive 500 4.0 L IS USM, 17-40 4.0 L USM, 85 1.8 USM und ein 70-200 2.8 L IS USM Dank Thomas Weber! Stativ Gitzo 2540 LVL Kopf Benro Gimbal Head 2 Karten Sandisk Extreme III + IV bis 8GB und Transcend bis 8GB Fernglas Steiner Sagor II 7x50 Rucksack Lowe Pro Vertex 300AW Tasche Kata GPS Garmin etrex Legend HCX Audio H4ZOOM Laptop und externe Festplatten
Superfast VIII, 08. Mai 2009, 10:54 Uhr, irgendwo auf Alles andere ist der übliche Kleinkram, gute und wetterder Ostsee südlich von Gotland. feste Kleidung sollte ebenso wenig vegressen werden wie Handschuhe, Mütze und warme Schuhe.
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Jan Bleil, geboren und aufgewachsen in der Hansestadt Rostock, ist nach der Wiedervereinigung Deutschlands durch seine Arbeit bei einem großen deutschen Traditionsunternehmen im Ruhrgebiet gelandet. Dort lebt er nun schon seit 14 Jahren in Dortmund. Zur Fotograe ist er erst in den letzten Jahren gekommen. Neben der Faszination der Motorsportfotograe hat er seine Vorliebe für die Natur entdeckt. Durch seine Arbeit in der Gruppe Naturfotografen for Nature und die kostenlose Bereitstellung seiner Bilder für Naturschutzvereinigungen wie zum Beispiel Kranichschutz Deutschland und Deutsche Wildtierstiftung möchte er der Natur etwas zurückgeben. Weitere spannende Berichte und Bilder gibt es unter: www.janbleil.de
Hinweis: Alle Bilder und Texte dieses Reiseberichtes unterliegen dem Urheberrecht von Jan Bleil.