Reise MacLean Dünen Vorschau

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Dünen und hohe Sandbänke Watt Marsch Eiszeitliche Sande und Moränen

Blåvands Huk Langli

N

Skallingen

Esbjerg 0

10

20

30 km

N

Fanø Ribe Mandø Koresand

o Rømø

Geomorphologische Karte des nördlichen Wattenmeeres

r

verändert nach Wiersma et al. 2009

List Sylt Tondern

Westerland

d Niebüll Hörnum

s Bredstedt

Amrum

e

Norderoogsand Husum

e St. Peter-Ording Eiderstedt


Karsten Reise & Alex S. MacLean

DĂźnen Die Wiederentdeckung einer geheimnisvollen Landschaft Herausgegeben von der Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V.


Alle Fotografien in diesem Buch stammen von Alex S. MacLean www.alexmaclean.com

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Urheber unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 1. Auflage, Juni 2018 Copyright © 2018 Klaas Jarchow Media Buchverlag GmbH & Co. KG Simrockstr. 9a, 22587 Hamburg www.kjm-buchverlag.de ISBN 978-3-96194-019-6 Lektorat: Hella Kemper, Hamburg Mitarbeit: Rainer Kolbe, Hamburg Karthographische Bearbeitung: Gerhild Kemper, München Zeichnungen: Pygospio elegans Herstellung, Satz und Gestaltung: Eberhard Delius, Berlin Lithographie: Reihs Satzstudio, Lohmar Druck: Belvédère, Oosterbeek, Niederlande Printed in Europe Alle Rechte vorbehalten

Wir vergeben BUCHPATENSCHAFTEN – Mehr dazu auf: www.hamburgparadies.de Mehr zu den Büchern des KJM Buchverlags www.kjm-buchverlag.de, www.hamburgparadies.de


Inhalt Übersichtskarte 2 Auch Dünen haben Lust zu wandern 6 DAS SiLBerne BAnD 8 Die WeLt Der Dünen in 100 BegriFFen 14 ein FLug voM BLåvAnDS Huk BiS eiDerSteDt 21 Die Welt der Dünen in 60 Bildern und dazu 60 Fragen und Antworten 24 WoHer Der SAnD koMMt 144 Der StoFF, AuS DeM Die Dünen SinD 149 Wie Dünen entSteHen unD SicH ForMen 155 DünenpFLAnzen 162 DünenvögeL 169 BeWegen oDer BeWAcHSen 175 Dünenraub ist ärger als einbruch 178 ein LeBen in BeWegter LAnDScHAFt 181 Dank 185 Literatur 186 Besucherzentren und Anlaufpunkte zu den Dünen im nördlichen Wattenmeer 190

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Auch Dünen haben Lust zu wandern Vorwort der Herausgeber

Dünen sind neben dem Wattenmeer und den Salzwiesen die dynamischste Naturlandschaft an der schleswig-holsteinischen Westküste. Dieses Buch stellt diese faszinierende Landschaft in den Mittelpunkt. Das Besondere des Buches ist, dass neben der fotografischen Darstellung durch eindrucksvolle Luftaufnahmen im Textteil auch die bestehenden Naturschutzziele fachkundig dargestellt und hinterfragt werden. Neue Perspektiven angesichts des Klimawandels werden aufgezeigt. Ein wesentlicher Teil der Naturschutzhistorie Schleswig-Holsteins beginnt mit den Lister Dünen und ist eng mit dem »Verein Naturschutz Sylt« verbunden. Auf Sylt wurden1923 die ersten Naturgebiete in der damaligen preußischen Provinz unter gesetzlichen Schutz gestellt, nämlich die Lister Dünenlandschaft und das Morsumkliff. Die Protagonisten waren die Gründungsväter unseres Vereins. Schon in der ersten Satzung von 1924 wurde die Aufgabe festgeschrieben, »alle wichtigen Naturdenkmäler, landschaftlichen Schönheiten und bedeutsamen Kulturdenkmäler der Insel Sylt zu schützen.« Die wesentliche Vorarbeit hatte Ferdinand Avenarius geleistet. Als Herausgeber der Kulturzeitschrift »Der Kunstwart« und Syltliebhaber hatte er schon früh die urtümliche Sylter Dünenwelt als etwas ganz Besonderes erkannt. Er schrieb 1913 im »Kunstwart«: »Sobald man das Dorf Kampen auf Sylt durchschritten hat, breitet sich die Welt vor einem aus, herrlich wie am ersten Tag: Heide, dann ein schmaler Binnen-Dünenstreif, der in edel ruhiger Linie die Heide umsäumt, und über ihm Meer rechts, Meer links, dazwischen aber über schön geschweifter Bucht, wie ein fernes Hochgebirge, das größte Dünengebiete Deutschlands, die Halbinsel List.« Heute ist der Schutz der Dünen eine Selbstverständlichkeit, und diese großflächige Faszination bleibt besonders auf Sylt, aber auch auf Amrum zu bewundern. Ebenso die neuen Dünenbildungen auf den Außensänden. Diesem besonderen Landschaftsraum, in Flurkarten immer noch als Unland bezeichnet, widmen Karsten Reise und Alex S. MacLean hier ihre Aufmerksamkeit. Es geht ihnen nicht nur um eine weitere tourismusaffine Darstellung. Ihnen gelingt es, das Thema der Dünen zu problematisieren und damit die oft statische Naturschutzsicht zu hinterfragen. Sie formulieren in diesem Buch Gedanken für die Zukunft auch unter Berücksichtigung des Klimawandels. Pointiert und mit viel Hintergrundwissen stellen die Autoren Fragen nach den Perspektiven des Naturschutzes und seinen möglichen Handlungsansätzen. Ein besonderes Augenmerk verwenden sie dabei auf die noch immer großen, in der

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Vergangenheit vielfach geschundenen Naturräume im Listland mit den großen Wanderdünen. Sylt weist die größten geschlossenen Dünengebiete an der Westküste auf. Doch genau hier besteht Handlungs- bedarf, um diese besondere Lebenswelt und Ästhetik zu erhalten und zu fördern. Das Buch von Karsten Reise und Alex S. MacLean ist auch ein Plädoyer für eine neue Naturschutzsicht. Aufgabe von Naturschutzvereinen ist es auch und gerade, Impulse für die Zukunft zu geben. Wir hoffen als Herausgeber, mit diesem Buch einen wichtigen Diskussionsbeitrag zu leisten. Wir möchten, dass diese Gedanknanstöße helfen, die biologische Vielfalt und auch die Ästhetik dieser besonderen Landschaft zu erhalten. Ein Fanöer Naturschutzkollegen formulierte bei einer Führung durch die weitgehend festgelegten Fanöer Dünen den Satz, den wir zur Titelzeile dieses Vorwortes gemacht haben: »Auch Dünen haben Lust zu wandern.« Der Flug über die Dünen der Nordseeküste mit Karsten Reise und Alex S. MacLean gibt von dieser Lust einen berauschenden und anstiftenden Eindruck. Naturschutzgemeinschaft Sylt e.V.

Ich habe hier nicht die Absicht, die Lehre von den Dünen und ihrer Gestaltungsweise ganz gründlich zu behandeln, ich will nur diejenigen Gedanken und Hypothesen niederschreiben, die sie in mir aufregten, und indem ich an diese wilden dürren Sandberge klopfte und versuchte, welche Quellen der Erkenntnis aus ihnen hervorsprudeln möchten, wünsche ich nur diejenigen Leser auf sie aufmerksam zu machen, welche gleichgültig oder wohl gar mit Abscheu diese wilden Gestaltungen des Meeres und der Stürme zu betrachten pflegen. J. G. Kohl (1848) Aus der ersten wissenschaftlichen Abhandlung über die Dünen im nördlichen Wattenmeer und zugleich der längste Satz in diesem Buch.

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DAS SiLBerne BAnD

Küstendünen – nicht zu verwechseln mit ihren staubigen Schwestern, den Wüstendünen – sind ein Geschenk des Meeres. Dünen werden am Meeressaum geboren. Die Geburtshelfer sind Wellen, Wind und Pflanzen. Wellen bringen den sandigen Meeresgrund in Bewegung und werfen mit der Brandung den Sand auf den Strand. Hier übernimmt der Wind den Weitertransport und weht den Sand landeinwärts. Erst wo Pflanzen den vom Wind getriebenen Sand einfangen, entstehen Küstendünen. Sie bilden gewissermaßen einen aufs Land verlegten, erhöhten Strand. Vielleicht wird dieser höher gelegene Dünenstrand irgendwann wieder Meeresstrand, nämlich dann, wenn das Meer die Dünen einholt, weil es viel höher steigt als bisher. Die sandige Übergangszone vom Meer zum Land wandelt sich immerfort. Hier ist nichts, was schon immer so war. Dünen am Meer sind eine wilde, bewegliche Landschaft, die nur selten zur Ruhe kommt. Sandstrände mit Dünen sind halb Land, halb Meer und halten nicht still. Das liegt natürlich daran, dass sich um sie herum ebenfalls viel verändert: Strömungen in Wasser und Luft wechseln ihre Richtungen. Unter Wasser wandern Sandbänke bis zum Strand, oder Wellen holen Dünensand zurück ins Meer. Auch der Meeresspiegel schwankt relativ zum Land. Mal halten Pflanzen den Sand fest, mal siegt der Wind und trägt den Sand weiter fort – und immer mal wieder brechen einzelne Sturmereignisse von außergewöhnlicher Heftigkeit herein, die dann die Welt der Dünen so durcheinanderwirbeln, dass alles neu in Bewegung gerät. Sand, der Stoff, aus dem die Dünen sind, setzt die heftigsten Bewegungen von Wasser und Luft – nach menschlichem Zeitempfinden – nur langsam und gebremst um. Dünen können wandern: einige Zentimeter bis ein paar Meter pro Jahr. Oder sie ruhen über Jahrzehnte unter dichtem Pflanzenkleid. Erst, wo dieses wieder löcherig wird, fährt der Wind erneut hinein und bringt die Düne wieder zum Wandern. Noch mehr als die Dünendynamik verblüfft die Vielfalt ihrer Formen – das bewegte Meer und das wechselhafte Wetter mit Stürmen, Regengüssen und strahlender Sonne tragen zu dieser Formenvielfalt bei. Dünen sind ein Juwel der Natur. Die großen Möwen lieben sie zum Brüten. Manche aus dem Binnenland vertriebenen Gewächse und Insekten finden in ihnen eine letzte Zuflucht. Dünen erzählen Geschichten von wilden Stürmen, einstigen Schafherden, bepflanztem Flugsand und vielleicht von Elfen, die im Nebel über

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diese Hügel tanzten. Dünen sind nicht nur Kulisse für den Strandurlaub, sondern sollen auch Schutz bieten vor übergreifender See, obwohl sie einst Siedlungen versandet haben. Heute gelten sie dagegen selbst als anfällige Natur. Dünen sind ein aufgeladener Raum, in den der Mensch sich oft eingemischt hat: Es gibt Dünen mit Buschzäunen als Sandfang, Dünen, die frisch oder vor Jahrzehnten mit Strandhafer bepflanzt wurden, manche auch mit Rosen oder Bäumen. Dünen dienten oft als Weide und ihr Strandhafer wurde zum Dacheindecken verwendet. Feuchte Dünentäler mit seltensten Moorgewächsen entstanden durch das Stechen von Soden (Plaggen) zum Düngen. Auf Sylt wurden nicht nur Dünen plattgemacht, sondern neuerdings auch welche künstlich aufgespült. Dünen haben offensichtlich Geschichte. Die Ursprünge reichen zurück bis in die Eiszeiten. Und was die Sandversorgung betrifft, sogar viele Millionen Jahre weit in die Vergangenheit. Ohne Sand gäbe es die Dünen nicht, auch wenn der Wind noch so kräftig weht. Doch die drängenden Fragen sind: Wie eigentlich schützen Dünen die Inseln? Oder müssen vielleicht Siedlungen, Straßen und unser Wohlstand vor den Dünen geschützt werden? Oder sind es die Dünen, die vor den Menschen beschützt werden müssen? Auf solch widerstreitende Fragen wird im Buch nach Antworten gesucht. Wie aber kam es überhaupt zu diesem Buch? Mich begleiten die Dünen seit meiner Kindheit. Ich war vielleicht acht Jahre alt, als meine Mutter und ich uns in den Sylter Wanderdünen verliefen. Als wir hofften, endlich die offene Nordsee auf der anderen Seite zu sehen, war es doch wieder das Wattenmeer, an dem wir Stunden zuvor unsere Wanderung begonnen hatten. Wir waren die ganze Zeit im Kreis gelaufen, die Dünen hatten uns an der Nase herum geführt. Dennoch waren wir glücklich und erfüllt, als wir nach Hause zurückkehrten. Die Wanderdünen hatten uns gewaltig die Sinne verwirrt und uns getäuscht – aber nicht enttäuscht. Später bin ich mit meinen Freunden durch die Dünen getobt: Steilhänge kopfüber runter, vom Kamm nach Piraten gespäht und in Windmulden nach Schätzen gesucht. Diese Dünen waren uns unendlich viel wert. Schilder wie »Dünenschutz ist Inselschutz« lasen, aber ignorierten wir. Von Beruf wurde ich Meeresbiologe. Forschte und schrieb viel über Strand und Wattenmeer. Die Dünen liebte ich, und sie ließen mich nicht mehr los, aber für die Meeresforschung waren sie zu trocken und mussten warten. Doch nun ist die Zeit reif, ein Buch für die Dünen zu schreiben. Denn was einst wenig beanspruchter, ungebändigter und vom Meer nicht getrennter Küstenraum war, ist durch viele menschliche Eingriffe meist zu befestigtem, vom Meer abgeschirmten Land geworden. Unbewegliche, festgelegte Dünen können aber nur vorübergehend als Sandwall das ansteigende Meer aufhalten. Einen nachhaltigen Ausgleich zwischen Meer und Land können nur bewegliche Dünen herbeiführen. Wie es zur

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Unbeweglichkeit vieler Dünen gekommen ist, das möchten der Fotograf Alex S. MacLean und ich mit diesem Buch zeigen. Denn eines ist gewiss: Alle starren Küstenstrukturen haben in der Vergangenheit mehr Probleme verursacht, als sie lösen konnten – nur Strände und Dünen in freier, natürlicher Entfaltung, das sei hier schon vorweggenommen, vermögen die sandigen Inseln der Nordsee auf Dauer zu erhalten. Als das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer 1985 zum Nationalpark avancierte, blieben die Dünengebiete außen vor. Auch die Anerkennung zum Weltnaturerbe in 2009 ging an den Dünen und vielen Stränden vorbei. Zu viele gegenläufige Interessen schienen unüberwindbar, um die naturräumliche Einheit von Wattenmeer, Strand und Dünen auch im Schutz zu vereinen. Das dänische Wattenmeer wurde 2010 Nationalpark und seit 2014 gehört es mit zum Welterbe Wattenmeer. Das reicht nun vom niederländischen Texel bis nach Skallingen. Im Norden sind nur die Dünen von Skallingen und Langli mit drin, alle anderen nicht. Einbezogen sind auch nur die Strände von Fanø, Rømø und Eiderstedt. Wenigstens hier lässt sich so das Nebeneinander von touristischer Strandnutzung und die Entstehung neuer Dünen am Strand gut regeln. Im Wattenmeer liegen die Dünen nahezu alle auf der Seeseite der Inseln – ihr silbernes Band erstreckt sich über 200 Quadratkilometer. Das nördliche Drittel der Silberkette beschreibt dieses Buch. Hier gibt es die breitesten Strände und höchsten Dünen, und nur noch hier dürfen sich drei große Wanderdünen frei bewegen. Weite Strände und Dünen säumen die oft stürmische Küste von Sylt bis St. Peter-Ording im Süden und bis Blåvands Huk im Norden. Diese Nordseeküste ist von unglaublicher Dünenvielfalt. Um alles über natürliche und unnatürliche, junge und alte, weiße, grüne oder braune und bebaute Dünen zu erfahren, kann es keinen besseren Küstenabschnitt geben. Der Blick von oben zeigt, wie am Strand aus winzigen Babydünen ausgewachsene Dünenlandschaften werden, wie Dünen voller Dynamik schließlich müde werden oder von fleißigen Menschen durch Bepflanzen frühzeitig in den Ruhestand versetzt wurden, wo Wind und Wellen ergraute Dünen wieder flottmachen, während andere hübsche Hütten auf ihren Gipfeln tragen. Sieben Dünenflüge haben Alex und ich gemeinsam unternommen, im Mai und Juli 2015 und dann im Juli und August 2017. Geflogen sind wir von Nord nach Süd mit Kurs zwischen Wattenmeer und Nordsee, wo die Düneninseln liegen. Wir wollten von oben gucken: Wie weit ragen die Dünen ins Land, wie groß sind sie, wo wird in den Dünen gebaut, wo verlaufen Straßen durch die Dünen, welche Wege führen zu ihnen, was wuchert von den Aufforstungen und Siedlungen in sie hinein? Wir haben gesehen, wie zauberhaft schön die Welt der Dünen ist, wie sie sanft geschwungen liegen, umgeben von der Nordsee und von Dünenpflanzen in stimmige Farbsinfonien getaucht. Wir haben auch gesehen, wie Dünen zu Bauland

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geworden sind und von Straßen durchschnitten werden. Dünen leben und können nicht museal verwahrt werden. Sie brauchen ihre Freiheiten, um nicht zu verfallen. Aber wie viel Raum kann heute noch freien Dünen eingeräumt werden? Das ist am besten von oben aus zu erkennen. Aus der Vogelperspektive. Die Bilder aus der Luft zeigen Entfaltungsräume, Spannungszonen und Brennpunkte, wie sie vom Boden aus nicht oder nur schwer wahrnehmbar sind. Menschen veränderten vielfach ihr Verhältnis zum Meer und seinen Gestaden. Das hat viele Gründe: Das kann vom Meer ausgehen durch Stürme, Tsunamis oder verlockende Heringsschwärme, aber ebenso auch von Hungersnöten oder anderen Entwicklungen im Binnenland. Schon die frühen Küstenmenschen, der Homo littoralis (lateinisch für »am Ufer lebender Mensch«), nutzten zwar Buchten hinter Sandnasen als sanften Landeplatz und den Schutz hoher Dünen zum Warenumschlag, aber legten ihre festen Siedlungen weiter landeinwärts an und nicht in der bewegten Übergangszone. Nur gelegentlich verschätzten sie sich dabei. Dann gerieten Siedlungen nach einiger Zeit direkt ans Meer oder unter den Sand der Dünen. Im flachen Meer konnte die Küstenbevölkerung Fische fangen oder Muscheln sammeln. An Stränden trieb hin und wieder Wertvolles an. Die Dünen boten je nach Saison Vogeleier oder Beeren. Als Viehweide gaben sie nicht viel her und in Gärten oder Äcker ließen sie sich kaum verwandeln. Das alles zusammen war selten Anreiz genug, sich auf Dauer in solch unbeständigem Lebensraum niederzulassen. In den Dünen wurde also höchstens vorübergehend gewohnt. Auf Amrum übersandeten wandernde Dünen einen Fernhandelsplatz aus dem 5. Jahrhundert. Sie konservierten ihn und gaben ihn für heutige archäologische Forschungen wieder frei. Gefunden wurden bunte Glas- und Bernsteinperlen sowie Scherben fränkischer Glasgefäße: Es war also ein Handelsplatz, aber keine permanente Siedlung. Denn viel zu holen war hier nicht: Landwirtschaft und lokale Fischerei brachten keinen Wohlstand. Nur episodisch bescherten Herings- und Austernfang, im Eismeer erlegte Robben und Wale, ein gestrandetes Handelsschiff oder das Anheuern im weltweiten Seeverkehr ein Gefühl vom Reichsein. Erst die Entwicklung zur Erholungsküste veränderte den Wert dieser Landschaft. Wo gerade noch Schafe oder Rinder in die Dünen getrieben, ausgesetzte Kaninchen gejagt, die Gelege von Küstenvögeln geplündert und am Strand schlafende Robben erschlagen worden waren, dort gewannen Strände und Dünen plötzlich neue Bedeutung. Städtische Enge und ungesundes Stadtklima hatten zur Entdeckung der Küsten geführt, zu einer neuen Lust am Meer. Besonders die sandigen Meeresufer boten nicht nur heilsames Meerwasser, sondern auch unbeschwertes Vergnügen, Freude an körperlicher Bewegung im Wasser und am Strand. Was zunächst von einer vermögenden und gebildeten Elite erkundet worden war, kam im 19. Jahrhundert nach und nach in allen gesellschaftlichen Schichten als

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erstrebenswert an und geriet im 20. Jahrhundert zur touristischen Überflutung der Meeresküsten. Obwohl der in diesem Buch beschriebene Küstenabschnitt zwischen Blåvands Huk und Eiderstedt von den Metropolen Kopenhagen und Hamburg oder dem ferneren Binnenland immer schon mühsam zu erreichen gewesen ist, zog er doch durch weite Strände, kräftige Wellen, frischen Seewind, hohe Dünen und romantische Sonnenuntergänge früh ein ausgesuchtes Publikum an. Daran hatte – so merkwürdig das zunächst klingen mag – die Dünenmalerei keinen geringen Anteil. Der Nordfriese Hans-Peter Feddersen und sein holsteinischer Freund und Konkurrent Hinrich Wrage setzten als erste die Sylter Dünen erfolgreich ins Bild und machten sie so in Berlin und anderen Großstädten publik. Die meisten ihrer Ölgemälde entstanden zwischen 1870 und 1900 und lockten bald weitere Dünenmaler nach Sylt und Amrum. Die Bilder der von Naturgewalt geformten Dünen erzeugten bei ihren Betrachtern Gefühle von großer Erhabenheit und eine intensive Sehnsucht nach Weite, Freiheit und kontemplativer Ruhe. Die sonst eher als öde und karg betrachteten Dünen erhielten einen überraschend ästhetischen Wert. Das gab schon 1923 den Ausschlag, die Sylter Dünenlandschaft von Kampen bis List unter Naturschutz zu stellen, um so ihre Einmaligkeit zu erhalten. Den Initiatoren ging es dabei weniger um seltene Pflanzen oder bedrohte Brutvögel, sondern mehr um die Bewahrung einer von Naturkräften gebildeten und in ihrer Urschönheit weitgehend noch erhaltenen Landschaft. So wie die Landschaftsmaler sie in ihrer stimmungsvollen Wildheit ins Bild gesetzt hatten, sollte auch die Nachwelt sie erleben können. Doch es kam anders. Der Kampf der Menschen gegen mobile Strände und Dünen überwog. Nur bepflanzte, unbewegliche Dünen galten als gute Dünen, denn sie schienen berechenbar wie der Fels in der Brandung. Dünen in Bewegung störten dagegen, vor allem auf dicht bebauten Inseln wie Sylt. Doch die wirkliche Natur der Dünen ist ihre Veränderlichkeit. Darum kann ein konservierender Dünenschutz nicht funktionieren. Langfristig schützen nur die beweglichen Dünen eine Insel. Nur die mobilen können beim Meeresanstieg mithalten. Und das ist natürlich nicht nur im Nordseeraum so. Schwärme von Dünen gibt es auch an anderen Küsten der Welt. Immer ist lockerer Sand und starker Seewind im Spiel, trotzdem entwickeln sich Dünen überall anders. Fraser Island vor Australiens Ostküste ist mit 120 Kilometer Länge die größte aller Düneninseln, mit vielen Seen, Wald und Heide in den Senken. Spektakulär sind die schneeweißen Wanderdünen im brasilianischen Nationalpark Lençóis Maranhenses nahe am Äquator. Dort verhindert die extreme Trockenzeit jeglichen Bewuchs, während in der kurzen Regenzeit alle Senken voll mit Wasser laufen. Aber nicht nur an Meeresküsten, auch an großen Seen wie dem Lake Michigan türmen sich Dünen auf. Sie gelten als verletzlich, aber verletzlich ist eigentlich nur, was zu dicht an sie gebaut wurde.

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Auf der fast hundert Kilometer langen Kurischen Nehrung brachten Abholzungen während der Kriege im 17. und 18. Jahrhundert Dünen zum Wandern, die dann Fischerdörfer verheerten. Heute ist der größte Teil mit Kiefern bepflanzt, doch nahe Nidden erhebt sich eine weiße Düne 73 Meter hoch über die See. Auch die wandernden Łeba-Dünen im polnischen Pommern sollen durch Entwaldung entstanden sein. An der Nordspitze von Jütland ist die wandernde Råbjerg Mile schon seit 1900 unter Naturschutz gestellt. Sie hat sich vor 300 Jahren vom Nordseestrand gelöst und wandert um die 15 Meter im Jahr Richtung Kattegat. In gut hundert Jahren wird die Düne möglicherweise Bahnlinie und Straße nach Skagen kreuzen. Die vermeintliche Gewöhnlichkeit und das Kulissenhafte der Dünen erscheinen in anderem Licht, wenn wir ihre geheimnisvolle Welt wiederentdecken: von den Windmulden zu den wandernden Sandbergen, von den Wurzelwürmern am Dünengras zu den von weither einfliegenden Möwen – es hilft uns, ihre wahre Bedeutung wiederzuerkennen: Es sind die Dünen, die uns auf Augenhöhe mit dem ansteigenden Meer halten können. Sie sind die Strände von morgen. Sie gilt es in Bewegung und frei von Bebauung zu halten. Der Sand, aus dem sie sind, ist nicht trügerischer Grund, sondern Garantie für eine funktionierende Anpassung zwischen Land und Meer.

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Die WeLt Der Dünen in 100 BegriFFen

Küstenexperten verstehen es, mit Fachwörtern ihre Zuhörer und Leserinnen virtuos zu verwirren. Sind schon die Küstenformen und Küstenwesen vielfältig genug, die Begrifflichkeiten, sie zu beschreiben, sind es noch viel mehr. Alphabetisch zum Nachschlagen geordnet sind hier 100 Fachworte der Küstensprache erklärt. Den Anfang macht der schlimmste Begriff: Anemophytogene Dünenbildung: Karl Gripp meinte damit, dass Küstendünen durch windige (anemo) und pflanzliche (phyto) Faktoren hervorgebracht (generiert) werden. Ausläufer von Pflanzen: sind in den Dünen eine sehr verbreitete Alternative zur Ausbreitung durch Samen. Horizontale Triebe können nach dem Versanden in höherer Lage und nach Ausblasung (UBlowout) von Sand in tieferer Lage Schwesterpflanzen hervorbringen. Barriereinsel: Der UKüstenlängstransport von Sand führt bei einem UTidenhub von 1 bis 3 Meter zu einer Kette von Düneninseln, die wie eine Barriere vor der Küste liegen. Sie sind meist aus USandbänken hervorgegangen. Bergkiefer (Pinus mugo): wird bei buschförmigem Wuchs auch Latschen- oder Krüppelkiefer genannt, als aufrechter Baum Spirke oder Hakenkiefer; wurde nach Anpflanzungen zum häufigsten Nadelbaum der Dünen im nördlichen Wattenmeer. Besenheide (Calluna vulgaris): häufiger Zwergstrauch in den Magerdünen des nördlichen Wattenmeeres. Wird nicht mehr zum Fegen, sondern wegen der Heideblüte in der zweiten Augusthälfte sehr geschätzt. Binnendüne: nicht an Küsten liegende Düne, die während der Eiszeit oder auf sandigen Böden nach Zerstören des Bewuchses durch Menschen entstanden ist. Blowout: vom Wind ausgeblasene Mulden oder Flanken bewachsener Dünen, in der Wirkung einem Burnout ähnlich. Bogendüne, auch Parabeldüne genannt: sichel- oder parabelförmige, mit dem Wind gewanderte Düne. Die massige Mitte wandert bei kahlen Wüstendünen (Barchane) langsamer und bei Küstendünen mit Bewuchs schneller als die flachen Seiten. Brandente oder Brandgans (Tadorna tadorna): auffallend schwarz-weiß gefiederte

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ein FLug von BLåvAnDS Huk BiS eiDerSteDt Die Welt der Dünen in 60 Bildern und dazu 60 Fragen und Antworten

Es stürmt an diesem Julitag: Regen und Sturmböen eines Tiefs von Irland fegen über Land und Meer. Am Strand prickelt der aufgescheuchte Sand auf meiner Haut. Doch es ist nur ein kurzer Sturm. Schon erscheint ein erstes Blau zwischen den Wolken. »Bestes Flugwetter«, verkündet Jürgen Meyer-Brenkhof. Das sagt er immer, bei jedem Wetter – außer bei dickem Nebel. Er ist Pilot einer Cessna 170 am kleinen Terminal von Westerland auf Sylt. Der wichtigste Passagier der Cessna ist Alex S. MacLean mit einem schweren Rollkoffer voll mit Kameras und Objektiven. Er ist selbst Berufspilot, darf aber mit seiner amerikanischen Lizenz in Deutschland nicht fliegen. Die beiden Piloten haben dieselbe Leidenschaft für den Blick von oben. Alex sitzt vorne neben Jürgen. Auf der Rückbank Dan Grossman und ich. Dan ist Nachbar und Freund von Alex in einem Vorort von Boston. Er ist Umweltjournalist und wird später für ein Meeresmagazin darüber schreiben, was Niederländer und Deutsche an ihren Küsten tun oder tun sollten, wenn die Nordsee immer höher steigt. Wir vier werden über das Wattenmeer fliegen – von Norden nach Süden, also von Blåvands Huk, der westlichsten Nase Jütlands, bis zur Halbinsel Eiderstedt: Das sind gerade mal 150 Kilometer im Direktflug und gut 170 Kilometer im geschwungenen Verlauf. Das Dünenareal, jeweils auf der Seeseite der Inseln, unbebaut und nicht aufgeforstet, umfasst gut 70 Kilometer in der Länge bei durchschnittlich einem Kilometer Breite – und dieser kleine Küstenabschnitt bringt eine beispiellose Vielfalt an Stränden und Dünenformen hervor: steile Brandungsstrände vor Skallingen und Sylt, die sich abwechseln mit den kilometerbreiten Strandebenen von Fanø, Rømø, Amrum und St. Peter-Ording. Auf den hohen Sandbänken wie Koresand und Süderoogsand treiben Winde flache Sicheldünen im Zickzack vor sich her. Krippen von Jungdünen bieten dagegen der Havsand von Rømø und der Kniepsand von Amrum. An wachsenden Stränden entstehen aufeinanderfolgende Dünenwälle. Und wo Strände schrumpfen, gehen Dünen auf

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Wanderschaft. Auf Sylt und Amrum sind Dünen über eiszeitliches Geschiebe gezogen, über Salzwiesen geweht auf Skallingen, Sylt und Fanø. Und den Sylter Norden queren bis heute gigantische Wanderdünen. Nirgends auf der Welt sind die Voraussetzungen für Küstendünen so abwechslungsreich und so spannend zu beobachten wie hier im nördlichen Wattenmeer. Die Nordsee kocht. Weiße Schaumberge bis zum Horizont. Unter uns Sylt. Alex hängt mit der Kamera weit aus dem Seitenfenster. Der Wind macht einen ohrenbetäubenden Lärm. Die Fensterklappe haut auf die Kamera. Ich halte sie hoch, sie lässt sich nicht einhaken. Die Südspitze von Sylt wird immer dünner und kürzer. Bei jedem Sturm gehen ein paar Meter mehr ins Meer. Die Dünen sind hier flach, das ist deutlich zu sehen. Dabei ist die Sylter Südspitze 300 Jahre lang extrem schnell gewachsen. Und nun? Schnurrt sie um so schneller wieder zurück. Ich erkläre Dan das Dilemma der Tetrapoden, den sechs Tonnen schweren Betonklötzen unten am Strand, die die Insel nicht retten oder stützen, sondern dem Abgrund näherbringen. Alex hat das im Blick. Er drückt auf den Auslöser seiner Kamera. Alex hat Architektur und Landschaftsplanung studiert. Seine Luftbilder zeigen, was man von unten aus nicht sieht: Die Spannung zwischen Landschaft und ausuferndem Häusermeer, wirre Straßennetze, verletzte Berge und Wälder. Alex ist eine weltbekannte Koryphäe auf seinem Gebiet. In seinem Buch Las Vegas, Venedig, fragile Mythen (2010) zeigen die Luftbilder die Folgen von zu wenig und von zu viel Wasser. In Über den Dächern von New York (2012) blickt Alex in die Oasen der Stadt, in die Dachgärten hoch über der Central Avenue. Ein Stipendium holte ihn ans Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst, wo wir uns trafen und auf Anhieb verstanden. Seine Bilder von den unterm Meeresspiegel liegenden Küstenmarschen hinter mächtigen Deichen und von den trogartigen Warften der Halligen lassen erahnen, was hier im Norden Deutschlands passiert, wenn der Meeresspiegel immer höher steigt. Jetzt aber fliegen wir über Amrum, wo trotz des breiten Strandes das Meer im Wintersturm die vordersten Dünen mit Wucht durchbrochen hat. Weiße Sandfahnen reichen weit in die Dünentäler dahinter, daraus werden einmal neue Dünen. Alex fotografiert. Der Flieger schaukelt. Dan neben mir macht das nicht glücklich, Pilot Jürgen und Alex spüren davon nichts. Noch einen Bogen fliegen wir über den Norderoogsand. Dort ist in den letzten Jahren eine kleine Düneninsel neu entstanden. Die letzten Stürme haben ihr zugesetzt. Weiße Sandfahnen gibt es wie auf Amrum, aber hier reichen sie bis zur Inselmitte. Das sind auch nur 50 Meter. Möwen kreisen wie wir um die Insel. Sie ziehen hier ungestört ihre Jungen auf. Wir fliegen weiter über Halligen, Föhr und den Bahndamm zurück nach Sylt. Landung nach zwei Stunden Flug. Trotz Headset dröhnt der Schädel vom offenen Seitenfenster. Und mein Arm ist lahm geworden vom Hochhalten der blöden Seitenklappe.

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Während insgesamt sieben Flügen in den Jahren 2015 und 2017 haben wir die Dünenlandschaft im nördlichen Wattenmeer von oben betrachtet. Wir sind über dem silbernen Dünenband von Blåvands Huk in Dänemark über Sylt und Amrum bis nach St. Peter-Ording geflogen – aber nie war der Himmel wolkenfrei und die Dünen, um die sich alles drehte, waren nie ganz ohne Schatten. Die Bildausbeute von Amrum ist trotzdem gut. Kurz hatte die Sonne dann doch noch auf die Dünen geschienen. Alex zeigt am späten Nachmittag die Fotos auf seinem Laptop. Wir treffen eine erste Auswahl. Aber wir brauchen mehr Fotos. Alex wird wiederkommen. Das Erlebniszentrum Naturgewalten in List auf Sylt sponsert die weite Reise und die Flüge über die Dünen. Jürgen berechnet nur den Selbstkostenpreis. So oft ist er schon über sie geflogen. Sie faszinieren uns, die Inseldünen, sie locken uns gemeinsam hinzuschauen, zu staunen und Fragen zu stellen: Was sehen wir und was hat es zu bedeuten? Was erzählt uns das, was wir von oben sehen, was erfahren wir aus dieser Perspektive über die Vergangenheit der Dünen und was kann es uns für die Zukunft sagen? 60 Fotos haben wir ausgewählt, um die geheimnisvolle Landschaft der Dünen wiederzuentdecken.

Kartenausschnitte zu jedem Foto verweisen auf Flugposition und Blickwinkel des Fotografen

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1 Warum beginnt am Blåvands Huk (Blauwasserhaken) das Wattenmeer? Der grund liegt auf dem Meeresboden, wo eine flachgespülte gletschermoräne – das Horns Rev – 39 kilometer weit in die nordsee streicht. Das ist soweit, wie das Leuchtfeuer dort mit seinem Licht reichen kann. Berüchtigt ist das unterwasserriff als untiefes grab zerbrochener Schiffe. Dieses riff bricht aber auch die von Süden kommende gezeitenwelle, schwächt sie von über 1,5 Meter auf nur noch einen halben Meter ab. Bei schwachen gezeiten tauchen kaum noch Watten auf: und wo kein Watt ist, ist auch kein Wattenmeer. Statt einer perlenkette von Düneninseln, die das Wattenmeer ziert,

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dehnen sich hier dann nur ellenlange Sandnehrungen wie bei Hvide Sande nördlich vom Blåvands Huk. im Wattenmeer dagegen erzeugen gezeiten tiefe rinnen, die nur Düneninseln und Sandbänke – aber keine Sandnehrungen – zwischen sich dulden. Deswegen also beginnt (von norden aus gesehen) oder endet (von Süden aus gesehen) das Weltnaturerbe Wattenmeer mit seinen Düneninseln am Blåvands Huk (Foto). vorne im Bild sind unterwassersandbänke zu erkennen. Hinterm Strand liegt eine Ferienhaussiedlung, ein Leuchtturm steht in den Dünen. Weiter nördlich dienen die Dünen als militärisches übungsgelände.


2 Warum liegen Bunker am Strand? Blåvands Huk war im letzten Weltkrieg vorposten im sogenannten Atlantikwall. Hier wurden Dünen bepflanzt und von der deutschen Wehrmacht mit geschützstellungen aufgerüstet. eine der Bastionen – Stellung tirpitz – ist heute Museum zur Mahnung. Auch die auf dem Strand liegenden Betonblöcke thronten einst auf Dünen. Beton wandert nicht, Strände schon. Die nordsee holte sich hier ihren Sand zurück und ließ dabei die Festungen rutschen. Die mahnen nun auch, besser nicht auf Sand am Meer zu bauen. um das zu sehen, entstand ein breiter trampelpfad quer durch die Dünen. Aufgegebene pfade können Dünengräser mit ihren Ausläufern wieder schließen. Die sind dann nur noch als Linien zu erkennen. Die grünen Flecken im helleren Dünengras sind gebüsche der aus Asien stammenden kartoffelrose. Die wurde wohl zur tarnung von Bunkerbeton hier angepflanzt.

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3 Was geschieht mit einer Insel, wenn ihre Dünen Deiche werden? unterm Blåvands Huk ragt die Halbinsel Skallingen knapp 12 kilometer weit ins Wattenmeer. Den Strand säumten einst hohe Dünen. Dahinter erstrecken sich sandige Salzwiesen mit bewachsenen Flugsandkuppen und zum Watt hin salzige Wiesen mit prielen. vor 400 Jahren war Skallingen noch eine kahle Sandbank. Da Wiesen mit Flugsand schlecht zur viehweide taugen, wurden zwischen 1903 und 1909 und nochmals nach 1930 die Dünen zu Sanddeichen verbunden und bepflanzt. Dadurch lagen sie nun fest und die Sandverluste auf der Seeseite fanden keinen Ausgleich mehr durch landeinwärts gespülten oder fliegenden Sand auf der Wattseite. So wurde der Dünensaum zunehmend schmaler. Außerdem wurden Buhnen am Strand errichtet (zwei, vorne links im Bild). Die sollten die Sanddrift nach Süden bremsen. Dadurch verkümmerte aber die Spitze der Halbinsel. ein vertiefen der nahen Fahrrinne nach Esbjerg von 4 auf 10 Meter zerrte zusätzlich am Sandkontingent. So wurde Skallingen im 20. Jahrhundert um 300 Meter schmaler und einen kilometer kürzer. Das verbliebene, schwer vom Schicksal gezeichnete Skallingen steht nun unter naturschutz und ist teil des nationalparks Dänisches Wattenmeer geworden.

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4 Für wen sind Inseln sicherer als Halbinseln? Langli, die nördlichste Düneninsel im Wattenmeer, war Halbinsel lange bevor Skallingen entstand. Wahrscheinlich machte die Sturmhölle von 1634 (zweite große Mandränke) aus Langli eine insel. Die bis 14 Meter hohen Dünen in der Mitte sind von bunten Salzwiesen

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umgeben. 1913 verließen die letzten Bewohner nach einer Sturmflut ihre insel. ein einsames Haus dient heute vogelwarten als Domizil. Möwen, Seeschwalben und seit 2007 auch Löffler (dänisch Skestorken) brüten hier. Durchs Watt schnürt nur selten ein Fuchs. Deshalb sind für am Boden brütende vögel inseln sicherer als Halbinseln.


5 Warum hat Fanø so viele verschiedene Dünen? Die insel Fanø hat zum Strand hin lange, parallele Dünenwälle mit feuchten Senken dazwischen und weiter landeinwärts ein breites, ungeordnetes Dünenland. Die Dünenwälle sind jung und grün, die Dünen dahinter alt und braun. Die insel entstand vor 6000 Jahren aus einer Sandbank und wuchs nach Westen und norden weiter. Doch dann spülte die nordsee über 2000 Jahre lang keinen neuen Sand mehr an. erst vor rund 500 Jahren setzte die Sandzufuhr wieder ein, und seitdem wächst Fanø wieder. Die hohen Dünen vorm Wald rechts

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oben im Bild entstanden als Wanderdünen weiter im Westen. Der Wind trieb sie dorthin. Die südwestlich von ihnen gelegenen Dünen zogen hinterher, kamen aber nicht mehr so weit.Solche Dünen bilden sich hinter zurückweichendem Strand, während die parallel zum Strand liegenden Dünenwälle auf dem später wieder wachsenden Strand entstanden sind. Der frische Sand dafür stammt aus unterwasserriffen und strandet mit den Wellen auf Fanø. Das zeigen die Brandungskämme links oben im Bild.


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6 Warum liegen auf Fanø die Ferienhäuser in den Dünen? Die insel erlebte im 18. und 19. Jahrhundert eine wirtschaftliche Blüte durch den Bau großer Segelschiffe und durch Handelsschifffahrt. Als hölzerne Fanø-Segler nicht mehr gefragt waren, begann eine wirtschaftliche Flaute, denn die kargen Dünenböden gaben nicht viel her. Doch dann avancierte Fanø zur berühmtesten Freizeitinsel Dänemarks und Ferienhäuser machen sich gut im Dünensand. So gut, dass ohne navigationshilfe wohl kaum jemand sein Domizil in diesem Labyrinth finden kann.

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WoHer Der SAnD koMMt

Die Sandlieferanten Der Sand der Dünen ist nicht überall gleich. Auf und um Sylt ist er grobkörniger als weiter nördlich und südlich der Insel. Das hat nur wenig mit der Wucht der Wellen zu tun, die kleine Körnchen wegschleudern und große eher liegen lassen. Die Ursache liegt in der Tiefe der Zeit. Zuerst – vor zwei bis drei Millionen Jahren – lieferte ein reißender »Baltischer Urstrom« aus dem Nordosten Europas groben grauen Sand. Sein Delta schuf er, wo heute die Nordsee liegt. Über diesen Flusssand schoben danach Gletscher aus Skandinavien viel Sand und Steine. Im Bereich von Sylt gab es ein Durcheinander der Schichten. Die Ursache dafür liegt noch viel weiter in der Tiefe der Zeit. Vor 300 Millionen Jahren erstreckte sich ein Meer vom Baltikum bis Schottland und bis weit in eine Senke, durch die heute der Rhein fließt. Sein Wasser verdunstete, so wie heute im Toten Meer, und eine riesige Menge Salz blieb zurück, die inzwischen gut drei Kilometer tief unter der Küste liegt. Alles was später darüber abgelagert wurde, drückte das Salz immer fester zusammen. Hinzu kam noch Druck von der Seite wegen Verschiebungen in der Erdkruste, so stark, dass das zu Stein gewordene Salz eine elastische Masse wurde und sich an einigen Stellen den Weg bis weit nach oben bahnte, zum Beispiel unter Lüneburg, Wilhelmshaven, Helgoland und Sylt. Was darüber lag wurde zur Seite geschoben oder mit nach oben gehoben. Unter Sylt kam dadurch der grobe graue Flusssand aus dem Baltischen Urstrom (manche Geologen nennen ihn Eridanos) stellenweise bis über das heutige Meeresniveau. In die Hand nehmen lässt sich dieser Flusssand am bunten Kliff von Morsum im Osten von Sylt, wo einst ein Gletscher sich tief in die angehobenen Sandschichten rammte, sie auffaltete und nebeneinander ablegte. Dadurch liegt der grobe, graue Flusssand dort neben noch älterem Strandsand. Durch eingesickertes Eisen leuchtet er rostig rot in der Morgensonne. Und daneben liegt dann noch älterer, schwarzgrauer Ton mit vielen Fossilien von Meerestieren, die einst 300 Meter oder noch tiefer am Meeresgrund lebten. Wegen der Auffaltung wiederholt sich am Kliff diese Dreifarbigkeit. Kein Landart-Künstler hätte das eindrucksvoller arrangieren können. Der grobe, graue Flusssand wird in der Mitte von Sylt auch ausgegraben und landet dann im Beton der Bettenburgen und anderen Inselbauten. Und wenn ein-

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mal Sturmwellen das Kampener Kliff auf Sylt erreichen und es dadurch schichtweise abbricht, dann werden unter braunrotem, eiszeitlichem Geschiebe, das dort bis auf 30 Meter mächtig über ihm liegt, ganz unten die groben grauen Flusssande sichtbar. Die liegen allerdings auch überall am Strand. Nicht so sehr, weil sie aus dem Kliff gespült wurden, vielmehr kommen sie heute vom Grund der Nordsee ein paar Kilometer weiter draußen. Dort holen Baggerschiffe sie mit einer Spülvorrichtung aus zehn bis 30 Meter Tiefe unter dem Meeresgrund hervor und befördern diesen Sand über Rohrleitungen bis auf den Sylter Strand. Das dient dem Küstenschutz und dafür ist der grobe Sand gerade recht, weil der länger am umtosten Strand liegen bleibt als feiner Sand. Der Griff der Baggerschiffe in die Tiefe ist so ganz unnatürlich nicht. Auch mächtige Sturmfluten um Sylt haben den groben grauen Flusssand hin und wieder freigelegt und dann sowohl mit dem von skandinavischen Gletschern herbeigeschobenem Sand als auch mit von weiter her gekommenem Meeressand vermischt und schließlich auf den Strand geworfen. Das also ist der gemischte Stoff, aus dem auch die Dünen sind. Auf Sylt ist der Anteil der groben grauen Körner besonders hoch. Der Dünensand auf Rømø und Fanø kommt dagegen von Norden her und ist viel feiner. Feiner ist auch der Sand bei St. Peter-Ording, weil dort der grobe graue Flusssand viel tiefer liegt als unter Sylt. Die Sandkorngrößen um Amrum liegen dazwischen.

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Auch wenn sich diese Korngrößenunterschiede nur in Bruchteilen von einem Millimeter abspielen, sind die Folgen für die Dünenlandschaft doch immens. Je gröber der Sand, umso steiler die Dünenhänge und umso schneller werden Kalk und andere Pflanzennährstoffe vom Regen ausgewaschen. Das verursacht eine strenge Auslese unter den Dünenpflanzen und erklärt manche Unterschiede zu anderen Küstenregionen mit viel feinerem Sand.

Die Küstenformer Die Nordseeküste ist eine hochdynamische Küste, das heißt sie verändert sich in relativ kurzer Zeit und zwar dramatisch. Strände und Dünen sind dem Frontalangriff der Sturmfluten aus Westen ausgesetzt und deshalb heute in ihrer ursprünglichen Lage und Form nur noch zu erahnen. Wie haben sie einst ausgesehen? Mancherorts sind Spuren erhalten von Naturereignissen, die sich vor sehr langer Zeit ereignet haben. Unter Rømø wurden steinige Ablagerungen des bisher wohl einzigen Tsunamis in dieser Region gefunden. Vor etwa 8150 Jahren brachte dieser Tsunami die Küste erheblich durcheinander. Ausgelöst worden war er durch Hangrutschungen an Norwegens Küste, dann schwappte er mit einer gewaltigen Flutwelle durch die noch junge Nordsee bis zur heutigen Küste. Man kann sich vorstellen, mit welcher Kraft eine solche Welle die Küste verändert hat. Geprägt wurde die Küstenform aber zunächst durch die Gletscher der Eiszeiten und durch das, was die Gletscher an Erdreich samt Geröll hinterließen. Das meiste davon kam vor rund 150.000 Jahren an. Neandertaler haben das wahrscheinlich gesehen, während unsere Art, Homo sapiens, noch nicht aus Afrika herausgekommen war. Wie nun aber formten die schmelzenden Gletschermassen die Küste und vor allem: Warum sehen nicht alle Küstenabschnitte der Nordsee gleich aus? Die vorletzte Eiszeit hinterließ markante Erhebungen nördlich von Esbjerg, das Mittelstück von Sylt und den Stollberg bei Bredstedt. Die Gletscher der nächsten und vorerst letzten Eiszeit schafften es nicht bis zur Nordseeküste, aber ihr zur Nordsee ablaufendes Schmelzwasser schwemmte viel Sand mit. Der Meeresspiegel war während der letzten Eiszeit um mehr als hundert Meter tiefer als heute, weil noch viel Wasser gefroren auf Land lag. Die dann im Zuge der Erwärmung ansteigende Nordsee erreichte vor 8.000 Jahren die heutigen Höhen der Küste. Rentierjäger, Fischer und Sammlerinnen von Muscheln, Kräutern, Beeren und Pilzen haben das beobachtet, aber ihre Erzählungen gingen verloren. Von Fanø bis Rømø wuchs die Küste in Intervallen seewärts vor, die Strände von Sylt bis Eiderstedt zogen sich dagegen zurück, reichten also einst viel weiter nach Westen. Diese gegenläufige Entwicklung, im Norden seewärts, im Süden

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landwärts, bewirkt bis heute, dass sich die Dünenlandschaft innerhalb des 70 Quadratkilometer großen Gebiets sehr unterschiedlich entwickelt. An Sylt rieben sich die Nordseewellen am meisten. Dabei entstanden die höchsten Dünen. Auch Amrums eiszeitlicher Kern wurde von Nordseewellen angegriffen, aber Sandbänke legten sich dort bald wieder schützend davor. Die Sandbänke von Amrum bis Eiderstedt sind vielleicht Reste einer früher durchgehenden Dünenkette. Mit der durch das Schmelzwasser ansteigenden Nordsee schufen Wellen an manchen Stellen steile Kliffkanten und brachen Land ab. Nördlich von Sylt entstanden dagegen erst Sandbänke, aus denen sich dann die Inseln Rømø und Fanø mit niedrigeren Dünen entwickelten. So entstand mit Unterbrechungen ein geschwungener Dünenbogen vom Blåvands Huk bis zum eiszeitlichen Herz von Sylt und von da ein zweiter bis Eiderstedt. Dahinter lud die Nordsee viel Sand und Schlick ab. Daraus wurde das Wattenmeer, weltweit die größte, zusammenhängende Wattfläche, sie reicht bis weit in die Niederlande hinein. Überall liegen Sandbänke oder Düneninseln davor. Sie fangen die Wucht der Nordseewellen ab.

Die Dünenmacher Die wechselhafte Teamarbeit von Gezeiten, Wellen und Wind, Sonne und Regen könnte für die Vielfalt der Dünen und ihrer Vegetation kaum besser laufen. Winde vom Atlantik herrschen vor und werfen sich zusammen mit den Wellen frontal auf die Küste von Eiderstedt bis Blåvands Huk. Das bringt viel Sand in Bewegung, den Stoff, aus dem die Dünen sind. Zunächst zum Meer: Zweimal täglich wechseln Hochwasser und Niedrigwasser. Der Höhenunterschied dieser Gezeiten liegt zwischen drei Meter bei Eiderstedt und anderthalb Meter bei Skallingen. Der im Süden stärkere Tidenhub hält dort die Sandbänke auf Trab. Vielleicht gibt es deswegen zwischen Eiderstedt und Amrum keine so dauerhaften Düneninseln wie es Rømø und Fanø weiter im Norden sind. Gäbe es keine Gezeiten, könnten Wind und Sonne viel weniger Sand am Strand trocknen. Und damit gäbe es weniger Dünen. Denn ohne Flugsand keine Dünen. Der Mond mit seinem Einfluss auf Ebbe und Flut ist also ein Freund der Dünen: Er legt die Flächen frei, die den Sand der Dünen liefern. Aber nicht nur der Mond ist ein Dünenmacher, auch der starke Seegang der Nordsee spielt den Dünen ihren Stoff zu. Die manchmal bis zu zehn Meter hohen Wellen vor Sylt (im Mittel nur um ein Meter) wirbeln viel Sand auf. Wenn sie mit dem Ebbstrom aus dem Wattenmeer aneinandergeraten, werden durch die Turbulenzen hochmobile Sandbänke aufgeworfen. Seehunde lieben sie zum Verschnaufen. Verschmelzen solche Sandbänke mit nahen Stränden, dann lösen sie mit ihrem Sonderangebot an Sand dort neue Dünen aus.

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Starker Seegang kann aber auch das Gegenteil bewirken: Bei Sturmfluten klatschen Wellen auf etablierte Dünen und reißen viel Sand vom Hang und Dünengras mit sich fort. Ein Kliff entsteht. Doch aus der Zerstörung kann Neues erwachsen, wenn ein Durchbruch bis ins erste Dünental geschieht. Wird dabei dann viel Sand eingespült, erfasst ihn der Wind und formt daraus neue Dünen, landeinwärts versetzt. Sturmfluten bringen also Veränderung mit sich, und manchmal wirken sie auf altersmüde Dünen wie ein Elixier. Die durchschnittliche Windstärke liegt im Sommer bei 4 und im Winter bei 5 auf der Beaufortskala. Windstille ist selten und Orkanstärken werden fast jeden Winter erreicht. Ob der Klimawandel der Nordseeregion mehr Stürme bringen wird, das ist noch nicht ausgemacht. Sturm erzeugt Sandgebläse am Strand sowie Erosion und Verschüttung in den Dünen, und außerdem weht der starke Wind in Wassertropfen Meersalz weit landeinwärts. Das macht Dünenpflanzen das Leben schwer und hält Bäume kurz. Für Dünen aber muss das kein Nachteil sein. Ihr Sand bleibt in Bewegung und sie wachsen höher. Winde aus Westen sind doppelt so häufig wie die landseitigen Winde aus der Gegenrichtung. Werden nur Stürme gezählt, überwiegen die von der See her um das 15-Fache. Der Wind vom Atlantik bringt aber auch den meisten Regen, besonders zur Ferienzeit. Mit dem wärmer werdenden Klima wird es noch mehr Regen geben. Der bremst die Wirkung des Windes auf den Sand, denn feuchter Sand fliegt nicht mehr. Regen hilft außerdem den Dünenpflanzen beim Wachsen. Regen ist daher ein Dünenbändiger. Doch nicht immer: Durchnässt an steilem Dünenhang ein Regenguss nur die obere Sandschicht, dann wird sie schwer und gerät wie eine Lawine ins Rutschen. Die Sonnenscheindauer ist auf den Düneninseln etwas länger als auf dem nahen Festland. Zusammen mit dem Wind trocknet die Sonne den Sand und sorgt für Verdunstung. Dadurch wird nasser Dünensand wieder flugfähig. Nach Süden zur Sonne und nach Westen zur Hauptwindrichtung exponierte Hänge lassen Sand deswegen leichter fliegen als Hänge nach Nordost. Umgekehrt können Dünenpflanzen solche Schattenhänge leichter bewachsen und geben ihnen dadurch Halt. Dieses Gegeneinander erhöht die Dünenvielfalt. Wind und ozeanisches Klima verursachen ein relativ spätes Frühjahr, und im Herbst bleibt es länger mild als im Binnenland. Dünenpflanzen blühen daher spät, und manche vertun sich auch und blühen sogar mitten im Winter – wie zum Beispiel der eingeführte Ginster. Am kältesten ist der Februar mit durchschnittlich 0°C. Nur in wenigen Jahren kommt beißender Frost aus Osten mit Eis auf dem Watt und manchmal Schnee in den Dünen. Am wärmsten ist der August, im Mittel 18°C. Insgesamt ist das Nordsee-Klima sehr gedämpft, milde, ziemlich feucht und durch den Wind zugleich auch rau – diese Mischung tut der Dünenvielfalt gut.

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Der StoFF, AuS DeM Die Dünen SinD

Sand steht seit der Zeit von Sanduhren sinnbildlich für Vergänglichkeit. Das passt zur Küste der Dünen und passt zu sandigen Küsten generell angesichts eines ansteigenden Weltozeans. Passt auch zum rasant wachsenden Bedarf an Meeressand für Beton- und Straßenbau. Unser Verhältnis zum Sand ist zwiespältig. Einerseits verwenden wir abwertende Sprüche: wie Sand am Meer, den Kopf in den Sand stecken, etwas in den Sand setzen oder im Sande verlaufen lassen, auf Sand bauen, Sand in die Augen streuen. Andererseits lieben wir Sandstrände und Dünenlandschaften und erholen uns gern am Meer. Strand und Meer versprechen Freiheit, Gesundheit und Glück. Solche Widersprüche sind ein guter Grund, den Sand einmal grundsätzlich aufs Korn zu nehmen. Sand ist nicht gleich Sand und in großer Menge kann er unberechenbar werden. Auch verhält sich Sand ganz anders im Wasser als an Land. Beginnen wir mit den Sandkörnern, ohne die es weder Strand noch Dünen gäbe. Sand wird von Sandforschern über den Korndurchmesser von 0,06 bis 2 Millimeter definiert. Noch kleinere Körnchen sind Schluff oder Ton. Größer als Sand sind Kies und Steine. Die größte Masse am Strand stellen Sandkörner um 0,2 Millimeter. Sand besteht meistens aus Quarz. Chemisch ist Quarz oxidiertes Silizium (SiO2), das pyramidenförmige Kristalle bildet. Diese ketten sich fest aneinander, und die Ketten sind wiederum ineinander zu langen Spiralen verdreht. Darum ist Quarz extrem hart und chemisch kaum zu lösen. So ist es kein Wunder, dass von allen Sandkörnern die aus Quarz am längsten überleben und so auch am Strand viel häufiger sind als Sand aus Feldspat (rechteckige Kristalle aus oxidiertem Silizium und Aluminium mit entweder Kalium, Natrium oder Calcium dazu), als Sand aus schwarz glänzendem Magnetit (eine Form von oxidiertem Eisen, das dunkle Streifen auf helle Sandstrände malen kann) oder als Sand aus hinfälligen Kalkstückchen, die von Meeresorganismen stammen. Quarzsand entsteht beim Verwittern und beim Zermahlen von Gestein. Das können Gletscher am besten. Und so gelangen Quarzkörner auf langem Wege von vereisten Berggipfeln über Bäche und Flüsse zu den Küsten. Während der Eiszeiten waren die Wege kürzer und heute sind sie oft durch Staudämme blockiert. An kontinentalen Küsten überwiegen Sandkörner aus hellem Granit. Der entsteht tief im Erdmantel aus langsam abkühlendem Magma. Granit hat dadurch relativ große

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Kristalle und ist grobkörniger als dunkler Basalt. Der quillt geschmolzen als Magma aus tiefem Meeresgrund hervor und erstarrt schnell. Seine Kristalle bleiben damit klein. In zerriebener Form versorgt Basalt die schwarzen Strände ozeanischer Inseln. Durch tektonische Verschiebungen kann Quarzsand nach vielen Millionen von Jahren wieder zu Magma verschmelzen. Daraus kann wieder Granit und dann erneut Sand werden. In der Tiefe verhärtet Sand unter Druck auch zu Sandstein. Rückt der wieder nach oben, verwittern ihn Frost, Regen, Wellen oder auch Pflanzen und setzen die Sandkörner wieder frei. Sandkörner leben also nicht ewig, werden wieder zu Stein oder können zu Schluff oder Ton zersplittern oder sogar eingeschmolzen werden. Zweifellos aber sind Sandkörner älter und erfahrener als wir. Könnten wir sie verstehen, sie würden uns viel zu erzählen haben.

Sand rollt, hüpft, fliegt und wird manchmal hart getroffen Strömendes Wasser sortiert Sandkörner nach Größe und Gewicht. Wo es stark fließt, bleiben nur die gröbsten Körner liegen und die feinen geraten in die Schwebe. Wo Wasser zur Ruhe kommt, hat es nur noch feinste Körner abzusetzen. Ist die Brandung stark, überwiegt also grober Sand und in stillen Buchten der feine. Brandung wäscht außerdem die Sandkörner blank. In stillen Buchten sind sie dagegen oft verklebt mit Ton und organischem Schleim. Daraus wird dann Schlick. Wind tut sich schwer mit grobem Sand und kann ihn höchstens rollen. Hat er aber ein feines Korn in die Luft gehoben und fällt das danach hart auf ein grobes Korn zurück, dann ist die Wucht so groß, dass das kleine selbst das große Korn weit durch die Luft zu schleudern vermag. Fällt nun aber das grobe Korn nicht auf noch gröbere, sondern landet in einem Kissen aus feinem Sand, dann verpufft seine Wucht und es bleibt erstmal liegen. So kann sich Sand anhäufen. Und manchmal wird daraus eine Düne. Nimmt der Wind an Stärke zu, bläst er die feinen Körner fort und die groben bleiben erstmal liegen. Sie kommen aber erneut zum Sprung, wenn sie wieder hart getroffen werden. So geschieht es, dass trockener Sand aller Größen vom Wind bewegt wird, je nach Windstärke mehr rollend, hüpfend oder fliegend, wobei auf Dauer allerdings feiner Sand weiter kommt als grober. Das scheint vielleicht kleinka-

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riert, aber die Wirkungen sind groß. Haufen aus kantigen und groben Sandkörnern bilden steilere Hänge als Haufen aus runden und feinen Sandkörnern. Das wirkt sich auf Form und Beweglichkeit von Dünen aus. Mehr noch, die Korngröße beeinflusst auch die Dünenpflanzen. Vom Meer kommend ist Strandsand noch reich an Kalk und Nährstoffen. Ist er zu Dünen aufgeweht, wäscht Regen aus grobem Sand schneller aus, was Pflanzen gerne hätten, als aus feinem Sand, der dichter gepackt ist. Pflanzen in grobem Sand müssen also genügsamer sein als Pflanzen in feinem. Da Pflanzen mitbestimmen, wie beweglich Küstendünen sind, können Unterschiede von Korngrößen selbst in Bruchteilen von Millimetern noch bedeutsam sein. Im Gedankenexperiment geht es noch weiter. Wären Sandkörner viel gröber als sie durchschnittlich sind, hätte der Wind es schwer, sie zu Dünen zu türmen und auch Wasser würde sie weniger weit transportieren. Berge und Küsten wären dann steiler und Kontinente deshalb kleiner. Wären Sandkörner dagegen viel feiner als sie es meist sind, dann würden sie von den Bergen gleich bis in die Tiefsee gespült. Berge und Küsten würden deshalb flacher; weil aber mehr Sand im Meer versinkt, wären auch wieder die Kontinente kleiner. Für uns Landtiere sei also das mittlere Korn von 0,2 Millimeter gerade recht, meinte schon der Geologe Philip Kuenen auf einer Tagung 1959. Zur Prüfung dieser Hypothese bräuchten wir nur Planeten mit anderen Sandkorngrößen.

Sand am Hang, gerippelt und als Brei Sand ist weder fest noch flüssig. Er verhält sich aber eher wie eine Flüssigkeit. Das Gruppenverhalten von Sandkörnern gibt der Forschung noch viele Rätsel auf – vor allem: Ab wann spielt die Individualität der Körner keine Rolle mehr und tritt Sand nur noch als Masse auf? Was macht die Hangstabilität aus, wie beeinflussen die Abstände der Sandkörner untereinander und die Form der Körner die Entstehung von Sandrippeln und wie finden Sandkörner, gemischt in verschiedensten Größen, ihre engste Packung? Sandkörner sind rätselhafte Wesen. Eckiger und grober Sand bildet steilere Hänge als runder und feiner. Je steiler ein Hang, desto eher gehen dort Sandlawinen ab. Aber wann genau sich eine Lawine löst, ist unberechenbar. Ist ein Ruhewinkel überschritten, genügt ein einzelnes verrutschtes Sandkorn, um den ganzen Hang in Bewegung zu setzen. Wird lockerer Sand kräftig in einer Schale geschüttelt und gerüttelt, erscheinen die gröbsten Körner immer oben. Sie werden von der feineren Mehrheit ausgesondert, weil sie nicht in deren enge Packung passen. Auf ähnliche Weise kommen vielleicht auch menschliche Größen oben an. Ebenso wie das Meer kann Sand oberflächlich gewellt sein. Wenn Sand von

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bewegtem Wasser oder heftigem Wind ergriffen wird, entstehen Rippel von wiederkehrender Form und Sandverteilung. Durch Berechnungen fand Hermann von Helmholtz (1821–1894) heraus, dass die Grenzfläche beweglicher Substanzen von unterschiedlicher Dichte in Wellenform verläuft, weil so der Reibungsverlust am geringsten bleibt. Im Gegensatz zu Wasserwellen schwingen Sandwellen aber nicht nach. Sie bleiben als Rippel stehen, bis Wasser oder Wind über dem Sand erneut so in Bewegung kommt, dass die Sandkörner zu tanzen beginnen. Feucht gewordene Sandkörner hängen eng zusammen, weil Wassermoleküle, die wie eine Haut jedes Sandkorn umhüllen, einander anziehen. Bei Erschütterung rücken solche Sandkörner noch enger zusammen. Ein Sandbrei wird dadurch plötzlich fest. Das kann gefährlich werden, wenn wir über wassergesättigten Sand laufen und dadurch Erschütterungen auslösen, die den wässrigen Sand schlagartig fest werden lassen. Dann stecken wir fest. Da hilft nur weiteres Rütteln, bis sich etwas Wasser zwischen Bein und Sand angesammelt hat. So wird der Sand dort wieder zu Brei und mit Glück schaffen wir es, ein Bein langsam herauszuziehen. Steckt man mit beiden Beinen fest, ist es gut, Freunde in der Nähe zu haben.

Lücken, Sicheln und Giganten Im Meer fühlen sich Sandkörner 2000-mal leichter als in der Luft. Entsprechend lassen sie sich von Strömung und Wellen leichter bewegen als durch den Wind. Wo Gezeiten und Seegang schwingen, kommt Meeressand kaum zur Ruhe. In den tiefen Gezeitenrinnen zwischen den Inseln wandert Sand in bis zu vier Meter hohen Sandbergen mit Flut und Ebbe vor und zurück. Wellen tragen aufgewirbelten Sand zum Strand. Aber bei den gewaltigen Wellen der Winterstürme zieht der reißende Rückstrom mehr Sand vom Strand zurück ins Meer als der turbulente Vorwärtsstrom vorher absetzen konnte. Anders im Sommer. Die sanfteren Wellen laden allen Sand ab, den sie beim Strandauflauf mit sich führen. Ihr schlapper Rückstrom lässt den Sand am Strand liegen. Folglich schwillt der schmale Winterstrand passend zum Bedarf der Sommergäste wieder zur vorherigen Breite an. Oft handelt es sich nur um Umverteilungen zwischen Sandbänken im Vorstrandbereich, die im Winter wachsen und im Sommer wieder abnehmen, und dem eigentlichen Strandhang, wo es umgekehrt verläuft. Meeressand beherbergt eine unglaubliche Fülle von winzigen Tierchen – der Sandlückenfauna. Sie finden zwischen den Sandkörnern Nahrung und Schutz. Auf jedem Sandkorn wachsen Kolonien von Mikroorganismen, etwa so wie Flechten

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und Moose auf feuchtem Fels. Wenn Wellen das Meerwasser mit viel Druck durch die Sandlücken pressen, wirkt ein Strand zudem wie ein Megafilter. In diesem Labyrinth der Lücken bleibt fast alles hängen, was an Plankton und Treibsel vorher im Wasser schwebte. Gäbe es die Sandlückenfauna nicht, wären auch die schönsten Strände schnell verstopft und »versifft«. Die winzigen Tierchen sind klein genug, um durch die Sandlücken zu kriechen oder zu schwimmen, ohne dabei nur ein Sandkorn zur Seite schieben zu müssen. Weil sie so klein sind, lohnt sich die Jagd auf sie kaum. Ein Fisch, der zupackt, hat das Maul nur voll Sand. Auch Garnelen mit ihren Borstenkämmen ergreifen die Sandlückenbewohner kaum, sind die doch nicht oder kaum größer als die Sandkörner selbst. Allerdings sind nicht alle dieser Winzlinge Vegetarier. Auch unter ihnen gibt es Wegelagerer und Jäger, die andere fressen. Die Sandlückenfauna liebt die Sylter Strände wegen ihrer groben Sandkörner. Im feinen Wattsand fühlen sie sich beengt und auch die Chemie stimmt dort nicht: zu wenig Sauerstoff und zu viel Schwefelwasserstoff. Kein Strand der Welt wurde von Zoologen mit so viel Hingabe untersucht wie der auf Sylt. Auf hundert Meter Breite und Länge neben dem Fähranleger von List wurden bisher 677 Arten verschiedenster Tierstämme ermittelt. Werden auch noch die ultrakleinen Geißel- und Wimpertierchen sowie Kieselalgen mitgezählt, wächst die Artenzahl auf rund 850. Neueste Erkennungsverfahren der molekularen Genetik lassen vermuten, dass es sogar mehr als tausend sind. Manche wandern zweimal täglich mit Flut und Ebbe im Strand rauf und runter. Wo der Sand trocken ist, leben höchstens ein paar Fliegen oder Strandflöhe von angespülten Algen oder verlorenen Krümeln. Ganz anders als der nasse Strand ist der in Sonne und Wind getrocknete Strand ein sehr unwirtlicher Lebensraum – außer für Badegäste. Den Sandkörnern fehlt die schützende Wasserhaut und damit ein Zusammenhalt. Bringt Wind sie zum Purzeln und Springen, kommt es unter ihnen zu brutalen Kollisionen. Auf weiten Strandebenen kann trockener Sand darum weit verwehen – aber nicht ohne Zwischenlandungen. Ansammlungen feiner Sandkörner sind für gröbere wie ein Bett zum Ausruhen. So häuft sich an manchen Stellen der Sand. Oft rollt, springt und fliegt er über feuchten Sand dahin, bis er in solchen Häufchen liegen bleibt.

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Die nehmen langsam eine Sichelform an, denn in der Mitte, wo schon viel Sand liegt und auch weiterhin viel ankommender Sand im weichen Bett hängen bleibt, kommt der Haufen nur langsam voran. An den flacheren Seiten geht es schneller. Dort dominiert für ankommende Sandkörner der Aufprall über das sanfte Einbetten. So entsteht eine Sichelform mit langsamer Mitte und vorauseilenden Enden. Oft berühren sich benachbarte Sicheln und bilden zusammen zickzackförmige Dünenbänder am Strand (Bild 7 und 51). Sie bleiben flach (unter ein Meter hoch), und wenn der Wind von See her kräftig bläst, kommt schon bald die Überflutung hinterher. Das Wasser zerstört die jungen Dünen und erzeugt ganz andere Muster. In Wüsten nimmt der Flugsand dagegen seinen Lauf und Dünen wachsen immer höher. Einen Rekord hält die Sarykum-Düne im Nordwesten vom Kaspischen Meer. Das verlor viel Wasser und so blieb Sand auf dem Trockenen liegen. Daraus und zusammen mit Sand von den Hängen des Kaukasus schuf der Wind Dünen bis 252 Meter Höhe. Vielleicht kann die Wüste Gobi das noch überbieten. Noch deutlich höher sollen Dünen auf dem Mars mit 475 Metern sein, wohl die höchsten im ganzen Sonnensystem.

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Wie Dünen entSteHen unD SicH ForMen

Mit dünn oder dun (niederdeutsch für betrunken) haben Dünen nichts zu tun, aber der Wortstamm findet sich in vielen europäischen Sprachen: dune (engl., franz.), duna (ital., span., portug.), duin (niederl.) und dyn (schwed.). Die Dänen dagegen nennen Dünen klit, und die Polen sagen wydma. Dünen können flach oder hoch, lang oder rund und, wie Sicheln, links oder rechts gebogen sein. Aber gleich welche Form sie auch haben: immer sind sie vom Wind gerundet. Eckige oder spitze Dünen gibt es nicht. Ihre Genese vom kleinen Sandhäufchen zum hohen Sandberg zeigt regelhafte Züge, ist aber natürlich nicht vorherbestimmt. Eine Düne kann früh stecken bleiben, schleichend oder sprunghaft vorankommen, wieder rückwärtslaufen oder überraschende Wenden nehmen. Dünen sind sehr lebendig und höchst individuell. Viele der Dünenformen haben Fachbezeichnungen, die sich auf idealisierte Formen beziehen und sich in der Natur nicht immer exakt voneinander unterscheiden lassen und ineinander übergehen. Auf ein und dieselbe Dünenvariante passen oft mehrere Bezeichnungen, die entweder der Morphogenese (Entstehung der Form) oder der Ökogenese (Entwicklung durch Wechselwirkungen mit Dünenpflanzen) entstammen. Die Namen spiegeln die große Formenmannigfaltigkeit und wie solche Formen zustande kamen. Die Suche nach dem passenden Namen kann manchmal sogar äußerst unterhaltsam sein. Dies umso mehr, weil viele Namen mehr oder weniger dasselbe meinen und nur jeweils einen besonderen Aspekt hervorheben. Manche Dünen und Dünentäler sind auch mit lokalen Eigennamen bedacht worden, aber auf Landkarten selten zu finden – es sei denn, eine Bezeichnung ist so profan, wie die der Aussichtsdüne von Amrum. Diese Übersicht zur Namensvielfalt der Dünenformen hilft vielleicht beim Weiterlesen: Strandgrasdünen sind Primärdünen oder Embyro dunes oder Nebkhas; Strandhaferdünen sind Sekundärdünen, Weißdünen, Vordünen, Randdünen, Dünenwälle; Bogendünen sind Parabeldünen oder Parabolics;

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Strichdünen sind lange, mehr oder weniger festliegende Arme einer Bogendüne; Eine flache Palve liegt in Luv und ein steiler Sturzhang liegt in Lee; Ausblasungen sind Windmulden oder Blowouts; Ein Schlop(p) ist ein Overwash oder Washover; Dünen im Ruhestand sind Tertiärdünen oder Grau- und Braundünen oder Magerdünen; Wanderdünen schiebt der Wind vor sich her und oben drauf sind oft bewachsene Kupsten; Gegendünenwälle sind Reliktdünen oder im Englischen auch gegenwalle.

Strandgrasdünen Während der tiefere Strand regelmäßig überflutet wird und immer feucht bleibt, wird der obere Strand nur vorübergehend bei Sturmfluten vom Meer durchnässt. In der übrigen Zeit trocknet dort der sauber gewaschene Sand im Wind. Die Sandkörner liegen dann locker da – bereit, gemeinsam mit anderen Körnern Großes zu vollbringen. Doch dafür brauchen sie den Wind. Wenn am Meer Wind weht, überträgt sich seine Energie auf das Wasser und wogt in der zusammenhängenden, trägen Wassermasse in gedämpfter Form weiter. Das ist beim Sand anders, auch wenn viele Körner zusammen eine Masse Sand ergeben – sie verhält sich nicht so wie eine Wassermasse. Herrscht Flaute, bleibt selbst trockener, locker liegender Sand am Boden ruhig liegen – es sei denn, jemand schmeißt damit. Bei schwachem Wind springen getroffene Sandkörner beim Aufprall anderer zwar noch kurz auf, kommen aber ohne stärkeren Wind nicht weit. Kommt aber wieder steifer Wind auf, nimmt er lockere Sandkörner mit sich fort. Doch selten weht er gleichförmig, sondern kommt in Böen. Die schwächeren Böen bringen kaum ein Sandkorn ins Rollen. Heftige Böen können dagegen in wenigen Stunden große Mengen von Sand verfrachten – bei Sandgestöber ist es darum gut, den Wind im Rücken zu haben. Trifft Wind am Strand auf Widerstand wie angespülten Tang, linke Schuhe oder alte Fischkisten, häufen sich verwehte Sandkörner davor an. Andere bleiben im Windschatten dahinter liegen. Nimmt der Wind an Heftigkeit zu oder verändert seine Richtung, wird der Sand vor dem Widerstand erneut erfasst oder die Strandreinigung sammelt ihn als Strandgut auf. So verschwindet dann die kleine Widerstandsdüne nach kurzer Gastrolle wieder von der Bühne am Strand. Dauerhaft zur Düne kann werden, was Strandpflanzen an Flugsand um sich scharen. Natürlich nur, wenn die Pflanzen selbst von Dauer sind – und das sind nicht viele Pflanzen, denn das Leben im Strandsand ist extrem. Der trockene Sand

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Besucherzentren und Anlaufpunkte zu den Dünen im nördlichen Wattenmeer

Tirpitz-Bunkermuseum Blavand in den Dünen Tirpitzvej 1, 6857 Blåvand, Dänemark – www.vardemuseerne.dk/museum/tirpitz Vadehavcentret – Wattenmeerzentrum mit Touren nach Mandø und Koresand Okholmvej 5, Vester Vedsted, 6760 Ribe, Dänemark – www.vadehavscentret.dk Nationalpark Vadehavet, Naturcenter Tønnisgård auf Rømø Havnebyvej 30, 6792 Rømø, Dänemark – www.nationalparkvadehavet.dk Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt Hafenstr. 37, 25992 List auf Sylt – www.naturgewalten-sylt.de Naturzentrum Braderup der Naturschutzgemeinschaft Sylt M.-T.-Buchholz-Stich 10a, 25996 Wenningstedt-Braderup (Sylt) www.naturschutz-sylt.de Arche Wattenmeer der Schutzstation Wattenmeer Rantumer Str. 23, 25997 Hörnum auf Sylt www.schutzstation-wattenmeer.de/unsere-stationen/hoernum-sylt Naturschutzgebiet Amrum-Odde, Verein Jordsand Vogelwart Amrum Odde, 25946 Norddorf auf Amrum www.jordsand.de/schutzgebiete/amrum-odde Naturzentrum Amrum des Öömrang Ferian Strunwai 31, 25946 Norddorf auf Amrum – www.naturzentrum-amrum.de Schutzstation Wattenmeer Amrum Am Schwimmbad 1, 25946 Wittdün auf Amrum www.schutzstation-wattenmeer.de/unsere-stationen/amrum Infozentrum / Nationalpark-Haus, Schutzstation Wattenmeer Maalens Knoll 2, 25826 St. Peter-Ording www.schutzstation-wattenmeer.de/unsere-stationen/st-peter-ording Multimar Wattforum, Informationszentrum für den Nationalpark SchleswigHolsteinisches Wattenmeer Dithmarscher Str. 6a, 25832 Tönning – www.multimar-wattforum.de

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