Extra zu Till Brönners neuem Album „Rio“ Vorabdruck September ’08
Extrablatt B
Besondere Aufnahmen verlangen nach besonderen Ausgaben Vorab für alle Brönner-Fans (und solche, die es jetzt werden): Unser Exklusiv-Interview aus dem nächsten JazzEcho als Vorabdruck
Till Brönner schwärmt Von seinen „zwei, drei großen Lieben“. Von Rio. Von seinen Gaststars. Vom „Besten, was mir je passiert ist“. Das nächste reguläre JazzEcho erscheint Anfang Oktober mit: Rede & Antwort mit Labelle über eine Reunion nach 34 Jahren / Das Duo als Quintett: Tok Tok Tok / Julia Hülsmann über Manfred Eichers Hartnäckigkeit / Charlie Haden und Familie / Play it again: Randy Crawford & Joe Sample / Akustisches Comeback: Jazzanova und, und, und. News, Tourdaten und Neuerscheinungen jeden Donnerstag neu auf jazzecho.de
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I Go To Rio! Im exklusiven JazzEcho-Interview bekennt sich Till Brönner zu einer langjährigen musikalischen Liebesaffäre: der Musik Brasiliens. Für sein neues Album hat er eine weite Reise hin zu ihr unternommen.
Fotos: Dieter Eikelpoth, Robert Eikelpoth
Till Brönner Rio Verve CD 178 0680 Deluxe Edition + DVD 178 0681 Doppel-LP 178 0684 ab 19. September im Handel
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JazzEcho: Im Zusammenhang mit Ihrem neuen Album sprechen Sie von einer „Affäre“, was meinen Sie damit? Till Brönner: Die Bossa Nova war schon immer eine meiner zwei oder drei großen musikalischen Lieben, neben dem Jazz. So ganz geheim war das ja nie, ich habe das auf meinen Alben und auch live schon hier und da durchblicken lassen. Mit „Rio“ wollte ich mich dem Thema jetzt mal voll und ganz widmen. Da kam mir die Tatsache nur recht, dass dieses Jahr die Bossa Nova 50 Jahre alt wird. Jazz und Bossa Nova sind einander ja alles andere als fremd, beide sind schon in den späten 50ern eine große Symbiose eingegangen. Jazzmusiker fühlen eine starke Affinität zu dieser Musik. Dieses relaxte Lebensgefühl, gepaart mit den wunderbar gradlinigen und direkt ins Herz gehenden Elementen, und das Vergnügen, darüber zu improvisieren, sind dieser Musik sehr eigen. JazzEcho: Sie haben das Album vor Ort in Rio de Janeiro aufgenommen. Haben Sie sich von der Stadt inspirieren lassen? Brönner: Auf jeden Fall! Zum Glück hatten wir Gelegenheit, uns vor Ort auch ein bisschen mit dem Alltag dort auseinanderzusetzen. Der ist, wie man weiß, ja nicht nur von Copacabana und Lebenslust geprägt. Aber der Anteil, den dort Sonne, Meer, Musik und vor allen Dingen Landschaft – Freud und Leid in gleichen Teilen – ausmachen, der schlägt sich überall nieder und logischerweise auch in der Musik. Ich bin ein großer Verfechter von Aufnahmeorten, die ein bestimmtes Flair mitbringen. Der Geist an einem Ort, der Geist einer Stadt, das Lebensgefühl, schlägt sich immer auch in der Musik nieder, die man dort aufnimmt. JazzEcho: Sie arbeiten auf „Rio“ zum zweiten Mal mit dem amerikanischen Produzenten Larry Klein zusammen. Brönner: Larry ist das Beste, was mir seit Jahren passiert ist. Ich bin sehr selbstkritisch und habe durchaus einen Hang zum Perfektionismus. Deshalb bin ich, was meine Partner im Studio angeht, sehr, sehr kritisch. Seit Jahren hatte ich eigentlich keinen wirklichen Kandidaten im Visier, der Larrys Stelle hätte ausfüllen können. Das war wohl der Hauptgrund dafür, dass ich meine Alben hauptsächlich selbst produziert habe. Irgend wann wollte ich mich aber dieser ständigen Beobachtung durch mich selbst nicht länger aussetzen, sondern einen Teil der Verantwortung auch mal auf die Schultern eines Produzenten legen. Den habe ich dann vor einigen Jahren in Larry
Klein in Los Angeles getroffen. Larry ist mit einer Brasilianerin verheiratet. Nicht nur das ist der Grund dafür, dass auch er eine ganz große Affinität zur brasilianischen Musik besitzt. JazzEcho: Wie haben Sie beide die Songs für das Album ausgewählt? Brönner: Wir hatten natürlich ganz klare Vorstellungen, als wir das Programm gewählt haben. Uns war wichtig, nicht den großen Klischeeapparat in Gang zu setzen und uns als Erstes dem „Girl From Ipanema“ zu widmen. Es geht dabei eher darum, Bossa Nova, Rio, Samba und alles Verwandte aus einer persönlichen Sicht zu beleuchten. Ich glaube, dass allzu große Hits vom künstlerischen Konzept abgelenkt hätten. Natürlich sind trotzdem Songs dabei, die man kennt und gerne wiederhört. JazzEcho: Auf zwei Stücken singen Sie sogar. Woher können Sie Portugiesisch? Brönner: (lacht) Ich kann überhaupt kein Portugiesisch! Ich habe nur über die Jahre immer wieder diese Platten angehört. Niemand wird bestreiten, dass gesungenes Portugiesisch – und vor allen Dingen das aus Brasilien – eine unglaublich schöne Sprache ist. Eine sehr musikalische Sprache. Sogar eine sehr erotische Sprache, wie viele meinen. Ich hatte Übersetzungen der Texte und vor allen Dingen Luciana Souza, die auch auf dem Album singt, die mich ganz wunderbar gecoacht hat. Sie war zum Glück sehr kritisch: „Hier klingst du wie ein Europäer, da klingst du eher wie ein Amerikaner, und hier klingst du – das war dann schon ziemlich gut – wie ein Portugiese.“ Also wurde mir immerhin bescheinigt, dass ich wie ein glaubwürdiger Portugiese klinge. JazzEcho: Sie konnten eine erstaunliche Gruppe bekannter Gastsänger aus allen Teilen der Welt zur Mitarbeit am Album bewegen. Von Brasilianern wie Milton Nascimento bis hin zur Schottin Annie Lennox. Wie kam es zum Beispiel zur Zusammenarbeit mit Sergio Mendes? Brönner: Ich war natürlich schon immer ein ganz großer SergioFan und habe eine Unmenge Platten von ihm zuhause. Mir war immer sympathisch, dass jemand wie er, der aus Brasilien kommt und ein großer, anerkannter Bossa-Nova-Künstler ist, sich der populären Musik trotzdem nicht abgeneigt zeigt. 2002 habe ich ihn zufällig in Japan live gesehen. Was dieser Mann auf der Bühne rüberbringt, ist schier unglaublich. Vor zwei Jahren kam dann seine Comeback-Platte, die will.i.am von den Black Eyed Peas produziert hatte und weltweit durch die Decke
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Till Brönner
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Till Brönner 1971 Am 6. Mai in Viersen geboren, wächst aber in Rom auf.
1991 Nach klassischer Trompetenausbildung und Jazzstudium in Köln wird er jüngstes Mitglied der RIAS Big Band.
1994 Für sein selbstproduziertes CD-Debüt „Generations Of Jazz“ gewinnt er Ray Brown und Jeff Hamilton.
1998 „Love“ (sein Einstand bei Verve) erhält den JazzAward der Deutschen Phono-Akademie.
2004 „That Summer“ steigt als erstes Jazzalbum seit über 20 Jahren in die Top 20 der Popcharts ein.
2006 Carla Bruni ist Gaststar auf „Oceana“, der ersten Produktion mit Larry Klein.
2008 Zweiter Echo in Folge
ging. Für das Nachfolgealbum „Encanto“ hat er mich angerufen, was mich irrsinnig gefreut hat. Ich war ja als Europäer auf dem Album in guter Gesellschaft, mit Jovanotti aus Italien und Zap Mama aus Frankreich. Eine ebenso große Ehre ist jetzt für mich, dass er im Gegenzug auf meinem Album dabei ist. Übrigens als Sänger, was er hervorragend macht! JazzEcho: „So danco samba“ ist einer der beiden Songs, die Sie selbst singen – haben Sie sich das schönste Stück ausgesucht? Brönner: (lacht) Ich habe mir damit vor allen Dingen das leichteste ausgesucht, da es nicht so viel Text hat. Ein Klassiker von Antônio Carlos Jobim, eines der bekanntesten Stücke auf dem Album, und auch eines der fröhlicheren, im Gegensatz zu anderen melancholischen, grüblerischen Titeln. Der Text handelt von einem, der unsterblich in die Samba verliebt ist und es immer bleiben wird. Er hat alles ausprobiert: den Twist, den Jive, den Cha-Cha-Cha – das war alles ganz nett, aber zum Schluss kommt er dann doch immer wieder zur Samba zurück. JazzEcho: Ein weiterer Titel von Jobim ist die Ballade „Once I Loved“. Wie kam die Amerikanerin Aimee Mann zu diesem Stück? Brönner: Aimee ist eine ausgesprochene Bossa-NovaKennerin. Es gibt eine Produktion, die sie geradezu verehrt: die berühmte Zusammenarbeit von Jobim mit Francis Albert, genannt Frank, Sinatra. So heißt diese Platte: „Francis Albert Sinatra & Antônio Carlos Jobim“! Darauf singt Sinatra „Once I Loved“, und als wir Aimee gefragt haben, ob sie Lust hätte, bei unserem Bossa-Nova-Album mitzumachen, da hat sie völlig überraschend gesagt: „Oh Mann, so etwas wollte ich immer schon mal machen! Ich liebe diese Platte!“ Die wurde übrigens, ganz interessant, von einem Deutschen arrangiert, Claus Ogerman, der schon in den späten 50er Jahren nach Amerika gegangen ist und heute noch mit Größen wie Diana Krall arbeitet. JazzEcho: Ein Ohrwurm ist das Instrumental „A ra“, was ist die Geschichte hinter diesem Stück? Brönner: „A ra“ heißt übersetzt „Der Frosch“. Ein Kulthit, besonders bei DJs und Brasil-Freaks. Der legendäre João Donato, der ihn geschrieben hat, hat sein gesamtes Musikzimmer mit kleinen grünen, roten und blauen Fröschen zugepflastert, die ihm aus der ganzen Welt zugeschickt werden. Ich hatte die Ehre, João in Rio persönlich zu treffen und mit ihm eine kleine Jam-Session zu improvisieren, die man in der Deluxe-Edition von „Rio“ ansehen kann. Tja, das mit den Fröschen ist wohl der kleine Nachteil, wenn man einmal einen Hit geschrieben hat und nun auf der ganzen Welt immer nur deswegen geliebt wird. www.tillbroenner.com
als bester Jazzkünstler. Die Vorjahresproduktion „The Jazz Album“ mit Thomas Quasthoff erhielt den Klassik-Echo 2007 und eine GrammyNominierung.
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Diskographie Till Brönner Mischt die internationale Jazz-Szene auf und hat in New York seinen Stil gefunden. Amadeo 1998: Love / Verve CD 559 0582 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Till Brönner ist inzwischen längst eine Klasse für sich, unbefangen in der Suche nach Neuem. Kulturspiegel 2000: Chattin With Chet / Verve CD 157 5342 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Seine Stücke gehen genauso gut ins Ohr wie die Jahrzehnte alten Klassiker. Stereoplay 2001: Original Soundtrack „Jazz Seen“ / Verve CD 556 9372 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
[Brönner] will der Musik ihre Seele zurückgeben, den Jazz zum Soundtrack des neuen Jahrtausends machen. Vogue 2002: Blue Eyed Soul / Verve CD 016 8792 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
[Brönner] mischt gekonnt den Sound seines Trompetenspiels mit seiner überraschenden Stimme. Wirtschaftswoche 2004: That Summer / Boutique CD 981 8670 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Bringt sensibel die Bilder mit Sounds, Rhythmen und Stimmungen in Einklang. Hifi & Records 2004: Original Soundtrack „Höllentour“ / Verve CD 982 1204 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Das Ergreifendste, Eingängigste und Melodischste was die Unterhaltungsmusik seit langem zu Stande gebracht hat. Focus 2006: Oceana / Verve CD 170 8231 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hat die schöne Tradition der Weihnachtsplatte wiederbelebt. Feiner Festtagsjazz mit Gästen. Bunte 2007: The Christmas Album / Verve CD 173 6652
Produziert von Till Brönner Von Brönner einfühlsam begleitet, zelebriert [Murphy] die Kunst der Ballade. FonoForum 2005: Mark Murphy: Once To Every Heart / Verve CD 987 2410 ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Direkt und aufwühlend. Hut ab vor dem Sänger und seinem Produzenten. Rondo 2007: Mark Murphy: Love Is What Stays / Verve CD 171 4489 Detlef Diederichsen und Sergio Mendes im Club Tausend
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Quasthoff jazzt. Lässiger geht es kaum. Crescendo 2007: Thomas Quasthoff: The Jazz Album – Watch What Happens / Deutsche Grammophon CD 477 6644
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