JazzEcho Printausgabe 2010 / 01

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world’s

bestsounding magazine

Ausgabe 1 • 2010 Jahrgang 13

B

Manu Katché Zwischen Sting und TV – der Schlagzeuger der Stars mit elegantem Sound und neuer Band.

Dee Dee Bridgewater Imitation galt als die höchste Form der Bewunderung, bis die Sängerin ihr Tribut-Album für Billie Holiday aufnahm.

Bobby McFerrin Klassische Choräle, afrikanische Chöre, Doo Wop, Groove und dazwischen ein erstaunlicher 60-jähriger Jungspund. Außerdem: Sonny Rollins’ erste Jazzplatte / Solveig Slettahjell und Torun Eriksen lassen es ruhig angehen / David Sanborn und der Süden / Ledisi wird im Weißen Haus gehört / Fünf Fragen an Rolf Kühn / Willie-Nelson-Fan Richard Weize / Tord Gustavson mag das Land nicht / Christian Scott / Bojan Z und, und, und. News, Tourdaten und Neuerscheinungen jede Woche neu auf www.jazzecho.de

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08.02.2010

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ivate your ears

photo: jörg grosse gelderman / act

rauschhaft rockige soundfabrik: „mit tonbruket setzt dan berglund seinen weg exakt dort fort, wo der stern von e.s.t. verglühte“ (jazzthing) dan berglund / double bass johan lindström / guitars martin hederos / piano, keyboards, a.o. andreas werliin / drums, percussion dan berglund’s tonbruket ACT 9023-2

frøy aagre / soprano saxophone andreas ulvo / piano audun ellingsen / double bass freddy wike / drums

nils landgren / trombone, vocals magnum c. price / bass, vocals m. lindgren & j. wall / woodwinds sebastian studnitzky / keyboards andy pfeiler / guitar r. ikiz & w. haffner / drums

heinz sauer / tenor saxophone michael wollny / piano joachim kühn / piano

rigmor gustafsson / vocals bernie mallinger / violin johannes dickbauer / violin cynthia liao / viola asja valcic / cello

verführerischer lyrizismus: aagres nordic jazz klingt unaufgeregt und verträumt: „ihr internationaler durchbruch” (jazzthetik)

funk für einen guten zweck: 1 euro jeder verkauften cd wird an ärzte ohne grenzen (msf) gespendet

„das noch junge jazzjahr hat sein erstes meisterwerk“ (faz) preis der dt. schallplattenkritik cd des monats (jazzmagazine, FR)

ungehört - unerhört: stimme und streicher im inspirierenden dialog

frøy aagre cycle of silence ACT 9494

nils landgren funk unit funk for life 9500-2

heinz sauer IF (BLUE) THEN (BLUE) ACT 9493-2

rigmor gustafsson with radio.string.quartet.vienna calling you ACT 9722-2

ACT artists in concert: dan berglund 16.4. - 2.5. rigmor gustafsson with radio.string.quartet.vienna: 30.3. - 7.5 nils landgren funk unit: 27.3. - 23.4. heinz sauer & michael wollny: 27.3. köln, 29.5. hamburg frøy aagre: 16.3. berlin, 17.3. münchen, 18.3. bielefeld, 20.3. st. ingbert infos unter http://www.actmusic.com/live.php alle cd’s im fachhandel und auf allen gängigen downloadportalen. hörproben und weitere infos unter www.actmusic.com

vertrieb: edel:kultur (D / AT), musikvertrieb (CH)

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e-mail: info@actmusic.com

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Editorial Text: Astrid Kieselbach | Foto: Ben Wolf Liebe JazzEcho-Leser, während ich dies schreibe, liegt Berlin noch unter einer weißen Eis- und Schneedecke. Tangieren tut mich das nicht, denn ich höre das just eingetroffene neue Album des Senegalesen Youssou N’Dour, der auf dieser CD einen herrlich rhythmi­ schen Weg von Dakar bis Kingston zurüc­klegt. Frühlingsgefühle mitten im Winter. Zumindest, solange die Heizung funktioniert. Sie ist also noch da, auch in Zeiten des musikalischen Überflusses, die Macht der Musik. Lassen wir uns am besten täglich von ihr begleiten, dann sind wir glücklicher. Oder kreativer. Oder klüger. Oder inspirierter.

Dass das auf ganz unterschiedliche Wei­se funktioniert, beweisen die in dieser Ausgabe vorgestellten Künstler. Das Glück personifiziert wohl am besten der junge Holländer Hamel mit seiner unbeschwer­ ten und gleichzeitig anspruchsvollen Pop­ musik, die bereits die ganzen Niederlande und ganz Japan erobert hat. Und ganz Korea. Und bald ganz Deutschland? Klug ist Dee Dee Bridgewater, die ihre Hommage an Billie Holiday nutzt, um Lady Day mit ganz neuen Ansätzen ins Hier und Heute zu katapultieren, anstatt nur ihre Songs nachzusingen. Und ein Ausbund an Inspiration ist der einzigartige

Bobby McFerrin. Sein erstes Album seit mehr als acht Jahren ist ein Manifest seiner Liebe zur Vokalkunst. „He leaves the audience spellbound with inspiration“, hat Herbie Hancock über seinen Kollegen mal gesagt. Uns auch. Blättern Sie durchs JazzEcho und entscheiden Sie selbst, welche Musik heute die Macht über Ihren Tag haben soll. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die Wirkun­ gen auch.

Astrid Kieselbach Chefredakteurin

Viel Spaß beim Lesen und Hören, Ihre Astrid Kieselbach.

Inhalt dieser Ausgabe Mix Prof. Jazz beantwortet Ihre Fragen / Wirbel um ... den ECHO Jazz / 5 Fragen an Rolf Kühn / Sonny Rollins’ erste Jazzplatte Bescheidenheit ist seine Zier: der talentierte Manu Katché Entschleunigung2 ist die Devise der Norwegerinnen Torun Eriksen und Solveig Slettahjell Was trennt, wird vereint wenn David Sanborn von der Segregation spricht Amerika im Krieg Ry Cooder erzählt die Geschichte der Iren, die zu den Mexikanern überliefen HochgefühNL ist niederländisch und heißt Hamel Meine erste Willie-Nelson-Platte beschreibt Richard Weize exklusiv Von Legende zu Legende spricht Dee Dee Bridgewater über ihr Idol Billie Holiday First Lady’s Favorite darf sich Ledisi nennen Neugier auf Ebene zwei versprechen Stefano Battaglia, Michele Rabbia und François Couturier Singen macht glücklich Empfohlen vom Meister Bobby McFerrin Bojan, der Unberechenbare heißt weiter Z und macht mit seiner Tetraband eventuell Jazz Echte Werte statt Werthers Echte bekam Christian Scott von seinem Opa mit Stadt & Land im Fluss wenn Tord Gustavsen behauptet, Romantik fände auf dem Dorf nicht statt Shortcuts ausführlich und JazzEcho-Konzertführer findet man ab

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Fragen Sie Prof. Jazz Der diensthabende Chefjazzer Professor Jazz

Mehrfach schon sind mir Veranstaltungsplakate aufgefallen, auf denen steht: „Jazz & Blues“, womit das Programm der jeweiligen Veranstaltung gemeint war. Ich denke, dass Blues ein Jazzstil ist, eigentlich der älteste, sieht man von den Spirituals ab, die ja wohl mehr Jazzvorläufer sind. Warum also „Jazz & Blues“? Diese Frage stellt Dieter Schwarz

beantwortet in jedem JazzEcho die interessantesten Leserfragen. Haben Sie auch eine? Dann schicken Sie diese bitte an: prof.jazz@jazzecho.de

Obwohl uns die Evolutionsforscher nach- Musik ihrer afrikanischen Ahnen entstanvollziehbar erklären können, dass Homo den der weltliche Blues und Gospel und schließlich Jazz. Andererseits gibt es sapiens vom Primaten abstammt, die musikalische Form des unterscheiden die meisten von „Wenn du Blues, das sogenannte Bluesuns heute noch ganz gerne den Blues spielst, Schema, für gewöhnlich eizwischen Mensch und Affe. ne zwölftaktige Form mit musst du einfach Aber schauen Sie sich nur charakteristischer Harmomal ein wenig um, es gibt nur ein Gefühl niefolge. Letztere findet man da ganz offensichtlich eine spielen.“ heute noch oft und gerne im Art Schnittmenge. Ähnlich verMiles Davis Jazz, wobei sich das jazztypische hält es sich auch mit Blues und Jazz. Nur weil der Blues ein Teil des Jazz Merkmal der Improvisation auch im moist, ist Jazz noch längst kein Teil vom dernen Blues nur in geringer Dosis aufBlues – und schon gar nicht dasselbe. spüren lässt. Trotz – oder gerade wegen Man muss vielleicht einerseits die musik­ – der einfachen Form halten einige Jazzhistorische Entwicklung betrachten: Aus musiker den Blues für die größte spieleden Field Hollers der Sklaven und der rische Herausforderung. Miles Davis, des-

sen Album „Kind of Blue“ im letzten Jahr fünfzig wurde, meinte einmal: „Wenn du den Blues spielst, musst du einfach nur ein Gefühl spielen; du musst es fühlen.“ Eine ebenso empfindsame Unterscheidung zwischen den Stilen traf Jerry Portnoy, Mundharmonika-Bolide und langjähriger Bandleader der Blues-Legende Muddy Waters: „Im Blues wollen alle Instrumente wie Stimmen klingen. Im Jazz wollen die Stimmen wie Instrumente singen. Das eine ist nicht besser als das andere. Aber anders ist es allemal.“

Wirbel um ...

den ECHO Jazz Text: Jörg Eipasch Die gute Nachricht verbreitete sich in der Szene wie ein Lauffeuer, und selbst der amerikanischen Musikbranchenbibel „Billboard“ war die Meldung im vergangenen November gleich ein paar Absätze wert: Der Jazz, vom Philosophen und Musiktheoretiker Theodor W. Adorno in den 1920er Jahren noch als „Teil des Kunstgewerbes“ und „Gebrauchsmusik der Oberschicht“ geschmäht, wird in Deutschland endlich mit einer eigenständigen „ECHO Jazz“Zeremonie angemessen gewürdigt. Die 4

Preisverleihungsshow wird zum ersten Mal am 5. Mai in der Bochumer Jahrhunderthalle stattfinden. Und ähnlich wie die Klassiker prämieren die Jazzer nicht nur einen Künstler für das beste Album, sondern vergeben Preise in insgesamt 31 Kategorien. Ein Ansporn für die heimische Szene dürfte dabei sein, dass elf dieser Trophäen deutschen Künstlern vorbehalten sein werden. Dass die deutschen Jazzmusiker nicht unter „ferner liefen“ spielen, spiegelt sich auch in der Liste der bisherigen Preisträger wider:

Von den seit 1993 verliehenen sechzehn ECHO Jazz Awards im Rahmen der ECHO Pop-Verleihung gingen nicht weniger als sieben an deutsche Jazzkünstler. Die neuen Auszeichnungen und die damit verbundene Publicity in den MainstreamMedien werden dem Jazz in Deutschland nun sicher noch mehr Aufschwung geben.

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5 Fragen an Rolf Kühn Was wären Sie geworden, wenn nicht Musiker? Akrobat, wie mein Vater und mein Onkel. Ich liebe einfach die Zirkus­welt. Das Leben könnte so schön sein, wenn … die Menschen gelassener, gütiger und ohne Vorurteile miteinander umgingen.

Es gibt nichts Schlimmeres als ... die vorsätzliche Verletzung von Menschen ­rechten. Der perfekte Song ... zum Beispiel „Tears In Heaven“ von Eric Clapton. Nicht ohne meine ... Klarinette, die an­spruchsvollste Lady, die ich je kennengelernt habe!

Zum 80. Geburtstag von Rolf Kühn erschienen fünf seiner wichtigsten Alben aus zwei Jahrzehnten jetzt erstmals auf CD: www.mps-label.de Rolf Kühn

Meine erste Jazzplatte Als der kleine Sonny Rollins in Fats Wallers Fußstapfen treten wollte, musste er nur vor die Haustür. Foto: Phil Bray

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ie erste Jazzplatte, die ich je gehört habe, war „I’m Going To Sit Right Down And Write Myself A Letter” von Fats Waller. Sie lief im Radio, es war 1935, ich war knapp 5 und der Song war ein Hit. Ich hatte allerdings schon vorher Jazz gehört, vielleicht sogar andere Aufnahmen von Fats Waller. Wir hatten damals ein Pianola zu Hause mit Ragtime-Notenrollen. James P. Johnson und andere Stride-Musiker nahmen damals wohl viel davon auf. Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, war ich also schon musikalisch indoktriniert. Aber Wallers Persönlichkeit, seine Art, die Musik für sich zu vereinnahmen, sein Gesang – das war alles etwas ganz Besonderes und machte tiefen Eindruck auf mich. Das war überschäumend und gleichzeitig doch sehr spirituell. Für mich klang es überirdisch. Und bestimmte meinen weiteren Werdegang, denke ich. Die Pianolarollen hatten es mir schon angetan, aber Fats schien das zu verkörpern, was Jazz eigentlich bedeutete. Ich erinnere mich an den Stride-Pianisten Bob Howard, der damals im Roxy Theater in New York spielte und auch im Radio zu hören war. Meine Eltern nahmen mich zu einem seiner Auftritte mit, ich mochte ihn, aber das war kein Vergleich zu Fats Wallers großer Musikalität. Ich habe Waller nie kennengelernt, aber ich weiß noch, dass ich im Dezember 1943 in der Küche unserer Wohnung in der Edgecombe Avenue saß, als ich von seinem Tod erfuhr – was für deprimierende Nachrichten. Er wohnte wie ich in Harlem. Ich kannte jeden seiner Auftrittsorte als kleiner Junge, der die Straßen von Harlem erkundet. Connie’s Inn etwa, ein sehr bekannter Nachtclub auf der Seventh Avenue: Fats Waller hat Musik für die Revue dort geschrieben. Eine Zeitlang wohnten wir direkt gegenüber vom Lincoln Theater. Den Film „Swing Time“ von 1936 zum Beispiel, mit Ginger Rogers und Fred Astaire, ich weiß, dass

Sonny Rollins

ich nur über die Straße ins Lincoln musste, um ihn zu sehen. Später habe ich herausgefunden, dass Waller dort Orgel spielte und einige Stücke geschrieben hatte, die dort aufgeführt wurden. Unsere Pfade haben sich also auf seltsame Weise doch gekreuzt, ich habe viel von ihm über das aufgenommen, was um mich herum passierte. Alles nahm Form an, als ich Fats Waller hörte. Mir war klar: Das ist es. Ich wusste, das würde eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Ganz klar, das war wichtig, echt und ursprünglich, was auch immer es sein mochte. www.sonnyrollinsmusic.de www.jazzecho.de

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Bescheidenheit ist seine Zier Mit neuer Besetzung und elegant elektrisiertem Sound präsentiert Manu Katché sein drittes Album auf ECM. Auf „Third Round“ trägt vieles Früchte, was der Drummer auf Tour mit Sting oder während seiner arte-Sendung „One Shot Not“ reifen ließ.

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Text: Wolfgang Sandner | Foto: Visual

Manu Katché Third Round ECM CD 273213

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anft, bescheiden, sensibel und poetisch – nicht die typischen Attribute für einen Schlagzeuger. Aber ebenso sicher, wie man sie in jeder zweiten Rezension über Manu Katchés bisherige ECM-Alben lesen kann, ist der Franzose mit den Elfenbeinküstenwurzeln kein gewöhnlicher Vertreter seiner Zunft. An der Alma Mater von Pierre Boulez und Camille Saint-Saëns in Paris klassisch ausgebildet, tourte und produzierte er nach dem Studium jahrzehntelang mit internationalen Popstars wie Sting und Peter Gabriel. Seine Liebe zu GrooveProjekten pflegt er in der Rhythmusgruppe The Tweeters mit Dominic Miller und Pino Palladino. Spätestens seit John Abercrombies „Timeless“ auch jazzbegeistert, ging Manu ­Katché 1995 mit Jan Garbarek für dessen Album „Visible World“ ins Studio, um erst rund zehn Jahre später als Jazz-Leader bei ECM zu debütieren. Nicht ganz nebenbei war er außerdem vier Jahre lang Jury-Mitglied bei „Nouvelle Star“, dem französischen Gegenstück zu „Deutschland sucht den Superstar“, um anschließend Moderator seiner eigenen arte-Sendung „One Shot Not“ zu werden, die nebeneinander Jamsessions von Musikern wie Cesária Evora und Phoenix, Avishai Cohen und Peaches präsentiert – mittlerweile wöchentlich. Wenn man Manu Katché fragt, wie er das alles unter sein umgedrehtes Käppi kriegt, zuckt er die Achseln und sagt beispielsweise: „Ich bin sehr leidenschaftlich bei dem, was ich mache, und habe das große Glück, davon leben zu können.“ Das Bohei um seine Person ist ihm auf sympathische Art und Weise unangenehm. Er ist eher ehrlich zurückhaltend als natürlich kokett, obwohl oberflächlich auch Eigenschaften wie cool und souverän auf ihn passen, wenn er – mal mit, mal ohne Hornbrille – eine gute Figur in T-Shirt und Maßanzug macht. Will man die gepflegte Schale knacken, hilft es, Katchés Lieblingsthema anzusprechen. Denn sobald es um Musik geht, taut er auf. Nach Umwegen über Miles und Coltrane, die er verehrt, Meshell Ndegeocello, die er bewundert, Kami Lyle, die auf seinem neuen Album Trompete spielt und singt, oder seine übrigen neuen Kollegen wie den Saxophonisten Tore Brunborg, den Pianisten und Keyboarder Jason Rebello, Bassist Pino Palladino und Gitarrist Jacob Young, wird er grundsätzlich. „Ich habe Klassik, Rock, viel französischen Pop, afrikani­ sche Musik und Jazz gemacht“, sagt er. „Wenn ich dabei eines

gelernt habe, dann das: Wenn einem etwas gefällt und man sich damit wohlfühlt, sollte man es machen. Dasselbe gilt auch für die Hörer. Wenn man etwas mag, soll man es sich anhören. Je mehr man über Musik weiß, umso mehr versteht man, dass zwischen den Stilen die Musik dieselbe ist.“ Dass sei nicht „démagogique“, wie er in Ermangelung der passenden fremdsprachlichen Vokabel meint, sondern die schlichte Wahrheit. Und über die kommt er schließlich, fast ein wenig wi­der­willig, auf sein eigenes neues Album zu sprechen. Nicht, dass er ein Problem damit hätte. Im Gegenteil. Er ist stolz auf die neue Band, glücklich mit dem veränderten Sound. Nur redet er eben nicht so gerne darüber. Anfangs. „Für mich ist es schwer, dieses Album anders zu sehen als im Sinne eines Kontinuums meiner bisherigen Arbeit“, sagt er. „Ich habe eben eine bestimmte Art, Akkorde zu setzen, Melodien zu schreiben. Aber wenn man von Musikern umgeben ist und weiß, wohin sie einen bringen können, weiß man auch, wohin man mit ihnen gehen kann. Nachdem ich mit Jason Rebello, der eine ganze Zeit bei der letzten Sting-Tour dabei war, gespielt hatte, wusste ich, wie gut er Rhodes spielt, und wusste auch, dass ich das unbedingt auf meinem neuen Album hören wollte – nicht unbedingt auf diese Herbie-Hancock-Art, aber schon elektronischer. Und wenn ich dann noch einen elektrischen Bass hätte, am besten den von Pino Palladino, um den Sound zu halten, dann würde ich auch andere Melodien schreiben können. Vom Sound her war die Musik vorher auch voll und satt, aber sobald man diese anderen Texturen einbringt, um die Musik zum Fließen und Schweben zu bringen, wird auf einmal wirklich alles anders.“ Die dritte Runde bei ECM sollte deutlich in eine neue Richtung gehen. „Ich hatte musikalisch etwas anderes im Sinn, ich dachte an mehr Elektrizität, andere Musiker, auf die ich die einzelnen Parts genau zugeschnitten hatte, und daran, dass das Album nicht offensichtlich eine ECM-Mentalität haben sollte. Offen gesagt, hatte ich Bedenken, Manfred Eicher das zu sagen. Ein paar Wochen, nachdem ich ihm die Demos geschickt hatte, trafen wir uns in Paris, wo er gerade an einem Soundtrack arbeitete. Noch bevor ich etwas zu meinen Computer-Vorproduktionen sagen konnte, meinte er, dass er sich für dieses Album eine ganz neue Richtung gewünscht und genau die bekommen hätte. Ich war erleichtert.“ Man war sich

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Manu Katché 1958 Am 27.10. kommt Katché in Saint-Maur-des-Fossés zur Welt, einer an der Marne gelegenen Stadt, südöstlich von Paris.

1973 Nach Ballett- und Klavier­ unterricht entdeckt er seine Liebe zum Schlag­ zeug und beginnt mit 15 eine Ausbildung zum klas­si­schen Perkussionis­ ten am Pariser Konservatorium.

1985 Nach etlichen Jahren als Studio- und Livedrummer für französische Popstars wird er von Peter Gabriel engagiert, u.a. für das Album „So“.

1987 Mit Stings „Nothing Like The Sun“, u.a. auch mit Branford Marsalis, Kenny Kirkland, Gil Evans und Hiram Bullock, avanciert Manu zum Lieblings­ drummer der Popstars. Manu Katché

2005 Sein Debüt für ECM heißt „Neighbourhood“,

einig, dass „Third Round“ weniger Fortsetzung als Neustart sein sollte. Dafür gingen Manu Katché und seine neuen Mitmusiker im Dezember 2009 ins Studio La Buissonne, etwa eine halbe Stunde von Avignon entfernt. Die für ECM üblichen drei Tage lang nahmen sie insgesamt elf Stücke für Manu Katchés neue CD auf, vom stimmungsvollen Opener „Swing Piece“, einer Art akustischem Zeitlupen-Funk, über den spannungsgeladenen Groove von „Keep On Trippin’“, bei dem Sopransax und Piano unisono durch die Melodie jagen, bis zur nahezu volksliedhaften Melodie und dem sehr durchlässig gewobenen Rhythmusgeflecht von „Being Ben“. Auf der anderen Seite erfreut die Ballade „Senses“ – das perfekte Stück für eine verregnete Liebesnacht in einem Bertolucci-Film – und natürlich die zarte Ode „Stay With You“, gesungen und getextet von der Amerikanerin Kami Lyle, in deren Stimme Manu Katché „eine kindliche Joni Mitchell oder die lachende Energie einiger Till Brönner afrikanischer Sängerinnen“ hört und auf deren Debütalbum er

schon 1997 gespielt hatte. „Kami war die ganzen drei Tage mit uns im Studio und es entwickelte sich so eine sehr freundschaftliche und gute Energie zwischen uns allen als Band“, erzählt der Leader. „Ich hätte mit vielen anderen Musikern aufnehmen können. Und es wäre auch großartig geworden. Aber das reicht nicht. Das Vertrauen, der Spaß, das Lachen, das wir teilen, zählt mehr als alles andere. Es war mir wichtig, mit diesen Musikern zu arbeiten.“ Auch wenn er das eher sanft sagt, ist sich Manu Katché seiner musikalischen Sache sehr sicher, bei aller Bescheidenheit. www.manukatche.de

u.a. mit Jan Garbarek, Tomasz Stanko und dem Pianisten Marcin Wasilewski.

2007 Nach einer Saison als Ringrichter der französi­ schen Version von „DSDS“ („Nouvelle Star“), ruft er die TV-Sendung „One Shot Not“ für arte ins Leben.

2010 „Third Round“ ist sein drittes Album für ECM.

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Torun Eriksen

Solveig Slettahjell

Entschleunigung

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Ruhig, intensiv und geschmackvoll servieren die norwegischen Sängerinnen Torun Eriksen und Solveig Slettahjell mit ihren neuen Alben für Bugge Wesseltofts Label Jazzland das musikalische Äquivalent zum Slow Food. Text: Götz Bühler | Fotos: Anders Nilsen (Eriksen), Andreas Froeland (Slettahjell)

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Torun Eriksen Passage Jazzland CD 273 0428 Veröffentlichung: 09.04.

Solveig Slettahjell Tarpan Seasons Jazzland CD 272 9450 E-Album (+ 2 Bonustracks) 271 9487

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ie Uhren laufen nicht langsamer in Norwegen. Trotzdem scheint man im Königreich Haralds V. mehr Zeit zu haben. Still, weit und endlos entspannt sich dieses Land der Fjells und Fjorde, in dem das Autobahn-Tempolimit bei 90 liegt und dessen größte Fluggesellschaft seit kurzem etwas langsamer fliegen lässt, um Sprit und CO2 einzusparen. Besonders in der norwegischen Musik macht sich die nationale Entschleunigung bemerkbar. Vor einem guten Jahrzehnt gaben die „Kings of Convenience“ – natürlich Norweger – ihr viel zitiertes Motto aus: Quiet is the new loud. Inzwischen geht man etwas weiter, macht zwar nicht „langsam zum neuen Schnell“, stellt aber ausdrücklich das Schneckentempo über die instrumentale Raserei. Nicht lange nachdem der Italiener Carlo Petrini das Manifest seiner SlowFood-Bewegung ausgab, gründete beispielsweise die Sängerin Solveig Slettahjell ihr Slow Motion Quintet. Langsam, aber sicher entwickelte die Pastorentochter aus Bærum das Prinzip der Zeitlupenmusik weiter; jetzt gipfelt es in „Tarpan Seasons“, ihrem sechsten Album mit dem inzwischen zum Slow Motion Orchestra

gewachsenen Ensemble – das neben der Leaderin aus nur sechs Musikern besteht. Es ist ein Genuss, mitzuerleben, wie die Musik durch gekonnte Reduktion an Intensität gewinnt. Es klingt, als wären die zwölf Songs auf ihre Essenz verdichtet. Dass sie zudem noch persönlicher und intimer wirken, liegt auch daran, dass sich auf „Tarpan Seasons“ mehr Eigenkompositionen denn je finden. „Die Lieder auf dem neuen Album sind mindestens ebenso sehr von Soul und Country beeinflusst wie vom traditionellen Jazz“, sagt Solveig Slettahjell. „Ich versuche in diesen Songs, die großen Themen des Lebens auf die er­denklich einfachste Weise anzusprechen.“ Der musikalische Rahmen hilft dabei. Die hüpfende Orgelfigur zu Beginn von „How They Shine“, die dichten Trompetenchöre in „Your River“, die vielen schönen Bassläufe, die A-cappella-Harmonien von „You Go I Go“, die fast gospelhaften Steigerungen im Refrain von „Be Steady“ – alles stellt sich genügsam in den Dienst der gesungenen Geschichten. Diese Qualität findet sich auch auf „Passage“, dem mittlerweile dritten Album von Torun Eriksen. Die Musik dar-

auf, produziert von Anders Engen, der schon an einigen der schönsten Alben von Kari Bremnes und Kristin Asbjørnsen Manfred Eicher mitgearbeitet hat, ist allerdings ganz anders. Ruhe und Seele beherrschen zweifellos auch die Kompositionen der einstigen Gospelsängerin aus Lunde, die die Tageszeitung „Dagsavisen“ schnell zur „Voice of the year in Jazz“ krönte. Doch die akustischen Gitarren und die dezente Percussion – hier eine Harmonie vom präparierten Piano, da ein E-Gitarren-Lick – deuten eher in Richtung Folksong und manchmal, etwa im sumpfig groovenden „Edgar's Blues“, auch zu dieser ur­ame­ rikanischen Volksmusik. Die Themen der schönen neuen Lieder von Torun Eriksen haben zum größten Teil mit dem Elternsein und Kindbleiben zu tun, in gewissem Sinne auch das ohrwurmende Liebeslied „Draw Me A Heart“ oder das sentimentale „Bees And Butterflies“. Man ist gut beraten, die neuen Alben dieser beiden sehr unterschiedlich entschleunigten Nor­ wegerinnen oft und regelmäßig anzuhören. Diese Musik wirkt wie Durchatmen: Ganz natürlich und herrlich beruhigend. www.toruneriksen.de www.solveigslettahjell.de

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Was trennt, wird vereint David Sanborn wuchs im Süden der USA auf und ist heute noch dankbar dafür, dass die segregierten schwarzen Musiker ihn nicht als Segregierer behandelten.

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Text: Christian Broecking | Foto: Lynn Goldsmith

it der Wahl von Barack Obama zum 44. amerikanischen Präsidenten begann für ihn eine neue Welt. „Das mag jetzt patriotisch klingen, aber für mich als Amerikaner war die Ernennung Obamas das wichtigste politische Ereignis in meinem Leben“, sagt der Altsaxophonist David Sanborn. Die Amerikaner haben der ganzen Welt Gleichheit und Gerechtigkeit gepredigt, nur im eigenen Land hätten sie sie nicht praktiziert, doch heute spürt Sanborn täglich grundlegende Veränderungen. Die politische Apathie und der kulturelle Kriegszustand während der Bush-Jahre empfindet er als überwunden und das gäbe auch den Künstlern jene ganz neue Ausdrucksstärke, wie sie bei seinen jüngsten Aufnahmen wirksam wurde. Den Jazz, aus dem die amerikanische Popmusik einst ent­ stand, bezeichnet Sanborn heute als eine immens einflussreiche kulturelle Kraft, die weltweit wirkt. In diesem Sinne drücke sein neues Album „Only Everything“ seine tief empfundene Dank­ barkeit aus für die Musik von Ray Charles, die er vor 50 Jah­ren kennen und lieben lernte. Einst beschrieb sich Sanborn als Rhythm’n’Blues-Musiker und meinte damit, dass Musiker aus New Orleans eben ihre ganz bestimmte Art haben. Doch er kennt Jazz und er erinnert sich gut an die Tage zurück, als er mit David Bowie im Madison Square Garden auftrat und am nächsten Tag im Flugzeug nach Italien war, um dort mit Gil Evans beim Perugia Jazzfestival aufzutreten. „Im weiteren Sinne sind wir alle Jazzmusiker, weil wir alle improvisieren“, sagt Sanborn. „Man möchte nicht das Gespür für die Geschichte und Tradition dieser Musik verlieren, für mich gehören Ray

Charles und James Brown genauso in die Geschichte des Jazz wie Charlie Parker und Miles Davis. Es ist vor allem eine Frage der Haltung und der rhythmischen Kraft.“ Zum Jazz kam er über den Schlagzeuger Philip Wilson, er brachte ihn damals in den Kreis um Julius Hemphill und Lester Bowie. „Wir waren ja noch Teenager. Mit Lester habe ich zusammen viel Motown gehört, mal spielte er in einer Zirkus­ kapelle, den anderen Tag hatten wir zusammen einen Jazz-Gig. Doch wer in St. Louis aufwächst, atmet den Blues, die erdige Seite des Jazz. Das ist auch der Hauptgrund, wieso wir damals kein Problem mit Ornette Coleman hatten. Er stammt aus Fort Worth, Texas. Und als ich ihn zum ersten Mal hörte, sagte ich, das ist ein Bluesmusiker, der Altsaxophon spielt. Das war das Erste, was mir zu seiner Musik einfiel. Das ist Country Music, Texas Blues.” David Sanborn wurde in der afroamerikanischen Commu­ nity akzep­tiert, doch das Gegenteil war nicht der Fall. Dort in St. Louis, wo Sanborn aufwuchs, herrscht tiefer Süden, Lynchjustiz war während seiner Kindheit noch ein Thema. Alle Kinos waren damals noch segregiert und seine Highschool war erst ein Jahr zuvor integriert worden. „Die wirkliche Tragödie Amerikas ist, dass so viel an kulturellem Reichtum zerstört wur­ de“, sagt Sanborn. Und dass die Afroamerikaner Menschen aus Communitys akzeptierten, in denen sie selbst nicht willkommen waren, spreche Bände über die Qualität und Erfahrung der schwarzen Kultur. www.david-sanborn.de

David Sanborn Only Everything Decca CD 272 7053

David Sanborn

Wann ist Keith Jarrett zum ersten

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Amerika im Krieg Im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg wechselten etliche katholische Iren die Seiten und kämpften für Mexiko. Ihre Geschichte erzählen die Chieftains mit Ry Cooder auf ihrem neuen Album. Text: Oliver Hochkeppel

The Chieftains feat. Ry Cooder San Patricio Hear Music CD 723 1321

Auf den Begriff Weltmusik könnte Ry Cooder Urheberrechte anmelden. Der Virtuose aus Los Angeles hat seine Blues- und Folkwurzeln so früh, so vielseitig und so erfolgreich mit musikalischen Traditionen verschiedenster Weltregionen und Länder verknüpft wie wohl niemand sonst. Schon mehrfach kreuzten die Chieftains seinen Weg, die berühmteste aller traditionellen irischen Bands, wie Cooder sechsfache Grammy-Gewinner und stets an der weltmusikalischen Erweiterung ihres Horizonts interessiert. Mit „San Patricio“ hat man nun gemeinsam ein einzigartiges Projekt umgesetzt. Das Album erzählt die Geschichte des aus irischstämmigen Amerikanern rekrutierten Batallón de San Patricio, das im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg Mitte des 19. Jahrhunderts auf Seiten der Mexikaner kämpfte. Von

den Amerikanern als Deserteure betrachtet, werden die Männer in Mexiko bis heute als Helden verehrt. Ihnen sind hier mitreißende und ergreifende Balladen aus drei Musikwelten gewidmet: amerikanische Bluesnummern, mexikanische Sones sowie irische Airs und Reels. Cooder und Chieftains-Chef Paddy Moloney steuern jeweils eine Eigenkomposition bei. Und etliche prominente Kollegen ließen es sich nicht nehmen, bei dieser furiosen Geschichtsstunde mitzumachen, darunter Linda Ronstadt, Los Tigres del Norte, Van Dyke Parks, Lila Downs und die 92-jährige legendäre mexikanische Ranchera-Sängerin Chavela Vargas. Als Erzähler gibt sich Hollywoodstar Liam Neeson die Ehre. www.rycooder-chieftains.de

HochgefühNL Gute Laune kann so tiefgründig sein, wenn sie mit Hamel aus den Niederlanden kommt. Text: Götz Bühler | Foto: Kai Z Feng

Hamel Nobody‘s Tune Decca CD 272 2000 Veröffentlichung: 07.05.

Wer ist Hamel? Pop-Paradiesvogel Mika twitterte kürzlich „I like Hamel“. „Man könnte mich einen altmodischen Jazzsänger nennen“, meinte Hamel dagegen im Interview beim WDR-Rockpalast. Wer Hamel ist, fragt sich in seiner niederländischen Heimat, wo er Platinplatten erbeutet, längst keiner mehr. Und in Japan und Korea kreischen die Teenager schon, wenn der Blondschopf aus dem Flugzeug steigt. Das ist erstaunlich, denn Hamels Musik ist alles andere als simple Popmusik. Eher klingt er wie ein junger Frank Sinatra, allerdings mit den Beat-Arrangements seiner Tochter Nancy und dem Pop-Verständnis seiner Enkelin. Nachdem die englische Presse den jungen Holländer als einen „Pionier der neuen Generation“ entdeckt hat, er-

scheint nun dort sein erstes internationales Album. In Deutschland muss man sich darauf noch bis Mai gedulden. „Nobody’s Tune“ ist eine Sammlung ausgefeilter, swingend-quirliger Ohrwürmer und ausbalancierter Balladen zwischen Perfect-Pop, Sunshine-Soul und JazzCrooning. Von Instant-Hits wie „Don’t Ask“ oder „In Between“, über den sentimentalen Walzer „Big Blue Sea“ bis zur absurden, aber perfekt funktionierenden Latin-Klezmer-Kombi „See You Once Again“ sollte hier jeder Genussmensch auf seinen Geschmack kommen. Wer dann noch etwas tiefer gräbt, erkennt hinter dem äußerlich gefälligen Sänger einen versierten Multiinstrumentalisten und erstaunlich reifen Songschreiber, der Tom Waits, Jeff Buckley und PJ Harvey kennt, aber genauso Peg-

Hamel

gy Lee und Carmen McRae verehrt. „Ich liebe die Sachen, die in den 40er Jahren Pop waren. Aber auch moderne Produktionen von Rufus Wainwright oder den Smashing Pumpkins.“ Wie ausgezeichnet diese originelle und völlig eigene Mischung funktioniert, hört man dann bei uns ab Mai, rechtzeitig zum Eintreffen des Sommers, auf „Nobody’s Tune“. Bis dahin empfiehlt sich zum Kennenlernen Hamels Web­ page. www.hamelmusic.de

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Willie Nelson Country Music Rounder CD 613 2802 Veröffentlichung: 16.04.

Willie Nelson

Meine erste Willie-Nelson-Platte Richard Weize, Chef von Bear Family Records, ist Deutschlands größter Country-Experte und wahrscheinlich auch der größte Willie-Nelson-Fan. Jetzt kann er endlich beide Leidenschaften verbinden.

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Text: Richard Weize | Fotos: David Clinch (Nelson), Günter Zint (Weize) enn es heißt: „Will hier jemand ’ne Platte machen?“, dann reißt Willie Nelson traditionell nicht nur die Arme hoch, sondern auch noch die Füße. In der richtigen Stimmung macht er alles – und das seit 1954. Ich war ein harter Country-Fan und lebte als Weinhändler in England, als ich Willie Nelson 1968 zum ersten Mal erlebte, im Vorprogramm von Hank Snow. Den habe ich allerdings gar nicht mehr gehört, weil ich sofort hinter die Bühne gegangen bin, um mit Willie zu reden. Von da an habe ich jahrelang jede Willie-Nelson-Platte gekauft. Aber irgendwann, bei vielleicht hundert Stück, habe ich aufgehört. Er macht einfach zu viel. Nicht, weil er Geld braucht – im Gegenteil –, sondern weil er diese Begeisterung empfindet. Letztens, als ich in L.A. war, hat er im Capitol-Studio sogar mit Diana Krall aufgenommen. Und jetzt also „Country Music“. Ich war vorher etwas skeptisch, nachher angenehm überrascht. Die Musik ist gut produziert

(von T-Bone Burnett), kein verjazzter Krawall, wie sonst oft auf seinen Konzerten, sondern sehr differenziert. Eine richtig schöne Country-Pop-LP. Nur „Nobody’s Fault But Mine“ ist ein bisschen jazzig, sonst sind es echte Country- und Bluegrass-Klassiker, eingespielt mit großartigen Nashville-Musikern wie Ronnie McCoury auf der Mandoline oder dem Gitarristen Buddy Miller. Die spielen dann „Drinking Champagne“, ein Stück, das der Dallas-DJ Bill Mack geschrieben hat, oder Porter Wagoners ersten großen Hit „A Satisfied Mind“, dann noch einen Song der Louvin Brothers und sogar „Man With The Blues“, Willies erste eigentliche Single von vor über fünfzig Jahren. Ich habe bisher erst sechs Stücke gehört, aber wenn die anderen neun auch so sind, kann ich die Platte wirklich empfehlen. Jetzt muss ich wohl wieder anfangen, mir Willies Platten zu kaufen.

Richard Weize

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„Ich konnte singen wie sie. Ich konnte reden wie sie. Ich war sie.“

Von Legende zu Legende Der Titel des neuen Albums von Jazzsängerin Dee Dee Bridgewater beginnt wie ein Lexikoneintrag und endet in einer Liebeserklärung: „Eleanora Fagan (1915–1959): To Billie With Love From Dee Dee“.

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Text: Götz Bühler | Foto: Mark Higashino leanora Fagan, genannt Billie Holiday oder kurz „Lady Day“, ist eine der einflussreichsten und zugleich tragischsten Figuren der Musik­ geschichte. Ihr Schicksal führte die Jazzsängerin von grausam zu grandios, von einer Jugend, in der es von allem zu wenig gab, außer Armut, Brutalität und Rassismus, zu internationalem Ansehen, von kleinen Club-Gigs bis zu einem gefeierten Konzert in der Carnegie Hall, zu Drogenexzessen und Ver­ haftungen und schließlich zu einem viel zu frühen Tod an einer Leberzirrhose. Wenn sich jemand jetzt, fünfzig Jahre nach „Lady Days“ Tod, ihrem nach wie vor lebendigen kulturellen Erbe mit ebenso viel intimem Verständnis wie Liebe widmen kann, dann nur „Lady Dee Dee“, die letzte echte Jazzdiva unserer Zeit. „Ich war schon früh fasziniert von Billie Holidays Leben“, sagt Dee Dee Bridgewater. „Mit neunzehn hörte ich zum ersten Mal ihre Musik. Wenig später las ich dann auch ihre Biographie ‚Lady Sings The Blues‘. Darin fand ich vieles, womit ich mich identifizieren konnte. In fast allen Lebensaspekten gab es Parallelen.“ Die Musik, die Stimme, die Legende von „Lady Day“ haben Denise Eileen Garrett, genannt Dee Dee Bridgewater, seit damals ständig begleitet, wenn nicht sogar geformt. Dass sie ihrer vorbildhaften Vorfahrin und deren Musik erst jetzt, kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag am 27. Mai 2010, ein ganzes Album widmet, ist wenigstens ungewöhnlich. Schließlich gehört die Sängerin aus Memphis, Tennessee, die über Stationen in New York und Paris mittlerweile in der Nähe

von Las Vegas gelandet ist, nicht nur zu den Fortschrittlichsten ihrer Zunft. Auch hat sie sich im Lauf ihrer Karriere immer wieder als engagierte Historienpflegerin hervorgetan: Vor fünfzehn Jahren feierte Dee Dee die Musik Horace Silvers auf dem Album „Love And Peace“, zwei Jahre später gewann sie einen Grammy für „Dear Ella“, 2002 nahm sie ein Album mit der Musik Kurt Weills auf. Tatsächlich plante Dee Dee Bridgewater schon Ende der 80er Jahre, ein Album mit Billie Holidays Musik aufzunehmen. Und das kam so: Nach einem umjubelten Konzert in Paris bot ihr der Theaterregisseur Stephen Stahl 1986 die Hauptrolle in seinem neuen Ein-Frauen-Musical an. Es sollte „Lady Day“ heißen und das Leben und die Musik der Frau beschreiben, über die Jeanne Moureau einmal gesagt hatte: „Sie kann in einer Strophe mehr Gefühle ausdrücken als die meisten Schauspielerinnen in drei Akten.“ Lady Dee Dee akzeptierte und brillierte in dieser Rolle, so sehr, dass sie im Jahr darauf sogar im Londoner Westend gastierte und für einen Prix Laurence Olivier als beste Schauspielerin nominiert wurde. „Nachdem ich die Rolle angenommen hatte, hörte ich monatelang nur noch Billies Musik, sah mir ihre Filme an, damit ich sie und ihre Stimme studieren konnte“, erzählt Dee Dee Bridgewater. „Billie darzustellen, war für mich etwas beunruhigend. Es war, als wäre ich von ihr besessen, als würde sie mich verzehren. Es ging so weit, dass ich Post bekam, die an meine Adresse, aber mit dem Namen ‚Billie Holiday‘ adressiert war. Ich konnte singen sie. Ich konnte reden wie sie. Ich war wie sie.” Die Stevewie Kuhn logische Konsequenz? Ein Album mit ihrer Musik aufzunehmen,

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Dee Dee Bridgewater

mit diesen Stücken, die sie zwei Jahre lang Nacht für Nacht auf der Bühne gesungen und gelebt hatte. „Natürlich wollte ich dieses Album damals schon machen, aber aus finanziellen Gründen wurde daraus leider nichts“, erinnert sich Dee Dee. „In gewissem Sinne bin ich im Nachhinein sogar ganz froh darüber. Schließlich imitierte ich Billie damals, sogar ihre Bewegungen, ihre Mimik, ihren Gang. Jetzt, auch inspiriert durch die Arbeit an meinem Mali-Album ‚Red Earth‘, fühlte ich mich frei und reif genug, ihre Musik und ihr Erbe auf meine Art und Weise zu zelebrieren.“ Kaum aus Westafrika zurück, begann ihr langjähriger Pianist Edsel Gómez, neue Arrangements für zwölf Klassiker aus Billie Holidays Repertoire zu schrei­ ben. Mutige, moderne Interpretationen, die ganz neue Seiten und Stimmungen dieser Standards aufdecken. Aufgenommen wurde „Eleanora Fagan (1915–1959): To Billie With Love From Dee Dee“ schließlich an drei Tagen in New York, mit instrumentalen Gästen wie dem Bassisten Christian McBride, dem Drummer Lewis Nash und dem multiinstrumentalen Holzbläser James Carter. „Es war magisch“, urteilt Dee Dee über die Session für ihr eigenes Label DDB, bei der wieder einmal der legendäre Toningenieur und Produzent Al Schmitt hinter den Reglern saß. „Die Grooves waren perfekt, weil jeder seinen Part nahm und ihn sich zu eigen machte. Meine gesangliche Intensität kam direkt davon, was ich von ihnen hörte. In jeden einzelnen Song floss enorm viel Liebe.“ Die malischen Wurzeln des Blues und Jazz sind schon im Opener „Lady Sings The Blues“ spürbar, bei dem sich Dee Dee und James Carter am Tenorsaxophon die Rolle des

Griots, des Geschichtenerzählers, teilen. Auch bei „Good Morning Heartache“ begleitet Carter die leidende Lady, diesmal an der Bassklarinette. Lustig wird es bei „Lover Man“, das gegen alle Erwartungen als optimistische Ode an die Partnersuche daherswingt. Ganz neu und überraschend sind auch die Versionen der Holiday-Komposition „Don’t Explain“, mit sehr reduzierter Percussion-Begleitung, gestrichenem Bass und Querflöte, oder des Dauerbrenners „God Bless The Child“. Auf „Foggy Day“ zündet die Diva schließlich eines ihrer berühmt-berüchtigten Scat-Feuerwerke, um sich beim abschließenden „Strange Fruit“ dramatisch aus der sentimentalen Schlinge zu winden. Immer wieder gelingt es Dee Dee und ihrer „Traumband“ dabei, diese Musik aus einer modernen Perspektive darzustellen und ihr damit neues Leben einzuhauchen. Das Album ist eine Liebeserklärung und eine tiefe Verbeugung – von Legende zu Legende. „Ich möchte, dass sich die Leute so gut fühlen, nachdem sie das Album gehört haben, dass sie neugierig werden, und mehr über die wahre Billie Holiday herausfinden wollen: Diese Freude, die Liebe, ihren Mut und ihre Kraft als Songwriterin; und eben nicht nur die dunklen, tragischen Seiten ihres Lebens. Billie hat es verdient, dass man ihre Musik in einem neuen Licht hört.“ www.deedeebridgewater.de

Dee Dee Bridgewater Eleanora Fagan (1915–1959) To Billie With Love From Dee Dee Emarcy CD 272 4155

PS: Um der Namensvielfalt Billie Holidays noch eine weitere Fußnote hinzuzufügen: In ihrer Geburtsurkunde stand der Name Elinore Harris, der Nachname ihrer Mutter Sarah, die erst später durch Heirat zu Sarah „Sadie“ Fagan wurde. www.jazzecho.de 13

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First Lady’s Favorite Ledisi ist eine der wenigen Soulsängerinnen unserer Zeit, die diese Bezeichnung nicht nur verdient, sondern lebt. Mit „Turn Me Loose“, produziert von Raphael Saadiq, Jam & Lewis, Rex Rideout und anderen, präsentiert Michelle Obamas Lieblingsstimme schon jetzt das Soulalbum des Jahres. Text: Götz Bühler | Foto: Jack Guy

Ledisi Turn Me Loose Verve CD 270 6972

„Schon die Stimme ist ein Ereignis: Ein voller und kräftiger Alt, der sich empfindsam und locker-leicht in himmlische Höhen schraubt, ohne dabei unnötige Schnörkel zu drehen, ein Organ wie eine Naturgewalt, das selbst im ekstatischen Schrei noch klar und konzentriert klingt, dann wieder, im tiefsten Atemhauch, sinnlich und sanft. Michelle Obama, kürzlich vom amerikanischen Magazin „People“ nach ihrer momentanen iPod-Playlist gefragt, fiel sofort Ledisi und deren „really pretty voice“ ein. Die First Lady, stets diplomatisch, neigt allerdings zu Untertreibungen. Im Rest der Republik fallen die Beschreibungen von Ledisis Stimme enthusiastischer aus, reichen vom „New York Times“-Zitat „ihre Stimme ist ihr eigener tragbarer Spielplatz“ bis zu den zahl- und atemlos überschwänglichen Liebesbekundungen auf Fan-Websites, in Radio- und TVProgrammen. Dabei ist die sagenhafte Soulsängerin mit Wurzeln in New Orleans und Wohnsitz in Oakland kein Frischling. Sie war sogar schon reichlich erfolgsverwöhnt, als sie 2007 ihren Vertrag mit Verve unterzeichnete. Zwei Alben hatte die singende Songwriterin seit 2000 auf ihrem eigenen Label veröffentlicht, mit Helden wie Poncho Sanchez, Omar Sosa und Third Eye Blind gearbeitet und sich internationale Ehrungen und Preise verdient. Ihr Majordebüt „Lost & Found“ hob sie allerdings noch ein bis vier Stufen höher zum Firmament; sie tourte um die ganze Welt, verkaufte eine Viertelmillion CDs, war regelmäßig bei MTV und BET und in den Billboard-Charts und wurde schließlich in der Königskategorie „Best New Artist“ für einen Grammy nominiert. Bei dieser Karriere sollte man ­annehmen, dass Ledisi mit dem damit einhergehenden Erwartungsdruck entspannt umgehen kann. Doch das umwerfende, nahezu ansteckende Selbst­bewusstsein in dieser Ausnahmestimme trügt. „Früher fragte ich mich immer, ob mich die Leute verstehen, ob sie wirklich wissen, wer ich bin“, erinnert sich Ledisi, deren Name aus dem westafrikanischen Yoruba kommt und „vorbringen, herkommen“ bedeutet. „Auf einmal kamen Wildfremde, aber auch die Leute meiner Plattenfirma, und meinten: „Okay, wir kennen dich jetzt. Was machst du als Nächstes?“ Ledisi beantwortete die Frage mit einem kleinen Schock und einer großen Schreibblockade. Sechs Monate lang brachte sie keinen Ton zu Papier, konnte nicht eine Text-

Ledisi

zeile für das neue Album schreiben, an die sie glaubte. Die Rettung kam durch eine Schallplatte des Drummers von Jimi Hendrix’ Band of Gypsies. „Ich hatte Buddy Miles’ Soul-RockKlassiker ‚Them Changes‘ nie zuvor gehört. Aber schon nach dem ersten Durchgang war ich begeistert und wusste, dass ich auf meinem nächsten Album einfach frei sein und loslassen wollte. Ich würde alles geben, was ich gesanglich, stimmlich draufhabe, und mich weder stilistisch noch sonst wie einschränken lassen. Ich bin also auf diesem Album sehr offen, sehr ehrlich, sehr Hip-Hop-Jazz-R’n’B – und sehr frei. Das ist es, worum es bei diesem Album geht: Frei zu sein.“ Nicht, dass sie vorher in Fesseln gelegen hätte, aber tatsächlich wirken die vierzehn Songs dieses Albums wie ein befreiender Rundumschlag. Dass „Change“, also Veränderung, ein zentrales Thema dieses Albums darstellt, ist offensichtlich: Neben einer umwerfend explosiven Version von „Them Changes“ stehen der Kopfnicker-Funk von „Everything Changes“, das von Raphael Saadiq produzierte „Love Never Changes“ im modernisierten Motown-Sound und die Powerballade „Goin’ Thru Changes“, eben für einen Grammy in der Kategorie „Best R‘n‘B Female Vocal Performance“ nominiert. Die zweite Single des Albums, die in den USA gerade kreuz und quer durch Charts und Sender läuft, ist „Higher Than This“, eine gospelig-moderne Soulnummer, produziert von den einstigen Prince- und JanetJackson-Weggefährten Jam & Lewis. Andere Ausnahmestücke tragen die produzierende Handschrift von Rex Rideout – etwa das Glücks-Tanz-Titelstück – oder des Hip-Hop-Soul-Stars Chucky Thompson, dessen Funk auch auf „Trippin’“ zur Geltung kommt. Das einzige Bindeglied zwischen diesen unterschiedlichen Musikwelten ist die Stimme von Ledisi. Zum Glück ist die nicht nur „really pretty“, sondern so eindringlich, außergewöhnlich und „soulful“, dass sie ganz natürlich im Vordergrund steht – ein echtes Ereignis. www.ledisi.de

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Back on the Block Klassische ECM-Alben als Originalausgaben auf 180g-Vinyl

Chick Corea Return To Forever

Pat Metheny Group Pat Metheny Group

Pat Metheny Group Offramp

Jimmy Giuffre 3 1961

Keith Jarrett The Köln Concert

Keith Jarrett Trio Tribute

ECM 1022 / LP 2727884

ECM 1114 / LP 2727889

ECM 1216 / LP 2727893

ECM 1438 / 2 LP 8496441

ECM 1064 / 2 LP 2727888

ECM 1420 / 2 LP 8471351

Alle ECM Classic Vinyl-Reissues erscheinen als audiophile 180 Gramm-Pressungen im hochwertigen Original-Artwork. Zur Zeit in Planung: Arvo Pärt „Tabula Rasa“, Keith Jarrett/Jan Garbarek „Belonging“, „My Song“, Pat Metheny „80/81“, „Travels“, Arve Henriksen „Cartography“, Jon Hassell „Power Spot“.

Keith Jarrett Trio Still Live

Keith Jarrett Trio Yesterdays

Enrico Rava Quintet New York Days

ECM 1360 / 2 LP 8350081

ECM 2060 / 2 LP 1794205

ECM 2064 / 2 LP 1797340

Alle News zu Veröffentlichungen von ECM-Alben auf Vinyl finden Sie jeweils aktuell auf www.ecm-vinyl.de.

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Neugier auf Ebene zwei Die größten Überraschungen erlebt man immer im vermeintlich bestens Bekannten. Die ECM-Künstler Stefano Battaglia und Michele Rabbia sowie François Couturier entlocken dem Klavier gänzlich verschiedene, aber gleich neue Töne. Text: Ralf Dombrowski | Foto: Dániel Vass / ECM

François Couturier

Noch immer will das Klavier erforscht werden. Erstaunlich eigentlich bei einem Instrument, das sich während der vergangenen anderthalb Jahrhunderte baulich kaum verändert, dafür zahlreiche Meister der Interpretation gefunden hat. Und doch gibt es diese Künstler, die dem Geheimnis des Klavierklangs auf den Grund gehen wollen. Zum Beispiel François Couturier. Man kennt den französischen Pianisten seit den frühen 90ern als Farbenmagier an der Seite von Kollegen wie Anouar Brahem

oder Dominique Pifarély und als Solisten, der sich zuletzt mit „Nostalghia: Song For Tarkovsky“ (2006) vor der Bilderwelt des russischen Filmästheten verneigt hat. Mit „Un jour si blanc“ öffnet er das Feld der Zueignungen noch weiter. Es ist sein erstes Soloalbum, und Couturier spannt den Bogen von abstrahiertem Barock bis zur Harmonik des Impressionismus, vom improvisierenden Gedankenstrom bis zur pointillistisch gefassten Form. Es ist ein Recital akustischer Zeichnungen und Aquarelle, frei für Assoziationen und zugleich gebunden in der Ausdruckskraft eines ungewöhnlichen Pianisten. Stefano Battaglia hingegen gibt sich karger, situativer. In „Pastorale“ entwirft der Mailänder Pianist zusammen mit dem Perkussionisten und Elektroniker Michele Rabbia einen Soundraum, der Minimalistisches mit Eruptivem, intuitiv Fließendes mit Pathetischem verknüpft. Connaisseure werden im stilistischen Stammbaum ein wenig Cage und Nancorrow entdecken. Aber auch reichlich Humor: Battaglias dritte Aufnahme bei ECM lebt von subtilen Brechungen, von plötzlichen Wendungen und überraschenden Timbres. Denn das Klavier will noch immer erforscht werden. www.ecm-sounds.de

Stefano Battaglia / Michele Rabbia Pastorale ECM CD 271 3764

François Couturier Un jour si blanc ECM CD 270 2689

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Der Sprachschatzmeister empfiehlt:

Singen macht glücklich Zu seinem 60. Geburtstag schenkt uns Bobby McFerrin „VOCAbuLarieS“, ein komponiertes Kehlkopfwunderwerk zwischen klassischen Chorälen, afrikanischen Chören und Soul-Doo-Wop-Gospel-Gesängen, freudestrahlend im Groove der wunderbarsten Weltmusiken. Text: Götz Bühler | Foto: Carol Friedman

Bobby McFerrin VOCAbuLarieS Emarcy CD 272 5556

Bobby McFerrin

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ing for your life“ steht auf einem T-Shirt, das man über Bobby McFerrins Website bestellen kann. Muttersprachler erkennen darin eine Kombination aus „Run for your life“, also „Renn um dein Leben“, und „Sing for your supper“, einem entfernten Verwandten von „Wie du mir so ich dir“. ­Diese Mischung aus Motto und Kommando macht besonders im Zusammenhang mit dem Stimmwunder aus New York Sinn. Tatsächlich ist es eine humorige Kurzfassung seiner Lebens­ philosophie. „Singen ist eine spirituelle Sache“, meint Bobby McFerrin, „völlig unabhängig davon, ob es sich um geistliche oder weltliche Musik handelt. Beim Singen finde ich ganz zu mir. Für mich ist es ein Weg zu beten, Gott zu ehren.“ Die vokalen Glaubensbekenntnisse des eben 60-Jährigen mit dem weisen Blick des Altmeisters in den lachenden Augen eines kleinen Jungen funktionieren so universell, wie sie einzigartig sind. Wenn er eine Bühne betritt, fasziniert er das Publikum nicht nur, er regt seine Zuhörer zum Mitmachen an und involviert sie aktiv in seine Improvisationen, besonders bei seinen Soloauftritten. „Musik zu hören ist etwas anderes, als sie selbst zu singen“, weiß er. „Wenn man etwas aufführt, hört man nicht nur zu, sondern ist auch mittendrin. Es entsteht ein Dialog mit der Musik, man verbindet sich mit ihr. Dadurch, dass man an der Aufführung teilhat, versteht man die Musik besser.“ Es war 1988, als Bobby McFerrin einen Denkspruch des schweigenden Gurus Meher Baba spontan im Studio in einen komischen Calypso-Song verwandelte. Seitdem ist er ein Weltstar. Früher war das Wunderkind des ersten afroamerikanischen Ensemblemitglieds der New Yorker Metropolitan Opera ein „musician’s musician“, ein Insider-Tipp. Er hatte auch schon vorher Grammys bekommen, immerhin für Aufnahmen mit The Manhattan Transfer und Jack Nicholson oder für die Titel­ melodie von Bertrand Taverniers „Um Mitternacht“. Aber nur weil ihn Kritiker und Kollegen bewunderten, waren die Auflagen seiner Platten nicht automatisch gestiegen. Seit den Millionenverkäufen des Dauerbrenners „Don‘t Worry, Be Happy“ ist Bobby McFerrin nicht nur ein „musikalisches Phänomen“, wie ihn die „New York Times“ nennt, sondern auch ein Publikumsmagnet. Sein Tourkalender für 2010 zeigt schon jetzt Konzerte auf der ganzen Welt, in Glasgow, Moskau, San Francisco, Lugano, Toronto, Athen, Prag und Bukarest, in der Mailänder „Scala“, der Münchner Philharmonie oder mit 65.000 Sängern beim „!Sing – Day of Song“ in der Veltins-Arena auf Schalke. An drei Abenden im Juli tritt er auch beim „Oregon Bach Festival“ auf, unter anderem mit Thomas Quasthoff als Gast. Dass sich Bobby McFerrin seine Popularität, diesen „StarStatus“, über zwanzig Jahre erhalten hat, obwohl er nur einen einzigen Hit hatte, den er zudem seit mindestens fünfzehn Jahren nicht mehr öffentlich singt, spricht für sein enormes Talent. Dass er diese Gabe außerdem ganz bewusst nutzt, um das spirituelle Erlebnis des Singens unter die Menschheit zu bringen, anstatt sich zurückzulehnen und ein paar flüchtige Radiohits zu produzieren, spricht für seinen Charakter. Ob er ein Philharmonie-Orchester dirigiert oder das „Sing Off“ von American Idol leitet, Bobby McFerrin geht es nur um eines: Musik. „VOCAbuLarieS“ beweist sich Bobby McFerrin erneut TillMit Brönner auch im Studio als Grenzensprenger. Selbst für einen Künstler

wie ihn, der schon mit seinen Alben mit Yo-Yo Ma, Chick Corea und Herbie Hancock für Überraschungen sorgte, ist dieses Werk ein absolutes Novum. Seit sieben Jahren in Produktion, ist es McFerrins Antwort auf die Frage nach einer „klassischen Moderne“, seine Klangwelt für das 21. Jahrhundert. Den Anstoß dazu gab seine langjährige Managerin und Produzentin. „Ich erlebte mit, wie Bobby die Wiener Philharmoniker dirigierte, dann mit Mehrspuraufnahmen experimentierte, mit seinem zwölfstimmigen Gesangsimprovisationsensemble Voicestra auf Tour ging und dann wieder seine abenteuerliche Soloshow aufführte“, erklärt Linda Goldstein. „Ich dachte, es müsste doch möglich sein, einen Ort zu finden, an dem all diese Wege zusammenlaufen.“ Sie engagierte den klassisch ausgebildeten Komponisten, Arrangeur und Sänger Roger Treece, der sich durch ein paar hundert Stunden Live-Aufnahmen von Bobby McFerrin hörte, um Ideen zu sammeln und zu bündeln. Anschließend schrieb und produzierte Treece sieben Jahre lang die Musik von „VOCAbuLarieS“, wie er es nennt: „sieben durchkomponierte Stücke mit Groove“. „Für mich ist es ein völlig anderes Werk“, sagt Bobby McFerrin. „Ich habe noch nie so eng mit einem anderen Komponisten gearbeitet, der um das herum schreiben konnte, was ich mache. Als jemand, der improvisiert, bin ich es gewohnt, dass alles nur im Moment existiert – und man es dann loslässt. Aber hier hörte Roger etwas, das ich einmal gesungen hatte, und entwickelte daraus ein Thema und Variationen. Dann kam er zu mir: ‚Hier, sing das!‘ Es war alt und neu, meins und nicht meins. Es war eine echte Herausforderung.“ Im Schnitt entstand auf diese Art und Weise ein Stück pro Jahr – aus insgesamt 800 Stunden Musikaufnahmen. Treece nahm allerdings nicht nur den Leader auf, sondern auch eine ganze Armada befreundeter Sänger und Musiker, von Lisa Fischer und Bernard Fowler, die beide auch bei den Rolling Stones zu hören sind, über Janis Siegel von The Manhattan Transfer, die New York Voices, Luciana Souza und Theo Bleckmann, bis zu Drummer Alex Acuña und dem Steely-DanProgrammierer Steve Wolf. Das Ergebnis, die sieben Songs von „VOCAbuLarieS“, funktioniert zum Glück nicht nur auf einer bewundernswerten Ebene zwischen Chor-Artistik und Art-Musik, sondern auch als fröhlich entspannter Hörgenuss. Man muss nicht wissen, dass hier in fünfzehn Sprachen plus einem höchst eigenen „McFerrin’sch“ gesungen wird. Man muss die Harmonien, Rhythmen und Melodien aus Treeces Feder und McFerrins Mund nicht verstehen. Man darf auch ruhig vergleichen, mit The Free Design, MPB-4, den Singers Unlimited oder auch Ladysmith Black Mambazo. Vor allem aber sollte man sich auf diese choralen Vielfältigkeiten einlassen, ganz genau hinhören. Und im nächsten Moment einfach nur die Musik wirken lassen. Vom krabbelnden „Baby“, über das quirlige „Say Ladeo“, irgendwo zwischen Doo Wop und Brasilien, über die afrikanischen Erinnerungen in „The Garden“ bis zum sakralen Orches­ terwerk „Brief Eternity“. „Musik ist heute so allgegenwärtig und verfügbar, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen“, meint McFerrin. „Es hilft, wenn wir wieder lernen, die Augen zu schließen, ruhig zu werden und uns bewusst zu sein, dass uns das, was wir gerade hören, so noch nie begegnet ist.“ www.bobbymcferrin.de

Bobby McFerrin 1950 Am 11. März kommt Bobby McFerrin in New York zur Welt.

1956 Kurz nachdem der Bariton Robert McFerrin Sr. als erster Schwarzer eine Titelrolle an der Met gesungen hatte, bekam Junior Klavierunterricht an der Julliard School.

1977 Bobby, seit der Highschool als Keyboarder auf Tour, u.a. mit verschiedenen Top-40-Bands, beginnt mit der Band The Astral Projection auch zu singen.

1980 Auf Empfehlung von Bill Cosby wird er als Sänger zum Playboy Jazz Festival eingeladen. Der erste Plattenvertrag folgt 1981.

1988 Das Album „Simple Pleasures“ mit dem Hit „Don’t Worry, Be Happy“ verkauft sich weltweit über zehn Millionen Mal.

1990 „Zum Spaß“ beginnt er mit dem Dirigieren – Unterricht hatte er bei Leonard Bernstein und Seiji Ozawa erhalten.

2009 „Bobble“, seine improvisierte Oper über den Turmbau zu Babel, wird mit zwanzig Sängern (u.a. Ulita Knaus und Camille) im römischen Theater in Augst aufgeführt.

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Bojan, der Unberechenbare Text: Jörg Eipasch | Foto: JM Lubrano

Bojan Z & Tetraband Humus Emarcy CD 532 0498

„Ob es Jazz ist oder nicht, weiß ich nicht“, sagt Bojan Z über die Musik seiner Tetraband. „Wir improvisieren jedenfalls sehr viel. Und Überraschungsmomente spielen in unserem musikalischen Konzept definitiv eine wichtige Rolle.“ Unberechenbar ist die Musik des serbischen Pianisten und Keyboarders seit jeher. Getrieben von einer heute nur noch selten anzutreffenden Experimentierlust, jongliert er in seiner Musik mit einer Vielzahl von Stilelementen. Dabei setzt er diese aber nicht collagenhaft aneinander, sondern entwickelt die unter-

schiedlichen Stimmungen in seinen oftmals suitenähnlichen Stücken auf erstaunlich organische Weise. Die Musik des neuen Albums „Humus“ erinnert mal an die rockigen Exkursionen von Miles Davis in den 1970ern, mal an die jazzigeren Seitensprünge Frank Zappas in derselben Zeit. In den balladesken, eher melodiebetonten Stücken wiederum klingt die Tetraband modern und sehr europäisch, und manchmal offenbart Bojan sogar seine Wurzeln in der Folklore des Balkans. In dem New Yorker Posaunisten Josh Roseman sowie Schlagzeuger

Seb Rochford und Bassistin Ruth Goller, dem Rhythmusgespann der britischen Jazz-Punk-Band Acoustic Ladyland, fand der innovationsfreudige Serbe kongeniale Partner, die – wie er selbst – die Intellektualität des Jazz mit der Energie des Rock zu paaren verstehen. Von Kritikern in Frankreich, Großbritannien und den USA wurde die Tetraband deshalb zu Recht schon als eines der hipsten Ensembles der aktuellen Jazzszene gefeiert.

Echte Werte statt Werthers Echte Christian Scott Yesterday You Said Tomorrow Concord

Christian Scott gibt die akademischen Lehren seines Großvaters mit der Trompete an uns alle weiter. Text: Jörg Eipasch | Foto: Kiel Scott

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5 Buchtipps von Christian Scott & Opa: Barry Schwartz: Anleitung zur Unzufriedenheit – Warum weniger glücklicher macht Ralph Ellison: Der unsichtbare Mann Cornel West: Democracy Matters Tavis Smiley: The Covenant with Black America Frederick Douglass: Mein Leben als Sklave in Amerika

Für viele Großeltern scheint die größte Daseinsberechtigung darin zu bestehen, die Enkel nach allen Regeln der Kunst mit Süßigkeiten zu verwöhnen. Nur wenige nehmen ihre Rolle ernster. Christian Scotts Opa war so einer. Statt Christian und seinen Zwillingsbruder Kiel mit Werthers Echten vollzustopfen, vermittelte er ihnen echte Werte. Jede Woche ließ er die beiden Jungen nicht nur ihr schulisches Pflichtprogramm erfüllen, sondern auch einen Klassiker der afroamerikanischen Literatur lesen. Wenn sie mit dem Pensum nicht nachkamen, mahnte er mit sanftem Nachdruck: „Yesterday you said tomorrow …“ Das groß-

väterliche Engagement trug Früchte: Beide Brüder gehörten auf der Highschool zu den Klassenbesten. Und Christian, der mit zwölf Jahren begonnen hatte, Trompete zu spielen, erhielt ein Vollstipendium für das Berklee College of Music, wo er in nur zwei Jahren zwei akademische Abschlüsse machte. Heute gilt Scott als einer der großen Innovatoren seiner Generation. Und zu Ehren seines Opas hat er sein neues Album „Yesterday You Said Tomorrow“ genannt. Als weitere Inspiration dienten Scott Miles Davis, John Coltrane, Charles Mingus, Bob Dylan und Jimi Hendrix. „Probleme, die diese Musiker schon in den 60er Jahren an-

Christian Scott

sprachen, existieren immer noch“, meint er. „Sie mögen ein wenig anders ausse­ hen, aber sie sind immer noch vorhanden.“ Und so ist der Titel eine Mahnung an die Gesellschaft und Politiker, diese Probleme endlich anzugehen und ihre Lösung nicht mehr auf die lange Bank zu schieben. www.christianscott.de

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Stadt & Land im Fluss Auf seinem neuen Album beweist Tord Gustavsen einmal mehr: Das Land mag das Ziel der Romantiker sein, aber die Stadt ist ihr Startpunkt. Text: Wolf Kampmann | Foto: Anja Basma

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er norwegische Pianist Tord Gustavsen steckt voller Überraschun­gen. Er gilt zu Recht als Romantiker, doch die nordische Naturverbundenheit, die ihm schablonenhaft nachgesagt wird, wies er schon angesichts seiner umjubelten TrioCDs zurück. Er selbst bezeichnet sich eher als urbane Seele. Nun hat er den Zyklus seiner Trioalben abgeschlossen und erweitert sein Spektrum auf „Restored, Returned“ um Saxophon und Gesang. Nicht, dass sein Klanggebäude dadurch massiver wirken würde. Im Gegenteil, die Fantasien des sensiblen Tastentänzers sind noch filigraner und fragiler als zuvor. Und doch sind sie verblüffend erdig, weil man sich an konkreten Melodien festhalten kann. „Im Jazz ist die Melodie oft der Ausgangspunkt für die Improvisation“, erläutert Gustavsen. „Es geht meist um einen Gegensatz zur Melodie. Ich glaube jedoch, Menschen viel direkter anzusprechen, indem ich der Improvisation immer genügend Respekt gegenüber der Melodie abringe.“ Gustavsen bleibt auch auf der neuen CD ein Romantiker, doch wie alle großen romantischen Künstler ist er in der Stadt verwurzelt. Nur der Stadtmensch hat die Muße zur Romantik. Pastorale Geister haben oft ein wesentlich praktischeres Verhältnis zur Natur. Die neuen Songs sind unglaublich leise, aber das stellt für den Pianisten keinen Widerspruch zu seiner urbanen Lebensart dar. „Für viele Menschen stehen Schönheit und Roman­ tik in der Kunst im Konflikt mit Ehrlichkeit. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass in den meisten Menschen eine gewisse Sehnsucht nach Romantik steckt. Mein innerer Drang nach größtmöglicher Freiheit ist eng gekoppelt mit meinem Verlangen nach ultimativer Schönheit.“ Mit seinen teils gesungenen Stücken mag er noch so sehr in spirituelle Sphä-

Tord Gustavsen Restored, Returned ECM CD 179 8987

Tord Gustavsen (2. v. l.) und Band

ren entschweben, er behält doch immer noch ein Ohr in der Mitte der Menschen. Das hebt seine Musik so wohltuend von den Konstrukten vieler seiner Zeitgenossen ab, die sich längst aus jeder Lebenswirklichkeit entfernt haben. Da ist immer eine zweite Ebene, jener urbane Faktor. Laut Gustavsen ist seine neue CD in einem globalisierten Umfeld angesiedelt. „Sie greift Elemente der ganzen Welt auf. Das muss ja nicht immer laut passieren, sondern kann sich auch ganz leise vollziehen. Hier geht es nicht um Fusion, sondern um Intentionen. Mir kommt es so vor, als würde ich durch geschäftige Straßen streichen und plötzlich in die leiseren Winkel der Stadt ausweichen. Diese Metapher für meine Musik ist viel zutreffender, als aus der Stadt in die Natur auszubrechen. Auch im urbanen Leben gibt es genug Momente des Innehaltens und der Meditation.“

Aber es geht nicht um diese leisen Aspekte allein. Die Ruhe und den Ausgleich auch in einer hektischen Umgebung zu finden, erhöht für Gustavsen die Herausforderung. Die Stille definiert sich ja nicht nur über sich selbst, sondern auch immer im bewussten Kontrast zum Lärm. „Das geht nicht so sehr von den Dingen an sich aus als von unseren Sichtweisen. Wir laufen täglich dieselben Straßen entlang. Was heute bedrohlich wirkt und Stress auslöst, kann dir morgen plötzlich Frieden geben.“ Treffender kann man die spirituelle Grundformel dieser CD gar nicht auf den Punkt bringen. www.tordgustavsen.de

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JAZZ CLUB Großer Jazz zum kleinen Preis Die neuen Folgen:

Bar Jazz Vol. 2 feat. Oscar Peterson, Dinah Washington, Dizzy Gillespie

Swingle Singers Swinging The Classics

Beatles vs. Stones British Pop Hits Go Groovy

Bossa Nova Guitar feat. A. C. Jobim, Joao Gilberto, George Benson, Joe Pass

James Brown The Soul Brother’s Jazz

Eugen Cicero Classics In Rhythm

The Fantastic Sound Of Kai Warner

Stan Getz Plays Bossa Nova

The Swinging Shirley Horn

George Gershwin Songbook feat. Ella Fitzgerald, Louis Armstrong, Fred Astaire

The Fantastic Sound Of The Gunter Kallmann Choir

Jazz For Lovers Vol. 2 feat. Al Jarreau, Natalie Cole, Nina Simone, Chet Baker

Jimmy Smith Plays Red Hot Blues

Norway Nights feat. Nils Petter Molvaer, Bugge Wesseltoft, Beady Belle

Gerhard Wendland Ganz leis erklingt Musik

The Best Of Talking Loud feat. Incognito, Galliano, Urban Species, Omar

Dinah Washington Lady Sings The Blues

The Fantastic Sound Of Werner Twardy

Incognito Always There - The Best Of

Black Power feat. Ray Charles, James Brown, Quincy Jones, Marvin Gaye

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Neuerscheinungen CDs • www.jazz-neuerscheinungen.de Aufregendes neues Quartett des tunesischen OudVirtuosen und Vokalisten mit Tigran Hamasyan, Chris Jennings und Mark Guiliana. Dhafer Youssef / Abu Nawas Rhapsody / Jazzland CD 272 9556

Mit seiner markanten Bassbaritonstimme verwan­delte der Soulsänger noch die unschuldigsten Liebeslieder in musikalische Aphrodisiaka. Isaac Hayes / Sings For Lovers / Concord CD 723 1897

Das neue Album der chilenischen Sängerin wurde vom „Chicago Tribune“ zu einem der zehn innovativ­sten Jazzalben 2009 gekürt. Claudia Acuña / En este Momento / Marsalis Music CD 460 0100

Ständchen zum 40. Geburtstag des Indie-Labels von Madeleine Peyroux, Béla Fleck, Steve Martin u.a. Various Artists / Rounder 40th Anniversary Concert / Rounder Records CD 613 2772

Mit aktueller Band und Stargästen nahm der FunkJazzer seine größten Erfolge neu auf. Mit Blick hinter die Kulissen auf DVD. Brian Culbertson / Live From The Inside / GRP CD + DVD 271 3437

Mix aus Klassikern der 60er (Juliette Gréco, Ray Charles) und aktuellen Hits mit Retro-Flair (Duffy, Melody Gardot, Madeleine Peyroux). Various Artists / OST An Education / Decca CD 270 8224

In den 80ern sang Maloo mit Double „The Captain Of Her Heart“. Jetzt das Comeback mit souligem Jazz-Pop. Kurt Maloo / Summer Of Better Times /

Live offenbart der Norweger ungezähmt Phan­­tasie, Coolness und balladeske Sensibilität. Gast: Håkon Kornstad. Eivind Aarset & The Sonic Codex Orchestra / Live Extracts / Jazzland CD 273 1968

Verve Forecast CD 272 1868

Short cuts Weitere

Ein „perfektes kleines Meisterwerk“ findet „All About Jazz“ das athmosphärische Soloalbum des ehemaligen Wibutee-Saxophonisten. Håkon Kornstad / Dwell Time / Emarcy CD 270 9710

aktuelle

Boxen

Virtuoser und unterhaltsamer Mix aus fetzigem Boogie-Woogie, sinnlichem Vokaljazz, neckischem Jump-Blues und ausgelassenem Rockabilly. Imelda May / Love Tattoo / Decca CD 179 0561

Ein Sammlerstück mit den Original-„Radiolarians“CDs, Bonus-CDs, DVD und LPs. Medeski Martin & Wood / Radiolarians: The Evolutionary Set /

Irabagon gilt als der heißeste neue Saxophonist New Yorks. Hier spielt er mit seiner Traumband mit Kenny Barron, Rufus Reid und Victor Lewis. Jon Irabagon / The Observer / Concord CD 723 1319

Zu Reinhardts 100. Geburtstag erscheint die 3-CDBox in limitier­ter Auflage mit einer Bonus-DVD. Django Reinhardt / Retrospective 1934–53 /

Spiritueller Jazz der 60er von Abbey Lincoln, Ahmad Jamal, Anita O’Day, Yusef Lateef u.a. Various Artists / Nicola Conte Presents Spiritual Swingers / Emarcy 2 CDs 271 5377

Sämtliche 14 Alben, die Davis in den 50er Jahren für Prestige aufnahm, erstmals zusammen in einer limitierten Box. Miles Davis / All Miles: The Prestige Albums / Prestige 14 CDs 532 1756

Bewegendes, vielfältiges und sehr politisches Album mit Neuaufnahmen der Weltmusikklassiker „Papa“, „Folon“ und „Seydou Bathily“. Salif Keita / La différence / Emarcy CD 882 4026

Sämtliche Mastertakes, die der mit 25 Jahren verstorbene Trompeter in den 50ern für Emarcy einspielte. Clifford Brown / Complete Emarcy Master Takes / Emarcy 4 CDs 171 8396

Veröffentlichungen im Überblick

Emarcy 5 CDs, 1 DVD + 2 LPs 170 0112

Emarcy 3 CDs + DVD 532 0812

Liebeslieder vom Großmeister des Rhythm’n’Blues. Mit „I Can’t Stop Loving You“, „You Are My Sun­shine“, „Love Is Here To Stay“ u.a. Ray Charles / Sings For Lovers / Concord CD 723 1896

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ECM CDs • www.ecm-sounds.de Live eingefangen im Village Vanguard: Moderner, balladesker und freier Jazz der Spitzenklasse! Paul Motian Trio with Jason Moran & Chris Potter / Lost In A Dream / ECM CD 273 2132

Ein wahres Festival an Klangfarben bieten die Aufnahmen, die Eberhard Weber zwischen 1975 und 1980 für ECM machte. Eberhard Weber / Colours / ECM 3 CDs 271 9638

Musikalische Bilanz der 40-jährigen Partnerschaft Bjørnstads und Christensens. Ketil Bjørnstad, Jon Christensen & Tore Brunborg / Remembrance / ECM CD 273 2490

Die drei Piano-Soloalben „Piano Improvisations Vol. 1 & 2“ (1971) und „Children’s Songs“ (1983) gehören zu den absolut besten dieses Genres. Chick Corea / Solo Piano / ECM 3 CDs 271 9652

Spannend wie ein Thriller: Auftragskompositionen, die der Gitarrist für sein aktuelles Trio, die Bergen Big Band und Gast Palle Mikkelborg schrieb. Terje Rypdal / Crime Scene / ECM CD 273 3215

Die ersten, nie zuvor auf CD veröffentlichten ECMAlben Andersens („Clouds In My Head“, „Shimri“ und „Green Shading Into Blue“). Arild Andersen / Green And Blue / ECM 3 CDs 273 3448

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Ausgabe 1 • 2010 Jahrgang 13

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ô Club/Dance-Jazz (z.B. Mojo Club, Tok Tok Tok, Jazzanova) ô ECM-Label (z.B. Jan Garbarek, Keith Jarrett, Wasilewski Trio) ô Andere Jazzmusik, z.B. _____________________________ ô ____________________________________________________ ô Weltmusik (Afrika, Asien, Lateinamerika) ô Hörbücher (Belletristik, Krimis, Gedichte, Sachbücher)

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JazzEcho-Konzertführer Aktuelle Tournews jede Woche neu auf www.jazzecho.de John Abercrombie 17.04. Halberstadt Claudia Acuña 04.04. Berlin, A-Trane 07.04. Innsbruck (A), Treibhaus 13.04. Zürich (CH), Widderbar 14.04. Wien (A), Porgy & Bess Mischa Alperin 30.04. Ulm, Verein für Moderne Musik Kristin Asbjørnsen 18.04. Mindelheim, Jazz-isch 14.07. Lörrach, Stimmen-Festival Nik Bärtsch 02.07. Elmau, Schloss Rebekka Bakken 09.07. Annweiler, Rathausplatz 15.07. Heidenheim, Open Air 16.07. Freiburg, ZMF 17.07. Aachen, Burg Wilhelmstein 18.08. Kassel, Kulturzeit 19.08. Jena, Kulturarena 20.08. Judenburg (A) 18.09. Braunschweig, Kulturzelt Carla Bley & Paolo Fresu 24.04. Schwäbisch Gmünd 26.04. Köln, Stadtgarten 07.05. Friedrichshafen Dee Dee Bridgewater 12.04. Hamburg, Laeiszhalle 15.04. Stuttgart, Liederhalle 26.04. Frankfurt/M., Alte Oper Till Brönner 28.03. St. Ingbert, Jazzfestival 30.04. Gronau, Jazzfest Till Brönner & His Piano Friends 23.07. Recklinghausen, Klavierfestival Ruhr/Ruhrfestspielhaus James Carter 17.04. Halberstadt 23.04. Freiburg 24.04. Ilmenau 26.04. Koblenz 29.04. Kempten Kurt Elling & WDR Big Band 25.06. Gütersloh 26.06. Köln, Philharmonie Torun Eriksen 01.05. Heidelberg, Karlstorbahnhof 02.05. Köln, Altes Pfandhaus

04.05. Marbug, KFZ 05.05. Leipzig, Werk 2 08.05. Braunschweig, City Jazz Nights

19.07. München, Philharmonie im Gasteig (mit Roger Treece und dem European Chamber Choir)

Jan Garbarek 26.03. Köln, Philharmonie 27.03. Leipzig, Haus Auensee 24.07. Bad Dürkheim , Klosterruine Limburg

Nils Petter Molvær 29.04. Basel (CH), Theater 30.04. Gütersloh, Theater

Impressum

Youssou N‘Dour 23.05. Würzburg, Africa Festival

Herausgeber:

Melody Gardot 06.05. Hamburg, Laeiszhalle Tord Gustavsen Quartet 11.04. Erlangen, E-Werk 12.04. München, Carl-Orff-Saal 13.04. Darmstadt, Centralstation 14.04. Karlsruhe, Tollhaus 15.04. Kaiserslautern, Kammgarn 16.04. Mainz, Frankfurter Hof 17.04. Mannheim, Alte Feuerwache 18.04. Ulm, Roxy 19.04. Stuttgart, Theaterhaus 20.04. Düsseldorf, Savoy Theater 21.04. Lübeck, MUK 22.04. Berlin, Quasimodo 24.04. Hamburg, Kampnagel 25.04. Oldenburg, Kulturetage 26.04. Dortmund, Konzerthaus 27.04. Bonn, Brückenforum Anna Maria Jopek 01.05. Kaiserslautern, Kammgarn Manu Katché 26.05. München, Muffathalle 27.05. Berlin, Babylon 28.05. Dortmund, Domicil 29.05. Hamburg, Elb-Jazz 08.08. Neustadt-Mußbach, Palatia Jazz 10.08. Würzburg, Hafensommer 11.08. Oestrich-Winkel, Rheingau Musik Festival 12.08. Jena, Kulturarena 13.08. Kassel, Kulturzelt 14.08. Elmau, Schloss Khaled 01.04. München, Muffatwerk 03.04. Berlin, Huxleys 04.04. Hamburg, Fabrik Bobby McFerrin 15.05. Zürich (CH), Tonhalle 02.06. Wien (A), Konzerthaus 05.06. Gelsenkirchen, Schalke/Ruhr Day of Song 15.07. Lörrach, Burghof 18.07. Straubing, Jazz an der Donau

Evan Parker 13.05. Köln, Stadtgarten 14.05. Köln, Musiktriennale Köln, Klaus-von-Bismarck-Saal John Scofield 20.04. Essen, Grillo-Theater 30.04. Basel (CH) 03.05. Wien (A), Konzerthaus Solveig Slettahjell & Slow Motion Orchestra 27.03. Innsbruck (A), Treibhaus Steve Swallow 14.05. Essen, Philharmonie Vienna Teng 20.04. Zürich (CH), Moods 21.04. Freiburg, Jazzhaus 22.04. Koblenz, Café Hahn 23.04. Köln, Altes Pfandhaus 24.04. Stuttgart, BIX 25.04. Mainz, Frankfurter Hof 27.04. Hamburg, Fabrik 29.04. Halle, Oper 30.04. Dresden, Alter Schlachthof 01.05. Bernau, Musikfestspiele 02.05. Neuhardenberg, Schinkelkirche 13.08. Kassel, Kulturzelt 14.08. Jena, Kulturarena 15.08. Aachen, Burg Wilhelmstein Rufus Wainwright 17.05. München, Muffathalle 19.05. Berlin, Volksbühne 31.05. Hamburg, Kampnagel 02.06. Köln, Tanzbrunnen Marcin Wasilewski Trio 26.04. Illingen, Illipse

Universal Music Classics & Jazz Stralauer Allee 1 10245 Berlin www.jazzecho.de Konzept und Gestaltung: G9 Design GmbH Hamburg www.G9.com Litho: RAWA, Hamburg Druck: Mohn media, Gütersloh Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Herausgebers: Fax: (030) 52007–2597 E-Mail: webteam@jazzecho.de Ihre Adresse hat sich geändert? Dann schicken Sie bitte Ihre alte und neue Adresse sowie Ihre Kundennummer (die Sie auf dem Adressetikett finden) per Post an: JazzEcho

Bugge Wesseltoft 31.03. Elmau, Schloss/Pianofestival 12.04. Stuttgart, Wagenhallen

A.-Nr. 5285

Savina Yannatou 27.04. Wuppertal, Oper 17.06. Landsberg, Stadttheater 19.06. Wuppertal, Skulpturenpark

oder per E-Mail an

Postfach 90 06 41 06058 Halle aboservice@jazzecho.de

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