Diplomarbeit

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Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz – Kunstuniversität Linz

Institut für Raum und Design Studienrichtung Architektur

Urban Tomography Raum-zeitliche Verdichtung von Stadt am Mittelpunkt einer Linie

Markus Jeschaunig

Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Mag. arch.

Betreut von

Univ. Prof. Dr. Dipl. Ing. Sabine Pollak Linz, 2010



Inhaltsverzeichnis

Vorwort, Chronologie 1 Einleitung

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2 Stadt und Kerbe

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Reibung und Architektur

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3 Linie und Stadtschnitt

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Stadtforschung Istanbul (ISTANBUL on LINE)

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Konzept Kunst – Edward Ruscha, James Benning, VALIE EXPORT

43

Kerbungen – Vom Pflug bis CAD

Richard Long – Gehen als künstlerische Praxis

11

38

4 Urban Tomography

53

Urban Tomography – Ausstellung Istanbul

63

Karten

76

Spielplatz Koordinatensystem

Urban Tomography – Ausstellung Graz Fragestellung

63

67 96

5 Raum, Zeit und Simultanität

101

Von Newton zu Einstein

107

6 Die Ausstellung

111

115

Planmaterialien

117

Filmausschnitte

7 Ergebnis und Ausblick

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Literaturverzeichnis

156

English Summary

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159

Verfassererklärung

160

Aktion Urban Tomography – Film Trip

Datenschutz

Ausstellungsfotos

Abbildungsverzeichnis

106

121 154


Gordon Matta-Clark Splitting, 1974, Engelwood, New Jersey (USA).

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Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit basiert auf den Arbeitsergebnissen verschiedener Linienprojekte,

die ich im Laufe der letzten drei Jahre in Linz und Istanbul entwickelt habe. Die Arbeit bildet den Höhepunkt der Beschäftigung mit den Themen Stadtschnitt, Linie und öffentlicher Raum und fand

im August 2010 eine Realisierung in Form einer Ausstellung (Videoinstallation) im Künstlerhaus Graz – Titel Urban Tomography. Das hier vorliegende Diplombuch soll die einzelnen Projektschrit-

te dokumentieren, theoretisch reflektieren und geschichtliche Zusammenhänge mit Projekten aus Kunst, Architektur und Städtebau aufzeigen.

Chronologie 2007 ISTANBUL on LINE – Linienprojekt in Istanbul, Stadtspaziergang und Kartierung im Rahmen eines Auslandsstudiums an der Mimar Sinan Fine Arts University, Istanbul (zusammen mit Elsa Berrada, Carla Mevissen, Perihan Usta) 2008 Ausstellung ISTANBUL on LINE im Rahmen von »Best off 08« in Linz Ausstellung ISTANBUL on LINE im Rahmen von Architekturtage 2008 in Graz (TU Graz) 2009 URBAN TOMOGRAPHY Istanbul, Videoinstallation (Arbeitstitel: ISTANBUL on TIME) Konzept für »Istanbul 2010 – Kulturhauptstadt Europas/Visual Arts«. Realisiert im Rahmen der »5th International Student Triennial Istanbul 2010« in Istanbul (Marmara University) 2010 URBAN TOMOGRAPHY Graz, Videoinstallation Diplomarbeit an der Kunstuniversität Linz Ausstellung im Künstlerhaus Graz

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The artist tries to express

the unknown, with the known.

Friedrich Kiesler, Architekt, Designer, Vision채r

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Einleitung 1 Was ist Stadt? Diese Frage stand am Beginn meiner Beschäftigung mit dem Thema Linie und Stadtschnitt. Die bewusste und konkrete Lesbarkeit von Stadt ist kein einfaches Unterfangen. Jede Stadt

besteht aus materiellen und immateriellen Elementen, die sich in einem ständigen Wandel befinden. Im Laufe ihrer Existenz befindet sich eine Stadt niemals im selben ‚Zustand‘.

Die städtebauliche Ebene kommt im architektonischen Schaffensprozess in der Regel vor der kon-

kreten architektonischen Gestalt. ArchitektInnen müssen die Fähigkeit besitzen zuerst den Ort zu

verstehen, bevor das eigentliche Bauwerk entworfen und geformt werden kann. Wenn Architektur,

die Gebäude und unsere Städte als dreidimensionale Sprache unserer Kultur verstanden werden, so müssen ArchitektInnen verstehen welche Kräfte dieser Kultur innewohnen. Die gesellschaftlichen Kräfte bilden sich in der Stadt vor allem im öffentlichen Raum ab – es gilt also diesen Raum

lesen, interpretieren und verstehen zu können. Es geht darum das Immaterielle zu verstehen, bevor man einen materiellen Ausdruck dafür finden kann. »Das Außen der Häuser ist das Innere der Stadt.«

1

Was geht draußen ‚vor der Haustüre‘ tatsächlich vor? Was wirkt dort und beeinflusst diesen Luftraum zwischen den Körpern? Unter welchen globalen Einflussfaktoren steht der öffentliche Raum?

Wie definiert sich Öffentlichkeit? Wie kann die ‚DNA der Öffentlichkeit‘ entschlüsselt und gelesen werden?

Definitionsversuche und Erklärungsmodelle über das Wesen von ‚Stadt‘ werden meist in theoreti-

schen Diskursen behandelt. Um theoretische Dinge im realen Stadtraum sehen und überprüfen zu können, ist es sinnvoll, in die Stadt zu gehen und zu intervenieren. Diese Diplomarbeit stellt einen 2

solchen Versuch dar. Bereits im Jahr 2006 erprobte ich im Rahmen von FLAUM einen spielerischen Zugang, der mich – ähnlich einem Flaneur – in die Stadt hinaus führte. Dabei wurde versucht, die

subjektiven Wahrnehmungen aufzuzeichnen, um sie anschließend in der Gruppe objektiv zu diskutieren. Diese Arbeitsweise Observe–Reflect–Make konnte ich in Istanbul entscheidend weiterentwickeln.

1 Jacobs, Jane, Stadttheoretikerin und Autorin (USA) 2 FLAUM – ForschungsLabor öffentlicher rAUM, Plattform für unkonventionellen Urbanismus Linz, Ausstellung afo Linz, Okt. 2006

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Das Stadterkundungsprojekt ISTANBUL on LINE (2007) , bei dem die Stadt drei Tage lang ent-

lang einer geraden Linie durchwandert wurde, stellt eine Konfrontation des gewachsenen Stadt-

bodens mit dem abstrakten Element der Linie dar und war als Analysewerkzeug zur Wahrnehmung öffentlicher Räume so fruchtbar, dass es zu zahlreichen weiteren Projektideen führte. Das

im Rahmen einer Projekteinreichung für die Kulturhauptstadt Istanbul 2010 entwickelte Konzept ISTANBUL on TIME wurde schließlich im Rahmen der Diplomarbeit als 1:1 Versuch am Beispiel von Graz in einer Ausstellung im Künstlerhaus Graz realisiert. ‚Urban Tomography‘ (Urbane Tomogra-

phie) stellt eine experimentelle Analysemethode (Stadtschnitt) dar, die ein Grundphänomen der Stadt thematisiert: Simultanität im Stadtraum.

Die Arbeit der letzten drei Jahre kann mit dem abgebildeten Diagramm The creative process veranschaulicht werden. ‚Observation‘, ‚Hypothese‘ und ‚Experiment‘ markieren einen künstlerisch– wissenschaftlichen Arbeitsprozess, in dem ständig analysiert, reflektiert und gehandelt wird. »Es geht um die Schärfung, vielleicht sogar die Produktion eines Blicks und einer Aufmerksamkeit«3

wie es Karl Schlögel in seinem Buch Im Raume lesen wir die Zeit treffend formuliert. Es geht um eine

Raumbeschreibung, ein Abbild, eine Karte.

The creative process (2009), Dubberly Design Office, San Francisco, CA 3 Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit, München 2006

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Diplomarbeit Die Arbeit ist im Wesentlichen in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil ‚Stadt und Kerbe‘ wird ein Beschreibungsmodell von Stadt entwickelt, das jenes Basisverständnis von Stadt darstellt, welches

als Grundlage für weitere Argumentation dient. Im zweiten Teil wird die Methode des Stadtschnit-

tes und seine Relevanz für den öffentlichen Raum dargelegt. Ein historischer Abriss zeigt Projekt-

beispiele aus Kunst und Wissenschaft, die mit dem Thema der Diplomarbeit in Zusammenhang stehen. Im letzten konkreten Teil wird das realisierte Ausstellungsprojekt (Urban Tomography, Graz) dokumentiert und erläutert – im Anschluss ein Ausblick gewagt. Rolle Ich möchte meinen, dass ArchitektInnen heute keine reinen Erfüllungsgehilfen staatlicher oder

privater Auftraggeber mehr sind. Die Disziplin der Architektur muss in einem diskursiven und erweiterten disziplinären Kontext gesehen werden. Es genügt nicht Architektur rein aus den Gegebenheiten des Ortes (Himmelsrichtung, Fluchtlinien, Zugangsmöglichkeiten etc.) heraus zu entwi-

ckeln. Die öffentliche Sphäre, die einen Bauplatz umgibt, steht nicht mehr nur in einem regionalen, sondern in einem internationalen globalen Kontext. Hinzu kommt verstärkt das aufkommende Denken in Kreisläufen. Der Begriff Biosphäre ist hier wesentlich. Es geht um eine gesamtheitliche

Betrachtungsweise, die die Architekturproduktion in einem globalen Kontext von Materialkreisläufen, Ressourcen und Energie versteht. Architekturproduktion muss somit als Eingriff in die Biosphäre verstanden werden (Kerben und Rückführen).

In diesem Sinn verstehe ich die Ausbildung zum Architekten mehr als Entwicklung eines methodischen Denkens, denn als reine Entwurfs- und Gebäudelehre. Architektur steht in einem politischsozialen Kontext. Sie ist niemals fertig, wenn sie fertiggestellt wurde. Es ist der Beginn der Bele-

bung, und alle Räume sind Möglichkeitsräume. Architektur kann demnach nur unter profunder Kenntnis von Technologie, Kunst, Städtebau, Marktwirtschaft, Normen etc. entwickelt werden. Eine Möglichkeit, die Rolle heutiger ArchitekInnen zu beschreiben, stellt der aus der Soziologie

stammenden Begriff Agency4 (Agent/Agentin) dar. Die Architekturtheoretikerin Tatjana Schneider von der University of Sheffield erweitert in ihrer Forschung den Agency Begriff von Anthony

Giddens und spricht von einer spatial agency, die auf eine »Architektur als politische und soziale

Praxis«5 hindeutet.

4 Giddens, Anthony: Die Konstitution der Gesellschaft, Cambridge 1984 5 Schneider, Tatjana: Über die Fähigkeit, anderweitig zu agieren, Vortrag (ÖGfA), Wien am 30.03.2009

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14


Stadt und Kerbe 2

Definitionsversuch Die Frage Was ist Stadt? ist nicht eindeutig zu beantworten. Mit dem Thema Stadt befassen sich ver-

schiedene Disziplinen wie Kunst, Architektur, Raumplanung, Soziologie oder Geografie. Jede dieser Wissenschaften hat ihre eigenen Beschreibungsmodelle von Stadt.

Das in diesem Kapitel dargelegte Beschreibungsmodell von Stadt wurde im Kontext der Diplomar-

beit Urban Tomography entwickelt. Die Begriffsbildung beginnt mit einem Essay, der kurz vor der

Diplomarbeit entstanden ist und jenes Stadtverständnis am Ende des Studiums manifestiert, das den Ausgangspunkt meiner Arbeit darstellt. Der Stadtschnitt wird dabei als ‚temporäre Kerbung‘

(Leselinie) im Raum definiert. Auf dieser Grundlage sollen dann andere theoretische und historische Texte diskutiert werden.

15


Alpine Landschaft

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Reibung und Architektur1a Widerstände Alles was ist, entsteht durch Reibung. Reibung resultiert aus Widerständen.

Almwege bilden im steilen Gelände eng oder weit gefaltete Linien. Sie sind das Abbild und die Einschreibung von Bewegung. Der Weg des geringsten Widerstandes ist die ökonomischste

Form einer Bewegung. Die der Ausdauer, dem Schritt und der Neigung präzise angepassten

Linien sind Male, Zäsuren und Spuren dieser Bewegung. Das Resultat aus Topographie und Bewegung ist der Weg. Ein Adernetz von Widerständen. In das Gelände eingravierte Schrittfolgen. Genau an dieser Stelle. Reibung in der Architektur Reibung ist Alles. Wenn sich Reibung artikuliert, nennen wir das Kultur. Baukultur, Literatur

oder Kunst. Reibung beschreibt den Moment des Entstehens, den Moment des Entwurfes, den Moment der Veränderung. Wir schätzen Goethe für die Worte, die er findet, Schubert

für die Töne, die er der Stille entlockt, oder die antiken Baumeister für die herrliche Proportion, mit der sie ihre Architekturen schufen. Sie alle gewinnen der Welt ein Bild ab, darum geht es in der Kunst. Das Kino zum Beispiel ist ein Ort, an dem viel verschwiegen wird. Eine

Lebensgeschichte in 90 Minuten filmisch erzählt, bedeutet immer eine Auswahl bestimmter

Szenen. Nicht das gesamte Leben, nicht der Alltag der ProtagonistInnen, sondern markante

Wendepunkte werden abgebildet. Jene Momente, an denen sich etwas verändert oder eben reibt. Reibung beschreibt den Vorgang der Veränderung von einem Zustand in den nächsten.

Den Moment der Transformation. Den Übergang von A nach B. Den Wechsel von einem Le-

bensabschnitt in den nächsten. Reibung ist das Wesentliche. Wenn sich etwas reibt, ändert sich etwas. Reibung verleiht dem Gedanken Ausdruck.

In der Philosophie ist Reibung der Augenblick des Erkennens oder die Geburt eines Gedan-

kens. Er bildet sich in Form von Transkription ab. Ein neuer Gedanke, der etwas inne trägt, das vor einer Sekunde noch unbedacht war. Die Reibung artikuliert sich in einem Wort oder Text. Ideen sind Reibung.

In der Architektur ist Reibung der Augenblick, in dem ein Stück Erdoberfläche moduliert wird, a Jeschaunig, Markus: Essay 2010

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zuerst gedanklich und dann gebaut. Auf einer Baustelle kann man Reibung hören. Reibung macht Lärm. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Ein Bildhauer arbeitet sich vom Stamm aus nach Innen vor, bis er jenen Punkt erreicht hat, an dem die Form befreit ist. Genau so weit, bis die

Form zum Leben erwacht. Nicht mehr und nicht weniger. Vom Stamm aus nach Innen zu arbeiten, dazu ist jeder im Stande; doch im entscheidenden Moment aufzuhören und genau den

richtigen Punkt zu treffen, das macht den Künstler aus. In der Architektur ist es ähnlich. Das

Material wird als Rohstoff gewonnen, und weiterbearbeitet bis es die gewünschte Form er-

reicht. Auf dem Weg zum gewünschten Endzustand wird es geschnitten, geteilt, gefaltet oder gefügt, es fallen Späne. Hier passiert Reibung nach einer architektonischen Anleitung, die einer Idee (Entwurf) zu Grunde liegt. Eine Baustelle ist immer Reibung. Sie ist der Ort, an dem die Kerbung von Raum passiert. Reibung ist das Lösen und Erzielen der Form. Sie beginnt im

Entwurf und endet mit Fertigstellung eines architektonischen Bauwerks, eines Gegenstandes, einer Straße etc. Manchmal passiert Reibung nur gedanklich und nicht gebaut. Reibung und Stadt Beim Blick von oben auf die Landschaft sehen wir eine vermeintliche Naturlandschaft, die in Wirklichkeit eine Kulturlandschaft ist; also vom Menschen geformt. Wir sehen Vegetation,

Flüsse, Wegenetze, Städte – eine große Reibungsfläche. Feine Einschreibungen in den Landschaftsraum wie Felder, Waldgrenzen oder Dörfer drücken sich immer in Form von Linien

aus. Linien sind Symbole der Reibung. Die klarste Grenzfläche, die den Übergang von A nach B definiert, ist eine Linie. Das Produkt der Reibung ist in der Regel eine Grenze. Begegnet das Eine dem Anderen, so kommt es zur Reibung (Raum wird verhandelt). Das Ergebnis mani-

festiert sich vor Ort, indem Linien gezogen oder Grenzflächen definiert werden. Linien sind das charakteristische Merkmal menschlicher Eingriffe in die Natur. Grenzen zwischen A und

B, zwischen Erdreich und Wasserfläche, zwischen öffentlich und privat, natürliche Grenzen, politische Grenzen, Besitzgrenzen etc. Je näher man dem städtischen Ballungsraum kommt,

desto dichter wird das Liniennetz der Grenzen. Wo zuerst noch großmaßstäbliche Feldteilungen zu erkennen sind, verändert sich das Bild der Stadt hin zu Knoten und Verflechtungen. Die Stadt ist ein eng verhandelter Raum. Stadt ist eine Verdichtung von sozialen und räumlichen

Beziehungen. Es reiben sich viele Interessen aneinander. Die Linien überlagern sich an vielen Stellen.

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GIS Steiermark, Gemeinde Wolfau, Burgenland

Die ‚Linie‘ wird hier im weiteren Sinne verstanden. Die Linie bezeichnet mehr als nur den gebauten Raum. Nicht nur Hausfluchten, Straßenbahnschienen oder Bordsteinkanten, sondern auch nicht fassbare Räume, wie der Zwischenraum zwischen den Körpern. Wird der Abstand

zwischen einem Menschen und dem Anderen unterschritten, so kollidieren die ‚gefühlten‘

Raumfiguren miteinander, und es wird ein Zurücktreten des Anderen ausgelöst. Auch das ist

Reibung. Eine wortlose Verhandlung. Das Objekt eines Einsatzfahrzeuges besitzt ebenfalls eine ‚Objektaura‘, die durch die Aktivierung des Sirenenlärms schlagartig vergrößert werden kann. Diese Vergrößerung des Objektradius erlaubt ein zielsichereres Bewegen im Stadtraum.

In einer Stadt passieren automatisch und ununterbrochen zahlreiche dieser winzig kleinen,

aber auch großen materiellen Reibungsvorgänge. Der gebaute ‚materielle‘ Raum ist natürlich wesentlich träger. Alles befindet sich in einem ständigen Verhandlungsverhältnis – urbaner

Dialog und Dynamik. Alles reibt sich ständig am Anderen. Die Stadt ist ein Ort voller Linien. Blickt man von einem Aussichtspunkt auf die Stadt, so präsentiert sich ein dicht verwobenes

Gefüge, geschaffen von einer Unzahl an Menschen, die diesen Raum durch die Jahrhunderte hindurch verhandelt und geformt haben. Das Bild der Stadt ist Endresultat der Reibung über

lange Zeitperioden hinweg und ist das Abbild unendlich vieler menschlicher Gedankengänge. Eine Stadt erfährt während ihrer Entstehungszeit viel mehr Reibung, als wir heute tatsäch-

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lich sehen können. Eine unendliche Konstruktion simultaner Geschehnisse macht die Stadt

zu einem dynamischen Körper, dessen Grad der Veränderung niemals still steht und für das Individuum niemals in seiner Ganzheit erfassbar ist. Wir leben in einem permanenten Reibungszustand.

Die Katastrophe – Umgekehrter Reibungsvorgang

»Wir haben alles verloren was wir hatten, das Auto, das Haus, das Auto meines Sohnes, alles... wir haben gar nichts mehr.«2b

Die Katastrophe ist eine Form der Reibung. Als umgekehrte Form des Schaffensprozesses pas-

siert hier eine schlagartige Zustandsänderung eines Objektes, Stadtteils oder Landstrichs. Die Katastrophe ist ein umgekehrter Reibungsvorgang, dessen Eigenschaft es ist, in einer Sekun-

de den Wert – und damit die Organisation – von Dingen zu neutralisieren. Dabei passiert aber keine materielle Vernichtung des Dinges selbst, lediglich sein Zustand transformiert sich. Das Haus und das Auto sind immer noch da, nur ihre ‚Fügung‘ (Schichtung, Konstruktion) kolla-

bierte und nahm einen anderen ‚beschädigten‘ Zustand an. (Ein Toter ist nicht mehr da – genauer gesagt das, was ihn Zeit seines Lebens ausgemacht hat, ist nicht mehr da – sein Wesen, seine Persönlichkeit.) In diesem Sinne erleidet das Objekt einen Wesensverlust und kann für ‚tot‘ oder zerstört erklärt werden.

Die Katastrophe ist die (materielle) Dekonstruktion eines Dinges; der Kollaps. Die kulturelle Leistung der ArchitektInnen, die Herstellung der Ordnung und das damit verbundene Aus-

wählen, Zusammentragen, Falten und Fügen der Materialien ist mit einem Schlag zusammen-

gefallen. Das ist der Wert eines Objektes. Würde der/die ArchitektIn im Zuge eines Bauvorhabens alle Materialien einfach auf einen Haufen werfen, so wäre der Haufen nichts wert. Wie beim Kochen nach einem bestimmten Rezept kann die Architektur als Kochvorgang mit

Materialien – nach einem ‚Plan‘ – aufgefasst werden. Man macht Überlegungen und Feststel-

lungen, kauft ein, teilt, schneidet und verarbeitet einzelne Bestandteile in der gewünschten Reihenfolge zu etwas Neuem.

Die Katastrophe zerstört die mühsam erzeugte Ordnung. Der Haufen ist das Ergebnis. Er ist nichts wert. Er schmeckt nach nichts.

b Chilenische Frau, Zeit im Bild, ORF am 26.02.2010 (nach Erbeben vor der Küste von Chile)

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Die Katastrophe; Zustands채nderung einer Ordnung zum Haufen

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Kerbungen – Vom Pflug bis CAD In der Abhandlung Tausend Plateaus entwickeln die französischen Philosophen Felix Guattari und

Gilles Deleuze das Begriffspaar »glatter Raum/gekerbter Raum«.6 In der Diplomarbeit soll der Begriff des »Gekerbten« näher betrachtet werden, um menschliche Eingriffe auf der Erde zu beschreiben, insbesondere jene von Architektur und Stadt.

Kerbungen stellen die physisch-soziale Artikulation unserer Kultur im Raum dar. Nach Christopher Dell ist Raum das Medium gesellschaftlicher Verhältnisse7. Der Mensch kerbt den Raum nach seinen Bedürfnissen. Die Kerbung bildet das Resultat eines Reibungsvorganges im Raum und erfolgt

durch Graben, Bauen, Schichten, Kratzen, Falten, Teilen, Fügen, Besetzen, Markieren, Begrenzen, Regeln, Programmieren. Der ungekerbte Raum ist jene Erdoberfläche, die noch keine menschli-

chen Eingriffe zu verzeichnen hat. Deleuze und Guattari bezeichnen diesen unkultivierten Raum als »glatten Raum«. Der glatte Raum par excellence ist das Meer.8

»Architektur beginnt dort, wo zwei Steine sorgfältig übereinandergelegt werden«.9 Priene Architektur stellt nichts anderes dar, als die Umschichtungen von Materialien (Ressourcen) – eine

Modulierung der Erdoberfläche durch Umschichtung von Ressourcen im Raum. Sehr deutlich kann man das Prinzip der Umschichtung in der antiken Stadt Priene (Türkei) beobachten. Die topogra-

phische Lage auf einer erhöhten Plateausituation eines Bergrückens hatte nicht nur Sicherheitsgründe, sondern bildete gleichzeitig auch Steinbruch und Materiallager. Ein einziger Berg reichte

für die Herstellung einer gesamten Stadtanlage aus Steinarchitekturen. Abschaben, Bearbeiten,

Schichten – dies stellt einen Kerbungsprozess ohne Umweltbelastung dar. Ein hochkultureller und ästhetischer Ort (Stadt) wurde geschaffen, welcher auf der Tabelle des globalen Energieverbrauchs niemals vorkommen würde. Biosphäre Immer öfter taucht der Begriff Biosphäre im Städtebaudiskurs auf. Er beschreibt den Planeten in

seiner Gesamtheit – die Erde mit umhüllender Atmosphäre. Die Biosphäre als Ausgangspunkt architektonischer Überlegungen? In Zeiten der globalen Klimaerwärmung und Ressourcenknappheit

6 Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus, Paris, 1980

7 Dell, Christopher: Die Performanz des Raums, In: Situativer Urbanismus, Arch+ 183, Aachen 2007 8 Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus, Paris, 1980 9 Ludwig Mies van der Rohe

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erscheint es immer notwendiger, ‚alles‘ (den gesamten Planeten) mit zu denken und einzubezie-

hen. In einer postindustriellen Gesellschaft, wie sie heute existiert, erfolgt die Umverteilung von

Material viel differenzierter. Viele Produkte und Baumaterialien sind hoch spezialisiert und müssen erst durch aufwändige industrielle Prozesse hergestellt werden. Derzeit steht die Gesellschaft vor einer großen Herausforderung, denn es gibt enorme Ressourcenknappheiten besonders im

Bereich fossiler Rohstoffe. Es zeichnet sich eine starke Klimaerwärmung ab, welche den natürlichen Kreisläufen der Erde bald schaden könnte. Der Gedanke der Kerbung als Umschichtung von

Material muss also neu überdacht werden. In Zukunft ist es erforderlich eine Form der ‚Reibung‘ anzustreben, die keine Energieverschwendung und Umweltbelastung darstellt. Architekturen – im

Sinne von ‚Kerben im Raum‘ – dürfen sich nicht wie Fremdkörper verhalten, sondern müssen wieder integraler Bestandteil des Systems der Biosphäre – also ein Teil der Erde – werden.

Priene (Türkei)

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VALIE EXPORT, Verkreuzung, 1972

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Der Kerbungsbegriff

»Zeitgenössischer Städtebau entsteht also aus der Reibung zwischen der Idee einer Stadt und der Substanz des Alten.« 10

Ein Großteil der österreichischen Landschaft und besonders die Städte bilden eine Ansammlung

von Kerbungen, die sich teilweise überlagern. Kerbungen bilden materielle und immaterielle Defi-

nitionen im Raum ab. Der Mensch gestaltet seine Umwelt so, wie er sich selbst in ihr erlebt. Es ist

anzunehmen, dass wir kontinuierlich neue Stadtbilder zeichnen müssen, um den Raum in dem wir

leben immer wieder neu begreifen zu lernen. Raumvorstellungen ändern sich, und mit ihnen das Aussehen der Städte. Wenn man unter Reibung das Wachsen der Stadt und seine Veränderungs-

prozesse versteht, dann ist anzunehmen, dass die Stadt sich in einem kontinuierlichen Zustand der Transformation und Überlagerung befindet.

Strukturelle Permanenzen nennt es Erich Raith, wenn alte gewachsene Strukturen (Bestand) auf

die neue Planung treffen und überlagert werden. Strukturelle Permanenzen stellen Transformationsvorgänge und Überlagerungen des Altbestands mit dem Neuen dar. Die Logik des Ackers – und

das Erfordernis mit dem Pferdepflug so wenig wie möglich wenden zu müssen – ist immer noch in den heutigen Stadtstrukturen vorhanden.11 So findet eine evolutionäre Entwicklung einer Stadt statt, in der eine Struktur die andere überlagert.

»Breaking the earth with a plow, was the first act of architecture.« 12 In Tausend Plateaus ist die Rede vom glatten bzw. gekerbten Raum, als Gegensatzpaar zwischen jenem Raum, in dem menschliche Eingriffe (Kerbungen) vorgenommen wurden, und dem Raum ursprünglicher unberührter Naturlandschaft.

»Im gekerbten Raum werden Linien oder Bahnen tendenziell Punkten untergeordnet: man geht

von einem Punkt zum nächsten. Im glatten Raum ist es umgekehrt: die Punkte sind der Bahn un-

tergeordnet. Bereits bei den Nomaden gab es den Vektor Kleidung-Zelt-Außenraum. Die Unterordnung des Wohnraumes unter die Wegstrecke (parcours), die Anpassung des Innenraumes an den Außenraum: das Zelt, das Iglu, das Boot. […] Die Einkerbung der Meere geschieht im Gegenteil bei 10 Lampugnani, Vittorio Magnago: Verhaltene Geschwindigkeit, Berlin 2002, S.86 11 Raith, Erich: Stadtmorphologie, Vorlesung an der TU Wien 2008

12 Abraham, Raimund: zitiert von Kenneth Frampton, Architecture Conference 2010, Wien

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der Navigation auf hoher See. Der maritime Raum wird ausgehend von zwei Errungenschaften, einer astronomischen und einer geographischen, eingekerbt: durch den Punkt der Position, den

man durch eine Reihe von Berechnungen auf der Grundlage einer genauen Beobachtung der Sterne und der Sonne bekommt; und durch die Karte, die die Meridiane und Breitenkreise, sowie Längen-

und Breitengrade verbindet und so die bekannten oder unbekannten Regionen rastert (wie das Periodensystem von Mendelejew).«13

Das Glatte und das Gekerbte prallen auf dem Meer aufeinander. Darauf basieren laut Deleuze und

Guattari die großen Entdeckungen, mit denen die Einkerbung immer weiter voran schreitet. Ne-

ben dem Meer als »Archetypus aller glatten Räume« wird auch die Wüste, Steppe und der Himmel erwähnt.

»Der glatte Raum ist zuerst auf dem Meer gezähmt worden, auf dem Meer hat man ein Modell für die Raumaufteilung, für das Aufzwingen der Einkerbung gefunden, das überall zum Vorbild genom-

men werden konnte. Glattes und Gekerbtes unterscheidet sich zuerst durch die umgekehrte Beziehung von Punkt und Linie (die Linie zwischen zwei Punkten im Falle des Gekerbten, der Punkt

zwischen zwei Linien beim Glatten). […] Im gekerbten Raum wird eine Oberfläche geschlossen,

und entsprechend den festgelegten Intervallen, nach den festgesetzten Einschnitten ‚teilt man sie wieder auf‘; beim Glatten wird man in einem offenen Raum ‚verteilt‘, entsprechend den Frequenzen und der Länge der Wegstrecken ‚logos und nomos‘ (Pol Land und Pol Stadt). Man kann sich nicht damit bescheiden, den glatten Boden des Nomaden-Züchters und den gekerbten Raum des

sesshaften Landwirtes einfach gegenüberzustellen. […] Wenn die Griechen vom offenen Raum des ‚nomos‘ sprachen, der nicht begrenzt ist, nicht aufgeteilt, prä-urbanes Land, Berghang, Plateau, Steppe, dann stellten sie ihn nicht der Kultur gegenüber, die im Gegenteil ein Teil davon sein kann, sondern der polis, dem Stadtstaat, der Stadt.«14

In diesem Sinne unterscheidet sich der Nomade (Herumziehende) vom Sesshaften (Ackerbauer),

der das unberührte Land mit Einkerbungen in Form von Ackerflächen überzieht. Mit anderen Worten, zieht sich im Laufe der Geschichte ein eingekerbter Film über den glatten Boden. Das beste Beispiel für einen eingekerbten Raum stellt eine Stadt dar.

Die Stadt ist in Bewegung, in einem ständigen Fließen. Im Laufe ihrer Existenz steht sie niemals

still. Sie befindet sich in einem ständigen Prozess des ,Weiterbauens‘, und hat niemals den selben

Zustand. Ständig baut irgendjemand irgendwo um, adaptiert, passt Bestehendes an neue Bedürf-

13 Deleuze/Guattari: Tausend Plateaus, Paris, 1980, S. 664 14 ebd. S. 666

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1 Schibam, Hadramaut, Jemen 2 La Goutte d‘Or Paris 18, Luftbild 3 Ă„thiopische Felsenkirche St. Georg, Lalibela 4 Musiktheater Graz, 1998, Wettbewerbsbeitrag

5 Satellitenstadt, USA 6 Islamische Stadtstruktur 7 Luftbild aus Afrika, (in Peter Erni, transfer, 2005) 8 Musiktheater Graz, Tonmodell, 1998

(W. Tschapeller, M. Scharfetter, J. Whitburne)

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nisse an; ständig trifft jemand auf jemand anderen und tauscht sich aus, ständig gehen Stadtbe-

wohnerInnen unzählig vielen Tätigkeiten nach, ständig finden sich Gruppen ein, die über weitere Gestaltveränderungen und Adaptionen diskutieren, nachdenken, verhandeln. In der Stadt gibt es

unzählig viele parallele Aktivitäten und simultan passierende Ereignisse materieller und immaterieller Natur. Die Summe aller stofflichen und zwischenmenschlichen Ereignisse und Ausprägungen von Stadt könnte man als ,physisch-soziale Konsistenz‘ bezeichnen.

»Anders als bei einer Struktur, einem Baum oder einer Wurzel gibt es in einem Rhizom keine Punkte oder Positionen. Es gibt nur Linien.«15 Wenn die Stadt ständig in Bewegung ist, dann ist der ,Schnitt‘ Abbild und Momentaufnahme. Der Stadtschnitt generiert ein Momentanbild eines sich ständig verändernden Territoriums (Stadtkörper).

»Everything is, I believe, situated within a process – everything is in motion, with faster or slower speed.«16

»Eher hat ,Raum‘ eine lebende Haut zu sein, die Informationen aufnimmt, sie speichert, verarbeitet, um sie weiterzugeben. Mit anderen Worten: so undeutlich die Aufgabe der Raumgestalter gegen-

wärtig noch sein mag, deutlich ist bereits, dass der künftige Raumbegriff nicht mehr kartesisch sein wird, kein starres Achsenkreuz mehr.«17

Michael Heizer, Double Negative, 1969–70, Nevada (USA)

Schlammlawine, Tirol

15 Deleuze/Guattari, Tausend Plateaus, Paris 1980 16 Eliasson, Olafur: Your Engagement has Consequences; On the Relativity of Your Reality., Baden 2006, S. 59 17 Flusser, Vilem, Räume, In: Dünne, Jörg / Günzel, Stephan (Hg.), Raumtheorie, Frankfurt am Main 2006, S.283

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Wenn Reibung den

Entstehungsprozess von Architektur beschreibt

und die Katastrophe ihr Ende, dann bedeutet der Schnitt Bestandsaufnahme und Messung.

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Linie und Stadtschnitt 3

»Die Welt zu erkennen, heißt, die ausschließliche Fixierung auf Texte hinter sich zu lassen und die bequeme Illusion aufzugeben, daß die Welt ein einziger großer Text sei, den wir – gewissermaßen

einfach so, vom Schreibtisch oder Kaffeehaus aus dechiffrieren könnten. Landschaften sind keine Texte, sowenig wie Städte. Texte kann man lesen, in Städte muss man hinausgehen.« 18 Definition Wie der Weltraum ein ständig expandierendes – in Bewegung befindliches – System bildet, so hat

auch die Stadt niemals den selben materiellen (architektonischen) und immateriellen (sozialen) Zustand. Sie ist ein Ort der ständigen Transformation und des Wachstums. Die Linie dient zur Untersuchung dieses Raumes und bildet ein effektives Analyse- und Messwerkzeug, mit dem eine

Auswahl von Daten klar verglichen werden kann. Als ,Leselinie‘ erzeugt sie ein Abbild des Raumes. Ihre Abstraktion erlaubt es, die Daten und Stichproben eines gewachsenen Stadtkörpers simpel zu vergleichen.

Die Linie19 kann ein trennendes, aber auch verbindendes Element sein. Sie (zer)schneidet auf der

einen Seite, und anderseits bringt sie zusammen was sonst räumlich getrennt ist. Diese Merkmale machen Linienprojekte zu einem interessanten Instrument. Das Zusammenbringen von Oben und Unten, Innen und Außen, Milieu und Grossform etc. Die Natur kennt keine Linien.

18 Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit, München 2006 19 Definitionen

a) „Linie“ [lat.] (Geometrie): gerade, gebrochene oder gekrümmte Verbindung zwischen 2 Punkten

(www.wissen.de, 26.08.2010, 14:00)

b) „line“ (mathematics):

A - geometric figure formed by a point moving along a fixed direction and the reverse direction

B - thin continuous mark, applied to a surface. (www.dictionary.reference.com, 26.08.2010, 14:00)

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Aufschneiden, Durchtrennen und Lesen Wie beim Durchschneiden eines Baumstammes seine Jahresringe lesbar werden, so kann auch das Gefüge einer Stadt entlang einer imaginären (abstrakten) Linie ,durchtrennt‘ werden. Entlang dieser ,Leselinie‘ können Analysen mittels verschiedener Techniken durchgeführt werden – Erkundungsspaziergang, Videoaufzeichnung, Kartierungen etc. Das Schneiden eines Stadtkörpers bildet eine geeignete Technik, um bestehende Grenzen zu visualisieren, Strukturen offenzulegen und an-

dere an den Schnittflächen sichtbare Informationen zu lesen. Da der gewachsene Stadtkörper die gewählte Linie nicht kennt, führt das Einführen des abstrakten Elements der Linie zum ,Schnitt‘.

Der Begriff ,Schnitt‘ kann allgemein als Analysewerkzeug verstanden werden, um die inneren Vor-

gänge einer Stadt zu untersuchen – wie die Jahresringe eines Baumes zu lesen.

Der amerikanische Künstler Gordon Matta-Clark ging in seiner Arbeit Cuttings weit über das Zeich-

nen hinaus. Sein Arbeitsraum und Studio war die alltägliche Umgebung (Stadtraum).20 Er nahm

räumliche Einschnitte in bestehenden Gebäudevolumen vor, indem er Gebäudeteile und Fassaden einsägte, zerteilte oder Ausschnitte machte.

»His art invited viewers to look closely and critically at their surroundings and, through his transformative actions, encouraged them to see new possibilities.«21

In diesem Sinne ist die Arbeit Urban Tomography eine ,Einladung zum Sehen‘. Der französische Stadtplaner Georges-Eugène Haussmann bearbeitete in ganz anderer Weise den Stadtkörper von

Paris. Im Zuge der Umgestaltungsmassnahmen von Paris im 19. Jahrhundert unter Napoleon

wurden monumentale Blickachsen quer durch den Stadtkörper der historisch gewachsenen In-

nenstadt geschlagen. Dabei wurde oft wertvolle Bausubstanz zerstört. Haussmanns Arbeitsweise stellte eindeutig eine Top-Down Strategie dar, das Planen am Reissbrett. Die Betrachtung der Stadt aus der Vogelperspektive (am Plan) hatte eine größere Bedeutung als die tatsächliche Örtlichkeit

am Boden. Der Blick von oben hat einen besonderen Reiz, man sieht die gesamte Ausdehnung der Stadt auf einen Blick. Es ist ein abstrakter Blick, unkonkret und weit entfernt vom eigentlichen

Leben, das sich in der Straße der Stadt abspielt. Ein Blick ohne Gerüche, Atmosphären, Geräusche, Menschen und der sinnlichen Haptik der Stadträume. Es gibt eine alte Diskrepanz im Städtebau

zwischen Top-Down und Bottom-Up, deren Ansätze zu unterschiedlichen Planungsergebnissen geführt haben.

20 Sussman, Elisabeth: Gordon Matta-Clark: You Are the Measure, Whitney Museum of American Art, New York 2007 21 ebd. S. 7

31


Exploring ´Discontinuity´ (Urban field) by ´Continuity´ (Line).

ISTANBUL on LINE documentation map, Istanbul-Linz, 2007

32


A line on paper is

abstract. Put a Line on a city, and it is becoming multi-dimensional real life.

33


CITY
on
LINE
–
ESSEN
Ruhr
–
PÈCS
–
ISTANBUL

 Format:
Stadtschnitte
/
Ausstellung

Konzept:
Markus
Jeschaunig,
AT

Essen (Ruhrgebiet) 26
km
Ruhr

Pecs 26
km
Pécs

26
km
Istanbul
 Istanbul source:
http://maps.google.com

Distanzvergleich eine 26 km Wegstrecke auf drei unterschiedlichen Territorien (3 europäische Kulturhauptstädte 2010)

34


Unter dem Titel »ISTANBUL on LINE« wurde 2007 ein Stadtspaziergang durchgeführt, der die Analyse und Grundlage zur später entwickelten Idee der »Urban Tomography« bildet. Stadtforschung Istanbul – ISTANBUL on LINE Der Ausgangspunkt war klar: Herausfinden, wie groß Istanbul tatsächlich ist? Selbst nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Stadt kann ein/e MitteleuropäerIn kaum erfassen wie groß die Ausdehnung dieser Stadt tatsächlich ist. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto mehr

neue Stadtviertel tauchen hinter jedem Hügel auf. Gibt es hier so etwas wie eine Stadtgrenze? Eine

Grenze, wo der Speckgürtel aufhört und das Freiland anfängt, ist kaum festzustellen. Der Begriff ,Stadt‘ – im mitteleuropäischen Sinne – scheint auf Istanbul nicht zu passen.

Istanbul verzeichnete in den letzten 60 Jahren auf Grund von Landflucht starken Zuzug, was eine rasante Ausbreitung entlang der Marmaraküste zur Folge hatte und die EinwohnerInnenzahl hat

sich in dieser Zeit mehr als verzehnfacht – Tendenz steigend. In einem sich ständig vergrößernden Territorium (Agglomerationsraum) scheint der Bedarf einer Grenze mit Markierungen durch Orts-

tafeln obsolet zu sein. Entlang der Marmaraküste verschmelzen viele kleine Städte und Orte miteinander, weshalb die Stadtplanung (IMP) bereits von einer Metropolitan Marmara Region spricht. Idee der Linie Die Idee, eine Stadtdurchquerung zu Fuß zu machen, bot die Gelegenheit mit der Ruhe eines Fla-

neurs mit den öffentlichen Räumen von Istanbul in Beziehung zu treten und die Abmessung einer

größeren Distanz am eigenen Leib zu spüren. Im Februar 2007 bildete sich eine interdisziplinäre Gruppe von Architektur- und KunststudentInnen, mit einem gemeinsamen Ziel: die Stadt entlang

einer geraden, 26 km langen Linie, die am Stadtplan festgelegt wurde, in drei Tagesmärschen zu durchqueren.

Exploring Discontinuity (urban field Istanbul) by Continuity (Line).

Die Fokussierung auf den Ausschnitt der ,Linie‘ eröffnete eine neue Sichtweise auf das Istanbul und seine Orte, die auf den Routen alltäglicher Stadtbewegungen untergehen. Es geht um den geraden

Weg, das Schneiden von Strukturen, die (Ver)messung von Raum und darum, Verbindungen herzustellen, wo sonst keine sind. Die Linie macht keinen Unterschied zwischen Arm und Reich, Hinten und Vorne, Mann und Frau, Legal und Illegal, gebautem und sozialem Raum. Die Linie produziert

den Querschnitt einer Stadt und fördert zu Tage was sonst verborgen bleibt. Das Territorium ei-

35


ner chaotisch gewachsenen Struktur wie Istanbul mit einer geometrisch geraden Linie zu kon-

frontieren, erschien das passende Analysewerkzeug zu sein, um von der Stadt zu lernen. Für das Linienprojekt in Istanbul spielte die Auseinandersetzung mit den Theorien der Situationistischen

Internationale eine wesentliche Rolle. Die Gruppe entwickelte in den 1960er Jahren bestimmte Bewegungsformen (Dérive) und alternative mapping Methoden (Psychogeografie), um der Stadt

neue Lesearten zu entlocken. In Istanbul wurde das Instrument der Linie gewählt, um die Grenzen der Stadt zu erfahren und mit ihr in Verhandlung zu treten. Geografische Positionierung Die urbane Wegachse wurde auf 26 km Länge festgelegt, verläuft in ihrer geografischen Ausrich-

tung (nahe dem 41. Breitengrad) exakt von West nach Ost und ist genau auf der historischen Kuppelspitze der Hagia Sofia – dem historischen Nabelpunkt und Landmark von Istanbul - situiert. Von

hier aus wurden beispielsweise alle Distanzen ins römische Reich gemessen. Die West-Ost Richtung steht nicht nur symbolisch für das Verbindende zwischen Orient und Okzident bzw. Asien und

Europa, sondern entspricht vor allem der tatsächlichen städtebaulichen Entwicklungsachse, entlang der sich Istanbul (vor allem im 20. Jh.) in der Marmararegion ausgedehnt hat. Der Startpunkt

wurde nahe des Atatürk-Flughafens gewählt, weil Flughäfen für europäische Verhältnisse zumeist

außerhalb der Stadt liegen. Die Distanz bis zum Mittelpunkt (Hagia Sofia) ergab 13 km und wurde

auf der asiatischen Seite abgeschlagen, wodurch der Endpunkt im jungen Stadtviertel Ümraniye auf der anatolischen Hälfte der Stadt markiert wurde.

Abb. rechts: ISTANBUL on LINE documentation map, 140 x 72 cm, Istanbul/Linz 2007

36


In a practical way this part of the map shows facts and explains the data of the expedition. The output of three days walking and field study on territory of metropolitan area Istanbul is collected and placed in form of different lines on the right map. There is in the upper half general data illustrating the line, path, time, distance, and in the lower part subjective data and small projects - focusing on different topics. The example of Istanbul should illustrate "Line-Walking" for a discussing about tools for the future of cities :

ISTANBUL

Vision - With ISTANBUL on LINE and the "The concept of Line" we wanted to show what powerful tool a line can be to produce new views about cities. It´s important that "subjective" data is as real as official data. This "Urban Format" can be done everywhere in the world, that cities can be compared. Let´s make a Line-Network! What is your city waiting for? Line it up!

Results - You can go a 26 km line in Istanbul - and you still can not see the end! From Europe to Asia and you always think you are "inside" the city. But the project was a success. In 3 days we won a real feeling over an 2000 year old "exploded" urban territory and its people. The slow walking and navigation always showed the precise position on line. For Istanbul we can not use the classical terms of "city" anymore - its better to say "metropolitan area" or "big agglomeration". After this 3 days we knew, wehave learned more about cities, than in every urban planning lessons before.

The form of open collaboration was very successfully. The Line could be seen as the Main Idea (Master Plan), and every participant could set a personal thematically focus on a special topic. Only together we could get this fantastic experience, something what you could never learn on university.

The group - The Liners are voluntary based group of about 8 -10 people of the fields architecture, photography, urbanism, art and social work. Before and after walking there were meetings in workshop format, where ideas were discussed and everybody presented his/her work (climbing tools, check military areas, navigation, marking, check boat, etc.).

Recording of different data during the Walk, make possible to draw a new Portrait of the city. Little side projects like "seeds", "red line" and "exchange" are the actionist elements "on line" and let real traces behind. Finnaly the project cancel the big top-down gap of "Its hard to down, if you are up!" with going on the bottom - Adventure, Fun and Urban Praxis.

The 41st coordinate West-East on the city map, bacame path of walking for 3 days. According to the city shape and the Orient/Occident or West/East topic of Istanbul, the starting point was in Europe and the end point in Asia. Between Atatürk Airport in the West, and Suburb Ümraniye in the East there are 26 km with the middle point of "Hagia Sofia" (old landmark and hart of the historical centre). Expedition goal: "Go from West to East, with using the shortest and most direct way through public space".

Line Walking is a spontaneous relaxed walk to observe a city - "A linear Dérive".

The idea was to walk a Line. Following a straight linear path across the city is a way to see everything, also the Backside and Inside of the city. Like an Apple cut into two halfs, we get the "Cut Section" of Istanbul. Important were the ideas of the SI, "derivé, psychogeography, constructed situation", which inspired us to make an actionist city project about Istanbul.

A city is an endless summary of local points and elements, in one moment of time.

Usual Images of landscapes (in our mind) is formed by perspectives along streets networks, and ways of transportation. "Going out" doesn't mean driving along highways and looking out of the window. For understanding a landscape beyond that, we need to be slow. It's necessary to walk, and have enough time to look and feel the atmosphere.

In January 2007 an in Istanbul founded group of interests around Erasmus students in architecture (Mimar Sinan Fine Arts University, Istanbul) were ready to go. Go out of university to learn more, and Go out into the city and search together for urban fields you can hardly see during a centre located daily life between university and apartment (Besiktas,Taksim,Eminönü,Kadiköy). Where are the Gecekondus? What is the difference between Asian and European side? How big is the city, and where is its border? Questions like this are interesting for Foreigners and Locals.

Motivation - ISTANBUL on LINE is not a university project, but it's made by architectural students together with interests of other fields. Driving force of the project was the strong Will of seeing and understanding the incredible big urban field of Istanbul as a whole! The reason was simple, because where ever you go during 3 month life in Istanbul, you never can see an end of the city, always new places, quarters and always endless buildings on the hills along the horizon. Too big for a middle-european hart!

"A Line on paper is abstract. Put a Line on a city, and it´s becoming multi-dimensional Real Life."

is a perfect abstract object. A straight curve contain an infinite number of points. In Euclidean geometry, exactly one Line can be found in passing through any two points, and provides the shortest connection between the points.

on

LINE

Critics & Support: Orhan Esen / Urban Researcher in Istanbul (T), Jean Francois Perouse / Geograph & Director of Istanbul Urban Observatory (F/T). Ass. Prof. Kaya Sönmezler & Ass. Prof. Ahmet Tercan / Architects, Eda Yucesoy / Urban Design, Mimar Sinan Fine Arts University, Istanbul

Concept, Text: Markus Jeschaunig Layout: Markus Jeschaunig, Carla Mevissen Location: Istanbul / 2007

The Liners: Elsa Mekki-Berrada (F), Annette Bozorgan (F), Erdem Bastung (T), Can Inal (T), Markus Jeschaunig (A), Jana-Katharina Mende (G), Carla Mevissen (G), Ulrike Mohr (G), Camille Renault (F), Perihan Usta (T), Foto-Can Yücel (T)

Project Team: Elsa Mekki-Berrada, *1978 in Chatenay-Malabry, France / Young Architect Markus Jeschaunig, *1982 in Graz, Austria / University of Arts Linz Carla Mevissen, *1982 in Hamburg, Germany / Leibniz University Hannover Perihan Usta, *1983 in Ankara, Turkey / Mimar Sinan Fine Arts Univ. Istanbul

Credits:

Mental Mapping / Cartography is mostly associated with mapping only hard facts and needs. Psychogeografical and Mental Maps are able to show impression of a person about its surrounding. The 11 m long Line map (paper strip) was made by all group members together in the evenings after walking. In this way a cognitive image of the line become visible. Conventional maps do not exist! - Mental maps are as real as political and official maps!

Exchange & Faces / The city with all its elements can be seen as a construction. To influence it and let traces behind, we developed the idea of Changing Objects. Personal Objects are little fragments in the whole system. We asked people exactly on line always one question: "Here I have a personal object of somebody, do you want to change?" In this way 1 Compass, 1 Ring, 2 Necklaces, 1 T-shirt, 1 Cocktail glass, 1 Tea cup, 1 Banner and 1 Knife changed its owner.

Cognitive vs. Official Districts / During walking through cities you are passing a lot of invisible borders. For Example Political Borders are born on maps, and often have no connection to the real space. The upper row in the diagram represents the official district borders by name and size. Parallel to it we tried to divide the city in a psychogeographical way into sensitive areas and parts how we felt it during walking on line. These cognitive borders are subjective and offer another district system - our personal districts. The letters A, B, C, D show the grade of attractiveness of every single section. Carla Mevissen.

somebody try to realize this line in the reality of the city with one's Hands and few material? The line was somewhere and we wanted to reveal it into our senses. The project RED LINE intended to live our line: marking it by a red thread, composing objects found around, playing and "constructing a situation" with our body…We let our marks behind us, hoping some people would feel it too! Perihan Usta

Red Line / A line is a perfect abstract object. What happens when

its dirty earth that is also an element of life? Istanbul grew in speed tempo and ten folded its size in the last decade, how the city of Istanbul is dealing with this element? The project SEEDS tests the fertility of the ground by seeds. First step: seeding the seeds along our line on the fertile ground, and mapping those fertile areas on a map. Second step: Come back three month later and look the results. Let´s see...! Elsa Berrada

Seeds / The city is a space of enclosures. What about the ground,

Exploring "Discontinuity" (urban field Istanbul) by "Continuity" (Line).

The coloured Diagram show the single property function, and give information about obstacle situation and reason of detouring.

Access & Functions / The points show where the group had directly access to the line. Only 142 line touches were possible, and the main path- length is off-line. The white circles mark the access situation on private property like gardens, building sites, mosque areas, gated communities.

What mathematically is called "curve discussion" could be for the "Istanbul-curve" an urban discussion: with its main issue: We can read the amplitudes of Istanbul like diagram for "accessibility of public space".

*Amplitude = "the magnitude of the maximum disturbance in the medium during one wave cycle" (wave-physics).

Amplitude & Graph / Every city have its own pattern of street network. Moving linear means confrontations with a lot of different borders. If there is a hard mass objects like building, wall, fence, slope you have to make a detour around, just like as soft objects people, site rules, guards, dogs. Every city produces a "Path-Diagram" with many different little Amplitudes*. The path is influenced on the one hand subjectively by the group, on the other by every element of the way: hard objects, soft objects, ownership structure, land usage, traffic ways, properties sizes etc. All causes shape & bigness of the Amplitudes.

But maybe just Istanbul is growing to fast! ;)

GPS & Google Earth / The on Line Navigation was made with a 6 meter satellite image, a Google Earth print (strip) for locating the line in the city and for recording (drawing) the gone way. Parallel the GPS equipment recorded the precise way of movement and position/height/time/distance. Interesting is the fact that the Google data is so old, that it couldn´t fit with the real situation in many cases.

Lines and Graphes

The idea of walking is not new, the first medieval hikers, the Flaneur in Paris, the situationist Derive until Lucius Burghardts Walking Sciences show, that going, enjoying and observing the nature is an old thing. This part of the map should give an idea about theory, motivation and background of the project :

A Line

2

The project

Welcome on Line!

1

The Liners

access privat property

Bread factory

[h]

09:36

exchange ring (-:

09:58

10:07 10:13

fresh friut

old tree

10:29 10:42

11:51

grass 11:58

wall jump 12:12

mosque + prying time

dirty water pipes

cold wind 8°C

H¸ rri yet M.

Schnittmarke

1 km

what the city writes

2

clustered structure, residential houses, wide streets, play ground, green areas

friendly

A

Zafer M.

very attractive area A middle attractive B less attractice C unattractive D

Legend cognitive map:

dogs, small factories, emptiness, sunday moring, security, cold wind

lifeless

D

C. Cesme Mahallesi

narrow streets, 4-5 storried houses, one green tree, very straight block structure, nobody

unpersonal

C

Kocasinan Merkez M.

3

smaller houses with gardens, quiet, empty streets, construction site, urban waste

happy family

A

Sogasoganli Mahallesi

barbwire

privat garden

4

small shops, people on the streets, children playing, men at mosque

busy

B B

carbage car repair gated

15:29

table

5

contrast

gated community, lots of trees, playing child, people in their own world vs. industry fallow, big efes brewery, trucks

introverted

C

Ersin Bahceliever M. ÷ M. zmen M.

13:04

13:16

efes beer

dizzy legs (-:

old buildings, change of street narrow streets, grid, city opens, used gaps green, unused, areas surround high between apartment buildings buildings, trade

islands

Haznedar Mahallesi

sunflowers seeds, e proof the h openess of ground g

26 km

Google Earth strips Europe + Asia

08:44

[[m]]

function of obstacles

line access in public space

6

artificial

A. Naziv G¸ rman M.

15:58 15:48

bridge

Atatürk

man sleep on bench

bus [P]

sunny 12°C

peaceful

B

7

tecno sound

D

17:20

tiny dog

8

highway! transportation, movement on several level, empty bottles, used condoms, garbage, storrage, ominous, bus collection, kurdish cemetery

no man's land

Seyit Nizam Mahallesi

machanic garage

resitential area, housebars with gardens between, big difference in hight, peaceful sunday afternoon mood, green, public spaces

1. sunday

exchange necklace

city wall

Fathma Iskender (grave)

football

nothing special ?

C

Seyit ÷ mer M.

gecekondu

9

mosque

10

10:26

red wool 10:47

11:14

dooves 11:29 11:56

13 km

"Are you the tourist guide?" 13:58

history 14:14

Topkapi Palace 14:39

Train

St. Sophia

exchange tesbih

cafe Camille

Nnathascha?

russian shop

B-designer cloths

scurity Ismail

exchange Sebahattin

kac para? )-:

blub

old structure, historical mosque and wall, hidden between buildings, puplic space is used, village in the city

old

B

11

12

trade, storage, buisness, puppets, workers carrying heavy, woman like prostitutes

russia

C

Inebye Mesih Keci Hatun M. Caki Raga M. M. Pasa M. Mimar Kemalettin M.

lost

A

14

13 km

Kaptan Mustafa / Can Baba (-:

14

lke Wa

= ath dP

Line = 26,0 km

Dolphines! o-:

km

Military 2

metal, habour, forbidden area, big streets

16

D

C

mosq ue, small house es, cot off the rest

grave rose

17:47

Iran

70 million people I-:

quiet

A

Arakiyeci Haci Mehmet Mahallesi

17

industry, cemetary, big trees, no factories, orientation between graves, twilight, calm animal hospital, finnishing time mood

small bored no! no!

C

Selimiye Mahallesi

B

Dolphins in the Bosphorus, over 20 swimming under the water surface, little boat can baba, flat afternoon sun light, released group, most beautiful spot

15

16:47

17

18:14

house blocks

09:05

biggest off north =296 m

B

18

kinder- residential garden, area, more gardens, green and suburbs fences, asian living area, expensive

unpersonal

Kosu Yolu M.

19

I am a singulary representation of Istanbul !

18

old woman Bazar

sunny 18°C

military dream garden

11:20

19

still mainly apartment buildin, more storeys, less green per person, priority on living, hardly any stores

always same house

C

Acibadem Mahallesi

ASYA

16:37

ships

AAA

int. Bosphorus

2. saturday

,2

40

16

D

tunnel

20

21

D

21

no idyll

14:37

22

dead dog!

foto-shooting tiny girl

22

rest areas along fresh highways, earth, building site, devided city, loud, garbage

not ready

C

different levels of landscape, and huge distanes between bridges, hell for walking

23

S

24

wool football

26 km

[m]

17:27

17:47

[h]

seeds

scale 1 : 12 000

17:00

D

Cakmak Mahallesi

Yaukari Dodullu M.

cognitive city

profit based area of building mafia, huge field of brand new mass housing, blocks without end, moon landscape, big distances, no life, no nature, just earth and fresh buildings, 2nd map surprise, many buildings are that new and not on the satelite image, boring, urban territory in kids age, radical absence of city planning

emerging like mushrooms : blocks, blocks, blocks, blocks ...

23

24

25

Schnittmarke

26 km

names

mental mapping

exchange & red line

nice little plaza next to bridge, shops, fresh food, little oasis, marriage on line

street life

B

official district border Mustafa Atake Kemal M. ny M.

15:39

18:18

Profile

Functions

Line Access

Amplitude

25

shematical cut section Istanbul 15:27

highway

finding a bridge

D

Esatpasa Mahallesi

time line

mosque

Faltmarke

unfriendly, huge, out of scale

boring cars

B

C

3. sunday

Bulgurlu Mahallesi

dull

C

13:58

huge construction site dead site of water living, surprise, shuttle bus landscape supply children between department, off line, Allmond Hill playing, Comunity, artificial lüx highways bigness, closed clustered, settlements, no city area, apartments small structure at the border, areas sqeezed between site and street

20

Faltmarke

biggest off south = 517 m

fear

‹ na lan M.

12:39 13:28

poor housing

car delux

11:57

Allmonhill rich

15

Harem Habour

Dolphins beautiful

15:43 15:10

City Wall jump

topkapi palace, school/ historical district, touristic area of sultanahmet, we are not foreign but tourists dorm of military, unused with money, concerned about appearance land with best view, crossing rail trace

tourist

B

Beya Molla zit M. Fenari M. Alemdar M. Cankurt Aran M.

AVRU A V PA A

09:33 09:49

eggs

evening and early morning, Kanyak illegal settlements, poor, drinking makes warm, no habitation of the public space, women on farmed land, close to the wall, windows, gecekondu have trees life in the city wall

hidden

B

monday morning kanyak 18:29 18:40

Unzuun Veledi Karabas M. Yusuf M.

18:05 18:17

Line-Walking - A new Format to explore cities !

12

gated Lüx Housing

The Line is imaginary, the Path is real !

11

highway

10

water department

9

wedding on-line (-:

8

children

place of crossing

7

phone

>off-line >off line diagram< g horizonttal deflection

6

eating

Faltmarke

climbing

In February 2007 a group of just 8 Liners (light equipped students) showed in Istanbul during 3 days, how we can get - by walking a 26 km long line straight from East to West - useful and unknown information about the urban territory. A journey to the secrets and hidden spaces of Istanbul produces a new portrait of the city.

5

gated )-:

"We wanted to get an image about this incomprehensible big urban territory, so we developed the radical idea of a line, to explore it all, and let anything unseen behind."

4

mass housing

3

mass housing

2

profit, money )-:

1 km

military , more fences, forbidden

mass housing

The Project ISTANBUL on LINE demonstrates how a city can be observed by line-walking. It's difficult to walk on a single straight line through a city, especially in Istanbul, but it's an intensive urban adventure and a big experience full of life. In this documentation "map" we will see how effective and powerful the technique of linewalking can be for analysing cities and different kind of territories.

Military )-:

military , fences, cameras, strict looks

water tunnel


Richard Long – Gehen als künstlerische Praxis Keine Abhandlung von ,Land & Environmental Art‘ ist vollständig ohne die Referenz auf den philosophischen Diskurs von Edmund Burke und Immanuel Kant. Die ältesten Beispiele der Tradition

des ,Gehens‘ als »walking as thinking man‘s art«22 führen uns zurück in das antike Griechenland der Sophisten, Sokratiker und Peripatetiker (Wanderer), die das Gehen, Denken und Wandern als

kulturelle Praxis betrachteten. Gehen ist die älteste Art uns selbst durch die Welt zu transportieren. Michel de Chreteau schreibt in Practice of Everyday Life (1980):

»The act of walking is in the urban system, what the speech is to the language.« Richard Longs, A Line Made by Walking, 1967, bedeutet den Beginn einer neuen Generation von KünstlerInnen, die Naturlandschaft, das Temporäre, das Nicht-materielle und das Performative

miteinander verbanden und sich als Kritik an einer institutionellen Kunstwelt und deren gängigen

Darstellungspraxen und dessen Werteverständnisses verstanden. In seiner Arbeit ging Richard Long auf einer normalen Wiese mit mittelhohem Gras entlang einer Linie vor und zurück. Anschließend fotografierte er die Spur im Gras in schwarz weiss. Das war der Beginn seiner Karriere, aber auch einer neuen Generation von künstlerischen Werken, die außerhalb des institutionellen Kunstbetriebs stattfanden.

Man könnte also behaupten: Gehen ist eine Form der Kerbung. Doch kann das ,Gehen‘ eine Form

von Kunst sein? Am Ende des Stadtspaziergangs von ISTANBUL on LINE war sich die Gruppe der TeilnehmerInnen unschlüssig, was genau sie in diesen drei Tagen erfahren haben – eine Kunstintervention (performative Kunstpraxis), eine soziologische Milieustudie oder bereits Stadtplanung?

Das Ereignis, drei ganze Tage auf einer Linie durch die Stadt zu verbringen, schuf eine eigene Form von Realität, die sich stark von der Alltagserfahrung im Stadtraum unterscheidet. Was mit

ISTANBUL on LINE passierte, war ein kulturelles Produkt und eine konzeptionelle – wenn man möchte ,künstlerische‘ – Arbeit in Form einer Stadterkundung. Die Gruppe war sich einig, dass sie in den drei Tagen ,on Line‘ »mehr über Städte gelernt hatte, als in allen Städtebauvorlesungen zuvor.«

»It did something for me that art had never done. At first I didn‘t know what it was, but its effect was to liberate me from many of the views I had about art. It seemed that there had been a reality

there which had not had any expression in art. […] The experience on the road was something

22 Roelstraete, Dieter: Richard Long – A Line Made by Walking, London 2010

38


mapped out but not socially recognized. I thought to myself, it ought to be clear that‘s the end of art. Most paintings look pretty pictorial after that. There is no way you can frame it, you just have to experience it.« 23

Situationistische Internationale Die Situationistische Internationale (SI) war eine Avantgardebewegung, die in den 1950er Jahren von Guy Debord in Paris gegründet wurde und später als Auslöser der 1968er Bewegung bekannt

wurde. Die linksradikal gesinnte Gruppe aus KünstlerInnen, SchriftstellerInnen usw., die einen Angriff auf das verkrustete herrschende System und eine Revolution des Alltagslebens anstrebte,

entwickelte verschiedene Techniken der Stadtwahrnehmung und Kartierung. Um sich von der Gesellschaft des Spektakels24 abzukehren und die Potentiale der Stadt zu erforschen, praktizierte die

Gruppe ihre subjektive Stadtwahrnehmung, indem sie ziellos in der Stadt umherstreifte (Dérive).

Diese Form des Spaziergangs fand oft unter Alkoholkonsum statt, und beabsichtigte das Aufspüren von Potentialen, Situationen und Milieus, die anschließend in psychogeografischen Karten festgehal-

Guy Debord, The Naked City, 1958

ten wurden. Der Verzicht auf übliche Bewegungs- und Handlungsmotive und die völlige Hingabe

zu den »Anregungen des Geländes«25 stellt ein entscheidendes Verhalten dar. Dieser gänzlich neue

Zugang zur Stadt bildete sich in Form von unkonventionellen Karten und Aufzeichnungsmethoden ab. Beeinflusst durch Dadaismus und Surrealismus arbeiteten die Situationisten collageartig und

entwickelten Kartierungsmethoden, die formal bewusst gewohnten Kriterien widersprachen. Die

23 Wagstaff Jr., Samuel J.: Interview mit Tony Smith in Artforum, Vol. 5, No.4, New York 1966, S. 21–33 24 Debord, Guy: Die Gesellschaft des Spektakels, Paris 1967 25 Debord, Guy: Theorie des Umherschweifens, Paris 1956

39


Richard Long, A Line Made by Walking, 1967

40


Walter De Maria, Mile Long Drawing, 1968, Mojave Desert, USA

41


Kartenserie The Naked city von Guy Debord zeigt einzelne Stadtteile, die losgelöst vom Stadtver-

band wie Inseln frei umherschwimmen.

»The fláneur is a demonstration against the division of labor.«26 Das vorherrschende System zu

negieren, und die alternative Form der Kartografie, manifestierte die Abkehr der SI von gängigen

Stadtbetrachtungen. Ironischerweise sollte genau diese Abkehr Jahre später wieder die Basis einer neuen Kunstströmung bilden – wie später die Arbeiten von Richard Long die Gegenposition zum herrschenden institutionalisierten Kunstbetrieb darstellt (Land Art, Performance, Concept Art). Konzept Kunst »In conceptual art, the idea of concept is the most important aspect of the work [...] The idea becomes a machine that makes the art [...] this kind of art is usually free from the dependence on the skill of the artist as a craftsman«27

Neben Richard Long gab es in den 1960er Jahren eine Reihe von KünstlerInnen, die in der Landschaft arbeiteten. Dabei spielte das Element der Linie als Gegensatz zum unberührten Landschaftsraum eine wichtige Rolle. Als Beispiele seien hier das Linienprojekt von Walter de Maria Mile Long Drawing (1968) erwähnt, bei dem zeichnerisch eine Linie auf den monotonen leeren Boden der

Mojawe Wüste aufgebracht wurde und Michael Heizers Double Negative (1969–70), das mit der Wegnahme und Umschichtung von Erdmasse arbeitet und ebenfalls eine geometrische Form an den Kanten zweier gegenüberliegender Talabhänge markierte (Abb. Seite 28).

Eine völlig andere Konfrontation abstrakter Elemente mit bestehenden Strukturen, schuf der ame-

rikanische Künstler Gordon Matta-Clark. Seine Arbeiten in leerstehenden Gebäuden artikulierten sich durch Einschnitte in Fassaden, Decken, Böden und Wände. Diese Technik erlaubte völlig neue Sichtweisen auf Gebäude, Architekturen und ihren städtischen Kontext. Durch die Wegnahme von

am Ort vorhandenen Materialien, die in Form von Schnitten entlang geometrischer Figuren gemacht wurden, schuf Matta-Clark ,An-Architekturen‘28 die sich durch völlig überraschende und un-

geahnte Raumsituationen am Ort abbildeten. In der Arbeit Splitting (1974), wurde ein Holzhaus in Englewood-New Jersey durch einen linearen Schnitt quer durch den Gebäudekörper geteilt.

26 Benjamin, Walter: Das Passagen-Werk, Frankfurt am Main 1991 27 LeWitt, Sol: Paragraphs on Conceptual Art, In: Artforum, vol. 5, no.10, New York 1967, S. 79–83 28 Moure, Gloria: Gordon Matta-Clark – Works and Collected Writings, Barcelona 2006

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Gordon Matta-Clark, Splitting (1974), Innenansicht Erdgeschoss

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City Joker Graz, Steirischer Herbst 1995, Dieter Spath, Bernd Knaller-Vlay (Architekturdiplomarbeit TU Graz), Eine 1 km lange Linie (Nord-Süd), wird für 3 Tage lange erschlossen und zum Pfad durch und über die Stadt. Seile, Leitern und improvisierte Brücken stellen eine begehbare Wegverbindung her, die über Dächern und durch Häuser der Grazer Innnestadt führt.

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Its hard to be down, when you are up.

Spath, Dieter / Vlay, Bernd, City Joker Graz, steirischer herbst 1995

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Edward Ruscha Im Zusammenhang mit der Urban Tomography ist vor allem die konzeptuelle künstlerische Arbeit (Every Building Building on) The Sunset Strip von Edward Ruscha interessant.

Nach seinem Malereistudium machte Ed Ruscha in den 1960er Jahren einige konzeptionelle Arbeiten, die eine Serie von Büchern darstellten. Das erste Buch Twentysix Gasoline Stations zeigte

Fotografien von 26 Tankstellen entlang der Route 66 in den USA. Diese Arbeit unterschied sich stark von dem, was er als Maler zuvor gemacht hatte. Das Buch ist dokumentarisch und lässt jegliche subjektive Note vermissen, wie man sie in der Malerei erwarten würde. Hier kann man von

einem ready made29 sprechen. Edward Ruschas Auswahl der Tankstellenmotive und ihre Neuzu-

sammensetzung stellt eine simple Idee dar, und kreiert in der Kombination wieder ein neues Bild

mit einer neuen Bedeutung. Eine weitere Arbeit der ,Observierung‘ stellt (Every Building on) The Sunset Strip dar. Eine fotografische vollständige Aufnahme des Sunset Strips in Los Angeles im Jah-

re 1966, als durchgehende Fotostrecke zusammenmontiert und in einem Buchumschlag gefaltet. Knapp kommentiert mit Straßenbezeichnungen und Hausnummern zeigt es ein Momentanbild der

Straße an einem Tag, neutral und objektiv in ,no-style‘ oder ,ready made‘ Ästhetik.30 Isoliert von der realen Umgebung evoziert das fotografische Abbild neue Interpretationen der Stadt. Diese Form der Raumerhebung und Präsentation fand später bei Robert Venturi, Denise S. Brown und Steven

Izenour in der Publikation Learning from Las Vegas (1972) zur Identifikation der Ikonographie der urban sprawl ihre Verwendung.

»Kunst ist es dann, wenn es Unsichtbares zu Tage fördert.«31 Parallele zu Urban Tomography Die Urban Tomography arbeitet ebenfalls mit der Abbildung von Stadtstichproben. Ruschas Aufnahmeachse war der Verlauf einer Straße, der durch das Faltbuch klar ersichtlich wird. Die Abbildung

zufälliger Orte alleine erscheint bedeutungslos. Durch das übergeordnete streng geometrische Konzept der Linie erlangen die Punkte plötzlich eine Beziehung und Vergleichbarkeit mit anderen

Punkten in der Stadt und gewinnen durch die geometrische Auswahl, einheitliche Aufnahmezeit und strukturierte Neuzusammensetzung im Ausstellungsraum eine völlig neue Bedeutung.

29 Marcel Duchamp prägte den Begriff Ready-made als er 1913 begann, Alltagsobjekte in Ausstellungsräume zu bringen; dies gilt als ,Geburtsstunde‘ der Konzeptkunst 30 Richards, Mary: Ed Ruscha, London 2008, S.42 31 Weber, Helmut, im Rahmen der Ausstellung Best off 08, Linz 2008

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Edward Ruscha, (Every Building Building on) The Sunset Strip, 1966

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James Benning – Structural Filmmaking Ein weiteres Beispiel für den Umgang mit dem Alltäglichen stellt das Werk des US-amerikanischen Filmemachers James Benning dar.

Benning fängt das ,Alltägliche‘ ein, indem er statische Filmaufnahmen an ausgewählten Punkten

in der Landschaft macht. Bennings statische Aufnahmen unterliegen einem strengen Konzept.Die

meist statischen Einstellungen wirken wie ,gefilmte Bilder‘32 die oft im Ein-Minuten-Abstand hin-

tereinander montiert sind. Das starre Konzept statischer Bilder zeigt Landschaftseinstellungen auf

denen kaum etwas passiert, es ist der Ort, der abgebildet wird, und das was gerade zu diesem Zeitpunkt dort passiert. Der Film 13 Lakes (2004) zeigt 13 statische Aufnahmen von 13 amerikani-

schen Seen, wobei der Bildausschnitt immer die Horizontlinie in die Mitte des Bildes setzt, sodass in der oberen Bildhälfte der Himmel und in der unteren die Wasserfläche mit umgebender Landschaft zu sehen ist. Die Art, wie die Bilder kombiniert und aufgenommen wurden, verleihen der

Arbeit ein durchgängiges Prinzip und eine eigene Ästhetik. Bennings Kompositionen aus fast vier Jahrzehnten zeichnen ein einzigartiges Portrait des amerikanischen Alltags, subjektiv ausgewählt mit dem Auge eines Filmemachers.

James Benning hält an seiner Stringenz der statischen Aufnahmen fest, aber dennoch bekommen

die Filme durch das Setzen des Kameraausschnittes, sowie die Wahl des Aufnahmezeitpunktes

Bennings persönliche Handschrift. Das auf den ersten Blick rein dokumentarische Erscheinungsbild der Filme – die bewusst eine Abkehr von der Massenfilmindustrie darstellen sollen – lässt bei näherer Betrachtung oft interessante narrative Elemente erkennen. Filme wie 27 Years Later

(2004), oder El Valley Centro (1999) haben thematische oder regionale Settings, in denen durch die spezielle Filmsprache Bennings ein eigenständiges Landschaftsbild geschaffen wird. Bilder

von Feldern, in denen 50 Sekunden lang nichts passiert und plötzlich ein lautes Agrarflugzeug mit Düngemittel genau über die Kamera fliegt, oder eine suburbane Strassenszene mit einem linksgerichteten Einbahnschild, durch das sich plötzlich ein Mann mit einem Pferd an der Leine (gegen die Einbahn gerichtet) durch das Bild bewegt (Abb. S. 44), verleihen Bennings Filmen überraschende Momente, um nicht zu sagen ,dokumentarischen Witz‘. Parallelen Das Urban Tomography Konzept weist Parallelen zu Bennings Arbeit auf. Ein strenges Korsett wird über die Stadt gelegt, das zufällige Punkte am Stadtboden auswählt und portraitiert. Hier findet

keine Bildkomposition statt, denn der Fokus liegt auf der genauen geografischen Position und der Simultanität der Geschehnisse an den Orten. Die Punkte werden nicht hintereinander abgefilmt,

32 Pichler, Barbara: James Benning, SYNEMA, Wien 2007

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James Benning, 27 Years Later, 2004

James Benning,13 Lakes,1999

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sondern gleichzeitig. Auf diese Weise entsteht ein Momentanbild der gesamten Stadt, das mehrere

simultan passierende Situationen festhält. Im Vergleich zu Benning ist das Endresultat der Urban Tomography kein Film, sondern eine Videoinstallation, also ein ganz anderes Medium. Dennoch

weisen beide Projekte die Gemeinsamkeit auf, dass Landschaft abgebildet und neu kombiniert wird, sowie eine strenge – zuvor festgelegte – Grundidee (Struktur), die auf den Raum angewendet

wird und ein bestimmtes Filmmaterial generiert. Durch das Konzept dahinter herrscht keine Willkür, sondern eine bewusste Technik präziser Landaufnahmen und Kompositionen. VALIE EXPORT – Filmische Erkundung Die konzeptuelle Filmarbeit Adjungierte Dislokationen (1973) der Künstlerin VALIE EXPORT de-

monstriert eine Technik der filmischen Landaufnahme. Die Arbeit ist zwar stark im Kontext von

EXPORTs Auseinandersetzungen mit dem Körper im Raum zu sehen und in die Reihe der Expanded

Cinema Projekte (1960er und 1970er Jahre) einzuordnen, jedoch ist sie vor allem wegen der speziellen Aufnahmetechnik relevant für die Urban Tomography.

EXPORT demonstriert mit dieser Arbeit »die technische Apparatur als sensorische Erweiterung

des Körpers. Das Filmmaterial basiert auf einer Aktion, in der EXPORT – eine 8-mm-Kamera auf Bauch und Rücken geschnallt – gleichsam als bewegliches Stativ fungiert. Während die sich vom

Innen- über den Stadtraum in die freie Natur hinausbewegt und dabei unterschiedliche Körperpositionen einnimmt, zeichnen die beiden Kameras Ansichten in entgegengesetzter Richtung auf. EXPORTs filmische Erkundung der Umgebung wird wiederum von einer 16-mm-Kamera gefilmt.

Die Resultate der drei unterschiedlichen Aufnahmeperspektiven werden simultan nebeneinander projiziert, sodass einer scheinbar neutralen Darstellungsweise die an den Körper rückgebundene Sicht komplementär gegenübersteht.« 33

In Adjungierte Dislokationen zeigt EXPORT eine Mechanik des Aufnehmens, in der die Technik die Grundidee darstellt und das gefilmte Ergebnis offen ist. Eine festgelegte abstrakte Technik (Ma-

schine), angewandt auf einen beliebigen Ort. Der Körper lotet einerseits den gesamten Raum mit

Hilfe der an ihn gebundenen Kameras aus, und andererseits trägt der Körper den Raum mit sich

herum. Die Skulptur dehnt sich damit in den Raum aus und ist untrennbar mit ihm verbunden.34

VALIE EXPORT schreibt in ihrem Text Mediale Anagramme (1990):

»Es geht mir darum, den Begriff der Repraesentation, den Begriff des Realen zu untersuchen im

Zusammenhang mit der Infragestellung des Realen, der Veraenderung des Realen im Laufe der Geschichte.«

33 Michalka, Matthias: X-Screen, Filmische Installationen u. Aktionen der Sechziger- u. Siebzigerjahre, Mumok, Wien 2003, S.155 34 Puvogel, Renate: Der Körper zwischen Skulptur und Virtualität, In: Ausstellung Gabriele Münter Preis 97, Bonn 1997

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VALIE EXPORT, Adjungierte Dislokationen, 1973 (Expanded Cinema Filmaktion)

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Technische Erfindungen bilden Verlängerungen des menschlichen Körpers. »EXPORTs Verhältnis

zu den technischen Medien ist weniger der Orwellschen Angst vor der totalen Kontrolle, als vielmehr einer Aneignung geschuldet, die nach dem technisch erweiterten Rahmen für Wahrnehmung,

Bewegung und Handlung fragt. So arbeitet sie bewusst mit der Hypothese von der Ausdehnung des

Menschen in die technischen Apparate, für deren Prominenz Marshall McLuhans Publikationen in den 60er Jahren sorgten.« 35 Parallelen Auch die Urban Tomography bildet eine technische Methode. Im Gegensatz zu EXPORTs ,Körper-

apparatur‘, die eine fix definierte Aufnahmetechnik darstellt, muss im Zuge der Urban Tomography erst eine für den Ort sinnvolle Geometrie festgelegt werden. Durch Lage, Verlauf und Richtung der Linie können so die Besonderheiten des Ortes thematisiert werden. Im Projekt Urban Tomography passiert eine Faltung von Raum (Örtlichkeit) entlang der Zeit (Simultanität). Orte werden durch

ihre Wiedergabe verschoben und am Linienmittelpunkt verdichtet angeordnet. Die Verschiebung

der Orte durch Speicherung ihres Abbildes (Video) erzeugt eine 4-Dimensionalität und generiert eine Neukonstruktion der Stadt durch die konzeptuelle Anordnung der Ausstellungsarchitektur im Ausstellungsraum.

EXPORTs Arbeiten versuchen gesellschaftlichen Haltungen durch Performances, Installationen

und Filme einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Es geht aber auch um Ausdrucksformen der Medien selbst. Die Ausdrucksform Film/Video ist hier gleichzusetzen mit der Kartierung. Eine

Karte stellt meist eine Verortung von Informationen dar, die als Symbol für etwas in der Wirklichkeit stehen (Repräsentation). Auch die Urban Tomography ist eine Form der Kartierung. Hier wird eine Kartierung von Geschehnissen an einem Ort vorgenommen, um sie im Ausstellungsraum wie-

der neu anzuordnen. Die Aufnahmepunkte fallen zufällig mit den jeweiligen Orten zusammen. Der

geografisch bestimmte Punkt ist 1:1 der Ort der Filmaufzeichnung, ohne Kompromiss. Ob Hausmauer in 1 Meter Entfernung oder Gebüsch. Der Punkt ist der Punkt. Was dort passiert das wird

aufgezeichnet. Die meist ereignislosen Aufnahmen gleichen oft einem Stilleben, und stellen das ,spektakuläre‘ Bilder gewohnte Auge der BesucherInnen auf die Probe.

35 Adorf, Sigrid: Zwischen den Zeichen gelesen, In: NDBG Berlin, VALIE EXPORT – Mediale Anagramme, Berlin 2003 In ihrer Einleitung zu Das Reale und sein Double: der Körper (Bern 1987), zitiert EXPORT Sigmund Freuds Formulierungen über den „Menschen als Prothesengott“ und sein Konzept der prothesischen Extension.

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Spielplatz Koordinatensystem Ein uralter Drang der Menschheit ist es, die Realität so wahrheitsgetreu wie nur möglich wiederzugeben. Dieser Umstand erfährt im Zeitalter der Informationstechnologien und Google Earth eine

Renaissance. Im Unterschied zu früher hat heute jeder Zugang zu weltprojektiven Technologien bzw. Geoinformationssystemen. Es ist interessant, dass plötzlich auch viel mehr Menschen dieses

Abbildungsbedürfnis ausleben. Jedem steht heute diese Technologie frei zur Verfügung, was die Raumwahrnehmung und die Orientierung und Darstellung von Raum massgebend verändert. Vor

noch nicht all zu langer Zeit kümmerten die Probleme der Orientierung, Erdprojektion oder Ver-

messung nur Seefahrer, Feldherren, Geografen, Entdecker oder Kartografen. Heute ist jeder Kartograf.

Ein typisches Projektbeispiel für die ,Google Earth Generation‘ – wie ich sie gerne nennen möchte – ist das sogenannte Degree Confluence Project. Ziel dieses Projektes ist es, alle ganzzahligen Schnitt-

punkte der Längen- und Breitengrade rund um den Globus zu besuchen und den Besuch durch einen Bericht und Fotografien zu dokumentieren. Das Gradnetz der Längen- und Breitengrade bildet Kreuzungspunkte im Abstand von ca. 76 Kilometer rund um den Erdball. Das von Alex Ja-

rett gestartete Projekt basiert auf der Faszination jener realen Orte, die sich hinter den abstrakten

Schnittpunkten verbergen, wo sich Längengrade mit Breitengraden treffen und alle Kommazahlen in der Koordinatenzeile auf Null stehen.

»I started the project in February 1996 because I liked the idea of visiting a location represented by a round number such as 43°00‘00“N 72°00‘00“W.« 36

Nach dem Motto »No minutes, no seconds, just integers« hat sich das Degree Confluence Project

zum Ziel gesetzt, die Kreuzungspunkte abzufahren, zu dokumentieren und auf einer Website zugänglich zu machen. Dabei sollen einerseits Mitspielende beschreiben wie die Punkte gefunden

worden sind (4 Fotos vom Ort: Nord, Süd, West, Ost), und andererseits kann auf diese Weise stich-

probenartig ein Momentanbild der Erde generiert werden, das Folgegenerationen in einer Datenbank gespeichert zur Verfügung stehen wird. Interessant ist die Faszination der MitspielerInnen an

der Idee verschiedene Schnittpunkte der Erdnavigation im Realraum aufzusuchen. Ironisch dabei ist, dass die Punkte des Erdgradnetzes selbst eine Konstruktion und künstlich bestimmt worden

sind. Das heute gültige Grad- und Koordinatennetz wurde im Laufe der Geschichte auf Greenwich

(London) positioniert, nachdem man sich genauso gut auf jeden anderen beliebigen Ort der Erde

36 Jarrett, Alex: Degree Confluence Project, http://confluence.org/ (27.07.2010, 11:00)

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hätte festlegen können, um den 0-Meridian zu positionieren.37 Das Gradnetz um den Erdball ist ein künstlich eingeschriebenes Orientierungssystem. Die sich treffenden Meridiane thematisieren

in diesem Projekt gewisse Erdpunkte (Orte), die ohne dieses ‘Konzept‘ bedeutungslos (beliebig)

wären. Die Methode schafft Vergleichbarkeit, und verleiht den Orten Bedeutung durch Gemeinsamkeit.

Ein ähnliches Projekt, namens 4816, wird seit 2006 von der Wiener Künstlerin Evamaria Trischak durchgeführt. Es zeigt die selbe Idee, ein Rasternetz auf eine Örtlichkeit (in diesem Fall das Stadtgebiet von Wien) zu legen, und hat das Ziel, die Schnittpunkte zu dokumentieren.38 Der Name ist abgeleitet von der geografischen Position Stadt Wien, 48° nördlich des Äquators und 16° östlich

von Greenwich. Der gewählte Untersuchungsraster ergibt 185 Kreuzungspunkte, die durch freiwillige MitspielerInnen Schritt für Schritt dokumentiert werden. So entsteht eine »alternative Fotolandkarte« der Stadt Wien. Trischak weiter: »Wichtig bei der Erstellung des Konzeptes war auch, dass, unabhängig von unseren Vorlieben, neutrale Orte in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Wien wird zum Abenteuerterritorium.«39

Viele dieser geografisch inspirierten Projekte weisen ähnliche Merkmale wie das Linienprojekt in Graz und Istanbul auf. So gibt es zuerst immer ein übergeordnetes strategisches Konzept, das auf

einem geometrischen Element (Raster, Linie, Längengrade, etc.) basierend, einen oder mehrere

Punkte auf der Erdoberfläche lokalisiert und dokumentiert. In allen Projekten bildet die Vogelperspektive und die Welt der Geoinformation und der Koordinaten den Ausgangspunkt für eine

konzeptionelle Arbeit. Dabei wird immer versucht, die abstrakte Weltprojektion in Form von Kar-

ten und anderen Repräsentationen (die immer nur Abbilder und Annäherungen an die Realität und nicht die Realität selbst sind) mit dem realen Ort in Beziehung zu bringen. In gewissem Maße schaffen es diese Projekte, tradierte Stadtbetrachtungsweisen wie Vogelperspektive und Froschper-

spektive zu verbinden.

Urban Tomography as an audio-visual representation of space.

Repräsentation und Karte Die Urban Tomography kann als ,lebendige Karte‘ aufgefasst werden. Verdichtung macht

37 Tatsächlich waren im 19 Jh. noch unterschiedliche Bezugskoordinatensysteme in einzelnen Ländern üblich. So bezogen die Franzosen

beispielsweise ihre Positionsangaben auf ein Paris-zentriertes Bezugssystem.

38 Trischak, Eva Maria: 4816, Projekt Website, http://4816.nsew.at (27.07.2010, 11:30) 39 Reininghaus Gründe Graz, Gefühlte Stadt, http://www.reininghaus017.at/page.php?id=48 (10.05.2010, 10:00)

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Alex Jarrett, Degree Confluence Project, 1996-2010

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überschaubar, was sonst nicht (an)schaubar ist. Eine Kartierungsform mit Mitteln des Films. Audio-visuelle Repräsentation von Raum. Sabine Folie schreibt im Buch Atlas Mapping:

»Eine unendliche Annäherung an eine menschliche Obsession, nämlich die des Welterklärens, sind die Karten unendliche Annäherungen an >Welt<, die einer Lösung zustreben, sie aber nie erreichen.[...] Karten sind wie Realität überhaupt, das Resultat menschlicher Zuschreibungen. Wenn einem Kartografen die Karte gelingt, schafft sie Wirklichkeit. Karten belegen nicht eine Realität, sondern legen deren Konstruktion offen, obwohl sie selbst Konstruktionen sind. Mapping meint,

gehen ohne Ende, ein unendliches Weitergehen.« Wenn man sich mit Mapping beschäftigt, landet man mitten drin in den Dingen. Die Weltbilder sind ständig im Wandel und bilden niemals ein End-

bild. Karten ,materialisieren‘ unsere Raumvorstellung. Karten sind ,materielle‘ Zeugnisse unserer Raumvorstellung. Ständig lösen neue Lesearten der Welt die anderen ab. Urban Tomography unter-

nimmt den Versuch einer Raumkartierung oder Landaufnahme. Das ist morgen wieder anders.

»Eine Karte liest jeder Kartenleser anders, weil jeder Leser einer Karte der Leser seiner selbst ist.«40

Für Paul Virilio ermöglichen moderne Medien eine Übertragung in Echtzeit. Eine Übertragung einer Örtlichkeit per Videosignal an einen anderen Ort . Oder auch eine Speicherung einer Örtlichkeit.

Virilio spricht von der »Apokalypse einer Erfahrung der Nähe durch Übertragungsgeschwindigkeit«.41

Für Marshall McLuhan »erscheinen Medien als Extensionen des Körpers, welche diesen in einer spezifischen Weise konfigurieren und so dessen Wahrnehmungen determinieren.«

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Virilio be-

schreibt in Die Auflösung des Stadtbildes, wie das alte Körperschema des sinnlich erfahrbaren Rau-

mes durch neue Medien wie Fernseher und Computer zerstört wird. »Indem sie diese Wahrneh-

mung simulieren und – was insbesondere für elektronische Medien gilt – in Echtzeit übertragen, also durch hohe Übertragungsgeschwindigkeit die unmittelbare Erfahrung suggerieren, manipulieren sie den Körper und ersetzen den Bezug des Menschen zu seiner Umwelt durch nicht mehr verortbare Illusionen. Da sie nur passiv hingenommen werden können, wird so eine wirkliche Interaktion zwischen selbstständigen Subjekten verunmöglicht.« 43

Was in der Urban Tomography passiert, ist keine ständig präsente Virtualität, die durch Live-Über-

tragung zu einer Auflösung des Raumes führt, sondern stellt das Gegenteil dar. Hier wird eine Apparatur zur Verfügung gestellt, die es für einen gewissen Zeitraum (Ausstellung) ermöglicht, quer 40 Folie, Sabine: Atlas Mapping, Bregenz-Wien 1997

41 Dünne, Jörg / Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie, Frankfurt am Main 2006 42 ebd. 43 ebd.

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durch die Stadt zu schauen, um zu sehen was am anderen Ende der Stadt passiert. Es wird dabei die Wahrnehmung des selbst täglich begangenen Territoriums (Stadt, Land) geschärft. Durch die Be-

gehung der Ausstellung kommt es zu einer Körpererfahrung, die die Stadt physisch wahrnehmbar macht. Man könnte demnach behaupten, die Urban Tomography erzeugt für den Menschen eine

,Re-virtualisierung‘ des Raumes. Man ist selbst vor Ort, und anstatt irgendwo vor dem Computer sitzend alles in Echtzeit-Geschwindigkeit an sich heran zu holen, wird vom Ausstellungsraum aus

in die Stadt geschaut. Durch die Krümmung des Raumes holt man auch hier die Stadtpunkte zu sich heran (Abb. Seite 61). Man kann daher von einer ,raum-zeitlichen Verdichtung von Stadt an

einem Punkt‘ sprechen. Die Zeit bleibt stehen, die man zum Reisen benötigen würde. Ein räumli-

cher Tunnel tut sich auf, durch den man bis ans andere Ende der Stadt blicken kann, ohne dass die Zeit vergeht. Die Unwahrnehmbarkeit der simultanen Stadt scheint für einen Moment zu Ende zu

sein. Auch wenn die Linie nur eine Stichprobe darstellt, evoziert sie den Gedanken einer flächendeckenden Landaufnahme in Echtzeit (live). Im Ausstellungsraum steht die BetrachterIn vor dem

Problem, die gezeigte Simultanität der Installation auch wirklich wahrnehmen zu können. ‘Simul-

tan‘ wahrnehmbar kann durch die menschlichen Sinne nur die Audio-Ebene (Gehör) werden. Die Bildebene ist durch die Videos zwar simultan im Raum vorhanden, jedoch kann das menschliche

Auge nur an eine Stelle blicken, was bedeutet, dass selbst nah aneinander gebrachte Bildschirme nicht genau zur selben Zeit angeschaut werden können.

ISTANBUL on TIME, Videoinstallation im Innenraum der Hagia Sofia in Istanbul, Montage (2009)

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Globales Gradnetz

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Das Land vermessen, das Karto-

grafieren ist das Festhalten einer Oberfläche, einer »Landschaft« –

durch unterschiedliche Codierungen – wie sie sich dem Auge real nicht bieten: es ist immer schon eine Abstraktion,

eine Zusammenfassung,

die Überschaubarkeit suggeriert, wo sie nicht (mehr) ist.

Folie, Sabine: Atlas Mapping, 1997

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Analogien zwischen CT (Computer Tomography) und UT (Urban Tomography) Die Computertomographie (von altgr. tome, „Schnitt“ und, graphein, „schreiben“), Abkürzung CT, ist die rechnerbasierte Auswertung einer Vielzahl aus verschiedenen Richtungen aufgenommener Röntgenaufnahmen eines Objektes, um ein dreidimensionales Bild zu erzeugen (Voxeldaten). Das Schnittbildverfahren wird auch CT-Scan oder CAT-Scan (von computed axial tomography) genannt. –> UT (Urban Tomography) Stadtschnitt, Momentaufnahme, urbane Stichprobe

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Raum-zeitliche Verdichtung von Stadt an einem Punkt (Faltung von Raum entlang einer Zeitachse)

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Computer Tomographie, Schnittbildverfahren (CAT Scan), Anwendungsbereich: Medizin

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Urban Tomography 4 Konzeptentwicklung Unter dem Titel ISTANBUL on TIME44 habe ich im Juni 2010 im Rahmen der 5th International Stu-

dent Triennial Istanbul 2010 ein Projekt in Istanbul (Marmara University/Fine Arts Faculty) re-

alisiert, das die Linie des Stadtspaziergangs 2007 aufgreift und das Thema der ,Gleichzeitigkeit‘ thematisiert.

Urban Tomography – Ausstellung Istanbul Das Konzept sieht eine raum-zeitliche Vermessung und Verdichtung des Großraumes Istanbul, ent-

lang einer 26 km langen Linie vor. Es geht um den geraden Weg und dem Herstellen von Verbindungen, wo sonst keine sind.

»Die Stadt zu erleben ist wie ein Film, er spielt sich in Einzelbildern ab, aber niemals sehen wir den ganzen Film.« 45

Nach der Stadtforschung 2007 entstand die Idee, die Stadt ganz und gleichzeitig zu erleben und

dabei die uralte Diskrepanz zwischen Vogel- und Froschperspektive (Top down/Bottom up) auf-

zuheben. Der erste Stadtschnitt wurde angewendet, um das weitläufig und schwer erfassbare

Territorium körperlich und kartografisch zu erkunden. Für Istanbul 2010 sollte er nun auf eine audiovisuelle Ebene gebracht werden. Die Hagia Sophia bildet den geografischen Mittelpunkt ei-

ner Ortsbetrachtung, die entlang einer gedachten geometrischen Linie zeitgleich Videoaufzeichnungen vornimmt, um sie im Innenraum simultan wiederzugeben. Untereinander nicht miteinan-

der bezogene Orte werden mittels der mathematisch-geografischen Methode (1 Kamerapunkt pro km) zusammengefaltet und raum-zeitlich ,verdichtet‘. Im Ausstellungsraum laufen 52 Videos auf

Bildschirmen, je zwei von einem Kamerapunkt aufgenommen, und ermöglichen einen Blick durch

die ganze Stadt. Die Aufzeichnungsmethode video/audio ermöglicht eine Raumwahrnehmung der ganzen Stadt, die man als Mensch so im Stadtraum nicht erfahren kann. Die Gleichzeitigkeit ist im alltäglichen Stadtkörper unmöglich. Beim Bewegen durch die Strassen, Orte und Plätze sind wir immer ,irgendwo‘.

44 Arbeitstitel, späterere Projektbezeichnung „Urban Tomography“ 45 Die Zeit, Ausgabe 53, Hamburg 2009

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Abb. Oben: Karte Istanbul, 26 Filmpunkte mit je 2 Kameraaufnahmen = 52 Videos Abb. Unten: Spatial inscriptions, räumliche Einschreibungen drücken sich in Linien aus. Nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen (1453) wurde die Stadt islamisch und die byzantinische Gebäudestruktur (6. Jh. n. Chr.) wurde von einer neuen Achse (Richtung Mekka) überlagert. Gebetsteppiche, Gebetsnische, Mihrab und Minbar wurden dabei schräg im Raum angeordnet. Für 2010 wäre nun wieder eine „temoräre“ raumliche Einschreibung in Ost-West Richtung geplant gewesen, das als Zeichen für die Kulturhauptstadt und seine bedeutende Lage zwischen zwei Kontinenten gelesen werden konnte.

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Wir haben keinen Gesamtüberblick über das Territorium, in dem wir uns befinden. Ein nacheinander gereihter (Stadt)Raum spannt sich auf. Die Stadt ist ein Labyrinth. Verlassen wir den Boden

und erheben uns auf die Vogelperspektive, so sehen wir alles. Wir haben den Überblick. Es gibt eine

alte Diskrepanz zwischen ,oben‘ und ,unten‘, zwischen Gesamtsicht und der sinnlichen Wahrneh-

mung eines Stadtraumes. Wichtig ist dabei die Gleichzeitigkeit. Niemand kann gleichzeitig an zwei oder mehreren Orten sein. Diese Methode bildet ein simultanes Stadtportrait.

Das ursprüngliche Konzept für die Kulturhauptstadt Istanbul 2010 sah eine Realisierung der Videoinstallation im Innenraum der Hagia Sofia vor. Da das Großprojekt seitens Istanbul 2010 nicht realisierbar war, wurde im Juni 2010 eine kleinere Installation mit drei Monitoren für die Studenten Triennale in der Marmara Universität in Istanbul realisiert. Kurztext zur Ausstellung in Istanbul »The project Urban Tomography shows a digital portrait of the city Istanbul, recorded through the

method of a cross-section (line) and displayed in form of a video installation in the exhibition space.

The concept intends to create a ‚space-time compression of a city at one single point‘. Along a 26 km long straight line across Istanbul, 3 videos are simultaneously recorded within one day (same

moment of time). This videos will be displayed on 3 monitors in the exhibition space of Marmara

University. The 26 km line corresponds to the East- West extension and situation of Istanbul and

is positioned at the historical landmark of Aya Sofya (center point). A simultaneous cross-section of the public space is transferred by sound and image into the exhibition space. The confrontation

of ‚micro and macro‘ or rather ‚milieu and large scale‘ results in an audiovisual city portrait ‚at the same moment of time‘.« 46

46 Pressetext Urban Tomography, 5th International Student Triennial Istanbul 2010, Istanbul (Türkei)

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Urban Tomography ,Prototyp‘: Markus Jeschaunig »ISTANBUL on TIME« (Arbeitstitel), 5th Int. Student Triennial Istanbul 2010, Marmara University, Istanbul (Ausstellungsdauer: 7.–30. Juni 2010), Videoinstallation: 3 Monitore, 26 Kilometer, 3 Aufnahmeorte, Zeitpunkt: 4.Juni 2010, 17:00-18:15 Uhr Clip 1: statisch Ost, statisch West Clip 2: Ost schaut West, West schaut Ost, Mittelpunkt (Hagia Sofia) dreht um 180 Grad Clip 3: Mobile (freie Kamera, Portrait der Umgebung) Gesamtlänge des Loops in der Ausstellung: 17 Minuten

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Urban Tomography – Ausstellung Graz Videoinstallation im Künstlerhaus Graz 21.08.-29.08.2010, 10:00 - 18:00 Uhr Eröffnung: 20.08.2010, 19.00 Uhr Kuratorin: Dr. Elisabeth Fiedler

Das Projekt Urban Tomography zeigt ein digitales Stadtportrait von Graz, das mittels der Metho-

de eines ,Stadtschnittes‘ in einer Videoinstallation im Künstlerhaus Graz erfahrbar gemacht wird.

Das Konzept sieht eine ,raum–zeitliche Verdichtung von Stadt an einem Punkt‘ vor. Entlang einer geraden Linie quer durch Graz werden innerhalb eines Tages pro Kilometer simultan Videos auf-

gezeichnet, die dann am Linienmittelpunkt (Künstlerhaus Graz) gesammelt auf Monitoren gezeigt

werden. Die 10 km lange Linie entspricht der tatsächlichen Ost-West Ausdehnung der Stadt und durchläuft genau die Positionen Künstlerhaus und Dommausoleum (,Stadtkrone von Graz‘). Ein Querschnitt des öffentlichen Raums wird durch Ton und Bild in den Ausstellungsraum gebracht.

Durch die Konfrontation von Mikro und Makro bzw. Milieu und Großform entsteht ein audiovisuelles simultanes Stadtportrait ,at the same moment of time‘.47 Warum von Ost nach West? Es geht darum, das gewachsene Territorium mit einem abstrakten Element zu konfrontieren. Die

gewählte Himmelsrichtung West-Ost erscheint auf den ersten Blick willkürlich, doch bei näherer Betrachtung stellt sich diese Linie jedoch als äußerst interessant für Graz heraus, denn die Stadt

erfährt derzeit zahlreiche Transformationsprozesse in Ost-West Richtung. Das zeigen die baulichen Entwicklungen am Areal des Grazer Hauptbahnhofes, die soziokulturellen Veränderungen

im Annenviertel, die kürzlich entschiedene UNESCO Weltkulturerbe Diskussion im Bereich Schloss Eggenberg, aber auch das viel diskutierte Stadtentwicklungsbeispiel der Reininghausgründe. Ein Schnitt in diese Richtung erscheint passend und vielversprechend. Ausstellungsort Zu Beginn kamen zwei Orte nahe am Linienmittelpunkt als Ausstellungsort in Frage: Dommausoleum (1614) und Künstlerhaus Graz (1952). Obwohl der Barockbau des Dommausoleums genau in Ost-West Richtung errichtet wurde und eine symbolische Brücke zum Barock (Linien und Achsen) geschlagen werden kann, fiel die Wahl auf den Standort Künstlerhaus Graz. Dieser bildet den exakt 47 Urban Tomography Graz, Pressetext, (Einladungskarte, Graz 20.08.2010)

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Abb. links: Katharinenkirche, Dommausoleum Graz, Arch.: Piedro de Pomis, Innenraum: Johann Fischer v. Erlach (1614) Abb. rechts: K체nstlerhaus Graz, entworfen vom Stadtbauamt unter st채ndiger Beratung des Vertreters der K체nstlerInnenschaft, Prof. Leo Scheu (1952)

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geometrischen Linienmittelpunkt (5000 m Marke), was konzeptuell präziser und weniger religiös aufgeladen ist. Methode Urban Tomography verwendet die Methode des Stadtschnittes, um einem dichten und schwer überschaubaren Territorium audiovisuelle Stichproben zu entnehmen. Also ein Instrument, mit

dem ein simultanes Abbild einer Stadt erfasst werden kann. Wie mit den Zinken eines großen Kammes, bilden Linie und Kilometermarken eine übergeordnete Ordnungsstruktur, welche die zufällig getroffenen Bodenpunkte miteinander in Beziehung bringt. Simultanität In der Regel haben wir keinen Überblick über das ganze Territorium, in dem wir uns befinden. Niemand kann gleichzeitig an zwei oder mehreren Orten sein, jedoch passieren im selben Zeitmoment

xn andere Ereignisse in einer Stadt. Die Stadt ist ein Ort der ständigen Veränderung. Die Urban Tomography macht die Gleichzeitigkeit einer Stadt sinnlich erlebbar. Die Aufzeichnungsmethode Au-

dio/ Video erlaubt eine simultane Darstellung der Stadt, die man als Mensch alleine nicht erfahren

kann. An jedem Kilometerpunkt (11) werden zwei Videos (je eines vor und zurück) aufgezeichnet,

die dann auf elf Sockeln (22 Monitoren) abgespielt werden. Ton und Bild der ganzen Stadt erfüllen dabei den Ausstellungsraum mit dem öffentlichen Raum von heute. Es entsteht ein Stadtportrait, das die Stadt im selben Zeitmoment lesbar macht. Technischer Ablauf – Film Trip:

10 Personen mit je zwei HD (Mini DV) Videokameras ausgestattet verteilen sich entlang der Linie quer durch die Stadt und beziehen an je einer Kilometermarke Stellung (TeilnehmerInnen: Grazer ArchitekturstudentInnen, OrtweinschülerInnen, Interessierte, Freunde). – Ausstellung:

22 Monitore (LCD 32“) und 22 DVD Player auf 11 Sockel in linearer Anordnung (West-Ost) im Aus-

stellungsraum. Unter der Monitorreihe liegt ein 24 m langer Bodendruck des Luftbildes von Graz.

Damit können die BesucherInnnen sofort zuordnen, auf welchem Kilometer sie sich befinden bzw. wo die jeweilige Videostichprobe entnommen wurde.

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Konzept Graz: 10 km Linie (Ost–West), Linke Begrenzung: Stadtgrenze West, Rechte Begrenzung: Stadtgrenze Ost, Mittelpunkt: Künstlerhaus Graz

Verlauf der Linie im Bereich Künstlerhaus Graz und Grazer Dom (Ausschnıtt genordet)

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Vermessung und Bezugssystem

Erdkoordinatensystem: 1 Bogensekunde (1‘‘) = etwa 31 m (Breitenangabe) bzw. 20 m (Längenangabe in Europa)

Die Filmpunkte der Urban Tomography in Graz wurden mit Hilfe der Kataster–Mappenblattschnitte des Grazer Stadtvermessungsamtes genau bestimmt. Als Mappenblattschnitt bezeichnet man

ein vom Stadtvermessungsamt Graz in regelmäßigen Absteänden durchgeführte Serie von Luftaufnahmen, dessen Raster dem steirischen Landeskoordinatensystem ,Gauss–Krüger‘ entspricht.

Im Unterschied zum geografischen Weltkoordinatensystem (Grad, Bogenminuten, Bogensekunden) handelt es sich bei Gauss–Krüger Bezugssystemen um ein kartesische Koordinatensysteme mit me-

trischen Werten (Hochwert, Rechtswert). Die Punkte in diesem rechtwinkeligen System werden

mittels x–Achse und y–Achse angegeben. Im Urban Tomography bot dieses regional gebräuchliche

Landeskoordinatensystem die Möglichkeit einer genaueren Punktbestimmung (10 cm Genauig-

keit) als durch die Nutzung von gängigen Web Applikationen wie Google Earth, das im Allgemeinen

eine sehr ungenaue und Annäherung (Schaubild) darstellt und damit als genuaues Punktbestimmungswerkzeug im Meter-Bereich ausscheidet.

Die Darstellung der Erde bedarf einer Technik, die eine dreidimensionale Kugeloberfläche in eine

zweidimensionale Form bringt. Die Verflachung der Erdoberfläche nennt man Projektion. Hier gibt es unterschiedliche Techniken, von denen alle eine mehr oder weniger starke Verzerrung der Kontinente beinhalten, die durch die Projektion auf eine 2D Fläche auftreten. Das Künstlerduo Lilla Locurto/Bill Outcault machen mit ihrer Mappingserie selfportrait map (1998) den zweidimensionale

Abwicklungsprozess, dreidimensionale Formen – in diesem Fall wurde die Oberfläche des eigenen Körpers gescannt und mittels Computerprogramm in einer zweidimensionalen Karte abgebildet

– sehr anschaulich. Die Ergebnisse zeigen ungeahnt spannende Ansichten eines vertrauten und gewohnten Anblicks des eigenen Körpers.

»Es gibt nur die Wirklichkeit der Medien. Kein Gebäude kann durch Film, Text, Plan, Modell oder Foto wiedergegeben werden. Ein Foto ist etwas Anderes als der wirkliche Raum. Ich erlebe keinen Raum, ich sehe nur ein Abbild, also eine andere mediale Wirklichkeit.« 48 48 Spiluttini, Margherita, Targets - Unbewegliche Ziele (?), Vortrag, Innsbruck, 2008

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Politischer Bezirk Graz Fläche 127,58 km² Eeinwohnerzahl 257.328 (1. Jan. 2010) 10 km Linie zentraler Mittelpunkt (5000 m Marke): Künstlerhaus Graz Einschaltpunkt (Lage geogr. Breite): Dommausoleum ,Stadtkrone von Graz‘

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01

02

03

Pol. Bezirksgrenze

00

Ăœbersicht & Ausdehnung 10 km Graz, Linie Ost-West; vom KĂźnstlerhaus ausgehend bildet jede Kilometermarke einen Filmpunkt

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04


06 07 08

Pol. Bezirksgrenze

K端nstllerhaus Graz 05 09 10

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Pkt. UT 00 15°379709 O / 47°071639 N (Länge/Breite) -72422.800 y / 215121.800 x (Landeskoordinatensystem) h= 623 m

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oberirdisch: Gaisberg, Forststrasse unterirdisch: Plabutschtunnel,Röhre West, Nordkaverne öffentlich (Tunnel mit Erlaubnis)


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Pkt. UT 01 15°392875 O / 47°071748 N -71422.800 y / 215121.800 x h= 369 m

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Schloss Eggenberg Wirtschaftshof halb-öffentlich, außen


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Pkt. UT 02 15°406041 O / 47°071856 N -70422.800 y / 215121.800 x h= 364 m

80

Wohnanlage Klopstockgasse Hof halb-öffentlich, außen


81


Pkt. UT 03 15°419206 O / 47°071961 N -69422.800 y / 215121.800 x h= 362 m

82

Graz Hauptbahnhof Hotel Daniel, Europaplatz öffentlich


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Pkt. UT 04 15°432372 O / 47°072066 N -68422.800 y / 215121.800 x h= 350 m

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Krankenhaus der barmherzigen Brüder Graz Hof der Tischlerei halb-öffentlich, außen


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Pkt. UT 05 15°445538 O / 47°072169 N -67422.800 y / 215121.800 x h= 363 m

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Künstlerhaus Graz Linienmittelpunkt öffentlich, innen


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Pkt. UT 06 15°458704 O / 47°072270 N -66422.800 y / 215121.800 x h= 361 m

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Merangasse Privatgarten mit Pool privat, außen


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Pkt. UT 07 15°471870 O / 47°072370 N -65422.800 y / 215121.800 x h= 403 m

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Wohnhaus Obere Teichstrasse Wohnraum privat, innen (keine Filmerlaubnis!)


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Pkt. UT 08 15°485036 O / 47°072468 N -64422.800 y / 215121.800 x h= 408 m

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Waldstück Ernst Moser-Weg Bezirk Waltendorf öffentlich, außen


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Pkt. UT 09 15°498203 O / 47°072565 N -63422.800 y / 215121.800 x h= 440 m

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Wohnhaus Prevenhüber Weg Rosengarten privat, außen


Pkt. UT 10 15°511369 O / 47°072660 N (geografische Länge / Breite) -62422.800 y / 215121.800 x (Landeskoordinatensystem – Gauss-Krüger) h= 437 m

Waldstück Ragnitztalweg öffentlich, außen

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We lchen m a te r i e l l e n & im m a te r ie l l e n ‚ Zu s t a n d ‘ h at das Territorium der St adt Graz gen au zum Z eit

96

p


eit

p un kt de s Fre i t a g , 3 0 . J u l i 2 0 1 0 z wis c h e n 1 6 : 0 0 un d 1 7 : 1 5 U hr en t lan g der 1 0 km lan gen Lin ie?

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16:00 - 17:15 Uhr

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22 Urban Tomographers

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Abb. Oben: Palais Thinnfeld, Kunsthaus Graz (Vorbesprechung) Abb. Mitte: UT 06 (Merangasse) Abb. Unten: UT 03 (Hauptbahnhof)

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Aktion „Urban Tomography – Film Trip” Graz, Freitag 30.07.2010, 16:00 – 17:15 Uhr Ein Urban Tomographer ist ein Mitglied einer Kette von Kameraleuten, die zu einem bestimmten

Zeitpunkt quer durch die Stadt gleichzeitig Filmaufnahmen machen. Die einheitliche Kleidung fördert die Wiedererkennung im öffentlichen Raum und markiert den aktionistischen Charakter des Projekts.

Der Moment der Aufzeichnung für die Ausstellung Urban Tomography ist am Freitag, 30.07.2010

geplant. Gegen 16 Uhr werden 22 “UT’s” (Urbane TomographInnen und Tomographen) an 11 Punkten in der Stadt Stellung beziehen und gleichzeitig (!) filmen. Gleichzeitigkeit ist ein Grundzug

des städtischen Raums, jedoch für den Einzelmenschen im Alltag kaum erfahrbar. Neue Stadtbilder eröffnen uns einen erweiterten Blickwinkel auf die Stadt. Die Urban Tomography stellt ein Instrumentarium dar, mehrere Punkte der Stadt im selben Zeitmoment erfahren zu können.

An jedem der 11 Kilometermarken stehen zwei Personen mit zwei Kameras und zeichnen zeit-

gleich mit allen anderen Kameraleuten Videoaufnahmen in der ganzen Stadt auf. Die Blickrichtung

einer Person ist immer Westen, und jene der zweiten Person Osten. Die Aufnahmen sind statisch

(Standbild), und mobil (Handkamera, individuelle Umgebungsportraits).

Die 11 Punkte, die auf derselben geografischen Breite wie das Künstlerhaus Graz liegen:

UT 00: Gaisberg/Plabutschtunnel Röhre West, Nordkaverne UT 01: Wirtschaftshof der Gärtnerei Schloss Eggenberg UT 02: Wohnsiedlung, Kloppstockgasse

UT 03: Hauptbahnhof Graz, Hotel Daniel, Europaplatz

UT 04: Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz, Tischlerei (Dommausoleum Kaiser Ferdinands II., erbaut 1614) UT 05: Künstlerhaus Graz, Burgring

UT 06: Privatgarten mit Pool, Merangasse UT 07: Wohnhaus, Obere Teichstrasse

UT 08: Waldstück Ernst Moser–Weg, Bezirk Waltendorf

UT 09: Rosengarten einer alten Dame, Bezirk Waltendorf UT 10: Waldstück, Ragnitztalweg

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Handout f端r jeden Punkt

UT.04 00

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05

10


Ablauf – 30. Juli 2010 „Film Trip“ Clip 1

16:00 – 16:30 Uhr

statisch (Ost-West)

(30 min)

Clip 2

16:35 – 16:50 Uhr

statisch (Nord-Süd)

(15 min)

Clip 3

17:00 – 17:15 Uhr

mobil

(15 min)

------------------------------16:00 Uhr 30 min Aufnahme “statisch” in Richtung OST und WEST (genaue Blickrichtung mit Kompass!) 16:30 Uhr ------------------------------5 min Umbau ------------------------------16:35 Uhr 15 min Aufnahme “statisch” in Richtung SÜD und NORD (genaue Blickrichtung mit Kompass!) 16:50 Uhr ------------------------------10 min Abbau ------------------------------17:00 Uhr 15 min Aufnahme “mobil”; freie Kamera, Portraitieren der Umgebung, Fortbewegung –> Ost-West Linie ------------------------------17:15 Uhr – Rückfahrt Künstlerhaus (Treffpunkt ca. 18:00 Uhr)

Beim Filmen zu beachten: - Filmformat ist 16:9 !!! - achtet auf den richtigen Weißabgleich ( Outdoor oder Manuell ) - richtig Scharfstellen und mit manuellen Fokus filmen - richtige Belichtung und Blende wenn mögl. fixieren

Verhalten während der Aufnahmen: - wir verwenden Bild und Ton, also nicht neben der Kamera reden - Handys auf lautlos!! - Klappe oder Einklatschen bei pünklicher Uhrzeit am Beginn der Aufnahme - Datenschutz: ist jemand gross im Bild, also klar wiedererkennbar, dann sollte diese Person – wenn möglich – kurz darüber informiert werden, daß dieses Material für eine Woche in der Ausstellung im Künstlerhaus gezeigt wird. (Sollte wirklich jemand dagegen sein, bitte unbedingt notieren/merken, wer es am Video ist!) Fragen zu Kameraeinstellungen, Problemen mit Filmerlaubnis o.ä. Markus Jeschaunig (Regie, Aufnahmeleitung) 0650/383... Technische Probleme mit der Ausrüstung: Stefan Waidacher (Technische Leitung) 0664/397... Name der Institution: Künstlerhaus Graz, Universalmuseum Joanneum, Frau Elisabeth Fiedler

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Nach Veröffentlichung der Aktion Urban Tomography – Film Trip durch eine Presseaussendung

nutzten einige StadtbewohnerInnen die Gelegenheit, sich auf den Urban Tomography Aufzeich-

nung zu verewigen. Einer dieser besonders motivierten Stadtbewohner war ein Fahrschullehrer,

der extra am Hauptbahnhof in das Bild fuhr, um einen FahrerInnenwechsel durchzuführen. Ein anderer kulturinteressierter Grazer kam zum Punkt UT 05 (Künstlerhaus) und sah sich vor der

Kamera die Ausstellung an. Noch deutlicher machte das Ars Electronica Festival 2007 in Linz diese Form der Bürgereinladung mit dem Projekt GANZ LINZ - Ein Gruppenfoto von oben. »Am 16. September lud Ars Electronica zum Gruppenfoto und über tausend LinzerInnen schickten ihre Bot-

schaften gen Himmel – per Transparent, „kreativ“ gemähtem Gartenrasen oder Kunstwerk!«49 Die

während des Festivals 2007 durchgeführte Luftbildaufnahme von Linz konnte später - mit allen

Botschaften der StadtbewohnerInnen die eine Botschaft in den Himmel gesendet haben - im Ars Electronica Center in Linz begutachtet werden.

T-Shirt

49 www.aec.at, Archiv 2007 (Zugriff: 12.08.2010, 09:00)

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Einladungskarte DIN A5 quer, Vorderseite und R端ckseite (Scan)

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Raum, Zeit und Simultanität 5 Raumzeit Allem Anschein nach denkt die Gesellschaft noch weitgehend in den Kategorien Newtons und der

klassischen Physik, jedoch durchleben wir aber bereits längst die Relativität und Raumzeit Einsteins.

»Für uns gläubige Physiker ist die Zeit lediglich eine – wenn auch hartnäckige – Illusion.«50 Mittelalter Die Kategorien Raum und Zeit entwickelten sich im Lauf der Menschheitsgeschichte und waren nicht immer gleich. Wie es Albert Einstein treffend formulierte, sind sie nur Konstruktionen (Kon-

zepte) zum leichteren Weltverständnis. »Ein Beispiel ist der Begriff ,Tag‘. ,Tag‘ bezeichnet im Mittelalter nur die Wach-Zeit, den ,Licht-Tag‘, und nicht die 24-Stunden von ,Tag und Nacht‘. ‘Tag‘ ist nur dann, wenn die Sonne scheint. ,Tag‘ und Nacht sind qualitativ verschiedene Zeiten. […] Im Erleben der Menschen verfallen ,24 Stunden‘ (so denken wir heute) in zwei getrennte Welten: in die WachWelt und in die Schlaf-Welt, ohne begriffliche Verbindung, ohne ein gemeinsames Ganzes.« 51

Zeit ist im Mittelalter kein kontinuierlicher Zeit-Fluss, sondern eine Abfolge unterschiedlicher Zeiten. In dieser Zeitvorstellung ist Zeit ähnlich dem Verständnis von Objekten und Dingen. Zeit existiert im Mittelalter nicht alleine und außerhalb der Menschen, sondern ist mit ihrem Tun und

Erleben gekoppelt. »Wo nichts passiert, da ist sozusagen auch keine Zeit, denn sie ist unmöglich wahrzunehmen.«52

In diesem Kontext ist die mittelalterliche Theaterform des Simultantheaters interessant, bei dem

am Marktplatz zur selben Zeit mehrere Szenen simultan dargeboten wurden. Die Zuseher wanderten von Szene zu Szene. Diese zeitgleich gespielten Szenen deuteten an, dass es eine klare

Wertigkeit der Szenen gab und die Simultanität dieser wichtiger war, als die Wahrnehmbarkeit

der ganzen Geschichte. Die Wurzeln des modernen Zeitempfindens liegt in den frühchristlichen

50 Einstein, Albert, Physiker

51 Ötsch, Walter: Zur Geschichte und Zukunft von Grundkategorien des ökonomischen Denkens: Raum, Zeit Objekt und Ich, Vorlesung an der Johannes Keppler Universität Linz, Linz 1998 52 ebd.

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Mönchsorden, in denen begonnen wurde, ab dem 5. Jahrhundert Tagesabläufe und Stunden akkus-

tisch durch Glockensignale einzuteilen. Die Erfindung der mechanischen Räderuhr um etwas 1300,

war ein »geschichtliches Großereignis« und bahnte durch stundenschlagende Turmuhren den Weg zum ‘linearen Zeitverständnis‘. Von Newton zu Einstein Isaac Newton beschrieb in seiner berühmten Schrift Philosophiae Naturalis Principia Mathematica

(1687) die Planetenbahnen um die Sonne mittels seiner Gravitationstheorie, in der alle Bewegungen in einem ,absoluten Raum‘ als Bezugssystem betrachtet wurden. Das galt als Geburtsstunde der modernen Physik. Im Zeitalter Newtons sprach man von einer ,linearen Zeit‘. Zeit wurde als fixe

Einheit angesehen, die unbeeinträchtigt ihren Lauf nimmt. Raum und Zeit wurde als unabhängige

Größen gesehen. Newton glaubte an eine »ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand« fließende Zeit.53

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie gilt unter WissenschaftlerInnen heute als das anerkann-

te Erklärungsmodell zum Verständnis des Universums. Während Newton noch von einer fix verstreichenden ,absoluten Zeit‘ ausging, beschreibt Einstein in seiner Relativitätstheorie die Zeit als

flexible Einheit. Spätestens mit der speziellen Relativitätstheorie (1905) gab Albert Einstein die

Vorstellung einer ,absoluten Zeit‘ zugunsten einer ,relativen Raumzeit‘ auf. Damit stellte er solide physikalische Grundsätze, die bis dahin gegolten hatten, grundlegend auf den Kopf. Zeit ist relativ zum Raum. Der Raum ist nicht fixiert durch eine x, y und z Koordinate, und die Zeit verstreicht

nicht immerwährend gleich, sondern ist abhängig vom Kontext bzw. davon, ob sich ein Objekt in Bewegung oder Beschleunigung befindet oder in Ruhe.

Zeit und Raum sind somit relative Einheiten und ihre Flexibilität ist miteinander verknüpft. In einem vierdimensionalen Raum (x, y, z und Zeit) können Objekte (Körper) die Krümmung von Raum

und Zeit beeinflussen. Umgekehrt beeinflusst die Krümmung der Raumzeit die Bewegung der Körper; Raumzeit und Materie können sich demnach gegenseitig beeinflussen. Im Gegensatz zur Newtonschen Physik wird aus dem stabilen, unveränderlichen Weltall mit der Allgemeinen Relativitätstheorie ein dynamisches Universum, in dem sich Raumzeit und Materie gegenseitig beeinflussen. Die Gleichzeitigkeit der Stadt Die Gemeinsamkeit der neuen medialen Apparate (neue Medien) ist ihr Bestreben, zeitliche und räumliche Distanzen zu minimieren oder zu löschen. Die Herstellung einer zeitlich-räumlichen 53 Newton, Isaac, Mathematische Prinzipien der Naturlehre, London 1687

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Andy Warhol, Empire, 1964; Warhols Kommetar zu seinem 8-stündigen Filmwerk: „(...) to see time go by“

Nähe, wie sie durch moderne Apparate möglich geworden ist, hat räumliche Zusammenhänge durch zeitliche Raffung oder Dehnung grundlegend verändert.

Was ist das spannende am Gleichzeitigen? Es ist nicht erstrebenswert, als Person an zwei oder mehreren Orten gleichzeitig sein zu können. Jedoch ist es ein elementarer Wesenszug von Stadt,

das gleichzeitig viele Dinge parallel passieren. Ein detaillierteres Bild über die raum-zeitliche Be-

schaffenheit von Stadt zu bekommen, ist durchaus erstrebenswert. Durch die Urban Tomography kann sichtbar gemacht werden, was dem Einzelnen verborgen bleibt und damit können wir unsere Vorstellung und Stadtwahrnehmung schärfen und, darauf bauend, können wieder neue Stadtentwicklungen entstehen.

Ist es ein panoptischer Blick, den die Urban Tomography generiert? Würde sie - weitergedacht bis

zu einer flächendeckenden Echt-Zeit Lösung simultaner Landaufnahmen - eine totale Big BrotherÜberwachungssituation schaffen? Das Projekt Urban Tomography definiert sich anders. Die tem-

poräre Ausstellung hat nicht den Anspruch der Überwachung, sondern definiert sich als reines Wahrnehmungsinstrument, um den simultanen Wesenszug von Stadt zu veranschaulichen. Ein

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Auszug (eine Stunde, Stadtportrait), der keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, kann fragmentarisch bleiben, um sein Ziel als Stadtportrait zu erreichen. Es geht rein um die Wahrnehmung des Simultanität im Stadtraum.

Andy Warhol, Empire (1964) Andy Warhol thematisierte in seinen Werken vorwiegend Gegenstände und Zeichen aus der zivi-

lisatorischen Alltagswelt. Er verwendete maschinelle Produktionsverfahren für seine Bilder zur seriellen Herstellung von Dosen-, Flaschen- oder Geldscheinmotiven. Warhol zeigte Bestrebungen,

jegliche individuelle Handschrift des Künstlers abzuschaffen. Der dadaistischen Forderung zur

Aufhebung von Kunst und Leben folgend, bildet Warhols Pop-Art eine Gegenposition zur abstrak-

ten Kunst. Hier gibt es einen Zusammenhang mit der Idee des ready-made von Marcel Duchamp aus den 1920er Jahren.

In seinen frühen Filmen hält Warhol oft ‚normale‘ Alltagssituationen in oft überlangen Einstellungen fest. Die ersten scheinbar ,ereignislosen‘ Minimal-Filme sind Blow Job, Eat, Haircut oder Kiss.

Der 1964 in New York gedrehte Film Empire zeigt das Empire State Building in New York. Dieser Film zeigt eine durchgehende Aufnahme über den Dächern von New York mit einer Laufzeit von 8 Stunden und 5 Minuten (485 min).

Wie kann eine vertraute und gewöhnliche Stadtaufnahme in Form eines Gebäudeportraits zum Kunstwerk werden? Das Filmkonzept, die Herstellung des Kontextes und die Art der Präsentation

macht die ,normalen‘ Stadtaufnahmen zu etwas Besonderem. Tatsächlich erregte der Film durch seine Überlänge und scheinbare Ereignislosigkeit internationales Aufsehen. Konzeptuell ist die Überlänge daher essenziell für den Film. Bewegte Stilleben Wie eine Fotografie oder ein bewegtes Stilleben verhält sich das stehende, vermeintlich ereignislose Bild. Die Ereignislosigkeit und Reduktion auf kleinste Details, wie einem vorbeifliegenden

Flugzeug, verleihen dem Film ein meditatives Moment und stellen Fragen nach Vergänglichkeit und dem Verstreichen von Zeit. Andy Warhol selbst bringt die Kernaussage seiner wahrscheinlich

einflussreichsten Filmarbeit auf den Punkt – »to see time go by«54. Man kann Zeit bewusst erleben, und ihr beim Verstreichen zusehen.

54 Warhol, Andy, http://www.moma.org/collection/browse_results.php?object_id=89507 (05.06.2010, 10:00)

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Raum und Zeit / Simultanität im Stadtraum. Im Medienzeitalter wird das Verhältnis von Räumlichkeit und Zeitlichkeit radikal neu gemischt.

Durch elektronische Technologien wie Internet oder Mobiltelefon werden räumliche Distanzen minimiert oder gelöscht. Die Urban Tomography thematisiert das Verhältnis von Raum und Zeit und mischt durch seine technische Apparatur Territoriales und Zeitliches in besonderer Weise. In

diesem Zusammenhang meint etwa Mark Wrigley in seinem Buch Evolution by Prothesis: »Prothesen sind alle Technologien, mit denen der Mensch seinen Einflussbereich räumlich und in der Zeit erweitern kann.« Zwei Dimensionen: Auf der einen Seite befindet sich das topografische Räumliche, auf der anderen Seite das sich zeitlich Wandelnde. Orte sind überall, in einem Nebeneinander durchziehen Orte den Raum und bilden Landschaft und (Welt)raum. Der gleichzeitig präsente ,Ort‘

und die hintereinander folgende ,Zeit‘ stehen in einem Verhältnis zueinander. Dies änderte sich davor im Laufe der Geschichte.

Marken der Gleichzeitigkeit (Audio Istanbul – Graz) Im Vergleich zu heute gab es im Feudalzeitalter eine Flut an Glockengeräuschen, die den öffentlichen Raum der Stadt akustisch beschallten. Neben der Kirchen vermittelten auch Zünfte, Handwerksbetriebe und andere Institutionen ihre eigenen Codes durch Glockenläuten, wodurch be-

stimmte Vorgänge und Tätigkeiten im öffentlichen Raum der Stadt strukturiert wurden. Bei der Videoaufzeichnung des Urban Tomography Projektes in Graz ergaben sich an den Positionen 01,

02, 04 und 06 verschiedene Glockengeräusche, die alle eine volle Stunde (17:00 Uhr)markierten.

Dieses Geräusch wurde im Zwischenclip55 (10 Sekunden komprimiert) für die Installation ausgewählten Videos bewusst eingesetzt, um den jeweiligen Beginn des sich wiederholenden Loops zu

markieren. Es soll den Betrachter/die Betrachterin an das Aufkommen der linearen Zeitvorstellung erinnern. Wenn an mehreren Punkten der Stadt ein vergleichbares Geräusch auftritt, wird die Eigenheit des Konzeptes stark ablesbar und die Filmpunkte bewusst vergleichbar.

In Istanbul gibt es beispielsweise eine völlig andere Geräuschkulisse. Die zum dortigen Aufnahmezeitpunkt (für Ausstellung) aufgetretenen Minarettrufe (4. Juni 2010, 17:00 Uhr) der Moscheen

sind durch die Gestirne bestimmt und verändern täglich ihren Zeitpunkt. Da der Startzeitpunkt des Minarettrufes jeden Tag zu Sonnenaufgang– und untergang passiert, ergibt sich durch die geogra-

55 Um den Neustart des Loops zu markieren wurde am Ende der statischen Filmaufnahme auf jeder DVD ein Videoausschnitt (5 Minuten) aus dem mobilen Rohmaterial platziert, um den Beginn zu markieren. Mit 2000-facher Beschleunigung der 5 Minuten Aufnahmen ergaben

sich 10 Sekunden Clips, die in Ihrer Ästhetik das schnell bewegte Gegenstück zur statischen Ost-West Aufnahme bilden sollen. Wichtig am mobilen Teil war es, die Stadtmorphologie der Umgebung zu veranschaulichen. Die Tonspur blieb der unbeschleunigte Originalton, um mit den vier Kirchenglockengeräuschen (17:00 Uhr) den nächsten Loop ‘einzuläuten‘.

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fische Lage der Moscheen keine Gleichzeitigkeit. Bei einer Distanz von 26 km und einem Aufzeichnungsintervall von fünf Minuten war nur auf einem Video (Ost Punkt, Ümraniye) der Gebetsruf hörbar.

Das Grazer Projekt zeigte auch auf der visuellen Ebene Vergleichbarkeit. Während des Aufnah-

mezeitraumes in Graz gab es am Himmel eine bewölkte Situation, in der während der Aufnahme

plötzlich die Sonne durchbrach. In der Videoinstallation kann genau verfolgt werden, wo genau

die Sonne in der Stadt zum Vorschein kommt und wo nicht. Eine weitere interessante Begebenheit brachte ein Einsatzfahrzeug, dass mit Blaulicht durch die Innenstadt fuhr. Obwohl das Fahrzeug

nur einen Filmpunkt passierte, wurde der Weg eines Lärm verursachenden Objektes durch die Stadt nachvollziehbar. Datenschutz Das Urban Tomography Projekt führt eine Filmaktion im öffentlichen Raum durch, den sogenannten Film Trip. Hier werden die Filmdaten gesammelt und aufgezeichnet, die dann im Künstlerhaus

öffentlich gezeigt werden. Die Speicherung und Veröffentlichung von Daten ist von der Österreichischen Datenschutzkommission genau geregelt. Ziel der Datenschutzkommission ist es, darauf

zu achten, dass private Rechte von Einzelpersonen geschützt werden. Wenn jemand im öffentlichen Raum Daten aufzeichnen möchte, zum Beispiel als Tourist, dann ist es in der Regel datenschutzrechtlich weniger bedenklich (private Zwecke), als wenn die Daten für öffentliche Zwecke

verwendet werden, wie es beim Urban Tomography Projekt durch die Ausstellung der Fall ist. In

der Regel gilt, dass Personen – die keine Zustimmung zur Verwendung ihrer Daten gegeben haben – unkenntlich gemacht werden müssen.

§ 27 Recht auf Richtigstellung oder Löschung § 27. (1) Jeder Auftraggeber hat unrichtige oder entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verarbeitete Daten richtigzustellen oder zu löschen, und zwar 1. aus eigenem, sobald ihm die Unrichtigkeit von Daten oder die Unzulässigkeit ihrer Verarbeitung bekannt geworden ist, oder 2. auf begründeten Antrag des Betroffenen.56

Mit ihrem Film Faceless thematisiert die österreichisch–britische Künstlerin Manu Luksch die-

se Problematik. Das Filmmaterial für ihren Film, das jede BürgerIn auf Wunsch anfordern kann,

stammt ausschließlich von öffentlichen Londonern Überwachungskameras (CCTV ). Fremde Per56 Österreichische Datenschutzkommission, www.dsk.gv.at (28.08.2010, 16:15)

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sonen werden in einem Nachbearbeitungsprozess durch Schablonen über den Köpfen unkenntlich gemacht. Der Schauplatz der so entstandenen Handlung ist London, jene Stadt mit der höchsten

Dichte an Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Ein weiteres Beispiel stellt das umstritte-

ne Google Street View Projekt der Firma Google dar. Google Street View ist ein Online Dienst, der, basierend auf digitalen Landkarten (Google Maps), Straßenansichten im Internet zugänglich macht.

Dabei können Straßenzüge oder andere Örtlichkeiten auf der Karte ausgewählt werden, um eine 360 Grad Ansicht zu bekommen. Wegen der unangekündigten Aufzeichnung ganzer Straßenzüge geriet das Projekt in vielen Ländern in Konflikt mit Datenschutzgesetzen und löste eine Debatte aus.

Worin liegt der Unterschied zwischen Videoüberwachung und der Urbanen Tomographie? Der Ur-

banen Tomographie liegt keinerlei Sicherheitsgedanke oder Datenspeicherungsabsicht zu Grunde. Definiertes Projektziel ist, ein Instrument zur Stadtwahrnehmung zu schaffen. Die durchgeführte Aufzeichnungs- und Filmtätigkeit kommt jedoch technologisch gesehen in die Nähe der aktuellen Datenschutzrichtlinien des Gesetztes.

Ist die Urbane Tomography durch die Speicherung und Veröffentlichung eine strafbare Handlung? Die lange Vorarbeit in der Organisationsphase des Projektes erlaubte, jeden einzelnen Punkt zu

besuchen und Kontakt mit den einzelnen BesitzerInnen aufzunehmen. In den meisten Fällen gab es

eine Erlaubnis, zu filmen. Im öffentlichen Raum kann es allerdings zur Aufzeichnung einer größeren Zahl anonymer Personen kommen. Dies würde bedeuten, dass – laut österreichischem Datenschutzgesetz – groß im Bild befindliche Personen um Erlaubnis gefragt werden müssten, oder eine

Unkenntlichmachung zum Zwecke des Schutzes ihrer Privatsphäre gemacht werden müsste. Um

»rechtswidrige Datenverwendung« – im Sinne des Datenschutzgesetz 2000 der österreichischen Datenschutzkommission – zu vermeiden, waren die Filmpersonen (Urbane TomographInnen) aufgefordert am Standort ,betroffene‘ Personen anzusprechen und zu fragen, ob sie es wünschen

unkenntlich gemacht zu werden. In diesem Fall hätte das entsprechende Video einer Nachbehand-

lung unterzogen (Unkenntlichmachung), oder erst gar nicht in die Ausstellung genommen werden dürfen.

Manu Luksch, Faceless, 2007

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Die Ausstellung 6

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k

Grundriss Künstlerhaus Graz a - Luftbild (Digitaldruck) b - Podest für Kabelkanal (Holz) c - Holzsockel mit je 2 Stk. Flachbildschirm (LCD 32“) d - DVD Player e - Zugang Ost f - Grafik g - Texte h - Schriftzug innen i - Rampe j - Schriftzug außen k - Außenmarkierung (Kalklinie auf Wiese)

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24 m

Ansicht

f

g

j

d i

b a

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e

c k d

g

d

h

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Grundriss 117




K端nstlerhaus Graz, Innenraum

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UT 05 (K端nstlerhaus Graz), Blickrichtung Ost

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UT 04 (Barmherzige Br端der), Blickrichtung Ost

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Aufnahme UT 07 (West) „statisch“ (10 Minuten, loop)

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Aufnahme UT 07 (West) „mobil“ (10 Sekunden, am Beginn des loops)

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Außenmarkierung ,Kalklinie‘ und ,Schriftzug‘

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Monitorreihe (genaue Ausrichtung Ost - West)

Wandzitat

133


134


Dr. Elisabeth Fiedler, Ausstellungserรถffnung, 20. August 2010

135


11 Punkte

136


22 Videos

137


UT 00 o

UT 00 w

UT 01 o

UT 01 w

UT 02 o

UT 02 w

UT 03 o

UT 03 w

UT 04 o

UT 04 w

Ăœbersicht 22 Videostills (HDV, MiniDV) 10 km Stadt zeitgleich um 16:12:38 Uhr pro Filmpunkt je 1 Video in Blickrichtung Ost (o) und West (w)

138


UT 05 o

UT 05 w

UT 06 o

UT 06 w

UT 07 o

UT 07 w

UT 08 o

UT 08 w

UT 09 o

UT 09 w

UT 10 o

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UT 10 w


UT 00 Ost 15°379709 O 47°071639 N (Länge/Breite) -72422.800 y 215121.800 x (Landeskoord.system) h+623 m oberirdisch: Gaisberg/Forststrasse unterirdisch: Plabutschtunnel/Röhre West, Nordkaverne öffentlich (Tunnel mit Erlaubnis) Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Karin Passarneggf

16:12:38 Uhr

zeitgleich unterirdisch (Tunnel)

140


UT 00 West 15°379709 O 47°071639 N -72422.800 y 215121.800 x h+623 m oberirdisch: Gaisberg/Forststrasse unterirdisch: Plabutschtunnel/Röhre West, Nordkaverne öffentlich (Tunnel mit Erlaubnis) Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Clemens Mock

16:12:38 Uhr

zeitgleich unterirdisch (Tunnel)

141


UT 01 West 15°392875 O 47°071748 N -71422.800 y 215121.800 x h+369 m Schloss Eggenberg (Wirtschaftshof) halb-öffentlich Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Teresa Morandini

16:12:38 Uhr

16:21:42 Uhr

142


UT 01 Ost 15°392875 O 47°071748 N -71422.800 y 215121.800 x h+369 m Schloss Eggenberg (Wirtschaftshof) halb-öffentlich Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Maximilian Belic

16:12:38 Uhr

16:16:00 Uhr

143


UT 03 West 15°419206 O 47°071961 N -69422.800 y 215121.800 x h+362 m Graz Hauptbahnhof (Hotel Daniel, Europaplatz) öffentlich Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Andreas Leitner

16:12:38 Uhr

16:20:40 Uhr

144


UT 03 Ost 15°419206 O 47°071961 N -69422.800 y 215121.800 x h+362 m Graz Hauptbahnhof (Hotel Daniel, Europaplatz) öffentlich Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Wilma Calisir

16:12:38 Uhr

16:17:09 Uhr

145


UT 05 West 15°445538 O 47°072169 N -67422.800 y 215121.800 x h+363 m Künstlerhaus Graz (Linienmittelpunkt) öffentlich (innen) Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) 1 UT Markus Jeschaunig

16:12:38 Uhr

16:16:55 Uhr

146


UT 05 Ost 15°445538 O 47°072169 N -67422.800 y 215121.800 x h+363 m Künstlerhaus Graz (Linienmittelpunkt) öffentlich (innen) Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Bernhard Seitingerf

16:12:38 Uhr

16:20:31 Uhr

147


UT 07 West 15°471870 O 47°072370 N -65422.800 y 215121.800 x h+403 m Wohnhaus Obere Teichstrasse privat (Innenaufnahme nicht gestattet) Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Kathi Hadoltf

16:12:38 Uhr

16:19:23 Uhr

148


UT 07 Ost 15°471870 O 47°072370 N -65422.800 y 215121.800 x h+403 m Wohnhaus Obere Teichstrasse privat (Innenaufnahme nicht gestattet) Fr, 30. Juli 2010 16:12 -16:22 Uhr statisch (10 min) 17:00 - 17:05 Uhr mobil (komprimiert) UT Tanja Schantl

16:12:38 Uhr

16:21:41 Uhr

149


Bild端berlagerung West (Alle Videos in Blickrichtung West zum selben Zeitpunkt, 30.07.2010, 16:12:38 Uhr)

150


Durch die Bild–Interpolation mittels ,Transparenz‘ kann eine raum–zeitliche Verdichtung von Stadt auf einem Bildschirm erzeugt werden, die dem Ziel „Simultanität einer Stadt Abzubilden“ auf eine andere Weise äußerst nahe kommt. Der simultane Effekt der hier am Bildschirm sichtbar wird, kann mit bloßem Auge im Ausstellungsraum zwar erfasst, aber nicht ,direkt‘ gesehen werden, weil das menschliche Auge auf Grund seiner Physonomie nicht exakt an zwei oder mehrere Stellen gleichzeitig blicken kann.

151


Bild端berlagerung Ost (Alle Videos in Blickrichtung Ost zum selben Zeitpunkt, 30.07.2010, 16:12:38 Uhr)

152


153


Ergebnis und Ausblick 7

»Es geht um die vielfältige Betrachtung, die in Phänomenen das Vieldeutige heraussieht und in der die Ressourcen für neue und andere Möglichkeiten liegen. Und schließlich interessiert uns die Fra-

ge, ob und wie Stadt durch Beobachtungs- und Darstellungsmethoden – also nicht über physische Eingriffe , sondern über die Arbeit an Vorstellungen von Stadt – verändert werden kann.« 57

Galileo Galilei war einer der ersten Menschen, der ein optisches Instrument (Fernrohr) zu Himmelsbeobachtung einsetzte. Damit konnte er genauer und tiefer in den Nachthimmel sehen, als

jemals zuvor. Die neuen Erkenntnisse der Planetenbahnen und darauffolgenden Theorien veränderten das Weltbild maßgeblich.58

Dieser Zusammenhang von Technologie, Maschine und Wissen kann – wenn auch nur in einem kleineren Ausmaß – auf die Urban Tomography angewendet werden. Man könnte behaupten, dass die Videoinstallation im Künstlerhaus Graz ein Instrumentarium darstellt, das eine neue Sichtwei-

se auf den Stadtraum eröffnet. Das Zusammenbringen mehrerer Videoaufnahmen, die gleichzeitig aufgezeichnet wurden, ermöglicht uns die Stadt im Ausstellungsraum so zu sehen, wie wir es alleine – ohne Apparatur – nicht könnten.

Wieso ist es sinnvoll, Gleichzeitigkeit abzubilden?

Es ist die Physik einer Stadt, dass all ihre Handlungen, Situationen und Bestandteile ständig ihre

Form und Lagebeziehung untereinander verändern. Ist es möglich, dieses urbane Grundprinzip und das Wesen von Stadt sichtbar zu machen oder aufzuzeichnen? Wenn es möglich wäre, diese Tatsache visuell oder physisch erfahrbar zu machen, so sähe man, was sonst verborgen bleiben

würde. Die Thematisierung von Simultanität einer Stadt hat ein Reflektieren über Raum und Zeit in der heutigen Gesellschaft zur Folge und erweitert die Stadtwahrnehmung.

Die Karte oder das Diagramm vermag verschiedene örtlich getrennte Dinge gemeinsam abzubil-

57 Krause, Till, In: Möntmann, Nina / Dziewior, Yilmaz: Mapping a City, Galerie für Landschaftskunst/Kunstverein Hamburg, Stuttgart 2004 58 Galileos Erkenntnisse trugen massgeblich zur Ablöse des geozentrischen Weltbildes zugunsten des heliozentrischen Weltbildes (nach Nikolaus Kopernikus bewegen sich die Planeten um die in Ruhe befindliche Sonne) bei.

154


den oder Distanzen zwischen Orten maßstabsgetreu wiederzugeben. Die Landschaft im Kleinformat oder eine Reihe anderer Daten kann auf diese Weise gleichzeitig erfasst werden. In der Urban Tomography passiert etwas anderes. Sie erlaubt, Ereignisse, die an unterschiedlichen Orten im sel-

ben Zeitmoment passieren, gleichzeitig abzubilden. Die Urban Tomography kann somit als Karte im eigentlichen Sinn verstanden werden. Eine Sammlung quantitativer Informationen (in diesem Fall Ereignisse) an einem Ort. Man könnte somit von einer ‚Ereigniskarte‘ sprechen. Auf diese Weise

kommt ein Raumbild zustande, dass das tatsächliche Wesen der Stadt – eine Ansammlung unzäh-

liger simultaner Ereignisse – visualisiert. Die Stadt präsentiert sich nicht in ihrer Gesamtheit – d.h. die Gesamtheit ihrer Ereignisse –, sondern einen repräsentativen Auszug davon. Wir bekommen

ein Bild der Gleichzeitigkeit präsentiert, in diesem Fall ein Portrait eines Territoriums, das ohne

das Instrumentarium der Urban Tomography nicht erfahrbar ist.

Jüngste Untersuchungen in der Quantenphysik bzw. Quantenmechanik – worin ein Teilchen zur selben Zeit an zwei verschiedenen Orten auftreten kann – machen gespannt, wie sich Technik und

Raumwahrnehmung in Zukunft entwickeln werden und welchen Einfluss dies auf die Kerbungen unserer Städte haben wird.

155


Literaturverzeichnis Adorf, Sigrid: Zwischen den Zeichen gelesen, In: NDBG Berlin, VALIE EXPORT – Mediale Anagramme, Berlin 2003 Benjamin, Walter: Das Passagen-Werk, Frankfurt am Main 1991 Debord, Guy: Die Gesellschaft des Spektakels, Paris 1967 Deleuze Gilles / Guattari, Felix: Tausend Plateaus, Paris 1980 Dünne, Jörg / Günzel, Stephan (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main 2006 Folie, Sabine: Atlas Mapping, Bregenz-Wien 1997 Giddens, Anthony: Die Konstitution der Gesellschaft, Cambridge 1984 LeWitt, Sol: Paragraphs on Conceptual Art, In: Artforum, vol. 5, no.10, New York 1967 Pichler, Barbara: James Benning, SYNEMA, Wien 2007 Puvogel, Renate: Der Körper zwischen Skulptur und Virtualität, In: Ausstellung Gabriele Münter Preis 97, Bonn 1997 Eliasson, Olafur: Your Engagement has Consequences; On the Relativity of Your Reality., Baden 2006 Michalka, Matthias: X-Screen, Filmische Installationen u. Aktionen der Sechziger- u. Siebzigerjahre, Mumok, Wien 2003 Möntmann, Nina / Dziewior, Yilmaz: Mapping a City, Galerie für Landschaftskunst/Kunstverein Hamburg, Stuttgart 2004 Moure, Gloria: Gordon Matta-Clark - Works and Collected Writings, Barcelona 2006 Newton, Isaac, Mathematische Prinzipien der Naturlehre, London 1687 Raith, Erich: Stadtmorphologie, Springer, Wien, 2000 Richards, Mary: Ed Ruscha, London 2008 Roelstraete, Dieter: Richard Long - A Line Made by Walking, London 2010 Schlögel, Karl: Im Raume lesen wir die Zeit, Fischer, München 2006 Wagstaff Jr., Samuel J.: Interview mit Tony Smith in Artforum, Vol. 5, No.4, New York 1966

Weitere Quellen: Berrada, Elsa / Mevissen, Carla / Jeschaunig, Markus / Usta, Perihan: ISTANBUL on LINE documentation map, Faltkarte Eigenverlg., Istanbul-Linz 2007 Ötsch, Walter: Zur Geschichte und Zukunft von Grundkategorien des ökonomischen Denkens: Raum, Zeit Objekt und Ich, Vorlesung an der Johannes Keppler Universität Linz, Linz 1998 Raith, Erich: Stadtmorphologie, Vorlesung an der TU Wien, Wien 2008 Schneider, Tatjana: Über die Fähigkeit, anderweitig zu agieren, ÖGfA Vortrag, Wien 2009 Spiluttini, Margherita, „Targets - Unbewegliche Ziele (?)“, Vortrag, Innsbruck 2008 Online Quellen: Ars Electronica, www.aec.at, Archiv 2007 (12.08.2010, 09:00) Jarrett, Alex: Degree Confluence Project, http://confluence.org/ (27.07.2010, 11:00) Die Zeit, Ausgabe 53, Hamburg 2009 Österreichische Datenschutzkommission, www.dsk.gv.at (28.08.2010, 16:15) MoMA New York, http://www.moma.org/collection/browse_results.php?object_id=89507 (05.06.2010, 10:00) Reininghaus Gründe Graz, http://www.reininghaus017.at/page.php?id=48 (10.05.2010, 10:00) Trischak, Eva Maria: 4816, Projekt Website, http://4816.nsew.at (27.07.2010, 11:30) www.dictionary.reference.com (26.08.2010, 14:00) www.wissen.de (26.08.2010, 14:00)

156


Abbildungsverzeichnis: Seite 8:

Sussman, Elisabeth, In: Gordon Matta-Clark: „You Are the Measure“, Whitney Museum of American Art, New York 2007

Seite 12:

Chung, Jack / Evenson, Shelley / Pangaro, Paul: http://www.dubberly.com (20.04.2010, 14:00)

Seite 15:

Markus Jeschaunig, 2009

Seite 16:

http://3.bp.blogspot.com/_8SNGvtBbnUc/Sm2xbbRybJI/AAAAAAAAAZw/QylsclHuIiI/s1600-h/bbb.berg.jpg (23.07.2010, 12:30)

Seite 19:

GIS Steiermark, http://www.gis.steiermark.at/ bzw. http://gis2.stmk.gv.at/atlas/ (12.01.2010, 09:20)

Seite 21:

Bildtitel: „Oops“, AutorIn: C. Loopus, http://bldgblog.blogspot.com/search?q=%22Oops%22+C.+Loopus

Seite 23:

Oben: M. Jeschaunig, 2007

Mitte und Unten: Markus Jeschaunig, 2010

Seite 24:

Oben: M. Jeschaunig, 2010

Unten: VALIE EXPORT, http://www.valieexport.at

Seite 27:

1- de Henning, Anne, AFP, Getty Images,

2- http://amontmartre.over-blog.com/article-32559571.html,

3- Planta, San Jorge, (23.07.2010, 13:40)

http-//4.bp.blogspot.com/_0eC4K-qZ7AM/SWXJu-Ip1aI/AAAAAAAAFos/W8vZLDxbzGE/s1600-h/san+jorge+planta

4- Tschapeller, Wolfgang (1998), In: Prix, Wolf D. / Kramer, Thomas (Hrsg.), Prinz Eisenbeton 6: Rock over Barock, 2006

5- Erni, Peter / Huwiler, Martin / Marchand, Christophe: Transfer: Erkennen und Bewirken, Baden 2007

6- Erni, Peter / Huwiler, Martin / Marchand, Christophe: Transfer: Erkennen und Bewirken, Baden 2007

7- Erni, Peter / Huwiler, Martin / Marchand, Christophe: Transfer: Erkennen und Bewirken, Baden 2007

8- Wolfgang Tschapeller (1998), In: Prix, Wolf D. / Kramer, Thomas (Hrsg.), Prinz Eisenbeton 6: Rock over Barock, 2006

Seite 28:

Rechts: www.derstandard.at (16.05.2010, 20:00)

Links: http://www.marin.edu/art107/EarthworksStudyImages.htm (01.09.2010, 10:15)

Seite 29, 30: M. Jeschaunig, 2010 Seite 34:

Montage: Markus Jeschaunig, Bildmaterial: Google Earth (03.07.2008, 15:25)

Seite 37:

M. Jeschaunig, 2007

Seite 39:

Debord, Guy (1958), In: Sadler, Simon: The Siutaionist City (1998)

Seite 40:

Long, Richard (1967), http://www.richardlong.org/sculptures/1.html (03.07.2008, 15:50)

Seite 41:

FotografIn unbekannt, Metropolitan Museum of Art, NY., (Quelle: Metmuseum.org)

http://dreher.netzliteratur.net/6_LandArt_Smithson2.html (01.07.2008, 19:00)

Seite 42:

Moure, Gloria: Gordon Matta-Clark - Works and Collected Writings, Barcelona 2006

Seite 44:

Spath, Dieter / Vlay, Bernd: City Joker Graz, Architekturdiplomarbeit (TU Graz), Graz 1995

Seite 47:

Richards, Mary: Ed Ruscha, London 2008

Seite 49:

Pichler, Barbara: James Benning, SYNEMA, Wien 2007

Seite 51:

Michalka, Matthias: X-Screen, Filmische Installationen u. Aktionen der Sechziger- u. Siebzigerjahre, Mumok, Wien 2003

Seite 55:

Oben: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/1f/Earthmap720x360_grid.jpg (05.07.2010, 13:10)

Unten: http://www.confluence.org/ (07.07.2010, 18:30)

Seite 57:

Montage: M. Jeschaunig, Originalfoto: Timothy Bradely, Aga Khan Trust for Culture

Seite 58-61: M. Jeschaunig, 2010 Seite 63:

City CT Wien, 19.07.2010

Seite 64-68: M. Jeschaunig, 2009 Seite 70:

Bildmaterial: Stadtvermessungsamt Graz

Seite 74-95: Bildmaterial: Stadtvermessungsamt Graz Seite 100:

Foto: Hoffmann, Sabine, Graz 2010

Seite 102:

M. Jeschaunig 2010

Seite 104: Grafik: Jeschaunig, Anja, Graz Seite 105:

Grafik: M. Jeschaunig und Pucher, Caira

Seite 108: Warhol, Andy, MoMA New York, www.moma.org/collection/browse_results.php?object_id=89507.jpg (11.08.2010, 18:30) Seite 112:

Luksch, Manu, Faceless (2007), www.ambienttv.net (16.04.2010, 14:00)

Seite 114:

Luftbild (Bodendruck), Urban Tomography, Ausstellung Künstlerhaus Graz 2010, Foto: Hoffmann, Sabine, Graz

Seite 116-119: M. Jeschaunig, 2010 Seite 120-123, 126: Hoffmann, Sabine: Urban Tomography, Ausstellung Künstlerhaus Graz 2010 Seite 125, 127, 128, 129: Auer, Marcus: Urban Tomography, Ausstellung Künstlerhaus Graz 2010 Seite 132-135: Hoffmann, Sabine: Urban Tomography, Ausstellung Künstlerhaus Graz 2010 Seite 138-149: Film Stills, Urban Tomography, HDV Video, M. Jeschaunig, Graz 2010 Seite 150-153: Überlagerung Film Stills, Urban Tomography, HDV Video, Montage: M Jeschaunig, Graz 2010

157


Zusammenfassung

Basierend auf einem vorangegangenen Linienprojekt ISTANBUL on LINE (2007), einem linearen

Stadtspaziergang entlang einer 26 km langen Linie quer durch Istanbul – der während einem Auslandaufenthalt in Istanbul (Türkei) zum Zweck der Stadterkundung durchgeführt wurde – und ei-

ner Weiterbearbeitung des Liniekonzeptes (als Werkzeug zur Analyse von Stadträumen) in Form

einer urbanen Videoinstallation für die 5th International Student Triennale 2010 in Istanbul, konnte im August erstmals das Konzept eines simultanen Stadtportraits in Graz in Grossform realisiert werden.

Urban Tomography Graz Das Projekt Urban Tomography zeigt ein digitales Stadtportrait von Graz, das mittels der Metho-

de eines ,Stadtschnittes‘ in einer Videoinstallation im Künstlerhaus Graz erfahrbar gemacht wird.

Das Konzept sieht eine ,raum–zeitliche Verdichtung von Stadt an einem Punkt‘ vor. Entlang einer geraden Linie quer durch Graz werden innerhalb eines Tages pro Kilometer simultan Videos auf-

gezeichnet, die dann am Linienmittelpunkt (Künstlerhaus Graz) gesammelt auf Monitoren gezeigt

werden. Die 10 km lange Linie entspricht der tatsächlichen Ost-West Ausdehnung der Stadt, und

durchläuft genau die Positionen Künstlerhaus und Dommausoleum (,Stadtkrone von Graz‘). Ein Querschnitt des öffentlichen Raums wird durch Ton und Bild in den Ausstellungsraum gebracht.

Durch die Konfrontation von Mikro und Makro bzw. Milieu und Großform entsteht ein audiovisuelles simultanes Stadtportrait ,at the same moment of time‘.

Mit Hilfe von 22 Urbanen TomographInnen (Kameraleute) konnte am 30. Juli 2010 zwischen 16.00

und 17.15 eine sekundengenaue simultane Stadtaufnahme per Videokamera erstellt werden, die im Ausstellungsraum ein reales Abbild der 10 km langen Linie quer durch Graz im selben Zeitmoment wiedergaben. Durch die Installation kann der/die BesucherIn einem elementaren Wesenszug der Stadt nachspüren, die Simultanität im Stadtraum - jene unzählbaren Menge an Ereignissen, die Sekunde für Sekunde parallel im Stadtraum passiert.

158


English Summary

Based on the previous line project ISTNABUL on LINE (2007), a line-walking project along a 26 km long straight line across Istanbul – made as an exchange student in Istanbul (Turkey) for the need of exploring boarders and dimensions of the city – and the further development of the line concept

(as a tool to analyze public spaces) in form of a video-installation project for the 5th International

Student Triennial 2010 in Istanbul, in August 2010 the concept of a simultaneous city portrait could be realized firstly in a bigger scale in Graz. Urban Tomography Graz The project Urban Tomography shows a digital portrait of the city of Graz, recorded through the

method of a cross-section and displayed as a video installation in the Künstlerhaus Graz. The concept intends to create a ,space-time compression of an urban space at one single point‘. Along a straight line across Graz, on every kilometer videos are simultaneously recorded within one day.

This videos will be displayed on a collection of monitors at the central position of the line – the Künstlerhaus Graz. The line of 10 km corresponds to the actually East-West extension of the city.

The axis is north located by the points Künstlerhaus and Dommausoleum (,Stadtkrone (crown) of

Graz‘). A section of the public space is transferred by sound and image into the exhibition space. The confrontation of ‚micro and macro‘ or rather ‚milieu and large scale‘ results in an audiovisual simultaneously city portrait ,at the same moment of time‘.

On the 30th July 2010 from 4.00 – 5.15 p.m. by help of 22 urban tomographers (camera people) and 22 video cameras a precise and simultaneous recording could be realized, which created a a linear representation of the 10 km line across Graz in the exhibition space. For the visitor the installation

make visible a fundamentally element of that what city is, the simultaneity and its numerous parallel activities which are happening in the city every second.

159


Erklärung zur Abgabe einer Diplomarbeit

Name:

Jeschaunig

Matrikelnummer:

0275004

Studienrichtung und Studienkennzahl:

Architektur / W 600

Vorname:

Markus

Titel der Diplomarbeit:

Urban Tomography

BetreuerIn:

Univ. Prof. Dr. Dipl. Ing. Sabine Pollak

1. Ich erkläre hiermit eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

2. Ich bestätige hiermit, dass die Diplom- bzw. Masterarbeit von den Begutachtern und Begutach-

terinnen approbiert ist. Die abgelieferten analogen Exemplare und das digitale Exemplar stimmen in Form und Inhalt vollständig mit der benoteten und approbierten Fassung überein.

3. Ich räume hiermit der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, der Österreichischen Nationalbibliothek und der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH

das zeitlich unbefristete Recht ein, die abgegebene digitale Publikation sowie alle damit verbundenen Begleitmaterialien einem unbestimmten Personenkreis (Zutreffendes bitte ankreuzen) O im weltweiten Internet

O im gesamten Netz der Institution (Mehrfachzugriffe)

O nur an einem Arbeitsplatz der Institution (Einzelzugriff) unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Kunstuniversität Linz, die Österreichische Nationalbibliothek und die Österreichische Bibliothekenverbund und Service GmbH sind weiters berechtigt, aber nicht verpflichtet, die digitalen

Daten der Publikation zum Zweck der dauerhaften Archivierung und Zurverfügungstellung in andere Formate oder auf andere Speichersysteme zu migrieren. Es ist mir bewusst, dass bei einer Da-

tenmigration eine Änderung von Form, Umfang oder Darstellung der Publikation aus technischen Gründen nicht ausgeschlossen werden kann.

160


Ich bin als (Zutreffendes bitte ankreuzen)

O alleinige/r InhaberIn der Nutzungsrechte an der Publikation O Bevollmächtigte/r der InhaberInnen der Nutzungsrechte zur Einräumung dieser Nutzungsbewilligung befugt. Sollte meine Berechtigung zur Einräumung dieser Nutzungsrechte von dritter Seite bestritten werden, hafte ich der Kunstuniversität Linz, der Österreichischen Nationalbibliothek und der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH für alle Schäden, die diesen Einrichtungen daraus entstehen.

4. Ich wurde davon in Kenntnis gesetzt und erkläre mich damit einverstanden, dass die Kunstuniversität Linz, die Österreichische Nationalbibliothek und die Österreichische Bibliothekenverbund

und Service GmbH keine Haftung für aus technischen Gründen auftretende Fehler irgendwelcher

Art übernehmen. Des Weiteren wird von der Kunstuniversität Linz, der Österreichischen Nationalbibliothek und der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH keinerlei Haftung

dafür übernommen, dass die Diplom- bzw. Masterarbeit oder Teile davon von dritter Seite unrechtmäßig heruntergeladen und verbreitet, verändert oder an anderer Stelle ohne Einwilligung aufgelegt werden.

5. Ich habe das Merkblatt zur Abgabe von Diplom- und Masterarbeiten der Universitätsbibliothek gelesen und zur Kenntnis genommen. Linz, Datum, Unterschrift

161


Dank Besonders herzlich bedanken möchte ich mich bei meinen Eltern Franz und Marianne für den

langen Atem und die Unterstützung während des Studiums, bei Sabine Pollak für die Betreuung der Diplomarbeit, bei Elisabeth Fiedler für die ausgezeichnete und spannende kuratorische Betreuung während der Ausstellung und bei Stefan Waidacher für die perfekte technische Unterstützung bei den Filmarbeiten. Weiters Danken möchte ich: Lotte Schreiber, Sabine Hoffmann, Anja Jeschaunig, Simone Barbara Götze, Renate Cvetko,

Paul DeFlorian, Kathi Hadolt, Andreas Goritschnig, Wolfgang Scherz, Günther Lorber, Agnes Schulze, Osaalón (Zeichensaal Operngasse/TU Wien), Lena Mileder, Teresa Losonc, Joost Meuvissen,

Erwin Fiala, Perihan Usta, Cağdaş Çorbacıoğlu, Werner Fenz, Birgit Kulterer und Daniela Herold. Urbanen TomographInnen: Maximilian Belic, Peter Brandstätter, Wilma Calisir, Kathi Hadolt, Christiane Lienhart, Andreas

Leitner, Marleen Leitner, Bernhard Lukas, Clemens Mock, Teresa Morandini, Mira Nograsek, Karin Passarnegg, Michael Prattes, Gernot Rahm, Tanja Schantl, Michael Schitnig, Bernhard Seitinger, Lukas Traber, Samuel Traber, Helene Vidonye und Helene Walland. Kooperationspartner (Ausstellung): Universalmuseum Joanneum und Künstlerhaus Graz Stadtvermessungsamt Graz

HTL Ortwein Graz, Abteilung für Audiovisuelle Medien Klimax Filmverein Graz

Landesjugendreferat Steiermark TU Graz

Bergmann Druck

Mit Loidl oder Co, Graz ZERUM Design

Förderinstitutionen: Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark Kulturamt der Stadt Graz

bm:ukk (Bundesministerium, Medienkunst)

Österreichisches Kulturforum in Istanbul (Istanbul Ausstellung)


Markus Jeschaunig Š 2010


»Sous les pavés, la plage.«

Unter dem Pflaster, der Strand. (SI)



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