NOIR - Ausgabe 6: Nachts wenn alle schlafen

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Ausgabe 3/08 (August) www.noirmag.de

NACHTS wenn alle schlafen. Alle?

Reportage

Sport

Reise

Vom Arbeitsmarathon in die Depression

Das Bügeleisen avanciert zum Trendsportgerät

Peru. Zwischen Meerschwein und Großstadt


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~ Editorial ~

GEDANKEN LESEN Helden der Nächte. Noir nimmt Nachtarbeit unter die Lupe. Mehr dazu ab Seite 004

Inhalt – Noir 6

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anche Menschen sind wie ein offenes Buch: Freude. Angst. Glück. Sorge. Ihre Emotionen stehen ihnen ins Gesicht geschrieben. Wir erleben jede Emotion. Pur, direkt, hautnah. Geht es ihnen einmal schlecht, erkennen das selbst Fremde auf der Straße. Dann gibt es da die Anderen. Die mit den großen Rehaugen. Die sich Stück für Stück zurück ziehen in die eigenen vier Wände, zuletzt in sich selbst. Da wird es ein bisschen schwieriger, die Wahrheit hinter der Maske aus aufgesetzen Gefühlen zu erkennen. Gerade abends fängt das große Grübeln an: „Schaffe ich das alles?“ Je länger man darüber sinniert, desto mehr geht der Sinn verloren. Wofür die Plackerei? Wofür das Schinden in der Schule auf dem Weg in die ersehnte Freiheit, endlich das tun und lernen zu können, was einem Spaß macht. Leben zu können. Um dann zu erkennen, dass es in der Uni, auf dem Ausbildungsmarkt oft genauso weiter geht. Dass man Tag für Tag für morgen und viel zu selten für heute lebt. Diese Noir-Ausgabe spiegelt alle Facetten der Nacht wider: Gedanken derer, die sich wach in ihren Betten wälzen. Sowie jener, die Nacht für Nacht, von uns Tagmenschen wenig bemerkt, ihre Arbeit verrichten: Taxifahrer, Gogos, Polizisten, Krankenhauspersonal. Letztendlich die Geschichte unserer Leser, die vielleicht nachts durch die Noir blättern auf der Suche nach Zerstreuung.

Fotos: photocase.com/User: Antimatsch-Tomate (groß); photocase.com/User: bootsfrau

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Lifestyle. Essen im Dunkeln

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Kultur. Rezension Superhero

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Thema. Nachtjobs

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Experte. Schlafforscher

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Thema. Depression

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Porträt. Mandelas Geburtstag

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Reportage. Freundschaft

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Wissen. Faszination Polarlicht

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Reise. Abenteuer Peru

016

Sport. Extrembügeln

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Intern. Noir-Akteure hautnah

018

Politik. Jugenddelegierte

019

Politik. Frankreich und die EU

020

Querbeet. Lichtwecker

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Editorial Impressum

N o i r – Au s g a b e 3/ 20 08

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Lifesty l e ~ K ult ur ~ Ti te lth e ma ~ Po r tr ät ~ Reportage ~ W i s s en ~ Reise ~ S p o rt ~ N o i r- I n t ern ~ Po l i t i k ~ Querbeet

BLIND DATE U

m mich herum ist es stockdunkel. Mit verbundenen Augen sitze ich in diesem scheinbaren Nichts und umgreife unbeholfen eine kalte Gabel. Mit meiner anderen Hand nehme ich ein Messer, taste vorsichtig einen Teller ab. Warum ich das mache? Ursprünglich wollte ich einen Erfahrungsbericht über das Restaurant „Unsichtbar“ in Hamburg schreiben. Es erhält seinen ganz besonderen Reiz dadurch, dass die Gäste ihr Essen in völliger Dunkelheit verzehren. Den Gästen bietet sich ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis. Falls es Probleme gibt, stehen blinde Kellner zur Verfügung. Wenn auch das gebotene Erlebnis seinen Preis durchaus wert ist, habe ich mich dazu entschlossen, ein Experiment zu wagen und die Situation in den heimischen Wänden nachzustellen. Ich habe mir die

Jeder kennt den Nervenkitzel bei einem Blind Date. Die Noir-Autorin sah wirklich nichts – und traf: ein leckeres Drei-Gänge-Menü

Augen verbunden und einen Laienkoch engagiert. Gespannt sitze ich am Esstisch und versuche den ersten Gang zu erschnuppern. Ohne Augen bleibt für mich die Sache vorerst jedoch ungeklärt. Unklar ist nicht nur, was eigentlich auf meinem Teller liegt, sondern auch, wo es sich befindet. Nachdem ich mehrmals versucht habe, eines der Häppchen durchzuschneiden, spieße ich nun etwas rabiater das nächstbeste Stück auf meine Gabel und balanciere es in den Mund. Ich verzweifle jedoch bald daran, dass ich tatsächlich nicht in der Lage bin, zu schmecken, was ich gerade gegessen habe. Das hätte ich nicht gedacht. Nachdem ich beim nächsten Stück fünfmal daneben gestochen und mir die Hände mit Sauce verschmiert habe, gelingt es mir dann doch, es aufzuspießen. Es ist

Läuft Blinden das Wasser im Mund zusammen? Wie finden sich Blinde in einer von optischen Reizen geprägten Welt zurecht? Wie nehmen sie ihr Essen wahr ohne es vorher betrachtet zu haben? Läuft ihnen überhaupt das Wasser im Mund zusammen? Der gemeinnützige Verein aus:sicht e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen und gleichzeitig die Integration von Blinden in unsere Gesellschaft

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und in die Arbeitswelt zu fördern. Gegründet wurde der Verein von sehenden, blinden und sehbehinderten Menschen, die sowohl im Service als auch im organisatorischen Bereich tätig sind. Ein Abend im Dunkelrestaurant in Stuttgart ist ein ganz besonderes Erlebnis. Jedem Tisch wird ein blinder Kellner zur Seite gestellt, der ein dreigängiges Menü im Dunkeln serviert.

mir jetzt erstmals möglich zu bestimmen, was ich da esse: eine Frühlingsrolle. Mit jedem neuen Bissen wird mir klarer, wie sehr mich meine Augen sonst beim Essen begleiten. Als ich unbedacht nach meinem Glas greife, ernte ich lautes Lachen. Mein Glas landet auf dem Boden, dessen Inhalt auf meinem Koch. Mit der Zeit aber werde ich besser und finde mich zurecht. Ein Kaviarbrötchen befördere ich gekonnt in meinen Mund. Dann erwische ich einen „ganz besonderen Leckerbissen“, so mein Koch. Genüsslich beiße ich zu. Doch plötzlich brennt meine Zunge wie Feuer. „Oh, das war wohl ein Senfbrot“, grinst er. Obwohl ich mit verbundenen Augen hilflos scheine, tauche ich in eine andere Sinneswelt ein. Ohne Augen sieht man nichts, empfindet aber die Welt in einem anderen Licht. Inken Titz

Begleitet wird die Mahlzeit von Live-Musik, Gedichten oder Theater. Wenn sich die Gäste, die sich vorher nicht kannten, näher gekommen sind, können sie ihr Gespräch in der Bar im „Hellen“ weiterführen. Im Hörcafé wird, wie der Name schon sagt, der Hörsinn in den Mittelpunkt gestellt. Im Fühlraum stellen bildende Künstler Skulpturen aus, die ertastet werden. Mehr Informationen und die Möglichkeit, Karten für einen Abend im Dunkeln zu reserakw vieren, gibt es unter www.aus-sicht.de

Fotos: photocase.com/User: sïanaïs


L if es ty le ~ Kult ur ~ Ti te lth e ma ~ Po r tr ät ~ Reportage ~ W i s s en ~ Reise ~ S p o rt ~ N o i r- I n t e rn ~ Po l i t i k ~ Querbeet

ZUM HEULEN SCHÖN Anthony McCarten schreibt in „Superhero“ offen und unbeschönigt über Krebs. Das lässt Tränen fließen und ruft oft ein Schmunzeln hervor

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ls wäre es nicht genug, mitten in der Pubertät zu stecken. Der 14jährige Donald Delpe hat zusätzlich mit Krebs zu kämpfen. Und er weiß nicht, ob er seinen 15. Geburtstag noch erleben wird. Aber er weiß, dass er nicht sterben möchte, ohne Sex gehabt zu haben. Und er hat eine exakte Vorestellung davon, wie die Frau seiner Träume aussehen soll. Wenn Donald seinem Alltag aus Chemotherapie, Sitzungen beim Therapeuten und besorgten Eltern entfliehen will, lässt er auf seinem Zeichenblock den Superhelden MiracleMan zum Leben erwachen und zeichnet seine Abenteuer: MiracleMans Kampf gegen den wahnsinnigen Arzt Gummifinger, und dann gibt es da noch Rachel, eine unglaublich schöne und perfekte Frau. Seit einem Unfall ist MiracleMan unverwundbar und unbesiegbar, nichts kann ihm mehr etwas anhaben. Auch nicht die Liebe? MiracleMan ist anders, als die normalen Superhelden – er

ist menschlich. So hat auch MircaleMan nicht immer Glück bei Frauen. Mit „Superhero“ erzählt der in Neuseeland geborene Autor Anthony McCarten eine Geschichte, die eigentlich tieftraurig ist. Jedoch vermeidet er Kitsch und den Druck auf die Tränendrüse. Stattdessen bedient er sich einer rotzigen, makaberen und oft sarkastischen Sprache, die nichts beschönigt und fast nichts unausgesprochen lässt – seien es Donalds Frauenphantasien oder die Medikamente, die seinen Körper zerfressen. Der Roman liest sich wie ein Drehbuch für einen Film, inzeniert als klassicher Dreiakter, dem Outtakes und gestrichene Szenen angehängt sind. MiracleMans Abenteuer heben sich durch eine andere Typografie vom Rest des Textes ab. Am Ende muss Donald lernen, dass Mädchen keine Teuflinnen sind, sondern Wirklichkeit. Und er begreift, dass Superhelden keine merkwürdigen Kostüme tragen und durch die Luft wirbeln. Sie se-

hen ganz gewöhnlich aus und wollen ihm helfen. Der Roman ist ein solcher Erfolg, dass er nun verfilmt wird. Bereits erhältlich ist ein Hörbuch mit Rufus Beck. (McCarten, Anthony: Superhero. Zürich: Diogenes Verlag 2007) Miriam Kumpf

Dieser Artikel stammt aus thema, dem OnlineMagazin im Jugendnetz Baden-Württemberg

Hö renswert

Shout It from the Rooftops Jamaram ist eine achtköpfige Band aus München, die Musik als internationales Kommunikationsmittel versteht. Wie sie das umsetzt, lässt sich schwer in Worte fassen – aber es gelingt und bringt selbst den langweiligsten Partymuffel zum Mitfeiern. Von Funk, Reggae, Soul und Latin über Swing, Ska Pop und Rock ist alles in ihrer Musik vertreten. Mit dieser dicken Bandbreite an Vibes versprühen sie Lebensfreude, Spaß und „positive vibrations“ über das ganze Land. Gegründet wurde die Band im Jahr 2000 von Sänger Tom Lugo, Gitarrist Samuel Hopf und Drummer Murxen Alberti. Mit der Zeit wurde sie durch Benni Beblo (E-Bass), Lionel Wharton (Keys & Piano), Nik Thäle (Percussion), Matthias Schuppler (Alto Sax) und Hannes Beblo (Tenor/Baritone Sax) ergänzt. Mit diesem Line-up ziehen die Jungs zur Zeit

Fotos: Diogenes Verlag; Jamaram

durch die Lande. Mit im Gepäck: ihre neue Scheibe „Shout It from the Rooftops“, die von Anfang bis Ende überzeugt. Live haben Jamaram einiges zu bieten. Die Art, mit der sie das Publikum zum Feiern anheizen, macht unglaublich viel Spaß. Schnell kann sich zum Beispiel ein Konzertbesucher auf der Bühne zum spontanen Duett, Rap-Battle oder Tanz wieder finden – Jamaram scheut sich nicht vor Fankontakt. Da kommt es schon mal vor, dass die Zugabe unplugged mitten im Publikum gespielt wird. Für Jamaram ist keine Bühne zu groß und kein Wohnzimmer zu klein. „Shout It from the Rooftops“ ist ein absolutes Muss für jeden Freund guter Musik. „Wir klingen wie

ein Fünf-Gänge-Menü auf einer Gabel“, sagt Jamaram-Sänger Tom Lugo. „Alles da, von der Vorspeise bis zum Nachtisch“. Recht hat er. Florian Carl

Mehr Informationen unter www.jamaram.de

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Wenn alles schläft Abends, wenn wir schlafen gehen, ist alles ruhig. Doch die Welt steht nicht still. Wenn die einen das Licht rufsverkehr alle zur Arbeit hetzen, machen sie sie auf den Weg nach Hause. Polizisten, Nachtwächter, hält? Arbeit. Verantwortung. Adrenalin. Koffeintabletten. Noir-Autoren haben Nachtarbeiter begleitet:

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acht. Keine ungewöhnliche Arbeitszeit für Reporter Steffen Schwarzkopf. Schlaf ist bei seiner Arbeit purer Luxus: Die Geschichten schlafen nie. Die Zwillingstürme stürzen gerade in New York ein. Die ganze Welt hält den Atem an, doch die Berichterstatter senden unentwegt. Wenige Meter vom Krisenherd entfernt steht Steffen Schwarzkopf. Die Schalten an diesem Tag sind kaum mehr zählbar, die Stunden ohne Schlaf schon. Direkt vom Flieger geht es voll bepackt zum Schauplatz des Unglücks – Ruhe ist dann auch in der Nacht Mangelware. Vor der Kamera ist jede schlaflose Minute vergessen. Höchstens an den sich mehrenden Falten kann man erkennen, welche Opfer der Dauer-Jetlag fordert. Als Erster vom grausamen Tsunami berichten, den Mittleren Osten besser als die eigene Wohnung kennen, von jubelnden Fans mit Bier überschüttet werden und die Menükarten sämtlicher

Airlines im Kopf haben – viele Facetten begleiten Steffen Schwarzkopf Tag für Tag. Fast immer spielt das Leid eine entscheidende Rolle. „Ich bin immer dort, wo es für die Zuschauer spannende Themen gibt. Falls nicht gerade das Fußballfieber ausgebrochen ist, sind meine Berichte eben über Krieg oder Terrorismus“, mustert Schwarzkopf die Zuschauergunst nüchtern.

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Doch nicht immer geht alles so gut, wie es vor der Fernsehkamera scheint. Hinter Objektiv und Satellitenverbindung gerät Schwarzkopf immer wieder zwischen bewaffnete Banden und ist Spielball lokaler Machthaber. Trotz aller Widrigkeiten liebt er seinen Beruf und fiebert immer wieder dem Satz entgegen: „Nun ist Steffen Schwarzkopf live vor Ort“. Adrian Bechtold

rrrrrrrrrr”. Wieder verlangt ein Patient nach Nachtschwester Nicole. Bei meinem Besuch auf Station Drei wird unser Gespräch alle paar Minuten unterbrochen. „Das legt sich aber meist gegen elf Uhr, wenn die meisten Patienten eingeschlafen sind.” Dann ist Schwester Nicole schon mehr als zwei Stunden im Dienst. Von 20:50 Uhr bis morgens um 6:15 Uhr dauert ihre Nachtschicht.

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„Dass man sich an Nachtarbeit gewöhnen kann, halte ich für falsch. Tagsüber schlafen und nachts arbeiten, das ist einfach nicht der natürliche Rhythmus”, meint Schwester Nicole. Wach hält sie sich mit Cola und mindestens drei Tassen Schwarztee. Als Entschädigung für die nächtliche Arbeit bekommen Nachtschwestern im Schnitt nur 1,28 € mehr auf ihren normalen Stundenlohn. Trotzdem ist diese Aufwandsentschädigung

Foto: N24 (oben); © User: Jenzig71 / PIXELIO (unten)


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und einer wacht ihrer Nachttischlampe ausknipsen, beginnt für die anderen die Nachtschicht. Wenn im morgendlichen BeBäcker und Piloten machen die Nacht zum Tag. Kämpfen gegen ihren Biorthythmus. Was sie wachGeschichten von Nachtschwestern, Barkeeperinnen, GoGo-Girls, Taxifahrern, Polizisten und Journalisten

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achts können wir die buntesten Dinge sehen“, beschreibt Rainer Köller seine Tätigkeit. Der Polizeihauptkommissar arbeitet seit 1981 bei der Polizeidienststelle in Heilbronn. Dass der heute 48-jährige zur Polizei kam, war mehr Zufall als Wunsch. „Nach dem Abschluss meiner Realschulzeit wurde ich zum Bund einberufen. Leider waren damals schon die Ausbildungsplätze begrenzt, und ich verpflichtete mich für vier Jahre. Später zog es mich zur Polizei.“ In seiner sieben Jahre langen Tätigkeit im Streifendienst hat Köller viel erlebt, doch ein Erlebnis blieb im bis heute im Gedächtnis: Wie jeder seiner Kollegen verbrachte er jede fünfte Nacht mit seinem Kollegen auf Streife. Pünktlich um 20 Uhr war er in der Dienststelle eingetroffen um die Kollegen abzulösen. „Es versprach ein ruhiger Abend zu werden. Die Straßen waren frei und das Wetter verhielt sich auch ruhig.“ Gegen 23 Uhr erreichte Köller der Funkspruch: Schwerverletzter nach Messerstecherei. Ohne zu

viel geringer als zum Beispiel in der Industrie, wo oft der doppelte Stundensatz an Nachtarbeiter gezahlt wird. Feiertage sind allerdings besser bezahlt. Doch manchen fällt es schwer, tagsüber erholsamen Schlaf zu finden. Sie stellen sich zur Sicherheit lieber einen Wecker – auf sieben Uhr abends. Obwohl Krankenschwestern über die Nacht Pausen von 30 Minuten zustehen, dürfen sie ihren Posten nicht verlassen.

Foto: photocase.com/User: schitti

zögern und mit einer gewissen Routine schaltete Köller Blaulicht und Martinshorn ein. „Ich hatte bei den Einsätzen zuvor schon viel Blut gesehen, das gehört einfach dazu. Was ich hier aber sah, war mit nichts vorher zu vergleichen“, erzählt Köller fast schon ängstlich. „Als wir eintrafen, waren bereits einige Kollegen vor Ort. Unsere Aufgabe bestand darin, den Tatort zu sichern. Der gesamte Gehweg vor dem Eingang einer Kneipe war mit Blut übergossen. Das Blut war nicht wie üblich, nämlich etwas dickflüssig und dunkel – es war extrem hell und fast so flüssig wie Wasser.“ Später erfahren Köller und sein Kollegen, dass einem jungen Mann ein Messer in die Brust gestochen wurde. Dieses traf genau die Lunge. „Ein Rettungssanitäter erklärte uns, dass das Blut aus der Lunge extrem sauerstoffreich sei – daher der helle Farbton.“ Auch wenn solche Einsätze immer wieder vorkommen, gehören sie nicht zur alltäglichen Arbeit der Polizisten. Laut Köller sind es meist kleine Delikte unter

Die Station muss immer besetzt sein. Die Kosten für eine zweite Schwester, die in der Pause auf die Patienten aufpassen würde, sind zu hoch. Deswegen muss Schwester Nicole ihre freien Minuten an ihrem Arbeitsplatz verbringen und bei einem Patientenruf ihre Pause unterbrechen. Im Schnitt befinden sich pro Station 33 Patienten in ihren Betten – wenn nicht gerade ein Neuzugang kommt:

Alkoholeinfluss: Schlägereien, Beleidigungen und Sachbeschädigungen sind nächtlicher Standart. Auch Diebstähle werden meist im Schutz der Dunkelheit begangen. Sebastian Czub

„Dann ist das ganz normale AnnahmeProcedere nötig, auch wenn es schon weit nach Mitternacht ist”, so Schwester Nicole. „Ich werde nie die Jahrtausendwende vergessen, als wir einen betrunkenen Obdachlosen aufnahmen, der sich beschwerte, dass er das Feuerwerk jetzt gar nicht mehr anschauen könnte. Dass wir als Pflegepersonal genauso wenig davon mitbekamen, hat er gar nicht bemerkt.“ Simon Staib

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ittwoch Abend, 23 Uhr in Ludwigsburg. Morgen ist Feiertag. Beim Mietwagen-Unternehmen Minicar ist Hochbetrieb. Dass man als Minicar-Fahrer schnell Teil einer Kriminaluntersuchung werden kann, durfte Ulrich Sauerzapf bereits erleben. Er nutzt die Wartezeit vor der Pädagogischen Hochschule in Ludwigburg, um von seiner Heldentat zu erzählen. „Es war Samstagnacht. In Ossweil stiegen drei betrunkene Männer zu. Während der Fahrt packte der Beifahrer einen 50-Euro-Schein heraus und knallte ihn mir auf das Armaturenbrett. In der Nacht waren noch drei weitere gefälschte 50-Euro-Scheine im Umlauf.“ Dank seiner Aufzeichnungen über seine Fahrten konnte die Polizei bereits am nächsten Tag die Täter fassen, die bereits längere Zeit Falschgeld in den Einzelhandel geschleust hatten. Aufregende Geschichten hat auch Andreas Dicks auf Lager. „Da wäre die 45-jährige Mutter mit Seehundhausschuhen, die ihre Tochter in der Disco besuchen wollte und sich am Ende Geld von mir leihen musste.“

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ie 23-jährige Jacqueline sitzt in einem kleinen Café in Osnabrück. Jacqueline arbeitet als GoGo-Girl in einem Nachtclub. Wie kam es dazu, dass sie anfing als Tänzerin zu arbeiten? Jacqueline lächelt schüchtern und antwortet: „Kurz nachdem ich mit meinem Jurastudium begonnen hatte, merkte ich sehr schnell, dass mein BaföG nicht ausreichte, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Da suchte ich nach Alternativen, und das Tanzen war für mich am lukrativsten.“ Sie lächelt und nippt verhalten an ihrem Cappuccino. War es am Anfang schwierig, leicht bekleidet vor fremden Menschen zu tanzen? Wie fühlt man sich dabei? Jacqueline zupft ihr hautenges Top zurecht und beugt sich langsam nach vorne. „Eigentlich hat es keine große Überwindung gekostet. Ich war schon vor meiner Anstellung oft tanzen, und die Blicke der Männer waren meistens auf mich gerichtet.“ Sie streicht sich langsam durch ihr blondes Haar. „Ich musste

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Weder Herr Sauerzapf noch Frau Nikolopoulou – doch auch dieser Taxifahrer ist Nacht für Nacht für dich unterwegs

Fahrerin Stella Nikolopoulou ist Hausfrau und Mutter. Hat sie Probleme wegen des Schlafmangels? „Nein“, sagt sie. „Am Wochenende kann ich nach der Nachtschicht schlafen, während sich mein Mann oder die Großeltern um

mich zum Arbeiten noch nicht einmal anders anziehen.“ Was halten Freunde und Familie von Jacquelines Nebenjob? „Meine Freunde stehen voll und ganz hinter mir und zeigen großes Verständnis“, sagt Jacqueline. „Einige meiner Freundinnen haben mittlerweile auch mit dem GoGo-Tanzen angefangen.“ Die Familie sei erst skeptisch gewesen, aber seit sie gemerkt haben, dass nichts Anstößiges dabei ist, habe sie nichts gegen Jacquelines Nebenjob. Was passiert, wenn aufdringliche Gäste mehr von von Jacqueline wollen als sie nur tanzen zu sehen? Wird sie manchmal belästigt? „Das kann schon vorkommen, gerade wenn die Gäste sehr viel getrunken haben. Dann sind aber die Türsteher sofort zur Stelle. Sie haben immer ein Auge auf uns Tänzer“, beruhigt Jacqueline. Vor allem bei Schaumparties komme es häufiger vor, dass Leute grabschen. Jacqueline ist es aber wichtig klarstellen, dass GoGoTänzerinnen keine Prostituierten oder Stripperinnen sind. „Wir versuchen nur,

die Kinder kümmern.“ Unter der Woche hört sie meist gegen 5 Uhr auf, steht gegen 7 Uhr kurz auf um ihre Kinder für den Kindergarten und die Schule zu richten und schläft weiter. Viele Male an diesem Abend werden Wagen zur Pädagogischen Hochschule gerufen. Jedoch bin ich etwas enttäuscht von den jungen Fahrgästen. Je mehr die Gäste getrunken haben, desto ruhiger sind sie. Der Rest führt seichten Smalltalk. Kurz vor Schluss die gewünschte Action: Jura-Student Matthias steigt gemeinsam mit Kumpels an der Hochschule zu. Dieter Bohlen wird imitiert, und ein Freund bekommt sein Fett weg: „Der nagelt so viel, der könnte Schreiner sein“, posaunt Matthias lautstark heraus. Allgemeines Gelächter. Außerdem demonstriert er uns sein musikalisches Können. „Wo bist du, mein Sonnenlicht? Ich suche dich und vermisse dich …“, trällert er fröhlich. Wir applaudieren Deutschlands nächstem Superstar. Die Fahrt neigt sich dem Ende zu. 04:15 Uhr. Ulrich wird noch bis 6 Uhr unterwegs sein. Ann-Katrin Wieland

die Stimmung im Club auf eine ästhetische und leicht erotische Art anzuheizen. Wer mehr möchte, muss andere Etablissements aufsuchen. Bei uns hat er keine Chance.“ Malte Kampmeyer

Fotos: Fabian Sommer (oben); photocase.com/User: Andreas Gräber (unten)


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Keine Klausuren in der Tiefschlafphase! Ann-Kathrin Freude fordert mehr Gerechtigkeit für Langschläfer

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chwungvoll wirbelt der Shaker durch die Luft – ein sicherer Griff und eine kirschrote, fruchtig-schäumende Flüssigkeit füllt das erste Cocktailglas. „Arbeit? Das ist keine Arbeit, das ist Spaß!“ strahlt die Künstlerin und wischt sich mit dem Handrücken eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Es ist zwei Uhr nachts. Der Club tobt. Zwischen dem bebenden Beat der HouseMusik und der feuchtschweren Luft der rappelvollen Dancefloors füttert Patricia die hungrige Partymeute. Jede Donnerstag- und Samstagnacht schwingt sich die 20-jährige Studentin in ihre heißesten Outfits und bringt hinter der Bar die Party zum Kochen. „Barkeeperin zu sein ist nicht nur ein Job. Es ist Entertainment. Du musst die Leute mitreißen“, grinst sie. Während sie lässig die Hüften schwingt, kokettiert sie, flirtet und albert mit den Gästen herum. Strike, schon wieder eine große Flasche Champagner für 87 Euro an den Mann gebracht! Das steigert den Umsatz und ihr Ansehen beim Chef. „Das Nachtleben ist ein hartes Geschäft. Du musst alle persönlichen Probleme zu Hause lassen und funktionieren.“ Doch das hat auch Grenzen. Wird ein Betrunkener zu aufdringlich, ruft der Security-Knopf unter der Bar sofort den Türsteher, der dem Betroffenen postwendend und nachhaltig beim Verlassen den Clubs behilflich ist. Patricia arbeitet von 20:30 Uhr bis 6:30 Uhr. Wie sie das durchhält? Mit Motivation, guter Laune, Koffeintabletten und dem ein oder anderen Schnäpschen. Die Nacht ist lang … Es ist sieben Uhr morgens. Die ersten Sonnenstrahlen blitzen über die Hausdächer Ulms. Die Riemchen-Stilettos baumeln vom kleinen Finger ihrer rechten Hand. Mit den letzten Schatten der Nacht balanciert Patricia barfuss über das Kopfsteinpflaster zu ihrem silbernen Flitzer. Sie ist erschöpft, aber zufrieden. Im Kühlschrank zu Hause wartet ein leckeres Frühstückscroissant.

orgens in der Schule, der Uni oder im Büro: verschlafene Gesichter, wo man hinsieht. Menschen, die noch den Abdruck der Kissenfalte auf der Wange haben, treffen auf diejenigen, die schon früh morgens vor Energie nur so sprudeln. Es gibt verschiedene Menschentypen, was das Schlaf- und Wachverhalten angeht. Nachteulen werden abends richtig aktiv. Dafür kommen sie morgens nur unter Qualen aus dem Bett. Jeden Morgen werden sie durch ihre gesellschaftlichen Pflichten gezwungen, sich ihrer inneren Uhr, die deutlich „Schlafenszeit“ anzeigt, zu widersetzen. Frühaufsteher hingegen springen dynamisch und voller Tatendrang aus den Federn. Während die Morgenmuffel noch tief in ihren Träumen schlummern, sind Frühaufsteher bereits beim Arbeiten, Sport machen oder Zeitung lesen. Dafür werden sie abends bedeutend früher müde. Laut einer Studie der Universität München sind etwa ein Viertel aller Deutschen entweder extreme Früh- oder Spätaufsteher. Die Auswirkungen ziehen sich durch alle Lebensbereiche. Morgenmuffel gelten als faul, weil sie morgens später aufwachen und oft zu spät kommen. Ist es möglich, sich umzupolen und den Tagesablauf nach den eigenen Wünschen oder denen der Gesellschaft umzustellen? Der Chronobiologe Achim Kramer von der Berliner Charité sagt: „Nein. Der Unterschied des natürlichen Schlaf-WachRhythmus liegt in den Genen“. Versuchspersonen lebten 1968 mehrere Wochen ohne Tageslicht und Uhren. Durch diese „Bunkerexperimente“ wurde klar, dass die inneren Uhren von Menschen verschieden funktionieren. Das Ergebnis: Morgenmuffel wachen einige Stunden später auf als Frühaufsteher. Ich fordere, dass jeder seinen angeborenen Rhythmus leben darf ohne dafür verurteilt zu werden! Ich möchte das Recht haben wach im Unterricht zu sitzen! Und ich will nicht weiterhin in meiner Tiefschlafphase Klausuren schreiben müssen.

Fe l i c i a S c h n e i d e r h a n

Fotos: Fabian Sommer (links); Tobias Fischer (rechts)

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NÄCHTE SIND ZUM SCHLAFEN DA! Noir-Redakteur Matthias Etzold sprach mit Dr. Hans-Günter Weeß, Diplom-Psychologe und Leiter des Schlafzentrums im Pfalzklinikum Klingenmünster

führen. Negativ wirken sich zudem Alkoholkonsum und späte Mahlzeiten auf den Schlaf aus. Sehr wichtig ist es, dass man im Bett abschalten kann und nicht mehr über Probleme des Alltags nachgrübelt. Das Bett und möglichst auch das Schlafzimmer sollte deshalb auch nur zum Schlafen genutzt werden. Ansonsten wird dieser Platz der Entspannung unterbewusst mit anderen Aktivitäten in Verbindung gebracht.

Herr Dr. Weeß, wieso sind wir Menschen so sehr auf Schlaf angewiesen, und welche Funktion hat der Schlaf für unseren Alltag? Die Bedeutung des Schlafs für den menschlichen Organismus ist sehr groß, aber im wissenschaftlichen Sinne im Detail schwer zu definieren. Der Traumschlaf steht beispielsweise in enger Verbindung zu Lern- und Gedächtnisprozessen und dem emotionalen Empfinden. Zu viel von diesem auch als REMSchlaf bezeichneten Traumschlaf kann vorübergehend für Schwermut, zu wenig für euphorische Zustände sorgen. Der Tiefschlaf hingegen ist von großer Bedeutung für die körperliche Erholung, die Zellregeneration und das hormonelle und energetische Gleichgewicht. Traumschlaf und Tiefschlaf sind die beiden wichtigsten bisher erforschten Schlafstadien. Wann ist Schlaf erholsam? Ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass enorm viele Prozesse im menschlichen Körper an den Hell-Dunkel-Rhythmus angepasst sind. Schlaf sollte daher grundsätzlich nachts stattfinden. Wird die Nacht dennoch zum Tag gemacht, kann das zu psychischen und körperlichen Erkrankungen

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Welche Symptome sprechen für eine Schlafstörung, und wann sollten diese behandelt werden? Wir unterscheiden grob zwei Gruppen von Schlafstörungen: Hypersomnien und Insomnien. Letztere sind gekennzeichnet durch Schlafmangel. Auf Grund von Einoder Durchschlafstörungen ist es den Betroffenen nicht möglich so lange zu schlafen, wie es für sie notwendig wäre. Auf der anderen Seite stehen die Hypersomnien, bei der die Betroffenen eigentlich ausreichend lange schlafen, aber dennoch müde sind. Ursache kann hierfür das Schlaf-Apnoe-Syndrom sein, das mit

Über 80 Formen von Schlafstörungen Schnarchen und kurzen Atemstillständen einhergeht, aber auch Eisenmangel oder andere organische Erkrankungen. Der Sekundenschlaf ist gekennzeichnet von plötzlichen unkontrollierbaren Schlafattacken, bei der die Betroffenen unwillkürlich einschlafen – sogar im Stehen und durch Emotionen ausgelöst eine kurzzeitige Lähmung der Skelettmuskulatur erleiden. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass ein Behandlungsbedarf dann entstehen kann, wenn bei dem Patient in einem Zeitraum von über vier Wochen mindestens drei Mal pro Woche Schlafstörungen auftreten.

Wie viele Formen von Schlafstörungen sind momentan bekannt? Derzeit sind über 80 verschiedene Formen von Schlafstörungen bekannt. Ursächlich sind viele verschiedene Faktoren. Der Haupteil mit sechs bis zehn Prozent der Störungen ist verbunden mit nächtlichem Grübeln und der Schwierigkeit, vom Alltag abzuschalten. Schlafbezogene Atemstörungen wie die bereits genannte Schlaf-Apnoe betragen im Durchschnitt zwei Prozent. In der Häufigkeit folgt dann das Restless-Legs-Syndrom, das sich in einem unwillkürlichen Bewegungsdrang äußert. Seltener sind Schlafwandeln oder Albträume Grund für eine Schlafstörung. Wie gehen Sie im Schlaflabor des Pfalzklinikums den Ursachen der Erkrankung auf den Grund? Unsere Diagnose basiert auf einem DreiSäulen-Programm. Es ist unterteilt in Patientengespräche, eine körperliche Untersuchung und eine Analyse des Schlafs. Über Nacht wird der Schlaf des Patienten dazu mittels Elektroden und Kameras verfolgt und ausgewertet. Gemessen werden dabei unter anderem die Muskelspannung, die elektrische Hirn- und die Augenaktivität sowie viele weitere Biosignale. Welche stationären und ambulanten Behandlungsmöglichkeiten finden derzeit Anwendung? Es gibt ein mannigfaltiges Therapie-Angebot, das sich an der Art der Schlafstörung orientiert. Häufig kommen verhaltenstherapeutische oder medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten zur Anwendung. Stationär bieten wir unter anderem die nächtliche Beatmungstherapie für Patienten mit Schlaf-Apnoe an. Mittels der so genannten Lichttherapie helfen wir unter anderem chronobiologisch gestörten Patienten, ihren Körper wieder an den natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus anzupassen.

Foto: Matthias Etzold


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„ICH WOLLTE NICHT MEHR AUFWACHEN“ Burn-Out-Syndrom und Depression sind längst keine reinen Managerkrankheiten mehr. Heute leiden vor allem Junge. Die Geschichte zweier Studentinnen – eine änderte ihr Leben, die andere gab es auf

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nne stirbt, Marina lebt. „Doch ihr Schicksal hätte genauso gut meins sein können“, erklärt die 23-jährige Marina mit in Furchen gelegter Stirn. Die Anspannung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Das, was sie berichtet, ist sehr persönlich, hat sie bisher nur wenigen Vertrauten offenbart. Dass beide namentlich nicht genannt werden wollen, ist verständlich. Wer will schon als nicht ganz normal im Kopf gelten? „Wer durchhängt, verliert schnell den Anschluss an Freunde oder an die Uni. In einer Leistungsgesellschaft, wie sie heute vorliegt, stellt das Eingeständis, nicht mehr weiter zu können, nicht mehr weiter zu wissen, schlicht eine Totsünde dar. Einfach nicht mehr zu funktionieren ist für viele unvorstellbar.“ Marina, die das Gymnasium mit der Eins vorm Komma verließ, dann Jura in Freiburg studierte, trifft den Nagel auf den Kopf. Schon lange ist die frühere Managerkrankheit, das Burn-Out-Syndrom, Studien- und Schulalltag. Depressionen nehmen sprunghaft zu. Verkommt die heutige Jugend also zu einem Haufen Waschlappen? Oder steckt eine andere Entwicklung dahinter? Anne war ein hochintelligentes, musikalisches Kind. Bereits im Kindergarten zeichnete sich ab, dass das Mädchen etwas ganz besonders war.

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Es spielte zwar nicht mit anderen, dafür aber mit Hingabe Klarinette und Klavier. Räumte Preise ab, war gut in der Schule. Auf eine leise, unauffällige, schüchterne Art. „Ich wünsche mir, dass meine Geschichte veröffentlicht wird. Dass ich nicht umsonst gestorben bin,“ notiert Anne auf der letzten Seite ihres Tagebuchs in einem Brief an ihre imaginäre Freundin Clara. Die 18-Jährige schreibt fleißig, wie ihr Vorbild Anne Frank, in ein Notizheft. Wie konnte es zu ihrem Tod kommen? »

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Als Anne ins Gymnasium in die nächst größere Stadt auf der schwäbischen Alb wechselte, musste sie alles hinter sich lassen: ihre Freunde, das vertraute Umfeld. Aufgrund ihrer Schüchternheit avancierte sie erst zur Einzelgängerin, dann zum absoluten Außenseiter. Schließlich mobbten die Klassenkameraden das Mädchen bis es aufhörte zu essen, gute Noten zu schreiben. „Ich bin fett. Fette Menschen mag niemand. Ich habe ständig Angst, nicht zu gefallen, wegen irgend etwas wieder aus der Reihe zu tanzen. Ich möchte perfekt sein, keinen Anstoß mehr erregen. Aber ich weiß auch, wie sehr Perfektion unglücklich machen kann.“ Von da an begann Anne eine Maske zu tragen. Zu lächeln und zu scherzen, auch wenn ihr nicht danach Marathon bis in zumute war. Traurige Menschen seien eben unbeliebt. Marina ging es ähnlich. Sie zog sich bei Ärger mit der Familie, dem Freund, der Schule in ihre heile Fantasiewelt, in ihre Bücher zurück: „Mein Zuhause ist meine Höhle, aber gleichzeitig mein Grab. Ich will ausbrechen und mich im selben Moment verkriechen. Ich bin ein Vogel in einem von mir selbst gebauten goldenen Käfig. Und ich habe den Schlüssel freiwillig weg geworfen.“ Aus Angst vor Zurückweisung, Misserfolgen. Vielen Jugendlichen ergeht es im Laufe ihrer Schulzeit ähnlich. Das Wissen, den Lauf der Dinge bis zum Abitur kaum merklich ändern zu können, tötet allmählich die Motivation. Bis selbst der letzte Funke erlischt. Die einzige Hoffnung: Nach dem Abi kann man endlich das Leben selbst in die Hand nehmen, es leben. Doch der Wunsch, seinen eigenen Weg zu gehen, platzt bereits im ersten Semster wie eine

überdimensionale Seifenblase. „Nichts hat sich verbessert. Seit der Einführung neuer Studienmodelle hecheln deutsche Studenten sogar noch mehr als je zuvor durch Theorie und viel zu wenig Praxis“, beklagt sich die Jurastudentin. Da bleibt in der Klausurphase nicht einmal mehr Zeit, um zu schlafen, zu essen. Geschweige denn für die Seelenpflege, einen Moment der Ruhe oder Entspannung. Ein Bummelstudium ist in der heutigen Zeit undenkbarer Luxus; für die, die sich bereits die Studiengebühren vom Essen abknapsen geradezu utopisch. „Stellen Sie sich frühzeitig darauf ein, dass sie neben dem Intensivpraktikum für sonstige Aktivitäten keine Zeit mehr finden werden“, warnen Uni-Skripte vor. Dass unter sonstige Aktivitäten auch Essen und Schlafen die Depression fallen, ist vielen nicht bewusst. Studenten wappnen sich vor manchem Blockpraktikum wie vor einer Belagerung: Noch mal putzen, abwaschen und Tiefkühlpizzavorräte auffüllen. Dafür bleibt später keine Zeit mehr. Andere können vor lauter Stress sowieso keinen Bissen mehr herunterwürgen. Studieren ist die Diätform der Zukunft und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für ansässiges Psychologen in einem. Bei Marina beginnt die Depression schleppend. Erst ist sie nur mal schlecht drauf – Alltag bei dem Studienpensum, wenig Freizeit und Praktika statt Urlaub in den Semesterferien. Momente des Glücks werden immer spärlicher. Zudem wohnt ihr Freund seit dessen Studienbeginn rund 300 Kilometer entfernt. Jedes zweite Wochenende verbringt Marina Stunden in der Bummelbahn. Wertvolle Zeit geht verloren. Sie leidet unter den ständigen, selbst verschuldeten Abschieden.

Wir sind wie Rennmäuse in einem Laufrad

„Abends, allein konnte ich plötzlich nicht mehr schlafen, begann zu grübeln. Warum lebe ich seit über 20 Jahren für morgen und nicht für heute? Warum zerreiße ich mich zwischen Studium, Familie und Freund? Warum ändere ich nichts?“, sinniert die junge Frau. Da alles keinen Sinn mehr zu haben scheint, resigniert die anfangs so ehrgeizige Studentin. Erst verliert sie den Bezug zu ihrem Umfeld, dann zu sich selbst. Weint viel, schreit innerlich um ihr Leben. „Eines Tages stehe ich im Supermarkt. Sehe eine Dose Mais an und mir laufen dicke Krokodilstränen die Wangen herab. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Wie eine Woge, die über mir zusammen bricht“, berichtet sie. Als das Gefühl des Gewürgtwerdens in ihrer Brust und Kehle zunimmt, realisiert die junge Frau mit letzter Kraft: Ich brauche Hilfe. Einfach war dieser Schritt nicht, kostete sie viel. Über zwei weitere Tage braucht sie, um tatsächlich zu der Beratungsstelle der nächsten Klinik zu gehen: „Andere Leute haben Probleme, wollen sich umbringen und so oder sind verrückt. Ich hingegen hätte ja nur nichts dagegen gehabt, einfach nicht mehr aufzuwachen.“ Anne schafft diesen Schritt nicht mehr. Äußerlich wird das ehemals pummlige Mädchen zur schlanken Frau, aktiv, immer gut aufgelegt. Doch innerlich geht sie zu Boden. Fühlt sich klein wie ein Mäuschen und ihren Körper wie eine viel zu große Hülle. „Die Leere fraß nach und nach jedes Gefühl in mir auf, bis mein Körper sich fremd und taub anfühlte.“ Als Anne nicht mehr nur schlank, sondern dürr wird, warnen die Eltern: „Du solltest das nicht übertreiben mit der Diät.“ Doch es ist bereits zu spät. Anne kann nicht mehr essen, weigert sich, ernährt zu werden, gibt sich vollends auf. „Langsam schäle ich mich. Irgendwo in mir drin bin ich doch noch.“ Sie stirbt mit nur 37,5 Kilogramm kurz vor ihrem 19. Geburtstag an Herzversagen. Marina hingegen gibt ihr Jura-Studium auf und beginnt wenig später ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Kindergarten. „Die Zeit mit den Kindern hat mir bewusst gemacht, worauf es wirklich ankommt. Ich bin endlich im Heute angekommen.“ Katrin Ehmke

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K ÄMPFER FÜR GERECHTIGKEIT Ein Drittel seines Lebens verbringt Nelson Mandela in Haft. Trotzdem gibt der afrikanische Freiheitsrechtler und Friedensnobelpreisträger seinen Traum von Demokratie und Freiheit nicht auf. Dieses Jahr wird er 90

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elson Rolihlahla Mandela wurde am 18. Juli 1918 in Qunu in der südafrikanischen Region Transkei geboren. Nachdem seinem Schulabschluss an einem methodistischen Internat in Heraldstown studierte er Jura an der Fort-Hare-Universität. Dort wurde er nach kurzer Zeit zum Mitglied des Studentenrats gewählt. 1940 endete seine universitäre Laufbahn, nachdem er half, einen Protestmarsch zu organisieren. Die Folge: Mandela flog von der Uni, wurde für immer verbannt. Seine politischen Ambitionen bremste das jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: Nach dem Studium gründete Mandela die erste schwarze Anwaltskanzlei Südafrikas. Aufgrund seiner Arbeit als Anwalt wuchs sein Unmut über die südafrikanische Regierungspolitik, die er in Kundgebungen anprangerte. Das ging soweit, dass Mandela Ende der fünfziger Jahre wegen Verrats an der südafrikanischen Regierung angeklagt wurde. 1960 nahm die Regierung das SharpvilleMassaker zum Anlass, den Afrikanischen Nationalkongress ANC zu verbieten. Mandela wurde bis 1961 inhaftiert. Nach seiner Freilassung gründet er „Umkonto we Sizwe“ – frei übersetzt: Speerspitze der Nation. Diese paramilitärische Organisation übte unter Mandelas Führung Anschläge auf Wirtschafts- und Regierungsziele aus. Der Druck auf Mandela nahm zu, sodass er 1962 nach Angola fliehen musste, wo er militärisch ausgebildet wurde und den Widerstand in Südafrika organisierte.

Mandela wurde wegen Unruhestiftung an der Grenze zu Südafrika zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Während seiner Haft wurde die Strafe in lebenslänglich umgewandelt. Die Haftbedingungen waren grausam. Für Gefängniswärter waren schwarze Gefangene keine Menschen, sondern Tiere. Mandela konnte die Haftbedingungen durch Verhandlungen mit der Gefängnisverwaltung verbessern. Inhaftierte ANCMitglieder entwickelten ein ausgeklügeltes Bildungssystem für ihre Mitgefangenen, das die Grundsätze und Geschichte der ANC weitergab. Diese Entwicklung missfiel der damaligen Regierung, weshalb sie die gesamte Führungsriege in das Hochsicherheit sgefängnis von Pollsmor verlegte. Mandelas Willen ließ sich jedoch nicht brechen. Mandela beschrieb den Aufenthalt in Pollsmor als Fünf-Sterne-Hotel im Vergleich zu Robben Island. Später wurden Mandela diverse Freilassungsangebote gemacht, die er ablehnte, da die Regierung sie an eine Erklärung zum Gewaltverzciht knüpfte.

Verhandlungen, kein Krieg

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Mandela begründete seine Ablehnung damit, dass man nur mit Gewalt aufhöre könne, wenn auch die Regierung mit der Gewalt aufhöre. Mandela wollte Verhandlungen, keinen Krieg. Seine Freiheit erlangte Mandela 1990 nach 27 Jahren in Haft. 1993 erhielt er für den Kampf gegen die Apartheid den Nobelpreis. Als im April 1994 die ersten demokratischen Wahlen unter internationaler Aufsicht geführt wurden, wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. Die Lebensbedingungen der schwarzen Bevölkerung haben sich aber nicht deutlich verbessert. Ein Großteil lebt bis heute in Townships, ohne Zugang zu Infrastruktur und Bildung. Zwar gibt es offiziell keine Diskriminierung mehr – doch inoffiziell sind Farbige weiter Bürger zweiter Klasse. Malte Kampmeyer

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FÜREINANDER ENGEL SEIN Freunde fürs Leben? Angela und Hilary kennen sich seit über 40 Jahren. Was sie verbindet, sind nicht nur Momentaufnahmen, sondern eine gemeinsame Geschichte

„Wir erlebten unsere ganze Kindheit miteinander, obwohl wir fast Kilometer voneinander entfernt wohnten.“ Die Geschichte von Angela und Hilary ist die Geschichte einer Freundschaft zweier Frauen, deren Leben manchmal unterschiedlicher nicht sein könnte. Und die trotzdem bis heute alles teilen

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ls Angela nach einem Jahr in England mit ihren Eltern in die USA zog, pflanzte Hilarys Vater zwei Silberpappeln. „Zehn Jahre später sind wir noch einmal zu dem Haus gefahren, obwohl sie gar nicht mehr dort wohnten. Wir haben unsere Bäume gesucht. Als wir sie nicht fanden, befürchteten wir, jemand hätte sie gefällt. Dann schauten wir in den Himmel: Es waren Riesen geworden.“ Heute, dreißig Jahre später, huscht ein Lächeln über Angelas Gesicht, wenn sie in Erinnerungen schwelgt. Erinnerungen, die die Freundschaft zweier Frauen bezeugen, deren Leben manchmal unterschiedlicher nicht sein konnte. Die trotzdem alles teilten, und das über Ländergrenzen, sogar Kontinente hinweg. Auch heute noch. Im Grundschuldalter zog Angela mit ihrer Familie von Deutschland nach England. Ihr Vater war Mathematikprofessor und sollte an einer englischen Universität lehren. So verschlug es die Familie nach Nottingham, im Herzen Englands, im sagenumwobenen Reich von Robin Hood und Lady Marian. Dort ging Angela ein Jahr zur Schule und lernte Hilary kennen. „Hilary fand es toll, dass ich in die Klas-

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se kam. Als Ausländer war ich irgendwie spannend und exotisch. Und durch sie habe ich mich schnell wohl gefühlt. Sie war einfach nett. Wir haben uns sofort angefreundet.“ Anfangs war das allerdings gar nicht so leicht, denn Angela sprach kein Wort Englisch. Das änderte sich schnell, denn Hilary war die perfekte Englischlehrerin. Schnell konnten sie ausgelassen über Lehrer lästern, zusammen Schulaufgaben machen und jede freie Minute miteinander verbringen. Obwohl die Zeit, als die Freundinnen fast Tür an Tür gelebt haben, sehr kurz war, sollte ihr Kontakt bis heute nicht abreißen. Ein Jahr nach Angelas Ankunft in Nottingham zog die Familie in die USA. Vor ihrem Abschied haben sich die beiden jedoch eines geschworen: beste Freundinnen für immer zu bleiben. Damit das auch seine Gültigkeit hat, war eine Blutsbruderschaft unabdingbar; Haarsträhnen wurden ausgetauscht und deutsche und englische Münzen. Von nun an wurden Briefe und Karten geschrieben, hin und wieder auch telefoniert. Als Angela zurück nach Deutsch-

land kam, besuchten sich die beiden immer abwechselnd im Sommer. „Wenn wir uns sahen, mussten wir immer weinen vor Glück. Das ist auch heute noch so. Wir erlebten unsere ganze Kindheit miteinander, obwohl wir fast 1000 Kilometer voneinander entfernt wohnen.“ Dennoch sei das nicht immer so gewesen, betont Angela. Sie wirkt ernster, fast traurig. Nach Ende der Schulzeit verlief sich ihr gemeinsamer Weg. Hilary kümmerte sich um ihre Arbeit als Kunstlehrerin, Angela studierte Psychologie, heiratete früh und bekam Kinder. Anschließend umgekehrt: Hilary gründete eine Familie und Angela eröffnete ihre Praxis als Psychotherapeutin. „Auch heute noch sind unsere Wege sehr verschieden: Ich bin immer die Weitreisende gewesen und ein Stadtmensch, Hilary blieb im ländlichen Umfeld. Sie ist Atheistin, ich Christin. Und trotzdem: Sie war immer da, wenn ich sie gebraucht habe. An allen wichtigen Punkten meines Lebens war sie präsent und umgekehrt.“ Bei ihrem Autounfall mit elf Jahren, nach der schwierigen Geburt ihrer Tochter und beim Tod einer guten Freundin.

Fotos: Privat


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Eines der schönsten Geschenke war zu ihrer Hochzeit. Sichtlich gerührt erzählt Angela, wie sehr sie sich gewünscht hatte, dass Hilary zu ihrer Hochzeit kommt. Der Direktor ihrer Schule wollte ihr aber nicht frei geben, so dass Hilary enttäuscht absagen musste. Dann aber, an Angelas Hochzeitstag morgens im Standesamt, waren Hilarys Eltern da – eine Überraschung. „Die Hochzeit fand zwar ohne sie statt, und doch war sie immer bei mir.“ Ein Ereignis, erinnert sich Angela, habe sie jedoch sehr geschockt. Als die beiden über ihre Freundschaft sprachen, betonte Hilary, dass sie es nicht gut fände „beste Freundinnen“ zu sein. Zuerst enttäuscht und verletzt, begann Angela allmählich zu verstehen, was Hilary damit meinte. Sie hätten zwar das „best friends“ aufgegeben, aber dadurch nichts verloren, weil sie wüssten, wie viel sie an einander haben und brauchen. Das halte sie zusammen. „Viele Freunde sind Wegstreckengefährten. Das ist schön, weil sie einen Lebensabschnitt bereichern. Sie haben dann ein bestimmtes Bild, an dem sie festhalten. Bei Hilary und mir ist das anders. Wir kennen uns seit 40 Jahren, wir haben alle Entwicklungen miterlebt. Wir haben eine gemeinsame Geschichte, nicht nur Momentaufnahmen. Angela deutet auf ein Geschenk von Hilary zum 40. Freundschaftsjubiläum. Ein Holzengel auf dem Fensterbrett, eine kleine Tafel in der Hand: „Freunde sind wie Engel. Du musst sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie da sind.“ Daneben zwei Bilder: zwei strahlende Kinder, Schulter and Schulter; im Rahmen daneben zwei Frauen Arm in Arm, ihre Gesichter fröhlich, ihre Berührung vertraut.

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Freundschaft – ein historischer und kultureller Überblick Bereits in der Antike galt die Freundschaft als ein wichtiger Bestandteil für eine funktionierende Gesellschaft. Für Aristoteles hatte sie einen noch höheren Stellenwert als die Gerechtigkeit. Das war auch berechtigt, denn in der griechischen Polis gab es keine öffentlichen Dienste wie Polizei und Feuerwehr. So war jeder auf das Wohlwollen und die Rücksicht des anderen angewiesen. Nur wer sich die Sympathie des Volkes sichern konnte, wurde in öffentliche Ämter gewählt. Im Mittelalter war die Freundschaft vor allem durch die Freundschaft zu und in Gott, also christliche Nächstenliebe, bestimmt. In der Romantik, Ende des 18. Jahrhunderts bis weit ins 19. Jahrhundert, kommt der Begriff Freundschaft dem näher, was wir heute darunter verstehen: eine individuelle und sehr persönliche Beziehung zueinander. Ein bis dato noch völlig tabuisiertes Thema: die gleichgeschlechtliche Freundschaft, vor allem unter Männern. Berühmt ist etwa die in Briefen dokumentierte Beziehung zwischen den Dichtern und Schriftstellern Clemens Brentano und Achim von Arnim. Die moderne Definition von Freundschaft hebt ganz klar das Persönliche hervor. Der Soziologe Ferdinand Tönnies bezeichnet Freundschaft als „Gemeinschaft des Geistes“. Wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen das, was uns immer wieder innerhalb einer Freundschaft auffällt: Enge Freunde streiten sich wesentlich häufiger als nur miteinander be-

kannte Personen. Psychologen und Soziologen begründen dies damit, dass innige Freundschaften als stabil und sicher gehalten werden. Deshalb müsse man nicht mehr übervorsichtig reagieren. Außerdem haben sie mehr Kontakt zueinander, dass bedeutet mehr „Reibungsfläche“. Für den Psychologen Georg Simmel fängt Freundschaft in dem Moment an, in dem sich zwei Menschen kennenlernen. Sie wissen also um ihre gegenseitige Existenz. In seinem Werk „Soziologie der Freundschaft“ beschreibt er, dass von dieser Basis aus die Menschen verschieden weit in die „Sphäre“ des anderen eindringen können. Es gibt also Spielräume und Grenzen. Zum Beispiel würde man mit den Sportkumpels niemals über den letzten Streit mit seiner Freundin sprechen. Simmel bezeichnet das, was hinter dieser Grenze liegt, als „Reserve“. Das ist positiv und negativ gemeint: Auf der einen Seite gibt man nicht alles von sich preis, und auf der anderen Seite ist da noch etwas, was man der Freundschaft hinzugeben kann. Freundschaft ist jedoch nicht nur individuell, sondern auch kulturell geformt. Ein Deutscher zum Beispiel definiert in der Regel nur wenige seiner Mitmenschen als Freunde. Für einen Nordamerikaner hingegen wird eine gute Bekanntschaft meist schon als Freundschaft bezeichnet. Das steht ganz im Gegensatz zu der oft innigen und langfristigen Beziehung, die in Deutschland als Freundschaft bezeichnet wird. sk

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EINLEUCHTEND Die Polarnacht und ihre phänomenalen Polarlichter

Schlaflos im Labor Ärzte müssen es, kleine Kinder wollen es: wach bleiben! Aber wie lange? Die Auswirkungen von Schlafentzug auf den Menschen haben Forscher in zahlreichen Experimenten untersucht. Schon 1896 begannen zwei amerikanischen Psychologen den Kampf mit der Müdigkeit. Ihre Versuchsperson schlief 90 Stunden nicht und litt unter Konzentrationsschwächen und Sinnestäuschungen. In einem anderen Versuch wollte man den Probanden zehn Tage lang die Augen offen halten lassen. Als bei dem Mann jedoch nach weniger als der Hälfte der Zeit Halluzinationen und Persönlichkeitsstörungen auftraten, wurde der Versuch abgebrochen. Den Weltrekord im Nichtschlafen hält übrigens der Engländer Tony Wright mit 266 Stunden. Dieser Rekord steht jedoch nicht im Guinness Buch. Rekordversuche über Schlafentzug sind zu gefährlich und werden daher gh nicht mehr anerkannt.

Polarlichter im hohen Norden. Doch auch in unseren Wendekreisen kann es manchmal zu diesem sehr beeindruckendem Phänomen kommen.

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Freie Sicht bei Nacht Im Gegensatz zu vielen nachaktiven Tieren ist der Mensch nicht imstande, im Dunkeln zu sehen. Abhilfe schaffen Nachtsichtgeräte, die seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt werden. Mit ihnen können Naturforscher, Jäger, Polizisten und Soldaten sehen ohne gesehen zu werden. Die Geräte werden in zwei Gruppen eingeteilt: Wärmebildkameras und Restlichtverstärker. Bei letzteren dringt das bei Nacht schwach vorhandene Licht durch das Objektiv, wird durch die eingebaute Elektronik verstärkt und an das menschliche Auge weitergeleitet. Die wesentlich teureren Wärmebildkameras machen die Wärmestrahlen von Menschen, Tieren und anderen Wärmequellen sichtbar. Ob Personen beispielsweise in einem Zelt sind oder unter Schnee oder Geröll verschüttet liegen, spielt keine Rolle. me

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ie Polarnacht, ein Ereignis, das die Menschheit schon seit langem bewegt, kann mit dem heutigen Wissen der Naturwissenschaften ganz einfach erklärt werden. Der Begriff Polarnacht wird für eine Zeitdauer verwendet, in der es mindestens 24 Stunden dunkel ist, das heißt: Die Sonne steigt nicht vollständig über den Horizont. Die Polarnacht entsteht in den Gebieten zwischen Polarkreis und Pol. Für beide Gebiete gilt: Je weiter man sich den Polen nähert, desto länger dauert die Polarnacht. An den Polen kann diese fast bis zu sechs Monaten dauern. An den Polarkreisen dauert sie dagegen nur einen Tag. Diese Konstellation rührt her aus der Neigung der Erdachse um 23,5°. Sie ist neben den Jahreszeiten auch für den halbjährlichen Wechsel zwischen Polarnacht und Polartag verantwortlich. Mit der andauernden Dunkelheit treten Probleme auf: So mangelt es den Menschen zum Beispiel an Vitamin D, das durch UV-Strahlen der Sonne gebildet wird. Als Abhilfe werden in Skandinavien Solarien genutzt, die künstliche UV-Strahlen aussenden. Zudem hat die

ständige Dunkelheit Auswirkungen auf die menschliche Seele. Folgen können Antriebslosigkeit, Müdigkeit und damit einhergehende Depressionen sein. Polarlichter entstehen, wenn das Erdmagnetfeld elektrisch geladene Teilchen einfängt, die von der Sonne ausgestoßen wurden. Deshalb ist es auch möglich, Polarlichter mit Hilfe der Häufigkeit von Sonnenflecken grob vorherzusagen. Die elektrisch geladenen Teilchen bringen Luftmoleküle zum Leuchten. Dieses Leuchten wird Polarlicht genannt. Auf der Südhalbkugel werden Polarlichter als Südlichter, auf der Nordhalbkugel entsprechend als Nordlichter bezeichnet. Sie können in zahlreichen unterschiedlichen Farben am Himmel auftreten: Oft sind grüne und rote, seltener blaue und violette Farben zu beobachten. Dieses atemberaubende Naturschauspiel faszinierte Menschen bereits in der Antike. Auch heutzutage fesselt diese Schönheit der Natur unzählige Menschen. bl

Fotos: jugendfotos.de/Marc Tirl (o.l.); United States Air Force/Joshua Strang (rechts); jugendfotos.de/Susann Schneider (u.l.)


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DIE KEULE DER NATUR Peru – hektisches Großstadtleben und kulinarische Extravaganzen. Ein Reisebericht

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m leichten T-Shirt und kurzen Leinenhosen sitze ich an einem peruanischen Dezembertag auf der sonnigen Terrasse eines Andendörfchens. Der Bürgermeister hat mich zum Essen eingeladen. Er möchte mir eine ganz besondere Delikatesse servieren. So überschwänglich die Gastfreundschaft der Einheimischen auch ist, hilft sie mir kaum über die riesige Verständigungskluft hinweg, die mein noch sehr frisches Spanisch nicht zu überbrücken vermag. Ich warte schweigend und verbindlich lächelnd darauf, was die kulinarische Schatzkiste Perus zu bieten hat. Als sie schwungvoll vor mir auf dem Tisch landet, thront auf der Spitze eines Reisberges, knusprig

Stadt. „Gut“, dachte ich und fühlte mich auf sicherem Terrain. Doch was den Kulturunterschied besonders macht, ist, dass er einem nicht wie die süßlich-delikat akzentuierte Stadtluft Limas ins Gesicht schlägt, sondern dass er sich subtil – aber nicht weniger schonungslos – in scheinbar harmlose Alltagssituationen schleicht. Ich lebe in Trujillo, nach Lima die zweitgrößte Stadt Perus. Ein Spaziergang in Trujillo ist ein Spießrutenlauf. Als Fußgänger hat man vor allem eines zu fürchten: den trujillanischen Taxifahrer. Er taucht mit ängstlich wahnsinnigem Blick, dicht hinters Lenkrad seines gelb-rostigen Eineinhalb-Quadratmeter-Autos geklemmt, gern aus dem Nichts auf und macht durch

ich den jungen Mann allerdings ernsthaft davon überzeugen, dass zehn minus vier sechs Sol Wechselgeld ergibt. Er zählt immer wieder hilflos seine Finger ab. Er hat nie gelernt zu rechnen. Da schleicht sich der bittere Beigeschmack der Armut leise in das so bürgerlich anmutende Trujillo. Was mich jedoch wundert, ist, dass der Durchschnittsperuaner einige Kilo zu viel auf den Rippen hat – obwohl er weder den Namen McDonald’s kennt noch je einen Fuß über die Schwelle eines Burger King gesetzt hat. Die Peruaner haben ihr eigenes Fast Food. Das ist mindestens so schnell und so fettig wie das ihrer Kulturnachbarn. Im Zehn-Meter-Takt besiedeln einfache

Ob überfüllte Straßen in Perus Städten, ...

... Lamas als traditionelles Transportmittel ...

... oder gebratenes Meerschweinchen. Peru hält immer Überraschungen bereit!

braun gebraten und fettig duftend, ein Meerschweinchen. Alle Viere von sich gestreckt, glotzt es mich unverhohlen an und wartet auf meinen ersten Gabelstich. Alle Augen sind erwartungsvoll auf mich gerichtet. Hilflos versuche ich den Spagat zwischen kulinarischem Trauma und entgegenzubringender Höflichkeit. Über den Tellerrand der Wohlstandsgesellschaft blicken – das war mein großes Anliegen und der Grund, warum ich nach dem Abitur ein Praktikum in Peru absolvierte. Doch was mich bei meiner Ankunft erwartete, war weder eine völlig rückschrittliche Gesellschaft, noch ein von der Armut bis auf die Knochen ausgemergeltes Volk. Mich erwartete eine ganz normale

seine nur zähe Bremsbereitschaft auf sich aufmerksam. Theoriestunden einer Fahrschule hat er höchstwahrscheinlich nie genossen, ist ja auch unnötig, denn außer dem heiligen Credo „Autos haben immer Vorfahrt vor Fußgängern“ gibt es auf peruanischen Strassen keine Verkehrsregeln. Schnell lerne ich, dass ich im üppigen Stadtverkehr Trujillos dankbar sein kann, wenn ich nach nur zehnminütiger Wartezeit an einer Kreuzung hektisch über die Straße hechten kann und dabei unversehrt bleibe. Ein Spaziergang in Trujillo ist aber auch eine gute Möglichkeit, sein Geld loszuwerden. Den Straßenrand säumen die schönsten Exemplare peruanischer Handwerkskunst. Beim Kauf einer Kette muss

Fotos: Felicia Schneiderhan

Verkäufer die Straßenränder, wahlweise mit Rollgrill oder Schiebeherd, auf dem sie von Hühnerherzen bis zu daumengroßen Maden alles anbraten, was sich zum schnellen Imbiss anbieten lässt. Nachdem ich erste Hemmungen überwunden habe, lerne ich schnell den Charme eines solchen Straßenimbisses zu schätzen. Für umgerechnet 25 Cent bekommt man von einer älteren Frau zwischen unzähligen Töpfen großmütterlich lächelnd einen Teller vollgeschöpft, den man dann redselig und in aller Ruhe am improvisierten Tischchen zwischen dem Großstadtlärm verspeist. Wie schön doch ein Spaziergang durch Trujillo ist! Fe l i c i a S c h n e i d e r h a h n

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HEISSES EISEN Bügeln an Steilwänden? Wäsche in Baumkronen glätten? Was bizarr klingt, entwickelt sich zum Trendsport. Und wer hat´s erfunden? Die Engländer natürlich! Fliegende Kommunikationswunder

Majestätisch fliegt das standardisierte Kommunikationsgerät über die grüne Wiese. Kein besorgter Besitzer versucht, das gute Stück vor dem harten Aufschlag zu retten. Weltweit werfen tausende Menschen statt Diskus oder Hammer alte Handys durch die Luft – mit verblüffenden Resultaten. In festen Gruppen üben die technikaffinen Sportler den besten Abwurf ein, der noch ein paar Meter mehr bringen soll. Der Hintergrund ist ein elektronischer Gau, der heute mit einigem Schmuzeln eine anerkannte Sportart hervor gebracht hat. Vor einigen Jahren schwappten marode Handys des Mobilfunk-Dienstleisters Vodafone in die Läden. Statt einer notwendigen Reperatur wurden Austauschgeräte gestellt und die Alten sollten „weggeworfen“ werden. Gesagt, getan! Mit einigen Exemplaren der funktionslosen Technik gingen die ersten Finnen zum Werfen auf die Wiese. Heute ist der Handyweitwurf mehr als verpönter Verrücktensport. Im klassischen Finnischen Wurf mit Akku und international ohne Stromversorgung wird in verschiedenen Gewichtsklassen geworfen. Je nach Version liegen die Weltrekorde bei über 80 Metern. Wie dabei das Handy in die Weite befördert wird, ist vollständig dem Werfer überlassen. Bei heutiger verzwickter Technik juckt es sicherlich jeden genervten Mobilfunker in den Fingern, auch einmal das verhasste Gerät am Abend quer über die Wiese zu schleudern. Natürlich ist davon aus Rücksicht auf die eigene Kommunikation abzuraten. Die Handyweitwerfer suchen jedoch deutschlandweit nach Nachwuchs, um bei den nächsten Meisterschaften personell gut aufgestellt zu Adrian Bechthold sein.

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lso mal ehrlich: Bügeln ist doch zu verbringen. Er entschloss sich kurzerwirklich eine der langweiligsten hand, eine Bergtour zu unternehmen – und lästigsten Hausarbeiten, die es gibt, samt Bügelwäsche und Bügeleisen. Auch oder? seinem Kumpel Paul Nicks gefiel diese Stundenlang sitzt man vor Bergen von ausgefallene Idee sehr gut und so machzerknitterten Hemden, T-Shirts, Shorts, ten sie sich auf den Weg. Blusen und Hosen und plättet vor sich Es blieb auch nicht nur bei dieser einen hin. Die einzige Abwechslung dabei bie- Tour: Im Laufe der Monate schlossen tet das Fernsehprogramm oder ein net- sich den beiden Erfindern des Extremter Mensch, der anruft und einen von bügelns immer mehr Menschen an, die der ungeliebten Arbeit abhält. Als Dank mit Bügelbrett und Bügeleisen bepackt, für die stundenihre Kleider an lange Arbeit beimmer anderen kommt man von und außergeseiner Mutter zu wöhnlicheren Orhören, man habe ten plätteten. Henur noch mehr raus kamen dabei Falten ins Hemd verschiedene Stilgebügelt. richtungen wie Deshalb ist es etwa Waterstyle, schwer vorstellUrbanstyle (also bar, dass es Menauf Autodächern schen geben soll, und Straßen), für die diese ungeRockystyle (auf liebte Hausarbeit Berggipfeln) oder ein gern betrieForeststyle. benes Hobby ist: Wie viele Andie Mitglieder der hänger des ExGerman Extreme trem-Bügelns es Ironing Section – inzwischen weltder Vereinigung weit gibt, lässt der deutschen Exsich schwer abZweiter Waschgang? Manche „Sportler“ üben trembügler. schätzen. Es gibt Extreme-Ironing selbst unter Wasser aus. EffiDer Reiz diesie unter anderem zienz spielt dabei anscheinend keine Rolle. ser Sportart liegt bereits in Neuseefür sie darin, die land, Südafrika, Herausforderungen des Extremsports Dänemark, Frankreich, England, Finnmit der langweiligen Hausarbeit zu ver- land, Island und in Deutschland. Allein binden. Sie bügeln nicht wie wir Durch- in München sind es bereits mehr als schnittsbügler im Wohnzimmer, son- zwanzig. dern in Baumkronen, beim Kanufahren Für die Extreme-Ironing-Mitglieder oder sogar tauchend unter Wasser. Frei steckt viel Engagement und Ernst hinter nach dem Motto „höher, schneller und ihrer Sportart. Sie haben die Aufnahme gefährlicher“ sind der Fantasie keine in den Deutschen Sportbund beantragt Grenzen gesetzt. und planen die Austragung einer WeltGeboren wurde die Idee zu „Extreme meisterschaft. Wenn es euch also zu Ironing“ 1997 an einem herrlichen Som- langweilig wird, in der Wohnung zu bümertag im englischen Leicester. Dem Fa- geln, dann nichts wie raus in die Natur. brikarbeiter Phillip Shaw war es zu ein- Und das Bügeleisen nicht vergessen! i b tönig, den Tag mit Hausarbeit zu Hause

Fotos: jugendfotos.de/Nina Vollmer (Links); Erik Kaiser (www.rikimountain.at) (Mitte)


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Impressum Noir ist das junge Magazin der Jugendpresse BadenWürttemberg e.V. Ausgabe 6 – August 2008

Herausgeber Jugendpresse Baden-Württemberg e.V. Schlossstr. 23 74372 Sersheim Tel.: 07042 8155-35 Fax: 07042 8155-40

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Chefredaktion und V.i.S.d.P. Miriam Kumpf miriam.kumpf@noirmag.de (Anschrift wie Herausgeber)

Layout und Art-Director Tobias Fischer

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Titelbilder photocase.com/User: Burlie (Titelbild); jugendfotos.de/Hanna Oehring (li.), photocase. com/User: madochab (mi.); jugendfotos.de/ Wiebke Katelhön (re.)

Redaktion Adrian Bechtold (ab), Irina Bernhardt (ib), Sebastian Czub (sc), Florian Carl (fc), Katrin Ehmke (ke), Matthias Etzold (me), Daniela Ferreira-Alvares (dfa), Ann-Kathrin Freude (akf), Georgia Hädicke (gh), Malte Kampmeyer (mkm), Viktoria Kling (vk), Miriam Kumpf (mk), Sabrina Kurth (sk), Benjamin Leiser (bl), Sebastian Nikoloff (sn), Felicia Schneiderhahn (fs), Lisa Schof (ls), Simon Staib (sst), Inken Titz (it), Ann-Katrin Wieland (akw) redaktion@noirmag.de

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Noir kostet als Einzelheft 2,00 Euro, im Abonnement 1,70 Euro pro Ausgabe (8,50 im Jahr, Vorauszahlung, Abo jederzeit kündbar). Bestellung unter der Telefonnummer 07042 8155-35 oder per Mail an abo@noirmag.de. Für Mitglieder der Jugendpresse BW ist das Abonnement im Mitgliedsbeitrag enthalten.

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Lifesty l e ~ K ult ur ~ Ti te lth e ma ~ Po r tr ät ~ Reportage ~ W i s s en ~ Reise ~ S p o rt ~ N o i r- I n t e rn ~ Po l i t i k ~ Querbeet

SPRACHROHR DER JUGEND Die Jugend von heute hat null Bock auf Politik und ist völlig desinteressiert an gesellschaftlichen Belangen. Sollten diese Gerüchte stimmen, sind Astrid und Nico das komplette Gegenteil.

Astrid Astrid liegt die Anerkennu ng nonformaler Bildung besonders am Herzen. Sie bezeichnet sich selbst als absoluten „Europafreak“. An der Arbeit als Jugend delegierte macht ihr bes onders Spaß, unterschiedliche und motivierte jun ge Menschen zu treffen und sich mit neuen Themen auseinander zu setzen.

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strid und Nico sind Jugenddelegierte. Sie werden von der deutschen Regierung zur UN-Generalversammlung in New York als „Sprachrohr der Jugend“ entsandt. Dort sollen sie die Interessen von Jugendlichen vertreten. Obwohl eine UN-Resolution das Modell der Jugenddelegierten seit über 20 Jahren empfiehlt, kommen nur etwa 25 Mitgliedsstaaten dieser Empfehlung nach. „Die Aufgabe der Jugenddelegierten“, so erklären die beiden, „besteht vor allem darin, die deutsche Delegation in Jugendfragen zu beraten“. Als Vorbereitung für diese Tätigkeit gehen Astrid und Nico ein Jahr lang auf Deutschlandtour. Sie treffen in verschiedenen Städten mit Jugendlichen zusammen und diskutieren mit ihnen über Themen, die diese begeistern und interessieren. Interessierte Jugendliche aus Berlin und Umgebung können sich übrigens an dem Projekt beteiligen, indem sie im Jugenddelegierten-Team bei der Organisation

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Er llen Austausch. m interkulture vo rt ch te is na ge te be ite t Nico is A und arbe ljahr in den US hu Sc zu n r ei te te er gi ch verbra . Jugenddele Jahr in Thailand ch ein dem Abitur ein der Aussicht, si nders aufgrund so be co Ni t . iz en sein re men zu könn gendarbeit wid Jahr lang der Ju

Nico

der Deutschlandtour mitarbeiten und die Jugenddelegierten in ihrer Arbeit unterstützen. Für das Amt des Jugenddelegierten können sich Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren bewerben, die Erfahrung in der Jugendarbeit, gute Englischkenntnisse und Interesse an den Vereinten Nationen mitbringen. „Jugendliche diskutieren motiviert und engagiert, sind wissbegierig, langweilen sich bei politischen Themen keineswegs und lassen sich für viele Themen begeistern“, kann Nico nach der bisherigen Tour feststellen. „Die meisten interessieren sich für das, was in ihrem Land vorgeht, und wollen daran teilhaben.“ Meist wüssten sie jedoch nicht über Möglichkeiten der aktiven Bürgerschaft Bescheid, oft sei der Zugang zu Politik einfach nicht jugendgerecht gestaltet, erklären die Jugenddelegierten. Junge Leute „fühlen sich oft übergangen“, sagt Astrid. Aus diesem Grund haben die beiden es sich auf die Fahne geschrieben,

mehr Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten der Jugendarbeit zu lenken und haben diese als eine ihrer Schwerpunktthemen festgelegt. Denn bei der Jugendarbeit „wird letztlich die Identifikation mit dem gesellschaftlichen und politischen System gefördert“, sagen die beiden. Die Arbeit eines Jugenddelegierten ist vielfältig und interessant, jedoch sehr zeitaufwändig. Astrid und Nico haben sich ein Freisemester genommen, um den Aufgaben gerecht werden zu können. Mehr jedoch, als die Jugenddelegierten mit einem Semester verlieren, gewinnen sie an persönlichen Erfahrungen und neuen Perspektiven.

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Viktoria Kling

Jugenddelegierte bei den UN Mehr Infos und alle Kontakte unter www.jugenddelegierte.de

Foto: Nicolas Klein


L if es ty le ~ K ult ur ~ Ti te lth e ma ~ Po r tr ät ~ Reportage ~ W i s s en ~ Reise ~ S p o rt ~ N o i r- I n t e rn ~ Po l i t i k ~ Querbeet

„OUI“ À L´EUROPE? Seit Anfang Juli hat Frankreich für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft inne. Werden die Franzosen ihre Europa-Skepsis überwinden?

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on Präsident Sarkozy erwarte ich nichts, dann werde ich auch nicht enttäuscht: Er war nie von Europa überzeugt!“, so Jean Cantin über seine Erwartungen hinsichtlich der französischen Ratspräsidentschaft. Der 26-jährige Franzose lebt auf Mauritius und engagiert sich für ein föderales Europa. Er bezweifelt jedoch, dass die Franzosen dafür bereit sind. Zweifel, die viele Europäer mit ihm teilen. Zu gut erinnern sie sich noch daran, als im Mai 2005 knapp 55 Prozenz der Franzosen Europa mit ihrem „Non“ zur europäischen Verfassung in eine tiefe Krise stürzten. Verständlich daher auch, dass der französische Präsident Nicolas Sarkozy aus europäischen Augen mit Skepsis betrachtet wird. Dabei gibt er sich so viel Mühe, der Retter Europas zu sein: Er ist es gewesen, der die neue „Mini-Verfassung“, den Vertrag von Lissabon, ins Leben gerufen hat. Er wollte mit der Union für das Mittelmeer eine neue Ära der europäischmediterranen Zusammenarbeit einleiten. Und er möchte derjenige sein, der durch die französische Ratspräsidentschaft die Zukunft Europas sichert. An ehrgeizigen Zielsetzungen mangelt es nicht: Neue gemeinsame europäische Strategien in den Bereichen Klima und Energie, Migration, Verteidigung, Landwirtschaft sowie Wachstum sollen entwickelt und auf den Weg gebracht werden. Des Weiteren gilt es, den Ratifizierungsprozess des neuen Reformvertrages zu begleiten und dessen Umsetzung vorzubereiten. Während der EU-Parlamentarier Jo Leinen (SPD) es Frankreich durchaus zutraut, sein ambitioniertes Programm umzusetzen, hält die Europa-Abgeordnete Doris Pack (CDU) generell die Erwartungen an die wechselnden Ratspräsidentschaften für zu hoch: „Was kann man in sechs Mona-

Foto: photocase.com/User: seraph

ten – davon mindestens ein Ferienmonat – ändern? Nur, wenn wirklich Entscheidungen großer Tragweite anstehen, die das gesamte Handeln der EU betreffen, kann man solche Erwartungen hegen.“ Nicht zuletzt verspricht Frankreich eine „Präsidentschaft der Bürger“: Diskussionsforen, informative sowie kulturelle Veranstaltungen sollen zu mehr Bürgernähe und Interesse an Europa beitragen. Hélène Breil, Beauftragte für internationale Beziehungen in einer kulturellen Organisation in Frankreich, ist dennoch davon überzeugt, dass die Mehrheit der Franzosen kein Interesse für die Ratspräsidentschaft im eigenen Land zeigen werden, was sie auf Informationsmangel zurückführt. Die Straßburger PolitikwissenschaftsStudentin Marie Smoot hält ihre Landsleute für besonders skeptisch gegenüber Europa: „Die Franzosen sind ein Volk, das nicht genug reist. Ebenso neigen sie dazu, individualistisch zu sein und sich selten selbst in Frage zu stellen – daher ein Gefühl der Selbstgenügsamkeit.“ Das Problem der Franzosen sei, dass sie sich einbildeten, niemanden zu brauchen und alles im Voraus zu wissen.“ Die Komplexität der Entscheidungsfindung in der EU trägt entscheidend zur Entfremdung der Bürger bei – eine Entwicklung, die man in ganz Europa beobachten kann.

Die bürokratischen Hindernisse werden häufig deutlicher wahrgenommen als die Vorteile. Der CDU-Abgeordnete im Europäischen Parlament Andreas Schwab hebt in diesem Zusammenhang das Programm „Europa im Dienste der Bürger“ hervor, das Frankreich zu Beginn seiner Ratspräsidentschaft vorstellen möchte. Dabei werde der Rechtsbestand der gesamten Europäischen Union nach Regelungen durchforstet, die dem europäischen Bürger im Alltagsleben Vorteile und Erleichterungen verschaffen. „Derart bereichernde Elemente der einzelnen Mitgliedsstaaten können in Zukunft neue Motoren sein, die wichtige Impulse für ein besseres Verständnis der Bürger für Europa und seine Institutionen geben“, so Schwab. Es bleibt also abzuwarten, ob es der französischen Ratspräsidentschaft gelingen wird, durch derartige Projekte Europa und vor allem die Franzosen selbst von der angest rebten Rolle als alter und neuer Motor der europäischen Integration zu überzeugen: Vive l´E u r o p e ! Lisa Schof

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AUFGEWACHT!

Al l tägl icher WG -Wa hnsinn

Einweihungsparty mit Folgen

Probleme mit dem Aufstehen – wer kennt das nicht. Lichtwecker sollen Abhilfe schaffen. Ob das klappt? Wir haben es getestet

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Der Studienbeginn bringt viel Neues mit sich: neue Freunde, eine neue Stadt und die ersten eigenen vier Wände. Der Einzug in die neue WG muss natürlich gebührend gefeiert werden, denn als Student weiß man ja: Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, und bekanntlich ist man nur einmal jung. Mit einer Einweihungsparty prüft man also die Partytauglichkeit der neuen Wohnung aufs Genaueste. Und während völlig Unbekannte ihren Nudelsalat auf dem neuen Sofa verschmieren, lässt sich Erstaunliches feststellen. Erstens: Kaum zu glauben, aber es passen 80 Leute in eine Drei-Zimmer-Wohnung. Darunter ein Grüppchen Tussies, unter deren Stöckelschuhen das Parkett leidet, und einige Raucher, die ihre Kippen in der Salsasauce ausdrücken. Und zweitens: Die Vermieterin im Haus zu haben bedeutet das Todesurteil für jede Party. Zwar ließ sich ihr energischer Protest – ausgedrückt durch stetes Pochen mit dem Besenstiel an ihre Zimmerdecke – noch überhören. Doch spätestens, wenn sie im Bademantel und mit zerzaustem Haar vor der Tür steht, verpasst das der Party einen ordentlichen Dämpfer. Während ein Wildfremder meine Fische mit Chips füttert, rede ich also beschwichtigend auf sie ein und versuche dabei, einen möglichst nüchternen und über die Manieren der Partygäste mindestens ebenso erschütterten Eindruck zu machen wie sie. Denn wer möchte schon gerne mit seiner Vermieterin lebenslang auf Kriegsfuß stehen? Das Erscheinen der Polizei verpasst meiner ersten WG-Party schließlich einen würdigen Abschluss. Was lernen wir daraus? Nächstes Mal schalldichte Wände, ein einsames Haus ohne Nachbarn oder gleich ins Studentenwohndfa heim ziehen.

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s gibt wohl nur sehr wenige Menschen, die behaupten würden, es bereite ihnen Vergnügen, sich morgens aus dem Bett zu schälen. Ich persönlich habe drei Wecker: Zuerst kommt der Radiowecker zum Einsatz, dessen Musik mich langsam auf den neuen Tag einstimmen und mir die nötige Energie geben soll. Die zweite Stufe ist ein Funkwecker mit einem lauten, durchdringenden Piepton. Dritte Eskalationsstufe ist dann das Handy, das außerhalb meiner Reichweite Radau macht. Doch der Radiowecker kann mit seiner Sanftheit meinem Schlaf nicht das Geringste anhaben. Die Snooze-Taste des lauten Funkweckers wurde so oft betätigt, dass die Farbe inzwischen schon völlig abgeblättert ist. Und nachdem ich das Handy ausgemacht habe, taumle ich im Halbschlaf wieder zurück ins Bett. Unhaltbare Zustände – zu oft habe ich schon verschlafen, eine Lösung muss her! Im Internet werde ich fündig: Der Lichtwecker verspricht Besserung meines Leidens – jawohl: Leidens! Denn Langschläfer zu sein ist eine Krankheit. Das sucht man sich nicht aus. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die Seite des Herstellers. Von Lichtmangel ist da die Rede und von Depression.

Und von der passenden Therapie: der Lichttherapie. Der Lichtwecker, das Therapiegerät meiner Wahl, soll mir künftig das Aufstehen erleichtern. Er simuliert einen Sonnenaufgang, indem er eine Glühbirne immer heller werden lässt, und bereitet meinen Körper so aufs Wachwerden vor. Soweit, sogut. Eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Aufstehen wird es langsam hell in meinem Zimmer. Das über die Haut wahrgenommene und durch meine Augenlider einfallende Licht signalisiert meinem Körper, dass es Zeit wird, aufzuwachen. Wenn dann endlich mein treuer Funkwecker klingelt und mich endgültig aufweckt, bin ich fit, ausgeruht und bereit für den neuen Tag. Das Verdienst des Lichtweckers ist das jedoch nicht. Ich schlafe inzwischen nämlich einfach mit geöffneten Rollsn läden.

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Mitmachen und gewinnen Wir verlosen zwei Lichtwecker der Firma Sanalux. Maile an gewinnen@noirmag.de und schreibe uns: Welches wichtige Ereignis hast du mal verschlafen?

Me i n e rs t es M a l

Mein erstes Mal beim Quizshow-Casting Samstag morgen. Meine Anspannung lässt sich nicht verleugnen. Erst letzte Woche bin ich zum Casting für eine Fernseh-Quizshow ausgewählt worden, und heute stehe ich mit meinem alten Mathe-Lehrer vor dem Castingraum. Zusammen mit etwa 40 anderen Kandidatenpaaren werden uns etliche Fragen querbeet gestellt. Puh, nicht einfach. Wer soll schon wissen, dass Mörike Mozart literarisch nach Prag geschickt hat? Soviel ist sicher: Nur die Besten werden in die zweite Runde kommen. Werden wir dabei sein?

Die Minuten des Wartens auf dem Gang kommen fast unendlich vor. Manche verplanen schon den Maximalgewinn, ich male mir nur das Versagen aus. Zurück im Raum des Schreckens kommen nur vier Paare weiter zur persönlichen Vorstellung. Mit etwas Genugtuung scheiden die Überheblichen aus. Wir kommen weiter, und mir rutscht das Herz fast hörbar in die Hose. Nun heißt es warten – und wer weiß: Vielleicht stehe ich schon bald vor der Andreas Bechtold Kamera?

Foto: photocase.com/User: steffne



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