NOIR - Ausgabe 33: Digital Natives

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JUGENDPRESSE BW Verband f端r junge Medienmacher

NOIR 33 www.noirmag.de

Digital Natives Wie die digitale Welt wirklich aussieht

KOLUMNE

LIFESTYLE

REPORTAGE

Wie sehr stehen wir auf Likes?

Wie nervig sind wir in der digitalen Welt?

Wie sieht unsere Zukunft aus?


Seite 5: Die acht nervigsten Facebook-Typen

INHALTSÜBERSICHT

INHALTSÜBERSICHT

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EDITORIAL/IMPRESSUM

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DIE ACHT NERVIGSTEN FACEBOOK-TYPEN

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UNGARNS ROMA-PROBLEMATIK

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WER DIESEN ARTIKEL LIKED, WIRD VERLINKT.

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MEHR ALS SUPERGEIL: VIRALES MARKETING

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DAS JAHR 2064

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LETS PRACTICE SAFER SURF!

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INTERNET TRENDS

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MEDIA, MYSELF & I

Seite 17: Internet Trends

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Seite 16: Let´s practice safer surf!

Seite 8: Wer diesen Artikel liked, wird verlinkt

Fotos: links oben: „Bär Lilalaunebär“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc-nd); Illustration rechts oben: Evgenia Kozyreva ; Foto rechts Mitte: Stevan Cirkovic (c) http:// stevan-cirkovic.de/wp-content/uploads/2014/03/fotostevan.png; Foto rechts unten: „Hannah Netzer“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)


EDITORIAL

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igital naiv. Nein, dahinter steckt kein Rechtschreibfehler. Vielmehr soll es das verdeutlichen, was unsere Generation ausmacht, und was schon die Generation nach uns wieder verloren hat: Wir schrecken vor nichts Neuem zurück und probieren wild alles aus indem wir uns selbstverständlich ab und zu naiv stellen und einfach mal munter drauf los probieren. Der Ursprung darin liegt in unserer Kindheit: Als wir noch jung waren, musste man LAN-Netzwerke einrichten, IP-Adressen konfigurieren und Codes knacken. Wir öffneten jedes technische Gerät und setzen es danach - kaputt - wieder zusammen. Ab und zu hat es danach immer noch funktioniert. So wechselten wir Grafikkaften, die Schalen unserer monochromen Handys und das Betriebssystem auf dem Rechner. Digital naiv bedeutet, alles zu hinterfragen, zu verstehen, und einfach überall draufzuklicken. Immer auf „Weiter“, „Accept“, „Allgemeine Geschäftsbedingungen akzeptieren“, denn passieren kann sowieso nichts. Und wie sieht es heute aus? Technische Geräte haben keine Schrauben mehr und iPad-Spiele sind so intuitiv, dass sie am liebsten von Katzen gespielt werden. Von Wesen ohne Bewusstsein. Ist es das, was die Zukunft mit uns vorhat? Lesen wir es nach, auf Seite 10. Lasst uns doch mal wieder naiv sein, oder?

NOIR ist das junge Magazin der Jugendpresse BadenWürttemberg e.V.

Chef vom Dienst Alexander Schmitz alexander.schmitz@noirmag.de

Ausgabe 34 – Juli 2014 Herausgeber Jugendpresse Baden-Württemberg e.V. Fuchseckstraße 7 70188 Stuttgart Tel.: 0711 912570-50 Fax: 0711 912570-51

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Chefredaktion Jan Zaiser jan.zaiser@jpbw.de (V.i.S.d.P., Anschrift wie Herausgeber) Arno Bratz arno.bratz@jpbw.de

Redaktion Arno Bratz, Zrinka Dilber, Laurent Elm, Evgenia Kozyreva, Leonie Kumpf, Jasmin Maniakowski, Rebecca Notter, Tim Nikischin, Nadine Wittleben, Jan Zaiser redaktion@noirmag.de Lektorat Miriam Kumpf

Druck Flyeralarm Wagenburgstraße 74 70184 Stuttgart www.flyeralarm.de Titelbilder Titel: „Fritz Schumann“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) kleines Bild rechts:“Undine B.“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)

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Layout Felix Ogriseck felix.ogriseck@jpbw.de Robert Gänzle robert.gänzle@jpbw.de Jasmin Maniakowski jasmin.maniakowski@jpbw.de

NOIR kostet als Einzelheft 2,00 Euro, im Abonnement 1,70 Euro pro Ausgabe (8,50 Euro im Jahr, Vorauszahlung, Abo jederzeit kündbar). Bestellung unter der Telefonnummer 0711 91257050 oder per Mail an abo@noirmag.de. Für Mitglieder der Jugendpresse BW ist das Abonnement im Mitgliedsbeitrag enthalten.

Anzeigen, Finanzen, Koordination Nadine Wittleben nadine.wittleben@jpbw.de

NOIR Nr. 33 ( Juli 2 014 )

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LIFEST YLE

DIE ACHT NERVIGSTEN FACEBOOK-TYPEN DER STALKER Es gibt immer diesen einen Menschen, der immer online ist. Er hat kein Profilbild, er mag keine Filme und keine Musik, er versendet keine Spielanfragen. Selbst FarmVille lässt ihn kalt, dafür gefällt ihm dein Status von vor sechs Jahren. Und Monate später entfernt er seinen Like wieder.

DIE LIEBENDEN Sie ändern ihren Beziehungsstatus schon beim ersten Date, seit diesem Moment stellen sie ihre innige Nähe penetrant zur Schau. Die Pinnwände der beiden sind voll mit „Schatziii u r the best“, „love u 4ever <3 <3 <3“ und sonstigen einfältigen Liebesbotschaften. Sie benutzen dasselbe Profilbild, auf dem sie sich küssen oder zusammen den Pisa Turm stützen. Eines Tages trennen sich die Liebenden zur großen Erleichterung der Öffentlichkeit. Aber freu dich nicht zu früh- es folgen hunderte depressive Filmzitate à la „lache und die Welt lacht mit dir, weine und du weinst allein“. Und spätestens nach drei Wochen spamen sie von ihrer neuen Perle, damit die Welt wieder mit ihnen lachen kann. Oder über sie. DAS MODEL Sie nennt ihr Album „Portfolio“ und postet ausschließlich professionelle Bilder von sich. Also solche mit weichgezeichneter Haut und verschwommenem Hintergrund. Wenn sie besonders sexy und wandelbar ist, erfreut sie die virtuelle Welt mit Nackt-, pardon, Aktfotos. Aber sie vergessen nie, auf die Urheberrechte der Meisterwerke hinzuweisen.

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NOIR Nr. 33 ( Juli 2 014 )

Illustrationen: Evgenia Kozyreva


LIFEST YLE

DER PARANOIKER Er hat kein Profilbild, ist aber kein Stalker. Er wird gestalkt. Von der NSA und anderen Geheimdiensten. Er registriert sich unter einem nerdigen Namen wie Sheldon Cooper oder Obi Wan, alle seine Posts drehen sich um den Datenklau. Wird der Paranoiker auf einem Gruppenbild markiert, entfernt er die Markierung sofort . Dann schreibt einen Vortrag darüber, dass Gruppenbilder aus dem Internet nicht mehr wegzukriegen sind. Das nervigste daran: objektiv gesehen hat er Recht.

LE PARENT Facebook-Nutzer sind auch nur Menschen, ab und zu bekommt einer ein Kind. Wenn sie du eine solche Person kennst, blockiere sie besser vor dem Geburtstermin. Ansonsten wirst du jahrelang nur noch ihr glatzköpfiges Baby in der Nachrichtenleiste sehen. Es wird dich verfolgen- schlafend, essend, spielend und kackend. Je jünger die Mutter des Kindes ist, desto mehr identische Babyfotos wird sie hochladen. Bei Vätern verhält es sich genau andersrum.

DER HIPSTER Eigentlich nur eine Variation vom Status-Spamer. Es gibt nur ein Paar unbedeutende Unterschiede: der Hipster markiert sich nicht überall, sondern ausschließlich in respektablen Großstädten, postet statt seinem Essen ironische Selfies und achtet sehr auf sein Ansehen. Typische „gefällt mir“-Angaben: Retro Stefson (eine isländische Indieband), Kim Ki-duk (ein koreanischer Regisseur), Hans Swag (sein musizierender Kumpel). Meistens tolle Sachen, denn alles andre würde seinen Hipster-Ruf ruinieren.

DER STATUS-SPAMER You know when he’s sleeping, you know when he’s awake, denn du kriegst jede Einzelheit seines unspektakulären Lebens mit. Er markiert sich an jedem Ort, den er betritt, und dokumentiert jede Mahlzeit. Typische Statusmeldung: McDonald’s mit den Besten xo xo!!! Damit keiner diese Aussage anzweifelt, postet der Spamer noch zehn Bilder von einem angekauten BigMac.

DER PARTY-TYP Er genießt sein junges Leben in vollen Zügen, weil #yolo. Ob Ballermann, Reeperbahn oder die nächstgelegene Dorfdisko- er ist dort und verkündet es in Facebook. Laut seinem Profil macht er nur zwei Dinge- trinken und sich mit gebräunten Menschen fotografieren lassen, die natürlich alle seine Freunde sind. Der Party-Typ wirkt oberflächlich, aber er denkt auch viel nach und postet manchmal philosophische Aussagen wie „live fast - die young - stay famous“.

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REPORTAGE

UNGARNS ROMA-PROBLEMATIK. ZWEI MEINUNGEN „Projekte scheitern, weil sie nicht auf die Kultur der Roma abgestimmt sind.“ Diese These vertritt János Molnár, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest. Wir interviewten ihn zu den Roma-Projekten, die er bei der Friedrich-Ebert-Stiftung betreute und fragten nach seinen Einschätzungen zur Roma-Problematik. Text: Leonie Kumpf

NAME: JÁNOS MOLNÁR ALTER: 53 JAHRE AUFGEWACHSEN IN: EINEM DORF NAMENS KÖMLŐ, IN DER UNGARISCHEN TIEFEBENE BERUFLICHER WERDEGANG: PHILOSOPHIEUND GESCHICHTSSTUDIUM, PROMOTION ABGEBROCHEN, UNTERRICHTETE ALS DEUTSCHLEHRER, SEIT 1993 MITARBEITER BEI DER FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG

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as für Roma-Projekte betreuten Sie bei der Friedrich-Ebert-Stiftung? Es gab ein Projekt, das über fünf Jahre lang lief: das Roma-Fach-Kolleg. Roma-Studenten verschiedener Universitäten wurden mit dem Ziel, die Roma-Elite zu fördern und ihre Identität zu stärken, vernetzt. Grund dafür war, dass viele Roma mit einem höheren Bildungsabschluss sich nicht mehr zu ihrer Ethnie bekennen. Dieser Entwicklung sollte das Projekt entgegenwirken. Das zweite Projekt war ein Ausbildungsseminar für Minderheitenmandatsträger im Komitat Tolna, südlich von Budapest. Minderheitenmandatsträger sind Personen die in die Selbstverwaltung der Roma in dem Komitat gewählt wurden. Die Teilnehmer gestalteten das Seminar inhaltlich mit und es gab ein Kommunikationstraining. Welche Erkenntnisse haben Sie durch diese beiden Projekte gewonnen? Wir müssen Dialogmöglichkeiten schaffen – auf allen Ebenen. Es mangelt an dem „verstehen wollen“ der

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verschiedenen Kulturen. Man kann dies ein allgemeines Kulturproblem nennen. Warum klappt ihrer Meinung nach die Integration der Roma nicht? Die Integration der Roma scheitert, weil die Projekte, die für sie ausgearbeitet werden, nicht auf ein tieferes Verständnis der RomaKultur aufbauen. Wir kennen zum Beispiel ihre Wertestrukturen nicht ausreichend und missverstehen sie. Hier muss die Wissenschaft aktiv werden, mehr anbieten und ein breiteres Forschungsfeld abdecken, denn sie befasst sich nur mit traditionellen Aspekten der Roma-Kultur. Was wird Ihrer Meinung nach mehrheitlich praktiziert: Integration oder Assimilation? Roma-Vertreter beschweren sich bei mir, dass „unsere Integration“ eine Assimilation bedeutet. Am Anfang müsste also der Dialog stehen, in dem ein neuer Integrationsbegriff entwickelt wird. Das ist allerdings nicht einfach, weil die RepräsentationsFrage auf Seiten der Roma ein Problem ist.

blem, das ein soziales Problem zur Folge hat. Verbessert man die wirtschaftliche Lage, wird somit auch das soziale Problem gelöst. Der zweite Interpretationsrahmen besagt, dass es ein politisches Problem ist, dass sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt: wenig Geld, keine Opposition, Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft und mangelnder politischer Wille. Ich vertrete jedoch den Standpunkt, dass es ein kulturelles Problem ist. Ich bin also der Auffassung, dass es einen großen Unterschied zwischen der Kultur der Mehrheitsgesellschaft und der der Roma gibt.

Linda Kumpf (mitte) und Laurent Elm (rechts) mit János Molnár

Welche verschiedenen Erklärungsmuster für die RomaProblematik sehen Sie? Es gibt drei Interpretationsrahmen. Erstens: Es ist ein János Molnár im Gespräch mit den Jugendlichen wirtschaftliches ProFotos: privat


REPORTAGE

Dr. Elisabeth Sándor-Szalay, stellvertretende Regierungsbeauftrage für Minderheitenschutz, schilderte ihre Eindrücke und Auffassungen der Roma-Problematik. Text: Laurent Elm

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unkle Jeans, schwarzes Oberteil, braune, kinnlange Haare, ein Pony und leicht rundliche Gesichtszüge: Dr. Elisabeth Sándor-Szalay, stellvertretende Regierungsbeauftrage für Minderheitenschutz. Sie ist Juristin für Völker- und Europarecht und wurde letztes Jahr für das Amt nominiert, ist nun auf sechs Jahre gewählt. Ihr Auftreten: distanziert, sachlich, freundlich. Sie entschuldigt sich für ihr schlechtes Deutsch, dabei spricht sie nahezu perfekt. Es ist nicht ihre Muttersprache, aber schon seit Kindergartenzeiten lernt sie sie. Eigentlich ist Sándor-Szalay Ungarin, kommt aber aus Rumänien, genauer: aus dem Banat. In den 70erJahren ist ihre Familie dann nach Ungarn ausgewandert. Sie steht am Ende des Tisches und referiert. Im Sitzen kann sie nicht vortragen, sagt sie. „Das Klima im Land ist – milde gesagt – geteilt.“ Sie bleibt vorsichtig in ihren Aussagen, hält sich an Zahlen, Gesetze und Fakten. Das Gespräch mit Dr. Szalainé ist so ganz anders als das zuvor mit János Molnár – während er

selbstsicher seine Meinung kundtat, hält sie sich stark zurück. Statt über sich selbst und ihre Erfahrungen zu berichten, schildert sie uns sehr eindrucksvoll die Situation der Minderheiten, insbesondere der Roma. Dreizehn anerkannte Nationalitäten gibt es in Ungarn – sie verwendet den Begriff „Nationalitäten“ für die Minderheiten, weil es 2011 diese Umformulierung in Gesetztestexten gab. Die Roma bilden die größte von ihnen, gefolgt von den Deutschen, den Slowaken und den Rumänen. Trotzdem gibt es ihr zufolge einen wesentlichen Unterschied zwischen den Roma und den übrigen Bevölkerungsgruppen: Für jede andere kann eine Minderheitenpolitik im klassischen Sinne betrieben werden, Anfragen von deren Angehörigen haben meist kulturelle Probleme zum Thema. Aus den Reihen der Roma kommen dagegen viel häufiger Einzelbeschwerden zu sozialen Fragen. Allgemein sieht sie das größte Problem in der mangelnden Bildung und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Misere der Roma. Von den 10 Millionen Einwohnern Ungarns leben 3 Millionen in tiefer Armut, 300.000 davon sind „Zigeuner“, wie man sie hierzulande immer noch nennt. Das ist nicht die Mehrzahl und hört sich erst mal wenig an, aber: Insgesamt leben in Ungarn schätzungsweise 800.000 Roma, Dr. Elisabeth Sándor-Szalay bei ihrem Vortrag in Ungarn. also haben circa 40% von ihnen ein Fotos: privat

Einkommen unter dem Existenzminimum. Nicht einmal 300 Euro im Monat haben sie zur Verfügung, das Durchschnittseinkommen in Ungarn beträgt nur 30% des Monatsverdienstes eines deutschen Staatsbürgers. Die Lebenshaltungskosten dagegen belaufen sich auf 90% von dem, was wir an laufenden Kosten bezahlen. Die traurige Folge davon: 2/3 der ungarischen Bevölkerung lebt an der Grenze zum Existenzminimum, die wirtschaftliche Lage des Landes ist katastrophal. Nur einmal verlässt Dr. Szalainé für einen Moment das sichere Terrain der Zahlen und Gesetzestexte und lässt ihre eigene Einstellung durchblicken. Was für viele als rassistisch gilt und später von Jeno Kaltenbach als „Schwachsinn“ bezeichnet wird, ist für sie Tatsache: Roma seien erkennbar an äußeren Merkmalen, an der Hautfarbe, der Haarfarbe und der Kleidung. Sie könnten sich nicht verstecken, und selbst wenn nur ein Bruchteil von ihnen sich bei Volkszählungen zu ihrer Ethnie bekenne, sei sie ihnen anzusehen. Ob diese Einschätzung der Wahrheit entspricht oder nicht, ist für uns schwer einzuschätzen, da wir selbst nicht mit Roma sprechen konnten. Was wir aber gelernt haben und dieser Einstellung durchaus entgegensetzen können: Mit Schwarz-Weiß-Denken und Kategorisierung kommt man in diesem Thema nicht weit. Zu viele Unsicherheiten, zu viele Grauzonen und Unklarheiten stellen sich jedem in den Weg, der versucht, das „RomaProblem“ zu vereinfachen, denn Fakt ist: Es ist nicht einfach, das war es nie und wird es auch nicht werden.

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KOLUMNE

WER DIESEN ARTIKEL LIKET, WIRD VERLINKT! Facebooklikes erlauben es uns, zu messen, was sich früher nicht erfassen ließ: Beliebtheit. Unser Autor sieht das pessimistisch. Er fragt sich, was uns dann überhaupt noch von Produkten unterscheidet. Text: Arno Bratz

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ir gegenüber in der Straßenbahn sitzen zwei Mädchen mit dunkleren Augenringen als dieser Youtuber „LeFloid“, der so unglaublich viele Klickzahlen für seine „Action News“ abstaubt. Sie sehen aus, als kämen sie frisch von einer Party und gingen jetzt müde in die Schule, um im Unterricht etwas Schlaf nachzuholen. Aber nee, Fehlanzeige. Die beiden sprechen über Facebook-Likes. Sie haben nachts neue Profilbilder hochgeladen und checken jetzt alle zwei Minuten, wer bei ihren Fotos „Gefällt mir“ drückt. Der „Gefällt mir“-Button bei Facebook ist so eine Art Parallelwährung zum Euro. Er legt eine Zahl fest, sagt aber trotzdem nur wenig über den Wert der Sache aus. Wenn ich wissen will, wie gut eine Hose ist, schaue ich mir den Zettel mit dem Preis drauf an. Natürlich ist eine teure Hose nicht zwangsläufig besser als eine billige. Trotzdem verbinde ich mit der Markenhose für zweihundert Euro eine bessere Qualität hat als mit der billigen daneben. Bei Facebook-Likes ist das ähnlich. Ein Mensch gilt als besonders liebenswürdig, wenn er viele Freunde und viele Likes hat – selbst wenn er es nicht ist.

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Das wissen die Nutzer natürlich. Sie fangen an, sich selbst zu vermarkten. Schießen dreißig Fotos, bis das eine perfekte dabei ist. Bearbeiten den Hintergrund. Retuschieren ihr Gesicht, bis sie mehr nach einem

Sind wir nicht alle ein bisschen likegeil?

Model aussehen als nach einem Menschen. Wer dann immer noch nicht genug Likes bekommt, muss eben andere Anreize setzen. Facebook ist voll von Aktionen wie: „Like diesen Post und ich schreibe dir meine schönste Erinnerung mit dir!“ oder „Wer mein Bild liket, wird verlinkt!“. Es gibt sogar Facebookseiten, die deinen Namen teilen, wenn du die Seite teilst. Das ist Selbstvermarktung von Feinsten! Sind wir nicht alle ein bisschen likegeil? Immerhin könnten wir uns doch

auch im Real Life beliebt machen. Aber da lässt sich Beliebtheit einfach nicht so gut messen. Einige Menschen haben viele gute Freunde, andere helfen ihren Mitmenschen viel, wieder andere können gut Gitarre spielen oder sind gut im Sport. Facebook hat es geschafft, Beliebtheit einfach anhand der Zahl von Likes zu zählen und vergleichbar zu machen. Also vergleichen wir unsere Beliebtheit mit der von anderen und machen unseren Selbstwert davon abhängig. Werden Top-Fotografen und Photoshop-Profis. Bearbeiten die ganze Nacht lang unser neues Profilbild. Wenn wir dann am nächsten Morgen in die Schule, in die Uni oder zur Arbeit kommen, haben wir so tiefe Augenringe, dass wir aussehen wie Zombies. Aber das ist kein Problem. Wir werden eh nicht wiedererkannt werden, weil unsere Facebookbilder unserer realen Erscheinung gar nicht mehr ähneln. Hauptsache ist, dass unsere Likezahlen hoch sind, damit andere Leute Interesse an uns bekommen wie an einer überteuerten Hose – bis sie bemerken, dass wir auch nicht besser sind als die billige Hose neben uns.

Fotos: „Bär Lilalaunebär“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc-nd)


LIFEST YLE

MEHR ALS SUPERGEIL: VIRALES MARKETING Manche Youtube-Videos oder grantige Katzen haben so viel Zulauf, dass jeder Werbeagentur das Wasser im Mund zusammen läuft. Online verbreiten sich sinnvolle und sinnlose Informationen global und in Windeseile - Wie nutzen Marketingabteilungen das für ihre Zwecke? Text: Jasmin Maniakowski

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chon mal im Spätherbst mit der Straßenbahn gefahren? Überall keucht und fleucht es, Nasen werden durch raue Taschentücher malträtiert und irgendwer niest einem in den Nacken. Der einzige Gedanke bleibt dem (noch) gesunden Fahrgast hier: „Hoffentlich stecke ich mich nicht mit irgendeinem Grippe-Virus an!“ Was in der Bahn Grauen hervorruft, ist in der Werbebranche in den letzten Jahren zu einem Millionengeschäft geworden: Virales Marketing, also das Verbreiten von Werbung durch Mund-zu-MundPropaganda ist das neueste Mittel, Produkte und Marken an potenzielle Käufer zu bringen. Durch geschickte Platzierung in sozialen Netzwerken werden insbesondere junge Konsumenten auf das beworbene Objekt aufmerksam gemacht. Dieser Vorgang wird Seeding genannt. Während ein Werbespot in der Prime-Time bei RTL bis zu 80.000 Euro kostet, übernimmt hier die Zielgruppe selbst die Weiterverbreitung. Dies spart Unternehmen nicht nur Zeit, sondern auch bares Geld. Dass diese Form des Marketings auch überaus erfolgreich ist, zeigt sich beispielsweise an den „Umparken im Kopf“-Plakaten von Opel. Hier wurden bekannte Vorurteile relativiert („78% der Deutschen verbinden mit Hamburg Regenwetter. In Köln regnet es deutlich öfter“), ohne dabei die Marke Opel zu erwähnen. Erst nach Veröffentlichung der Kampagne wurde mit weiteren Plakaten aufgelöst, wer hinter dieser Marketingaktion steckt („Ist Opel noch so wie Sie denken? Schauen Sie doch mal nach!“). Auch Videos von Edeka, die mit fast 11 Mio. Klicks Deutschland „Supergeil“ gemacht haben gehören zum Viralen Marketing. Ein cooler Typ mit rauchiger Stimme, der einen Supermarkt mit „Supergeil“ betitelt. Das funktioniert!

Fotos: X X X

Marketing richtet sich nach AIDA. Damit ist kein Kreuzfahrtschiff gemeint, sondern die Grundlagen jeder Werbekampagne: Attention, Interest, Desire, Action. Wir sollen auf ein Produkt aufmerksam gemacht werden, Interesse und das Verlangen danach entwickeln und schließlich selbst aktiv werden – das heißt kaufen. Für Virales Marketing speziell gilt: unterhaltsam soll es sein. Schließlich setzt man auf den Willen des Konsumers, die Werbebotschaft an möglichst viele mögliche Kunden weiterzuverbreiten. Gutes Marketing ist, was aufmerksam macht – wie, ist egal. Das kann lustig sein wie „Supergeil“ oder schockierend wie die Horrorfilme „The Blair Witch Projekt“ und „Cloverfield“, die fast allein durch diese Form der Werbung im Internet bekannt wurden. Darin liegt allerdings auch eine Tücke des Viralen Marketings: Steht nicht das Produkt im Vordergrund wie bei klassischer Fernseh-, Radio- oder Zeitschriftenwerbung, geht es möglicherweise unter. Kennt noch jemand das Werbespiel Moorhuhn? Ein paar Tierschützer regten sich darüber auf, dass im Spiel auf unschuldiges Federvieh geschossen wurde. Es blieb aber völlig außer Acht, dass dieses Spiel für die schottische Whiskey-Marke Jonnie Walker wirbt – was für Kinder wohl genauso ungeeignet ist wie Hühner abzuschlachten. Auch die Frage, wie weit sich ein einzelnes Video auf den Konsum auswirkt ist umstritten – genaue Zahlen lassen sich am reinen Verbreitungsgrad nicht ermitteln. Jeder von uns hat seinen Freunden doch schon mal einen lustigen Clip, einen Link oder ein Bild im Internet geschickt weil er dieses “supergeil“ fand. Fast jeder hat schon einmal als Werbungsüberträger gearbeitet und seine Freunde angesteckt. Ist das so viel anders wie mit den Grippe-Viren? NOIR Nr. 33 ( Juli 2 014 )

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REPORTAGE

DAS JAHR 2064. VOM DIGITAL NATIVE ZUM DIGITAL SENIOR Wie sieht die Welt aus, wenn Du alt sein wirst? Nadine Wittleben, Zrinka Dilber und Rebecca Notter haben recherchiert. Herausgekommen ist der Tagebucheintrag des 17-jährigen Elias - aus dem Jahre 2064. Er zeigt uns den Alltag der Zukunft.

Der neue Bildungsbericht zeigt: Viele Digital Natives haben ihre Handschrift bereits verlernt. Die Zuckerberg-Schule in Sigmaringen fängt schon in der ersten Klasse mit dem Fach „Tabletbedienung“ an. Jovo, 16 Jahre, aus Deutschland, notiert einen Tag auf seinem IPhone 1000S seinen Schulalltag. Text: Nadine Wittleben

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iebes iPhone. Heute Morgen hätte ich fast meinen Onlinekurs in Mathe verpasst. Erst um zehn nach acht hat mein Notebook störende Radiotöne von sich gegeben. Ich gestehe: Die fehlerhafte Bedienung der Weckfunktion meines Notebooks sollte ich in Zukunft vermeiden. Startseite erschienen, Ladegerät in der Steckdose Schule geht los! Um viertel nach acht war ich dann online. Diese unglaubliche Verspätung würde einen negativen Eintrag in meinem Leistungs- und Entwicklungsprofil der Schule bedeuten. Eigentlich weniger dramatisch, wenn meine Mutter sich dort nicht jede Woche einloggen würde. Meine Lehrerin vergisst nämlich nichts: „EliasPfeiffer# Video#Chat#Mathe#2late“. Alle Schlafmützen werden auf unseren Onlinediensten öffentlich verlinkt. Mein Pech war, dass es dieses Mal der einzige Pflichttermin war. Sonst können wir selbst entscheiden, wann wir online lernen wollen. Nur heute ging es um die Besprechung unserer Klassenarbeit. Auf unserer Plattform werden alle Schülerinnen und Schüler angemeldet und haben ihr eigenes Profil. Unsere Lehrer dokumentieren und posten wöchentlich unsere Entwicklung und Leistung. Anders als ein Verspä-

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tungspost, ist ein Entwicklungspost nicht öffentlich, sondern nur für den Schüler, seinen Lehrer und beiden Elternteilen sichtbar. Manchmal frage ich mich, warum meine Leistungen haargenau dokumentiert werden müssen. Bin ich beim Arzt gelandet? Muss mein Unwissen schnellstmöglich geheilt werden? Viele Digital Natives reden immer noch vom Datenschutz unserer Onlinedienste der Schule. Herr Neumann hat mir erzählt, dass wir einen professionellen Internetanbieter mit guten Sicherheitsstandards haben und sich somit die eigene PC-Instandhaltung um ein vielfaches verringert. Ich finde es viel schlimmer, dass meine Mutter sieht, wann ich online war und wie schlecht ich mich entwickel. Dann lieber ein Fremder. Zurück zu heute Morgen: Ich habe die ersten zehn Minuten nicht viel im Mathekurs verpasst. Sobald ich online war und mich in meiner Gruppe „Mathe 9b“ einloggte, entdeckte ich das erste Video. Frau Kornitz saß mit Lockenwickler zu Hause und erklärte das Dividieren von Brüchen und nebenbei ein paar Inhalte für die Klassenarbeit. Mein Posteingang war mit Privatnachrichten voll. Lukas schrieb: „Ey, die Kornitz rollt wieder ihre Läuse in die Haare ein!“. Morgen geht es endlich wieder nach draußen! Lukas und ich machen gerade in Gemeinschaftskunde ein Podcast zum Thema „Onlinewahl“. Eigentlich könnte Papa mir dazu eine Stunde lang was in mein Mikro pöbeln. „Im Internet wird nur noch manipuliert, alles Verräter!“. Papa ist altmodisch und denkt man müsse in ein Wahllokal


EDITORIAL REPORTAGE

gehen. Ich bin der einzige in meiner Klasse mit Wahllokaleltern, weder im Besitz eines Handscanners, noch eines Wahlpasses. Willkommen im größten Peinlichkeitssektor der Welt! Im Talweg 5 bei meinen Eltern! Da gerade noch Gruppenarbeit und Heimunterricht am laufen sind, gehe ich nur noch Mittwochs zum Cyberunterricht in die Schule. Cyberunterricht ist einfach das Beste! Ich muss ihn auch mögen, denn meine 3D-Cyberbrille hat fünfhundert Euro gekostet. Bei der letzten Aufgabe war der Grundriss einer pflanzlichen Zelle abgebildet. An der Seite des Boards waren alle Zellbestandteile wild verteilt. Aufgabe: Brille auf, Zellbestandteile so schnell wir möglich auf den richtigen Platz in der pflanzlichen Zelle ziehen. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich selbst in der Pflanze drin. Vor lauter Staunen habe ich die Vakuole falsch platziert und verloren. Um was es überhaupt geht, hatte ich eh erst verstanden, als Frau Kornitz mit dem Zeigefinger und dem Daumen die Zelle zusammenzog und plötzlich eine ganze Pflanze abgebildet war mit tausenden dieser Zellen.

DIGITALE KIDS Gen-Manipulation ist der neue Lifestyle-Trend. Nicht nur beim Essen, sondern auch beim Menschen. Die Grenzen des ethisch Vertretbaren haben sich von Jahr zu Jahr immer weiter aufgelöst. Darf man jetzt alles? Text: Zrinka Dilber

FAKTEN-INTERVIEW Wie kann die Schule der Zukunft laut Experten aussehen? Unser Interviewpartner Dr. Lutz Goertz hat Kommunikationswissenschaften studiert und arbeitet als Medien- und Bildungsforscher am MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung in Essen.

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err Dr. Goertz, Wie sieht Ihre Schule der Zukunft aus? Meine Schule der Zukunft wäre nicht an Schulzeiten gebunden. Sie wäre projektorientiert und berufsbezogen. Strukturen dafür bietet jetzt schon lo-net².de. Die Lernplattform für Schulen liefert vielfältige Optionen des E-Learnings sowie webfreie E-Mailadressen und Dateiablagen. Darüber hinaus ist die Schule vernetzt.

Was passiert in der Zukunft mit unserem Fachwissen? Warum lernen, wenn man alles googeln kann? Was ist daran so schlimm? Es geht doch gar nicht mehr um das Wissen, sondern um Kompetenzen, also wie Liebes Tagebuch, Mama hat uns heute gesagt, dass sie sich überlegt, ich meine Erfahrungen in Handlunnoch ein Kind zu bekommen… Das war ‘ne riesige gen umsetze. Das bedeutet zum BeiÜberraschung, alle haben sich total gefreut, ein- spiel, wie ich Informationen richtig schließlich meiner großen Schwester. Ich bin mir recherchiere und sie miteinander aber ehrlich gesagt nicht so sicher, was ich darüber kombiniere. Egal, was ich lerne, ich denken soll.. Es ist ja so schon immer total chaotisch muss mich immer erst „Learning by Doing“ einarbeiten. Es nützt ja auch in unserer kleinen Wohnung.. Naja, mal schauen. nichts ein Buch zu lesen und zu daAnsonsten gibt es nicht viel neues, nach zu denken: “etzt weiß ich alles.“ 27.03.2064 Man lernt erst durch Erfahrungen Mama hat sich heute nochmal mit uns allen zu- und Wiederholung. sammengesetzt, um mit uns über die ganze Kindersache zu sprechen. Sie scheint sich das alles an- Verlernen wir das Denken durch scheinend schon genau überlegt und will mit mir die bestimmte Medien? Das Navi zum Beispiel ist eine nächsten Tage in der Onlinebibliothek rumstöbern, damit wir uns aussuchen können, wie das neue Entlastung, mit der ich gut arbeiten Baby aussehen soll. Die Nachricht über diese Pläne kann. Aber sollte diese „Prothese“ scheint meine große Schwester ziemlich aufzuregen, mal ausfallen, muss ich trotzdem zusie ist gleich darauf wortlos aufgestanden und in ihr rechtkommen können. Zimmer gegangen. Ich frage mich, was ihr Problem ist. Mich fasziniert der Gedanke, dass ich mir vorher schon ein perfektes Geschwisterchen aussuchen kann und ich muss sagen, dass ich mich jetzt auch damit angefreundet habe, dass wir bald Zuwachs bekommen. Ich wäre ja für einen kleinen Bruder. Dann

Wie sollen Digital Natives bzw. die nächste Generation damit zurechtkommen, wenn sie es nie gelernt haben? Das liegt an der Erziehung und ist auch die Aufgabe der Schulen. Schon im Kindesalter muss man lernen, sich in der Stadt zu orientieren. Falls das Navi mal ausfällt, darf man nicht völlig hilflos dastehen. In meiner Schulzeit wurde uns auch ein Stadtplan in die Hand gedrückt und die Stadtrallye ging los – das kann man auch heute noch machen. Aber die heutigen Schüler haben noch viel mehr Möglichkeiten – so wäre Geocaching für die Schulen eine moderne Alternative. In Deutschland hängt das Bildungsniveau oft von der sozialen Herkunft ab. Wie kann man mit heutigen Medien entgegenwirken? Es hängt davon ab, welche eigenen Geräte die Schüler mit in die Schule bringen und welche nicht – Smartphones und Tablet-PCs kosten viel Geld. Um Chancengleichheit herzustellen, können Schulen eine pfiffige Low-cost-Ausstattung einführen. Zum Beispiel einen „Notebookwagen“. Die Schüler recherchieren etwas auf dem Notebook und danach wird der Wagen wieder rausgefahren und steht für andere Klassen zur Verfügung.

NOIR Nr. 21 ( Juli 2 011)

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REPORTAGE

bin ich auch mal die große Schwester und kann immer auf ihn aufpassen. Blaue Augen wären auch echt cool, blau ist ja meine Lieblingsfarbe, aber Mama ist eher für grün. Ich bin jedenfalls echt gespannt, was wir zusammenstellen werden! Deine Jovo 28.03.2064 Liebes Tagebuch, Nachdem ich dir gestern geschrieben habe, ist noch viel passiert. Meine Schwester war gestern Abend nicht mehr beim Abendessen dabei, also bin ich danach in ihr Zimmer gegangen, um sie zu fragen, was los ist. Sie war ziemlich aufgewühlt und nachdem ich fragte, ob sie sich nicht über ein kleines Geschwisterchen freuen würde, antwortete sie mir auch endlich. Sie würde sich wirklich darüber freuen, allerdings hat Mamas Entscheidung, das Kind designen zu lassen, sie wütend gemacht. Mittlerweile kann ich sie sehr gut verstehen. Sie sagt, dass es nicht richtig ist, von vorneherein festlegen zu lassen, wie ein Baby aussehen muss. Dass Mama und die Designer ihm dadurch die eigene Freiheit nehmen würden und dass sie das Kind niemals so nehmen würden wie es ist. Sie sagt auch, dass dadurch natürlichen Kindern vermittelt wird, dass sie nicht mehr gut genug für die Eltern sind, die sich wirkliche Perfektion wünschen. Das Gespräch hat mich sehr verwirrt und ich konnte danach auch sehr lange nicht einschlafen. Inzwischen frage ich mich, wie Mama darauf kam, das Baby unbedingt vorher designen zu lassen. Vielleicht will sie wirklich nur verhindern, dass es irgendwelche schweren Krankheiten bekommt, aber ich weiß es nicht. Ich habe Angst, dass sie wirklich ein perfektes Kind will und dass in Zukunft alle nur noch an ihm gemessen werden. Wenn ich dann irgendwelche Fehler mache oder meine Noten mal wieder nicht so gut sind, wird Mama bestimmt nur umso enttäuschter von mir sein. Ich kann nun mal nicht perfekt sein und ich finde das ist auch gut so, aber ich glaube nicht, dass ich ertragen könnte, wenn Mama von mir erwartet perfekt zu sein. Und das Kind würde unter viel zu großen Erwartungen leben müssen, immer die beste Leistung bringen zu müssen. Das würde ich mir für niemanden wünschen. Das habe ich auch meiner Schwester Sarah erzählt gestern Abend. Sie wurde daraufhin sehr still und sagte, dass ich darüber niemals nachdenken sollte. Dass Mama und so liebt wie wir sind und dass sie es nur gut für die Zukunft des Kindes meint. Ich glaube wirklich, dass Mama nur gute Absichten hat, aber nach dem Gespräch gestern Abend macht ist mir doch noch ein bisschen mulmig. Ich

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NOIR Nr. 33 ( Juli 2 014 )

weiß wirklich nicht, was ich noch über die ganze Idee denken soll. Über ein neues Geschwisterchen freue ich mich sehr, aber ich fände es inzwischen besser, wenn es einfach eine Überraschung würde, wer dabei raus kommt. Wenn man sich nicht mehr überraschen lassen kann, freut man sich bestimmt auch weniger. Ich muss nochmal über alles nachdenken, so kann verwirrt kann ich nicht mit Mama darüber reden. Mama scheint wohl gemerkt zu haben, wie verwirrt ich bin. Vorhin kam sie in mein Zimmer und fragte mich, ob alles in Ordnung ist. Da konnte ich einfach nicht mehr still sein und erklärte ihr, was mein Problem ist. Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen, weil ich so schlecht über sie Gedacht habe, aber sie hörte mir Geduldig zu. Sie überlegte eine Weile und schließlich sagte sie, dass sie mich sehr gut verstehen kann. Sie hätte früher auch solche Bedenken gehabt, aber die Vorteile scheinen wohl für sie zu überwiegen. Wie Sarah sich schon gedacht hatte, geht es Mama vor allem darum, große Krankheiten im Voraus zu verhindern. Ich glaube das liegt vor allem daran, dass viele Familienmitglieder unter Krebs gelitten haben. Das kann ich wirklich verstehen. Aber ich finde es wirklich keine gute Idee, alles vorher „fertigstellen“ zu lassen. Es gibt doch mittlerweile so viele und auch gute Heilungsmöglichkeiten für Krebspatienten und Krankheiten aller Arten. Ich glaube nicht, dass man sich da unbedingt für ein Maßgeschneidertes Kind entscheiden muss. Jedenfalls bin ich jetzt sehr erleichtert, mit Mama darüber reden zu können, ich hatte schon befürchtet, sie würde sauer auf mich sein, wenn ich ihr davon erzählen würde. Aber als sie endlich verstand, warum es mir und auch Sarah so schlecht ging, sagte sie, es sei eine Entscheidung von uns allen, die wir gemeinsam Treffen müssen und dass sie sich noch mal Zeit nehmen wird, ihre Pläne zu überdenken. Vielleicht bekommen wir ja wirklich ein kleines Geschwisterchen, das natürlich und vielleicht nicht perfekt aber dafür umso toller wird.

ALLES 3D GEDRUCKT Beamen kann man zwar immer noch nicht. Aber Dinge an allen Orten mit all ihren Eigenschaften unendlich oft vervielfältigen - das geht. Wer braucht da noch Beam-Geräte? Text: Rebecca Notter

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iebes Tagebuch, nachdem meine Mutter und ich nun meine kleine Schwester ausgesucht haben, waren wir wirklich erschöpft. Nicht, dass es mir keinen Spaß gemacht hat, aber es ist schon

Illustration rechts: Zrinka Dilber


REPORTAGE EDITORIAL

FAKTEN-CHECK 3D-Drucker sind die großen Revolutionäre, die unsere Gesellschaft komplett umkrempeln werden. Aber das können sie bisher und was haben die nächsten Jahre für sie vorgesehen?

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ie NASA präsentierte vor kurzem ihren Prototypen eines Pizza-Druckers, das Unternehmen Barilla arbeitet an einem effizienten Spaghetti-Drucker, der durch das Hinzufügen von Teigpatronen der Firma in Restaurants angewandt werden soll, schon seit 2012 essen Mitarbeiter der Google-Zentrale in Mountain View, Kalifornien gedruckte Nudeln in der Mensa • Zurzeit ist es möglich, mit Plastik zu drucken, Süßigkeiten aus Schokolade herzustellen, auch Zellen, Metall, Papier, Gips und Beton, sogar Sand haben sich als Druckmaterial bewährt • In Zukunft soll hierbei umweltschonender gedruckt werden: statt erdölbasierend mit Maispasten (die beim Drucken nach Popcorn duften) und Holzpasten, dh mit nachwachsenden Rohstoffen • In der Medizin sollen mithilfe von Stammzellen ganze Organe gedruckt werden – zumindest synthetisches Fleisch wurde schon erfolgreich von niederländischen Forschern hergestellt

Fotos: X X X

• Durch die Nutzung von Lebensmitteldruckern könnten Nahrungsressourcen ergründet werden, die man heute nicht nutzt, wie zB Insekten, Algen, Gräser, die pulverisiert und später in Form gedruckt werden • Wer zurzeit Lust auf einen Burger aus dem 3D-Drucker hat, sollte 250.000€ dafür erübrigen können • Der bislang größte Drucker steht in Italien und druckt ganze Häusergebilde aus Sand! • 2015 sollen die ersten Lebensmittel-Drucker für einzelne Haushalte auf den Markt kommen, Warenwert ca 1200€ • 2025 sollen transplantationsfähige, menschliche Organe druckbar sein

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REPORTAGE

anstrengend, so ein Gespräch mit den Ärzten zu führen. Ich hätte nie gedacht, was man beim Babymachen alles beachten und bedenken muss! Aber jetzt ist es ja geschafft und ich freue mich schon sehr auf mein neues Geschwisterchen! Als wir aus dem Besprechungsraum gegangen sind, meinte Mama, dass es doch ganz praktisch wäre, direkt in der Kantine des Krankenhauses etwas zu essen. Das war wirklich keine schlechte Idee, mir knurrte der Magen nämlich entsetzlich! Deshalb sind wir gleich in den sprechenden Aufzug, haben nach der Kantine gefragt und schon standen wir in einem riesigen Saal voller Tische und Stühle, die feinsäuberlich quer zu den Wänden in den Raum ragten. Alles war strahlend weiß und sauber und es roch ein bisschen nach Desinfektionsmittel – der typische Klinikgeruch eben. Am anderen Ende des Saals standen zwei große, viereckige Kästen, im gleichen Weiß gehalten wie der Rest der Einrichtung. Sie sahen unserem Nahrungsdrucker zuhause ziemlich ähnlich, waren aber mindestens dreimal so hoch. Meine Mutter lief zum linken Drucker, ich nahm den anderen. Er sah aus wie ein Getränkeautomat, nur dass es hier nicht nur Trinken, sondern gleich ein ganzes Menü gab. Da mein Magen wieder zu knurren anfing, habe ich meine linke Hand mit der Innenseite nach oben in ein dafür vorgesehenes Quadrat links unten im Drucker gehalten und der Scanner darin las piepsend meine ID vom Handgelenk an. Sofort leuchtete ein Bildschirm direkt vor meinem Gesicht auf und begrüßte mich herzlich. „Guten Tag, Jovo. Du hast seit 12 Stunden keine Nahrung mehr zu dir genommen. Höchste Zeit für eine kleine Stärkung.“ Damit verschwanden die Worte und ein Umriss erschien auf dem Bildschirm. Routiniert habe ich versucht, meinen Kopf auf die richtige Höhe mit dem Umriss zu bringen und habe auch gleich schon meine linke Hand im Nahrungsdrucker umgedreht und meinen linken Zeigefinger gehorsam ausgestreckt. Das vertraute Summen ertönte während das grüne Scanninglicht über den Bildschirm wanderte und meine Augen, die Struktur meiner Haut, Fülle der Wangen und meine Atemfrequenz kontrollierte und ein scharfer Pieks in mein Fingerfleisch ließ mich ungewollt zusammenzucken, als sich eine Nadel in den Zeigefinger rammte. Jedes Mal erschrecke ich! Dabei ist es gar nicht mehr so schlimm. Darauf erschien der Begriff „Initializing“ und ein Balken füllt sich langsam, während ich ungeduldig darauf wartete, dass der Drucker mein Aussehen und meine Blutwerte ausgewertete, und ich dann endlich zwischen den verschiedenen auf 14

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mich und meine körperliche Verfassung zugeschnittenen Gerichten auswählen durfte. Ich jubelte, als ich das Ergebnis sah! Ich durfte heute tatsächlich einen Burger mit Pommes essen! Auch wenn wieder etwas Gemüse dabei war, aber egal: ein Burger! Ratatouille und Couscous gabs auch noch zur Auswahl, aber hallo? Schnell auf Burger gedrückt und schon ratterte der Drucker munter vor sich hin. Zuerst füllte der Drucker mir mein Getränk ein: ein Vitaminshake, dem mehr Eisen und Calcium zugesetzt wurden (ich leide seit meiner Geburt an leichtem Eisenmangel und mein Knochenwachstum soll mit dem Calcium gefördert werden) und dann schaute ich genüßlich zu, wie hinter einer Glasscheibe im Drucker mein superleckerer Burger entstand. Zwar nicht so groß wie ich gehofft habe, aber ich weiß, dass diese Portion ausreichen wird. Mehrere kleine Nadeln sausten über den Plattenteller des Druckers. Aus jeder einzelnen an die Nadeln angeschlossenen Kartusche floss eine andere Zutat: Proteine, Kohlenhydrate, Öl, Zucker, Cellulose und Synthetikzellen – alles verschmolz

Illustration: Zrinka Dilber


REPORTAGE

FAKTEN-CHECK Gen-Food? Gen-Manipulation? Wie weit ist die Forschung?

• Wienern Forschern ist es gelungen, Mäusegene soweit zu verändern, dass die kleinen Nager schlanker bleiben. Das „Medikament“ für Menschen ist schon in Planung. • Die Gene von Malaria-Mücken wurden so verändert, dass sie nur noch Söhne zeugten • Mit der Veränderung des KITLGGens könnan Haare von Labormäusen

entweder blond oder komplett weiß verändert werden • Das Gentest-Unternehmen 23andMe hat in Amerika ein Patent erhalten, das die ersten Schritte Richtung DesignerBaby gehen. So können die Samenspender von Kunden so ausgesucht werden, dass die Chance besteht, bestimmte Eigenschaften beim Kind zu erhöhen.

nach einem ausgetüftelten Algorythmenrezept miteinander zu meinem Burger. Unglaublich, wenn ich mir vorstelle, dass das früher nicht möglich war! Ich schaute kurz rüber zu Mama, die schon fertig war, und beneidete sie keineswegs um ihr Essen: sehr viel Gemüse, Vitamine und was weiß ich noch alles. Die Ärzte haben in ihrer ID vorhin sofort vermerkt, dass sie wieder schwanger werden will und die Nahrungsaufnahme aus diesem Grund eben daran angepasst werden musste. Eine tolle Maßnahme, wie ich finde. Heutzutage ist es schier unmöglich, NICHT schwanger zu werden, wenn man es möchte. Ich habe von meiner Oma gehört, dass das zu ihrer Zeit noch etwas schwieriger war… Aber bei meiner Oma war sowieso alles anders! Ich bin froh, dass diese Drucker erfunden wurden. Zwar dürfen wir uns unser Essen nicht selbst aussuchen, aber ich weiß, dass mir das Essen, das ich bekomme, gut tut. Früher waren die Leute dick und übergewichtig oder hatten Mangelerscheinungen. Das ist heute nicht mehr so. Außerdem leben wir so auch viel umweltfreundlicher. Es wird nur so viel Nahrung produziert wie wir benötigen – wir werfen nichts weg! Und dadurch, dass wir unser Fleisch synthetisch herstellen, müssen wir nicht mehr züchten, mästen und töten! Ich finde das gut so! Zwar gibt es im Untergrund Menschen, die etwas anderes sagen. Aber das sind solche Menschen, die mit den alten 3D-Druckern auf dem Schwarzmarkt handeln. Drucker, mit denen man noch selbst aussuchen konnte, was entsteht: Essen, Plastikfiguren, … Waffen! Deswegen hat die Regierung diese Drucker verboten, aber jeder weiß, dass sie noch existieren. Dabei tun sie nichts Gutes! Unsere Drucker tun Gutes: sie geben uns, was wir brauchen. Ohne einen solchen Drucker wäre mein Vater vielleicht gestorben! Jetzt arbeitet eine neue Niere in seinem Körper, nachdem die alte kaputt war. Und er hat keine Probleme mit ihr, keine Abstoßreaktion, nichts. Weil die neue Niere aus seinem Gewebe entstanden ist – in einem 3D-Drucker. Ein leises Schrillen hat mich dann aus meinen Tagträumen geweckt, der Burger war fertig. Perfekt! Mir lief das Wasser im Mund zusammen während ich mein Menu vom Druckerteller nahm und mich neben meine Mutter auf einen Stuhl setzte.

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LIFEST YLE

LET‘S PRACTICE SAFER SURF! Stell dir vor, du bist online und jeder sieht zu. Vor den Geheimdiensten ist niemand sicher – oder doch? Gibt es Möglichkeiten, sich gegen die digitale Totalüberwachung zu wehren? Dazu haben wir Stevan Cirkovic von der Piratenpartei befragt. Der 23-Jährige trat als jüngster deutscher Kandidat bei der Europawahl an. Text: Jasmin Maniakowski

Stevan Cirkovic, 23 Jahre, wurde schon mehrfach als „Digital Native“ bezeichnet und hat sich gegen diese Bezeichnung gewehrt: Er findet das Internetverhalten unserer Generation zu unverantwortlich. Der Student der Politikwissenschaft und Psychologie war 2014 Europakandidat für die Piraten und sitzt im Heidelberger Studierendenrat. Seine politischen Schwerpunkte sind Europäische Demokratie, Außenpolitik und Handelspolitik.

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tevan, wir leben in Zeiten von NSA, GCHQ & Co. Können wir uns überhaupt noch vor der digitalen Totalüberwachung schützen? Ja, die Antwort lautet: Digitale Selbstverteidigung. Das geht über Verschlüsselung des Mailverkehrs oder von Festplatten, genauso aber über bewusste Konsumentscheidungen für kleinere Provider oder Mini-Server als Dropbox-Ersatz. Das Hauptproblem liegt aber bei der Politik. Was genau kann die Politik denn tun? Die Regierung kann zweierlei machen: Erstens, digitale Bürgerrechte verankern. Zweitens, den Geheimdiensten verbieten, Internetnutzer auszuspionieren. Wir

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NOIR Nr. 21 ( Juli 2 011)

haben ein ganz ähnliches Problem wie mit Atomwaffen: Gebe ich sie als Land auf, hat sie der andere immer noch, obwohl es besser wäre, wenn wir sie beide aufgeben. Deshalb müssen Regierungen das Thema nicht in Verhandlungen isoliert lassen, sondern verknüpfen und Überwachungstechnologien weltweit gemeinsam abrüsten. Welche Rechte habe ich gegenwärtig überhaupt als „gläserner“ User? Solange unser Leben im Netz und unsere Privatsphäre im Allgemeinen als Keim des Terrors gesehen wird, genießen wir Bürgerrechte nur sehr beschränkt im Digitalen. Das sogenannte G-10-Gesetz schränkt in Deutschland das Fernmeldegeheimnis für den Mailverkehr ein: Pauschal und ohne richterliche Genehmigung dürfen 20% der Mails ausgewertet werden. Wie kann ich mich dagegen schützen? Muss ich ein Hacker oder Informatiker sein, um meine Mails verschlüsseln zu können und anonym zu surfen? Verschlüsselungssoftware gibt es online und kostenlos unter dem Stichwort „GPG“. Sie lässt sich auf freien Mailclients wie Thunderbird installieren. Vielen dieser Lösungen mangelt es allerdings noch an Nutzerfreundlichkeit. Wir alle sind mit dem Internet aufgewachsen, doch die Wenigsten von

uns sind wirklich Profis im Bereich von Verschlüsselungssoftware – wer kann mir also helfen wenn ich praktische Hilfe brauche? Youtube-Seminare und OnlineTutorials sind bereits sehr hilfreich. Darüber hinaus gibt es in allen größeren Städten sogenannte „Hacker Spaces“. Dort kann man Hacker und am Netz Interessierte treffen, sich austauschen und um Hilfe bitten. Damit nervt man auch nicht, sondern zeigt im Gegenteil Interesse. Es gibt da auch ansonsten eine Menge zu entdecken. Ob Datenkrake Google oder Facebook – über die Zeit habe ich sicher schon einen tiefen Fußabdruck im Internet hinterlassen. Wie kriege ich diesen wieder raus? Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zwingt Google, Suchergebnisse auf Antrag zu löschen. Das ist leider kein großer Wurf, denn gelöscht wird nicht die ursprüngliche Information. Es gilt immer noch: Das Internet vergisst nichts. Hast du noch abschließende Tipps für unsere Leser? Es ist für viele schwer sich nach der Empörung über die Eingriffe in unsere Rechte auch wirklich zu anderem Nutzerverhalten aufzuraffen. Da kann es helfen, sich unverschlüsselte Mails wie geöffnete Briefe vorzustellen.

Foto: http://stevan-cirkovic.de/wp-content/uploads/2014/03/fotostevan.png


LIFEST YLE

INTERNET TRENDS Jeder kennt sie, aber nicht jeder erkennt sie: Internet-Trends. Schaffst du es, alle zu erraten? Text: Tim Nikischin

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as Internet ist immer wieder offen für neue Überraschungen. Während uns früher, eine Vielzahl an Kettenbriefen, häufig mit erfundenem Inhalten plagten, beschäftigen sich die Leute heute mehr und mehr damit Bilder von sich zu posten oder ihr Essen in Sozialen Netzwerken zu posten. Wer kennt sie nicht? Die sogennanten [ ] zieren oder verschandeln fast jedes zweite Profilbild. Sicherlich, ein schönes Lächeln sähe besser aus. Aber irgendwie glauben wohl immer noch einige, diese Schnute wäre sexy. Um einiges hübscher sind hier [ ], die vor allem auch durch Snapchat oder Instagram an Popularität gewonnen haben. Damit dieses langweilige Foto auch Aufmerksamkeit findet, braucht man nur einen tollen Anlass für das Foto – irgendeine Gala oder eine krasse Landschaft oder ein Fallschirmsprung. Wenig populär, aber publikumswirksam: das [ ]. Dieser Trend umfasst das Posten von Bildern oder Videos, welche den Darsteller in einer steifen Pose, mit angelegten Armen und nach unten geneigtem Kopf zeigen. Meist werden die Bilder dabei auf öffentlichen Plätzen geknipst. Sinnfrei, aber sehr beliebt: [ ] Tänze. Hier tanzen meist mehrere Personen in einer verrückten Art zu einer bestimmten Musik. Der Trend verbreitete sich rasend schnell über die gesamte Welt – und ging so leise, wie er laut gekommen war. Wesentlich aufwändiger sind da [ ]. Man nehme eine riesige Menschenmenge und eine verrückte Idee. Ein paar Menschen führen eine Aktion aus und animieren alle anderen auf dem Platz. Wenn sogar alle Unbeteiligten mitmachen, sich mit der eins fühlen und das Hirn ausschalten, gilt diese Aktion als erfolgreich. Der Trend stirbt aber langsam aus, weil die Organisation zu anstrengend ist. Wenn schon eine riesige Menschenmenge da ist – warum nicht gleich Party machen? Die so genannten [ ] sind häufig vom gleichnamigen Film inspiriert. So funktioniert der Trend: Ein paar tausend Leute über Facebook-Veranstaltungen

Foto: „Hannah Netzer“ / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)

einladen, das gesamte Wohngebiet in eine einzige große Partyfläche umwandeln und eskalieren. Wenn es gut läuft, haben die Leute Spaß. Wenn es schlecht läuft, fackeln sie ein paar Häuse ab, versenken das Auto der Eltern im Hauspool und haben noch mehr Spaß. Naja, solange sie nicht Gastgeber sind. Dieser Trend ist eine alte Idee in neuen Dosen. Die so genannten [ ] sind Kettenbriefe mit der Aufforderung, ein Bier zu „exen“. Das ist cool, weil Alkohol cool ist. Die fünf Freunde, die als nächstes aufgefordert werden, finden das bestimmt auch voll cool. Und der Arbeitgeber ganz sicher auch. Hast du alle Trends erkannt? Sende uns die Lösungen an redaktion@noirmag.de!

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LIFEST YLE

MEDIA, MYSELF & I Billie Holidays Klassiker ist zeitlos. Leider passt er nicht mehr zum heutigen Lebensgefühl. Zeit, ihn umzutexten! Text: Rebecca Notter

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eränderung braucht Anerkennung! Die Welt ist im ständigen Wandel und so, wie die Leute früher waren, sind wir heute nicht mehr. Früher war das Leben anders als heute. Andere Liebe, andere Menschen, andere Sitten. Das sollte sich auch in unseren Worten widerspiegeln. Warum also hören wir immer noch den Text eines 70 Jahre alten Songs, ohne ihn jemals verändert zu haben? Wir haben es geschafft, den Text von „Me, Myself and I“ auf deutsch und auf dnternetdeutsch zu übersetzen.

ME, MYSELF AND I Ich, ich selbst und ich Mein Facebook-Account, Twitter und ich ARE ALL IN LOVE WITH YOU sind alle in dich verliebt. folgen dir schon lange, liken deine Posts und schicken dir kleine WhatsApp-Kuss-Smileys, wann immer gerade Zeit dazu ist. (Und wenn wir einmal besonders lustig veranlagt sind, kann es auch passieren, dass dir auf deinem Screen ein knuffiger Scheißhaufen entgegenlacht) WE ALL THINK YOU‘RE WONDERFUL Wir alle finden dich wundervoll. Der Online-Psychotest auf Mädchen.de hat nämlich ergeben, dass wir eine gewisse Zuneigung zu dir verspüren. WE DO Das tun wir wirklich! Und auch der Pulsmesser am Handgelenk bestätigt: Das ist keine Lüge! ME, MYSELF AND I Ich, ich selbst und ich Mein Facebook-Account, Twitter und ich HAVE JUST ONE POINT OF VIEW haben nur die eine Ansicht: vertreten nur einen Standpunkt: – der sich aber in den nächsten 10 Minuten sowieso wieder ändern könnte, je nach dem, was du in nächster Zeit alles so online stellst: 18

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LIFEST YLE

WE‘RE CONVINCED Wir sind überzeugt, Wir haben uns nach langen und ausführlichen Internetrecherchen sowie hitzigen Expertengesprächen mit Freunden via skype überzeugen lassen, THERE‘S NO ONE ELSE LIKE YOU dass es niemanden gibt, der so ist wie du. dass du wirklich einzigartig bist (auch wenn es in Deutschland circa 200 weitere Personen mit deinem Namen gibt. Das weiß ich, weil ich ihre Facebookprofile gecheckt habe) IT CAN‘T BE DENIED DEAR Niemand kann es bezweifeln, meine Liebe, Ich habe meinen Handyklingelton extra so umgestellt, dass wenn du anrufst, Elizabeth Mitchell YOU BROUGHT THE SUN TO US dass du die Sonne in unseren Herzen scheinen lässt. „You are my sunshine, my only sunshine, you make me haappyy when skies are grey…“ laut vor sich hinträllert (etwas peinlich, aber was macht man nicht alles für die Liebe) WE‘D BE SATISFIED DEAR Wir wären so glücklich und zufrieden, meine Liebe, Wir wären so glücklich, dass wir statt musikuntermalter Candy Crush Saga, die mit aufploppenden Whatsapp-Nachrichten wetteifert, einmal die Augen vom Display reißen und aus dem Fenster starren würden, um uns die Wolken am Himmel anzusehen und dabei an dich zu denken (wow, das sieht gar nicht mal so übel aus, da draußen! Schnell ein Foto für Instagram machen und dann noch etwas nachbearbeiten – vielleicht etwas aufhellen, … hmm, im Nostalgiemodus machen sich die Wolken sogar noch besser! Bin mal gespannt auf die Kommentare dazu…)

IF YOU, YOU‘D BELONG TO ONE OF US wenn du einem von uns gehören würdest. Und das alles würde nur passieren, wenn du uns auf Facebook zurückstupst. SO IF YOU PASS ME BY Wenn du also unbeachtet an mir vorbeigingest, Wenn meine Bemühungen aber nur so beantwortet werden: „Seen 11:49“, THREE HEARTS WILL BREAK IN TWO würden unsere drei Herzen sofort in zwei Teile zerbrechen. wäre ich so am Boden zerstört, dass ich einen traurigen Smiley auf Facebook poste, meinen WhatsApp-Status auf „beschäftigt“ stelle, mein Frühstücksei mit Bacon auf Instagram plötzlich weint anstatt zu lächeln und ich eventuell sogar den Flugmodus einschalte … nein, lieber noch auf gutefrage.net die Frage stellen, warum das Leben so ungerecht ist! Das macht da doch eh jeder Dritte. CAUSE ME, MYSELF AND I Denn ich, ich selbst und ich Denn mein Facebook-Account, Twitter und ich ARE ALL IN LOVE WITH YOU sind alle in dich verliebt. folgen dir schon lange, liken deine Posts und schicken dir kleine WhatsApp-Kuss-Smileys. Also gib dir endlich nen Ruck und stell deinen Status auf „vergeben“ um! CAUSE ME, MYSELF AND I Denn ich, ich selbst und ich Denn mein Facebook-Account, Twitter und ich ARE ALL IN LOVE WITH YOU sind alle in dich verliebt. folgen dir schon lange, liken deine Posts und schicken dir kleine WhatsApp-Kuss-Smileys. Also gib dir endlich nen Ruck und stell deinen Status auf „vergeben“ um!

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