Jahrestagung 2016 - Bundesverband der Hochschulgalerien

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Jahrestagung 2016 Bundesverband der Hochschulgalerien


Inhaltsverzeichnis Vorwort

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Galeriesteckbriefe

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Modellsituation Ausstellen. Schnitträume für Theorie und Praxis an Kunsthochschulen Nike Bätzner

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Weniger Bürokratie wagen. Austausch erfrischt Matthias Winzen

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Wie und durch was nutzen Hochschulgalerien der jungen Kunst? Ein Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern Katharina Ritter, Dokumentation: Saskia Riedel

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Wie wir zu Komplizen wurden. Ein Bericht zur Kooperationsausstellung zwischen der Akademie der Bildenden Künste München und der HBKsaar Saskia Riedel

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Ausstellen lehren? Offene Diskussion zur Vermittlung des Ausstellens in Theorie und Praxis Julia Kurz

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Plot.Point.Praxis. Künstlerausbildung und das Modell einer Hochschulgalerie als Höhentraining und Wurzelkanalbohrung else (Twin) Gabriel

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Die Masterstudiengänge Kuratieren und Museumspädagogik an der HBKsaar Andreas Möller

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Ausstellungen des Bundesverbandes der Hochschulgalerien

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Impressum

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Vorwort Im Juni 2015 war der Volkspark in Halle, der die Galerie der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle beherbergt, der sonnenbeschienene Schauplatz eines ersten Treffens von LeiterInnen einiger Hochschulgalerien und weiterer Akteure, die sich für das Thema „Ausstellen im Kontext von Kunsthochschulen“ interessieren. Das Anliegen dieser Zusammenkunft war der Austausch, ein Sichkennenlernen, um Möglichkeiten der Vernetzung auszuloten. Daraus entstand die Idee, die fruchtbaren Gespräche weiterzuführen, mehr über die unterschiedliche Ausrichtung der Galerien an Hochschulen zu erfahren, gemeinsame Projekte zu initiieren – und all diesen Initiativen eine Plattform zu geben. So wurde im Januar 2016 in Berlin der Bundesverband der Hochschulgalerien gegründet – parallel zu einer Ausstellung, die, als erste Initiative des Galeriennetzwerkes, AbsolventInnen verschiedener Kunsthochschulen in der Kunsthalle der weißensee kunsthochschule berlin zusammenführte. Schnell folgten darauf weitere Kooperationsprojekte und Ausstellungen und im Juni 2016 fand an der HBKsaar, Saarbrücken, bereits eine erste gemeinsame Tagung des Verbands statt. Viele Kunsthochschulen und Akademien haben im letzten Jahrzehnt Campusgalerien eröffnet oder deren Präsenz intensiviert. Studentische Initiativen führten an diversen Hochschulorten zu teilweise langlebigen Projekträumen. Gleichzeitig ist die Phase zwischen Studienabschluss und Etablierung im Berufsfeld als FreieR KünstlerIn, als KuratorIn, MuseumspädagogIn, AusstellungsmacherIn oder AusstellungsdesignerIn dynamischer und chancenreicher, jedoch bezüglich der Anforderungen auch unübersichtlicher geworden. Hochschulgalerien sind Schnittstellen zwischen Hochschulbetrieb und Öffentlichkeit. Und von daher sind sie Erprobungsfelder insbesondere für AbsolventInnen, also für junge KünstlerInnen in der Endphase ihres Studiums oder der Phase des Beginns einer oft prekären Existenz, in der sie sich in der Gesellschaft und notwendigerweise auch auf dem Kunstmarkt behaupten müssen. Darüber hinaus präsentieren die Hochschulgalerien thematisch orientierte Ausstellungen, Kooperationsprojekte, einzelne Künstlerpositionen. Sie zeigen zum einen, welche vielfältigen Ansätze die jeweilige Hochschule ausmachen, zum anderen holen sie aber auch das in die Institution hinein, was sie dort zur Betrachtung und Diskussion stellen wollen. Insgesamt ist ein Potenzial an mannigfaltigen Initiativen, Aktivitäten, Erfahrungswissen sowie materiellen und kulturellen Möglichkeiten neben und außerhalb des Kunstmarktes erkennbar, das es zu vernetzen und zu professionalisieren gilt. Der Bundesverband der Hochschulgalerien versteht sich als Netzwerk für den theoretischen und praktischen Austausch. Der vorliegende Band stellt die im Verband zusammengeschlossenen Hochschulgalerien vor, dokumentiert die Diskussionen und konkreten Ideen zur weiteren Vernetzung der Galerien, enthält exemplarische Darstellungen sowie Reflexionen zu einschlägigen Studiengängen und vermittelt – so hoffen wir – einiges von der Aufbruchsstimmung der Tagung in Saarbrücken. Matthias Winzen, Nike Bätzner, Thaddäus Hüppi, Vorstand des Bundesverbandes der Hochschulgalerien April 2017

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Nach einer längeren Vorbereitungszeit konnten die Räume der Akademie-Galerie im Februar 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Lage, in der sich das neue Institut am Burgplatz 1 befindet, gehört zu den attraktivsten in der Düsseldorfer Altstadt und sollte geeignet sein, Bürger und Besucher zu interessieren und anzuziehen. Die Düsseldorfer Akademie erhält mit einer eigenen Galerie einen Ort der Selbsterfahrung und Selbstreflexion. So kann sie sich der Öffentlichkeit noch von einer anderen Seite als mit dem jährlich stattfindenden Rundgang präsentieren, der den Ergebnissen der Lehre und der Förderung angehender KünstlerInnen gewidmet ist. Die Akademie-Galerie beherbergt das Gedächtnis der Institution und will zugleich eine vorbildliche Einrichtung der Kunstpflege sein. Sie setzt in der Kunstszene Düsseldorf neue, unübersehbare Akzente.

↓ Außenansicht Galerie (Foto: Babette Bangemann)

Akademie-Galerie – Die Neue Sammlung Kunstakademie Düsseldorf

Gründungsjahr 2005 Fläche ca. 650 qm verteilt auf sechs Ausstellungsräume Verantwortlich Prof. Dr. Robert Fleck, Leiter der Akademie-Galerie – Die Neue Sammlung Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Vanessa Sondermann, 0211 – 1396405, vanessa.sondermann@kunstakademie-duesseldorf.de Kontakt Sekretariat Cornelia Deertz, 0211 – 1396223, cornelia.deertz@kunstakademie-duesseldorf.de

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↓ Leere Galerie (Foto: Sebastian Riemer)

Adresse Burgplatz 1, 40213 Düsseldorf


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Adresse U-Bahnhof Universität, Zwischengeschoss, Ausgang Akademiestraße Gründungsjahr eröffnet 1989 mit einer Ausstellung von Eduardo Paolozzi Fläche ca. 95 qm Partner Die AkademieGalerie München wird ermöglicht durch die Unterstützung der BMW Group und des Kulturreferats der Landeshauptstadt München. Kontakt / Organisation / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Angela Holzwig, Referentin des Präsidiums, 089 – 3852155, Fax: 089 – 3852227, holzwig@adbk.mhn.de 8

↓ UffAffUff, Louisa Abdelkader, 23. April bis 5. Mai 2013

Die Einrichtung dieses Ausstellungsraumes im Zwischengeschoss der U-Bahnstation Universität war 1989 zunächst ein Experiment. Seitdem ist die AkademieGalerie zu einem etablierten Präsentationsort geworden; sie zeigt ausschließlich Ausstellungen von Studierenden der Akademie. Es werden zwischen 11 und 16 Ausstellungen pro Jahr gezeigt. Die Galerie ist die einzige kontinuierlich bespielte Ausstellungsfläche der Akademie – ein Schaufenster mit permanentem Szenenwechsel. Neben der großen Jahresausstellung im Sommersemester erhält man hier einen Eindruck von der Vielfalt der künstlerischen Arbeit der Akademie. In bisher weit über 300 Einzel- oder Gruppenprojekten wurden künstlerische Konzepte für diesen Raum erarbeitet – gezeigt wurden Positionen aus Malerei, Bildhauerei und Fotografie, Performances, Rauminstallationen, Videoprojektionen und interaktive Projekte. Die Programmauswahl erfolgt durch wechselnde Kuratoren aus dem Haus und Externe, jeweils gemeinsam mit der Studierendenvertretung. Jeder Studierende kann sich mit einem auf den Raum hin konzipierten Projekt bewerben.

↓ Vacancy / No Vacancy, Gabi Blum & Sophia Süßmilch, 18. bis 29. Juli 2012

AkademieGalerie München Akademie der Bildenden Künste München


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Adresse Halle 13, Auf AEG, Muggenhofer Straße 135, 90429 Nürnberg Gründungsjahr 2007, seit September 2013 in neuen Räumen Auf AEG Fläche 200 qm Verantwortlich Petra Meyer, Carina Essl Kontakt 0911 – 9404134, galerie@adbk-nuernberg.de, www.adbk-nuernberg.de 10

↓ HOLZWEG: DAS KLINGT ROMANTISCH / Buchvorstellung von Katharina Frick, Sandra Hasenöder, Katharina Heubner, Miho Kasama, Marianne Vordermayr, April 2014 (Foto: M. Vordermayr)

Die Akademie Galerie Nürnberg bietet Studierenden der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg die Möglichkeit, ihre Arbeiten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf dem ehemaligen AEG-Gelände fügt sich die Akademie Galerie in das vielfältige Nutzungskonzept der stillgelegten Industriestätte ein, das Kunst und Wissenschaft, Kreativität und Forschung vereint. Mit rund 200 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentiert sich die Akademie Galerie in einer funktionellen Nüchternheit, die auf die ursprünglich industrielle Verwendung des Gebäudes als Produktionshalle verweist und dessen Atmosphäre bewahrt. Der Raum eröffnet den Studierenden ein breites Spektrum an künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten. In Zusammenarbeit mit jungen KuratorInnen wird das Programm der Galerie im Rahmen hochschulinterner Workshops entworfen, sodass die Studierenden praxisnahe Einblicke in die Konzeption von Ausstellungsinhalten gewinnen. Daneben werden Klassenpräsentationen und Vernetzungsprojekte mit anderen Hochschulen initiiert.

↓ We’ve got the Look! – Juergen Teller & Studierende, 20. September bis 5. Oktober 2014 (Foto: Nils A. Petersen)

Akademie Galerie Nürnberg Akademie der Bildenden Künste Nürnberg


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Adresse Gerberstraße 5 c, 70178 Stuttgart Gründungsjahr 2016 Fläche ca. 60 qm Verantwortlich Daniel Mijic, Leiter der Werkstatt für Druckgraphik in der Fachgruppe Kunst; Marion Butsch, Leiterin des Bereichs Veranstaltungsorganisation und Studierendenmarketing Partner Künstlerbund Baden-Württemberg e. V., vertreten durch den Vorsitzenden Prof. Werner Pokorny und den Geschäftsführer Clemens Ottnad, M. A. Kontakt 0711 – 28440321, marion.butsch@abk-stuttgart.de

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↓ AKKU, Galerie der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

Die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart mit ihrer mehr als 250jährigen Geschichte ist eine der größten Kunsthochschulen in Deutschland. Mit 18 Studiengängen in den Fachgruppen Kunst, Architektur, Design und Kunstwissenschaften-Restaurierung bietet sie ca. 900 Studierenden ein breites Spektrum an Forschungs- und Studienmöglichkeiten. Seit Anfang 2016 verfügt die Kunstakademie über den Projektraum AKKU in der Innenstadt, der eine stärkere Präsenz der Hochschule im Stadtzentrum und einen direkteren Dialog mit dem Publikum ermöglicht. Der AKKU ist eine Kooperation des Künstlerbundes BadenWürttemberg und der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart mit Unterstützung des Vereins der Freunde der Akademie Stuttgart e.V. Der Raum wird von beiden Partnern etwa viermal jährlich für eine Ausstellung genutzt. Die kuratorische Ausrichtung ist frei. Gezeigt werden unter anderem Diplome der Bildenden Kunst sowie Klassenausstellungen und freie Projekte aus verschiedenen Studiengängen.

↓ AKKU, Galerie der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

AKKU Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart


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Adresse Volkspark Halle, Schleifweg 8 a, 06114 Halle (Saale) Gründungsjahr seit 2000 im historischen Gebäude des Volksparks, zuvor an verschiedenen Orten der Stadt Fläche 345 qm, optional Nutzung von weiteren Räumen Verantwortlich Dr. Jule Reuter, Kuratorin (seit 2013); Prof. Michaela Schweiger, Professorin für Zeitbasierte Künste, Prorektorin, Projektverantwortliche für die Galerie (seit 2016) Kontakt 0345 – 775158080, reuter@burg-halle.de; Caroline Sell, Kuratorische Assistenz, 0345 – 775158080, burggalerie@burg-halle.de Zur Entwicklung der Galerie Paolo Bianchi, 2011–2013 Kurator der Burg Galerie im Volkspark Prof. Dr. Nike Bätzner, Professorin für Kunstgeschichte, Prorektorin 2010–2014, 2010–2015 Projektverantwortliche für die Burg Galerie im Volkspark Dr. Renate Luckner-Bien, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle bis 2014, 2000–2010 Projektverantwortliche für die Burg Galerie im Volkspark

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↓ Der unerledigte Gobelin, KuratorInnen: Prof. Ulrich Reimkasten, Dr. Jule Reuter, in Zusammenarbeit mit Bork Schaetz, Katharina Stark und Inka Schottdorf , 13. Oktober bis 16. November 2016 (Foto: Matthias Ritzmann)

Die Burg Galerie im Volkspark ist eine Plattform, um das Ausstellen und die unterschiedlichen Formen der Vermittlung zu lehren und zu erproben. Die Galerie zeigt Arbeiten sowie Produktionen von Klassen und Studienrichtungen der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und stellt relevante Entwicklungen im Feld der unterschiedlichen Lehrgebiete vor. Sie knüpft Netzwerke nach innen und außen, macht die künstlerische Arbeit und Forschung der Lehrenden sichtbar und erörtert hochschulrelevante Themen. Die Hochschulgalerie ist zudem ein Ort des Diskurses, an dem aktuelle Entwicklungen in Kunst, Design und Gesellschaft reflektiert und in Themenausstellungen, oft unter Einbeziehung externer künstlerischer Positionen, verhandelt werden. Eine besondere Rolle in der Galeriearbeit spielt die Vermittlung. Es werden regelmäßig Begleitveranstaltungen, Gespräche mit KünstlerInnen sowie innovative Führungsformate – teilweise entwickelt und umgesetzt in Kooperation mit dem Studiengang Kunstpädagogik – angeboten. Das Programm der Galerie wird von der Kuratorin und der Hochschulleitung im Dialog entwickelt. So erfährt die Ausstellungstätigkeit der Galerie beständig neue Impulse und ist von wechselnden Diskursen geprägt.

↓ Pro oder Kontra, Kuratorinnen: Julia Kurz, Dr. Jule Reuter, 1. Dezember bis 12. Januar 2017 (Foto: Matthias Ritzmann)

Burg Galerie im Volkspark Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle


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Die Burg2 ist ein studentisch organisierter Ausstellungsraum für Studierende der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Er bietet den Studierenden der Hochschule die Möglichkeit, ihre künstlerische Arbeit der Öffentlichkeit vorzustellen. Sie haben dadurch die Chance, Erfahrungen in der Vor- und Nachbereitung einer Ausstellung zu sammeln und über die eigenen Arbeiten zu sprechen. Gleichzeitig fungiert der Raum als Fenster und ermöglicht den Anwohnern einen Einblick in das sonst hinter den Burgmauern verborgene Geschehen. Jedem Aussteller steht der Raum für eine Präsentationswoche inklusive einer Umbauwoche zur Verfügung. Am Ende eines jeden Semesters können sich die Studierenden für das folgende Semester bewerben. Zu Beginn eines Ausstellungsturnus erscheint ein Programmheft, das die Ausstellungen des kommenden Semesters vorstellt.

Adresse Burgstraße 2, 06114 Halle (Saale) Gründungsjahr 2014 Fläche 18 qm Verantwortlich Gründungsteam: Marcus Biesecke, Sarah Schuschkleb, Nelly Stein; aktuelles Team: Marie-Luise Möller, Lea Rohde, Sarah Schuschkleb, Corinna Stier Kontakt burg2plattform@gmail.com 16

↓ David Lynch hängt in einer Sommerdepression, Jantje Almstedt & Katja Jaroschewski, 2. bis 9. September 2016 (Foto: Burg2)

Burg2 – studentischer Ausstellungsraum Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle


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Adresse Johannes-Selenka-Platz 1, 38118 Braunschweig Gründungsjahr 2002 Fläche 200 qm Verantwortlich Programmplanung und Durchführung: Präsidialbüro; Ausstellungs- und Veranstaltungsmanagement: Karen Klauke, Leitung; Sabine Maag, Sachbearbeitung; Viola Steinhoff-Meyer, Sachbearbeitung Kontakt 0531 – 3919012, ka.klauke@hbk-bs.de 18

↓ Eucalyptika, Sonja Alhäuser, 23. Juni bis 17. Juli 2016 (Foto: Inga Barnick)

Die HBK Braunschweig unterhält seit vielen Jahren einen Ausstellungsraum, der 2002 durch umfangreiche Baumaßnahmen zur Hochschulgalerie umgebaut wurde. Präsentiert werden neben Professorenausstellungen Ergebnisse von Projekten der verschiedenen Studiengänge oder internationaler Zusammenarbeit, Kooperationen mit anderen Hochschulen sowie Abschlusspräsentationen diverser Stipendienprogramme. Eine Auswahlkommission mit VertreterInnen der einzelnen Fachbereiche aus Kunst, Design und Wissenschaft ist, unter der Leitung der Vizepräsidentin für Forschung und künstlerische Vorhaben, an der Programmgestaltung maßgeblich beteiligt. Es werden etwa fünf Ausstellungen pro Jahr gezeigt, hinzu kommen studentische Interventionen.

↓ ON TIME, Alexandra Martini, 26. Oktober bis 25. November 2011 (Foto: Sebastian Lang)

Galerie der HBK Braunschweig Hochschule für Bildende Künste Braunschweig


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Adresse Lerchenfeld 2, 22081 Hamburg Gründungsjahr 2004 Fläche ca. 109 qm Verantwortlich Prof. Martin Köttering Kontakt www.hfbk-hamburg.de/galerie-der-hfbk 20

↓ I love deserts and would be one if I could, KuratorInnen: Roman Barkow, Nina Kuttler, November 2015 (Foto: Goetz Sommer)

Das Konzept für diesen experimentellen Ausstellungsraum basiert auf der Idee, ein hochschuleigenes Forum für kuratorische und künstlerische Ausstellungspraxis zu schaffen und diese zugleich kontinuierlich einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Galerie eröffnet ein Experimentierfeld, in dem die Erprobung unterschiedlicher Ausstellungsformate ebenso wie die Umsetzung kuratorischer Strategien und die Realisierung künstlerischer Vorhaben unter der Berücksichtigung von Fragen der Vermittlung im Fokus stehen. Dabei bietet die Hochschule als Ausbildungsinstitution einen geschützten Rahmen, innerhalb dessen die KuratorInnen und KünstlerInnen unabhängig und eigenständig neue Ideen entwickeln können. Mit der Hochschulgalerie wird das Lehrangebot der HFBK um das Modul „Kuratorische Praxis und Theorie“ unter der Leitung und Verantwortung von Prof. Martin Köttering erweitert. Aus einer Reihe von Bewerbungen wählt er die studentischen KuratorInnen aus, die das Programm der Galerie für jeweils ein Semester verantworten und entsprechend unterschiedlich sowohl inhaltlich als auch formal prägen.

↓ Wenn alles zu Ende ist, Performance von Signe Raunkjaer Holm, KuratorInnen: Mona Hermann, Elisa Schiller, Juni 2016 (Foto: Edward Greiner)

Galerie der HFBK Hamburg Hochschule für bildende Künste Hamburg


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Die Galerie der HfK Bremen ist ein Ausstellungsraum, der vom Fachbereich Kunst & Design und dem Fachbereich Musik genutzt wird. Es finden dort regelmäßig Diplomprüfungen und Ausstellungen der Freien Kunst, des Integrierten Designs oder der Digitalen Medien sowie unterschiedliche Veranstaltungen der Musik statt. Für freie Ausstellungen stehen pro Semester zwei feste Zeiträume à zwei Wochen inklusive Auf- und Abbau zur Verfügung. Da es für den Raum keine KuratorInnen gibt, ist die Bespielung für die Freie Kunst flexibel. Sie wird von Lehrenden der HfK in Zusammenarbeit mit den Studierenden organisiert. Jeder Ausstellung steht momentan ein Budget von 1.000 Euro zur Verfügung. Der Raum besteht aus einem großen und sehr hohen White Cube, mit zwei flexiblen, schwenkbaren Wänden links und rechts vom Eingang sowie verschiebbaren Wandelementen vor der Fensterwand.

Adresse Dechantstaße 13–15, 28195 Bremen Gründungsjahr 1990 / 91 Fläche Galerie: 227 qm, Foyer: 35 qm Verantwortlich Dezernat 4, Hausverwaltung / Haus- und Veranstaltungstechnik Kontakt 0421 – 95951032, Fax: 0421 – 95952032, f.pape@hfk-bremen.de 22

↓ Galerieraum der HfK Bremen

Galerie der HfK Bremen Hochschule für Künste Bremen


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Adresse Wächterstraße 11, 04107 Leipzig Gründungsjahr 1979; 2002 Neueröffnung nach Renovierung und Umbau Fläche ca. 200 qm Verantwortlich Kurator: Dr. Ralf F. Hartmann; wissenschaftliche Mitarbeiterin: Olga Vostretsova; Assistenz der Galerie: Valeria Schneider Kontakt 0341 – 2135149, galerie@hgb-leipzig.de 24

↓ HGB Galerie, Leipzig, 2011 (Foto: Oliver Hartung)

Die Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst versteht sich als Membran zwischen dem Inneren und Äußeren der Institution. Ihr Ziel ist es, sowohl die Lehrinhalte und -praktiken der verschiedenen Fachbereiche sinnvoll zu ergänzen und zu erweitern, als auch einen Beitrag zu aktuellen Fragestellungen im Kunstfeld zu leisten. Sie stellt damit Verbindungen her zwischen intern und extern geführten Diskussionen und bietet sich zugleich – im Zentrum der Hochschule gelegen – als sozialer und diskursiver Austragungsort von Debatten an. Aufgrund der spezifischen Möglichkeiten einer Hochschule erlaubt sie den Studierenden und Lehrenden ebenso wie eingeladenen KünstlerInnen, KuratorInnen und WissenschaftlerInnen eine experimentelle und reflektierende Ausstellungspraxis, die, über die Präsentation hinaus, Auseinandersetzungen mit dem Gezeigten, Überarbeitungen und Umformulierungen mit einschließen kann.

↓ HGB Galerie, Leipzig, 2011 (Foto: Oliver Hartung)

Galerie der HGB Leipzig Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig


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Adresse Keplerstraße 3, 66117 Saarbrücken Gründungsjahr 2010 Fläche 180 qm Verantwortlich Prof. Dr. Matthias Winzen Kontakt 0681 – 92652143, galerie@hbksaar.de 26

↓ Grtsk, 8. bis 22. Januar 2016 (Foto: Eric Lanz)

Die Galerie der HBKsaar bietet ein breites Experimentierfeld mit verschiedensten Gästen und interdisziplinärem Ansatz. Es werden Werke international renommierter KünstlerInnen und DesignerInnen wie Stephan Balkenhol, Thomas Ruff, Olaf Metzel oder Gunter Rambow ausgestellt. Verbunden über das Netzwerk mit anderen Kunsthochschulen zeigen AbsolventInnen der HBKsaar Dialogausstellungen beispielsweise gemeinsam mit Studierenden aus Berlin, Offenbach, Mainz, Siegen, München, Metz und Straßburg. Die Galerie richtet gemeinsam mit institutionellen Partnern und Stiftungen Wettbewerbe aus. Außerdem ist die Medienfassade experimenteller Ort für prozessuale Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten medialer Inszenierung. Das Rahmenprogramm der Galerie umfasst Diskussionen, Arbeitsbesprechungen und Tagungen. Die große Glasfront der Galerie ist nicht nur ein architektonischer Akzent, sondern auch inhaltliches Programm: ein Fenster nach innen und außen. Die Galerie ist lebendiger Kern der Masterstudiengänge „Kuratieren“ und „Museumspädagogik“. Die Studierenden, teilweise als wissenschaftliche MitarbeiterInnen der Galerie, erwerben Erfahrungswissen durch das Realisieren vielfältiger Ausstellungen und das Verfassen von Presse- und Katalogtexten. Im Rahmen der Masterstudiengänge kuratieren einige Studierende eigene Ausstellungsprojekte.

↓ Komplizen, KuratorInnen: C. Amberg, M. F. Palacios, S. Riedel, S. Törmer, 24. November bis 17. Dezember 2016 (Foto: Stefan Törmer)

Galerie der HBKsaar Hochschule der Bildenden Künste Saarbrücken


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Besucheradresse Filzengraben 2 a, 50676 Köln Postanschrift Glasmoog, Kunsthochschule für Medien Köln, Peter-Welter-Platz 2, 50676 Köln Gründungsjahr 2009 Fläche 80 qm Verantwortlich Heike Ander, Künstlerische Leitung; Katja Nantke, Kuratorische Assistenz Kontakt 0221 – 20189213 / 117, Fax: 0221 – 2018949213, glasmoog@khm.de

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↓ Başakşehir: An Urban Model, Sandra Schäfer (mit Ayşe Çavdar), 16. Mai bis 28. Juni 2014 (Foto: KHM / Heidi Pfohl)

Das Programm von Glasmoog verbindet regionale und internationale, bekannte und weniger bekannte künstlerische Positionen und flankiert, mit Blick auf die medialen Künste, die an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) verfolgten Fragestellungen und Diskurse. Glasmoog bietet einen Raum, in dem verschiedenste künstlerische Praktiken und experimentelle Prozesse, aber auch alternative Präsentationsformen möglich sind, und in dem – wie in einer Forschungsstation – Mechanismen, Strategien, Haltungen sichtbar und räumlich erlebbar werden. Ziel ist ein diskursiver Ort, der ausstrahlt auf Köln und die europäische Grenzregion. Im Zentrum der Aktivitäten stehen künstlerische Positionen, thematische Ausstellungen und Veranstaltungsreihen, ergänzt durch Künstlergespräche, Performances und Konzerte. Der Name Glasmoog verweist auf die ehemals hier angesiedelte Glaserei der Familie Moog („Glas Moog“) und spiegelt den von Handwerk und Handel geprägten Charakter des in Rheinnähe gelegenen südlichen Altstadtviertels, in das die KHM sich mit ihren Ateliers, Laboren, Werkstätten und Studios seit ihrer Gründung 1989 / 90 rhizomatisch eingeschrieben hat.

↓ Moondogs Candor, 7. November bis 20. Dezember 2014 (Foto: KHM / Heidi Pfohl)

Glasmoog – Raum für Kunst & Diskurs Kunsthochschule für Medien Köln


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Adresse CLB Berlin, Aufbau Haus, Prinzenstraße 84.2, Eingang Oranienstraße, 10969 Berlin Gründungsjahr 2009 Fläche 140 qm Verantwortlich Prof. Martin Liebscher Kontakt 069 – 80059256, liebscher@hfg-offenbach.de 30

↓ Der aktuelle Vorstand, Klasse Prof. Reski, 2016

HfG Offenbach: Satellit Berlin ist der exterritoriale Ausstellungsraum der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Von Prof. Martin Liebscher 2009 in Berlin Wedding in die Umlaufbahn geschossen und ab 2012 hinter dem Hamburger Bahnhof platziert, ist er nun zur Raumstation mutiert und ermöglicht Studierenden der HfG, ihre Kunst in Berlin zu erproben. Im Aufbauhaus, dem Kreativplaneten am Moritzplatz, hat der externe Ausstellungsraum der HfG einen außerordentlich prominenten Standort gefunden, der den Satellit in eine neue Dimension befördert. In Zusammenarbeit mit dem CLB Berlin können die neuen Räume, mit einer 140 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche, bespielt werden. Der Ausstellungsraum wird vom CLB Berlin betrieben, die HfG ist Teil davon.

↓ Der aktuelle Vorstand, Klasse Prof. Reski, 2016

HfG Offenbach: Satellit Berlin Hochschule für Gestaltung Offenbach


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Adresse Altes Hauptgebäude, Hochschulstraße 1, 64289 Darmstadt Gründungsjahr 2016 Fläche 140 qm Verantwortlich Julia Reichelt, M. A. Kontakt 06151 – 1620528, reichelt.ju@pvw.tu-darmstadt.de 32

↓ Darmstädter Tage der Fotografie, 22. bis 24. April 2016 (Foto: Claus Völker)

Das Kunstforum der TU Darmstadt hat seinen Ankerpunkt im Alten Hauptgebäude der TU und bespielt darüber hinaus auch weitere Orte der TU mit künstlerischen Aktivitäten, im Innen- wie im Außenraum. Es versteht sich als Ort der Begegnung, der Auseinandersetzung mit allen Facetten der Kunst, von Malerei über Installation, Fotografie, Video, Performance, Musik bis hin zu Tanz. Es bietet ein Forum und ist ein Forum. Die Ausstellungen des Kunstforums beziehen sich auf gesellschaftlich relevante Themen, auch um Schwellenängste gegenüber zeitgenössischer Kunst abzubauen. Mit der Ausrichtung auf aktuelle Themen vervollständigt das Programm des Kunstforums der TU Darmstadt das der vorhandenen Kunstszene in der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Einerseits wird jungen, noch nicht etablierten Kunstschaffenden eine öffentliche Plattform geboten und andererseits werden tradierte Positionen gewürdigt. Das Ausstellungsprogramm ist durch Querblicke und Überraschungen so vielfältig, wechselhaft und dynamisch, wie die Kunst selbst.

↓ Darmstädter Tage der Fotografie, 22. bis 24. April 2016 (Foto: Claus Völker)

Kunstforum der TU Darmstadt Technische Universität Darmstadt


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Adresse Ottostraße 7, 31137 Hildesheim Gründungsjahr 2014 Fläche variabel Verantwortlich Aktuelles Team: Teresa Heinzelmann, Patricia Heumüller, Philipp Köhler, Julian Obertopp, Maren Pfeiffer, Julien Rathje, Kerstin Rode, Elodie Sacher, Charlotte von Thaden, Philipp Valenta, Lea Willim und Lena Zischler; GründerInnen: Ilse Riediger, Franziska Harnisch, Jule Holst, Lina Schienke, Nada Schroer, Francisco Vogel und Sonja Wunderlich Kontakt kunstraum.wws53@gmail.com 34

↓ Einzelausstellung Felix Boekamp, 26. Oktober bis 16. November 2016 (Foto: Philipp Valenta)

Der Kunstraum 53 basiert auf einem Projekt, das von Master-Studierenden der kuratorischen Praxis 2014 an der Universität Hildesheim initiiert wurde. In ihm vereinen sich Experimentalraum, work in progress-space und Labor mit Ausstellungscharakter. Nach den ersten zwei Jahren in der Wollenweberstraße 53 zog der Kunstraum 53 im Oktober 2016 in die Ottotraße 7 um. Auch hier bespielt das Team wieder ein leerstehendes Ladenlokal mit Küche, Badezimmer und zwei weiteren Räumen. Seit 2014 wurden über 15 verschiedene Ausstellungsformate verwirklicht. Die Vielseitigkeit der Räumlichkeit erlaubt eine unterschiedliche Nutzung: Neben Veranstaltungen künstlerischen und musikalischen Charakters ist der Kunstraum 53 auch ein Ort sozialer Interaktion und Kommunikation. Das Veranstalten von Workshops und Seminaren ist in den Räumlichkeiten des Kunstraumes ebenso möglich. Der Kunstraum ist jedoch kein Veranstaltungsraum, sondern das Team experimentiert mit Formen der Organisation und versucht, neue Vermittlungsstrategien zu finden.

↓ Ich schaffe Unterbrechung/Du bringt Vereinigung, Materialisierungen des Immateriellen in der Welt, Gruppenausstellung mit den Künstlern Morehshin Allahyari und Daniel Rourke, Heinrich Holtgreve, Lisa Peters und Yarisal & Kublitz, 25. November bis 25. Dezember 2016 (Foto Lena Zischler)

Kunstraum 53 Universität Hildesheim


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Adresse Marienstraße 18, 99423 Weimar Gründungsjahr 2008 Fläche Zurzeit kein eigener Ausstellungsraum Verantwortlich Josephine Jatzlau, Michael Merkel, Helene Meier, Maria Kubitscheck, Mona Deiters, Evelina Heinz, Tanja Potezica, Nicola Lukassek Kontakt markepunktsechs.de/page/marke-6, marke.6@uni-weimar.de 36

↓ Bauhaus.Essentials, Tutti Frutti, Oktober 2016 (Foto: Josephine Latzlau)

Seit nunmehr acht Jahren präsentiert die studentisch geleitete Universitätsgalerie marke.6 das künstlerische Schaffen der Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar. Als wandernder Ausstellungsraum bildet sie ein Bindeglied zwischen Stadt und Hochschule und regt Diskurse sowie Experimente an. Die Initiative ist ein von Studierenden gelebtes und gestaltetes Projekt, das das kreative Potential der Studierenden der Bauhaus-Universität nach außen hin sichtbar macht. Die marke.6 hat keinen festen Ausstellungsraum. Das Ziel ist es, für die ausgewählten Werke den passenden Rahmen und Ausstellungsort zu finden, wodurch vielseitige Kooperationen mit Galerien, Museen oder Kunstmessen inner- und außerhalb Weimars entstehen. Inzwischen hat sich die Universitätsgalerie als fester Bestandteil der Weimarer Kunst- und Kulturlandschaft etabliert und ein überregionales Renommee erworben. Sie kann stolz auf eine spannende Geschichte mit über 30 realisierten Ausstellungen zurückblicken. Im Jahr 2017 arbeiten acht Studierende der BauhausUniversität Weimar fachübergreifend und ehrenamtlich im Galeriebetrieb zusammen. Das Team wird aufgrund der studentischen Dynamik immer wieder neu zusammengesetzt, wodurch abwechslungsreiche und ständig neue Projekte entstehen.

↓ Bauhaus.Essentials, Tutti Frutti, Oktober 2016 (Foto: Josephine Latzlau)

marke.6 Ausstellungsraum der Bauhaus-Universität Weimar Bauhaus-Universität Weimar


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Adresse Georg Treu-Platz 1, 01067 Dresden Gründungsjahr Wiedereröffnung nach der Rekonstruktion im Oktober 2000 Fläche ca. 700 qm Verantwortlich Susanne Greinke, Kuratorin und Leiterin Referat Ausstellungswesen Kontakt 0351 – 44022807, greinke©hfbk-dresden.de 38

↓ Meisterschülerausstellung, 2012 (Foto: Fabian Glass)

Die HfBK Dresden verfügt in ihrem Gebäude an der Brühlschen Terrasse über drei Ausstellungsbereiche mit einer Fläche von insgesamt rund 1.000 qm. Das Oktogon wurde nach umfangreicher Sanierung im Oktober 2000 wiedereröffnet. Das Ausstellungsprogramm wird von der Kuratorin in Absprache mit dem Rektorat und den Lehrenden entwickelt. Neben Projekten, die aus der Zusammenarbeit mit StudentInnen, AbsolventInnen und Lehrenden entstehen, werden Ausstellungen international renommierter KünstlerInnen und Projekte gezeigt, die in Kooperation mit anderen Kunstakademien und Museen sowie mit Förderern junger KünstlerInnen entwickelt werden. Das Oktogon ist Ausstellungshalle und Laboratorium für neue künstlerische sowie kuratorische Praktiken und Ort der Diskussion. Zum Ausstellungsprogramm gehört die jährliche Präsentation der Diplome in der Bildenden Kunst. Die Diplomarbeiten sind im Juli und August im Oktogon und in den angrenzenden Ateliers zu sehen. Der Senatssaal und die Galerie Brühlsche Terrasse stehen für studentische Ausstellungen zur Verfügung.

↓ Die Akademie der Dinge, Mark Dion, 2014 (Foto: Robert Vanis)

Oktogon der HfBK Dresden Hochschule für Bildende Künste Dresden


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Adresse wechselnd Gründungsjahr 2016 Verantwortlich Prof. Thaddäus Hüppi Kontakt Prof. Thaddäus Hüppi, Stolzenbergstraße 13, BAU II, 76532 Baden-Baden 40

↓ u. A. w. g. / um Ankauf wird gebeten, Staatliche Majolika Manufaktur, Karlsruhe, 2017

Ziel von PORTIPLUS ist es, KünstlerInnen, ProfessorInnen, Studierende und Alumni bundesweit zu vernetzen. Die Einladungen werden thematisch und situations- bzw. raumbedingt ausgesprochen. PORTIPLUS ist ein transportabler Ausstellungs- und Denkraum, eine Art methodischer Koffer für Selbstorganisation und Wertsteigerung, ein Verbandskasten für die erste und die zweite Hilfe, der mit unterschiedlichen Institutionen, Galerien und öffentlichen Einrichtungen zusammenarbeitet. Je nach Ausstellungsort finden Workshops, Vorlesungen, Seminare und andere akademische Rahmenprogramme statt. Andernorts, in Galerien, Kunstvereinen und auf Kunstmessen, werden systematisch Verkaufsausstellungen realisiert. Im Februar 2017 fand beispielsweise parallel zur Art Week Karlsruhe in den ortsansässigen Keramikwerkstätten der Majolika das Ausstellungsformat U. A. w. g. statt: Um Ankauf wird gebeten. Versteigerungen von Kunstwerken junger KünstlerInnen werden umgesetzt – zu ausgewählten Anlässen auch wiederkehrend in der Kunsthalle Baden-Baden in Zusammenarbeit mit deren Freundeskreis. Neben der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Formen der akademischen Ausbildung an den Hochschulen geht es strategisch um Handel, Wandel, Verhandlung und Positionierung in der Gesellschaft. Erklärtes Ziel von PORTIPLUS ist eine höhere Akzeptanz der noch nicht etablierten Kunst. In einem mobilen Schauraum ist es einfacher für die junge Generation im Rahmen gestandener KünstlerInnen Profile zu vergleichen und zu präzisieren, um sich optimal zu positionieren. Ein weiteres Ziel ist, Selbstsicherheit im Umgang mit etablierten Institutionen und dem Markt zu erarbeiten. Die Preisfindung ist neben der Präsentationsübung im Umfeld anderer Künstler ein wesentlicher Punkt. Es geht um die Präsentation und Diskussion unterschiedlicher, auch heterogener Kunstauffassungen an verschiedenen Ausstellungsorten. PORTIPLUS steht für die Vielfalt der künstlerischen Ausbildung und Formatsuche. PORTIPLUS ist Ansprechpartner für Außenstehende, um diese fachlich zu beraten oder eine Zusammenarbeit zu realisieren. VIELE WEGE FÜHREN NACH ROM. Und noch mehr Wege führen zu einer erfolgreichen Künstlerkarriere.

↓ Verliebte Künstler, losing control, AKKU, Stuttgart, 2016

PORTIPLUS


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Quarantäne bisher: Quarantäne 1, 2012, Hamburg, KDV Halle Quarantäne 2, 2012, Hamburg, KDV Halle Quarantäne 3, 2013, Kiel, Ehemaliger Schlecker, K34 Quarantäne 4, 2013, Hamburg, KDV Halle Quarantäne 5, 2014, Ekaterinburg, National Center for Contemporary Art (NCCA) Quarantäne Mediaextract, 2014, Moskau, Gallery GRAUND, Special Projects, Moscow Biennale for Young Art Quarantäne 6, 2014, Kiel, ehemaliger Schlecker, K34 Quarantäne 7, 2015, Veliko Tarnovo, Bulgarien, Kooperationsproject mit Duppini Art Group Quarantäne 8, 2016, Garlstorf, Garlstorfer Kunst Fest, DE

Verbund Landeshauptstadt Kiel, Prima Kunst, K34 e. V., Kulturdeich e. V., Spaceplace Nizhny Tagil, Russia, Underdog Gallery, Artgroup Duppini, Artgroup ZIP Team Kerngruppe: Marc Pospiech, Leonid Kharlamov, Elena Kaludova, Detlef Schlagheck und Katrin Kohler Kooperationspartner Muthesius Kunsthochschule Kiel, Kiel City Gallery, National Center for Contemporary Art (Yekaterinburg, Russia), Moscow Biennale for Young Art, Special Projects, Goethe-Institut München Kontakt quarantaene.info@gmx.de, www.quarantaeneblog.wordpress.com 42

↓ Quarantäne 5, National Center for Contemporary Art, Ekaterinburg, Russland

Die Quarantäne Art Group ist ein Kuratoren- und Künstlerkollektiv, deren Kerngruppe andere KünstlerInnen oder KuratorInnen einlädt, Ausstellungen gemeinsam zu entwickeln. Dabei werden die unterschiedlichen Rollen von Künstler, Kurator, Rezipient, Autor und Konsument befragt, neu verteilt und neu definiert. Nahezu alle Arbeiten entwickeln sich an der Ausstellungssituation: Ausstellungsraum, städtischer Umraum, Land, Sprache, Kultur, Politik, Künstlerindividuen, Partizipation und zu erwartendes Publikum spielen eine wichtige Rolle. Das Konzept ist nicht statisch, sondern entwickelt sich aufgrund gewonnener Erfahrungen weiter. Wichtig sind ebenso internationale Austauschausstellungen, denn kulturelle Unterschiede intensivieren den angestrebten Prozess. Eine sogenannte „Quarantäne“ besteht aus zwei Teilen: der nicht öffentlichen Phase (ca. zwei Wochen), in der eingeladene KünstlerInnen und die Kerngruppe gemeinsam arbeiten und leben, und der darauf folgenden öffentlichen Phase, der Ausstellung.

↓ Quarantäne 3, Ehemaliger Schleckermarkt, Kiel Gaarden

Quarantäne Art Group Kiel


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404 | BERLIN ART INSTITUTE Berlin Art Institute

↓ Gebäudeschild (Foto: BERLIN ART INSTITUTE 2017)

404 | BERLIN ART INSTITUTE ist das Display für die TeilnehmerInnen des BERLIN ART INSTITUTE. Die Bezeichnung 404 leitet sich von der numerischen Gebäudebezeichnung ab – dargestellt durch das historische Gebäudeschild –, ist aber zugleich ein aus dem Internet bekannter HTTP-Statuscode: 404 Not Found. Konzeptionell findet sich diese Bedeutung in der flexiblen und temporären Struktur der Ausstellungstätigkeit in wechselnden Formaten und Räumen / Sites des BAI wieder. Das Programm von 404 | BERLIN ART INSTITUTE bietet neben geplanten und kuratierten Ausstellungen Freiraum für spontane Projekte und kurzfristige Nutzungen durch die TeilnehmerInnen. Die Konzeption sieht weiterhin Präsentationen und Ausstellungen von GastdozentInnen und externen KünstlerInnen sowie von GastkuratorInnen und Gastinstitutionen vor.

Adresse An der Industriebahn 12–16, 13088 Berlin Gründungsjahr 2016 Fläche 40–120 qm (variabel) Verantwortlich Stephanie Jünemann & Ralf Schmitt, Direktoren BAI | BERLIN ART INSTITUTE Kontakt 030 – 2 3573530, Fax: 030 – 2 3573532, info@BerlinArtInstitute.com, www.BerlinArtInstitute.com 44


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Modellsituation Ausstellen Schnitträume für Theorie und Praxis an Kunsthochschulen Nike Bätzner Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist eine Bestandsaufnahme der Ausrichtung von Galerien an Kunsthochschulen. Anschließend möchte ich schlaglichtartig auffächern, wie Hochschulgalerien in das derzeitige Ausstellungswesen eingebettet sind. Die Ausrichtung der Galerien an Hochschulen oder von Projekträumen, die in enger Verbindung mit einer Hochschule stehen, ist äußerst unterschiedlich. Aus der Verschiedenheit ergeben sich Anforderungen, die am jeweiligen Ort spezifisch behandelt werden. Grundsätzlich lassen sich aus diesem Spektrum dennoch Leitfragen für die Vernetzungsideen unseres Verbandes ableiten. Wesentlich und in andere Überlegungen hineinspielend ist die Frage: Welche Funktionen können Galerien an Kunsthochschulen übernehmen? Die Beantwortung dieses Komplexes ergibt sich aus einem Spektrum weiterer Abwägungen. Ein erster Aspekt wäre: In welchem Verhältnis stehen die Galerien zur Lehre an einer Kunsthochschule? Die meisten Hochschulgalerien geben Einblick in die Praxis der Klassen, der Fachgebiete oder der an der Hochschule gelehrten Disziplinen. Einige stehen in Bezug zu den wissenschaftlichen Fächern, zu deren fachlicher Ausrichtung und entwickeln Projekte mit entsprechenden Themensetzungen. Mancherorts setzen die pädagogischen Lehrgebiete Programme und Experimente der Kunstvermittlung um. ↓ Ein Ansatzpunkt unseres Verbandes ist daher, mit dem Austausch zwischen den verschiedenen Orten etwas zur Stärkung der Verschränkung von Ausstellen und Lehre beizutragen. Interessant ist auch: Welchen Ordnungsstrukturen folgen oder unterstehen die Ausstellungsräume? Einige werden durch die Büros der Öffentlichkeitsarbeit geführt. Andere, gesteuert durch das jeweilige Rektorat, bilden Ansprüche und Erwartungshaltungen der Hochschulleitung ab. Weitere sind gekoppelt an spezifische Lehrgebiete wie Curatorial Studies. Manche werden geleitet durch eine/n KuratorIn oder durch ein in einem bestimmten Turnus wechselndes Team. Vereinzelt existieren auch Projekträume, die unabhängig von solcherlei Direktiven sind und auf „Zuruf “ funktionieren, die beispielsweise durch wechselnde studentische Initiativen getragen sind. ↓ Eines unserer Verbandsziele ist es, als Netzwerk Strukturen einer transdisziplinären und horizontalen Vernetzung jenseits der vertikalen Hierarchien zu stärken. Daran anschließend ergibt sich die Frage: Wie wird die Ausrichtung der Ausstellungsräume jeweils gestaltet und umgesetzt. Institutionell eingebettet werden die Galerien meist als Schaufenster der eigenen Hochschule aufgefasst. Sie dienen der Bestärkung nach innen und der Präsentation nach außen. So erreichen sie die Verflechtung mit der Region, verfolgen Kooperationen mit Institutionen vor Ort und stellen, teils integriert in die 46


Jahresrundgänge und andere Aktionen der „offenen Tür“, die Ergebnisse der künstlerischen Erprobungen den Bürgern vor. Intra-institutionell setzen sie zudem oftmals konkrete Kooperationsprojekte mit anderen Hochschulen um. Darüber hinaus streben sie, in Verbindung mit Internationalisierungsprogrammen der Hochschulen oder auch mit individuell von einzelnen Akteuren gewählten Partnern im Ausland, einen transnationalen Austausch an. Die Hochschulgalerien sind eine Schnittstelle zwischen Studium und „freiem“ Künstlerdasein, zwischen dem „Schutzraum“ der Institution und gesellschaftlichem Wirken. Hier lässt sich das Wechselverhältnis von Werk und Öffentlichkeit noch unabhängig vom Markt, aber auch mit deutlicher Orientierung auf ein Publikum, reflektieren. Die (kritische) Reflexion von Vermarktungsstrategien wird im Sinne der Career Center als „Professionalisierung“ gewertet. Doch zu fragen ist, worauf eine solche an die Hochschule angebundene Galeriepräsentation vorbereitet, wie ihr Aktionsradius und die Aufmerksamkeitsrelevanz einzuschätzen sind. Funktioniert der Realitätscheck? ↓ Hier will der Verband mit seinen Möglichkeiten der Vernetzung und den daraus resultierenden Synergieeffekten zu einer Verstärkung der Sichtbarkeit der Ausstellungsorte und ihrer Akteure beitragen. Galerien an Hochschulen fungieren aber auch als Schauräume beispielhafter künstlerischer und öffentlich wirksamer Positionen, von denen man sich eine Rückwirkung auf den hochschulinternen künstlerischen Diskurs erhofft und die man mittels eines Veranstaltungsprogramms an das „Hochschulleben“ andockt. Darüber hinaus lassen sich vielerlei Möglichkeiten der Resonanz von Galerien im Rahmen der Hochschulen denken. Dabei wird relevant: Welchen Status besitzen die Galerien? Wie sind sie im Rahmen der Institution Kunsthochschule positioniert? Das meint zum einen die Rückwirkung dessen, was in der Galerie erprobt wird, auf die Lehre der Kunsthochschule. Inhalte können im Voraus geplante thematische Semesterschwerpunkte umfassen, die mehrere Fachgebiete in einen Dialog bringen. An der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle haben sich beispielsweise im Sommer 2014 drei Fachgebiete aus dem Fachbereich Kunst und zwei aus dem Design anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von Halle-Neustadt mit Ideenhintergrund, Historie und Aktualität dieser Teilstadt befasst. In einem lockeren Austausch entstanden aus dieser vertiefenden Beschäftigung Ausstellungen in der Stadt und der Hochschulgalerie, ergänzt durch zwei Publikationen. Zu definieren ist bei solchen Projekten neben der kollegialen Zusammenarbeit von Studierenden und Lehrenden auch die Koexistenz mit den Fachgebieten, die nicht am Projekt beteiligt sind. (Als weiteres Beispiel eines solchen Schwerpunkts siehe den Text Wie wir zu Komplizen wurden auf  Seite 63/64 dieses Buches.) Bedeutung erlangen aber auch im Nachhinein als beispielhaft angesehene Präsentationen. Und für die rückwirkende Diskussion ist zudem der durchlebte Prozess des Ausstellungsmachens entscheidend, wie er beispielsweise in der Eigen- und Gruppendynamik von selbstorganisierten Klassenausstellungen erfahrbar wird. Die Attraktion der Galerie wird außerdem mitbestimmt durch ihre Positionierung in der Stadt. So wird das Oktogon der Hochschule für Bildende Künste Dresden gegenüber dem Albertinum in Dresden als wichtiger Ausstellungsort verstanden. So vertritt die Burg Galerie, neben dem Ausstellungsraum der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt, das „Zeitgenössische“ in Halle, einer Stadt mit sonst eher konservativ ausgerichteten, die klassische Moderne präsentierenden Kunstinstitutionen. 47


↓ Der Verband kann auch unter dem Gesichtspunkt der Sichtbarkeit eine Verstärkung der Aufmerksamkeit auf die Galerien erwirken. Was folgt daraus? Häufig wird die Funktion einer Hochschulgalerie umschrieben als Labor, Experimentierbühne, als Freiraum, um sich oder etwas auszuprobieren. Am Beispiel der Burg Galerie in Halle möchte ich dies kurz ausführen. Dort haben wir seit 2011 – die Ressourcen eines erfolgreichen Antrags im Rahmen des „Qualitätspakts Lehre“ nutzend – versucht, die Galerie als Experimentierfeld auszurichten. Die Galerie wurde verstanden als Probebühne und Labor für unterschiedliche Formate und Vermittlungsformen sowie als Präsentationsort diskussionswürdiger künstlerischer Setzungen. Das heißt, neben der Konzeption und Einrichtung von Ausstellungen von Studierenden und Lehrenden der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, neben Kooperationen mit anderen Hochschulen oder Institutionen oder immer wieder neu zu entwickelnden thematischen Schwerpunktsetzungen sollte auch die Diskussion verschiedener Vermittlungsstrategien von Kunst dazugehören. Diese Herangehensweise umfasst unterschiedliche Aktionsfelder, verschiedene Werkkonzepte und Handlungsoptionen. Von Anfang an wurde dabei auch die Idee verfolgt, ein Netzwerk von Hochschulgalerien einzurichten, um, unter anderem auch für die Absolventen beim Übergang vom Studium zur freien künstlerischen oder gestalterischen Tätigkeit, geeignete Plattformen für die Kommunikation und den Austausch zwischen den Hochschulstandorten zu generieren. Damit verbunden haben wir ein Programm entwickelt, das sich nicht offiziell „Curatorial Studies“ oder „Curatorial Practice“ nannte, das auch kein strukturiertes, grundständiges Studienangebot darstellte, sondern ein freiwillig wahrnehmbares Angebot für unsere Studierenden war, sowohl für die sich entwickelnden KünstlerInnen, DesignerInnen, KunstpädagogInnen oder angehenden KunstlehrerInnen als auch für diejenigen mit kuratorischen Ambitionen. Das Angebot umfasste bis Ende 2016 die Diskussion von Verfahrensweisen der Selbstdarstellung, von Präsentationstechniken und Inszenierungspraktiken, Projektentwicklung, Projektmanagement und Netzwerkstrategien, kurzum, das exemplarische Durchspielen aller Phasen einer Auftrags- oder Ausstellungssituation. Vorgestellt und diskutiert wurden kuratorische Prozesse und kunstmarktspezifische, aber auch davon sich bewusst absetzende Repräsentationsmodelle. Ein mir in diesem Zusammenhang wichtiger Aspekt ist die Verschränkung mit der kunstwissenschaftlichen Lehre: Lehrveranstaltungen zur Geschichte des Ausstellens, zur Historie und zu Formen des Sammelns sind das eine. Hinzu kommen reflexive Seminare, die Diskurs, Analyse und das „Machen“, die Recherche, Projektentwicklung und Präsentation miteinander verknüpfen. Die Galerie als Probebühne! Das heißt auch: Von den darstellenden Künsten zu lernen, die Improvisation und den Prozess zuzulassen, die Ausstellung als Zwischenstand, als Statement, nicht als finales Endprodukt zu akzeptieren. Wer kommt da zusammen? KünstlerInnen verschiedener Felder und verschiedener Ausbildungsstufen, Kunst-, Design-, KulturwissenschaftlerInnen unterschiedlicher Schwerpunktsetzung sowie die Pädagogik beziehungsweise Vermittlung, selten ein professionelles Projektmanagement, eher TechnikerInnen und geduldige Hausmeister, Buchhaltung und Verwaltung, Kommunikationsdesign, Grafiker sowie Druckereien oder Verlage, Öffentlichkeitsarbeit. Das Inhaltliche und das Organisatorische verschränken sich: Ausstellungsmachen als Praxistest! In Zusammenhang mit diesen an vielen Hochschulen angebotenen Lehrschwerpunkten und den Ausstellungsplattformen sowie den dadurch erwerbbaren Kompetenzen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, ob das Kuratieren lehrbar sei – und überhaupt, was denn das Kuratorische wäre. 48


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4 Harald Szeemann nach: Bruce Altshuler: The Avant-Garde in Exhibition, New York 1994. Photo vom 8.10.1972: Balthasar Burkhard. © The Getty Research Institute.

3 Auf der Homepage HGB Leipzig kann man nachlesen: „Das Kuratorische versteht sich dabei als eine kulturelle Praxis, die über das Ausstellungsmachen selbst deutlich hinaus geht und sich zu einem eigenen Verfahren der Generierung, Vermittlung und Reflexion von Erfahrung und Wissen entwickelt hat.“ Siehe dazu auch: Cultures of the Curatorial, hg. v. Beatrice von Bismarck, Thomas Weski und HfG Leipzig, Berlin 2012.

2 Beatrice von Bismarck im Gespräch mit Kolja Reichert, Der Tagesspiegel, 14.7.2011.

1 Nora Sternfeld: Kuratorische Ansätze, in: Handbuch Ausstellungstheorie und -praxis, hg. v. ARGE Schnittpunkt, Wien u. a. 2013, S. 73. 5 Michel Foucault: Archäologie des Wissens, Frankfurt/M 1973, S. 74.

Auf der einen Seite stehen nahezu unzählige Programme, die fest davon ausgehen, dass es sinnvoll ist, über das Kuratorische nachzudenken. Die diesbezüglichen Angebote reichen von nur ein- oder zweiwöchigen Intensivkursen (z. B. zu buchen bei Sotheby’s, bis zu ein- oder zweijährigen weiterbildenden Studiengängen, die mit Zertifikaten wie dem Master abgeschlossen werden können; so angeboten von Universitäten in Kooperation mit musealen Institutionen in Zürich, Bern, Amsterdam, Wien, Leipzig, Karlsruhe, Hildesheim, Bochum, Lüneburg, Saarbrücken, Frankfurt/M., Grenoble, Paris, London, New York, San Francisco, Buenos Aires, Ontario, Singapore ect.). Auf der anderen Seite formuliert sich eine deutliche Kritik an den kuratorischen Studiengängen: Michael Govan, Direktor des Los Angeles County Museum of Art, konstatierte im Observer vom 18. Oktober 2015: „Curatorial Studies’ Degrees Are a Waste of Time“. Stattdessen plädiert er für eine Schule des Sehens, für Kennerschaft und ein Learning by doing. Andere Museumsleute schließen sich ihm an. In der Süddeutschen Zeitung schrieb am 24. Mai 2016 Jörg Heiser, dass die neue Akademisierung und Professionalisierung des Berufsbildes Kurator fragwürdig geworden sei. Das breite Feld des Ausstellens umfasst „klassische“ Ausstellungen in Museen, Kunstvereinen, Projekträumen und Galerien; einen stetigen Zuwachs an Biennalen und Triennalen; Projekte, die in situ oder auch partizipativ arbeiten; temporäre Interventionen in tradierte Institutionen oder den öffentlichen Raum; schließlich die mit der Erweiterung des Kunstbegriffs einhergehenden, multiplizierten Präsentations-, Darstellungs- und Aktionsformen von Kunst. Viele Fähigkeiten des Kuratierens kann man sicherlich am besten in der Praxis erproben (vom Drittmittelantrag-Schreiben bis zum Hängen). Doch auch Techniken und Methoden können theoretisch vermittelt werden, sollten aber durch Praxisanbindung verifiziert werden, so wie es ja auch in vielen Studiengängen geschieht. Aufgrund der an verschiedenen Stellen festzustellenden inflationären Verwendung des Begriffs Kuratieren (Webpages werden mittlerweile ebenso kuratiert wie Magazine oder Shopauftritte) ist es auf jeden Fall sinnvoll, zu überlegen, was dieses Handlungsfeld denn alles umfassen kann. Kuratieren, so formuliert Nora Sternfeld, ist, etwas mit visuellen und diskursiven Mitteln für die Öffentlichkeit zu erarbeiten.1 Beatrice von Bismarck fasst das Kuratieren als ein Zusammenbringen von Dingen, Menschen, Räumen und Diskursen, die vorher nicht verbunden waren.2 Einigkeit besteht zumindest darin, dass kuratorische Praxis ganz wesentlich das Herstellen von Konstellationen bedeutet, aus denen etwas über die einzelnen, in Relation gebrachten Objekte und Personen Hinausgehendes entsteht. Ziel vieler kuratorischer Programme ist ein Durchdringen des Feldes der reflektierenden Theorien und des Kuratorischen.3 Dies setzt sich ab von der Pragmatik des bloßen Machens, vom Aufgehen im „Dienst der Kunst“ und löst sich von der hegemonialen Spiegelung des Kurators im Genie des künstlerischen Gegenübers. Zu den Sachwaltern dieser Richtung zählte Charaktere wie Harald Szeemann, der insbesondere in den 1960er/70er Jahren als Vertreter des „as creator“ gehandelt wurde.4 Eine Photographie der letzten Nacht der documenta 5 am 8. Oktober 1972 zeigt ihn inthronisiert inmitten der Künstler „seiner“ documenta. In den 1980er/90er Jahren wurden die Kuratoren als „Königsmacher“ bezeichnet, so beispielsweise Werner Schmalenbach. Der Begriff umschreibt die Machtverschiebung, den Einfluss des Kurators als „Türöffner“. Der Kurator – und analog der Kritiker – wird zum „Framework“ für den/die KünstlerIn, heißt, er verankert diese institutionell. Das Diskursfeld des Kuratorischen ermöglicht das Durchschauen der Spielregeln, die das Feld der Bildenden Kunst bestimmen und abgrenzen. Grundlage dafür ist eine Diskursanalyse der Summe von Praktiken, die „systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“5 und welche die Ordnung des Diskurses, die Macht- und Begehrensstrukturen sichtbar machen.


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↓ Modellsituatiion Ausstellen, Vortragssituation in der HBKsaar am 4. Juni 2016 (Foto: Stefan Törmer)

7 Self-Organized, Occasional Table, (Open Editions) London 2013.

9 art – Das Kunstmagazin, 15.12.2014.

6 Christoph Tannert, Ute Tischler (Hg.): Men in Black, Handbuch der kuratorischen Praxis, Künstlerhaus Bethanien, Frankfurt/M. 2004. 8 Christian Jankowski im Gespräch mit Ewa Hess und Paulina Szczesniak, Tages-Anzeiger, 20.9.2015.

Kuratorische Forschung verschränkt das Wissenschaftliche und Künstlerische analog zu artistic research. Ausstellungen zu konzipieren ist eine forschende Tätigkeit. Dazu gehören: die Recherche, Thesenbildung, Themenentwicklung; der Prozess der Umsetzung, Überraschungen und neue Erkenntnisse, die sich zum Teil auch noch während des konkreten Verortens in wechselnden Räumlichkeiten ergeben. Es geht nicht nur um das Interpretieren von Kunstgeschichte oder eines aktuellen Geschehens, sondern auch um Re-Writing History, Neu-Interpretation; es gibt nicht nur eine gültige Lesart der Stränge der Kunstbewegungen. Denn beim Hinterfragen der Kategorisierungen gilt es immer wieder zu überdenken, welche davon man bestätigen will und welche aufbrechen. Entscheidungen und eine Positionierung sind notwendig. Das heißt auch, Verfahrensweisen des Zeigens deutlich zu machen. Ein wichtiges Medium dafür ist die Dokumentation, die distanzierende Reflexion, die Entscheidung darüber, was man erzählen will. Kuratorische Forschung ist transdisziplinär, selbstkritisch, möglichkeitsorientiert, auf Potentialität ausgerichtet. Die „Men in Black“6 sind zwar noch nicht abgesetzt, doch es existieren viele „offene“ Kuratoren und Kollektive, die engagierte Projekte umsetzen. Und es gibt die Künstler-Kuratoren. Sie stellen einen aktuellen Trend dar, der vielleicht auch gerade als Gegenbewegung zur institutionalisierten kuratorischen Professionalisierung zu deuten ist. Ursprünglich engagierten sich Künstler für selbstverwaltete Ausstellungsprojekte, sich selbst organisierende Produzentengalerien. Diese Off-Szene lässt sich bestimmen als „alternativ, artist-run, non-profit“.7 Ein Beispiel für diese Bewegung ist das Deposito d’arte presente in Turin. Es wurde 1968 von dortigen Künstlern ins Leben gerufen, zu einer Zeit als es in Italien kein einziges Museum für zeitgenössische Kunst, geschweige denn Kunstvereine, gab. Doch bereits Anfang des 20. Jahrhunderts hatten AvantgardeKünstler eigene Ausstellungsformate in einer Protesthaltung gegenüber den etablierten Museen entwickelt, so die Dadaisten in Zürich und Berlin, die Surrealisten in Paris und New York. Dann übernahmen die Professionellen das Terrain – von Willibald Sauerländer über Alfred Barr und Arnold Bode bis zu Harald Szeemann, Catherine David, Kasper König, Carolyn Christov-Bakargiev oder Hans Ulrich Obrist und anderen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden wiederum Künstler als Kuratoren zum Zwecke einer Frischzellenkur für Museen und große Projekte herangeholt. 2001 richteten Thomas Huber und Bogomir Ecker die Schausammlung im Museum Kunstpalast Düsseldorf neu ein. Mark Dion ist einer derjenigen, die immer wieder gerne für die „Neuinterpretation“ eines tradierten Hauses herangezogen werden, gleich ob Naturkundemuseum oder Kunstsammlung. Auch Privatsammlungen lassen ihre Bestände durch Künstler kuratieren. Thomas Demand wurde 2016 dafür in die Fondazione Prada, Mailand, geholt. In jüngster Zeit sollen nun die Künstlerkuratoren vermehrt den in die Kritik geratenen temporären Großausstellungen einen individuellen Anstrich geben. Die Berlin Biennalen haben diese Strategie wiederholt aufgegriffen: Die 4. BB wurde 2006 von Maurizio Cattelan zusammen mit Massimiliano Gioni und Ali Subotnick kuratiert; die 7. BB 2012 von Artur Żmijewski zusammen mit den assoziierten KuratorInnen Voina und Joanna Warsza; die 9. BB 2016 vom Künstlerkollektiv DIS (Lauren Boyle, Solomon Chase, Marco Roso und David Toro). Christian Jankowski wurde für die Manifesta 11, Zürich 2016, dazu bestellt, seine künstlerische Sicht in eine Gesamtschau zu überführen und sollte „alle glücklich machen“.8 Gerhard Mack schrieb bereits vor Eröffnung der Schau: „Die Manifesta 11 hat gute Chancen, zum Super-Jankowski zu werden.“9 Elmgreen & Dragset, das Künstlerduo, das 2009 den nordischen Pavillon auf der Biennale Venedig einrichtete, kuratiert 2017 die Istanbul Biennale. Das Scheitern wird da nicht als Gefahr, sondern – mit Christoph Schlingensief gesprochen – als Chance gesehen. Dabei darf die Kritik den Semiprofessionellen


nicht allzusehr zusetzen, denn Künstler dürfen (fast) alles. Es sind die „unverbrauchten“ und individuellen Blicke gefragt, die nicht „verschulten“, nicht „akademischen“, die vermeintlich „ursprünglichen“, „authentischen“ Fragen und Ansätze. Vorbilder hierzu gibt es zur Genüge. Neben den oben erwähnten Dadaisten und Surrealisten wären beispielhafte kuratorische Projekte zu nennen, die Künstler seit den 1970er Jahren initiierten: Marcel Broodthaers: Musée d’Art Moderne, Départément des Aigles, an verschiedenen Orten 1968–1972; Claes Oldenburg: Mouse Museum, auf der documenta 5, Kassel 1972; Daniel Spoerri: Musée Sentimentale, an verschiedenen Orten, 1977–89; Lothar Baumgarten: seit Anfang der 1980er Jahre über die Yanomami an verschiedenen Orten; Willem de Rooij: Intolerance – Melchior d’Hondecoeter, Neue Nationalgalerie, Berlin 2011; Kader Attia: The Repair, auf der documenta 13, Kassel 2012; Mario García Torres: Sounds Like Isolation to Me, auf der 8. Berlin Biennale 2014; Mariana Castillo Deball: Parergon, Museum für Gegenwart, Hamburger Bahnhof, Berlin 2014. Man könnte weitere nennen. ↓ Kann man aus dem bisher angeführten etwas für die Hochschulgalerien ableiten? Die institutionell etablierten Galerien mit ihren feststehenden Räumen geben eine Sicherheit. Sie ermöglichen zum einen eingespielte Verfahrensweisen, also einen routinierten Umgang, und zum anderen ein immer wieder Neu-Einrichten 51


Im Vorgenannten sind einige aktivierende Momente aufgezeigt, die für die Gründung des Galeriennetzwerkes bestimmend waren und für die unser Netzwerk eine bereichernde Kommunikationsplattform sein möchte.

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11 Jonas Ekeberg (Hg.): New Institutionalism Verksted #1, Oslo: Office for Contemporary Art Norway 2003.

10 SØnke Gau: Institutionskritik als Methode: Hegemonie und Kritik im künstlerischen Feld, Wien 2014/16.

von unterschiedlichen Inhalten in einem bekannten Ambiente, dessen Setting/ Display vielfältig variiert werden kann. Diese Sicherheit hat Vorteile – doch die „Probebühne“ verkommt möglicherweise zum Labor, das auf belastbare Abläufe und verifizierbare Experimentierergebnisse setzt. Daher halte ich es auch für notwendig, aus dem institutionellen Rahmen hinauszugehen, unterschiedliche Räume aufzusuchen, neue Experimentierfelder zu akquirieren, sich auf neuem Terrain zu erproben – und so eine Öffnung des Blicks und der Handlungsoptionen zu erreichen. In diesem Sinne greift auch für die Hochschulgalerien die zur Zeit wieder deutlich anvisierte „institutional critique“. Allerdings hat die Kritik an musealen Institutionen seit den 1960er/70er Jahren gerade solche Räume wie die Hochschulgalerien außerhalb zwingender, marktorientierter Verwertungs- und musealer Archivierungskriterien möglich gemacht. SØnke Gau, lange im Kollektiv der Shedhalle Zürich aktiv, schreibt, es gebe eine „Verlagerung der Kritik vom Äußeren ins Innere der Institutionen, die Künstler haben die eigene Involvierung in die Institutionen anerkannt“10. Diskussionsgegenstand wären, im Sinne des „new institutionalism“11 , Orte, die ihren Status und ihr Tun permanent reflektieren. Galerien an Hochschulen könnte man verstehen als Probebühnen, auf denen man (auch) scheitern darf, als Lehr- und Lernorte, als Kommunikationsorte und Plattformen für den intern-externen Austausch, als Erprobungsfelder für implizite und explizite Formen der Vermittlung, als institutionalisierte Räume mit einem kritischen Potential.


Weniger Bürokratie wagen. Austausch erfrischt Matthias Winzen Über zu viel Bürokratie wird geklagt, seit es moderne Bürokratie gibt. Wir kennen literarische Klagen wie etwa „Der Prozess“ von Franz Kafka oder philosophische, machtkritische Analysen wie z. B. von Adorno oder Foucault. Völlig zurecht wird heute die weitere, digitalisierte Steigerung des Formularwusts und der Verrechtlichung der banalsten Alltagsvorgänge kritisiert. Andererseits kann Bürokratie auch hilfreich sein. Ein Beispiel aus meinem Hochschulalltag: Wenn ich auf die zahlreichen, meist kurz vor den Prüfungsterminen eintreffenden studentischen Emailanfragen korrekt antworten möchte, gehe ich in unser Studiensekretariat, weil ich dort verbindlich erfahre, welche der Studienordnungen und welche Bestimmungen darin für welchen Studiengang und welchen Fall gelten. Auf solche praktische Bürokratie ist Verlass. Aber Bürokratie hat auch die Tendenz, sich zu verselbständigen bzw. sich als Bürokratie selbst zu ernst zu nehmen. Dann werden nicht äußere Aufgaben, sondern das eigene Innenleben bürokratisiert und Hierarchien der Selbstordnung verwaltet. Diese vertikale Bürokratie ist etwas anderes als die praktische Bürokratie. Begegnungen mit ausgewachsener, juristisch ausgereifter Bürokratie sind für jeden, der ein Problem oder eine Angelegenheit (oder eine Kundenanfrage an die Telekom oder an Facebook) klären möchte, oft anstrengend, manchmal dauerhaft ergebnislos. So oder so sollte sich der Bundesverband der Hochschulgalerien in seiner Gründungsphase über sein eigenes Bürokratieverständnis klar werden. Das ist ein erster Punkt. Ein zweiter: Die Freie Kunst, so wie sie sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hat und tatsächlich zu relativ freien Kunsthochschulen und -akademien geführt hat, verträgt sich prinzipiell schlecht mit Bürokratie (wobei Kunsthochschulen ohne praktische Bürokratie gar nicht zu organisieren sind). Und drittens sind gefestigte Bürokratien kein förderliches Umfeld für Initiativen und Neugründungen wie ein Bundesverband der Hochschulgalerien. Jede und jeder, die oder der einige Berufsjahre innerhalb der sogenannten akademischen Selbstverwaltung verbracht hat, kennt nicht nur das Vertikale, Hierarchische von Bürokratie, sondern auch deren Ab- und Verläufe ins Breite, in stabil organisierte Verantwortungslosigkeit. Gute Ideen, sinnvolle Veränderungen oder Vereinfachungen bleiben mitunter auf der Strecke, weil sie gegen eine Vorschrift verstoßen oder weil die notwendige Gremienmehrheit – aus welchen jeweiligen Gründen auch immer – nicht zustande kommt. Hochschulgalerien können mehr oder weniger eng in die Verwaltungsstruktur ihrer Hochschule eingebunden sein. Zugleich wirken sie öffentlich über die Hochschule hinaus und netzwerken. Und sie haben die aktuelle Kunst und junge Künstler zum Thema. In mehrfacher Hinsicht haben sie also einen Zwischenund Durchgangsstatus. Die Fragestellungen, die sich daraus ergeben, seien hier in drei Fragen zusammengefasst: 1. Warum ist vertikale Bürokratie so verführerisch und warum schleicht sich organisierte Verantwortungslosigkeit so schnell in Verwaltungen, Vereine und Verbände hinein? 2. Warum ist Kunst tendenziell antibürokratisch? 3. Wie soll unser Verband, wie sollen die Hochschulgalerien die eigene, notwendige Bürokratie handhaben? 1. Bürokratisierter Sprachgebrauch Für die oder den einzelne/n Verwaltungszuständige/n besteht die Entlastung durch vertikale Bürokratie darin, etwas vorschriftskonform und mit „Rückendeckung von oben“ zu tun (bzw. nicht zu tun), sich also als Vertreter einer 53


Diskursanalytisch betrachtet, also mit Blick darauf, was sprachstrukturell abgesehen von den vermeinten Inhalten passiert, ist folgende Standardoperation zu beobachten: Die politische Korrektheit trennt den sprachlichen Begriff von der Realität im Alltag, die von diesem Begriff bezeichnet wird. Ziel dieser Operation ist, den isolierten Begriff umzuprogrammieren und seine Definitionsmacht über die Realität politisch zu korrigieren. Wenn in Pippi Langstrumpf-Büchern seit 2009 das originale Wort „Negerkönig“ (Pippis Vater) durch „Südseekönig“ ersetzt wird, trage dies zur rassismusfreien frühkindlichen Erziehung bei, so das sprachtheoretische Kalkül. Langfristig werden sprachlich bereinigte Zonen (Kindergarten, Schule, Universitätsseminare) etabliert, in denen bestimmte Realitäten (wie der außerhalb dieser konfliktscheuen Zonen weiter bestehende Rassismus) schlichtweg keine sprachliche Repräsentation mehr haben. Für dieses Verfahren wird das Zeichen vom Bezeichneten, von der beobachtbaren, erfahrbaren, erlebbaren Wirklichkeit, abgezogen. Was sprachtheoretisch möglich und erhellend ist, bedeutet sprachpraktisch zunächst einmal Orientierungs- und Realitätsverlust. Für unangenehme Realitäten wie Rassismus, Gewalt, Unterdrückung gibt es keine sprachlichen Indikatoren mehr, nachdem die Sprache theoretisch gesäubert wurde. (Wiederum in Klammern: Hier zeigt sich eine weitere prinzipielle Unvereinbarkeit des Künstlerischen mit dem Bürokratischen von politischer Korrektheit. Form und Inhalt von Kunst, das Wie und das Was, können nur in der textlichen Kunstbeschreibung getrennt werden, in der Kunstpraxis bzw. im Kunstwerk realisiert sich das eine durch und mit dem anderen.) Nachdem die Ebene der Zeichen rein theoretisch separiert ist von den bezeichneten Realitäten, nachdem sozusagen die Zeichen auf diese Seite des Schreibtisches gezogen worden sind, kann das Bezeichnete jenseits des Schreibtisches und damit außen vor bleiben: die Realität mit all ihren Widersprüchen. Wenn diesseits des Schreibtisches nur noch Zeichen übrig geblieben sind, kann die bürokratische Verselbstständigung einsetzen. Nun können Regeln für korrekte Wortendungen und Verbote von verletzenden Wortverwendungen aufgestellt werden. Der stillschweigende, um nicht zu sagen neurotisch verleugnete Gewinn dieser sprachstrukturellen Operation ist, dass der Bezug zur widersprüchlichen, komplizierten Realität aus dem vertikalen Bürokratismus politischer Korrektheit verschwindet. Auffällig ist beispielsweise, mit welchem Nachdruck öffentliche Verwaltungen genderkorrekte Wortendungsvorschriften durchzusetzen 54

↓ Ausstellungseröffnung Land(e)scape, Kuratorin: Maria Fernanda Palacios, Galerie der HBKsaar, 12. bis 28. Januar 2017 (Foto: Stefan Törmer)

gerechtfertigten Sache, einer Behörde, eines gesellschaftlichen Mehrheitsdenkens zu fühlen. Als Verwaltungshandelnde/r muss und darf man nicht auf eigene Rechnung handeln. (Um später darauf zurückzukommen: Ein/e Künstler/in dagegen ist immer Vertreter der eigenen Sache und muss auf eigene Rechnung handeln, d. h. immer aufs Neue die Rechtfertigung für das eigene künstlerische Handeln im Kunstwerk realisieren, verkörpern, vor Augen führen, zeigen, performen.) Ohne es zu wollen, sind wir alle in unserem Alltagsverhalten den Mustern verselbstständigter Bürokratie wahrscheinlich näher, als uns bewusst ist – im Sprachgebrauch. Gerade was den gesellschaftlichen Konsens als moralisches Unterpfand für bürokratisches Denken angeht, wird deutlich, wie verführerisch heute der Weg in organisierte Verantwortungslosigkeit geworden ist, so verführerisch, dass sich die vertikale Bürokratie als Mentalitätsphänomen weit in die alltäglichen Umgangsformen und Sprachhülsen ausgedehnt hat, und zwar im äußeren Gewand der politischen Korrektheit. Es bedarf kaum poststrukturalistischer Spezialkenntnisse, um hinter den zahlreichen, teilweise widerstreitenden inhaltlichen Anliegen der politischen Korrektheit ihren Bürokratismus als formalen und eigentlichen Kern zu erkennen. Das politische Korrekturverfahren verläuft dabei jeweils als ordentliche, regelgeleitete Verselbständigung weg vom ursprünglich guten und moralisch begründeten Einzelanliegen hin zu hochbesetzter Sprachsymbolik und faktischer Folgenlosigkeit.


versuchen, während sich faktisch die gegenüber Männern benachteiligte wirtschaftliche und juristische Lage von Frauen in Deutschland, zumal in einkommensschwachen Schichten oder bei Gewaltdelikten, im letzten Jahrzehnt nicht verändert hat. 2.1. Kunst Eine Strategie, vertikaler Bürokratisierung entgegen zu wirken, kann darin bestehen, sich immer wieder nach dem eigentlichen Thema zu fragen, für das eine Kunstinstitution oder ein Ort wie eine Hochschulgalerie überhaupt erst ins Leben gerufen wurde und existiert: die Kunst. Ohne an dieser Stelle in aufwendige kunstwissenschaftliche oder ästhetische Begriffsdiskussionen einzusteigen, brauchen wir für unseren Verband eine diskussionsfähige Vorstellung, von was wir sprechen, wenn wir von Kunst und heutiger Kunstpraxis sprechen. Am Offensichtlichen, also am tatsächlich bestehenden Kunstbetrieb, lässt sich einiges beobachten, das zu aufschlussreichen Unterscheidungen führt. Was die Künstlerinnen und Künstler selbst sowie Teile der gesellschaftlichen Öffentlichkeit an der Kunst eigentlich interessiert, ist nicht identisch mit dem Kunstmarkt. Ein Atelier ist keine Galerie, eine Kunsthochschule keine Kunstmesse. Gespräche und Diskussionen sind ein anderer Umgang mit Kunstwerken als deren Verkauf. Die Wertschätzung, die eine Künstlerin oder ein Künstler bei Künstlerkollegen genießt, gehört einem anderen Wertesystem an als der Verkaufswert einer Arbeit. Die im engeren Sinn künstlerischen Kommunikationsprozesse im Dreieck Produzent — Werk — Rezipient sind komplexer als die strategische Anlockung eines Käufers durch den Galeristen. Bildbetrachter zu sein, ist anspruchsvoller, als Konsument zu sein. Um Missverständnisse zu vermeiden: Bei der Gegenüberstellung der unterscheidbaren Orte und Handlungsweisen geht es nicht um eine Abwertung der

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Ein Gegenmodell zu solchem Denken können die Hochschulgalerien als erste Kristallisationspunkte von Öffentlichkeit sein: nicht kommerziell und erfahrungsoffen. „Nicht kommerziell“ heißt „ohne kommerziellen Zwang“. Man kann dann auch mit Menschen sprechen, zu denen Kontakt zu haben nicht unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen verspricht. „Erfahrungsoffen“ steht für die alteuropäische Kulturtechnik, sich nicht einfach nur in der eigenen Wahrnehmungslücke ökonomisch und ideologisch bequem einzurichten. So gesehen könnten die Hochschulgalerien den literarischen Salon des frühen 19. Jahrhunderts beerben, in dem aufstrebendes Bürgertum und „entlaufener“ Adel, Juristen und Künstler, Männer und Frauen gleichberechtigt an einer Tafel saßen – mit nur einer Vorschrift für jegliche freie Rede: Sie durfte nicht langweilen. Nicht langweilen – dieser Qualitätsanspruch regt zur Frage nach den heutigen Kriterien und Qualitätsmaßstäben von Hochschulgalerien an. Beispielsweise sollte es im Programm einer Hochschulgalerie weniger um repräsentative Aufgabenlasten gehen, die allzu gerne vom Ministerium, der Verwaltung oder dem Rektorat der jeweiligen Hochschulgalerie aufgebürdet werden. Die organisatorische Vernetzung und der inhaltliche Austausch mit Hochschulgalerien in anderen Städten versprechen lebendigere Aushandlungsprozesse darüber, was die interessanten und aktuellen Themen in der Kunst gerade sind. (Ein weiterer Qualitätsstandard mit indirekter Verbindung zum Kuratieren in Hochschulgalerien: Wer keine substantielle Arbeitserfahrung als Kurator hat, sollte nicht Kuratieren an einer Hochschule unterrichten.) Auch an das Moment des Vorläufigen, das die historische Salonkultur als freie, stetig wechselnde Assoziation von Interessierten und Informierten 56

↓ Ausstellung Grtsk, Galerie der HBKsaar, 8. bis 22. Januar 2016

einen oder anderen Seite, sondern darum, zu differenzieren, woraus sich der Kunstbetrieb zusammensetzt: nämlich einerseits Kunstöffentlichkeit, andererseits Kunstmarkt. Dabei sollte das Ökonomische realistisch eingeschätzt werden. Märkte – auch der Kunstmarkt – können viel: Waren bereitstellen, Distributionswege schaffen, Rendite ausschütten, Arbeitsplätze hervorbringen oder vernichten, dem Gemeinwesen Steuern einbringen oder dessen Subventionen beanspruchen. Eines können Märkte nicht: Sinn erzeugen. Was Statistiken bedeuten und welche Qualitäten aus den Quantitäten resultieren, darüber müssen sich Gesellschaften, muss sich die Öffentlichkeit erst verständigen. Auch nach drei Jahrzehnten neoliberaler Rhetorik und nach der Ökonomisierung vieler Gesellschaftsbereiche, nicht zuletzt des Kunstbetriebs, bleibt es bei der Reihenfolge: Ohne Künstler, die mit meist hohen persönlichen Karriererisiken und als Vertreter ihrer eigenen Sache dasjenige in die Öffentlichkeit bringen, was sie individuell erarbeitet haben und für bedenkenswert halten, hat der Kunstmarkt auf Dauer nichts zu vermarkten. Die Konzentration im Atelier ist nicht durch das verkaufsfördernde Geplauder in der Galerie oder den Hype auf der Messe zu ersetzen (und umgekehrt: Vermarkten und Verkaufen ist harte Profiarbeit, die nicht in der Pose mönchischer Atelierklausur zu bewältigen ist). Es gibt nicht viele Galeristen und Sammler, die sich als Marktteilnehmer zugleich dafür engagieren, dass der geistige Rohstoff, auf dem ihr Business oder ihre Obsession basiert, nachwachsen kann. Einschlägig berühmt wurde, was die New Yorker Stargaleristin Mary Boone mitten im Kunstmarktboom der 1980er Jahre antwortete auf die Frage, wie sie jüngere Talente fördere: „Gar nicht.“ Aus ihrer Sicht setzten sich Künstler von selbst durch oder sie hätten in einer Galerie nichts verloren. – Manchmal verschafft es momentanen Profit, die langfristigen Grundlagen der eigenen beruflichen Existenz zu ignorieren. Angebot und Nachfrage regulieren sich dann gegenseitig. Was sich nicht kommerzialisieren lässt, ist uninteressant und braucht im Grunde nicht zu existieren. Wenn die Welt nur noch Marktinnenraum ist, kommt das Benzin aus der Zapfsäule und Künstler fallen fertig vom Himmel.


charakterisierte, ließe sich anschließen. Hochschulgalerien sollten nie vollständig institutionalisiert sein, sondern immer Durchgangsorte bleiben. Das entspricht auch dem Umstand, dass Kunstöffentlichkeit stets etwas gerade Entstehendes ist, etwas, das sozusagen permanent nachwächst. Zwei Künstler unterhalten sich über das, woran sie gerade arbeiten oder was sie bei anderen gesehen haben. Indem sie dabei, meist implizit, auf Kriterien für ästhetische Urteile zurückgreifen, nehmen sie diese Kriterien nicht nur in Anspruch, sondern aktualisieren, verändern und erweitern diese. Die fortlaufende Erneuerung durch Benutzung erweitert sich in einer halbwegs funktionierenden Kunstkritik im Feuilleton oder Internet im großen Maßstab. Vor dem Hintergrund der bis hierhin (in 2.1.) dargestellten kunstbetrieblichen Differenzierung soll in einem nächsten Schritt (in 2.2.) anhand der Akteure bzw. anhand dessen, was Künstler tun, weiter deutlich werden, inwiefern Kunst tendenziell antibürokratisch ist. 2.2. Die Künstler Ob italienische Futuristen, amerikanische Pop Artists, deutsche Neue Wilde oder Young British Artists – was in einem anderen Land los ist, lässt sich von außen oft sehr gut mit Hilfe der Künstler verstehen. Künstler sind deshalb so gute Brückenbauer, weil sie in ihren eigenen Gesellschaften immer auch Fremde sind. Diese Feststellung ist nicht psychologisierend gemeint, sie bezieht sich auf das künstlerische Tun. Als Beobachter sind Künstler Teil des Ganzen und zugleich dessen Außenseiter. Sie sind die Fachleute für Wahrnehmung. Wer Künstler nach ihren tagtäglichen Arbeitserfahrungen fragt, erfährt vom alltäglichen, nicht zuletzt bürokratischen Konfliktpotenzial künstlerisch vollkommen normaler Verhaltensweisen. Schon dass Künstler thematisieren und darstellen, wie Wahrnehmungen zustande kommen, nimmt dem unbefragten Sowieso der Bilder- und Informationsflut in unserem Alltag seine Selbstverständlichkeit. Bereits das 57


empfinden viele, anständig ihre Alltagsaufgaben und -sorgen bewältigende Mitbürger als unnötige Verkomplizierung, Störung, Besserwisserei. Die scheinbar tolerante Reaktion der bildungsbürgerlichen Schichten, die den Großteil der deutschen documenta-Touristen stellen, gründet auf der wohlmeinenden Unterstellung, aktuelle Kunst müsse eben moralisch-politisch „kritisch“ sein, also einigermaßen leicht wiedererkennbare Zeitungsthemen wie Umweltverschmutzung, Armutsmigration oder den Nahostkonflikt thematisieren, eigentlich illustrieren. Stillschweigend wird dabei die dissidente, polyvalent antigrammatische Kulturtechnik „künstlerisches Bild“ der Grammatik von Text und Begriff untergeordnet. Im diskursiven Reich von Theorie und Meinung wird die Kunst mit der moralisch anregenden Aufgabenstellung der Illustration versehen und so neutralisiert. Ein weiterer Kurzschluss ist oben bereits angesprochen worden: In den Pressemedien wird Kunst fast ausschließlich als Kunstmarkt dargestellt. Die meisten Kulturpolitiker in Städten und Kommunen interessiert nicht primär die Kunst, ob nun kritisch oder nicht, sondern ihre sekundären Wirkungen als Image- und Standortfaktor. Wer als Künstler gegenüber den verschiedenen hier skizzierten Indienstnahmen auf dem eigenen Thema der Kunst, auf eigenen, nicht bereits sprachlich und gesellschaftlich vorformatierten Beobachtungen besteht, ist im alltäglichen Verwaltungsbetrieb seiner Heimatgesellschaft tendenziell ein Störer. 3. Produktive Missverständnisse Angesichts der angedeuteten Missverständnisse zwischen der Kunst und den durchbürokratisierten Bereichen der Gesellschaft (also praktisch allen nichtprivaten) ließe sich argumentieren, dass beispielsweise ein Kommunalpolitiker nichts von Biochemie verstehen müsse, um ein Forschungslabor in seiner Stadt ansiedeln zu wollen, und analog eben nichts von Kunst, um einen Museumsneubau zu unterstützen. Wenn dem so ist, dann bedeutet dies weiter gedacht, dass das Zusammenwirken von Künstlern mit den bürokratisch Zuständigen in Politik, Öffentlichkeit und Wirtschaft im glücklichen Fall ein produktives Missverständnis ist. Organisatorisch bedarf ein solchermaßen funktionierendes produktives Missverständnis einer Art Gelenkstelle oder besser Entkopplung. Es bedarf von der praktischen Bürokratie beauftragter kuratorischer Fachleute, deren Auftrag es ist, unabhängig von der Bürokratie das zu tun, was sie für richtig halten, und dann die Künstler dabei zu unterstützen, zu tun, was wiederum diese für richtig halten. Konkreter auf die hier diskutierten Fragen bezogen bedeutet dies, dass eine Hochschulgalerie Ort und Instanz der Entkopplung von vertikaler Bürokratie sein muss. Je pragmatischer die Einbindung der Hochschulgalerie in die praktische Bürokratie ihrer Hochschule gelingt und je entfernter sie von deren vertikaler Bürokratie bleibt, desto erfolgreicher können junge Künstlerinnen und Künstler, junge Kuratorinnen und Kuratoren die Galerie als Übergangsort nutzen. Als Teil des Kunstbetriebs, dabei nicht Teil des Kunstmarkts, eher vernetzt als allzu ortsansässig, können Hochschulgalerien Fenster ihrer jeweiligen Hochschulen sein. Ein Fenster kann man ab und zu öffnen, dann gibt’s Durchzug und frische Luft.

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Wie und durch was nutzen Hochschulgalerien der jungen Kunst? Ein Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern Katharina Ritter, Dokumentation: Saskia Riedel Teilnehmende KünstlerInnen und KuratorInnen des Panels am 5. Juni 2016 auf der Tagung des Bundesverbandes in Saarbrücken: Mert Akbal, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der HBKsaar und der Humboldt Universität Berlin, lebt und arbeitet in Saarbrücken, Berlin und Istanbul. Ilko Koestler, Künstler, Meisterschüler an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, lebt und arbeitet in Halle. Mirjam Bayerdörfer, MA Kuratieren/Ausstellungswesen an der HBKsaar, Assistenz am Post-Graduate Programme in Curating an der ZHdK, lebt und arbeitet in Zürich. Janina Schütz, Master Bildende Kunst an der weißensee kunsthochschule berlin, lebt und arbeitet in Berlin. Sarah Schuschkleb, Studentin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, lebt und arbeitet in Halle. Eva Storms, Diplom Bildende Kunst, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, lebt und arbeitet in Halle. Moderation: Katharina Ritter, Dipl.-Künstlerin, MA Kuratieren/Ausstellungswesen und Doktorandin an der HBKsaar, lebt und arbeitet in Saarbrücken. Hochschulgalerien sollen Orte des Netzwerkens und der ersten Gehversuche für junge KünstlerInnen sein. Sie sollen Experimentierfeld, Schutzraum als auch Ermöglichungsraum sein. Inwiefern nutzen Galerien, die strukturell mit dem Apparat Hochschule verbunden sind, den angehenden KünstlerInnen? Katharina Ritter, die ihren Master in Kuratieren und Ausstellungswesen an der HBKsaar absolviert hat, ließ auf der Tagung des Bundesverbandes in Saarbrücken diejenigen zu Wort kommen, die in den scheinbar geschützten Räumen Projekte und Ausstellungen realisiert haben. „Vorbereitung auf was?“ Mit dieser kritischen Eingangsfrage eröffnet Katharina Ritter die Diskussion und packt damit das Problem an der Wurzel. Ist man in der Hochschule nicht schon mittendrin im wahren Leben? Schließlich ist eine Hochschule eine Institution, in der ebenfalls „Werte und Bedingungen verhandelt“ werden müssen. Mert Akbal, wissenschaftlicher Mitarbeiter der HBKsaar, hat in der Galerie der HBKsaar die Ausstellung „Sichtweite 0 km“ im November 2014 gemeinsam mit Saliha Yavuz kuratiert. Er betont, dass die Infrastruktur der Hochschule, so sie mit Werkstätten und Mediapools ausreichend ausgestattet ist, die Planung und Umsetzung einer Ausstellung erleichtert. „Zu wem muss ich wann rennen? Bei wem muss ich wie lächeln?“, ergänzt Sarah Schuschkleb, Studentin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, die auch im Team des studentisch geführten Projektraums Burg2 mitarbeitet. Die Strukturen der Hochschule zu durchleuchten und zu nutzen, ist schon deshalb von Vorteil, weil man zum Beispiel bei externen Förderanträgen im Verbund mit einer starken Institution im Rücken auftreten kann. In den bürokratischen Strukturen der eigenen Hochschule kann es durchaus passieren, dass Projekte eine lange Vorlaufzeit benötigen bzw. es manchmal nicht sicher ist, ob die Kosten wirklich durch die Fördergelder der Institution gedeckt werden, wie Janina Schütz, die ihren Master in Bildender Kunst an der Kunsthochschule 59


Berlin-Weißensee absolvierte, betont. Die Auseinandersetzung mit Hochschulpolitik und Gremien verhindert, dass die Hochschulgalerie zu einem Schutzraum wird, der „vor dem wahren Leben“ bewahrt. Innerhalb einer Institution kann man finanziell und strukturell ebenso scheitern wie in der „außenliegenden realen Welt“. Auch in einer Hochschulgalerie sind Menschen involviert, von denen abhängt, ob ein Projekt steht oder fällt. Wo befinden wir uns also? In einem Raum, der sich durch „Repräsentation, interne Kommunikation und institutionelle Mechanismen“ charakterisieren lässt, wie Mirjam Bayerdörfer die Gedanken der Vorredner aufgreift. Sie hat ihren Master in Kuratieren/Ausstellungswesen an der HBKsaar absolviert, wo sie beispielsweise auch im Studiengang Curating mitgearbeitet hat. Die Hochschulgalerie ist ein Ort der Zwischenzustände, der von den angehenden KünstlerInnen ein hohes Maß an Selbstverortung fordert. Dialoge mit der Kunst Mit dem Schlagwort „Dialoge mit der Kunst“ leitet Katharina Ritter über zur Verbindung zwischen der eigenen künstlerischen Arbeit und Formen der Selbsterprobung außerhalb der jeweiligen Hochschulgalerie. Mert Akbal präsentiert seit mehreren Jahren seine künstlerischen Arbeiten auf wissenschaftlichen Tagungen und entfernt sich so drastisch von klassischen Ausstellungsformen. Er sieht eine Chance, Felder außerhalb des übersättigten Kunstmarktes für AbsolventInnen zu öffnen. Residency-Programme in Firmen wie das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, führen dazu, dass KünstlerInnen im Team mit WissenschaftlerInnen zusammenarbeiten. Rückwirkend sollten Hochschulgalerien die Chance ergreifen, Netzwerke zu spannen, die den Kontakt zu Kooperationspartnern stärken und zeigen, dass KünstlerInnen zu mehr fähig sind, als nur zur ästhetische Aufwertung von Produkten und Texten. Wie produktiv eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sein kann, betont auch Ilko Koestler, der vor seinem Studium als Meisterschüler an der Burg Giebichenstein 60


Sichtbarkeit nach außen: die Öffentlichkeit Das Thema einer wirksamen Sichtbarkeit, die zum Beispiel über eine große Glasfront der Galerie hinausgeht, beschäftigt alle Gesprächsteilnehmer. Wie kann ich erreichen, dass mehr Menschen außerhalb des Hochschulkontexts in die Ausstellungen kommen? „Je höher die Sichtbarkeit nach außen ist, desto weniger Leute kommen rein“, meint Sarah Schuschkleb. Sie organisiert zusammen mit anderen Studenten den Projektraum Burg2, der sich außerhalb der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle befindet. Für diesen sich in der Stadt befindenden Projektraum, der mit einer nach außen geöffneten Glasfront aufwartet, sieht Schuschkleb aber auch das Potenzial, Neugierde bei den Passanten zu wecken. Und vielleicht erfolgt nach einem ersten Blick in den Ausstellungsraum dann ein Schritt durch die Tür. Dass nicht eine ausladende Glasfassade, sondern das Programm die Menschen in die Galerie lockt, betont Janina Schütz. Die Kunsthalle am Hamburger Platz liegt in Weißensee, fernab von Berlins Mitte, „wo die Galeristen im Speck sitzen“. Zunächst war die Künstlerin skeptisch, die Galerie so nah an der Hochschule anzusiedeln. Warum nicht dort, wo wirklich auch Menschen hinkommen? Jedoch verwandelte sich ihr Vorbehalt schnell in Begeisterung. „Die Leute müssen zu uns kommen.“ Hier, so Schütz, konnte man sich außerhalb des übersättigten Marktes auf ein Ausstellungsprogramm konzentrieren, das nicht den gerade angesagten Trends folgt, mit dem man aber dennoch BesucherInnen anziehen kann. Dazu bemerkt Mirjam Bayerdörfer, dass die Zürcher Kunsthochschule durch den Neubau zwar enorm an Sichtbarkeit innerhalb der Stadt gewonnen hat, aber der Ort, „wo Kunst gemacht wird“, einem undurchdringlichen Bunker gleicht. Ausstellungsräume und Galerie befinden sich nur innerhalb der „Kaserne“. Man sollte auch ohne Zugangskarte der Hochschule die Galerie besuchen können. Wichtig ist, Räume bespielen zu können, die nach außen kommunizieren und eine breite Zugänglichkeit gewährleisten, wie Schuschkleb, Schütz und auch Bayerdörfer betonen. Sichtbarkeit nach innen: der Verwaltungsapparat Zum Schluss geht Katharina Ritter auf die Besonderheit einer Hochschulgalerie in Bezug auf die Verortung innerhalb der internen Strukturen ein. Sie distanziert sich von der Aussage, die Galerie als Experimentierraum oder Schutzraum zu definieren. Der Verwaltungsapparat wird zwar in den Ausstellungen ablesbar, er ist aber dennoch immer beteiligt. Es ist schließlich durchaus möglich, dass eine Ausstellung eben genau an bestimmten Verwaltungsstrukturen scheitern kann. Im Verlauf der Diskussion wird immer deutlicher, dass durch die Positionen der KünstlerInnen und Studierenden einiges angestoßen wurde. Auch die beteiligten Professoren und Professorinnen entfernen sich von einer genauen 61

↑ Die KünstlerInnen sind anwesend, Katharina Ritter, HBKsaar, im Gespräch mit Künstlerinnen und Künstlern (Foto: Stefan Törmer)

Kunsthochschule Halle Landschaftsarchitektur studiert hat. „Raumfragen, Selbstverortung und die Präsentation der eigenen Arbeit innerhalb einer Ausstellung“ beschäftigten ihn nicht nur während seines Studiums der Architektur, sondern beeinflussen auch jetzt seine künstlerische Arbeit. Über den hochschulinternen Dialog hinaus sollte, so Janina Schütz, eine Öffnung nach außen erfolgen. Die Kunsthochschule Berlin-Weißensee jedenfalls öffnet seine Türen, um die Nachbarschaft im Stadtviertel einzuladen und nicht im eigenen „Hochschulbiotop vor sich hin zu vegetieren“. Das ist ein Wunsch, den auch Eva Storms äußert: „Ich will mich nicht ständig selbst bedienen.“ Fruchtbarer sei es, außerhalb des eigenen künstlerischen Metiers aktiv zu werden. Beispiel: Im Zuge eines Projekts in Halle-Silberhöhe mieteten Studenten zwei Wohnungen in einem Plattenbau. Den sich dort ergebenen Diskurs, der sich im Vergleich zu Ausstellungsgesprächen anders entwickelte, bezeichnete Storms als gewinnbringend.


Definition von Hochschulgalerie und der dazugehörigen Öffentlichkeit. Prof. Dr. Matthias Winzen, Professor für Kunstgeschichte und Kunsttheorie an der HBKsaar, betont, dass eine Hochschulgalerie von der Institution Kunsthochschule profitieren kann. Jedoch sollte zwischen den Werkstätten und der Gremienstruktur unterschieden werden. Während Werkstätten und kurze Kommunikationswege einerseits den Rücken der Studierenden freihalten können, bestehe andererseits die Gefahr, dass verteilte Zuständigkeiten und verwaltete Organisation innerhalb einer Hochschule auch zum Scheitern studentischer Initiativen führen können. Er sieht die Hochschulgalerie als Raum des Überganges, der durch einen permanenten Durchfluss von Ideen und Leuten charakterisiert sein sollte. Darüber hinaus ist man sich einer heterogenen Öffentlichkeit durchaus bewusst, die von den Verantwortlichen, KuratorInnen und KünstlerInnen berücksichtigt werden muss. Wer soll also mit den Ausstellungen in einer Hochschulgalerie erreicht werden? Die Ausrichtung einer Hochschulgalerie oder eines Projekts muss klar formuliert werden. Sei es, dass der eigene hochschulinterne Diskurs vorangebracht, der Austausch mit anderen Hochschulen gefördert oder die Öffentlichkeit außerhalb der Hochschule erreicht werden soll. Von einer allzu engen Definition entfernt sich auch Prof. Dr. Nike Bätzner, Professorin für Kunstgeschichte an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Sie macht deutlich, dass sich unter dem Sammelbegriff Hochschulgalerie viele unterschiedlich ausgerichtete Formate wiederfinden. Es geht weniger um Hochschulgalerien, als um Galerien an Hochschulen. Insofern versteht sich der Bundesverband als ein Netzwerk aus hybriden Räumen und heterogen zusammengesetzten Öffentlichkeiten. Gerade in diesen Räumen besteht die Chance, Ausstellungsformate, Verantwortungsbereiche und auch Fragen der Vermittlung immer wieder neu zu verhandeln.

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Wie wir zu Komplizen wurden. Ein Bericht zur Kooperationsausstellung zwischen der Akademie der Bildenden Künste München und der HBKsaar Saskia Riedel Ort: Galerie der HBKsaar, Dauer: 24. November bis 17. Dezember 2016 Mit Arbeiten von: Tornike Abduladze, Zara Abraham, Roland Burkhart, Marina Camargo, Sara Chaparro, Alberto Finelli, Evyenia Gennadiou, Veronika Günther, Andrei Hancu, Fridolin Kleie, Michael Lippmann, Hyunsung Park, Inkyu Park, Sunyun Park, Rosanna Pondorf, Linnéa Schwarz, Andres Torres, Julia Walk der Klasse von Prof. Peter Kogler an der Akademie der Bildenden Künste München Kuratiert von: Christina Amberg, Maria Fernanda Palacios, Saskia Riedel, Stefan Törmer der Studiengänge Kuratieren/Ausstellungswesen und Museumspädagogik an der HBKsaar, Saarbrücken Organisatoren: Carolin Geyer, Bianca König, Jana Lepple, Sarah Philippi, Kyounghwa Shon „Was macht man eigentlich als Kurator?“ – Eine Frage, mit der man außerhalb des Kunst- und Kulturbetriebs konfrontiert wird. Eine knackige und verständliche Antwort darauf zu finden, ist eine Herausforderung. Diese Frage lässt uns als angehende Kuratoren über unsere Berufswahl nachdenken. Natürlich geht es um die Organisation und Durchführung einer Ausstellung. Aber was alles steckt dahinter? Welche Rolle nehme ich ein? Im Zuge unseres Masterstudiums Kuratieren/Ausstellungswesen und Museumspädagogik bekamen wir die Möglichkeit, ein Ausstellungsprojekt mit zeitgenössischen Künstlern von vorne bis hinten durchzuplanen. Kompetenz: Learning by Doing Gemeinsam mit Leonore Leonardy, freischaffende Kuratorin und Lehrbeauftrage an der HBKsaar, setzten wir uns im Wintersemester 2015/16 im Zuge des Seminars „Der Kurator als Tänzer“ mit dem Prozess des Austauschs auseinander. Kritisch und angeregt diskutierten wir über die Definition des Kuratierens, zogen als Beispiele Ausstellungsmacher wie Kasper König und Hans Ulrich Obrist hinzu – und endeten bei noch mehr Fragen: Welche Rolle übernimmt der Künstler? Wird der Besucher bei der Planung einer Ausstellung mitgedacht? Wer übernimmt wann die Führung? Die Ausstellung in der HBKsaar Galerie sollte das Geflecht der beteiligten Akteure und Perspektiven für uns und die Besucher transparenter werden lassen. Kompetenz: Organisation und Umsetzung Neben der inhaltlichen Gestaltung steht und fällt eine Ausstellung mit der Organisation und Umsetzung. Wir erstellten einen Masterplan, der Punkte wie Sponsoring, Transport, Drucksachen, museumspädagogisches Programm, Vernissage, Rede, Aufbau, Abbau beinhaltete. Je nach Ambition und Kenntnis übernahmen Kuratoren, Museumspädagogen und Organisatoren verschiedene Baustellen. Regelmäßig trafen wir uns und sprachen ab, wo noch unterstützt werden müsste. Kompetenz: Kommunikation Zuvor stellte Leonore Leonardy im Sommer 2016 den Kontakt zur Klasse von Peter Kogler an der Akademie der Bildenden Künste München her. Mit den 16 Studierenden hatten wir unsere Kooperationspartner gefunden, und jeder Kurator kümmerte sich um die Kommunikation mit jeweils vier Künstlern. Dadurch beschäftigten wir uns intensiv mit deren Arbeiten. Per Skype, E-Mail oder 63


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↓ Ausstellungsaufbau Komplizen, KuratorInnen: C. Amberg, M. F. Palacios, S. Riedel, S. Törmer, Galerie der HBKsaar, 24. November bis 17. Dezember 2016 (Foto: Kyounghwa Shon)

Kompetenz: Reflexion Was mit Diskussionen und Experimenten begann, mündete in einer funktionierenden Ausstellung. Der gesamte Prozess einer Ausstellungsvorbereitung zeigte uns: Am besten kann man sich austesten, wenn man etwas einfach einmal macht. Wir konnten im Zuge des Projekts nicht nur unsere eigene Rolle ausloten, sondern sie ständig neu aushandeln. Wann führe ich? Wann lasse ich führen? Elementar ist die Bereitschaft, zusammen zu arbeiten und Aufgaben zu übernehmen und diese auch umzusetzen. Unsere Komplizenschaft aus Künstlern, Kuratoren, Museumspädagogen und Organisatoren brachte nicht nur eine Ausstellung, sondern auch Freundschaften hervor.

↓ Ausstellungseröffnung Komplizen, KuratorInnen: C. Amberg, M. F. Palacios, S. Riedel, S. Törmer, Galerie der HBKsaar, 24. November bis 17. Dezember 2016 (Foto: Stefan Törmer)

Telefon bekamen wir Einblick in den künstlerischen Prozess. Wir überwanden so gemeinsam die 429 Kilometer, die zwischen Saarbrücken und München liegen. Schließlich besuchten wir die Klasse im Juli zur Jahresausstellung in München. Dort konnten wir mit den KünstlerInnen und deren Arbeiten auf Tuchfühlung gehen. Wegen der dort vorgefundenen unterschiedlichen Arbeitsweise entschieden wir uns gegen eine thematische Ausstellung und gaben stattdessen den 16 Studierenden und ihrer enormen künstlerischen Vielfalt, die beispielsweise großflächige Videoprojektionen, Malerei und Skulptur beinhaltete, eine Plattform in Saarbrücken. Diese Diversität in der künstlerischen Arbeit förderte die Kommunikation und Zusammenarbeit im Kuratorenteam, da der Raum und die Arbeiten sinnvoll in Einklang gebracht werden mussten. Im Oktober begann die heiße Phase: Die Ausstellung visualisierte sich vor unseren Augen immer mehr, das Vermittlungsprogramm mit Workshops und Führungen wurde entwickelt und die Künstler reisten bereits aus München an. Der Galerieraum wurde zu einem Ort der Diskussion, an dem die einzelnen Akteure aufeinandertrafen und voneinander lernten. Nach der Eröffnung im November kamen Schulklassen, die die Ausstellung mit ihren Gedanken belebten und uns zeigten, dass die Rolle des Betrachters den Prozess der Kunst weiter vorantreibt.


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Ausstellen lehren? Offene Diskussion zur Vermittlung des Ausstellens in Theorie und Praxis Julia Kurz TeilnehmerInnen des Panels am 4. Juni 2016 auf der Tagung des Bundesverbandes in Saarbrücken: Prof. Heike Kati Barath, Professorin für Malerei, Hochschule für Künste Bremen. Prof. Dr. Nike Bätzner, Professorin für Kunstgeschichte, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Julia Brodauf, Professorin für Ausstellungspraxis, Kunsthalle am Hamburger Platz, Kunsthochschule Berlin-Weißensee, freie Künstlerin und Autorin, Berlin. Andreas Lenz, Student, marke.6 Galerie, Bauhaus Universität Weimar. Dr. Jule Reuter, Kuratorin, Burg Galerie im Volkspark, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Olga Vostretsova, wissenschaftliche Mitarbeiterin der HGB Galerie, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Prof. Dr. Matthias Winzen, Professor für Kunstgeschichte und Kunsttheorie, Leiter der Galerie der HBKsaar, Leiter des Masterstudiengangs Kuratieren/Ausstellungswesen, Hochschule der Bildenden Künste Saar. Moderation: Julia Kurz, Lehrkraft für Ausstellen und Vermitteln, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Das Ausstellen bzw. die unterschiedlichen Formate des „Öffentlich Werdens“ sind Aspekte jeder künstlerischen Praxis, und damit auch Teil der Lehre an einer Kunsthochschule. Hochschulgalerien kommt dabei eine besondere Rolle zu, sind sie doch als öffentliche Orte zur Präsentation und Rezeption von Kunst eingerichtet. Inwiefern die Hochschulgalerien wiederum konkret als Teil der Lehre konzipiert sind, wird an deutschen Kunsthochschulen sehr verschieden bzw. mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung gehandhabt. Theorie und Praxis An der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle setzte sich Nike Bätzner, Professorin für Kunstgeschichte 2010 als Prorektorin dafür ein, dass die existierende Hochschulgalerie ein Profil und eine kuratorische Leitung erhielt. Die programmatische Ausrichtung der Galerie, die seit 2013 von Jule Reuter betreut wird, umfasst Ausstellungen der verschiedenen Studienrichtungen sowie thematische Präsentationen. Hinzu kommt ein besonderer Fokus auf unterschiedliche Formen der Vermittlung. In Hinblick auf das Thema „Ausstellen lehren“ stellt Jule Reuter aus ihrer Praxis das gemeinsame Entwickeln von Ausstellungen in den Vordergrund. Ihr Credo sei, dass „in der Galerie alle Ideen ausprobiert werden können. Hier habt ihr Zeit und wir geben Euch sofort ein Feedback.“ Damit sei die Galerie ein guter Ort um herauszufinden, welche Wirkung eine Arbeit entfalten kann. Nike Bätzner, nach dem Zusammenhang ihrer kunstwissenschaftlichen Lehre und der Ausstellungspraxis befragt, betont, dass historische Modelle des Ausstellens für die Entwicklung der eigenen künstlerischen Praxis erstmal eine untergeordnete Rolle spielen. Im Vordergrund stehe das eigene „Machen“. Erst danach beginnen die Studierenden auch das Ausstellen zu reflektieren. Historische Betrachtungen bieten einen Rahmen für die eigenen Präsentationsformen, daraus entwickelte Überlegungen können dann wieder in die konkreten Projekte einfließen. Die themenorientierte Verzahnung von theoretischer Reflexion und Praxis kann schließlich in gemeinsam entwickelte Ausstellungsprojekte einfließen. Dass die theoretische Reflexion der eigenen Praxis und das Rückkoppeln 66


verschiedenster Ansätze ein wichtiger Aspekt der Lehre des Ausstellens darstellt, betont auch Matthias Winzen. Er leitet neben dem Lehrgebiet Kunstgeschichte und Kunsttheorie die Hochschulgalerie in Saarbrücken und rief 2011 den Studiengang „Kuratieren“ ins Leben, dessen Studierende regelmäßig Ausstellungen in der Hochschulgalerie realisieren. An verschiedenen Beispielen erläutert er die Praxis seiner Seminare, in welchen sich die Seminargruppen gemeinsam anhand theoretischer Referate und künstlerischer Beispiele einem Themenfeld annähern und diese Reflexion wiederum in eigene praktische Projekte einfließen lassen. Es deutet sich hier bereits an, dass innerhalb von Kunsthochschulen aus unterschiedlichen Perspektiven auf das Ausstellen geblickt wird, so etwa aus künstlerischer, kunstwissenschaftlicher und – sofern derartige Programme an der Hochschule existieren – kuratorischer Perspektive. Dabei verortet sich das Ausstellen an einer Kunsthochschule an der Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, genauso aber auch zwischen dem Innen der Kunsthochschule und dem Außen der gesellschaftlichen Wirkung. Dieses Außen schließt einerseits eine mögliche Öffentlichkeit aber auch strukturelle Zusammenhänge des Kunstbetriebs mit ein. Vermittlung und Öffentlichkeit Julia Brodauf gehörte von 2012 – 2016 als Professorin für „Ausstellungspraxis“ zum Team der 2011 an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee gegründeten Kunsthalle am Hamburger Platz. Die Besonderheit dieser Kunsthalle lag darin, dass neben dem Ausstellungsbetrieb auch eigenständige Lehrveranstaltungen angeboten wurden. Diese Lehrformate funktionierten, so Brodauf, nach dem Montessori-Prinzip: der Hilfe zur Selbsthilfe. Die Studierenden lernten anhand praktischer Fragen, die sich aus dem Vorbereitungsprozess der jeweiligen Ausstellung ergaben. Darüber hinaus war die Kunsthalle ein Ort der Teilhabe, wo Studierende sowohl als Ausstellende als auch RezipientInnen agierten. Die so beschriebene Hochschulöffentlichkeit schließt damit auch Aspekte der Vermittlung der eigenen künstlerischen Arbeit ein. An Hochschulen wird hinsichtlich Fragen der Vermittlung und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, ob auch Aspekte des Kunstbetriebs bereits Teil der Lehre sein sollten oder ob der Hochschule und damit auch der Hochschulgalerie nicht vielmehr die Aufgabe zukommt, ein Schutzraum zu sein, in welchem vorerst der Schwerpunkt auf der Entwicklung der individuellen künstlerischen Praxis liegt – noch abgeschirmt von den strukturellen Herausforderungen einer selbstständigen Existenz. Mögliche Antworten auf diese grundsätzliche Frage betreffen auch die Erwartungen, die hinsichtlich der Professionalisierung von KünstlerInnen bereits während des Studiums an den Ort der Hochschulgalerie geknüpft werden. Julia Brodauf hinterfragt dementsprechend in einem Statement, ob die Erzeugung von vor allem auch medialer Öffentlichkeit tatsächlich bereits während des Studiums im Fokus stehen sollte. Sie fragt „Wieviel Affirmationsnotwendigkeit drücken wir den Studierenden auf, wenn wir sie in einen Ausstellungskontext bringen?“. In diesem Zusammenhang merkt Matthias Winzen an, dass sich der Erfolg einer Hochschulgalerie auf keinen Fall an Besucherzahlen messen lassen solle, da die Unternehmungen der Galerie als kleine Schritte verstanden werden sollten, die die Studierenden „öffentlichkeitsfähig“ machen. Eine Stimme aus dem Publikum weist darauf hin, dass das Potential der Hochschulgalerie insbesondere in der diskreten Öffentlichkeit des Hochschulkontextes liege, in dem keine Quoten zu erfüllen seien. In diesem Sinne müsse die Frage, welche Öffentlichkeit man erreichen wolle, an jeder Hochschule kritisch diskutiert werden. Heike Kati Barath, Professorin für Malerei an der HfK Bremen, beschreibt für ihre Hochschule ein zweiteiliges Modell. In Bremen existiert neben einem für die Studierenden buchbaren, unkuratierten Projektraum auf dem Campus, ebenfalls eine Hochschulgalerie in der Innenstadt, welche in den kommenden Jahren 67


vermehrt zur Steigerung der Sichtbarkeit der Hochschule in der Stadt und außerhalb genutzt werden soll. Der Betrieb der Hochschulgalerie als campusexternem Ausstellungsort sei in den letzten Jahren eingeschlafen, die Räumlichkeiten würden aktuell ausschließlich für die Diplomausstellungen bzw. durch den Fachbereich Musik der Hochschule der Künste genutzt. Aus dem Hochschulkollegium gibt es nun Bemühungen, den Raum in der Innenstadt wieder neu zu beleben und damit neben der Sichtbarkeit der Fachbereiche Kunst und Musik zudem eine Austauschplattform für Kooperationen mit anderen Hochschulen und Städten zu schaffen. Selbstorganisation Andreas Lenz berichtet von der Hochschulgalerie marke.6 der Bauhaus Universität Weimar. Diese wurde 2008 von Studierenden ins Leben gerufen und wird seither programmatisch und organisatorisch durch Studierende betreut, mittlerweile in der achten Generation. Da das Leitungs-Team der Galerie aufgrund von Studienabschluss oder Auslandssemester in jedem Jahr wechselt, achtet die Gruppe stets darauf, neue Mitglieder in alle größeren Projekte einzubinden. Dies ist insofern wichtig, da die marke.6 parallel zu freien Ausstellungsprojekten auch umfangreiche, regelmäßige Veranstaltungen realisiert: Neben der Reihe „Bauhaus Essentials“ mit angeschlossenem, durch eine lokale Firma geförderten Kreativpreis gehört zu diesen auch die Teilnahme an einer Berliner Kunstmesse, die jedes Jahr von den Studierenden organisiert wird. Olga Vostretsova, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hochschulgalerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig realisierte bereits diverse Ausstellungs-Projekte mit Studierenden und betont das gemeinsame Arbeiten im Ausstellungsraum als wichtigsten Aspekt ihrer Arbeit. Wie Jule Reuter sieht sie die Hochschulgalerie sowie Ausstellungsprojekte außerhalb des Hochschulkontextes als Gelegenheit des von- und miteinander Lernens, insbesondere auch in Bezug 68


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↑ Ausstellen lehren?, Offene Diskussion, moderiert von Julia Kurz (Foto: Stefan Törmer)

auf die Zusammenarbeit zwischen KünstlerInnen und KuratorInnen. Reuter fügt hinzu, dass die StudentInnen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zu ihr kommen. Manche hätten durch die Auseinandersetzung in den Fachklassen bereits mehr Erfahrung mit Fragen des Ausstellens, während andere bisher kaum hiermit konfrontiert wurden. Die gemeinsame Arbeit in der Galerie ist eine Chance, grundsätzliche Fragen, die im Ausstellungsprozess aufkommen, kennenzulernen, am Prozess zu partizipieren und auch dazu ermutigt zu werden, selbst verschiedene Präsentationsvarianten auszuprobieren. Reuter beschreibt dabei, wie sich ihre eigene Praxis in der Zusammenarbeit mit KünstlerInnen und dem eigenständigen Tun entwickelt hat. Eine Erfahrung, die auch Nike Bätzner teilt und betont, dass ihre Generation, die in den 1980er Jahren studierte, komplett auf ein „Learning by Doing“ angewiesen war, da im Rahmen ihres Kunstgeschichtsstudiums keine Bezugnahme auf zeitgenössische Kunst oder deren Ausstellungsformen existierte. Diese Involvierung in ein gegenwärtiges Geschehen musste selbst erobert werden. Im Rahmen des Panels wurde deutlich, dass das Ausstellen Fragen bezüglich der Verortung der künstlerischen Arbeiten im physischen Raum mit Aspekten der Vermittlung verknüpft, welche alle Aspekte der Kommunikation über das Kunstwerk durch MediatorInnen aber auch die/den KünstlerIn einschließt. Das Sprechen und Schreiben über die eigene Arbeit kann im Rahmen der Hochschulgalerie vielfältig erprobt werden, genauso wie die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen und Diskursen sowie Formen der Zusammenarbeit und Selbstorganisation. Daneben umfasst die Verhandlung von Fragen des Ausstellens zudem mögliche Zukunftsperspektiven für junge Kreative und damit eine Betrachtung des Kunstfeldes mit seinen strukturellen Stärken und Schwächen. Welche Position möchte man als KünstlerIn und AkteurIn im kulturellen Feld einnehmen, wie sehen die Produktions- und Arbeitsbedingungen aus und wie will man zukünftig seine Arbeit gestalten? Im Panel wurde deutlich, dass die Lehre des Ausstellens insbesondere im Rahmen der Hochschulgalerien hinsichtlich aller oben genannter Aspekte als „Experimentierfeld“ verstanden werden kann. Hier lassen sich theoretische Reflexion und praktisches Erproben miteinander verknüpfen und Studierende haben die Möglichkeit, auch außerhalb der ihnen bekannten Zusammenhänge der Klassen und Kurse weitere Formate und Diskurse kennenzulernen und auszuprobieren. Der Bundesverband möchte hierbei eine Plattform für den methodischen Austausch über unterschiedlichen Modelle von Hochschulgalerien und die Integration des „Ausstellens“ in die Lehre sein.


Plot.Point.Praxis. Künstlerausbildung und das Modell einer Hochschulgalerie als Höhentraining und Wurzelkanalbohrung else (Twin) Gabriel Eine Kunsthochschule IST … ein bemerkenswerter Ort. Als Bildungsstätte, die das von ihr angestrebte Ergebnis – Kunst und Künstler – ständig neu schafft und definiert, wenn es denn gelingt, genügend Menschen davon zu überzeugen, dass es sich bei Objekt und Subjekt beziehungsweise Kunst und Künstler um ebensolche handelt. Natürlich ist das Bild von jungen Menschen, die mit ernstem Gesicht, schwarzen Klamotten, zweifelhaften Frisuren und riesigen Mappen unter dem Arm vom Zeichenkurs zur Kunstgeschichtsvorlesung eilen und von dort ins Atelier, um neben heißen Diskussionen bei Rotwein und selbstgedrehten Zigaretten im Dunst des Terpentins mit der Leinwand zu kämpfen … ein Klischee. Noch immer aber bringen hoffnungsvolle Bewerber als überlebensgroßen Beweis ihrer Hoffnung die lenkdrachenartigen Mappen in die „Eignungsprüfung“. Darin enthalten oft rührende Momente entgleister alter Meister und aufrüttelnde Appelle in Aquarell. Diese weichen spätestens im Studium PDF-Portfolios auf Laptops in vollgekramten Rucksäcken, wo neben fiependen Handys, Hygieneartikeln und veganem Brotaufstrich auch bequem Hamster nisten könnten. Zeichenkurse weichen dem Erfühlen des Materials (Kohle, z. B.) … im Steinbildhauerlehrgang bilden die Klienten einen Kreis und über Steine wird … geredet. Wie man sich so fühlt: als Mensch (alle gleich und gleichzeitig doll unterschiedlich), als Stein (kalt, warm, alt) und als lebender Stein (ProfessorIn). Man filzt in den Filzwochen und schaukelt im Bambus mit Bambusschaukelbauanleitung, baut Schnittlauch an in alten Turnschuhen und Dosentelefone für alle Menschen, die willkommen sind. Die Kunsthochschule – ein Terminal ausschließlich mit Arrivals. Departure durch die Hintertür und durch Weiterreichen. Mithin ziemlich unverbindlich. Dazwischen aber: Besuchen Sie unsere (Work-)Shops. Es gibt überall dasselbe wie überall. Und dann und wann: ein Sombrero. Das ist die neue Heimat. Das ist stark … pauschalisiert und voller Klischees. Stimmt. Klischees sind schlicht, aber hilfreich, weil sie neben bedenklichen Vorurteilen eben auch Bilder sind, die Beobachtung spiegeln, Schnittmengen. Und dass in der Kunst wie in der Lehre die eigene Beobachtung und Erfahrung die zentralen Elemente sind, die zu einem eigenständigen künstlerischen Werk führen (können), ist – halten zu Gnaden – unverhandelbarer Bestandteil dessen, was ich unter individuellem Ausdruck verstehe. Dazu gehört auch die Unbequemlichkeit, auf die Gefahren hinzuweisen, die in der Verbequemlichung liegen, wenn mehr und mehr (politische) Ersatzhandlungen als Kunst umetikettiert werden, auch um dadurch eine moralische Unantastbarkeit zu generieren. Durch diesen Twist wird es quasi unmöglich, die entstehenden Werke noch unter künstlerischen Kriterien zu diskutieren. Denn würde man es wagen, künstlerisch zu kritisieren, machte man sich sofort moralisch verdächtig … Damit aber wird ein zentrales Element in der Künstlerausbildung sukzessive ausgehebelt: das der einzig der eigenen Betrachtung folgenden und nicht immer angenehmen Genauigkeit in der Diskussion über Kunstwerke. Kunst und Moral 70


vernebeln zu einem indifferenten WIR-Gefühl, das in Wirklichkeit so homogen gar nicht ist. Die Grabenkämpfe verlaufen dann aber im Wesentlichen unter dem Radar, und führen so noch weiter weg von einer offenen Diskussion über künstlerische Qualitäten. Und: Dieser formalisierte Diskurs funktioniert nur in einem bestimmten Binnensegment und innerhalb einer bestimmten akademisch aufgeheizten Klientel. Damit geraten Studenten, die sich auf diese verführerische Empörungskultur und die unendliche Neudefinition von Verhaltens- und Redenormen einlassen, zunehmend in Abhängigkeiten und sind im Anschluss an ihr Studium darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt auch in diesem Sektor zu verdienen, weil sie außerhalb dessen mit dem, was sie da getrieben und gelernt haben, wenig anfangen können. Und so führen diese Übungen in intellektueller Hofetikette direkt in die prekären Ausbeutungsverhältnisse, die man behauptet zu bekämpfen. Was insgesamt und im Kern verloren geht, ist die Ernsthaftigkeit der Kunst, die zunächst und in der Tiefe ein einsames Unterfangen ist. Und die dann, wenn sie an die Öffentlichkeit geht, etwas Interessanteres zu bieten haben sollte als einen Anlass, bei Häppchen und Vernissagenwein zu vermeiden, die ausgestellten Gehänge und Gestänge umzureißen im Gespräch rund um die eigene Interessenverfolgung. Vielleicht ist das alles vor allem eine „Berliner Wucherung“, wo noch mehr als anderswo geredet, getagt und gefordert wird: für alle Künstler und die Notleidenden dieser Welt – und ganz nebenbei für sich selbst. Spürbar ist diese Tendenz jedoch überall. Das Kunststudium ist … grundsätzlich ein Freiraum von hohem Wert, den man immer neu verteidigen muss gegen Begriffsverwirrung und die Hütchenspielerei, alles, was tagesaktuellen Thrill und finanzielle Zuwendung verspricht, zur Kunst umzulabeln, bis die eigentümliche fragile individuelle Kunst nicht mehr auffindbar ist. Das Paradoxon besteht schon ohne diese Aushöhlung von innen in der Lehre des Unlehrbaren, der Umschreibung des schwer Beschreibbaren, der Förderung von eigensinnigen Ideen, von denen wir heute noch nicht wissen, ob sie in der künstlerischen Karriere zeitlos Wertvolles hervorbringen – oder auch nicht. Ich gehe davon aus, dass man als Lehrende an einer Kunsthochschule von bestandener Eignungsprüfung bis zum Abschluss die Verantwortung hat für ALLE, die dort immatrikuliert sind bzw. frisch aus ihr hervorgehen. Wie gesagt: Im Studium sollte immer wieder darüber geredet und verhandelt werden, was die einzelnen Positionen zum Kunstdiskurs beizutragen haben und wie man die passenden Vokabeln findet, die diese Betrachtungen möglichst genau wiedergeben. Und dies deutlich und ohne Denk- und Sprechverbote. Dazu gehört aber auch die Vermeidung, nach außerkünstlerischen Maßstäben zu werten und zu. Es geht um die Diskussion und Verhandlung darüber, was für eine Vielfalt künstlerischer Karrieren möglich ist, und dann darum, diese auf Risiken und Nebenwirkungen hin abzuklopfen. Am heiklen Punkt … des Übergangs vom Studium in die Praxis setzte die Grundüberlegung von Thaddäus Hüppi und mir an, wie man die Idee einer Hochschulgalerie in ein multiples Werkzeug übersetzen kann, das eine Schnittstelle ermöglicht zwischen dem geschützten Raum der Hochschule und der freien Wildbahn, in die sich der freiberufliche Künstler dann begibt. Betrachten wir eine Kunsthochschule und die dortigen Künstler unter der Gaußschen Glocke, also der von Carl Friedrich Gauß entwickelten statistischen Berechnung der Normalverteilung, ergibt sich grob folgendes Bild: Wir haben wenige Eleven, die künstlerisch vollkommen vernagelt und unbegabt angenommen werden. 71


Wir haben viele, die recht ordentlich talentiert sind. Wir haben wenige, die tatsächliche Hochbegabungen sind. Und: Schon bei der Unterscheidung der einen von den anderen können die Einschätzungen sehr weit auseinander gehen. Und: All das sagt auch noch überhaupt nichts aus darüber, wessen Karriere in einem finanziellen und/oder aufmerksamkeitsökonomischen Sinne später die erfolgreichste wird. Im Laufe des Studiums zunehmend und vor allem nach dem Studium werden neben der künstlerischen auch andere Begabungen notwendig: Netzwerken, Anträge stellen, Trends erspüren, Geld verdienen. Verhandlungsgeschick, Rhetorik, aber z. B. auch Angepasstheit an eine bestimmte Szene und einen bestehenden Diskurs oder kalkuliert gespielte Rebellion dagegen. Was auch immer. Auch Umorientierung, Geschäftsgründungen, Neuformatierungen … Kernidee von Thaddäus Hüppi und mir war und ist, die Beleuchtung des blinden Flecks, wenn die Künstler die Hochschule verlassen, aufzunehmen als integralen Bestandteil künstlerischer Lehre. Und dies ohne Leugnung der oben aufgeführten komplexen Ausgangslage. Denn: Warum hört und sieht man nach dem Studium von wenigen viel? Warum hört und sieht man nach dem Studium von einigen nur sporadisch bzw. wenig? Und warum hört und sieht man nach dem Studium von viel zu vielen gar nichts mehr? Hier verformt sich die Gaußsche Glocke, und irgendwas ist schiefgelaufen. Unser Modell …, mit dem wir die KUNSTHALLE am Hamburger Platz ermöglichten, gründeten und von 2011–2016 betrieben haben, nimmt die Idee einer Hochschulgalerie als

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Es gibt mittlerweile … sehr viele Professionalisierungs- und Beratungsangebote für Künstler. Das Problem dabei ist nicht die Absicht zur Unterstützung bei der Bewältigung der Anforderungen von Freiberuflichkeit, sondern es sind die Berater und Coaches selbst. Entweder haben sie eine theoretische Mission, die zur Folge hat, dass ihnen nicht bloß die Praxisnähe fehlt, sondern es ihnen zudem eher um subkutane Impfungen weltanschaulicher Natur geht, statt um eine bedürfnisorientierte Beratung. Oder aber es handelt sich um Künstler, die mit dem Coaching Geld verdienen müssen, und sich so die Frage stellt, ob sie nicht eher selbst ein Fall für eine Beratung wären. Die Formate von Thaddäus Hüppi und/oder mir waren und sind für Studenten und Absolventen immer gekoppelt an Beratung im realen 73

↑ Scheiß Künstlerin 3, else (Twin) Gabriel, Fotoperformance, 2012 (  Foto: Wiebke Loeper)

Ausgangspunkt und bringt sie unter dem Stichwort Plot.Point.Praxis in einen erweiterten Rahmen. Der Plot Point ist ein Begriff aus der Drehbuchlehre, der eine überraschende Wendung in Erzählung und Handlung markiert. Die Parallele zur künstlerischen und gestalterischen Biografie ist naheliegend: Der Übergang von der Ausbildung in die oft freiberufliche und höchst individuell gestaltete Praxis ist immer mit Überraschungen und Unvorhersehbarkeiten verbunden, die in prägender Hinsicht Einfluss nehmen auf den jeweiligen beruflichen Werdegang. Unser Modell beinhaltet eine Vorbereitung auf solche „Wendepunkte“. Dabei geht es darum, eine Hochschule nach außen zu öffnen, hinein in die verschiedenen Künstlerszenen, quer durch die Generationen und Nationalitäten. Es geht darum, eine Selbstverständlichkeit des Miteinanders von Studenten, Absolventen, internationalen Künstlern und auch Laien zu ermöglichen, um die Diskussion um die Werke und Lebensentwürfe unter praktischen Produktionsund Präsentationsbedingungen zu vereinfachen und auch die Vielfalt möglicher Berufswege in den Blick zu rücken. Dabei spielt die Rückbindung von Alumni natürlich eine zentrale Rolle, die durch Erfahrungsberichte und Einbeziehung in Ausstellungsformate zurückspiegeln, wie viel Nutzen sie aus ihrem Studium ziehen konnten. Wenn Professoren für diesen Weg empfänglich sind, können sie so ein Echtzeit-Evaluationsinstrument aufbauen, das es ermöglicht, die Sinnhaftigkeit von Lehre fortlaufend zu überprüfen. Wichtig ist auch, Kooperationen zwischen den Hochschulen – und nun auch den Hochschulgalerien – in einer zirkulierenden Weise zu ermöglichen, das Ausstellen also nicht nur in löblichen Einzelprojekten immer wieder neu zu erfinden, sondern einen konstanten und zunehmend stabilen Austausch herzustellen. Die Ausstellungen, Veranstaltungen, Diskussionen, die wir umgesetzt haben und umsetzen – unter welchem Einzellabel auch immer –, entstehen als „Work in Progress“. Viele der Formate entspringen einem initialen Nukleus, der zunächst wie ein Testballon z. B. innerhalb eines Vorgängerformats eingespeist wird, um eine weitere Präzisierung zu erfahren und dann als eigenständiges Projekt weitergeführt zu werden. Es war und ist wichtig, das angesprochene Publikum und die Zusammenarbeit nicht nur im akademischen Kunstsektor und Kunstbetrieb allgemein zu suchen und zu finden, sondern dann und wann das jeweilige direkte Umfeld mit einzubeziehen – in unprätentiöser, unakademischer, unkomplizierter Weise. Hochschulen haben oft mit dem Argwohn der Anwohner in ihrer Nähe zu tun. Die beste Methode um eine Identifikation mit den künstlerischen „Exoten“ zu finden, ist die punktuelle Einbeziehung und direkte Ansprache der Anrainer. Für Studenten ist es im Übrigen eine nützliche Übung, in der Beschreibung und Erklärung ihrer Werke und Beantwortung von Fragen Worte zu finden, die auch Leute verstehen, die nicht mit dem Kunstdiskurs vertraut sind. Die Stichworte „Selbstorganisation“ und „Wertsteigerung“ sind der Schlüssel für eine Professionalisierung in einem bodenständigen und kunstbezogenen Sinne.


Einsatz. Wie spielerisch und unakademisch das alles auch daherkommen mag … im Kern geht es um die Wurst – egal ob es sich um Planung, Logistik, Aufbau, Eröffnungsorganisation, Diskussionsleitung oder Verkaufsgespräche handelt. Alles dieses wurde/wird durch learning by doing umgesetzt – unter Beratung durch Professoren und/oder bereits etablierte Künstler. Der Grundsatz … der KUNSTHALLE war, und des von Thaddäus Hüppi im Aufbau befindlichen mobilen Folgesystems PORTI+ ist es, kunstinduziertes Eigenblutdoping zu ermöglichen in der Verzahnung von Hochschulausbildung und freier Praxis auf der gesamten Skala künstlerischer Produktion und Lebenswelten. Höhentraining und Wurzelkanalbohrung.

↓ Scheiß Künstlerin 2 (Bild PVR8981), else (Twin) Gabriel, Fotoperformance, 2012 (  Foto: Arwed Messmer)

Die KUNSTHALLE am Hamburger Platz war eine Initiative von Thaddäus Hüppi, Else Gabriel und Wolfgang Krause (für den Zeitraum 2010/11), gekoppelt an die weißensee kunsthochschule berlin. Die Gründung der KUNSTHALLE am Hamburger Platz in Weißensee war das Ergebnis vieler Unterstützer und Mitarbeiter. Ende 2015 bewilligte das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf Basis des Programms von Gabriel und Hüppi zur Weiterführung der Galeriearbeit 1,2 Mio. Euro aus dem Qualitätspakt Lehre. Die Fachgebietssprecherinnen und der akademische Senat unter Leitung von Rektorin Leonie Baumann bestimmten 2016 für die KUNSTHALLE am Hamburger Platz eine neue Leitung. Die Verträge des gesamten ersten Teams KUNSTHALLE wurden nicht verlängert.

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Die Masterstudiengänge Kuratieren und Museumspädagogik an der HBKsaar

Ausgangslage Kurator und Museumspädagoge – mit sich wandelnden Inhalten, Kontexten, Akteuren und Adressaten sind auch diese Berufsbilder in stetigem Wandel begriffen. Die klassische, an Geschichte, Philosophie, Soziologie und periodisch an neueren Diskursen angelehnte Kunstgeschichte qualifiziert ihre Absolventen vor allem für historische Museums- und Archivarbeit, Kunst- und Antiquitätenhandel, Denkmalpflege sowie Kulturjournalismus. Ihren klassifizierenden und historischen Begriffsordnungen bleibt das konzeptuelle und prozessuale Denken zumal der jüngsten, experimentellen Kunstproduktion methodisch mitunter verschlossen. Das künftige berufliche Umfeld für Kuratoren und Museumspädagogen ist keineswegs fest umrissen. Anders etwa als Lehramtsstudierende, denen die Schule – wenn auch aus anderer Perspektive – gefährlich vertraut ist, arbeiten Ausstellungsmacher und Kunstvermittler oftmals in sich überlappenden institutionellen Kontexten und mit wechselnden Partnern, denn kuratiert und vermittelt wird inzwischen an vielen Orten und in wechselnden Allianzen. Auch die Besucher von Ausstellungen und Nutzer von Vermittlungsformaten lassen sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Interessen immer mehr ausdifferenzieren und immer weniger als Teil homogener Gruppen beschreiben. Es kann deshalb nicht verwundern, dass diesen Entwicklungen entsprechend Werdegänge von Kuratoren und Museumspädagogen besonders im Arbeitsfeld der Gegenwartskunst mannigfaltig ausfallen bzw. nicht selten von ausbildungsund berufsbiografischen Umwegen und Brüchen gekennzeichnet sind. Ausgangspunkte können neben einem kunsthistorischen oder museumskundlichen Studium typischerweise Ausbildungen und Studienabschlüsse aus den Bereichen Kulturwissenschaft, Medienwissenschaft, Geschichte, Bildungswissenschaft, Lehramt, Journalistik und dergleichen sein. In diesen Bereichen werden nicht selten eigene Schwerpunkte gesetzt, auch sind Spezialisierungen möglich, oft gekoppelt mit studienbegleitenden Erfahrungen in Form von Praktika, Volontariaten oder projektbezogenen Kooperationen mit Museen, Ausstellungshäusern, Galerien und kulturellen Institutionen unterschiedlichster Art. Leitbild und Struktur der Studiengänge Eigenständige Studiengänge sind in beiden Bereichen noch immer die Ausnahme. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Notwendigkeit einer theoriefundierten, praxisrelevanten, an den vielgestaltigen und veränderlichen realen beruflichen Anforderungen orientierten Qualifizierung bietet die Hochschule der Bildenden Künste Saar die Masterstudiengänge Kuratieren und Museumspädagogik an. Maßgebliches Ziel ist, dass die Studierenden ein selbst erarbeitetes Verständnis ihrer beruflichen Rolle entwickeln. Das Studium ermöglicht dies durch die strukturierenden didaktisch-methodischen Prinzipien der Teilnehmerzentrierung und Projektorientierung. Die nicht konsekutiven zweisemestrigen Masterstudiengänge setzen absichtsvoll auf vielfältige Zugangsmöglichkeiten. Bewerben können sich Studieninteressierte mit Bachelor- oder Diplomabschluss aus einem breitgefächerten Spektrum affiner Studiengänge. Wurden die notwendigen 240 ECTS (European Credit Transfer System) bislang nicht erreicht (wie etwa in einem sechssemestrigen Bachelorstudium), kann die Zulassung unter der Auflage erfolgen, weitere Studienleistungen im Umfang von maximal 60 ECTS zu erbringen. In einem individuellen Gespräch wird gemeinsam mit den Studierenden festgelegt, welche an der HBKsaar angebotenen Lehrveranstaltungen dafür am besten geeignet sind. 76

↓ Land(e)scape, Kuratorin: Maria Fernanda Palacios, Galerie der HBKsaar, 12. bis 28. Januar 2017 (Foto: Stefan Törmer)

Andreas Möller


Dies können etwa bei einem vorhergehenden kunsthistorischen Studium kunstdidaktische Veranstaltungen oder auch fachpraktische Studien und Werkstattkurse sein, wenn beispielsweise der museumspädagogische Masterabschluss angestrebt wird. Das die HBKsaar kennzeichnende Konzept einer interdisziplinären Forschung und Lehre befördert den Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden über fachliche Grenzen hinweg. Die Teilnahme an Veranstaltungen aller Lehrbereiche steht den Studierenden generell offen, sie dient der individuellen Erweiterung und Vertiefung der eigenen Kompetenzen auf den jeweiligen künstlerischen, gestalterischen, kunstpädagogischen und kunstwissenschaftlichen Arbeitsfeldern. Zugleich bietet diese Durchlässigkeit und Offenheit den Studierenden die Möglichkeit, in hohem Maße auf Ressourcen der Hochschule, auf Personen, Kontakte, Know-how, Räumlichkeiten, technische Ausstattungen usw. bei der Umsetzung ihrer Vorhaben zurückzugreifen. Zwei Semester, zwei Projekte Im Zentrum des jeweiligen Masterstudiums steht dann die Konzeption, Durchführung und Evaluation zweier umfangreicher kuratorischer bzw. kunstvermittelnder Projekte. Während das erste Projekt durch die Lehrenden intensiver vorbereitet und unterstützend begleitet wird, stellt das zweite Projekt als Masterprojekt eine eigenständig verantwortete Arbeit dar. Das zweite Projekt ist Grundlage der wissenschaftlichen Masterarbeit. In ihr wird die Planung und Durchführung des Projekts dokumentiert, kritisch reflektiert und in übergeordneten Kontexten verortet. Als Veranstaltungsform haben Projekte für die kunstvermittelnde Lehre verschiedene Vorteile. Sie umfassen größere Zeiteinheiten, ermöglichen dadurch einerseits vertiefte Erfahrungen und Entwicklungen und fordern andererseits zu Kontinuität und Verbindlichkeit auf. Sie sind verlaufsoffen, zum Teil auch

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Begleitende Veranstaltungen Während des Studienverlaufs werden vorbereitende, begleitende und nachbereitende Veranstaltungen in Form von Seminaren, Workshops und Exkursionen angeboten, die der Aneignung von Basiswissen, dem Vertrautwerden mit aktuellen kulturwissenschaftlichen und kulturpolitischen Diskursen, dem authentischen Einblick in berufsfeldrelevante Arbeitsumgebungen, dem Erwerb organisatorisch-praktischer Kompetenzen sowie dem Austausch untereinander und der gemeinsamen kritischen Reflexion von Ideen, Vorhaben und Strategien der Umsetzung dienen. Regelmäßig werden externe KuratorInnen, MuseumsleiterInnen, KunstvermittlerInnen und KommunikationsdesignerInnen eingeladen oder auf gemeinsamen Exkursionen an ihren jeweiligen Wirkungsorten besucht. In Gesprächen werden dabei die wesentlichen Diskurse der Kunsttheorie und die Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen im Museums- und Ausstellungswesen in den Blick genommen. Damit im Zusammenhang stehen Ausstellungsbesuche, die verbunden werden mit Gesprächen vor Originalen und mit der Erörterung der konkreten Arbeitsabläufe rund um die Entstehung, Präsentation und Kommunikation der Ausstellung und ihrer Vermittlung. Die gemeinsame Analyse und Reflexion von und über Kunst in Ausstellungen, Galerien, Projekträumen oder im öffentlichen Raum dient der Konturierung der persönlichen Voraussetzungen und Ziele. Parallel werden in den Seminaren notwendige Werkzeuge und Methoden kuratorischer (z. B. Budgetplan, Pressearbeit, Networking, Marketing, Sponsoring usw.) und museumspädagogischer Praxis (z. B. Vermittlungsformate wie Führung, Gespräch, Workshop, partizipative Formate, Entwicklung von Materialien, Adressatenorientierung, Medieneinsatz usw.) erarbeitet und im Rahmen der eigenen Projekte erprobt. Lehr- und Lernprinzipien Das erworbene Wissen und die Kenntnis von Methoden und Verfahren flankieren die persönliche Auseinandersetzung mit den für die eigenen Projekte gewählten und erarbeiteten Themen. Zu Beginn des Semesters werden deshalb verschiedene Themen entweder den Studierenden vorgestellt oder von diesen selbst vorgeschlagen. Nach einer Phase der Orientierung entscheidet sich jede/r Studierende für ein Thema. Hierbei gehen die Neigungen und Interessen der/s Einzelnen ein; individuelle Zielvorstellungen verknüpfen sich mit konkreten sachlichen und organisatorischen Fragen. Die persönliche Aneignung und Resubjektivierung eines Sachthemas führt im Verlauf eines Projektes dazu, dass die Studierenden ihr Thema intensiver bearbeiten und innerhalb der Arbeitsgruppe aktiver vertreten. Dieser – im Vergleich zur Zuteilung von Aufgaben durch den Lehrenden – aufwendige Aushandlungsprozess führt zu einer starken und dauerhaften Identifikation der Studierenden mit ihrem jeweiligen Thema, das so immer mehr zu einem forcierten persönlichen Anliegen wird. Die Wahlfreiheit zu Beginn und die Verbindlichkeit im weiteren Verlauf bedingen sich gegenseitig. Vordergründig haftet dem Begriff der „Vermittlung“ die operative Logik einer Meldekette an – trotz der Professionalisierung und Nobilitierung des Kuratierens und einer zunehmend emanzipiert agierenden Museumspädagogik. Im Selbstverständnis der Akteure hat sich die Hierarchie in der Deutungshoheit – vom Künstler zum Kurator zum Kunstpädagogen zum Ausstellungsbesucher – allerdings deutlich gewandelt. Das fortlaufend notwendige Ineinandergreifen produzierender, reflektierender und rezipierender Prozesse, die Interdependenz von Theorie und Praxis, von Konzeption und Realisierung bedeutet letztlich einen 78

↓ Komplizen, KuratorInnen: C. Amberg, M. F. Palacios, S. Riedel, S. Törmer, Galerie der HBKsaar, 24. November bis 17. Dezember 2016 (Foto: Stefan Törmer)

ergebnisoffen, abhängig von dem Grad des Engagements der Beteiligten, sie bieten eine Annäherung an verschiedene Anforderungsprofile späterer Berufsfelder, sie stimulieren Eigenverantwortung und Reflexion.


Zuwachs an methodischen und kommunikativen Kompetenzen, eine Erweiterung der Wissensbestände und die Vertiefung der Urteilsfähigkeit aller Beteiligten. Dem trägt die Teilnehmerzentrierung als didaktisches Prinzip Rechnung: bei der Vorbereitung von Ausstellungen und Vermittlungsformaten diskutieren die angehenden Kuratoren und Museumspädagogen sowohl mit den ausstellenden Künstlern als auch untereinander Ideen und Absichten, antizipieren das Vorgehen und arbeiten oft projektbezogen eng zusammen. Denn: beiden Professionen liegt die Grundfigur des Vermittelns als Deixis, als ein gegenseitiges Zeigen und Hinweisen, ein Aufmerksam machen aus verschiedenen und veränderlichen Perspektiven, zugrunde. Vermittlung wird nicht als „Meldekette“, sondern vielmehr als Prozess verstanden, der die künstlerische Position, die spezifischen Voraussetzungen und Absichten, die jeweils eigene Wahrnehmung und potenzielle Rezeptionsweisen zunächst ermittelt und dann vermittelnd zueinander in Beziehung setzt. Vermittelt werden in diesem Sinne also nicht Wissensbestände und apodiktische Auslegungen, vermittelt werden vielmehr Haltungen und Sichtweisen untereinander, als Anlass zu deren Erweiterung, als Anstoß zum Perspektivwechsel oder einer reflektierten Selbstvergewisserung. Hierbei sind nicht lineare, hierarchisch nicht determinierte, sondern zirkuläre, hermeneutische Bewegungen nötig. Das Finden der eigenen Rolle wird durch den Rollenwechsel, durch das Einnehmen der Position des anderen befördert. Dieser Rollentausch auf Zeit zwischen dem Künstler, dem Kurator, dem Kunstkritiker und dem Museumspädagogen stellt eine praktische Form von Reflexion dar und erweist sich in der Folge als eine der wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen kooperativer und kollaborativer Arbeitsformen. Orte der Erprobung und Bewährung Von zentraler Bedeutung als Ausstellungsort, Lernort und Diskursort ist die Galerie der HBKsaar. In ihr werden kontinuierlich Vorhaben der Studierenden 79


Ausblick Von den gegenwärtigen, nicht selten als tiefgreifend und umfassend charakterisierten Wandlungsprozessen, in denen sich Kultur und Gesellschaft befinden, zeugen signifikant die Bilder, die in ihnen entstehen und die Art und Weise des Umgangs mit ihnen. Das Schwinden von Bildzuständigkeiten und Deutungshoheiten ist nicht zuletzt den sich dynamisch erweiternden und umeinander mäandernden Bildströmen im Internet und den in ihnen geltenden und nicht geltenden Regeln zuzuschreiben. Angesichts einer in jeder Hinsicht unüberschaubaren Bilderschwemme, angesichts der tendenziellen Auflösung von Kategorien und Hierarchien, von erkennbaren Identitäten und bestimmbaren Orten, angesichts des paradigmatischen Rollentauschs von Produzenten und Rezipienten im Netz wird die Fähigkeit des Erfassens, Auswählens, Zu- und Einordnens als personale ästhetische Kompetenz immer bedeutungsvoller. Diese Prozeduren gelingen nur von einem Standpunkt aus, der einen Blickwinkel, eine Perspektive eröffnet. Sie münden idealerweise in weitere Prozeduren des Auslegens, Deutens und Urteilens. Sie dienen der Reflexion des eingenommenen Standpunkts, dem Verstehen anderer Standpunkte, der Erweiterung des Horizonts. In diesem Sinne zeigen Kuratoren und Kunstvermittler Perspektiven als Möglichkeit auf, Standpunkte selbst zu finden und Orientierung in Bildwelten und Weltbildern zu gewinnen.

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↓ Eröffnung Brücke im Dschungel IV, Kurator: Thaddäus Hüppi, Galerie der HBKsaar, 3. Juni 2016 (Foto: Stefan Törmer)

umgesetzt. Sie ermöglicht eine innovative und integrative Lehre, die tatsächlich alle Bereiche künstlerisch-gestalterischer Produktion sowie kunstwissenschaftlicher und kunstpädagogischer Reflexion zusammenzuführen vermag und deshalb von größtem Nutzen für die Masterstudiengänge ist. Über die Ausstellungsprojekte hinaus umfasst das Programm der Galerie Diskussionen, Arbeitsbesprechungen und Fachtagungen. Die Vernetzung mit deutschen und internationalen Hochschulgalerien mündet in wechselseitigen Ausstellungsprojekten, die auch auf alle anderen Studiengänge an der HBKsaar inspirierend und fruchtbar einwirken. Die Hochschulgalerie ermöglicht den Studierenden, alle relevanten inhaltlichen und organisatorischen Anforderungen im Rahmen der Konzeption, Kommunikation, Präsentation, Vermittlung und Evaluation einer Ausstellung paradigmatisch im Selbstversuch kennen zu lernen und zu bewältigen, von der Auswahl, Hängung und Beschilderung der Exponate, dem Verfassen von Pressemitteilungen und Katalogtexten über die Organisation von Eröffnungen, Führungen, Gesprächen und Workshops bis hin zur logistischen Regelung von Aufsichten, Transporten, Auf- und Abbau usw. Ungeachtet der zentralen Rolle der HBKsaar-Galerie werden die kuratorischkunstvermittelnden Projekte der Studierenden aber immer wieder auch an anderen Orten realisiert. Felder des Experimentierens und Orte der Bewährung eröffnen sich den Studierenden durch vielfältige regionale und überregionale Kooperationen und Vernetzungen mit Museen, Ausstellungshäusern, öffentlichen und privaten Institutionen und Schulen.


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↑ Ausstellungsansicht Brücke im Dschungel III, Kurator: Thaddäus Hüppi & Team, Kunsthalle am Hamburger Platz, Berlin, 5. Dezember 2015 bis 7. Januar 2016; Teilnehmende Hochschulgalerien: HBKsaar, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Universität Hildesheim, weißensee kunsthochschule berlin, HFK Bremen, BERLIN ART INSTITUTE (Foto: Stefan Törmer)

↓ Ausstellungsansicht Brücke im Dschungel III, Kunsthalle am Hamburger Platz Berlin, 5. Dezember 2015 bis 7. Januar 2016; Sonja Schrader, Shifting Baseline 2 (aus der Reihe Technische Stützen ), 2015 (Foto: Stefan Schwarzer)


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↑ Ausstellungsansicht Brücke im Dschungel III, Kunsthalle am Hamburger Platz Berlin, 5. Dezember 2015 bis 7. Januar 2016; Franca Bartholomäi, Ensemble TRAUMA – Der vierte Rauch, 2014 und Reihe MELENCOLIA INFANTILIS, 2013 (Foto: Stefan Schwarzer)


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↑ Eröffnung Brücke im Dschungel IV, Kurator: Thaddäus Hüppi, Galerie der HBKsaar, 3. Juni 2016 (Foto: Stefan Törmer)


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↑ Ausstellungsansicht Pro oder Kontra, Kuratorinnen: Julia Kurz, Dr. Jule Reuter, Burg Galerie im Volkspark Halle, 1. Dezember bis 12. Januar 2017; Tanja Hamester und Frauke Zabel (München), Prognosen, 2016 (Foto: Matthias Ritzmann)

↓ Ausstellungsansicht Pro oder Kontra, Kuratorinnen: Julia Kurz, Dr. Jule Reuter, Burg Galerie im Volkspark Halle, 1. Dezember bis 12. Januar 2017; Rechts: Anne Weyler (Köln), SKINN SCAN, 2016; Links: Paul Altmann (Leipzig), Genehmigt (62 Leopard 2, Katar 2013), 2014 (Foto: Matthias Ritzmann)


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↑ Ausstellungsansicht Pro oder Kontra, Kuratorinnen: Julia Kurz, Dr. Jule Reuter, Burg Galerie im Volkspark Halle, 1. Dezember bis 12. Januar 2017; Links: Thomas Kilpper (Gastbeitrag), State of Control, 2009; Mitte: Sophie Kindermann (München), Libelle, 2016; Rechts: Šejla Kamerić (Gastbeitrag), Bosnian Girl, 2003 (Foto: Matthias Ritzmann)


88 ↑ Ausstellungsansicht Nie Solo Sein – Sequenzen von Comic bis Trickfilm, Kuratorinnen: Prof. Heike Kati Barath, Prof. Katrin von Maltzahn und Studierende der HfK Bremen, Galerie Dechanatstraße Hochschule für Künste Bremen, 25. November bis 4. Dezember 2016; Liebe, Trickfilme und Daumenkinos entstanden im Kurs von Kyung-hwa Choi-Ahoi und Ulrike Isenberg; Zeichnungen von Julia Appelt; Alone Together, Drucke von Annahita Zielonka; Malerei von Luis Toledo; Siebdrucke von Julia Dambuk; 3 Buch von Florian Witt; Honig, Raumzeichnung von Elise Müller (Foto: Jens Weyers)


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↑ Ausstellungsansicht Nie Solo Sein – Sequenzen von Comic bis Trickfilm, Kuratorinnen: Prof. Heike Kati Barath, Prof. Katrin von Maltzahn und Studierende der HfK Bremen, Galerie Dechanatstraße Hochschule für Künste Bremen, 25. November bis 4. Dezember 2016; Radierungsserie Ätzend von Jens Genehr; Zeichnungen von Julia Appelt; verschiedene Publikationen auf dem Büchertisch von Mayuko Kudo; Wand von Elise Müller (Foto: Jens Weyers)

↑ Ausstellungsansicht Nie Solo Sein – Sequenzen von Comic bis Trickfilm, Kuratorinnen: Prof. Heike Kati Barath, Prof. Katrin von Maltzahn und Studierende der HfK Bremen, Galerie Dechanatstraße Hochschule für Künste Bremen, 25. November bis 4. Dezember 2016; Trickfilmkino; Siebdruck von Tanja Hehn (Foto: Jens Weyers)


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↑ Führung durch die Ausstellung u. A. w. g. I (um Ankauf wird gebeten), Kuratoren: Thaddäus Hüppi/PORTIPLUS, Thomas Nolden/Süddeutscher Kunstverein, Ralf Schmitt/BERLIN ART INSTITUTE, Staatliche Majolika Manufaktur in Karlsruhe parallel zur art Kartsruhe, Februar 2016 (Foto: Thaddäus Hüppi)

↑ Ausstellungsansicht u. A. w. g. II, Punkt, Kuratoren: Thaddäus Hüppi/ PORTIPLUS, Thomas Nolden/Süddeutscher Kunstverein, Ralf Schmitt/ BERLIN ART INSTITUTE, Galerie der HBKsaar, April 2016 (Foto: Thaddäus Hüppi)


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↑ Idee zur Gründung des Bundesverbandes der Hochschulgalerien im Volkspark, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, 4. Juni 2015

↓ Gründungsversammlung des Bundesverbandes der Hochschulgalerien in der Kunsthalle am Hamburger Platz, weißensee kunsthochschule, Berlin, 15. Januar 2016


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↑ Workshop der Hochschulgalerien im Volkspark, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, 4. Juni 2015



Impressum Diese Publikation dokumentiert die Jahrestagung des Bundesverbandes der Hochschulgalerien in Saarbrücken, 3. bis 5. Juni 2016, HBKsaar, Keplerstr. 3–5, 66117 Saarbrücken Die Publikation wird für den Bundesverband der Hochschulgalerien herausgegeben von Nike Bätzner, Thaddäus Hüppi und Matthias Winzen Der Verband wird satzungsgemäß geleitet von: Matthias Winzen, Nike Bätzner, Thaddäus Hüppi (Vorstand), Dominic Reich (Schatzmeister), Julia Kurz (Kommunikation/Mitgliederverwaltung) Julia Brodauf (Webgestaltung) Katalogredaktion: Nike Bätzner, Sakia Riedel, Stefan Törmer, Matthias Winzen Lektorat: Bert Sander Konzeption, Satz und Buchgestaltung: MM, M — mmm.do Bildbearbeitung: Stefan Törmer, MM, M Schrift: Lyon Papier: Heaven 42 absolutweiß Druck und Verarbeitung: Krüger Druck + Verlag & Co. KG Auflage: 700 Stück © 2017 Autoren, Fotografen, Bundesverband der Hochschulgalerien Printed in Germany www.bundesverband-hochschulgalerien.de www.fb.me/hochschulgalerien



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