Leseprobe: Werbewelten made in Hamburg. 100 Jahre Reemtsma

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Stefan Rahner / Museum der Arbeit (Hg.)

WERBEWELTEN MADE IN HAMBURG 100 JAHRE REEMTSMA


Inhalt Grußwort | Richard Gretler | 6 Vorwort | Kirsten Baumann | 7 Die Markenidee als Schlüssel zum Erfolg | Stefan Rahner | 8

TABAK

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Zur Konsumgeschichte des Tabaks | 12 Rauchgewohnheiten im Wandel der Zeit | 16 Vom Heil- zum Suchtmittel | 22

Vom Tabakfeld in die Speicherstadt | 26 Frühe Zigarettenhersteller in Hamburg und Altona | 36

Vor Ort: Tabakreportagen | 40 Negativsammlung David Schnur | 42 Werner Mannsfeldt: „Orientfotos 1937/1938“ | 44 Thomas Grebe: „USA 1965“ | 48

ZIGARETTE

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Firmengeschichte Reemtsma: Gründungsphase 1910 bis 1923 | 54 Der deutsche Zigarettenmarkt um 1910 | 60 Die Reemtsma-Brüder | 64 David Schnur | 65 Wilhelm Deffke und der Wikingersteven | 66

Expansion und Kriegszeit 1923 bis 1945 | 68 Expansion der zwanziger Jahre | 76 Die Technik der Zigarettenfertigung | 80 Musterbetrieb der Rationalisierung | 84 Der „Cigaretten-Frischdienst“ | 88 Sortimentsbereinigung | 92 „Schönheit der Arbeit“ | 96 Der „Cigaretten-Bilderdienst Bahrenfeld“ | 100 Das Unternehmen und der Nationalsozialismus | 102 Die Firma Reemtsma auf der Krim | 104 Zwangsarbeit im Werk Hannover | 108

Reorganisation 1945 bis 1961 | 114 Fox Virginia Blend | 120 Zigarettenmaschinen aus Bergedorf | 124

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Neuausrichtung des Konzerns 1961 bis 2010 | 126

Kampagnen

Neue Marken der siebziger Jahre | 130 Mit Davidoff auf den internationalen Markt | 134 Reemtsma goes east | 136

MARKEN UND WERBUNG

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Markenentwicklung | 140 Hans Domizlaff und die Markentechnik | 144 Eigensinnige Ostmarken: Cabinet | 146

„Die Fermentation“ 1934  -1935 | 188 „Mehr erleben“ 1971-1973 | 190 Sobranie 1971 | 192 West Sondereditionen | 194 „Test the West” 1987 -1994 | 196 „Von Mensch zu Mensch”1995 -1998 | 200 „West in Space“ 1993 -1998 | 202

Autorinnen und Autoren | 204 Literaturauswahl | 205 Bild- und Textnachweis | 206 Impressum | 207

Werbebilder | 148 Orient | 150 Frauen und Männer | 156 Luxus | 164 Arbeit | 168 Sport | 172 Gestalter Theo Matejko | 176 Ilse Lagerfeld | 178 Fritz Bühler | 180 Max Hoff | 184

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GRUSSWORT Der Entschluss, dem Museum der Arbeit das Werbemittelarchiv der Firma Reemtsma zu übergeben, hat sich nach nur sechs Jahren als ausgezeichnete Idee erwiesen. Denn nur so war es den Historikern des Hauses möglich, aus dem gewaltigen Fundus an Filmen und Fotografien, Plakaten, Anzeigen und Cigarettenpackungen aus den Jahren 1910 bis 2002 zu schöpfen – und nun mit der Ausstellung „Werbewelten made in Hamburg. 100 Jahre Reemtsma“ ein beeindruckendes Zeugnis für die Bedeutung des Hamburger Traditionsunternehmens für die Cigarettenproduktion sowie die Markenführung in Deutschland abzulegen. Wir gratulieren und freuen uns, dass es damit nicht nur den Mitarbeitern des Unternehmens, sondern allen Hamburgern und Gästen der Stadt über viele Monate möglich sein wird, zu einem unterhaltsamen und informativen Streifzug durch die 100-jährige Firmengeschichte Reemtsmas aufzubrechen, sich über Tabakproduktion und -handel im Laufe des vergangenen Jahrhunderts zu informieren und sich ein Bild von so bedeutenden Tabakstrategen wie Hermann und Philipp Reemtsma oder auch Hans Domizlaff zu machen. Denn diese innovativen Köpfe waren es erst, die das hanseatische Unternehmen zu dem gemacht haben, was es über Jahrzehnte war und noch immer ist: ein in der Branche führender Konzern, der auf Nachhaltigkeit, Verantwortung, Transparenz setzt. Dabei konnte niemand ahnen – und am wenigsten wohl der Firmengründer Bernhard Reemtsma selbst, wie sich das kleine Erfurter Familienunternehmen ein­mal entwickeln würde. Doch sollte es von der Gründung der Cigarettenfabrik Reemtsma im Jahr 1910 nur ein gutes Jahrzehnt dauern, bis die Reemtsma AG in den Goldenen Zwanzigern zum Marktführer der Ta­bak­industrie avancierte. Zu verdanken war diese rasante Entwicklung nicht zuletzt dem Pioniergeist und Fleiß, der Entschlossenheit und Zähigkeit, dem unternehmerischen Weitblick sowie einer großen Portion Mut, die die Reemtsma-Brü-

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der Philipp und Hermann auszeichneten. So gelang es ihnen, die Geschicke der Firma erfolgreich zu lenken und dabei manche politische und wirtschaftliche Klippe zu umschiffen. Besonders schwierig gestaltete sich die Situation nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933. Angriffspunkte bot das florierende Unternehmen einerseits durch seine jüdischen Teilhaber, andererseits durch die Machtfülle, die es inzwischen auf sich vereint hatte und die Konkurrenten immer mehr ein Dorn im Auge war. Auf den wachsenden Anpassungsdruck reagierte Reemtsma letztendlich mit Gleichschaltung nach innen und Zuwendungen an hohe NS-Funk­ tionäre, die diese eingefordert hatten. Man arrangierte sich wie viele andere Industrielle auch aus wirtschaftlichen Gründen mit den neuen Machthabern. Charakteristisch für die Führung des Unternehmens in diesen Krisen-, aber auch in besseren Zeiten war stets die Fürsorge für die Mitarbeiter, die sich wiederum in großer Solidarität und Treue der Belegschaft niederschlug. Dieses gern als Reemtsma-Geist bezeichnete Gemeinschaftsgefühl sowie das Wissen um die Bedeutung des Einzelnen für das große Ganze, aber auch die gemeinsam getragene Verantwortung für Kunden, Partner und die Qualität der Produkte zeichnen auch heute noch, im 100. Jahr der Unternehmensgeschichte, die Reemtsmaner aus. Und dies ist sicherlich mit ein Grund, weshalb das 2002 von Imperial Tobacco übernommene Unternehmen auf dem deutschen Markt noch immer auf Erfolgskurs schwimmt und trotz Wirtschaftskrise und Tabaksteuererhöhungen nach wie vor sowohl Umsatz- als auch Gewinnsteigerungen verzeichnen kann. Mit der konsequenten Hinwendung zur Markenzigarette wird das Unternehmen auch die kommenden 100 Jahre Erfolgsgeschichte schreiben. Nun aber erst einmal viel Spaß beim Entdecken und Erkunden der bisherigen Reemtsma-Geschichte! Richard Gretler


VORWORT Die Darstellung und kritische Aufarbeitung von Unternehmensgeschichte gehört zu den Kernkompetenzen eines Museums, das sich der Industrie-, Technik- und Sozialgeschichte verschrieben hat. Mit „Werbewelten made in Hamburg. 100 Jahre Reemtsma“ ergreift das Museum der Arbeit daher gerne die Chance, sich mit einer großen Sonderausstellung einem der wichtigen Unternehmen der Hansestadt zu widmen. Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass es in der Ausstellung und dem vorliegenden Katalog über ein Unternehmen der Tabakindustrie nicht primär um das Rauchen geht. Uns interessierte jedoch neben der Konsumgeschichte des Tabaks und der langen und wechselvollen Geschichte der Firma Reemtsma, den Veränderungen der Produktions- und Arbeitsprozesse vor allem die Entwicklung der Markenwerbung in der Zigarettenindustrie. Ausschlaggebend für diese Schwerpunktsetzung war nicht zuletzt das fantastische Material, auf das wir für dieses Unterfangen in gleichermaßen großer Qualität und Menge zurückgreifen konnten. Im Mittelpunkt steht dabei das Werbemittelarchiv der Firma Reemts­ ma, das uns 2004 als Schenkung überlassen wurde. Wir freuen uns sehr, zum 100. Geburtstag des Unternehmens diese Sammlung erstmals in großem Umfang einer breiten Öffentlichkeit präsentieren zu können. Ein anderer Aspekt ist in diesem Zusammenhang ebenfalls interessant: die Verschiebung des Stellenwertes von Werbung innerhalb der Unternehmenskommunikation und damit die Entstehung eines eigenen Wirtschaftszweigs. Was bis zum Ersten Weltkrieg noch als notwendige Produktreklame firmierte, etablierte sich in den zwanziger Jahren als professionelle Werbung. Reemtsma kann hier seit 1919 als Vorreiter einer Entwicklung gelten, die nach und nach alle Produkte des freien Marktes erfasst hat. Nach 1945 setzten sich in Deutschland schließlich Agenturen nach amerikanischem Vorbild durch.

In dem schwierigen Fahrwasser, in dem wir uns als Kultureinrichtung nicht erst seit der Finanzkrise befinden, ist die Unterstützung von Ausstellungsprojekten durch Dritte wichtiger denn je. Danken möchte ich daher vor allem unserem Hauptsponsor, der Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH – auch für die sympathische Kooperation. Der Hauni Maschinenbau AG, die uns unkompliziert nicht nur mit wichtigen Transporten unterstützte, sowie der Werbeagentur Scholz & Friends Brand Affairs, die maßgeblich für die Gestaltung der Drucksachen mitverantwortlich ist, wie auch Günter Herz sei an dieser Stelle ebenfalls herzlich gedankt. Entscheidend war am Ende die finanzielle Unterstützung durch den Verein der Freunde des Museums der Arbeit, die dieses Projekt überhaupt in die Nähe der Realisierung rückte – dieses Engagement kann gar nicht genug gewürdigt werden. Dem wichtigsten Kollegen in diesem Projekt gebührt am Ende auch der größte Dank. Stefan Rahner kennt wie kein Zweiter das Material, das uns die Firma Reemtsma im Laufe der Zeit großzügig überlassen hat. Ihm verdanken wir als sachkundigem Kurator die abwechslungsreiche Ausstellung sowie den spannenden Katalog, den er ebenfalls konzipiert hat. Ich wünsche mir, dass der Besuch der Ausstellung sowie das Studieren des Kataloges für uns alle ein Genuss und ein interessantes Erlebnis sein werden. Kirsten Baumann

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DIE MARKENIDEE ALS SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG Am 25. August 1910 übernahm der frühere Zigarrenhändler Johann Bernhard Reemtsma die kleine Zigarettenfabrik „Dixi“ in Erfurt. Zwei Jahrzehnte später waren die Reemtsma Cigarettenfabriken zum größten Hersteller und marktbeherrschenden Konzern in Deutschland geworden. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg gab es über 1.000 Zigarettenfabriken, meist Klein- und Kleinstbe­ triebe, die ihre Produkte in Tabakgeschäften und Gast­stätten in der direkten Umgebung absetzten. Nur wenige größere Unternehmen konnten ihre Produkte auch überregional verkaufen, aber selbst die größte Zigarettenfabrik, die Georg A. Jasmatzi AG aus Dresden, stellte keine Marke her, die in ganz Deutschland erhältlich gewesen wäre. Die erwähnten tausend Betriebe verkauften um 1910 ca. 8.000 verschiedene Zigarettensorten, die oft kaum wirkliche Markeneigenschaften besaßen: Sie waren von wechselhafter Qualität, die Mischungen änderten sich, unter dem selben Namen wurden mehrere Ausstattungsvarianten mit unterschiedlichen Mundstücken in verschiedenen Gewichts- und Preisklassen ange­ boten. Auch die Dixi war ein Kleinbetrieb mit sechs Arbeiterinnen, der seine Marken im Erfurter Raum vertrieb. Erst mit dem Eintritt der beiden Söhne Hermann und Philipp während des Ersten Weltkrieges änderte sich die Firmenpolitik grundlegend. Das Unternehmen bekam ein aufsehenerregendes Markenzeichen, den Bugsteven vor untergehender Sonne von Wilhelm Deffke. Es verpflichtete mit David Schnur den führenden Tabakexperten der Branche und mit Hans Domizlaff einen innovativen Markenfachmann. Zusammen mit der konsequenten Anwendung moderner Fertigungs-

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techniken wurde das Unternehmen in der Folgezeit zum Marktführer und Pionier der Markenzigarette in Deutschland. Dies ist der Ausgangspunkt für unsere Beschäftigung mit dem Unternehmen und seiner hundertjährigen Geschichte. Buch und Ausstellung thematisieren die Entwicklung der Firma und die Geschichte der Markenbildung. Warum hatte das Unternehmen so viel Erfolg, welche Ideen und Markentechniken verfolgte Reemtsma, welche Werbekonzepte wurden entwickelt? Gerade die industriell gefertigte Zigarette ist ein „Produkt ohne Eigenschaften“, das sich von der Konkurrenz äußerlich kaum abhebt. Umso wichtiger sind das Markenimage und die Bilderwelten, die mit ihr verknüpft werden, um sie zu einer individuellen Marke zu machen. Angeleitet von den Ideen des „Markentechnikers“ Hans Domizlaff hat Reemtsma im bewussten Gegensatz zur Konkurrenz das Produkt – die Qualität des Tabaks oder die Sorgfalt der Verarbeitung – in den Mittelpunkt seiner Werbung gerückt. Die genaue Kenntnis des Tabaks und die fortschrittlichen Herstellungsverfahren schufen die Grundlagen für die Markenqualität der gefertigten Zigaretten. Gleichzeitig stellten beide Bereiche den Fundus an Bildern und Werbebotschaften zur Verfügung, mit denen die Reemtsma-Markenwelt ausgestaltet wurde. Firmengeschichte, Produktionstechnik und Werbegeschichte sind so zumindest für die ersten Jahrzehnte des Unternehmens eng miteinander verschränkt. Die Frage nach der Markenentwicklung bietet eine Perspektive, welche die verschiedenen Themenstränge zusammenführt. Das Buch und die Ausstellung sind in drei große Bereiche gegliedert: Tabak, Zigarette und Markenwer-


bung. In dem ersten Teil widmen wir uns der Konsumgeschichte und der gesellschaftlichen Diskussion um das Rauchen. Wir zeigen den Tabak als Nutzpflanze und Handelsgut und die Arbeit in den Tabakspeichern im Hamburger Hafen. Im zweiten Teil geht es um die Geschichte des Unternehmens, um wichtige Personen, Ereignisse und Zäsuren. Im dritten Bereich schließlich werden Aspekte der Markenentwicklung thematisiert. Die Bilderwelt der Werbung zeigt sich hier als ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung, und der Blick auf prominente Kampagnen des Unternehmens skizziert wichtige Stationen der Werbegeschichte. Wir spüren der Fantasiewelt des Orients nach, die damals noch viele Versprechen von Exotik, Abenteuer und Gastfreundschaft bereithielt, und verfolgen den Wandel der Frauen- und Männerbilder in der Werbung. Mit dem Slogan „Der Duft der grossen, weiten Welt“ traf die Marke Stuyvesant den Nerv der Wirtschaftswunderzeit, und mit den Figuren der „Test the West“-Kampagne hielten viele Subkulturen in die Werbung Einzug, die hier zuvor nicht auftauchten.

aus. Die Rückschau auf hundert Jahre Reemtsma zeigt einen faszinierenden Einblick in die Entwicklung der Werbung und offenbart ein wichtiges Kapitel Hamburger Wirtschaftsgeschichte. Stefan Rahner

Große Bedeutung für die Markenwerbung hatten die kreativen Ideen von Gestaltern wie Theo Matejko, Fritz Bühler oder Max Hoff. Deren Entwürfe und Reinzeichnungen sind ein großer Schatz der Sammlung und zeigen, nach welchen Konzepten und mit welchen ausgefeilten handwerklichen Techniken die Werbewelten made in Hamburg gestaltet wurden. Die konsequent verfolgte Markenstrategie war neben der expansiven Firmen- und Finanzpolitik des Unternehmens ein wichtiges Element für den Erfolg in den ersten Jahrzehnten. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg zeichneten sich die erfolgreichen Kampagnen immer wieder durch ein besonderes Gespür für den Zeitgeist

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TABAK Zur Konsumgeschichte des Tabaks Rauchgewohnheiten im Wandel der Zeit Vom Heil- zum Suchtmittel

Vom Tabakfeld in die Speicherstadt Frühe Zigarettenhersteller in Hamburg und Altona

Vor Ort: Tabakreportagen Negativsammlung David Schnur Werner Mannsfeldt: „Orientfotos 1937/1938“ Thomas Grebe: „USA 1965“

Links: Delfter Tabaktopf, Fayence-Keramik mit Messingdeckel 1759

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ZUR KONSUMGESCHICHTE DES TABAKS Der Tabak war das erste außereuropäische Genussmittel, das sich in den europäischen Kulturen etablierte – noch vor Tee, Kaffee und Zucker. Er gelangte Ende des 15. Jahrhunderts aus Amerika zunächst als Heilmittel und Zierpflanze nach Portugal und Spanien. Der französische Gesandte Jean Nicot (1530  -1600), der Tabak als Arznei am Hof der Katharina von Medici in Florenz aussäte, gehörte zu den ersten Nutzern; um 1600 kam auch der Gebrauch als Genussmittel auf. Der englische Seefahrer Sir Walter Raleigh (15521618) brachte das Tabakrauchen aus der englischen Kolonie Virginia an die europäischen Höfe; heimkehrende Siedler machten es gleichzeitig in unteren Gesellschaftsschichten populär. Mit dem zunehmenden Tabakhandel entwickelten sich auch Manufakturen zur Tabakverarbeitung sowie zur Herstellung von Pfeifen und Tabakdosen. Parallel zur Ausbreitung des Rauchens traten staatliche oder kirchliche Verbote in Kraft. Auch als Reaktion auf den mangelnden Erfolg solcher Maßnahmen wurde im 17. Jahrhundert in Frankreich die erste Tabaksteuer eingeführt – ein erster Hinweis auf das bis heute zwiespältige Verhältnis des Staats zum Tabakkonsum. Als deutlich wurde, dass die Steuer zwar nicht abschreckend wirkte, aber eine attraktive Einnahmequelle darstellte, trat bald in ganz Europa Steuerpolitik an die Stelle von Prohibition.

nungsverfahren für die Tabakblätter, mit dem sich deren chemische Zusammensetzung änderte: Der Rauch des verbrannten Tabaks war nun nicht mehr – wie beim Orient-Tabak und prinzipiell allen Zigarren- und Pfeifentabaken – alkalisch, sondern sauer. Daher konnte der Wirkstoff Nikotin nicht mehr wie bisher über die Mundschleimhaut, sondern nur noch über die Lungen aufgenommen werden. Eine solche Zigarette schmeckt aufgrund von starken Aromazusätzen nicht unbedingt schärfer, ist aber deutlich reichhaltiger als eine der milder wirkenden Orient-Zigaretten. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland zu über neunzig Prozent Zigaretten aus OrientTabak geraucht. Danach setzte sich innerhalb weniger Jahre auch hier die American Blend durch: Bis zur Währungsreform 1948 war die „Ami“ die klassische Schwarzmarktwährung, und schon 1950 hatte die klassische Orient-Zigarette in Deutschland nur noch einen Marktanteil von drei Prozent.

Hergestellt wurden die Zigaretten in Deutschland lange Zeit ausschließlich aus so genanntem Orient-Tabak, einer Untersorte, die vor allem in Griechenland, der Türkei und Bulgarien angebaut wurde. In den USA verwendeten die Produzenten jedoch schon nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend die dort angebauten Virginia- und Burley-Tabake und entwickelten die „American-Blend“-Zigarette mit nur geringem Orient-Anteil. Wichtig für den Konsum war dabei das neue Trock-

Links: „Les Fumeurs et les Priseurs“, Lithografie von Louis-Léopold Boilly 1825

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Linke Spalte, von oben nach unten: „Indianer mit Pfeife“, Radierung um 1700; „Dar el Hadschi oder Türkische Kaffeehauspolitik“, Xylografie von Theodor Knesing 1880 (Ausschnitt); „Frau und Mann rauchend und schnupfend“, Kupferstich um 1750 Rechte Spalte: „Tabakscollegium Friedrich Wilhelm I.“, Xylografie 1860; „Professeurs et moutards“, Lithografie  von Honoré Daumier 1860 Rechte Seite: Edikt, den Handel, die Fabrikation und die Pflanzung von Tabak betreffend, 31. Mai 1786

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Im Jahr 1910 erwarb Bernhard Reemtsma eine kleine Zigarettenfabrik in Erfurt. 1923 zog das Unternehmen nach Altona und begann eine beispiellose Markt­eroberung, an deren Ende es mehr als zwei Drittel der deutschen Zigarettenindustrie beherrschte. Das Buch zeichnet die hundertjährige Geschichte der Reemtsma Cigarettenfabriken nach. Es präsentiert die Markenentwicklung und die Bilderwelt der Werbung anhand von historischen Fotografien, Plakaten und Anzeigen, Packungen, Reinzeichnungen und Original­ entwürfen und blättert ein faszinierendes Kapitel Hamburger Wirt­ schaftsgeschichte auf.

ISBN 978-3-88506-469-5


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