Leseprobe: Eppendorfbuch

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Karin Kuppig

Eppendorfbuch mit GRindelviertel, Harvestehude, Rotherbaum, hoheluft-Ost und GRoSS borstel


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EPPENDORF-WEST/ GROSS BORSTEL

EPPENDORF

HOHELUFT-OST/EPPENDORF

HARVESTEHUDE

GRINDELVIERTEL

ROTHERBAUM


Inhalt

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Einleitung 4 Chronik 8 Grindelviertel 12 Soldatenalltag in der Bundesstraße 19 Neues Jüdisches Leben am Grindel 27 Adressen Grindelviertel 44 Harvestehude 48 »Die verwünschte Linde bei Harvestehude um 1350« 66 Klosterlandkonsortium 73 Adressen Harvestehude 78 Rotherbaum 80 Gartenhäuser, Landhäuser, Villen 92 Alsterflotte 101 Adressen Rotherbaum 108 Leute aus Eppendorf 110 Hoheluft-Ost / Eppendorf 118 Stolpersteine 125 Ringlinie 138 Adressen Hoheluft-Ost / Eppendorf 144 Eppendorf-West / Groß Borstel 148 Stiftsviertel Eppendorf 157 Kommunistisches Eppendorf 163 Adressen Eppendorf-West /   Groß Borstel 176 Eppendorf 178 Terrassen, Passagen, Wohnhöfe 184 Alsterkanalisierung 191 Adressen Eppendorf 204 Literatur 206 Bildnachweis 208


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Einleitung

Die Stadtteile, von denen dieses Buch handelt, gehören zu Hamburgs bevorzugten und exklusivsten Wohngebieten – Harvestehude und Rotherbaum können sich sogar im europaweiten Vergleich mit den besten Wohnlagen messen. Großen Anteil daran hat zum einen die im Zweiten Weltkrieg nur wenig zerstörte Villenarchitektur und das Fortbestehen der zahlreichen Parkanlagen, zum anderen aber auch das im Mittelalter noch recht unscheinbare Flüsschen Alster, das durch zweimaliges Aufstauen 1189 und 1235 zuerst wirtschaftlich und dann auch lebensräumlich seine volle Wirkung entfalten konnte: Der Hamburger Rat erkannte früh, dass die Mühlen an der Alster die Nahrungsmittelversorgung Hamburgs sicherstellten, und kaufte den Schauenburgern bis 1310 in Raten die Alster sowie die beiden Mühlen am Ober- und Niederdamm in der Altstadt ab. Für die Holzversorgung verschaffte sich die noch überschaubare Stadt zudem Ländereien im Umland, die als sogenannte Landherrenschaften seit 1410 jeweils von einem Landherrn, der gleichzeitig Ratsherr oder Senator der Stadt Hamburg war, verwaltet wurden. Daneben verfügten die drei geistlichen Einrichtungen, das St. Johannis-Kloster, das Maria-Magdalenen-Kloster und das Frauenkloster »Im Jungfrauenthal«, über umfangreichen Grundbesitz rund um Hamburg. Eppendorf, Harvestehude, der Grindel und Groß Borstel gehörten zum Kloster »Im Jungfrauenthal«, Rotherbaum jedoch zur Landherrenschaft Hamburger Berg. Nach der Reformation fielen auch die geistlichen Ländereien unter das Verwaltungsrecht der Stadt. Das in »St. Johannis-Kloster« umgetaufte Frauenkloster durfte die Gewinne aus der Stiftung zwar weiterhin behalten, musste


Einleitung aber das Patronat über das Kloster an die beiden ersten Bürgermeister der Stadt abgeben, wodurch die milden Stiftungen eine Sonderstellung mit fast unbeschränkten landesobrigkeitlichen Rechten erlangten. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde im Rat der Wunsch deutlich, die vielen kleinen und zersplitterten Gebiete in zwei große Verwaltungsbezirke zusammenzufassen, und so entstanden 1830 die Landherrenschaft der Geestlande, zu der alle Gebiete nördlich des durch Hamburg verlaufenden Geesthangs gehörten, und die Landherrenschaft der Marschlande, die alle südlich des Geesthangs liegenden Gebiete umfasste. 1871 wurden die in diesem Buch beschriebenen Gemeinden – bis auf Groß Borstel – aus der Landherrenschaft der Geestlande ausgegliedert, da man aufgrund der städtischen Bebauung nicht mehr von Landgemeinden sprechen konnte. Sie wurden jetzt der Stadt direkt unterstellt und hießen nunmehr Vororte. Als die Stadt sich in den folgenden zwanzig Jahren weiter ausdehnte, erfolgte 1894 eine weitere Umbenennung in »Stadtteil«. Groß Borstel folgte 1913. Wie viele andere Stadtteile Hamburgs sind Eppendorf und Groß Borstel aus ehemaligen Bauernstellen und den Gartenhäusern begüterter Hamburger entstanden. Bis Ende des 19. Jahrhunderts führten viele Familien eine Doppelexistenz als Städter und Landbewohner und pendelten je nach Jahreszeit und Wochentag von der Stadt aufs Land und umgekehrt, gaben dann Ende des 19. Jahrhunderts aber ihre Stadtwohnungen auf oder verwandelten sie in Kontore und zogen in Villen, die für den ganzjährigen Aufenthalt geeignet waren. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts bestand so rund um Hamburg ein Ring von Gärten. 1801 beschreibt Friedrich Johann Lorenz Meyer (1760–1844), Jurist und Reiseschriftsteller, diese Vorliebe der Hamburger Bürger: »Der allgemeine Hang zum Gartenleben ist für Hamburg gewissermaßen ein charakteristischer Zug. Ich kenne keine andere Stadt, die mit Vorstädten von Gärten und mit Gartendörfern so rings umgeben ist, worin jedes Haus eine große Familie und Stadthaushaltung faßt, manche Gebäude mit Geschmack, die meisten mit mehr oder weniger Aufwand errichtet und meubliert sind. [...] In der jetzt allgemein gesuchten

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Einleitung 6

Dammthors-Gegend, die sich unmittelbar vom Thor ab nach allen Seiten hin erstreckenden aneinander hängenden Reihen oder einzeln angelegten Gärten; am Alsterufer bis Eppendorf, aufwärts und tiefer im Lande in vielen Dörfern.« Im 18. Jahrhundert hatte sich eine Rangordnung der einzelnen Gartengebiete herausgebildet, und erstaunlicherweise galt das Gelände vor dem Steintor (heute St. Georg) als das prestigeträchtigste. Palastartige Gartenhäuser, prächtige Alleen und Kutschencorsos liefen dem Gebiet vor dem Dammtor den Rang ab, Harvestehude galt im Vergleich zu St. Georg, Hamm und Billwerder als zu einsam. Nur »Officiere der Bürger-Compagnien« hätten es damals zu Ausfahrten genutzt, berichtet eine zeitgenössische Quelle. Von der großen Anzahl der Gartenhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert hat sich heute nur eine Handvoll erhalten, zum Beispiel das Willsche Palais in Eppendorf und Fontenays Gartenhaus am Mittelweg. Fast flächendeckend die Jahrhunderte überdauert haben hingegen die hochherrschaftlichen Etagenhäuser, Reihen- und Einzelvillen, die heute die Atmosphäre in den Vierteln prägen. Und obwohl Groß Borstel für das 19. Jahrhundert in relativ großer Entfernung zu Hamburg lag, entstand auch hier ein kleiner, überraschend schöner Villenbezirk. Daneben prägen großräumige Gewerbeparks, zwei Wohnsiedlungen der 1950er Jahre und Kleingärten den Stadtteil. Die Entwicklung Eppendorfs seit den 1960er Jahren liest sich wie ein Lehrbeispiel für die in zahlreichen Hamburger Stadtteilen auf dem Vormarsch befindliche Gentrifizierung. In die stark sanierungsbedürftigen, mit Kohleöfen und Einfachverglasungen ausgestatteten Altbauwohnungen zogen damals bevorzugt Studenten und Künstler. Sie schätzten die günstigen Mieten, gründeten Wohngemeinschaften und machten das Viertel bunt und lebendig. Nach und nach wurden die Häuser saniert, die frischgebackenen Akademiker zogen her, und jeder weitere Wechsel trieb und treibt die Preisschraube nach oben – die gern zitierten »verrosteten Fahrräder neben dem Rolls Royce« sieht man heute nur noch selten, während das Präsentieren von Statussymbolen mittlerweile zum alltäglichen Straßenbild Eppendorfs gehört. Die Harvestehuder sind da


Einleitung zurückhaltender und verfügen über diskretere Rituale der Zurschaustellung ihrer Wohlhabenheit. In den rückwärtigen Straßen um die Alster und den Innocentiapark begegnen dem Besucher Gelassenheit, Ruhe und hanseatisches Understatement. Vergleicht man die durchschnittlichen Jahreseinkommen der Stadtteilbewohner miteinander, so hat ein Harves­ tehuder anderthalb Mal höhere Einkünfte als ein Eppendorfer, Menschen aus Rotherbaum liegen ungefähr dazwischen. Aber auch inmitten dieser exklusiven Wohnlagen gab und gibt es Arbeiterquartiere, Fabriken und Industrieanlagen sowie ein großes Quartier mit sozialem Wohnungsbau aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Die Entstehungsgeschichte und Dichte des Stiftsviertels nördlich des Universitätskrankenhauses stellt deutschlandweit eine Besonderheit dar. Zwei der insgesamt sechs Spaziergänge in diesem Buch erkunden Eppendorf und den dazugehörigen Stadtteil Hoheluft-Ost, eine Tour beschäftigt sich mit dem nördlichen, ehemals kommunistischen Teil Eppendorfs und führt anschließend nach Groß Borstel. Rotherbaum, Harvestehude und das Grindelviertel werden durch je einen eigenen Rundgang erschlossen. Auf die detaillierte Beschreibung der Alstervillen am Harvestehuder Weg und seiner Umgebung wird in diesem Buch weitgehend verzichtet, denn fast jede Villa würde mit der Besonderheit ihrer Architektur, den Umbauten und den zahlreichen Besitzerwechseln schon für sich genug Stoff für einen eigenen kleinen Band hergeben. Im Fokus dieses Stadtteilführers stehen dagegen Gebäude mit öffentlicher Nutzung wie die Universität, das Universitätskrankenhaus, Sportplätze, Kirchen, der Flugplatz, Hayns Park und verschwundene Architekturen wie Mühlen, Synagogen, Kasernen, das Fernmeldeamt, eine Pferderennbahn und eine große Ausstellungshalle. In den Exkursen innerhalb der Spaziergänge werden stadtteilspezifische Themen vertieft, die Adressen am Ende der Touren geben Tipps zu empfehlenswerten Geschäften und zum sozialen Leben des Stadtteils. Stadtgeschichte verändert sich schnell. Wir hoffen, dass bei Redak­ tionsschluss alle Informationen dem aktuellen Stand entsprochen haben.

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chronik

1140 Eppendorf wird erstmals urkundlich erwähnt, zum Kirchspiel Eppendorf gehören 15 Dörfer. 1247 Gräfin Heilwig gründet das Zisterzienserinnenkloster »Im Jungfrauenthal« nahe der Mündung des Peper­ mölenbek in die Elbe. 1267 Die St. Johannis-Kirche in Eppendorf wird erstmals urkundlich erwähnt. 1295 Das Zisterzienserinnenkloster »Im Jungfrauenthal« zieht vom Pepermölenbek an die Stelle des heutigen Eichenparks. 1343 Die Grafen von Schauenburg und Holstein verkaufen das Dorf Eppendorf an das Kloster »Im Jungfrauenthal«. um 1350 Die »verwünschte Linde« wird gepflanzt. 1410 Rotherbaum untersteht der Landherrenschaft Hamburger Berg. 1530 Das Kloster »Im Jungfrauenthal« wird zerstört, die 19 verbleibenden Nonnen müssen zum evangelischen Glauben konvertieren und ziehen in die von den Mönchen geräumte Klosteranlage St. Johannis am heutigen Rathausmarkt. 1536 Gründung des »Evangelischen Conventualinnenstifts für unverheiratete Hamburger Patrizier- und Bürgertöchter«


chronik 9

Eppendorf, 1776

1773 Samuel Heinicke gründet die erste TaubstummenLehranstalt Deutschlands. 1811 Eppendorf hat 708, Harvestehude 257 Einwohner. 1813 Eppendorf wird von den Franzosen besetzt. 1830 Die Verwaltung des Klosterlandes geht auf die Land­ herrenschaft der Geestlande über. 1836 Umzug des Damenstifts St. Johannis an den Klosterwall, Gründung des zweitältesten Ruderclubs der Welt 1838 Eppendorf hat 953 Einwohner. 1842 Juden erhalten das Recht zum Grundbesitz. 1859 Zwischen Eppendorf und Mühlenkamp verkehrt die erste Alsterfähre. 1864 Eppendorf wird an die Gasversorgung angeschlossen. 1865 Eppendorf bekommt die ersten Briefkästen.


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Rotherbaum

Kennedybrücke *  Ruder Club *  Amerikanisches Generalkonsulat *  »Affenfelsen« * John Fontenay’s Testament * Bunker *  »Plastik im Freien« *  Alstertunnel *  St. Johannis-Harvestehude  *  Villa Mollerstraße * Brunnen Feldbrunnenstraße  * expressionistische Villa

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Startpunkt: U-Bahn-Station Stephansplatz (U1) Endpunkt: S-Bahn-Station Dammtor (S11, S21, S31) Dauer: 2 Stunden

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Mit dem Bau der gigantischen Festungsanlagen, die Hamburg vor dem Dreißigjährigen Krieg abschirmten, war das Gebiet des heutigen Stadtteils Rotherbaum von der Stadt plötzlich nur noch durch ein Stadttor, das Dammtor, zugänglich. Hinter den Stadtmauern begann die weitgehend unbebaute »Gegend vor dem Dammthor« (Abb. 1). Den südlichen Teil des Gebiets hatte seit 1647 die Kämmerei (heute heißt sie Finanzbehörde) gepachtet, er gehörte zum städtischen Hamburger Berg (H.B.), der nördliche Teil war im Besitz des Johannis-Klosters (J.K.). Zwei Grenzsteine auf beiden Seiten des Mittelwegs auf der Höhe von Hausnummer 174 zeugen noch von der alten Tren1 Ländereien nördlich des Dammtors, 1772 nungslinie. Als natürlicher Grenzverlauf trennte der Hundebek das Kämmerei­ land vom Klosterland, die Grenze wurde mit acht Scheidesteinen markiert. 1752 gelangte das Kämme­ reiland in den Besitz des Staats und wurde im Laufe der Zeit als Gemeindeweide, Schindanger, Exerzierplatz, Armenfriedhof und als städtische Baumschule genutzt. Erschlossen wurden die Strecken bis nach Eppendorf und Eimsbüttel durch drei große, vom Dammtor


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2+3 Allee am Dammtor, 1783, und Blick von der alster auf Rotherbaum, 1807

nach Norden führende Straßen, den Mittleren Fahrweg (Mittelweg), den Oberen Fahrweg (Rothenbaumchaussee) und den Neuen Fahrweg (Edmund-Siemers-Allee). Die alte Dreiergabelung ist noch heute auf dem Stadtplan erkennbar. Erstaunlicherweise wurden die drei Sandwege bereits 1729 mit Bäumen bepflanzt, obwohl sich zu dieser Zeit dort kaum Häuser befanden. Allgemein erleichterten Alleen bei Schnee, Nebel und in der Dämmerung die Orientierung, und die Baumwurzeln festigten zudem die lockeren Fahrbahnen (Abb. 2). Zudem waren Alleen häufig Bestandteile herrschaftlicher Schlossanlagen – und vielleicht wollte es der Staat Hamburg den vielen kleinen deutschen Fürstentümern ja gleichtun. Ein großer Pächter in dem Gebiet war fast zweihundert Jahre lang, von 1680 bis 1856, die Gärtnerfamilie Böckmann. Auch die Klosterbleiche an der Mündung des Hundebeks und weitere Gartenanlagen prägten das Bild, bis die französischen Truppen 1813 alle Gebäude einschließlich der Alleen niederbrannten (Abb. 3). Doch die Wirtschaftsgebäude der Böckmanns zwischen Alter Rabenstraße und Milchstraße und die vereinzelten Gartenhäuser der Hamburger wurden schnell wieder aufgebaut. Als die Stadt Mitte des 19. Jahrhunderts über ihre Grenzen hinauswuchs, bildete sich zwar eine staatliche Baukommission, doch bis 1892 der Bebauungsplan offiziell in Kraft trat, hatten sich Rotherbaum und Harvestehude längst nach den Wünschen der han-


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4 Lombardsbrücke, um 1860

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seatischen Grundstücksbesitzer und dem Prinzip des freien Markts entwickelt. Seit dem Bau der Verbindungsbahn 1865/66 (heute S31) schotten die Gleisanlagen den Stadtteil Rotherbaum von der benachbarten Neustadt und St. Pauli ab. Der wichtigste Zugang nach Rotherbaum führt bis heute über die Dammtorstraße, das alte Stadttor. Die nächste Möglichkeit, die Bahn zu kreuzen, ist dann erst wieder die Rentzelstraße. Unser Rundgang startet auf der rechten Seite der Esplanade und führt geradeaus bis zur Binnenalster unten am Wasser entlang und dann links durch die Unterführung unter der Lombardsbrücke hindurch, an deren Ende wir auf die Kennedybrücke stoßen.

1 Kennedybrücke Die Kennedybrücke ist eine von 2284 Brücken in Hamburg. Sie verbindet die beiden Stadtteile Rotherbaum und St. Georg und wurde 1952/53 zur Verkehrsentlastung der parallel verlaufenden Lombardsbrücke errichtet. Anfang der 1950er Jahre, als die »Ost-West-Straße« noch nicht realisiert war, fuhren täglich 52 000 Kraftfahrzeuge über die Lombardsbrücke (Abb. 4), die damit das größte Verkehrsaufkommen Hamburgs zu verbuchen hatte. Sie galt als der unfallträchtigste Verkehrszug Norddeutschlands.


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5 Neue Lombardsbrücke, um 1955

Die Zahl ist umso erstaunlicher, wenn man berücksichtigt, dass damals insgesamt nur 87 500 Fahrzeuge in Hamburg gemeldet waren. Der Entwurf für die Neue Lombardsbrücke, wie die Kennedybrücke die ersten zehn Jahre genannt wurde, stammt von Bernhard Hermkes (1903–1995). Eine sechzig Meter breite Hauptöffnung dient als Passage für die Alsterschiffe, umgeben ist sie von zwei zwölf Meter breiten Seitenöffnungen (Abb. 5). Der Abstand der Stützen ist so gewählt, dass die Pfeiler bei einer frontalen Ansicht die Bögen der Lombardsbrücke nicht überschneiden. Während die Gestaltung der Brückenoberseite so dezent gehalten ist, dass sie kaum wahrnehmbar ist, entfaltet sich an der Unterseite eine Spannbetonkonstruktion aus fünf formschönen Betonträgern, die am Ufer auf je fünf Stützen ruhen (Abb. 6), wobei die grobkörnige Oberfläche des Betons den ästhetischen Reiz der Untersicht noch steigert. Zur Anlage gehören außerdem das runde Bassin zwischen den beiden Brücken sowie


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das neu gestaltete und aufgeschüttete westliche Außenalsterufer, wo sich einst das Vereinshaus des 1854 gegründeten, zweitältesten Ruderclubs Deutschlands, Favorite Hammonia, befand (Abb. 7). Die Kennedybrücke wurde zur Internationalen Gartenausstellung 1953 vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss eingeweiht. Die am linken Ufer unterhalb der Brücke stehende Skulptur »Jüngling mit Möwe« von Fritz Fleer (1921–1997) entstand nach einem Auftrag der Kunst-amBau-Kommission 1955. 1963 wurde die Brücke nach der Ermordung John F. Kennedys dem amerikanischen Präsidenten zu Ehren in Kennedybrücke umbenannt. Auch heute noch spielen beide Brücken für den städtischen wie für den überregionalen Verkehr eine bedeutende Rolle. Die Kennedy­ brücke wird täglich von rund 58 000, die Lombardsbrücke von rund 67 000 Fahrzeugen und eintausend Zügen überquert. Von Bernhard Hermkes befindet sich vor den Gewächshäusern in Planten un Blomen noch eine weitere, der Kennedybrücke ähnliche Spannbetonbrücke. Auf der Brücke verläuft übrigens der 10. Längengrad östlich von Greenwich. Er ist auf dem nördlichen Gehweg Richtung Außenalster im Pflaster markiert. Weiter geht es jetzt am linken Alsterufer immer geradeaus bis zum gelben Vereinshaus der Ruderer. 6+7 Untersicht der Kennedybrücke und Bootshaus des Ruderclubs Favorite Hammonia, um 1915


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Dr. W. Heyk

Edg. Ross

Ad. Godeffroy

A. Lutteroth

C.M. Schröder jr.

Ernst Merck August Heeren Cesar Godeffroy

F. Schwartz

Gust. Goslar Dr. C.G. Fischer Dr. Heckscher Ed. Abendroth Charles Parish Carl Sillem Gust. Godeffroy

8 Illustre Runde im Ruderclub, um 1841

2 Der Hamburger und Germania Ruder Club, Alsterufer 21 Der 1836 gegründete Hamburger und Germania Ruder Club ist nach einem britischen Verein der zweitälteste Ruderclub der Welt (Abb. 8). 1844 fand auf der Alster die erste Ruderregatta statt, aus der der Hamburger Club als 9+10 Vereinswappen und -haus des Hamburger und Germania Ruderclubs


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Sieger hervorging. Es folgten weitere große und kleine Erfolge wie eine erste olympische Goldmedaille im Rudern und zahlreiche Weltmeisterund Europatitel. Aber nicht nur der Leistungssport, sondern auch der Breitensport, im Verein »Kulturrudern« genannt, hat seinen festen Platz. »Rudern ist die preußische Art der Meditation«, ist der Festschrift zum 175-jährigen Bestehen des Clubs zu entnehmen. Und wer sich einmal dem Rudern verschrieben hat, der rudert wohl sein ganzes Leben. Fast genauso wichtig wie der Sport ist dem Verein das Vereinsleben. Das findet nach dem Training an der Vereinsbar statt, wo Hamburgs Upperclass gern unter sich bleibt. Für Feste und Vorträge ist die Club-Krawatte, getragen zur dunklen Jacke, erwünscht (Abb. 11). Wer eine Mitgliedschaft beantragt, muss zuvor von zwei stimmberechtigten Mitgliedern vorgeschlagen worden sein. Wenn es vom Verein gewünscht wird, dürfen nähere Auskünfte über das neue Mitglied eingeholt werden. Anschließend muss der Antrag vom sechsköpfigen Aufnahmeausschuss angenommen werden. Wenn ein Mitglied gegen das Ansehen des Clubs verstößt, kann der Ältestenrat den Ausschluss aus dem Verein erwirken. Auf seiner Internetseite wird der Verein kurz »der CLUB« genannt. Die Bande, die im Club geschlossen wird, hält meistens das ganze Leben und ist in vielerlei Hinsicht nützlich. Frauen sind genauso wie beim benachbarten Ruderclub Favorite Hammonia von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Das gelbe Clubhaus (Abb. 9+10) 11 Dresscode im Ruderclub, 1916 von 1901 ruht auf fünfzig Holzpfählen und Stahlkonstruktionen aus den 1920er Jahren. In naher Zukunft müssen die morschen Holzstämme aufgrund der Bausicherheit ersetzt werden. Neben den Ruderbooten und Alster-


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dampfern sind es vor allen Dingen die Segelboote, die zum typischen Sommerpanorama der Außenalster gehören. Dass man hier mitten in der City plötzlich aufs Boot springen und lossegeln kann, ist in den großen Städten der Welt wirklich eine Rarität. Am westlichen Alsterufer gibt es drei Anlaufstellen, an denen Segelboote gemietet werden können. Direkt an der Kennedybrücke, am Fährdamm (gemeinnütziger Alster-Jugend Segelclub) und nahe der Krugkoppelbrücke. Kenner betonen, dass es wegen der besonderen Winde, die nach jedem Kanalzufluss und jeder Straßenkreuzung wechseln, auf der Alster schwieriger sei, den Segelschein zu machen, als auf der Ostsee. Einige Meter weiter geradeaus befindet sich der nächste Haltepunkt des Spaziergangs.

3 Villa – ehemaliges Amerikanisches Generalkonsulat, Alsterufer 27/28 Der Standort am Alsterufer mit zwei Hausnummern ist bereits die 30. Adresse des amerikanischen Konsulats in Hamburg und wird dies – nach vom Konsulat zu Redaktionsschluss dieses Buchs bestätigten Informationen – nicht mehr lange sein. Denn die Vertretung möchte sich verkleinern und plant den Umzug in eine neue Immobilie. Das Haus birgt das architektonische Geheimnis, aus ehemals zwei Villen zusammengesetzt zu sein. Nummer 27 war eine freistehende Neorenaissance-Villa, die 1882 für den Kaufmann Gustav Michaelsen erbaut und einige Jahre später an den Gründer der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft (später Deutsche Esso) Wilhelm A. Riedemann verkauft wurde. Mit dem Eckturm und den steilen französischen Dächern wirkte sie wie ein kleines Loire-Schloss (Abb. 12). Im Innern beeindruckten den Besucher 34 Zimmer, lederbezogene Türen und eine von Marmorsäulen getragene große Halle. Auch der Nachbarvilla am damaligen Ende der Fahrstraße fehlte es mit dem rundem Turm und dem getreppten Renaissancegiebel nicht an Eleganz (Abb. 13). Sie gehörte dem Kaufmann Julius Rée, der die Villa


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12+13 VillA Michaelsen und Villa Rée, beide um 1910

kurz nach der Fertigstellung an den Geschäftspartner und Schwiegersohn Riedemanns, Eduard Sanders, verkaufte. Beide Villen stammen aus dem Architekturbüro Martin Hallers und waren gestalterisch durch die sich spiegelnden Türme und räumlich durch zwei Torbögen verbunden. Wie bei vielen anderen Villen an der Alster lagen die Wirtschaftsgebäude auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks an der Klopstockstraße (heute Warburgstraße). Von der architektonischen Ausgestaltung her ließen es die Stallgebäude mit einer Wohnung für die Dienerschaft an nichts fehlen. Schon 1906 fand ein erster von Martin Haller geleiteter vollständiger Umbau der Villa statt. Trotzdem sind im Innern der beiden Häuser eine Vielzahl von Räumen mit ihrer originalen Wand- und Deckenausstattung erhalten. Auch die Fassade der Villa Nummer 27 entspricht noch weitgehend der Ausführung Martin Hallers. 1934 ließ der Gauleiter Karl Kaufmann die beiden Villen durch Elingius & Schramm zu einem Bau vereinigen, um dort für seinen Stab ein Hauptquartier der Nationalsozialisten einzurichten. Dazu wurden die Dächer und der rechte Turm abgetragen und eine Brücke sowie ein schmaler Ver-


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bindungsgang im ersten Stock hinzugefügt. 1945 konfiszierten die britischen Besatzungstruppen die Häuser, und fünf Jahre darauf kaufte das US-Außenministerium die beiden ehemaligen Villen zur Unterbringung des amerikanischen Konsulats auf. Der neu angefügte Balkon mit Säulenvorbau soll bewusst an das Weiße Haus in Washington erinnern. An Weihnachten schmückt ein großer Baum mit roten, weißen und blauen Kerzen den Balkon. Der erste amerikanische Konsul John Parish amtierte ab 1790 in Hamburg. Als eingebürgerter Hamburger 14 John Parish (1742–1829) war er bisher der einzige nicht-amerikanische Gesandte dieser Einrichtung (Abb. 14). Seit dem Anschlag am 11. September genießt das Konsulat besonderen Schutz, und die Straße Alsterufer wurde bis auf Weiteres für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrt. Der nächste Haltepunkt des Rundgangs befindet sich zwei Hausnummern weiter.

4 Bürohaus »Affenfelsen«, Alsterufer 30 Laut Bebauungsplan aus den 1950er Jahren war an der Außenalster nur Wohnbebauung vorgesehen, an dieser Stelle sollte ein Hotel entstehen. Der Investor zog sich jedoch frühzeitig zurück, weil ein Drittel des Baugrundstücks für die Anfang der 1970er Jahre projektierte Stadtautobahn (die als Tunnelstrecke unter der Alster entlangführen sollte) freigehalten werden musste. Mit verändertem Bebauungsplan als Zugeständnis an die Wirtschaftlichkeit baute die Robert Vogel AG hier nun ein elfgeschossiges Bürohaus für Gruner + Jahr. Auf verkleinerter Fläche entstand dabei 1971/72 ein kompakter Baukörper, dessen Wuchtigkeit und Höhe die Relationen seiner Umgebung sprengte. Durch die getreppte, zum Alsterufer hin abgestufte Fassade und die dezente Farbigkeit gelang es den Architekten Fritz Rafeiner und Anton Gnech allerdings, das mächtige Volumen teilweise abzumildern.


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15 Bürohaus »Affenfelsen«

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Der Skelettbau besteht aus Stahlbeton-Fertigteilstützen und -decken. Auch die Balkongalerien sind aus Stahlbeton, der Kern ist aus Ortbeton. Verwendet wurde ein in den 1960er Jahren vor allem für den Hochschulbau entwickeltes Fertigteilbausystem, das jedoch auch bei anderen Bauaufgaben Verwendung fand. Die Fertigteilbauweise rastert den Bau in Module und ermöglichte es, ihn variabel zu halten, das heißt ihn an den Knotenpunkten sowohl in der Breite als auch in der Höhe zu späteren Zeitpunkten zu erweitern beziehungsweise abzubauen. In diesem Modulsystem, das sich aus Anregungen des japanischen Architekten Kenzo Tange speist, wurden damals nicht nur praktische, sondern auch gestalterische Vorzüge gesehen. Tange übertrug die Formen traditioneller japanischer Holzarchitektur mit Galerien auf zeitgenössische Materialien und moderne Fertigungsprinzipien. Zum Komplex am Alsterufer gehört auch ein viergeschossiges Büro- und Wohngebäude an der Warburgstraße 45. Im Hamburger Volksmund, der nur wenigen Bauten einen Spitznamen gibt, heißt das Gebäude mit der auffälligen Kubatur »Affenfelsen« (Abb. 15). Es ist das jüngste Gebäude, das in diesem Buch vorgestellt wird. Nun geht es links in die Straße Klein Fontenay. Am Straßenende sieht man zu unbelaubten Zeiten das Wohn- und Gartenhaus von John Fon­ tenay.


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Gartenhäuser, Landhäuser, Villen Zu den ersten Häusern vor dem Dammtor zählten die Wirtschaftsgebäude der Böckmann’schen Gartenanlagen. Auch andere Hamburger errichteten hier draußen in der Landschaft ihre Gartenhäuser (vgl. Grindelviertel-Spaziergang, Abb. 29). Typisch waren aus waagerechten Holzbohlen zusammengesetzte Unterkünfte wie das Gartenhaus John Fontenays (vgl. Station John Fontenay’s Testament). Beispiel für ein steinernes Gartenhaus ist das ehemalige »Theater im Zimmer« in der Alsterchaussee 30. Um 1850 standen an der Wasserseite des Harves­ tehuder Wegs ungefähr 25 Gartenhäuser. Als der Platz und die Luft innerhalb der Stadtmauern knapper wurden, zog es die reichen Kaufleute immer häufiger in ihre Landhäuser mit Ausblick auf den Alsterteich. Und so veränderte sich auch die Architektur. Man legte auf eigene Kosten Privatstraßen an und baute nunmehr dauerhafte Unterkünfte. Die erste ganzjährig bewohnte Villa ist die noch erhaltene Slomanburg von 1848/49 am Harvestehuder Weg 5. Spezialist für den Bau der prunkvollen Villen war der Architekt Martin Haller, der enge Beziehungen zur Hamburger Society pflegte. Gefragt Landhäuser, 1857 waren Häuser im Stil der mediterranen Renaissance und des Barock. Bei seinen Kunden waren besonders Säulenvorbauten, glasüberwölbte Hallen und aus der Symmetrie gestellte Türme beliebt. In Geschmacksfragen konnte die seit 1898 einmal in der Woche erscheinende »Illustrierte Villen-Zeitung« zu Rate gezogen werden, die für fünfzig Pfenning


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im Quartal nach Hause geliefert wurde. Ganz aus Eigennutz versuchten die Villenbesitzer, den landschaftlichen Reiz der Gegend, von dem die grüne Stadt Hamburg noch heute profitiert, durch eine sparsame Bebauung zu erhalten. Und als die Sandwege für den seit Mitte des 19. Jahrhunderts zweimal am Tag verkehrenden Omnibus planiert und Gaslaternen aufgestellt wurden, Slomanburg, 1911 beschwerten sich die Landhausbesitzer, dass die natürliche Ländlichkeit der Gegend verloren gehe. Davon hat sich wenig bewahrheitet. Trotz der Besorgnis der Villenbesitzer ist das Alsterufer bis heute eine der reizvollsten und exklusivsten Wohngegenden Deutschlands geblieben.

5 John Fontenay’s Testament, Fontenay, Fontenay-Allee, Klein Fontenay Unser Weg geht nun tiefer in das Fontenay’sche Areal und führt nach rechts durch die mit Linden bepflanzte Fontenay-Allee (Abb. 17). John Fontenay war ein erfolgreicher Hamburger Schiffsmakler (Abb. 16). Nach eigener Aussage wurde er 1769/70 in den USA geboren und soll 1797 von Philadelphia nach Hamburg gekommen sein. Hier erhielt er 1801 das Hamburger Bürgerrecht und heiratete ein Jahr später die wohlhabende Witwe Anna Catharina Kirsten, die vier Kinder mit in die Ehe brachte. Während der ersten Elbblockade stellte Fontenay mit seinem lebenslangen Geschäftspartner Thomas Goulton Hesleden von Tönning aus einen Teil der Versorgung Hamburgs sicher. Während der Franzosenzeit wich die Familie, durch ihre amerikanische Staatsbürgerschaft begünstigt, nach London und Frankreich aus. Nach ihrer Rückkehr konnte der Kaufmann zusammen mit Hesleben seine Stellung als Schiffsmakler in be-


Adressen Rotherbaum 108 Cafés / Restaurants Osteria Due Badestraße 4 www.osteriadue.de ➜ 15 Punkte im Gault Millau 2013 Ristorante Portonovo Alsterufer 2 www.ristorante-portonovo.de ➜ Italien an der Alster

Pöseldorf-Center Mittelweg 130 ➜ Ladenpassage für den Alltagsbedarf der Pöseldorfer Flohmarkt am Turmweg im April und September www.melan.de ➜ einer der schönsten Flohmärkte Hamburgs Wochenmarkt Turmweg www.hamburger-wochenmaerkte.de ➜ donnerstags von 8.30 bis 14 Uhr

Sgroi Restaurant Milchstraße 7 Hotels www.annasgroi.de ➜ Restaurant der Sterneköchin Anna Sgroi Alsterappartements – Rezepte von ihr gibt es in älteren Ausgaben (Boarding House) Heimhuder Straße 13 des SZ-Magazins www.alsterappartements.de ➜ einfach ausgestattete 1–4-ZimmerLäden Appartements Brillenhaus Wilke Grand Elysée Hotel Hamburg Bei St. Johannis 4 Rothenbaumchaussee 10 www.brillenhaus-wilke.de www.grand-elysee.com ➜ Museumsbrillen aus den 1930er bis ➜ 5-Sterne-Hotel mit über 500 Zimmern 1980er Jahren, außerdem schicke aktuelle Modelle Hauswedell & Nolte
 Pöseldorfer Weg 1 www.hauswedell-nolte.de ➜ Auktionshaus für Kunst, wertvolle Bücher und Autographen

Hotel am Rothenbaum Rothenbaumchaussee 107 www.hotelamrothenbaum.de ➜ zentral gelegenes Mittelklassehotel Hotel Heimhude Heimhuder Straße 16 www.hotel-heimhude.de ➜ Hotel in ruhiger Wohnstraße


Adressen Rotherbaum Hotel-Pension Fink Rothenbaumchaussee 73 www.hotel-fink.de ➜ familien- und haustierfreundliche Pension

Freizeit / Sport

Hochschule für Musik und Theater Harvestehuder Weg 12 www.hfmt-hamburg.de ➜ staatliche Ausbildung für Instrumentalmusik, Gesang und Regie Institut Francais de Hambourg Heimhuder Straße 55 www.institutfrancais.de ➜ offizielle französische Kulturvertretung in Hamburg – Sprachkurse und Kulturveranstaltungen

Alster-JugendSegelclub e.V. Fährdamm 12 ajus.ynnor.de ➜ fördert den Segelsport für Kinder, JugendKonfuzius-Institut an der Universität liche und Schulklassen Hamburg e.V.
 im Chinesischen Teehaus »Hamburg Yu Deutscher Hochseesportverband Garden«
 HANSA e.V. Feldbrunnenstraße 67 Rothenbaumchaussee 58 www.ki-hh.de www.dhh.de ➜ betreibt u.a. Yachtschulen an der Ostsee, ➜ Förderung des deutsch-chinesischen Kulturaustauschs – Sprachkurse am Chiemsee und am Mittelmeer Staatliche Jugendmusikschule Soziales / Non-Profit Hamburg UNESCO Institute for Mittelweg 42 Lifelong Learning www.hamburg.de/jugendmusikschule/ ➜ qualifizierter Musikunterricht für Kinder Feldbrunnenstraße 58 uil.unesco.org ➜ setzt sich für das Recht auf Bildung ein, Kultur Erwachsenenförderung AMD Akademie Mode & Design Alte Rabenstraße 1 web.amdnet.de ➜ Hochschule für kreative und nichtkreative Berufe in der Modebranche

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Leute aus Eppendorf

Christian Blunck (*1968) ist ein Hamburger Hockeyspieler. Mit dem Harvestehuder Tennis- und Hockeyclub e.V. (HTHC) wurde er fünfmal Deutscher Meister, mit der deutschen Nationalmannschaft holte er 1991 den Europatitel und die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1992. 1998 beendete er seine Karriere als aktiver Spieler, war kurzzeitig Trainer und schreibt heute für die Mopo und die Bildzeitung. Außerdem moderiert er Sportveranstaltungen. Der Schriftsteller Wolfgang Borchert (1921–1947) wurde im ersten Obergeschoss des Hauses in der Tarpenbekstraße 82 geboren. Er und sein Vater, der Lehrer war, gingen auf dieselbe Schule in der Erikastraße. Mit 17 Jahren nahm Borchert heimlich Schauspielunterricht bei Helmut Gmelin und begann Gedichte zu schreiben. Kurz nach seinem ersten Engagement in Lüneburg wurde er 1941 zum Kriegsdienst einberufen. An der Ostfront zog er sich schwere Infektionen zu, von denen er sich auch nach seiner Rückkehr aus dem Krieg nicht richtig erholte. Im Krankenbett entstand neben zahlreichen Kurzgeschichten das bekannte Drama »Draußen vor der Tür«, das einen Tag nach Borcherts Tod uraufgeführt wurde. Im Rosengarten an der Eppendorfer Landstraße wurde dem Schriftsteller 1994 ein Denkmal mit der Inschrift »Sagt Nein! Mütter, sagt Nein!« gesetzt.


Leute aus Eppendorf Der gebürtige Emdener Karl Dall (*1941) verließ Ostfriesland nach seiner Schulzeit und einer Schriftsetzerlehre. In Berlin-Kreuzberg gründete er 1967 die Musikgruppe Insterburg & Co. In den 1980/90er Jahren moderierte der Komiker im Fernsehen zahlreiche eigene Shows wie »Dall-As« oder »Jux und Dallerei« und war in »Verstehen Sie Spaß?« der kalauernde Filmvorführer. In über zehn Kinofilmen war er als Schauspieler in der Hauptrolle zu sehen. Karl Dall wohnt in einer Jugendstil-Villa in Harvestehude und besitzt außerdem eine alte Mühle in Ostfriesland. Jan Delay (*1976) wuchs in Eppendorf in einem Künstlerhaushalt auf. Er besuchte das Helene-Lange-Gymnasium und gründete als 15-Jähriger die Musikgruppe »Absolute Beginnerz«, mit der er als einer der wenigen Musiker in den 1990er Jahren auf Deutsch rappte. In den folgenden Jahren wechselte er zwischen Hip-Hop, Funk&Soul, Reggae und Rock und veröffentlichte in allen Musikrichtungen zum Teil mehrere Alben. Auch als DJ gelang ihm jeweils ein erfolgreicher Genremix. Sein englischer Künstlername Delay bedeutet im Deutschen »Verzögerung« – ein typisches Stilmittel in der Reggaemusik. Freimut Duve (*1936) ist ein Publizist und SPD-Politiker. Fast zwanzig Jahre lang gab er unter anderem die Buchreihe »rororo aktuell« heraus. Von 1980 bis 1998 war Duve über ein Hamburger SPD-Direktmandat Mitglied des Bundestages. Als OSZE-Beauftragter setzte er sich auf internationaler Ebene für die Freiheit der Medien ein. 1997 erhielt er zusammen mit Joachim Gauck den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken und 2004 das Große Bundesverdienstkreuz. Freimut Duve wohnt in der Mollerstraße.

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Eppendorf

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U-Bahn-Station Kellinghusenstraße * Friedhof Eppendorf * Wohnhof­ allee Schrammsweg * Willsches Palais * Haus des Klostervogts * Hayns Park * Urban Gardening * Eppendorfer Mühle * Biskuitfabrik Langnese * Reihenhäuser Kösterstraße * Garten Alma de l’Aigle

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Startpunkt: U-Bahn-Station Kellinghusenstraße (U1/U3) Endpunkt: Lokstedter Weg bei Nr. 102 (Haltestelle Frickestraße/ Buslinien 22, 39) Dauer: etwa 1,5 Stunden

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Eppendorf ist das älteste urkundlich nachweisbare Dorf im Umkreis der Stadt Hamburg. Der einstige Kern des Bauerndorfs lag von der Geest erhöht zwischen Ludolfstraße, Eppendorfer Landstraße und Schrammsweg. Südlich des Schrammswegs, zwischen Alsterfluss und Isebek, befand sich ein tiefer liegendes Gebiet, das als Gemeindewiese genutzt wurde. Auf der sogenannten Looge hatten die Kätner (die Bewohner und Eigentümer einer Kate) das Recht, Kühe und Pferde weiden zu lassen sowie Torf zu stechen. Im Gegenzug mussten sie vertraglich festgesetzte, unentgeltliche Arbeitsdienste für das Kloster »Im Jungfrauenthal« erbringen, zu dessen Besitz Eppendorf seit 1343 gehörte. Zu dieser Zeit bestand Eppendorf bereits aus acht abgabepflichtigen Höfen. Ein Standortvorteil Eppendorfs war die eigene Kirche, deren großes Einzugsgebiet Handwerker und kleine Gewerbetreibende dazu ermutigte, sich hier anzusiedeln. Im politisch unruhigen 17. Jahrhundert mussten die Eppendorfer jedoch drei Plünderungen der St. Johannis-Kirche über sich ergehen lassen – kaiserliche, schwedische und polnische Truppen raubten die Kirchenschätze jeweils vollständig aus. Einen entscheidenden Schritt seiner Entwicklung machte Eppendorf im selben Jahrhundert, als die Hamburger Bürgermeister Sebastian von Bergen und Albrecht von Eitzen – als eine der ersten Städter – Land von den Eppendorfer Bauern erwarben, um dort Gartenhäuser zu errichten. Ende des 18. Jahrhunderts reichte die Bebauung mit Landsitzen an der Ostseite der Eppendorfer Landstraße fast bis zur Höhe des Eppendorfer Baums. Auf einer Karte von 1776 ist zu sehen, dass zu den meisten Häusern ein symmetrisch angelegter, wahrscheinlich in Barocktradition stehender großer Garten gehörte (Abb. 1). Wie die Ausfallstraßen am Dammtor waren auch die meisten Straßen in


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1 Eppendorf, 1776

Eppendorf ein- oder doppelseitig mit Bäumen bepflanzt. Für Reisende muss Eppendorf ein angenehmer Flecken gewesen sein, denn in Reisebeschreibungen wird es mehrfach als landschaftlich reizvolles Gebiet erwähnt. Die Looge wurde wegen des feuchten Untergrunds erst zwischen den beiden Weltkriegen parzelliert und mit gehoben ausgestatteten Etagenhäusern in geschlossener Blockrandbebauung bebaut. Im Zweiten Weltkrieg blieb Eppendorf in weiten Teilen von den Bombenangriffen verschont. Unsere Tour durch den Dorfkern von Eppendorf beginnt an der U-Bahn-Station Kellinghusenstraße.

1 U-Bahn-Station KellinghusenstraSSe Das Haltestellengebäude Kellinghusenstraße war einer der ersten Hochbahnbauten der 1912 eröffneten Ringlinie (vgl. Exkurs Ringlinie, S. 138).


Eppendorf Seitdem trennte nicht mehr der Isebekkanal die feinen Harvestehuder von den bürgerlichen Eppendorfern, sondern die Hochbahntrasse. Der Station kam als Abzweige-Haltestelle Richtung Ohlsdorf mit vier Gleisen besondere Bedeutung zu. Das mit fränkischem Muschelkalk verblendete Haltestellengebäude entwarf das Altonaer Architekturbüro Raabe & Wöhlecke. Auffällig ist die nur ästhetischen Zwecken dienende Überdachung des Ringgleises mit einem kupferbekrönten Portalbogen (Abb. 2). Auch der Aufgang zu den Gleisen wird durch einen Portalvorbau mit Dreiecksgiebel betont. Die Wandpfeiler des Portals bestehen aus zwei überlebensgroßen Figurengruppen des Bildhauers Johann Michael Bossard (1874–1950), wobei die dreiviertelplastischen Reliefs »Kraft und Schnelligkeit« als Gebälkträger die Funktion der klassischen Atlanten übernehmen. Die Mädchen jeweils zu Füßen eines Mannes und einer Frau tragen Girlanden und sitzen auf einem Rad, aus dem Blitze schießen. Diese versinnbildlichen die Dynamik des modernen Verkehrs und des technischen Fortschritts. Die Architekten Raabe & Wöhlecke hatten für die Ringlinie unter vielen anderen Stationen auch die Haltestellengebäude Landungsbrücken (nicht mehr erhalten), Rödingsmarkt, Rathaus und Mundsburg entworfen. Aus der Feder des Büros stammt außerdem das Eingangsgebäude des Alten Elbtunnels. 1927/28 wurde das U-Bahnnetz mit der Kelljung-Linie von der Kellinghusenstraße bis zum Stephansplatz beziehungsweise zum

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2+3 Portal der Station KellinghusenstraSSe, 1912, und Bahnsteig, 1953


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Jungfernstieg erweitert (heutige U1). Für den Bau wurde der Bahnsteig verlängert (Abb. 3), und um ein reibungsloses Umsteigen zu ermöglichen, wurden die Gleise mit einer Fußgängerbrücke verbunden. 4 FuSSgängerbrücke KellinghusenstraSSe, 1982 Der Überbau ist eine Holz-Glas-Konstruktion von Walther Puritz (1882–1957), mit dessen kubischer Rasterstruktur sich die Hochbahn zur Moderne bekannte (Abb. 4). Auch die übrigen Stationen der Kell-Jung-Linie prägen eine zur damaligen Zeit hochmoderne Haltestellenarchitektur. Hervorzuheben ist besonders die U-Bahn-Station Klosterstern, ebenfalls von Walther Puritz entworfen. 1964 wurde die Haltestelle umfassend modernisiert und 2012 barrierefrei ausgebaut. Die U-Bahn-Station, die Straße und der gleichnamige Park sind nach Heinrich Kellinghusen (1796–1879) benannt. Im jährlichen Wechsel war er Präsident des Senats und Präsident des Hamburger Obergerichts. 5+6 Holthusenbad, Schnitt, Grundriss und Freibad, um 1937


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2 Friedhof Eppendorf, Marie-Jonas-Platz

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Der U-Bahn-Station gegenüber schauen wir auf Eppendorfs Badeanstalt, das Holthusenbad (Abb. 7). Es wurde als Ersatz für die Flussbadeanstalt am Oberlauf der Alster eröffnet, die wegen der Alsterkana7 Holthusenbad, um 1914 lisierung (vgl. Exkurs Alsterkanalisierung, S. 191) aufgegeben werden musste. Die Bauweise der 1914 eröffneten Badeanstalt von Fritz Schumacher galt als musterhaft. Das Parterre umfasste zwei tonnengewölbte voneinander getrennte Schwimmhallen für Männer und Frauen (Abb. 5). Sehr große Sorgfalt wurde der Reinhaltung des Schwimmbeckenwassers gewidmet. Die Gesundheitsbehörde gewährleistete, dass ständig so viel Reinwasser zugeführt wurde, »daß das Wasser auch bei stärkstem Besuch solche Durchsichtigkeit behält, daß Unglücksfälle durch Ertrinken sicher vermieden werden können«. 1937 kam das Freibad hinzu (Abb. 6), und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der gemischte Badebetrieb eingeführt. Bis zu dieser Zeit war im ersten Stock das Standesamt mit holzgetäfeltem Hochzeitszimmer und im zweiten Geschoss eine Bücherhalle untergebracht. Wir gehen nun weiter durch die Goernestraße bis zur Kreuzung Eppendorfer Landstraße. Dort liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Marie-Jonas-Platz.

Der Gemeindefriedhof befand sich bis 1837 an der Ostseite der Eppendorfer St. Johannis-Kirche. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung bot der kleine Kirchhof jedoch keine ausreichenden Bestattungsmöglichkeiten


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mehr, sodass nach einer Beerdigung teilweise nur acht Jahre vergingen, bis Gräber wieder neu belegt wurden. Zeitweise sollen Gebeine und zerschlagene Särge in der Nähe der Kirche zu finden gewesen sein. Deshalb wurde 1837 zwischen Kümmellstraße und Eppendorfer Landstraße an der Stelle des heutigen Marie-Jonas-Platzes ein neuer Friedhof angelegt, auf dem beispielsweise die Großbauernfamilie Timmermann, Pastor Ludolf, die Sierichs und die Kellinghusens bestattet wurden. Kurz nach dem Bau des Ohlsdorfer Friedhofs wurde der Eppendorfer Friedhof 1894 geschlossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann der Baumbestand abgeholzt, und die Fläche diente dem Anbau von Kartoffeln und Kohl, bis 1951 Karstadt dort ein großes Warenhaus eröffnete. Auf der Eppendorfer Landstraße geht es nun ein kleines Stück geradeaus und in die nächste Straße rechts hinein. Am Schrammsweg findet sich auf beiden Straßenseiten eine ausgedehnte Hinterhofbebauung.

Terrassen, Passagen, Wohnhöfe Architektonisch knüpfen Terrassen an die vorindustrielle hamburgische Hinterhofbebauung der Gängeviertel an und entwickeln die für Hamburg typischen, in Fachwerkbauweise errichteten Wohnhöfe der Innenstadt fort. Eine »Terrasse« bezeichnet zwei sich parallel gegenüberstehende, vom Vorderhaus senkrecht in die Grundstückstiefe abgehende Häuserzeilen in den Stadterweiterungsgebieten. Sie dienen der besseren Ausnutzung der Blockinnenflächen, sind meist durch einen Torbogen von der Straße aus zugänglich und enden in der Regel als Sackgasse. Zur nächsten Straße hin offene Terrassen werden als Passagen bezeichnet. In Hamburg sind die Hinterhäuser der Wohnhöfe abgesetzte selbständige Gebäude und weisen in der Regel weniger Stockwerke als das Vorderhaus auf. Seit 1892 waren Wohnkeller und ein drittes Obergeschoss im Hinterhof verboten. Im Unterschied zu Berlin wurde in Hamburg der Anbau von gleich hohen Flügelbauten an die Vorderhäuser vermieden. Das Spektrum reichte von Gartenter-


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rassen für das Bürgertum bis zu verschatteten, engen und mehrstöckigen Terrassen für die proletarischen Unterschichten. Je größer der Abstand zwischen den Hinterhauszeilen war, desto teurer waren die Mieten. Der Begriff Terrasse wurde aus dem Englischen entlehnt und sollte den Unterschied zwischen den dunklen und heruntergekommenen Gängen in der umwallten Stadt und den modernen, besser ausgestatteten Wohnhöfen in den Vororten deutlich machen. Während er in England für vornehme, fern vom Straßenlärm errichtete Reihenhäuser gebräuchlich war, diente er den Immobilienmaklern in Hamburg häufig zur Verschleierung manch dunkler Hinterhoftatsachen.

3 Wohnhofallee, Schrammsweg 19 A–L Den Mittelpunkt des Terrassenensembles zwischen Eppendorfer Weg und Schrammsweg bildet die Wohnhofanlage Nummer 19 A–L (Abb. 8+9). Der Wohnkomplex von 1892/94 beginnt hinter der geschlossenen fünfgeschossigen Straßenrandbebauung mit einem untypischen Vorplatz vor der eigentlichen vertikal geschnittenen Häuserzeile. Die gestalterische Benachteiligung der Hinterhöfe ist hier weniger zu spüren. Das Eckhaus zur Terrasse wurde als historistische Stadthausarchitektur bauplastisch

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8+9 Wohnhof Schrammsweg 19 A–L, Hofansicht und Terrasse, 1983


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aufgewertet, sein Erdgeschoss ist mit hellen Zementquadern als Sockelgeschoss ausgebildet, das erste Obergeschoss mit doppelten Fensterverdachungen als Beletage und das zweite Obergeschoss als sparsamer ausgestaltetes Dachgeschoss. Die Aufteilung der Ziegelverblenderfassade hat gründerzeitlichen 10 Schrammsweg 17+21, Vorderhaus, 1983 Seriencharakter und entsprang dem Wunsch der Spekulanten nach einer wirtschaftlich rentablen, standardisierten Baugestaltung. Nach zeitgenössischen Aussagen machte die Wohnhofallee dennoch einen »sehr behaglichen und freundlichen Eindruck«, und wegen des »baulichen sehr guten Zustandes« wurde sie als »Capitalanlage« empfohlen. Nicht zuletzt steigerte auch die mit der orange-roten Fassade korrespondierende Blütenfarbe der Alleebäume die Wohnqualität. Was den Wert allerdings minderte, war eine kleine Hühnerzucht. Aus einer nachbarschaftlichen Beschwerde von 1897 geht hervor, dass auf den Hofflächen am Tage mindestens zwanzig Hühner frei umherliefen, die nachts in einen Bretterverschlag gepfercht wurden. Auch von anderen Wohnhöfen ist bekannt, dass die Erdgeschossbewohner zur Aufwertung ihres Speiseplans Kleinvieh vor den Fenstern hielten. Trotz der verhältnismäßig aufwendigen Terrassengestaltung am Schrammsweg gab es, was die Grundrisse, das Fassadendekor und das soziale Gepräge angeht, ein deutliches Gefälle zum Vorderhaus (Abb. 10). Heute spielen soziale Unterschiede im Terrassenensemble eine geringere Rolle, vielmehr sehen viele Bewohner einen Vorteil darin, in einer großstädtischen Oase ohne Verkehrslärm und parkende Autos vor der Haustür nachbarschaftliches Miteinander pflegen zu können. Weitere knapp zwanzig Jahre später entstandene Hinterhofbebauung befindet sich im Hof der Hausnummern 12 und 33 sowie, nahezu zeitgleich errichtet, bei Nummer 13 und 25/27.


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11+12 Willsches Palais: Gartenseite, 1944, und Front, 1984

Wir gehen nun den Schrammsweg weiter bis zur Kellinghusenstraße, biegen dort links ein und gehen bei der nächsten Möglichkeit wieder links in die Hahnemannstraße. Wer mag, kann einen kurzen Abstecher zum Spielplatz und einer imposanten alten Kastanie im Blockinnern von Hausnummer 7 machen. Am Ende der Straße überqueren wir die Heinickestraße und haben von dort einen Blick auf das gegenüber, an der Ludolfstraße stehende Willsche Palais.

4 Willsches Palais, LudolfstraSSe 19

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Dort, wo sich heute kein Fußgänger freiwillig hin verirrt, steht eines der ältesten Gebäude Eppendorfs. Es ist eines der wenigen Landhäuser, das die Industrialisierung überlebt hat, und liegt direkt im alten Dorfkern an der ältesten Wegeverbindung nach Hamburg. Das Gebäude, dessen Garten bis an die Alster reichte, wurde in mehreren Phasen errichtet (Abb. 11). Der älteste zweiachsige Kernbau aus Backstein entstand um 1700. Zu diesem Bau gehören – wenn man von der Ludolfstraße auf das Gebäude blickt – die beiden linken Fensterachsen. Ihn gliedern Kolossalpilaster mit korinthischen Sandsteinkapitellen, ein stark betonendes Holzgesims sowie ein weit ausschweifendes gewalmtes Satteldach. Im Parterre des Kernbaus befand sich ein Gartensaal. Die fünf (EG) beziehungsweise


Adressen Eppendorf 204

Bars /Kneipen /  Nachtleben Café Borchers
 Geschwister-SchollStraße 1–3 www.borchers-hamburg.de ➜ jeden 3. Samstag im Monat von Sep­tember bis April Tanznächte mit wechselnden DJs Café Silwar Bucht Eppendorfer Landstraße 148 B www.bootshaus-silwar.com ➜ jeden Mittwoch Jam Session mit inter­ nationalen Jazzgrößen, Café kann auch komplett angemietet werden

Cafés / Restaurants Konditorei Lindtner Eppendorfer Landstraße 88 www.konditorei-lindtner.de ➜ Familienbesitz in dritter Generation, fertigt feine Pralinen, Marzipan, Petit Fours und Torten Cornelia Poletto Eppendorfer Landstraße 80 www.cornelia-poletto.de ➜ Feinkostladen mit familiärem Restaurant, geführt von der bekannten Sterneköchin

Schramme 10 Schrammsweg 10 www.schramme10.de ➜ existiert seit den 1950er Jahren und hieß früher »Schikane«. Es werden jedes Jahr vier Tonnen Erdnüsse ausgegeben. Shukria India Eppendorfer Marktplatz 8 www.shukria.de ➜ indisches Restaurant mit reichhaltiger Karte

Läden Antiquitäten
Carsten Brundert
 Wolfgang-Borchert-Haus
 Tarpenbekstraße 82 www.brundert-hamburg.de ➜ An- und Verkauf von Kunst, Antiquitäten und skandinavischen Designermöbeln BoConcept Eppendorfer Marktplatz 2 www.boconcept.com ➜ dänisches Möbeldesign seit 1952 Das Buch in Eppendorf Eppendorfer Landstraße 56 20249 Hamburg ➜ tolle belletristische Buchhandlung mit beschlagenen Buchhändlerinnen


Adressen Eppendorf Kaufrausch Isestraße 74 www.kaufrausch-hamburg.de ➜ Mutter aller Concept-Stores in Hamburg Otto F. K. Koch Eppendorfer Landstraße 104 www.papeterie-hamburg.de ➜ Papierwarenparadies und Fachgeschäft, Beratung inklusive Milchmädchen Lehmweg 47 www.milchmaedchen-design.de ➜ handverlesene internationale Designs aus kleinen Manufakturen Speicherstadt Kaffeerösterei Eppendorfer Baum 38 www.speicherstadt-kaffee.de/filialeeppendorf.html ➜ vierzig Sorten röstfrische Kaffees aus der Speicherstadt

205 Hotels Privatzimmer Bed and Breakfast, www. bed-and-breakfast.de/Hamburg/Eppendorf-Nord-Doppelzimmer-HHPieDz. html ➜ Privatzimmer mit Frühstück

Freizeit / Sport Alster-Canoe-Club e.V. Ludolfstraße 15 www.alster-canoe-club.de ➜ Angebot für Kanadier, Kajaks, Drachenboote, Kanuwandern, Wildwasserfahrten, Kanupolo Bootshaus Barmeier Eppendorfer Landstraße 180 www.bootshaus-barmeier.de ➜ Kanu- und Kajaklagerung seit 1926, Gartencafé, kein Verleih

Weichsel78 Tischlerei Tarpenbekstraße 78 www.weichsel78.de ➜ schöne Formen und feine Funktionen, Maßanfertigungen für Möbel

Bootshaus Silwar
 Eppendorfer Landstraße 148 B www.bootshaus-silwar.com ➜ ganzjährige Bootsplätze und Kanu-Verleih, hier gibt’s den Schwan und die Ente

Weltrecord Eppendorfer Landstraße 124 www.weltrecord.de ➜ Spezialist für »Weltmusik«

W.E.T. Winterhude-Eppendorfer Turnverein von 1880 e.V., Erikastraße 196 www.wet-sport.de ➜ 14 Sportarten für Freizeit- und Breitensportler


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