Fofftein
Fofftein Leben und Arbeiten in Hamburg 1930 – 2014 Herausgegeben von Stefan Rahner
Germin, Thomas Henning, Adam Pańczuk
Inhaltsverzeichnis
When the Past Meets the Future Börries von Notz
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Erinnerungsbilder Prof. Dr. Rita Müller
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Hamburg — Hafen — Heimat Stefan Rahner
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Der Fotograf Germin Stefan Rahner
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Germin Städtischer Alltag Hafen Arbeit
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Standfotos. Eine Stadt im Wandel Frank Göhre
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Thomas Henning TRI-X, C-41, Chromes und SX70
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Die Erfindung Hamburgs in den Zeiten der Koberer Sven Amtsberg
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Adam Pańczuk City Lab Interview mit/with Adam Pańczuk Autor/innen & Fotografen Impressum
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When the Past Meets the Future Seite 1–2 Entladen von Wildtieren für einen Zoo in der Tschechoslowakei 1970 Seite 4 Blick vom Hafentor auf die Stülcken-Werft 1958 Seite 6 Norderelbbrücke 1950
„When the Past Meets the Future“ – unter diesem Motto beteiligen sich die Historischen Museen Hamburg an der Triennale der Photographie in Hamburg im Jahr 2015. Das Besondere an den Historischen Museen Hamburg im Vergleich zu anderen stadt- und regionalgeschichtlichen musealen Einrichtungen ist die Vielfalt ihrer Sammlungen, anhand deren die Geschichte der Stadt Hamburg durch sämtliche Bevölkerungsschichten dokumentiert und anschaulich gemacht werden kann. Das gilt in ganz besonderem Maß für die fotografischen Sammlungen, die im Altonaer Museum, im Hamburg Museum und im Museum der Arbeit in beeindruckendem Umfang und ebensolcher Qualität vorhanden sind. Aus diesen fotografischen Beständen präsentieren die Historischen Museen Hamburg in drei eigenständigen Ausstellungen eine individuelle Auswahl an Bildern und liefern damit einen einzigartigen Blick auf die Hansestadt und ihre Bewohner. Hamburg Museum, Altonaer Museum und Museum der Arbeit setzen sich zeitgleich jeweils in spezifischer Art und Weise mit der Bildgeschichte und der im Bild festgehaltenen Gegenwart der Stadt Hamburg auseinander und liefern damit einen umfassenden Blick auf „Hamburg in der Fotografie“, worin gleichzeitig das kuratorische Leitbild dieses gemeinsamen Ausstellungsprojekts besteht. Bei allen drei Ausstellungen steht das für Hamburg Typische im Vordergrund. Sie zeigen, wie Hamburg gesehen wurde, wie es gesehen werden wollte und wie die Bilder bis heute das Bild der Stadt prägen. Sie fragen nach der Wirkmächtigkeit von Fotografien im Allgemeinen und für die Stadt Hamburg im Besonderen. Die Fotografien liefern mit dem Blick in die Vergangenheit Erklärungen für Gegenwärtiges und ermöglichen somit Visionen für die Zukunft. Gerade in dieser Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegt die Stärke von historischen Museen, mit ihren Wissensbeständen aktiv an den Diskursen der Gegenwart teilzunehmen. Das Hamburg Museum wirft in seiner Ausstellung einen Blick auf die gesamtstädtische Entwicklung und präsentiert die bauliche Veränderung der Hafenstadt. Das Altonaer Museum konzentriert sich auf die Frage nach Landschafts- und Menschenbildern in Hamburg und Norddeutschland und deren Rolle beim Entstehen von Beheimatungsstrategien. Im Museum der Arbeit sind es vor allem Straßenszenen und Bilder sozialer Milieus, mit denen der (Arbeits-)Alltag der Menschen thematisiert wird. Mein besonderer Dank gilt der Kulturbehörde Hamburg, die dieses Projekt mit den Mitteln des Ausstellungsfonds ermöglicht hat. Ferner danke ich der Hamburgischen Kulturstiftung für die finanzielle Unterstützung. Und nicht zuletzt sei auch der Triennale der Photographie Hamburg mit dem diesjährigen Titel „The Day Will Come“ unter der künstlerischen Leitung von Krzysztof Candrowicz gedankt.
Börries von Notz,
Alleinvorstand Stiftung Historische Museen Hamburg
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Erinnerungsbilder
links Bau der Alsterschwimmhalle 1968 Seite 10 Schlepper bringen einen Frachter in den Hafen 1956
Im Jahr 1989 übernahm das Museum der Arbeit gemeinsam mit dem Museum für Hamburgische Geschichte, heute Hamburg Museum, und der Staatlichen Landesbildstelle über 1200 Abzüge, etwa 80 000 Negative und Dias aus dem Bestand des Fotografen Gerd Mingram, genannt Germin (1910–2001). Gerd Mingram, in Hamburg geboren und gelernter Schriftsetzer, fotografierte zwischen 1930 und den 1970er Jahren das Alltagsleben in der Stadt. Als Bildjournalist arbeitete er in Hamburg als freier Pressefotograf für den „Hamburger Anzeiger“, das „Tageblatt“, später auch für das „Hamburger Echo“. Gerade zu Beginn seiner Tätigkeit hat er viele alltägliche Beobachtungen und Straßenszenen für die so genannten „Lokalspitzen“ fotografiert, Feature- und Stimmungsbilder gesammelt und inszeniert. Später kamen größere Bildreportagen hinzu. Vor allem dokumentierte er intensiv die Hamburger Arbeitswelt, besonders im Hafen und im Schiffbau. Mit „Fofftein. Leben und Arbeiten in Hamburg 1930–2014“ wird erstmals der Gesamtbestand in einer Ausstellung umfassend präsentiert und zugänglich gemacht. Die Fotos von Gerd Mingram sind eine einmalige Dokumentation und Fundgrube der Arbeits- und Alltagswelt in Hamburg. Sie werden ergänzt durch Arbeiten von Thomas Henning (*1952), der seit Mitte der 1970er Jahre das Leben in St. Pauli und dem Schanzenviertel festgehalten hat. Wir freuen uns, dass mit Unterstützung des Ausstellungsfonds der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg nicht nur diese Ausstellung im Rahmen des Projekts „Hamburg in der Fotografie“ der Stiftung Historische Museen Hamburg realisiert werden konnte, sondern durch die Teilnahme an der Triennale der Photographie in Hamburg auch eine Kooperation mit dem Fotografenkollektiv „Sputnik Photos“ aus Warschau möglich wurde. In Zusammenarbeit mit Krzysztof Candrowicz, Kurator der Triennale, wurden vier Fotografen ausgewählt – für das Museum der Arbeit Adam Pańczuk (*1978). Dieser setzte seine persönlichen Visionen vom Leben und Arbeiten in Hamburg ins Bild und entwarf „zukünftige Erinnerungsbilder“ – ganz nach dem Motto „The Day Will Come – When the Past Meets the Future“.
Prof. Dr. Rita Müller,
Direktorin Museum der Arbeit
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Hamburg — Hafen — Heimat Stefan Rahner
Wie sah der Alltag in Hamburg vor achtzig Jahren aus, wie vor vierzig? Welche Bilder der Vergangenheit sind in den Köpfen vorhanden und prägen heute die Erinnerung? Welche Motive und Topoi sind ins kollektive Bildgedächtnis eingegangen und haben sich als sinnstiftend für die Hamburger Identität erwiesen? Die Ausstellung „Fofftein. Leben und Arbeiten in Hamburg 1930-2014“ geht diesen Fragen nach. Mit den Bildern der drei Fotografen Gerd Mingram, Thomas Henning und Adam Pańczuk werfen wir einen Blick auf das Leben in der Stadt in den letzten achtzig Jahren. Nicht als illus trierte Stadtgeschichte, sondern als fotohistorische Analyse der typischen Motive und Bildformeln, die das Image von Hamburg geprägt haben. Gerd Mingram (1910–2001), der sich als Fotograf Germin nannte, begann in den frühen 1930er Jahren als freier Pressefotograf zu arbeiten. Er fand seine Motive zufällig auf der Straße, fotografierte aber auch viele Reportagen über alltägliche Themen. Neben der Tätigkeit für die Presse arbeitete er für verschiedene Gewerkschaften und Unternehmen. Reportagen aus der Arbeitswelt nehmen einen wichtigen Teil in seinem Werk ein. Für mehr als vier Jahrzehnte wurde er zu einem bedeutenden Bildchronisten des Alltagslebens und der Arbeitswelt von Hamburg. Germin fotografierte für die direkte Veröffentlichung, seine Arbeit war eingebunden in ein System von Beauftragung, Auswahl und öffentlicher Wahrnehmung. Die Vorgaben und die Auswahlkriterien von Redaktionen und Auftraggebern, aber auch die Reaktionen der Leser flossen – wenn auch diffus und indirekt – in seine Bildproduktion ein. Neben seiner persönlichen Sichtweise kommen in seinen Fotografien auch die Auffassungen seiner Zeit zum Ausdruck.* Dies verleiht den Bildern Germins einen anderen Charakter als den Arbeiten von Thomas Henning und Adam
Pańczuk. Deren Aufnahmen zeigen als freie Arbeiten zuallererst die persönliche Sicht der beiden Fotografen, wenn auch nicht losgelöst von den fotoästhetischen und ideologischen Anschauungen ihrer Zeit. Der mediale Status des fotografischen Werks von Ger min, aber auch der Umfang seines Archivs, das aus mehr als 80 000 Aufnahmen aus vier Jahrzehnten besteht, bieten uns die Möglichkeit, seine Bilder auch nach den rhetorischen Bildformeln und Stereotypen zu befragen, die ihnen zugrunde liegen. Welches Bild von Hamburg entwerfen sie, und welche Motive konstruieren das Selbstverständnis der Hamburger? Neben mündlichen Erzählungen, Gebräuchen, Liedern oder geschriebenen Texten trägt auch die Bildüberlieferung zur Identitätskonstruktion bei. Aus dem historischen Bildinventar stellt das kollektive Bildgedächtnis die Hamburg-Ikonen bereit, die durch ihre Typik und ihren emotionalen Gehalt für viele sinnstiftend wirken. Dieser Bildervorrat ist nicht starr und vollständig festgelegt, aus der Übereinstimmung der individuell und kulturell unterschiedlich geprägten Ansichten ergibt sich im Diskurs aber ein relativ abgegrenztes Inventar: „So ist Hamburg!“ Dabei geht es weniger um die einzelnen Motive, sondern eher um die Sichtweisen und thematischen Felder, die den Rahmen vorgeben: der Blick an den Landungsbrücken auf den Hafen, die Bilder von großstädtischer Modernität, der Topos vom „Tor zur Welt“.
* Ein prägnantes Beispiel für das Auseinanderfallen dieser Sichtweisen zeigt die Veröffentlichung des Bildbandes „Im Ruhrgebiet“ des Fotografen Chargesheimer 1958. Sein Blick stieß zumindest in der Öffentlichkeit des Ruhrgebietes auf einhellige Ablehnung. Heute gehört die Publikation zu den Ikonen der Foto(buch)geschichte, damals hätte Chargesheimer seine Bilder in der regionalen Presse nicht veröffentlichen können.
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Die drei Großerzählungen „Städtischer Alltag“, „Hafen“ und „Arbeit“ ordnen in der Ausstellung die Bilderwelt Germins. Sie vermitteln eine Annäherung an die Alltagserfahrungen und das Lebensgefühl der Menschen und zeigen darüber hinaus einige Elemente auf, aus denen sich ein Selbstbild zusammensetzt. Städtischer Alltag Der Erzählstrang präsentiert in einer lockeren, chronologischen Ordnung Motive, die das zeittypische Alltagsleben, wichtige Ereignisse und Veränderungen in der Stadt zeigen: Straßenszenen, Kinderspiele in der Siedlung, die Formierung des Alltags in der NS-Zeit, Leben in Trümmern, Wirtschaftswunder, Sturmflut ... Parallel zeigen wir Motive, die den programmatischen Blick auf das urbane Leben in der Großstadt formulieren und wichtige Grundzüge des Hamburger Selbstbildes transportieren. Sie dienten den Hamburgern der Selbstvergewisserung, in einer großstädtischen, modernen, weltoffenen Metropole zu leben. Wurde diese Gewissheit durch die Kriegszerstörungen grundlegend erschüttert, so ist den Bildern die Suche nach Anzeichen für wiedergewonnene urbane Normalität anzusehen. Eine wichtige Funktion erfüllen auch die „Heimatbilder“ von Wahrzeichen und Orten: der Michel, Lombardsbrücke und Jungfernstieg, Altonaer Fischmarkt, Reeperbahn oder Hamburger Dom. Sie sind aufgeladen mit Emotionen und unverzichtbarer Bestandteil der Hamburger Folklore. Hafen Hafen und Elbe sind ein genuiner Teil Hamburger Identität. Die Nähe zum Wasser, die Lage am Strom prägen den Charakter der Stadt. Orte, die heute vor allem von Touris-
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ten bevölkert werden, waren früher weit stärker Schauplätze von Arbeit, des Seehandels und des Schiffbaus. Der Hafenrand war aber auch Wohn- und Lebensraum, vor allem für die Menschen, die im Hafen arbeiteten. Für alle Hamburger bis in die elbfernen Vororte gehört er zum festen Bestandteil der eigenen Identität. Er ist Quelle von Mythen und Anekdoten aus der Welt der Seefahrt, Projektionsfläche für Fernweh, Abenteuerlust und Exotik. Der Hamburger begegnet dem Hafen an den Landungsbrücken. Dem Betrachter tritt er hier als „Kulisse“ gegenüber, lange Zeit optisch (und akustisch!) präsent durch die gegenüberliegende Werftenkette mit dem Helgengerüst der Stülcken-Werft und den Schwimmdocks von Blohm + Voss. Davor auf dem Fluss als Bühne das emsige Treiben von Barkassen und dicken Pötten. Dieser Blick der Zuschauer auf die Betriebsamkeit und den Arbeitsort Hafen gerinnt zum Topos der „Barkassenschnulzen“. Wir zeigen die Bebilderung der Hafenkulisse, den Blick auf die Arbeit, aber auch das Bildklischee vom „Tor zur Welt“ mit seinen exotischen Gütern und fremden Kulturen. Aus der Welt der Hafenarbeiter und Schiffbauer stammt auch der Typus des „Hamborger Jung“, zu Beginn des 20. Jahrhunderts besungen und dargestellt von den Gebrüdern Wolf und Charly Wittong: weite Hosen mit Schlag, roter Schlips, Schirmmütze, Hände in den Taschen, lässig, großspurig, laut. Er findet sich nicht nur in den Bildern vom Hafen, sondern auch auf den Aufnahmen des Schwarzmarkts nach Kriegsende oder in Thomas Hennings Blick auf St. Pauli und die Kultur der 1970er und 1980er Jahre. Arbeit Die Arbeitswelt war ein besonderes Interessengebiet von Germin. Wir konzentrieren uns auf „alte Arbeit“, auf
Tätigkeiten, Branchen und Arbeitsweisen, die ehemals bedeutsam und typisch für Hamburg waren, die es hier heute aber kaum noch gibt. Branchen wie die Fischindustrie oder der Schiffbau haben das Bild von Hamburg stark geprägt, sind heute aber weitgehend verschwunden. Die Bilder rufen eine Welt vor der allgemeinen technologischen und medialen Durchdringung aller Lebensbereiche ins Gedächtnis und machen den Umfang der Veränderungen sichtbar. Der Blick auf „harte Arbeit“ zeigt, wie viel Mühsal und Gefährdungen in vielen Arbeitsbereichen selbstverständlich waren. Die alltäglichen Erfahrungen von Belastung und Unsicherheit waren ein wichtiger Teil proletarischer Lebenswirklichkeit. Diese Form schwerer Arbeit ist bei uns inzwischen die Ausnahme geworden. Viele Vorgänge wurden mechanisiert und ersetzt, viele Formen der Schwerarbeit finden jetzt aber schlicht in anderen Ländern statt und werden dort unter ähnlichen Bedingungen wie den gezeigten ausgeführt. Thomas Henning Das Verschwinden ganzer Lebensbereiche und der tiefgreifende Wandel von Milieus wird auch in den Bildern des Fotografen Thomas Henning (*1952) sichtbar. Er wohnt seit Mitte der 1970er Jahre im Schanzenviertel, arbeitet als Fotograf und Grafiker. Seine Bilder von St. Pauli und der Schanze sind Ergebnisse von ausgedehnten Spaziergängen mit der Kamera, entstanden ohne kommerziellen Auftrag. Mit seinen Bildern wollte Henning sein Lebensumfeld dokumentieren, die Stimmung und das Lebensgefühl der Zeit ins Bild setzen: sein Stück Hamburg. Seine Faszination für amerikanische Kultur, amerikanische Fotografie und amerikanische Autos schlagen sich in den Aufnahmen nieder – sie spiegeln aber auch eine wichtige Grundstim-
mung in der Stadt wider. Als Fotograf war er beeinflusst von Diane Arbus oder Bruce Davidson und den New ColorFotografen wie William Eggleston oder Stephen Shore. Seine Bilder zeigen ein persönlich empfundenes Hamburg, die Motive waren damals kein Teil des allgemeinen Hamburg-Images, sind aber aus heutiger Sicht ein wichtiger Aspekt des städtischen Alltags jenseits des bürgerlichen Lebens im urbanen Zentrum. Sie zeigen die Situation in den nicht sanierten, oft noch durch die Kriegsschäden geprägten Altbauvierteln, die zu dieser Zeit abgeschlossene Milieus außerhalb der Wahrnehmung waren. Auch wenn sich die Quartiere inzwischen extrem gewandelt haben und vielbesuchte Szene-Viertel geworden sind, die in keinem Blick auf Hamburg fehlen, verweisen Hennings Bilder auf das Nebeneinander unterschiedlicher Milieus, die nur teilweise Eingang in das offizielle Selbstbild finden. Adam Pańczuk Im Herbst 2014 haben vier Fotografinnen und Fotografen des Fotokollektivs „Sputnik Photos“ aus Warschau Hamburg besucht. Ihrem Blick von außen bot sich Hamburg zuallererst als Ort rasanten Wandels und permanenter Veränderung dar. Adam Pańczuk interessiert sich für die Wandlungsprozesse und fragt nach ihrer Bedeutung für die Stadtgesellschaft. Mit seiner Mittelformatkamera hat er Orte in der Stadt aufgesucht, die sich gerade stark verändern oder in Zukunft verändern werden. Er hat dort Menschen porträtiert, die Teil der Umstrukturierung geworden sind, alte Bewohner oder neue Nutzer. Seine Bilder sind fotografiert als Momentaufnahmen des Wandels, die vielleicht in einer zukünftigen Rückschau als Erinnerungsbilder an unsere Gegenwart funktionieren werden.
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Städtischer Alltag Nach dem Großen Brand von 1842 entwickelte sich Hamburg zu einer modernen Großstadt, deren Einwohnerzahl noch vor dem Ersten Weltkrieg die Millionengrenze erreichte. Nach Berlin war sie die zweitgrößte Metropole in Deutschland. Das Geschäftshausviertel rund um Mönckebergstraße, Rathausmarkt und Binnenalster bildete das urbane Zentrum, beherrscht von den Türmen der fünf Hauptkirchen. Zum Hafen hin entstanden große Kontorhäuser wie das Chilehaus, Sitze von Banken, Reedereien und Handelsfirmen. Eine moderne Hoch- und Untergrundbahn erschloss die Wohnviertel rund um die Innenstadt mit ihren großen Backsteinsiedlungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren ganze Stadtviertel zerstört, das bot an vielen Stellen die Chance zur Neugliederung. In der Zeit des „Wirtschaftswunders“ etablierte Hamburg sich wieder als moderne Metropole.
Seite 21 Ost-West-Straße 1968
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GERMIN
lichter der grossstadt
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GERMIN
Seite 22 MĂśnckebergstraĂ&#x;e 1937 Seite 23 Kreisverkehr am Jungfernstieg 1937
lichter der grossstadt
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Seite 24 Motorenprüfung bei der Lufthansa am Flughafen Fuhlsbüttel 1956 links Verkehrsregelung auf der Mönckebergstraße 1963 rechts Am Hauptbahnhof 1959
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oben Am Alsterpavillon 1939 unten Große Bleichen 1961 Seite 27 Schwäne am Reesendamm 1961
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lichter der grossstadt
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Grindelhochh채user. Am Grindelberg entstanden Ende der 1940er Jahre die ersten Hochh채user in Hamburg 1958
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Kinder in St. Pauli 1958
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Seite 30 Inge Meysel in Molières „Tartuffe“ im Thalia Theater 1946 oben Ballettprobe auf dem Dach der Hamburgischen Staatsoper 1937
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Hafen Hamburg entstand als Handelsort an der Mündung von Alster und Bille in die Elbe. Bis heute bestimmt der Hafen den Charakter der Stadt. Er ist einer der bedeutendsten Wirtschaftsbereiche Hamburgs und einer der größten Häfen weltweit. Er war das Tor, durch das man die Welt entdecken konnte, über ihn kamen exotische Waren und fremde Kulturen in die Stadt. Das Besondere des Hamburger Hafens ist seine Nähe zur Innenstadt: An den Landungsbrücken breitet sich das Hafenpanorama aus. Für lange Zeit bildete die Werftenkette von der Reiherstiegwerft bis zu den Schwimmdocks von Blohm + Voss die Kulisse im Hintergrund. Davor herrschte auf der Elbe der dichte Verkehr von Hochseeschiffen und Barkassen, die in großer Zahl Hafen- und Werftarbeiter über den Fluss brachten.
Seite 75 Zwei Schlepper 1954
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H afenkulisse
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oben Hafenarbeiter mit Möwen 1956 Seite 77 Frachtschiff „Charles Tellier“ im Schwimmdock von Blohm + Voss 1963
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H afenkulisse
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Anleger am Baumwall 1951
B arkassenschnulzen
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oben Barkassen am Baumwall, im Hintergrund der alte Kaispeicher A 1954 Seite 81 Barkassen auf dem Reiherstieg 1951
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GERMIN
GERMIN
Seite 82 Transport von Wildtieren 1940 oben Wildtiere aus Afrika f端r einen Zoo in der Tschechoslowakei 1970
D as T or zur W elt
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Thomas Henning Sie ist doppelt so groß wie ich und gibt dem engen Air Force Overall eine Form. Der Zipper ist ziemlich weit aufgezogen. Sie trägt einen Patronengurt um die Hüfte und Texas-Boots. Wir überqueren die Straße, der Verkehr teilt sich.
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THOMAS HENNING
Recyclingfirma. Süderstraße, 2005
T ri - X , C - 4 1 , C hromes und S X 7 0
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Wandelhalle. Hamburg, 1975 | Haus. Sankt Georg, 1973
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THOMAS HENNING
Arbeiter. Heiligengeistfeld, 1974 | Strasse. Sternschanze, 1975
T ri - X , C - 4 1 , C hromes und S X 7 0
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Tresen. Altona, 1973 | Fenster. Sankt Georg, 1977
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THOMAS HENNING
Erscheinung. Heiligengeistfeld, 1974 | Parkplatz. Sankt Georg, 1974
T ri - X , C - 4 1 , C hromes und S X 7 0
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Fischmarkt. Altona, 1974 | Einfahrt. Karolinenviertel, 1973
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THOMAS HENNING
Heldin. Sankt Pauli, 1979 | Sitzecke. Sankt Pauli, 1979
T ri - X , C - 4 1 , C hromes und S X 7 0
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Cowboy. Bahrenfeld, 1975
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THOMAS HENNING
Imbiss. Peute, 1975
T ri - X , C - 4 1 , C hromes und S X 7 0
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Adam Pańczuk Im Herbst 2014 waren vier Fotografinnen und Fotografen von „Sputnik Photos“, Warschau, auf Einladung der Historischen Museen Hamburg in der Stadt. Sie haben aktuelle Arbeiten zu den drei Ausstellungen im Museum der Arbeit, im Hamburg Museum und im Altonaer Museum fotografiert. Für das Museum der Arbeit war Adam Pańczuk an Orten, die sich gerade stark verändern oder bald ein neues Gesicht bekommen sollen: Wilhelmsburg, die Hafencity, Altona, Rothenburgsort und der Hamburger Osten.
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A DA M PA ŃCz U K
Ralph Richter, Angler, Bauarbeiter / Angler, Builder. Hafencity
C it y L ab
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Sara Anowodji, Grafikdesignerin / Graphic Designer. Wilhelmsburg
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A DA M PA ŃCz U K
Kofi Ntim, Rentner / Pensioner. Wilhelmsburg
C it y L ab
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IKEA Altona
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A DA M PA ナイz U K
ENTWICKLUNGSGEBIET „NEUE MITTE ALTONA“ / Redevelopment Area “Neue Mitte Altona”
C it y L ab
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Autor/innen und Fotografen
Sven Amtsberg lebt in Hamburg als freier Autor sowie Veranstalter und Moderator diverser Entertainment-Formate. Für das „Hamburger Abendblatt“ schrieb er lange die wöchentliche Kolumne „Amtsbergs Ansichten“. Amtsberg hat ein paar Preise gewonnen und einige Bücher geschrieben. Zuletzt erschien der Erzählband „Paranormale Phänomene“ im Metrolit-Verlag. Frank Göhre, in Hamburg lebender Autor der „Kiez Trilogie“ und „St. Pauli Nacht“ (verfilmt von Sönke Wortmann), schreibt auch über die Hansestadt im Spiegel früherer Filme und über internationale Krimikollegen. Jüngste Veröffentlichung: „Mo. Der Lebensroman des Friedrich Glauser“. Thomas Henning wohnt im Schanzenviertel und arbeitet als Fotograf und Grafiker: „Als Kind benutzte ich eine Tasse, auf der eine Comicfigur eine Kamera um den Hals hängen hatte und ein Auto hinter sich herzog.“
Prof. Dr. Rita Müller ist seit 2014 Direktorin des Museums der Arbeit. Davor war sie u. a. im Technoseum in Mannheim und am Sächsischen Industriemuseum Chemnitz tätig. Börries von Notz ist Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, zu der das Hamburg Museum, das Altonaer Museum, das Museum der Arbeit sowie die jeweiligen Außenstellen gehören. Adam Pańczuk ist freier Fotograf und Mitglied des Fotokollektivs „Sputnik Photos“ in Warschau. Seine Arbeiten, oft gemeinsame Projekte von Sputnik in Nord- und Osteuropa, sind mehrfach international ausgezeichnet worden. Stefan Rahner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum der Arbeit. Zu seinen Arbeitsgebieten gehören u. a. Fotografie und Fotogeschichte.
Impressum
Fofftein. Leben und Arbeiten in Hamburg 1930–2014 (19. 6. bis 27. 9. 2015) ist eine Ausstellung der Stiftung Historische Museen Hamburg im Museum der Arbeit im Rahmen der Plattform „Hamburg in der Fotografie“.
Börries von Notz Alleinvorstand Historische Museen Hamburg Prof. Dr. Rita Müller Direktorin Museum der Arbeit Historische Museen Hamburg Projektleitung Stefan Rahner Museum der Arbeit Historische Museen Hamburg
AUSSTELLUNG Kurator Stefan Rahner Museum der Arbeit Historische Museen Hamburg Ausstellungsgestaltung MIWAA Ausstellungsarchitektur Jochen Messer Grafik atelier freilinger & feldmann
KATALOG Herausgeber Stefan Rahner Museum der Arbeit Historische Museen Hamburg Redaktion Stefan Rahner Museum der Arbeit Historische Museen Hamburg Mitarbeit Mario Bäumer, Gülay Gün, Wolfhard Struck (Bildbearbeitung) Museum der Arbeit Historische Museen Hamburg
© für Germin bei der Stiftung Historische Museen Hamburg, Museum der Arbeit © für die anderen Bilder bei den Fotografen Printed in Germany 2015 ISBN 978-3-88506-056-7 1. Auflage 2015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Wir danken Sputnik Photos, Warschau, für ihren Beitrag zur Ausstellung
Design, Layout & Satz Benjamin Wolbergs, Berlin © Stiftung Historische Museen Hamburg – Museum der Arbeit / Junius Verlag GmbH Stresemannstraße 375 D-22761 Hamburg www.junius-verlag.de
Wir danken für die finanzielle Unterstützung der Ausstellung: