Leseprobe: Recorded - Live in Hamburgs Plattenläden

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live in hamburgs plattenl채den

Nicolas Christitch & Katrin Vierkant



Viktor Marek

Einer der vielen Gründe, allerdings ein besonders wichtiger, dass ich Mitte der 1990er Jahre nach Hamburg zog, war die hohe Dichte an Plattenläden in der Stadt. Im Ruhrgebiet war es schwierig, Verbündete zu finden, und der Schallplattenfachhandel, eingemantelt von Schuhgeschäften, Blumenläden und Bäckereien, bestand aus einem Elektrogeschäft in der Fußgängerzone, das mit einem breiten Angebot an Radios, Verstärkern und Kassettendecks glänzte — kostengünstig gleich alles zusammen als schwarzes Rack mit Glastür. Dort auf eine Platte zu stoßen, die mich interessierte, war, sagen wir mal, eine Überraschung. Typisch war eher ein sich zäh ausdehnendes Warten, während der Verkäufer seinen Fachkatalog herauskramte, um darin nachzuschlagen und am Ende desinteressiert die frohe Botschaft zu verkünden: „Die können wir bestellen.“ Die Alternative wäre gewesen, in die nächstgrößere Ruhrgebietsstadt zu fahren und dort in der Seitenstraße einer geklonten Fußgängerzone einen Laden zu betreten, in dem alle jemals vor 1972 gespielten Gitarrensoli zur Untermiete wohnten. Der Hauptmieter, ein bärtiger und bebrillter älterer Mann, wollte mir allerdings so gar keine Beachtung schenken. Das hätte mich auch gewundert, vielleicht sogar beleidigt, denn unsere musikalischen Geschmäcker waren grundverschieden. Grundsätzlich ist das Verhältnis der Leute vor und hinter der Plattenladentheke oft ziemlich gereizt — geballtes Spezialistenwissen auf der einen oder gar auf beiden Seiten will zwar gezeigt, muss aber gut dosiert, in kleinen

Arzneien verabreicht werden. Selbstreferenzialität lässt jede Platte eiern. Der Plattenladen ist wie eine Persönlichkeit, er verfolgt ein Konzept, ist Futterstelle und Badeplatz für Soundtierchen, risikobehaftet, existenzbedrohend und -erhaltend. Keine Tchibo-Maxipackung, sondern Bohnensackhandel mit würzigem Inhalt aus dem äthiopischen Hochland oder dem Darm einer indonesischen Baumkatze. Wohlriechend und anstrengend! Die Schallplatte selbst ist Trägerin von Geschichten jenseits ihres eigenen Inhalts. Einmal aus dem Presswerk entlassen, verändert sie sich stetig, altert und reist. Das Cover speckig und angerissen, zieht das Vinyl statisch den Staub an. Sie braucht ihren Platz, hat ihr Gewicht und gibt damit wenigstens schon mal eine Richtung vor — Mehrfachwert in Gestalt perfekt erhaltener japanischer 7” der 1960er Jahre, gesichtet im Schallplattenladen in Kumamoto, oder komplett zugestaubter italienischer 1970er Jahre 7” auf dem Flohmarkt in Palermo („Nimm so viele, wie du tragen kannst, fünf Euro“). Der wahrscheinlich einzige Plattenladen in Burkina Faso, gefunden nach zweiwöchiger Suche, beherbergt eine Art Vinyl-Archiv, das als Nebenbeschäftigung in einem zwölf Quadratmeter großen Raum betrieben wird, wo normalerweise Computer, Faxgeräte und anderes technisches Zubehör repariert werden. „Läden“ prägen das Bild einer Stadt, sie geben ganzen Straßenzügen und Vierteln ihren Charakter, sind Willkommenssignale in der Grauzone zwischen privatem und öffentlichem Raum. Die Leute, die wir dort antreffen, vermitteln ihre Interessen und geben sie weiter, lassen sich auf ihr Gegenüber ein, kitzeln Geschmack und Anspruch mit der Nadel heraus, um Abzweigungen und Nebenwege aufzuzeigen und einen Stups in die richtige Richtung zu geben. Finden müssen wir diese Orte allerdings selber, mitsamt ihren seltsamen Bewohnern, um sie zu erhalten und zu schützen vor den Walzen der Margenoptimierer und der geistlosen Eventisierer. In diesem Sinne: Frohes Blättern!


Nicolas christitch & katrin vierkant

— Ich hatte einen Traum, Katrin. Wir waren für mehrere Wochen in Hamburg und haben dort alle unabhängigen Schallplattenläden besucht. Die Stadt hatte sich sehr verändert. — Was meinst du damit? — Die Elbe war über ihre Ufer getreten und hatte große Teile der Stadt überschwemmt. Wir fuhren in einem Boot durch die Straßen — ein Boot, wie es sie in Venedig gibt und wie es sie im 19. Jahrhundert auch in Hamburg gab, gesteuert von unserem Freund aus Finkenwerder. Bizarr fand ich nur, dass unser Kahn aus Schallplatten bestand. Darüber wehte eine Fahne mit der Aufschrift: „In Vinyl We Trust“. — Seltsam, ich hatte einen sehr ähnlichen Traum. Wir sind von Paris nach Hamburg aufgebrochen, und du warst von der Idee entzückt, seinen Hafen, seine pittoresken Stadtteile, seine Bars wiederzusehen und der musikalischen Energie seiner unabhängigen Plattenläden wiederzubegegnen. — Bierchen? — Gerne! — Unglaublich, wir haben sie tatsächlich alle besucht. Das heißt, bestimmt haben wir noch einige übersehen. Es begann mit einem Plattenladen, in dem man Musik live hören konnte. Das war verrückt, Hunderte von Bands konnten dort auftreten, in orangenem Dekor, und mit wundervollen Vintage-Instrumenten spielen. — Ja, ich erinnere mich gut! Es gibt gleich nebenan ein großartiges Geschäft, das Tropenanzüge für den Sommer

und Troyer für den Winter anbietet. Sie haben unser Boot mit einem „Herrlich!“ gewürdigt, in guter Hamburger Manier. Anschließend erlitten wir Schiffbruch in einem seltsamen Kuriositätengeschäft, in dem alles aus oder über Hamburg war, sogar die Schallplatten, die sie dort verkaufen. Wir sind mit vielen Objekten und Platten wieder in See gestochen. — In meinem Traum tanzten die Leute überall in der Straße, wo es diesen Plattenladen mit dem gigantischen Ghettoblaster gibt, auf dem DJs ihre Platten mixen können. — Das stimmt. Viele von ihnen sind Musiker, viele aber auch exzellente DJs. Wie Smallville zum Beispiel. — Soll ich die Platte umdrehen? — Mhmm. — Eine weitere Besonderheit der Stadt ist, dass ihre Plattenläden außerordentlich spezialisiert sind, auf sehr unterschiedliche Genres. Das muss man sich mal vor Augen führen: Crypt, Groove City, Pure Soul, Selekta, Remedy, Otaku, Fischkopp, Smallville, Under Pressure, Weltrecord ...


— Und außerdem haben mehrere von ihnen auch noch ihre eigenen Label! — In meinem Traum war keiner dieser Läden umgezogen, weder Otaku noch Remedy. — Ach! Obwohl sie in der Realität leider dazu gezwungen sind, weil die Mieten in bestimmten Vierteln immer weiter steigen. — Gentrifizierung … Gentrifizierung heißt das. — In meinem Traum gab es auch noch die Bar NA UND?, ebenso BEI ERNA, das Café Keese existierte wie zu Zeiten meiner Eltern, das Molotow musste auch noch nicht umziehen. Trotzdem bestand die Reeperbahn aus einem reißenden Fluss von Alkohol, in dessen Stromschnellen Jugendliche auf riesigen Würsten surften. — Letztendlich gar nicht so weit von der Realität entfernt. — Ja, aber es gab auch Nilpferde!!! Ich habe die gern, diese Nilpferde. Wahrscheinlich kamen sie aus der Gärtner­ straße und sind durch den Checkpoint Charly der Stadt gekommen.

— Die Elbphilharmonie war fertiggestellt? — Nein, sie hat es vorgezogen, in die Elbe zu kippen, bevor sich eine A380 auf sie stürzt. — Bierchen? — Gerne! — Sag mal, die Würste auf der Reeperbahn, waren die vegan? — Wahrscheinlich. — Merde! Es ist zu schade, dass wir das alles nicht auf­ genommen haben. — Aber das ist doch alles schon drin in dem Buch „Recorded“. — Und in welcher Sprache? — Auf Deutsch. — Genial. — Legst du die Platte noch mal auf? — Mhmm.


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hanseplatte  Eva schmid &    gereon klug Eva: Wir kommen beide nicht aus Hamburg. Ich komme aus der Nähe von Bremen, aus Ganderkesee. Gereon: Und ich komme aus Siegen, das liegt zwischen Köln und Gießen. Ich hatte vorher schon acht Jahre lang einen ‚normalen’ Plattenladen in Göttingen, Dis-Records hieß der, den es inzwischen aber leider nicht mehr gibt. Als ich dann nach Hamburg kam, gründete ich das Label Nobistor, auf dem ich ausschließlich deutsche Bands herausgebracht habe und viele Hamburger Projekte wie Studio Braun und die Pudel Produkte. Aber mit dem Label konnte ich kein Geld verdienen, und das ging dann irgendwann nicht mehr, als die Kinder kamen. Die Gründungsidee der Hanseplatte kam von Rockcity e.V., ein gemeinnütziger Verein, der sich der Hamburger Musik verschrieben hat und jemanden suchte für die Umset­ zung des Projekts. Wir waren zu diesem Zeitpunkt für ein Label mit Rockcity in Kontakt, haben dann mit ihnen das Konzept erarbeitet und schließlich den Laden mit ihrer Unterstützung aufgemacht. Hanseplatte ist, soweit ich weiß, der einzige Plattenladen weltweit, der ausschließ­ lich Musik aus nur einer Stadt verkauft. Eva: Die Arbeit an dem Konzept begann im November 2005, und im März 2006 haben wir die Hanseplatte eröff­ net. Gereon kennt sich gut mit dem Musikgeschäft aus, und ich habe eine Affinität und ein wenig Erfahrung im Merchandising. Deshalb hat es gut gepasst, gemeinsam die Hanseplatte zu übernehmen. Obwohl wir am Anfang mit dem Konzept, ausschließlich Hamburger Musik und Artikel anzubieten, gehadert haben. Wir fanden es nicht

seit 2006 Pop Rock Electronic Folk experimental alternative Hip Hop

einfach, eine eigene Linie zu finden, ohne dass der Laden patriotisch oder abgeschmackt wirkt. Zusätzlich ging es der Plattenindustrie vor sechs Jahren noch schlechter als heute, und viele haben nur die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen! Andere Plattenläden mussten schließen, und wir haben mit einem doch sehr begrenzten, kleinen Sortiment eröffnet. Gereon: Die Eröffnung der Hanseplatte war klar gegen den Trend. Wir haben uns eingebildet, dass es funktioniert, weil wir ganz andere Sachen machen als alle anderen. Die anderen Plattenläden haben sich auf Genres spezialisiert, wir sind jedoch auf den Ursprung und auf die direkte Zu­ sammenarbeit mit den Künstlern spezialisiert. Unsere Idee war auch, dass wir immer die guten Platten im Programm haben wollten, auch wenn sie sich finanziell nicht lohnen. Nach fünf Jahren haben wir dann den Laden an Jakob übergeben, und heute sind wir Geschäftspartner. Ich finde es großartig, dass jemand in einem Plattenladen lernt und diesen dann anschließend übernimmt.

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mich um die Bücher, die DVDs, die Textilien und organi­ siere unseren neuen Online-Auftritt Villa Hanseplatte mit. Wir haben einen direkten Kontakt zu den Künstlern im Laden, die uns oft erzählen, welche Filme oder Bücher sie zu welchen Songs inspiriert haben und vieles mehr. Um dieses Wissen zu bündeln und breiter verfügbar zu machen, haben wir die virtuelle Villa Hanseplatte gebaut, in die Hamburger Musiker einziehen und uns in ihr Wohn­ zimmer einladen können, wo alles gesammelt ist, was ihr künstlerisches Schaffen prägt oder geprägt hat. Wie ein Hausbesuch oder ein guter Abend bei denen mit Wein. Gereon: Empfehlungs-Marketing heißt das heutzutage. Aber du kannst dadurch auch einfach besser verstehen, wie Künstler ihre Songs machen. Die geben zum Beispiel Tipps, welche Instrumente am besten für eine bestimmte Musik geeignet sind. Uns geht es um das unentdeckte Spezialwissen, um vergessene und vernachlässigte Sachen, die es eigent­ lich nicht mehr gibt. Der ganze Laden ist auf der Idee Eva: Das System muss sich auch immer wieder verjüngen. Gerade wenn es sich um ein so statisches Konzept han­ delt wie bei uns. Es ist wichtig, Leute dabeizuhaben, die sehr jung sind. Wir sind zwischen 20 und 42 Jahre alt im Laden. Gereon: Meiner Meinung nach kann man auch einen guten Club nur fünf Jahre lang machen, und dann musst du aufhören. Oder einen neuen aufmachen. Bei Platten­ läden, wenn man es streng nimmt, ist es genauso. Wir alle kennen sie, die verbitterten alten Plattenhändler, die nicht mehr verstehen, warum sie sich neu aufkommen­ de Musikrichtungen, die für sie alle gleich klingen, ins Regal stellen sollen. Es ist eine meiner größten Ängste gewesen, ein verbuckelter, Plattenkisten schleppender Plattenhändler auf Plattenbörsen zu werden. Durch Jakob wurde das vollkommen aufgelöst. Und der darf das auch nur sechs Jahre lang machen. Weiß der das eigentlich? Eva: Wir werden es ihm noch sagen! Ich selbst bin in­ zwischen ganz normal im Laden angestellt. Ich kümmere

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hans e. Platte: HAUSEIGENES LABEL VON hanseplatte

School Of Zuversicht/Umher­ schweifende Produzenten Salon der Idioten/Mobiles Telefon (2013) 7” Erste Veröffentlichung von Hans E. Platte: eine Split-Maxi. Im wei­ testen Sinne unter elektronischer Tanzmusik einzuordnen.

Almut Klotz & Reverend ­Dabeler — Tausendschön (Im Grunde) (2013) 7” Kaputtes Liebeslied; ein Genre, in dem wir uns wie Fische im Wasser tummeln.

Jakönigja Ich Bin Stoff Und Du Bist Geist (2013) 7” Inspiriert vom Joseph Mankie­ wicz-Film „The Ghost and Mrs. Muir“. Dream-Pop trifft auf Kashmir-Streicher.

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aufgebaut, Sachen anzubieten, die andere Läden nicht mehr haben. Und das wollten wir online fortsetzen, denn selbst online gibt es manchmal Sachen nicht mehr. Die Idee unseres Ladens war immer, einzigartige Sachen zu schaffen, egal ob die als MP3 kursieren oder nicht. Bei Starbucks gab es vor ein paar Jahren die letzte Sonic Youth-Platte zum Kaffee dazu — dagegen hast du keine Chance. Dem kannst du nur etwas entgegensetzen, wenn du selber Sachen produzierst, wie Jakob das auf unserem Label Hans E. Platte tut. Auf dem Label wollen wir Musiker herausbringen, die uns wichtig und mitunter vollkommen unbekannt sind. Bisher hat Hans E. Platte drei Schallplat­ ten veröffentlicht, und wir hoffen, auch weiterhin Musiker damit unterstützen zu können. Eva: Zu uns kommen auch sehr viele Touristen, und die wollen keinen Download-Code kaufen. Man will auch keinen Download-Code verschenken. Die Leute werden immer das Kunstprodukt haben wollen, die Platte, das Bild, die Skulptur oder die Kachel. Und dann ist es egal, ob die Musik zusätzlich digital existiert oder nicht. Es raubt einem unnötig Energie, wenn man zu viel auf diese Ent­ wicklung schaut. Das ist eine Maschinerie, die wir nicht aufhalten können und von der wir uns nicht beeinflussen lassen wollen. Gereon: Wir haben keinen Laden, der durch DownloadCodes gelitten hat im Laufe der Jahre. Wir haben unseren Laden während der größten Krise aufgemacht, und es ist für uns wie eine Parallelwelt. Hanseplatte verdient am wenigsten mit seinen Ton-Pro­ dukten. Aber wenn man ehrlich ist, geht es jedem Musiker genauso. Musiker verdienen auch nur durch Merchandi­ sing, Konzerte, Sponsoring oder Theater-Subventionen. Ich kann den Kampf verstehen. Wir haben den auch alle vorher geführt und Musik nur auf Vinyl herausgebracht, wie bei den Pudel Produkten. Aber jetzt werden wir den größten USB-Stick der Welt machen, mit allen Pudel Produkten als MP3 darauf. Der wird sehr groß werden und nur an einem Tag erhältlich sein. Und du musst ihn ausgraben. Ja! Egal!

Eva: Du kannst mit einem unabhängigen Plattenladen kein Geld machen, das ist klar. Damit es klappt, musst du sehr viel selber machen und dir meiner Meinung nach andere Geschäftsbereiche dazusuchen. Es geht vor allen Dingen um die Margen. Wir verkaufen ja viele Platten, die Marge ist aber so gering, dass wir davon nicht leben können. Deshalb brauchen wir Artikel, bei denen die Marge größer ist, so wie bei Textilien oder sogar bei Büchern. Und Merchandising ist sehr wichtig. Die Kunden finden ein T-Shirt für zwanzig Euro teuer. Ich kann denen aber ganz genau den Preis erklären, dass genau diese T-Shirts die Bands und die Kulturszene unterstützen und dass man sie braucht, um das Rad am Laufen zu halten. Gereon: Die eigentliche Musikkrise entstand durch die grenzenlose Verfügbarkeit jeglicher Musik. Es gab ja früher genauso viel gute oder schlechte Musik. Aber heute ist zu viel gute Musik verfügbar. Du kannst innerhalb von zehn Sekunden das Gesamtwerk der Beatles herunter­ laden oder die gesamte Musik, die in einem Tal in Äthio-


pien existierte. Es gibt inzwischen so viel, dass jedes Einzelne keinen Wert mehr darstellt. Und da du all das Alte umsonst kriegst, glaubst du auch, dass alles Neue umsonst ist. Das ist meiner Meinung nach der Grund der Krise: die grenzenlose Verfügbarkeit von allem. Das ist auch bei Büchern oder bei der Kunst so. Ich könnte jetzt mit meinem Smartphone bis auf einen Zentimeter an die Mona Lisa heranfahren und den Pinselstrich von Leonardo da Vinci betrachten. Das entwertet natürlich die Einzigartigkeit der Kunst. Aber da kann man ja gegensteuern. Unterm Durchschnitt zum Beispiel war sehr einzigartig und ein großartiger Laden in Hamburg! Mit einem sehr exzentrischen Besitzer, der dir auch gerne mal eine Platte nicht verkaufen wollte, die du dir ausgesucht hast. „Nein, die kaufst du nicht!“ „Warum denn nicht?“ „Nein, weil die Strahlungen des Fernsehturms heute nicht gut sind! Das geht heute nicht!“ Der Plattenladen ist ein Traum gewesen! Total seltsam und ganz toll. Die ganzen US-Underground-Bands wie Sonic Youth oder Noise-Bands wie Merzbow kauften ihre Platten dort. Eva: Einer der tollsten Plattenläden, den ich je gesehen habe, war in Zürich: 16 Tons. Gereon: Eigentlich gibt es in jeder Stadt mindestens noch einen guten Schallplattenladen. Ich fahre viel herum und gehe in jeden Plattenladen, den ich sehe. Der in Zürich war sehr gut sortiert und hatte Platten, die nicht alle haben. Du siehst häufig dieselben Scheiben in Plattenläden, egal wo du bist. Selbst in Tokio sah ich ein Fax mit Soul-Wiederveröffentlichungen, das ich selber in der Woche davor in Göttingen bekommen hatte. Das ist natürlich total langweilig. Deshalb sind Läden wie Unterm Durchschnitt so wichtig. Der hat Sachen einfach so lange nicht verkauft, bis sie verdammt rar waren. Eine groteske Idee, aber das sind die tollsten Läden. Eva: In der Hanseplatte war es uns von Anfang an sehr wichtig, nicht elitär zu sein. Es sollen Omas reinkommen, Typen und Frauen, und die sollen sich wohlfühlen. Ich ver­ kaufe auch eine Heidi Kabel, und ich verkaufe die gerne! Und ich verkaufe auch Finkenwarder Speeldeel, wenn die jemand möchte. Da hab ich Bock drauf! Es gibt genügend Plattenläden nur für Jungs. Mich persönlich haben Plat­ tenläden durch das elitäre Gehabe immer schnell genervt.

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jakob groothoff

Die meisten in der Hanseplatte kommen nicht aus Ham­ burg, was sehr lustig für einen Hamburger Laden ist. Ich selbst bin aus Lüneburg. Zuerst habe ich angefangen, Ethnologie und Philosophie in Hamburg zu studieren, entschloss mich aber schnell dazu, im Musikbereich zu arbeiten und dadurch zusätzlich meine eigenen Band­ projekte zu unterstützen. Mein Beginn in der Hanseplatte war meine Ausbildung zum Veranstaltungsmanager. Am Ende meiner Ausbildung wollten die Gründer des Ladens, Eva und Gereon, nicht mehr wie vorher im Laden arbeiten, und so beschloss ich, mithilfe eines Erbes den Laden größtenteils zu überneh­ men. Das war im Juli 2010. Zwei Tage nach Beendigung meiner Ausbildung war ich Chef meines eigenen Ladens. Heute arbeiten sechs Leute in der Hanseplatte. Die Grund­ idee des Ladens war es, ausschließlich Platten Hamburger Bands und Hamburger Labels zu verkaufen. Es wurde jedoch schnell klar, dass wir andere Produkte hinzufügen mussten wie zum Beispiel Bücher über Musik oder von Musikern wie Rocko Schamoni. Ein Buch wie „Die Palette“ von Hubert Fichte ist ein Muss für jeden Musiker dieser Stadt. Das heutige erweiterte Konzept der Hanseplatte ist, einen ganzen Hamburg-Kosmos im Laden zu haben, der sowohl Hamburg als auch die Hamburger Musikszene umfasst. Wir bieten daher auch maritime Kleidung oder Produkte Hamburger Designer und Manufakturen an und Produkte wie den Bio-Honig von Bienen auf St. Pauli, den ein Hamburger Musiker herstellt. Und wir haben unser eigenes kleines Modelabel. Die Grundidee bleibt

jedoch, mit der Hanseplatte die Hamburger Musikszene zu unterstützen. Wir haben den ‚Hamburger Kosmos’ über die Jahre hinweg immer mehr zusammengetragen, und es sind inzwischen die Modeartikel, mit denen wir das Geld verdienen. Wir verkaufen sehr viele Platten und sehr viel auf Vinyl, aber damit machen wir kein Geld. Es ist heutzutage wirklich schwer, mit Platten Geld zu verdienen. Besonders wenn man wie wir fast ausschließlich Neuerscheinungen verkauft. Wir haben sehr viele Bands, die ihre Musik vorbeibringen und uns erzählen, wie die einzelnen Projekte entstan­ den sind. Wenn man dieses Wissen dann anschließend dem Kunden weitervermitteln kann, bekommt die Musik, und auch das Kaufen in einem Plattenladen, sehr viel mehr Wert. Wir haben auch vieles, was andere Läden nicht anbieten können wie selbst produzierte und selbst gebrannte CDs unbekannter Bands. Es kommt vor, dass wir zwanzig solcher CDs verkaufen, weil die Musik gut ist und wir sie ständig im Laden hören. Dann versuchen wir

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ein Konzert mit dieser Band zu organisieren. Gisbert zu Knyphausen hat zum Beispiel mehrmals bei uns im Laden gespielt und hat auch dadurch, denke ich, seinen Plattenvertrag bekommen. Wir veranstalten regelmäßig Kon­ zerte in der Hanseplatte. Mein Traum ist es, mehr Platten über die Hanseplatte herauszubringen. Deshalb haben wir unser Label Hans E. Platte gegründet und unsere Internet-Plattform Villa Hanseplatte entwickelt, auf der sich unsere Künstler vor­ stellen können. Es wäre großartig, eine Vinyl-Schneide­ maschine, mit der du direkt auf Vinyl aufnehmen kannst, und zusätzlich eine feste Anlage im Laden zu haben. So könnte jede Band kommen und spielen, wann sie will, auch während des Ladenbetriebs. Man könnte das dann mitschneiden, den Sound mit Kopfhörern einstellen und direkt einen Song auf die Schallplatten schreiben. Und diese Platte ist anschließend im Laden erhältlich. Rock ’n’ Roll, schnell und schmutzig, zack und fertig! Die Qualität ist nicht die beste, die Musik aber am direktesten.

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Das Medium Schallplatte macht für mich einfach mehr Sinn. Ich kenne Leute, die zurzeit ihre gesamte CD-Samm­ lung verkaufen. Das, was bleiben wird, ist die Schallplatte und MP3. Und ich hoffe, dass MP3 so etwas sein wird wie Plastik. Da gab es auch einen irren Hype, weil es so schnell und einfach zu produzieren ist. Aber dann hat man gemerkt, dass Plastik scheiße ist, dass die PlastikPartikel das Meer verstopfen und man sich wünscht, man hätte Plastik nie erfunden. Die Leute müssen erst verstehen, dass MP3 einfach nicht geil ist. MP3 ist wie ein Milchbrötchen, da ist nichts drin. Leider hat das viel mit Bewusstsein zu tun. Es gibt Leute, die immer jungen Gouda essen, und andere, die richtigen Käse kaufen. Ich glaube, dass MP3 noch lange existieren wird, hoffe jedoch, dass es einfach uncool werden wird. Eine Schallplatte hat einen anderen Wert. Man weiß, wann man welche Platte gekauft hat, man hat einen Geruch oder ein Bild dazu im Kopf. Ich glaube, dass man mehrmals eine Platte aufgelegt haben muss, am besten natürlich eine gute Platte, damit sich dieser Raum für einen eröff­ net. Und dann weiß man, was gemeint ist. Schallplatten kann man mit Argumenten nicht begreifen. Das muss man erleben wie ein tolles Fahrrad! Der tollste Plattenladen, den ich je gesehen habe? Ich war mal sehr fasziniert von Spacehall in Berlin-Kreuzberg, weil der so riesig ist. Und zurzeit ist Groove City mein Lieb­ lingsladen. Ich möchte immer mein ganzes Leben ändern, wenn ich länger bei Groove City bin! Ich bin aber kein klassischer Plattensammler und denke auch, dass es bei meinem Job gefährlich wäre. Für unseren Laden haben wir den perfekten Standort. Der Flohmarkt rund um die Hanseplatte jeden Samstag ist einer der Gründe, warum wir existieren können. Und viele Musiker wohnen in dieser Gegend. Das einzig Proble­ matische ist nur, dass wir im Zentrum der Gentrifizierung stehen. Das werden wir auch nicht ändern können. Ich habe einen guten Tag im Laden, wenn ich meinen Kunden gute Tipps geben konnte und sehe, dass sie glücklich sind über das, was sie gehört und gekauft haben. Toll ist es auch, wenn ein Kunde nach einer Platte fragt, die dir nicht wirklich gefällt, dann aber durch deine Ratschläge zusätzlich drei deiner Lieblingsplatten kauft. Es ist schön, wenn Kunden unbekannte Musik, fern vom Mainstream mögen und wenn du Musik von Freunden verkaufen kannst. Und die Konzerte machen glücklich. Du kommst am nächsten Morgen in den Laden, es riecht zwar nach Alkohol, aber du bist glücklich, da du einen wundervollen Abend in deinem eigenen Laden verbracht hast.


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Tocotronic vs. Deichkind + Daniel Richter ich verabscheue euch wegen eurer kleinkunst zutiefst/ die toco die (Abcxyz, 2009) 7” Schöner Gag aus unserem Hause zum Record Store Day 2009: Deichkind wünschen den Oberlehrern von Tocotronic in einem exklusiven Metal-Song (!) den Tod, auf der anderen Seite ein Live-Song von Tocotronic. Hat nicht so viele Selbstmorde bei den Tocotronic-Fans ausgelöst, wie wir dachten. various artists Operation Pudel 2001 (L’Age D’Or, 2001) 12” Vielleicht das Wertvollste, was wir je gehört haben! Gefährlicher als Moby Dick! Vier Platten, so wunderschön wie ein Sexkuckuck! Arne Zank Love and hate from A to Z (Self-released, 2008) Der Meister der Selbstbeherrschung — spielt sonst bei Tocotronic. 14 Jahre nach seinem Debüt-Tape „Die Mehrheit will das nicht hören, Arne“ umarmt die EP elektronischen Folk mit Minimal House. Fraktus Millennium Edition (Staatsakt, 2012) „Ohne FRAKTUS wäre ich niemals auf die Idee gekommen, selber Musik zu machen. Und da kannste eigentlich jeden fragen, der sich halbwegs mit Techno auskennt: Das zentrale FRAKTUS-Werk Tut-ench-amour ist das entscheidende Album, das hat alles geprägt, was danach kam.“ (H.P. Baxxter, Scooter) Die Heiterkeit (st) (Self-released, 2010) 7” Lakonische Heiterkeit für ver­ regnet-vergähnte Frühwintermontage und vollgerappeltzugestresste Spätsommersamstage im Laden.

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touchy mob/TELLAVISION cake (Bloody Hands Ltd., 2013) 12” Mittlerweile hat sich um Tellavisi­ on das Label Bloody Hands Ltd. hochgezogen und veröffentlicht Platten, die ehrlich, vielschichtig und nach vorne gedacht anachronistisch klingen. So auch diese, die komplett über Crowdfunding finanziert wurde. Toll, dass so was funktioniert und dann so klingt. Findus (ST) (Delikatess Tonträger, 2010) 12” Findus haben die Release-Party ihres ersten Albums bei uns mit einem tollen Konzert gefeiert. Eine der Hamburger Bands, die besonders eigen klingen. Moomin The Story About You (Smallville Records, 2011) Über das tolle Label Dial habe ich Pawel und den Deep House für mich entdeckt. Dieses Album von Moomin hat mich dann in noch tiefere und feinere Gefilde geführt. Toll zum Tanzen und toll zum Lesen. Karl Marx Stadt III 1999–2009 (Sozialistischer Plattenbau, 2011) Umwerfendes Cover und ganz großartige, wirre, elektronische Musik. Zwischen Breakbeat und 8-Bit mit tollen Melodien. Unbedingt mal reinhören! The Kings Of Dubrock Fettuccini (Staatsakt, 2012) Zwischen dem humorigen Gepöbel von Palmingers Texten stecken immer tiefe Empfindungen, hier inspiriert von King Tubby, Adriano Celentano, Fela Kuti ... In einem „outer-terrestrischen VoodooZeremoniell, einem Inferno der Geilheit, das keine Zweifel an der pathologischen Unangepasstheit der Beteiligten aufkommen lässt“.

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RVDS Arabian Moon (It’s, 2013) 12” Arabian Moon ist ein Kracher. Subtil Acid. „The combination of acid, vocoder, electro, deep chords and oriental melodies: east and west hand in hand, feets on the floor — the moon shows the way — enjoy the dance!“

Cpt. Kirk &. Reformhölle (What’s So Funny About ..., 1992) Eine der ersten Bands, die mit dem Gestus Musik und Texte gemacht hat, der als „Hamburger Schule“ subsumiert wurde. Frontmann Tobias Levin produziert mittlerweile auf seinem Label Electric Avenue Studio herausragende Platten.

various artists Pudel Produkte 12 (Staatsakt, 2010) 12” Wichtiges Cover von Schorsch Kamerun zum Gentrifizierungswahn mit: Die Goldenen Zitronen, Henke Systems, Gustav, School Of Zuversicht und Die Guhl Material Sekte.

Fischmob Power (Plattenmeister, 1998) Diese Platte vereint mehr Musikstile, als ich Zehen und Finger habe: „Schrammel oder Beats. Alles wird gut. Denn die Mutter von alledem heißt Musik. Und Mutter hat immer recht.“

Kommando Sonne-nmilch Jamaica (Major Label 2007) Wegen des tollen Covers von Champagneruschi ausgewählt. Denn: das ganze Œuvre von Jens Rachut, dem Sänger von Kommando Sonne-nMilch, sei hier empfohlen: Von „Angeschissen“, „Das Moor“, „Blumen Am Arsch Der Hölle“, „Oma Hans“, „Seuchenprinz“ bis „Nuclear Raped Fuck Bomb“.

DJ Koze Music Is Okay (Yo Mama’s Recording, 2000) Sein erstes Album voller spitzenmäßiger Remixe von Musikern wie Blumfeld, Station 17, Rocko oder Tocotronic. Wird uns noch vor Ende des Intros aus den Händen gerissen, sobald wir es Second Hand im Laden haben.

Ada Meine Zarten Pfoten (Pampa Records, 2011) „Wow, was war denn das nochmal für eine tolle Platte?“ Denk ich jedes Mal und freue mich dann, diese Platte zu kennen. Im weitesten Sinne Pop mit Ausflügen in die Genres House, Chanson und Electronic. Jan Delay Searching For The Jan Soul Rebels (Buback, 2001) Nach dem grandiosen Nena-Cover „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“ kam diese Scheibe: Tolle, sehr linke Texte, und die Musik liegt zwischen Reggae und Dub, mit viel Druck. Wichtige Platte!

JaKönigJa Ebba (Dial, 2005) Das „Weiße Album der Hamburger Schule“. Celli! Flöten!! Glockenspiele! Dazu Texte, so erratisch wie poetisch. Solange Brian Wilson seinen Verstand nicht wiedergefunden hat: Nimm diese Platte! Felix Kubin Axolotl Lullabies (Oral, 2007) Man dünkt sich automatisch alt und obenrum arg limitiert, beschäftigt man sich mit dem Werk dieses sehr umtriebigen Universalkünstlers: So oft erscheint etwas, so anmaßend richtig ist seine Bandbreite, und so unendlich wirkt die ihm entströmende kreative Energie.

Huah! ScheiSS Kapitalismus (L’Age D’Or, 1992) Legendäres Album von Knarf und Bernadettes alter Band. Knarf Rellöm ist mir einer der wichtigsten Künstler aus Hamburg. Die Sterne Posen (L’Age D’Or, 1996) Immer wenn ich nach ein paar Monaten Pause die „Posen“ auflege, bin ich erstaunt, wie großartig diese Platte ist. Frank, der Sänger, wohnt gleich um die Ecke vom Laden und grüßt immer gern rein, wenn er am Laden vorbeikommt. Schöne Grüße an dieser Stelle. Blumfeld Zeitlupe (Zickzack, 1992) 7” Das ist doch Knarf Rellöm auf dem Cover! Ein toller Typ. Und die Platte erst. Wow. Sehr seltene Single der frühen Blumfeld, auf dem Kultlabel Zickzack. HALLO WERNER CLAN Vorsicht (Ghettoblaster Records, 2009) 7” Live vor der Hanseplatte im Sommer 2011: GhettoblasterGewumms, Passanten hopsen auf den Asia-Express und werden zu Passagieren vom Hip Hop-Train nach Karoviertel. Polizei kommt und wird gleich im Feuilleton-Rap von Benni festgenommen. Alle anwesenden verhaften diverse Biere. Ganz Karoviertel liebt Hallo Werner Clan. Ganz Publikum hasst Polizei, weil Ende Legende. BRÜLLEN Schatzitude (Kitty-Yo, 1997) Luka, die ehemalige Bassistin der Band, betreibt mittlerweile das Karo-Eck und kocht das beste Chili der Stadt. Das ess’ ich dann und hör diese tolle Platte. Beste Zeile: „Wenn welche retten, dann die, die in ihrer Haut stecken.“


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Back records steve calabretta

Mein Interesse für Musik begann mit zehn Jahren. Mein Bruder ist sieben Jahre älter als ich und besaß früh viele Schallplatten, durch die er mir Musik von Black Sabbath und den ganzen Rock der 1970er nahebrachte. Meine erste Liebe war aber AC/DC. Als ich eines Tages „Touch Too Much“ im Radio hörte, war ich völlig fertig und wollte unbedingt eine Scheibe von den Jungs haben. „Highway To Hell“ von AC/DC war dann auch tatsächlich die erste Platte, die ich mir gekauft habe. Als ich jünger war, habe ich viel gemalt. Plattencover waren da immer eine große Inspiration für mich. Die Cover von Iron Maiden habe ich früh gemocht und versuchte anfangs wie Derek Riggs zu malen. Mittlerweile habe ich auch zwei Cover Artworks für Bands gemacht, die mich und meine Zeichnungen kannten. Das eine für eine Techno­band, bei der die Musiker Nachbarn waren, das andere für Freunde, die eine Metal-Combo haben. Ich komme aus Elmshorn und habe von 1999 bis 2003 im Plattenladen Von Gestern gearbeitet. Bevor ich dort anfing, hatte ich viele unterschiedliche Jobs. Ich habe im Pflegedienst gearbeitet, bei der Post als Fahrer und vieles mehr. Sobald ich Geld übrig hatte, kaufte ich mir Platten. Mein damaliger Chef Rainer hatte schließlich die Idee, einen zweiten Laden in Hamburg zu eröffnen, und wir begannen 2003 als Partner mit Back Records in der Wohlwillstraße. Zwei Jahre später sprang er ab, und ich übernahm den kleinen Kellerladen. Ich bin ihm bis heute sehr dankbar, da ich ohne ihn diesen Schritt so nie gewagt hätte.

seit 2003 INDEPENDENT PUNK garage rock stoner METAL DOOM Psych BLUES Funk Soul POP JAZZ Soundtracks

Back Records ist zu 85 Prozent ein Second-Hand-Laden mit dem Schwerpunkt Rockmusik. Ich verkaufe aber immer mehr Neuerscheinungen und versuche so gut es geht, das Sortiment im Laden für meine Kunden zu er­ weitern. Oft stoße ich durch die Newsletter der Labels auf gute neue Musik. Bei den Second-Hand-Scheiben kommen nicht selten Leute zu mir in den Laden, um mir Platten zu verkaufen, und gelegentlich erhalte ich Anrufe, um private Sammlungen zu sichten. Ich habe auch ab und zu Anzeigen in Hamburger Zeitungen aufgesetzt. Ich kaufe aber fast nur Vinyl, denn du kannst viele CDs mittlerweile im Netz für Cent-Beträge bekommen. Die Leute sind immer ge­ schockt, wenn ich Ihnen für hundert CDs maximal fünfzig Euro anbieten kann. Auch wenn die CD im Au­genblick keinen Wert hat, könnte sie aber ein Revival er­leben — wie zuvor das Vinyl. So etwas kann man schwer vorher­ sagen. Auf jeden Fall scheint es mir heute sicher, dass Leute immer Vinyl kaufen und sammeln werden.

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Ich bin überzeugt, dass viele meiner Kunden gute Tipps für Plattenkäufe schätzen und deswegen gern zu mir in den Laden kommen. Aber oft genug ist es genau umge­ kehrt, und ich bekomme sehr gute Infos zu Neuerschei­ nungen oder kleinen Festivals. Stammkunden und auch Nachbarn sind sehr wichtig für mich. Sie halten den Laden besonders in den Wintermonaten am Laufen. Im Sommer ist das Geschäft ein wenig leichter, da viele Touristen in der Stadt sind, vor allem hier auf St. Pauli. Viele Plattenläden schließen, und es ist schwierig, die Zukunft vorauszusagen. Und es sind nicht nur die Plattenläden! Generell geht es dem Einzelhandel sehr schlecht und viele kleine unabhängige Läden machen dicht. St. Pauli war zuvor fast wie eine Oase, das ist leider Vergangenheit. Natürlich zieht so ein Plattenladen auch regelmäßig sehr sonderbare Menschen an. So hatte ich zum Beispiel eine Zeit lang einen sehr skurrilen Sammler, der bei der Müll­ abfuhr arbeitete und die Mülltonnen meiner Straße leerte.

Ich selbst habe keine extrem große Plattensammlung und wirklich nicht nur kostbare Platten bei mir zu Hause. Ich versuche ausschließlich Platten in meiner Sammlung zu behalten, die mir wirklich etwas bedeuten. Wenn ich eine Platte ein paar Jahre lang nicht gehört habe, stelle ich sie in den Laden. Meine persönliche Sammlung ist eine sehr emotionale Auswahl an Musik verschiedener Genres und in gewis­ ser Weise ein Tagebuch diverser Gemütszustände, die ich durchlebt habe. Menschen, die durchweg nur eine Musikrichtung hören, haben mich immer fasziniert. Wenn du ausschließlich Metal-Fan bist, was hörst du, wenn du traurig bist? Slayer? Ich verkaufe zusätzlich Platten auf Ebay und neuerdings auch auf Discogs: einige teure Scheiben, aber auch viel Kram, den ich im Laden einfach nicht loswerde. Ich wollte mit dem Internet lange Zeit nichts zu tun haben. Vor ein paar Jahren habe ich mich dann aber doch dazu durchge­ rungen, sonst hätte ich schließen müssen.

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Eines Tages kam er in seiner Arbeitskleidung in meinen Laden und beschaute sich die Metal-CDs. Er suchte sich CDs im Wert von vielleicht 300 Euro zusammen, konnte aber nicht sofort alles bezahlen und bat mich, den Rest für ihn zur Seite zu legen. Ein paar Tage später kam er in seiner ,normalen‘ Kleidung in den Laden: Er war total kahlgeschoren, trug hohe Absätze, ein langes schwar­ zes Kleid und einen langen Ledermantel mit einer großen Kapuze. In diesem Outfit stand er hier vor mir, mit den Kopfhörern am CD-Player, schloss die Augen und spielte für ungefähr dreißig Minuten Luftgitarre. Das war der Hammer! Er war wie im Wahn. Und da es gar kein Ende nahm, ging ich schließlich hinaus auf die Straße, um das Schauspiel durch mein eigenes Schaufenster hin­ durch zu betrachten. Großartig und völlig durchgeknallt! Aber das war ein unglaublich sympathischer Kerl. Wegen diesen Leuten und solchen Begebenheiten macht mein Job erst richtig Laune. Es war immer mein Traum, einen Plattenladen zu haben, aber du kannst damit nicht viel Geld verdienen. Das kann nach einigen Jahren natürlich ein wenig frustrierend sein. Aber das ist egal: „Wollte nie in meinem Leben was anderes sein, und außerdem fiel mir auch gar nichts bess’res ein.“ (Mike Krüger in „Bundeswehrsoldat“)

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Various artists Stroboscopica (Plastic Records, 1998) Eins-a Italo-Porno-Mucke. Manchmal tut ein wenig Krimi und B-Action-Movie gut. Dazu diese Platte, schön psychedelisch und teils smooth, groovt aber immer wie Sau und macht stets gute Laune. Ich liebe den Scheiß. the Black Keys el camino (Nonesuch, 2011) Ist wahrscheinlich wenig spektakulär, weil’s so wahnsinnig angesagt ist, aber was soll’s ? Jeder Song macht Spaß, ohne Ausnahme. Für viele zu kommerziell, aber man soll ja keine Angst vor Popmusik haben, nä? Various artists Funky Soundtracks (Sound Score Corporation, 1994) Alle Größen der Zeit sind dabei. Herbie Hancock, Quincy Jones, Lalo Schifrin, Johnny Pate, Isaac Hayes usw. Allein „They Call Me Mr. Tibbs“ von Quincy Jones macht mich fertig. Man fühlt sich in die 1960er und 1970er katapultiert. the Hellacopters payin’ the Dues (White Jazz Records, 1997) Es gibt Scheiben, auf die man lange gewartet hat, ohne zu wissen, dass man drauf gewartet hat. Als ich die „Payin The Dues“ hörte, wusste ich, was mir so lange gefehlt hatte. Geiles, dreckiges Stück. Und Dregen klampft so mordsmäßig. AC/DC rip off (Fan Club Records, 1988) Man, von den Jungs muss was dabei sein. Die erste Band, die ich mit ungefähr zehn Jahren für mich entdeckt habe und immer noch liebe. Hier sind ein paar geile Live-Sachen drauf und unveröffentlichter Shit.

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The Soundtrack of our Lives welcome to the infant freebase (Telegram Records Stockholm, 1996) Eine mehr als würdige Nachfolgeband von Union Carbide. Ist auch wieder eine Scheibe, auf die ich scheinbar gewartet habe, ohne mir des Wartens bewusst gewesen zu sein. Aber als ich das Ding das erste Mal gehört habe, wusste ich es. Jeder Song hat damals zu irgendeinem Scheißgefühl gepasst, das ich damals hatte. Die Scheibe wurde wahrscheinlich für mich geschrieben. Danke!!! Ennio Morricone the good, the bad and the ugly (United Artists Records, 1967) Geil, die Schlussszene, man sieht etwa zehn Minuten lang drei unterschiedliche Augenpaare. Wäre ohne Ennios Musik wahrscheinlich todlangweilig. Morricone ist der Godfather of Soundtrack. Betet zum Meister. Curtis Mayfield curtis/Live! (Curtom, 1971) Ich wünschte, ich wäre damals in diesem kleinen rauchigen Keller gewesen. Die Band ist der Hammer, die Improvisationen grooven mordsmäßig, aber sind nie zu lang. Irgendwie hat man bei der Scheibe das Gefühl, mittendrin zu sein. At the drive-in relationship of command (Grand Royal, 2000) Aarrgggghhh!! Jawohl!!! Da muss man ja auch nicht viel zu sagen. Jedes Wort wäre zu viel. Also : Immer schön reinziehen, das Ding. Radio Birdman Radios appear (Trafalgar, 1977) Ist einfach ein absoluter Klassiker. Was soll man da schon groß schnacken. Mörder Songs und geiles Cover.

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Madrugada the nightly disease (Virgin, 2001) Die Norweger kreieren einfach eine unglaublich dichte, düstere Stimmung ... und was für ein Sänger. Sivert ist ganz groß. Bei leicht melancholischer Stimmung kann ich die immer hören. The Cinematic Orchestra every day (Ninja Tune, 2002) Meine Güte, was haben die da bloß abgeliefert. Jeder Song entwickelt sich so gigantisch, dazu die unterschiedlichen Sänger, die das Album so variabel machen, und trotzdem ist es ein Ganzes. Black Sabbath (ST) (Vertigo, 1970) Die Scheibe steht einfach stellvertretend fürs Schaffen der ersten Sabbath-Jahre und ist ein Meilenstein (ich könnte auch die „Paranoid“ oder die „Masters Of Reality“ nehmen). Vielleicht die Erfindung des Metals, Doom, Stoner ... egal!!! Sabbath hat mir mein Bruder nahegelegt, als ich noch ein kleiner Strolch war und nur AC/DC gehört habe. Danke, Nico!!! David Bowie the man who sold the world (RCA, 1972) Dem kann man ja auch für sein Gesamtwerk huldigen. Daher ist auch diese Scheibe nur stell­ vertretend, aber definitiv eine meiner liebsten. Jerry Lee Lewis and the nashville teens Live at the star-Club hamburg (Fontana, 1974 reissue) Unglaublich, wie der Herr auf sein Klavier hämmert und dabei schreit, als ob es kein Morgen gäbe. Pure Energie. Auch wenn man nicht sonderlich auf die große Rock’n’Roll-Ära steht, sind diese Live-Aufnahmen von 1964 einmalig, und ich habe mir immer gewünscht, dort gewesen zu sein.

Exodus bonded by blood (Torrid Records, 1985) Man, was habe ich mich 1985 auf die Scheibe gefreut. Und knapp dreißig Jahre später würde ich immer noch sagen: zu Recht! Die geilste Trash Metal-Scheibe ever. Beknackte Texte, geile Riffs und Paul Baloff schreit wie ein abgestochenes Schwein ... Was willste mehr, Trash-Herz.

various artists Beretta 70 (Crippled Dick Hot Wax!, 1998) Ich liebe einfach diese italie­ nischen B-Movie-Soundtracks. Unglaublicher Groove. Man bekommt sofort das Gefühl, verfolgt zu werden, oder wünscht sich hinter das Lenkrad eines alten Alpha Romeos, Fiats oder Citroën DS mit einem dicken Schnauzbart und mieser Sonnenbrille.

THe Atomic Bitchwax (ST) (Tee Pee Records, 1999) Monster Scheibe. Ich liebe Trios, bei denen alles ineinandergreift. Die Jungs sind verspielt, brutal, psychedelisch und grooven auch noch wie Sau. Sind dabei aber immer eine Einheit.

the Dillinger Escape Plan option paralysis (Season Of Mist, 2010) Sehr dichtes und abwechslungsreiches Album, das oft sehr brutal ist. Kann man nicht oft hören, denn das Ding saugt an dir und spuckt dir ins Gesicht.

Talk Talk spirit of Eden (Parlophone, 1988) Unfassbar. Manchmal vergehen Jahre, bis man eine LP wieder auflegt. Aber bei dieser Scheibe habe ich das Gefühl, sie wird mit jedem Mal besser und besser. Sehr psychedelisch, melan­ cholisch und drogengeschwängert. Für mich das Beste, was Mark Hollis jemals verzapft hat.

Sammy Davis Jr. something for everyone (Motown, 1970) Es gibt ja Scheiben, die laufen einem zu. Habe ich mich vorher für Sammy Davis Jr. interessiert? Nö!!! Aber diese Coverversionen grooven dermaßen. „In The Gettho“ als Funk-Groove-Version ist ein Hammer. Aber jeder Song auf der LP ist ein Kracher und oft besser als die Originale.

MC5 Kick out the Jams (Elektra, 1969) Ist vielleicht keine sonderlich originelle Auswahl, aber ein absoluter Klassiker mit unglaublicher Wucht und Energie, die heute noch ihresgleichen sucht. Pre-Punk oder Pre-Metal, ist doch wurscht. Geht einfach derbe nach vorne.

Union Carbide Productions from influence to ignorance (Radium Germany, 1991) Ebbot rules. Feinster, dreckiger Stooges-mäßiger Rock. Muss sein, führt überhaupt kein Weg dran vorbei.

Mastodon Remission (Relapse Records, 2002) Hat mir vor einigen Jahren zu meinem zigsten Metal-Frühling verholfen. Unglaublich brutal und groovt trotzdem wie Sau. Und dazu ein Hammer Cover Artwork.

Uncle Acid & The Deadbeats Blood Lust (Rise Above Records, 2011) Die Scheibe ist ja eingeschlagen wie ’ne Bombe. Und das ausnahmsweise völlig zu Recht. Geils­ter, okkulter Siebziger-Rock mit feinster Retro-Produktion. Nur Hits, ein Song besser als der andere, dazu ’ne schöne breitbeinige Gitarre. Klingt manchmal leicht nach Sabbath, ist aber total eigenständig.


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Zuerst kam der Style! Als ich sechs Jahre alt war, wollte ich unbedingt so einen Anzug haben, wie ihn die Beatles trugen. Auch wenn ich die Musik nicht kannte. Ich bekam den Anzug und eine Krawatte mit Rosen zum Anklipsen. Zur Musik kam ich durch das Radio, das ich als Kind abends mit ins Bett nahm, um bis spät in die Nacht Musik zu hören. Meine erste Platte kaufte mir mein Vater: eine Coca Cola-EP mit Ray Charles, The Supremes, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich, Aretha Franklin und anderen großen Namen. „Things Go Better With Coke“ im Soul-Stil. Die Platte habe ich immer noch. Als ich Anfang der 1980er von Münster nach Hamburg kam, wurde hier auf Reggae-Partys hauptsächlich Bob Marley gespielt. Okay, Münster ist keine Großstadt, stand aber zu der Zeit durch die dort stationierten GIs stark unter Funk-Einfluss. Radiosendungen wie Rodigan’s Rockers und John Peel waren sehr wichtig, und auf unseren Partys wurde ganz selbstverständlich Reggae-Musik mit Punk gemischt. Da war man erstaunlicherweise in Münster weiter als in Hamburg. Ende der 1980er begann ich Hip Hop zu sammeln und im illegalen Club Zwinger am Hamburger Hafen aufzulegen. Den Zwinger habe ich zusammen mit meinem Freund Kay Engelhardt gemacht. Das waren riesige Hallen, in denen wir Hamburgs erste Soundsystem-Partys organisiert ha­ ben, mit internationalen Stars wie Pete Rock oder Boogie Down Productions, aber auch mit Leuten aus Hamburg wie Di Iries, Eisenvater oder Die Goldenen Zitronen. Mein liebster Plattenladen war Groove City. Zuerst kaufte ich

seit 1995 Reggae dancehall jungle dub ska afrobeat soul

dort Hip Hop, später Ragga Hip Hop. Ich merkte jedoch schnell, dass ich zum Mixen die Singles brauchte. Für Nachschub musste ich nach Münster (Irie Records), Berlin (Downbeat) und nach London (Dub Vendor) fahren. Die Reggae-Dancehall-Szene in Hamburg wurde Anfang der 1990er immer größer, es fehlte aber weiterhin ein entsprechender Plattenladen. Das war dann auch der Grund, Selekta zu eröffnen. Als Erstes reiste ich nach New York und verbrachte drei Wochen im Plattenladen des legendären Musikproduzenten und Studio OneGründers Sir Coxsone Dodd. Nach einer Woche durfte ich in Coxsones Music City den Kunden Platten vorspielen. Hier kaufte ich natürlich meine Selekta-Saat: meinen ersten Grundstock an Studio One-Platten. In der letzten Woche nahmen wir ein Dubplate mit Charley Fresh auf. Ein Dubplate ist normalerweise die Vorlage, mit der die Matrix einer Schallplatte hergestellt wird. Sie besteht aus einer dünnen Aluminiumplatte, die mit Acetat beschichtet ist, in welches das Audiomaterial ‚geschnitten‘ wird. Ein

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Dubplate hat den besten Sound und ist Prestigeobjekt, hat aber nur eine begrenzte Lebens­dauer. Die Aufnah­ men leitete und mixte Sir Coxsone Dodd. Seine Tochter Carol Dodd half uns dabei, die Lyrics zu schreiben. Das war mein erster wichtiger Geschäftskontakt. Bei den folgenden Besuchen lernte ich im Hause Dodd weitere Legenden wie Clive Chin, Glen Adams, Doreen Shaffer und Roland Alphonso kennen. Im Dezember 1995 eröffnete ich mit meinem damaligen Partner Hans Peters Selekta. Wir hatten eine mächtige Bassbox hinten im Laden und zwei Top-Speaker im Fens­ ter. Damals wäre hier niemand auf die Idee gekommen, sich über Lautstärke zu beschweren. Über uns befand sich eine Werkstatt, und wir störten niemanden. Wir konnten mit voller Lautstärke und offener Tür die Straße beschallen. Diese Gegend hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten sehr verändert. Früher gab es in der Schanze viele Junkies, und das besetzte Zentrum Rote Flora war auch noch wesentlich aktiver.

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LOVE LANE/LOVE TANK: HAUSEIGENE LABELS VON SELEKTA records

RAY DARWIN NOTHING can TOUCH MY45 (2008) 7“ 2008 erreichte die Katerstim­ mung in der Dancehall ihren Höhepunkt. Immer mehr Dances drohten durch die unterirdische Sound-Qualität von schlecht gerippten MP3s unterzugehen. Für uns genau die richtige Zeit, eine Ode an die Single und de­ ren Wohlklang zu produzieren.

Gizelle Smith & The Mighty Mocambos — Hold Fast (Reg­ gae mix Jr. Blender) (2011) Schönster Soulgesang von der überaus charmanten Londo­ nerin Gizelle Smith; Musik von Hamburgs top Soul- und FunkBand Mighty Mocambos; ein Reggae-Remix aus den Händen des international anerkannten Dancehall-Produzenten Junior Blender aus Hamburg — das wären alles gute Gründe gewesen, den Song auf unserem hauseigenen Label Love Lane herauszubringen. Ausschlaggebend war aber das umwerfende Ergebnis — ein selten charmanter Dancefloor-Killer ...

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London hat eine große jamaikanische Community, ähnlich wie New York. Als wir 1995 den Laden eröffneten, führte die Reiseroute immer von Kingston über New York nach London. Das war großartig. Einmal die Woche bekamst du zwar eine Liste vom Vertrieb mit allem, was herauskam, du wusstest jedoch nie, was sie noch im Backstock hatten. Deshalb flog ich einmal im Jahr nach Kingston. Wenn ich nach Hamburg zurückkam, standen die Leute in einer langen Schlange vor meinem Laden, um als Erste an die Scheiben zu kommen. Durch das Internet hat sich das natürlich vollkommen verändert. Viele wichtige Größen der Reggae-Szene kamen aus Lon­ don nach Hamburg. Mit dem Wachsen der Dancehall-Szene wurde auch die heimische Soundsystem-Szene größer. Als vor ein paar Jahren der Gentleman-Hype diese Musik noch populärer machte, begann die deutsche Musikindus­ trie, ihre Platten nur noch über große Ladenketten zu ver­ kaufen und die kleinen Händler total zu vernachlässigen. Wir mussten Platten von Gentleman, Seeed oder Ohrbooten von Zwischenhändlern kaufen, zu wesentlich schlechteren Einkaufspreisen. Und Läden wie Saturn konnten sich erlau­ ben, die Musik zu Schnäppchenpreisen anzubieten, nur um Kunden anzuziehen. Die unabhängige Infrastruktur wurde dadurch nachhaltig zerstört. Ganz langsam, seit der große Boom im Reggae vorbei ist, entdecken uns die Plattenfir­ men wieder und beginnen, direkt an uns zu verkaufen. Als die CD auf den Markt kam, kauften die Reggae-Leute trotzdem weiterhin Vinyl. Wenn du fünf Tunes in drei Minuten spielen willst, brauchst du einfach Singles. Zusätzlich wollten alle dem jamaikanischen Stil so weit wie möglich treu bleiben. Seit fünf Jahren fangen DJs zwar an, vermehrt mit Laptops aufzulegen, aber inzwischen produzieren die meisten Labels wieder Vinyl. Nur in Jamai­ ka haben fast alle Platten-Presswerke geschlossen. Dort hat man tragischerweise bis heute nicht realisiert, dass es weltweit einen großen Sammlermarkt für limitierte und qualitativ hochwertige Pressungen gibt. Seit der Finanzkrise 2008 steigen die Preise der Original­ pressungen von Rocksteady kontinuierlich, quasi wie

Aktien, und die originalen Platten werden immer rarer. Selbst Dancehall-Sammler können häufig keinen Dance­ hall mehr finden und gehen daher zurück zu den Vin­ tage-Platten. Wenn ein Sammler seine Musikrichtung nicht mehr sammeln kann, greift er zu einem anderen Stil. Plattensammler müssen sammeln, das sind seltsame Wesen — ich bin ja selbst einer! Da geht es nicht immer nur um den Song oder das Objekt. Wenn ich eine neue Platte habe, schaue ich natürlich immer, ob sie nicht in eines meiner Sets passt. Aber wenn die Leute einmal auf einen Song getanzt haben und durchgedreht sind, gibst du den nicht mehr her. In vielen Fällen möchtest du auch einfach alle Platten eines bestimmten Künstlers oder auch Labels komplett haben. Es gibt viele Gründe, den Stoff nicht mehr herausrücken zu wollen. Und das sag ich als ,Dealer‘. Das alte „Freak Brothers“-Gebot „Don’t get high on your own supply!“ habe ich nie beherzigt ... Mein Werkzeug ist die Single, nicht der Computer. Ich kann eine Platte 500 mal spielen, ohne mich an den korrekten


Titel erinnern zu können. Ich weiß, dass es ein Studio One-Tune ist, kann ihn sogar mitsingen, das reicht völlig. Bei Platten gibt es Codes: Du schaust auf eine Single und weißt, dass genau an der einen Stelle, etwa einen Fingerbreit nach dem Anfang, alle anfangen zu tanzen — dagegen sind Audiofiles und Laptops so unpraktisch wie unsexy. Abgesehen von Dubplates ist noch immer die Single das beste Tool. Ob es nun am Schnitt und der Plattenrille liegt oder auch am Mastering, auf jeden Fall ist der Sound viel kraftvoller. Seit ein paar Jahren arbeiten wir nun mit dem Internet, und langsam lohnt sich die Arbeit. Aber ohne die Mode im Laden käme ich schwerlich über die Runden. Am An­ fang hatte ich leichte Zweifel, inzwischen liebe ich aber meine kleine feine Auswahl an Kleidungsstücken und die Beschäftigung damit. Und die Kundschaft dankt es mir. Nicht zuletzt hat bei mir alles mit dem Style begonnen, dann kam die Musik. Da war es nur logisch, auch im Laden beides wieder zusammenzubringen. Vor ein paar Jahren habe ich noch als DJ jedes Wochen­ ende gearbeitet, mitunter an zwei Tagen. Meist mit unserem Soundsystem Love Tank, bestehend aus meinen Freunden Franky Dee und Ömmes. Wir hatten dauernd Termine in verschiedenen Clubs und luden regelmäßig unsere MCs Mystic Dan & Chalice Nyah aus London ein. Ebenso legten Leute von Soul Jazz Records oder David Rodigan bei uns auf. Legendäre Typen wie Lone Ranger und viele andere Dancehall-Künstler hatten bei uns ihre ersten deutschen Gigs. Inzwischen haben wir uns dazu entschlossen, jährlich nur noch eine große Love TankParty und außerdem zweimal jährlich die Selekta Night zu organisieren, bei der wir selbst auflegen und Größen des Genres einladen, die uns wichtig sind: Bob Brooks, Clive Chin oder Dexter Campbell. Wenn ich für Gigs ge­ bucht werde, bei denen wie zuletzt Künstler wie Adrian Sherwood, Tarrus Riley oder Fat Freddy’s Drop auftreten, bin ich natürlich dabei. Da bin ich Fan. Überhaupt lebe ich nach dem Motto: „Je oller, desto doller“ — gerade haben wir einen zweiten Laden in der Bernhard-NochtStraße auf St. Pauli eröffnet. Angeschlossen ist das Selekta Studio One, in dem am Wochenende nachmittäg­ liche DJ Sessions kredenzt werden.

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Studio One Personal Selekta Schepper Top Five

Vintage Singles Personal Selekta Schepper Top Five

Dancehall Singles Personal Selekta Schepper Top Five

Kleine groSSe Scheiben Selekta Shop Top 5

Grosse Scheiben Selekta Shop Top 5

W. Brown To Survive (London Records, 1976) Habe ein paar Exemplare des Tunes im Keller von Mr. Dodd Studio One Shop & Studio in New York gefunden. Landet bei meinen Vintage-Sets mit fröhlicher Regelmäßigkeit auf dem Teller: Pure Seelsorge.

Lloyd Charmers/Save The People Scotty/Salvation Train (Green Door / Trojan, 1973) Beide Seiten haben den gewissen Funky Touch, grooven wie Sau, sind so toll intoniert wie arrangiert und haben nicht zuletzt klasse Lyrics. Universal einsetzbar!

Freddie McGregor Push Come To Shove (Weed Beat, 1986) Ein dicker Hit sowie ein Brückenschlag zwischen Reggae und Dancehall. Freddie McGregor ist eine lebende Reggae-Legende. Sein Sohn hat als Produzent die jüngste Dancehall-Szene geprägt.

LEE Perry & The full Experiences Disco Devil (Upsetter / Trojan Records, 2003 reissue) 12” Der Über-Tune! Ein Tipp für alle angehenden Reggae-Fachverkäufer. Die fette 12”-Version „Discodevil“ hat Produzent Lee Perry selbst eingesungen. Big Time!

Gregory Isaacs More Gregory (PRE Records, 1981) Die Selekta Shop Weihnachts­ platte. Fette, relaxte und doch sehr tighte Instrumentals, auf denen der Ruler in totaler Lässigund Leichtigkeit seinem Namen alle Ehre macht.

Ronnie Davis Life & Breath (Impact!, 1975) Dieser upliftende Tune mit den hoffnungsvollen Lyrics, einer wunderbar perlenden Gitarre und dem ruhig rollenden Bass ist rar gesät — was mich fast jedesmal dazu verleitet, die Scheibe umzudrehen und die Dub-Version zu spielen (Tribut an den Dub-Pionier Clive Chin).

Beres Hammond Groovy Little Thing (Harmony House, 1985) 12” Beres’ weiches Timbre ist weltweit in den besten Schlafzimmern wie auch in der Dancehall zu hören. Nach Roots und Soul in den 1970ern, läutet er mit „Groovy Little Thing“ Mitte der 1980er seine Loverstyle Phase ein.

Lloyd Williams In Love With You (Studio One, 1970) Ein persönliches DJ-Anthem, das ich erst spät entdeckt habe. Die Leichtigkeit von „In Love With You“, gepaart mit dieser unglaublich souligen Tiefe, kann mich in manchen Momenten zu Tränen rühren. Prince Jazzbo Crab walking (Studio One-Bongo Man, 1972) Wenn ein DJ-Tune beim Auflegen Sinn macht, dann dieser. Prince Jazzbo gibt dem sowieso schon schiebenden „Skylarking“ von Horace Andy noch mal ExtraSchub. Und das Intro killt selbst Big Youths „Screaming Target“. the Skatalites/Doctor Ring Ding Prince Francis/Street Doctor (Studio One, 1970) Beide Songs sind von zwingender atmosphärischer Dichte und bestechen durch Top-Intros. Mit dem Ska-Wecker von Doctor Ring kann man immer um die Ecke kommen, egal ob man vorher Dancehall oder Rocksteady gespielt hat — Wake up! Lone Ranger/Love Bump Nina Soul/Barb wire Welton Irie/Strictly Reggae Silver tones/Bad Boy (Love Tank-Dubplate, Studio One, 2003) 10” Die Dubplate wurde unter der Leitung von Mr. Dodd im legendären Studio One in Kingston aufgenommen. Künstler, denen ich viel verdanke.

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Rottadam I Was Born To Be A Rebel (Ron-Lew Records, 1975) „I Was Born To Be A Rebel … and no one can ever change me!“ Wenn dieses Statement auf dem Peak eines tief meditativen Roots-Sets zum Einsatz kommt, fragen die Feingeister gern nach. Bei geballter Ignoranz — „Mach mal schneller! Spiel mal Sean Paul!” — lege ich ihn auch gern zum Trotz auf. Roy Panton/Endless Memory Boris Gardiner/I’m Alone (Bronco / Rock A Schaka, reissue) Eine endlos schöne Rocksteadyoder Early Reggae-Schnulze und „I’m Alone“, eine Uptempo Reggae-Version, versetzt Boris mit einem Zuckerguss aus Gesang. Dennis Brown Silhouettes (Move & Groove, 1972) Mit der Wahl dieser Platte kann ich mit Dennis Brown einen meiner Lieblingssänger und mit Derrick Harriott den Top Styler der 1960er sowie 1970er gleich in einem Aufwasch nominieren.

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Lloyd Brown Main Squeeze (Charm, 2002) Dieser End-1990er-Klassiker im UK Lovers Style mit butterzartem Schmelz und einem schön in die Hüfte schubsenden Bass & Drum-Kick gehört zu den Big Tunes des Genres. Er steht in der Tradition des Ende der 1970er in London entstandenen Lovers Rock, dem man den Einfluss der Disco-Ära anhört. General Degree When I Hold You Tonight (Studio 2000, 1995) Die Scheibe war nach einem DJ-Set beschädigt. Ich bekam Albträume, in denen mir die Zähne ausfielen, ergatterte aber glücklicherweise bald ein neues Exemplar. Deshalb fiel die Wahl auf diese 1995er DJ-Ragga-Single. Tanya Stephens Goggle (Shocking Vibes, 1997) Dieser Tune steht für die Hochblüte des Hardcore Raggas zwischen 1997 und 1998. In dieser Zeit gaben auch die Damen der DJ-Zunft einige Derbheiten zum Besten. Big Up! So wie DJPionierin Sister Nancy!

Big Maybelle I’Ve Got a Feelin’ (Fryers, 2010 reissue, original 1954) Selbst Jamaikaner hören nicht nur Reggae! Hier ein emotionsgeladenes Kleinod mit einer wahrlich großen Stimme. Da R’n’B und Soul im Gegensatz zu Reggae keine Frauenquote braucht, haben inzwischen auch bei uns des Öfteren die Damen das Singen. Johnny Clarke Poor Marcus (Clocktower Records, 2013 reissue, original 1975) Ein wirklich schöner Roots-Tune. Die Killer-Seite ist aber der Dub, der auch als „Bag A Wire“ berühmt-berüchtigt ist. White Bird/Shobedobedo ShobedobeDub Lymie Murray/Visions (Uncle Fee Dub Plate Style, 2005) 10” Der zu einer Selekta Night eingeladene Uncle Fee hatte diese 10” im Gepäck, mit dem spartanischen End-1980er-Digital-Tune und -Dub „Shobedobedo“, unter dessen träger Kargheit ein wahrer Monster-Bass schlummert. Eine Ausnahmescheibe! Cornell Campbell King In My Empire (Rhythm & Sound, 2001) 10” Ich lege dieses Juwel gern auf, wenn der Feierabend naht. Durch elektronische Schlichtheit und dezenten Falsettgesang von Cornell Campbell eine meditative Oase.

Sizzla Black Woman & Child (Digital-B, 1997) Interpret und Produzent haben sich auf ihrem persönlichen Höhenflug getroffen und eine Punktlandung hingelegt. Der facettenreiche progressive Singjay Style von Sizzla komplementiert die warmen fetten Riddims, die meist auf Klassikern basieren — oder sich so anhören. Optimal! Bitty Mclean &  the supersonics On Bond Street KGN. JA. (Peckings Records, 2004) Originale „Treasure Isle“-Instru­ mentals aus den 1960ern als Hintergrund für neue Texte und Soulcover. Sie hat Rocksteady so kraft- wie machtvoll in die aktuelle Dancehall zurückkatapultiert! Dadawah Peace & Love — Wadadasow (Wild Flower, 1974) Eine tiefe spirituelle, hypnotische, psychedelische Roots-NyabinghiPerle aus dem Jahre 1974, die 2010 neu aufgelegt wurde. Fat Freddy’s Drop Based On A True Story (The Drop, 2005) Neuseeland hat mit Vertretern wie Fat Freddy’s Drop oder den Black Seeds einen ganz eigenen regionalen Sound entwickelt. Bei dieser Scheibe entrollen sich die Songs langsam auf einem ursoliden Bassfundament. Mit Joe Dukies wunderschöner New Soul-Stimme, die präzise wie ein Instrument einsetzt.


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remedy records jörn rüter, Petra Peters &  michael flückiger JÖRN: Mein erster Tonträger war eine Kassette von Kiss: „Kiss Alive“. Ich war elf Jahre alt, als ich die von meinem Taschengeld kaufte, und mein Vater war recht erstaunt, dass ich all meine Ersparnisse für dieses Tape opferte. Er hatte zwar in seiner Jugend die Beatles und Elvis Presley in Hamburg live gesehen, war aber kein wirklicher Hardrock-Fan. Es war vor allem das Cover, das mich anzog — genauso wie bei meiner ersten Schallplatte, dem Debütalbum von Motörhead, das ich mit zwölf wegen des Totenkopfs unbedingt haben musste. Ich habe den Metal sozusagen durch den Style und die Cover entdeckt. Stark geprägt hat mich ein Jahr später ein Klassenaus­ flug nach England. Das war 1978. Auf der Überfahrt lernte ich Steve Harris kennen, den Bassisten von Iron Maiden, die zu der Zeit noch vollkommen unbekannt waren. Und Steve Harris verkaufte mir für vielleicht fünf Mark ihre De­ bütsingle „The Soundhouse Tapes“. Die besitze ich noch heute, allerdings kostet die inzwischen um die tau­ send Euro. Auf derselben Überfahrt traf ich auch die Band Steppenwolf, die in Hamburg gespielt hatte. Die reinste Rock’n’Roll-Fähre war das! In Hamburg gab es seit den 1970ern eine sehr große Metal-Szene. Mein erstes Konzert war Black Sabbath, und als Vorband spielte Van Halen. Die Supports waren immer sehr wichtig, um gute neue Bands kennenzulernen. Ich sah zum Beispiel AC/DC mit Judas Priest als Support. Von denen war ich verdammt beeindruckt, mit ihren Nieten und den Lederklamotten. Das war die erste Band, die auch nach Metal aussah. AC/DC und Motörhead waren zu der

seit 1989 heavy metal hard rock gothic metal dark wave black metal grindcore death metal hardcore thrash metal punk rock crossover deutschrock sludge doom drone metalcore

Zeit vielleicht die härtesten, Judas Priest war aber, zu­ sammen mit Black Sabbath, der erste richtige Metal. Schließlich wurden Hamburger Bands wie Helloween oder Running Wild immer bekannter. Ich denke, dass Hamburg in den 1980ern zur deutschen Hauptstadt des Metals wurde. Als in den 1990ern der Grunge aufkam, verlor Metal jedoch stark an Bedeutung. Dann wurde Metallica plötzlich berühmt, und andere Bands versuchten, an dem Erfolg teilzuhaben. Bands wie Anthrax oder Testament und sogar Judas Priest oder Kiss drosselten das Tempo, um populärer zu werden. Das hat die Szene zum Teil zerstört, bis die Bands irgendwann wieder anfingen, härter zu spielen. Der kommerzielle Scheiß funktioniert einfach nicht! Nach der Schule habe ich meinen Zivildienst in einer Drogenberatungsstelle geleistet. Ich fing an, die MetalImporte und Raritäten, die ich sowieso für meine eigene Sammlung brauchte, in mehrfacher Ausführung zu kaufen und in Hamburg zu vertreiben. Ein Freund von mir war

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investierte alles, was ich hatte, in unsere Band. Ich habe nie den Führerschein gemacht oder ein Auto besessen und brauche nur ein Bett zum Schlafen und genügend Platz für meine Plattensammlung. Die meiste Zeit bin ich eh im Laden oder mit meiner Band auf Tour. Wenn du an­ dere Ansprüche hast, dann darfst du keinen Plattenladen haben. Es gibt deutlich bessere Wege, um reich zu wer­ den! Am Anfang habe ich alles über Mailorder gekauft. Ein Freund von mir war Kassetten-Sammler und bekam viele Demos von Bands. Dadurch wusste ich immer in etwa, welche Bands es im nächsten Jahr schaffen würden, be­ kannt zu werden. Wenn ich von einer Band überzeugt war, schrieb ich sie direkt an, um das Label und das Datum der Plattenveröffentlichung zu erfahren. Anschlie­ ßend schrieb ich dem Label, dass ich hundert Platten der Band abnehmen würde, wenn sie mir einen entsprechen­ den Preis machen würden. Zu der Zeit kamen allerdings nicht mehr als zehn Platten im Monat heraus, du muss­ test also nicht mehr als drei neue größere Titel im Monat

Inhaber des Hamburger Plattenladens Inferno. Da habe ich ein paar Jahre gejobbt und konnte einige Kontakte knüpfen. Als der Laden dann schloss, habe ich weiterhin Platten für die Szene besorgt. Wenn ich zum Beispiel eine neue Platte von Slayer hatte, fand diese sofort viele Abnehmer. Es gab die ja in keinem Laden zu kaufen! So fing es an, und es lief sofort sehr gut. 1989 musste ich mich schließlich zwischen Studium oder Musik entschei­ den — und eröffnete meinen ersten Laden auf dem Schul­ terblatt. Im Viertel gab es aber ein großes Drogenproblem, und die Leute klauten mehr, als sie kauften. Deshalb zog ich 1995 an den Holstenplatz und wegen der steigen­ den Mieten 2013 schließlich in die neuen Räume nach Stellingen. Dort betreibe ich nun gemeinsam mit meiner Freundin Petra und unserem Mitarbeiter Michael Remedy Records: Laden, Label, Mailorder und Webshop für alles, was schnell, laut und hart ist. In den ersten sechs Jahren habe ich kaum etwas mit dem Laden verdient. Ich wohnte bei meiner Mutter und

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Rude records und remedy records: HAUSEIGENE LABEL VON remedy records

KNEIPENTERRORISTEN LEBENSLANG (2014) LP Unser bisher erfolgreichster Release: Die hanseatische Antwort auf AC/DC, Motörhead und Rose Tattoo mit einer Prise Twisted Sister.

TORMENT TORMENTIZER (2009) CD Tormentizer vereint die Ag­ gressivität des Thrash Metals mit der Eingängigkeit des Rock’n’Roll / Punk Rock.

HARDBONE BONE HARD (2014) CD 110 % Rock’n’Roll ist das, was diese fünf Hamburger Jungs anbieten, schnörkellos und schmutzig. Für Fans von AC/DC, Rose Tattoo oder Airbourne ein Muss.

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anbieten. Wenn eine Platte gut war, konntest du sie auch unter die Leute bringen. Heute ist es sehr viel schwieriger einzuschätzen, wie viel du von einer Platte verkaufen kannst, da das Angebot so riesig ist. Alleine in der Metal-Szene erscheinen monatlich über hundert Veröffentlichungen. Eine Platte kann heutzutage brillant sein, und trotzdem kauft sie niemand! Alle unsere Platten sind sowohl im Laden als auch online erhältlich. Nur einige Second-Hand-Scheiben kannst du ausschließlich im Laden kaufen. Das ist schon seltsam: Eine Platte, die im Laden nicht geht, wirst du mitunter im Internet sofort für den doppelten Preis los. Auf der einen Seite wollen die Leute alles immer billiger haben, und auf der anderen Seite schmeißen sie das Geld aus dem Fenster. Im Metal geht es nicht nur um die Musik, sondern auch viel um den Lifestyle. Das ist vielleicht der Grund, warum die Downloads weniger Konkurrenz machen als in anderen Musikrichtungen. Der Metal-Fan will seine Platte, sein T-Shirt und sein Gadget. Picture Discs wie von Iron Maiden sind ein gutes Beispiel. Der Sound einer Picture Disc war früher grottenschlecht, letztendlich ging und geht es aber viel mehr um das Objekt und den Fetisch. Wir haben Kunden aus ganz Deutschland, und im Sommer kommen sehr viele Touristen in den Laden. Es gibt nicht mehr viele andere Underground-Metal-Läden. Ich kenne selbst nur Idiots Records in Dortmund. Wenn aber achtzig Kilometer nördlich von Hamburg das jährliche Open Air Festival Wacken stattfindet, hast du hier zwei Wochen lang den Wahnsinn in der Stadt. Da kommen Leute aus der ganzen Welt vorbei. Das ist für uns natürlich sehr vorteilhaft und eine gute Möglichkeit, auch international bekannter zu werden. Es ist nicht einfach, diesen Laden zu halten. Media Markt oder Saturn verkaufen mehr Metal-CDs als wir. Viele un­serer Platten sind in den großen Ketten jedoch nicht erhältlich. Dort gibt es vornehmlich Chartmusik. Deswe­ gen können wir und andere Metal- oder Punk RockPlattenläden überhaupt noch existieren. In Amerika kauft man inzwischen seine Metal-Platten bei Walmart. Als

unabhängiger Laden kannst du gar nicht mehr die neue Platte von AC/DC verkaufen, da die Band bei Walmart un­ ter Vertrag steht! Oder die neue DVD der Scorpions, die du ausschließlich bei Saturn und Media Markt kaufen kannst. Der Vertrieb hat sich grundlegend gewandelt. Vor einiger Zeit gab es eine limitierte, recht kostspielige CD-Box von AC/DC, die nach zwei Monaten bei Penny für vielleicht 9,99 Euro verschleudert wurde. Zusammen mit einem Rucksack von AC/DC. Wurst, Wein und AC/DC. „Kauf zwei, und es gibt einen Karton Käse dazu!“ Und dann wird eine Kette wie Walmart ein Plattencover nicht gut finden, und das Label wird gezwungen sein, sich dieser Zensur auszusetzen. Das ist einfach furchtbar! Das ist auch der Grund, warum ich meine eigenen Labels gegründet habe. Ich wollte die Musik meiner eigenen Band unters Volk bringen und dabei unabhängig bleiben. Ich schreibe einer Band nie vor, wie ihr Cover auszusehen hat, und versuche auch nicht, musikalisch Einfluss zu nehmen. Bei mir bleibt es die Platte der Künstler,


und solange sich nichts politisch Extremes auf einer Scheibe befindet, wird diese von mir so, wie sie ist, veröffentlicht. Meine erste eigene Band hieß Shell Shock. Sie wurde später zu Torment und existiert nun schon seit dreißig Jahren. Und vor 16 Jahren gründeten wir noch die Band Kneipen­terroristen. Nebenbei führe ich das Label Remedy Records und das Unterlabel Rude Records mit deutschen, inter­nationalen und vielen lokalen Bands. Auf Remedy Records veröffentliche ich Bands aller möglichen Metal-Stile, Heavy Metal, Black Metal oder Death Metal. Rude Records ist dem dreckigen Rock’n’Roll vorbehalten, für Bands im Stil von Motörhead oder Rose Tattoo. Durch meine eige­nen Bands habe ich die Möglichkeit, viele Bands und Supports kennenzulernen. Und manchmal kann ich davon auch jemanden für mein eigenes Label gewin­ nen. Ansonsten finde ich die Bands über das Internet und in Musikzeitschriften. Das Geschäft ist schwierig. Es gab Monate, in denen ich die Einnahmen meiner Bands in unseren Laden stecken musste. Es ist schon skurril, wenn du deinen eigenen Job finanzieren musst. Wenn du das alles nur vom Finanziel­ len her betrachtest, macht es keinen Sinn. Die Bands, das Label und der Laden gehören jedoch zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Und der Laden ist auch ein sozialer Treffpunkt. Einige Bands wollen ganz bewusst die unabhängigen Plat­ tenläden unterstützen und geben ihre Autogrammstunden nicht bei Ketten wie Saturn. Danzig war zum Beispiel hier, Children of Bodom, Bruce Dickinson, Rose Tattoo, Rob Halford, Napalm Death, Type O Negative und viele mehr. Es ist unglaublich wichtig für die unabhängige Musikkultur, dass sich die Szene gegenseitig unterstützt. Ich sammele heute immer noch Platten, wenn auch aus Platzgründen weniger als früher. Ich habe wahrscheinlich mehr Platten zu Hause als im Laden. Hauptsächlich Vinyl. Wenn meine Freundin diese Sammlung eines Tages erben wird, wird sie sicherlich 150 Jahre gut davon leben können. Die Erinnerung bleibt: unser Freund und Grafiker Dirk Illing, 29.3.1967 bis 9.5.2014 — zu früh gegangen, aber nicht vergessen.

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MICHAEL: Mein erstes großes Musikerlebnis war wohl der Auftritt von Kiss mit „I Love It Loud“ in der Fernsehsen­ dung Vorsicht Musik, moderiert von Frank Zander und Herrn Feldmann. Ich kannte die Band durch meinen Bruder und seinen Kumpel Sven, der einen großen Einfluss auf mich hatte. Durch sie entdeckte ich auch früh Queen, die noch immer zu meinen Lieblingsbands zählen. Im Alter von sechs und sieben Jahren hörte ich mit meinem Cousin Timo ständig AC/DCs „If You Want Blood You’ve Got It“ und Van Halens „1984“ auf einem Kassettenrekorder. Wir fühlten uns dabei wie Könige! Ich komme aus Kappeln an der Schlei und bin 2009 für diesen Job bei Remedy nach Hamburg gezogen. Eine Freundin von mir kannte Petra und hörte, dass Remedy einen Verkäufer suchte. Da dieser Laden auch außerhalb Hamburgs sehr bekannt ist, war ich ziemlich aufgeregt. Nach einem Praktikum bekam ich schließlich den Posten. Mein Arbeitsplatz ist der Verkaufstresen, Petra kümmert sich um alle Büroaufgaben, den Labelbereich und den

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Versand. Da Jörn sehr oft mit seiner Band auf Tour ist und dazu noch seine Label betreibt, hat er nicht die Zeit, ständig im Laden zu sein. Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir die beiden schenken. Was bedeutet heutzutage noch ein Plattenladen? Das Wichtigste ist der direkte Kontakt zu den Kunden und der Szene. Du siehst die Leute, kannst dich mit ihnen austauschen und dadurch besser verstehen, an welcher Musik sie Inter­ esse haben, auch wenn sie eine Band oder ein bestimmtes Genre vorher vielleicht gar nicht kannten. Du kannst ein­ fach tiefer und individueller in die Materie eindringen, als es über das Internet möglich ist. Es bringt verdammt viel Spaß, Kunden Musik zu empfehlen, ihnen manchmal sogar neue musikalische Horizonte öffnen zu können und dabei auch von ihnen zu lernen. Und manchmal möchte dir jemand auch nur sein Herz ausschütten. Ein Plattenladen kann ein Ort sein, an dem Freundschaften entstehen. Es geschehen mitunter lustige Dinge im Laden: Ein Kunde fragte mich einmal nach House-Musik. In diesem Fall musste ich ihn leider enttäuschen. Dann fragte er nach Scorpions-Platten. Wir hatten nicht die, nach der er suchte, und so fragte er mich abschließend natürlich nach Phil Collins. Ich empfahl ihm, durch die Boxen auf dem Boden zu wühlen, ohne ihm unnötig Hoffnung ma­ chen zu wollen. Plötzlich legte er aber strahlend „Face Value“ auf den Tresen und meinte, dass er die seit Monaten suchen würde! Und wo hat er sie gefunden? In dem Metal-Laden Hamburgs! Es ist auch lustig zu sehen, wie sich die Zeiten geändert haben. Eines Tages kamen zwei etwa 15-jährige Kids zu uns und fragten nach Angel Witch-LPs. Etwas erstaunt habe ich sie gefragt: „Woher kennt ihr verdammt noch mal Angel Witch?“ Einer ihrer Väter habe ihnen das erste Album der Band vorgespielt, und sie waren begeistert. Ein paar Wochen später traf ich sie auf einem GraveyardKonzert wieder, zusammen mit ihren Eltern. So etwas war früher kaum vorstellbar! Es kommen auch manchmal Großmütter zu uns, um Weihnachtsgeschenke für ihre Enkel zu kaufen — alles ist gut, der Nachwuchs ist da!


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Rose Tattoo Rock’n’Roll Outlaw (Albert Productions, 1978) Das dreckigste Stück Vinyl ever! Wenn du AC/DC liebst, wird dich auch dieses Meisterwerk begeistern. Aussie-Rock’n’Roll at its very best. Warum unser Shop „Remedy“ heißt? Hier gibt es die Antwort! Venom Welcome To Hell (Neat Records, 1981) Ja, es stimmt: Es hört sich tatsächlich so an, als hätte jemand den Drummer die Treppe runtergestoßen. Doch der rohe und brutale Sound, die Lyrics und das Outfit der Jungs machen es zum Meilenstein des Heavy Metal. AC/DC Powerage (Atlantic, 1978) Neun Songs der Rock’n’RollPerfektion — Bon Scott bleibt einfach unantastbar. Carnivore Retaliation (Roadrunner Records, 1987) Eines der brutalsten Alben aller Zeiten. Ein Killer-Mix aus Metal und Hardcore. Bass und Gesang von Pete Steel waren nicht von dieser Welt. Zusammen mit Carnivores erstem Album gibt es hier eine wahre „Lesson In Violence“. S.O.D.: Stormtroopers of Death SPEAK ENGLISH OR die (Roadrunner Records, 1985) Brutal? Ja! Anstößig? Ja! Höllisch amüsant? Ja! Eines der ersten Crossover-Alben, das den Thrash Metal mit Hardcore perfekt vereint. Viele haben die Scheibe wegen des derben Humors nicht gemocht. Songs wie „Kill Yourself“ sind nichts für zarte Gemüter. Doch allein beim Eröffnungsriff von „March Of The S.O.D.“ möchte man einfach nur durchdrehen. Always keep in mind: Sergeant D is coming, and you’re on his list!

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Exodus Bonded By Blood (Torrid Records, 1985) „Reign In Blood“ oder „Bonded By Blood“? Welches ist das beste Thrash Metal-Album aller Zeiten? Eine verdammt schwierige Entscheidung, die man oft treffen muss und wir hier getroffen haben ... Iron Maiden (ST) (EMI, 1980) Die erste Scheibe von Iron Maiden deckt alles ab, was die Band großartig macht. „Walking through the City, looking oh! so pretty — I’ve just got to find my way!“ Motörhead No Sleep til Hammersmith (Bronze Records, 1981) Viele der ersten, schnellen Metal spielenden Bands wurden von Motörhead beeinflusst, sie haben also erheblich zur Entstehung des Speed und Thrash Metal beigetragen. Und dann gibt es natürlich Mister Lemmy Kilmister — noch irgendwelche Fragen? Misfits Walk Among Us (Ruby Records, 1982) Ich empfehle, nicht allzu viele Filme zu sehen, über die diese Band singt ... „Listen to them! Children of the night. What music they make!“ Massacre From Beyond (Earache, 1991) Kam Lee war und ist einer der bedeutendsten Sänger in der Geschichte des Death Metal. Das Line-up wurde mit Rick Rozz, Terry Butler und Bill Andrews komplettiert, die alle in einer gewissen Band namens „Death“ spielten. Auf H.P. Lovecrafts Texten basierende Songs und das großartige Artwork von Ed Repka machen dieses Album zum MetalKlassiker.

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Judas Priest British Steel (CBS, 1980) Leder, Nieten und Twin Guitars! Judas Priest hörten sich nicht nur wie Heavy Metal an („Rapid Fire“), sondern sahen auch als eine der ersten Bands des Genres so aus! Slayer Show No Mercy (Metal Blade Records, 1983) Schwer zu sagen, welches das beste Slayer-Album ist. „Reign In Blood“ ist ein Klassiker, aber alles begann mit „Show No Mercy“. Simpel, brutal, brillant ... Slayeeer! Anti-Nowhere League We are ... the League (WXYZ Records, 1982) Zusammen mit „Voice Of A Generation“ von Blitz ist dies die erste Platte, die Punk und Metal so gelungen vereint. Kurz, kantig und dreckig! Metallica Kill ´Em All (Megaforce Records, 1983) Als „Metal Massacre“ 1982 auf Metal Blade Records veröffentlicht wurde, klang einer der Songs völlig anders als der Rest: „Hit The Lights“ von Metallica. Als hätte jemand den Speed auf 45 rpm gestellt. Du kannst irgendeine der ersten drei Platten nehmen, und du hast eine großartige Scheibe. Wir haben diese gewählt ... Testament The Legacy (Atlantic, 1987) „First Strike Is Deadly” ist nicht nur ein Track auf Testaments Debütalbum, sondern auch eine gute Zusammenfassung: Diese Platte hat keine schwachen Momente. Alex Skolnicks Soli sind Kunstwerke, und die charismatische Stimme und Bühnenpräsenz von Chuck Billy half der Band, zu einem der bis heute größten Trash Acts zu werden.

Death Scream Bloody Gore (Combat, 1987) Niemals zuvor hat man eine solch kranke Stimme gehört wie von „Evil“ Chuck! Hör dir einfach nur den Song „Mutilation“ an, und du weißt, wovon die Rede ist. Eine Platte kann nicht intensiver sein. Ramones It’s Alive (Sire, 1979) 1,2,3,4 ! Pure Energie und Songs, die dich dein ganzes Leben lang begleiten werden. Kiss Alive II (Casablanca Records, 1977) Ein gutes Beispiel dafür, warum es so besonders ist, ein OriginalAlbum zu kaufen. Als Erstes erwecken die Gesichter auf dem Backcover deine Aufmerksamkeit — allein das von Gene Simmons reicht schon! Dann öffnest du schließlich das Klappcover und BAM! Du kannst das Feuerwerk förmlich spüren und die tobende Menge hören. Die Live-Versionen von „Love Gun“, „I Stole Your Love“ oder „Makin’ Love“ klingen sehr viel härter als die StudioVersionen. Morbid Angel Altars Of Madness (Earache, 1989) Das Eröffnungsriff zu „Immortal Rites“ wurde während der Aufnahmen versehentlich rückwärts abgespielt und klang wirklich unheilvoll. Es war ein Geniestreich, das als Intro zu verwenden. Dazu Pete Sandoval am Schlagzeug — All Killer, No Filler! Cro-Mags the Age Of Quarrel (Profile Records, 1986) Nach nur wenigen Sekunden von „We Gotta Know“ weißt du, dass dies eine der größten Hardcore /  Metal-Scheiben aller Zeiten ist. Dieses Intro bleibt unerreicht ...

Razor Shotgun Justice (Fringe Product, 1990) Wer ist die beste Thrash MetalBand aus Kanada? Exciter oder Razor? Schwierige Entscheidung, aber Razor sorgen hier für Shotgun Justice! Social Distortion Live At The Roxy (Time Bomb Recordings, 1998) Bevor sie zu einer harten CountryBand mutierten: Hier zeigen Mike Ness und die Jungs ihr Bestes. Alle Hits ... live, roh und laut. Sex Pistols Never Mind The Bollocks Here’s the sex pistols (Virgin, 1977) Eine Platte, die nicht nur die Musik, sondern auch Standpunkte revolutionierte. QUEEN LIVE KILLERS (EMI, 1979) Eine der besten Live-Bands aller Zeiten. Von heftigen Tracks („Sheer Heart Attack“) über Dancehall Swing („Dreamers’ Ball“) bis zu den großartigsten Balladen, die je geschrieben wurden („Love Of My Life“) — Queen konnten einfach alles. Freddie Mer­ curys Stimme und EntertainmentKünste bleiben unübertroffen. Aber man darf nie das innovative Gitarrenspiel von Brian May vergessen, die kraftvollen Drums und die tolle Stimme von Roger Taylor („I’m In Love With My Car“) und Mr. John Deacon am Bass („Liar“). Alle zusammen auf der Bühne — magic happened. sepultura arise (Roadrunner Records, 1991) In einer Zeit, in der viele TrashActs den Fuß vom Pedal nahmen, ließen sie ihrem brachialen Meisterwerk „Beneath The Remains“ mit „Arise“ ein weiteres folgen.


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Schiffbrüchige  SCHANZENVIERTEL 1. Berleon Schulterblatt 78 2. Buch und Ton Schulterblatt 66 3. Dark Star Records Schulterblatt 78 4. False Insight Bartelsstraße 35 5. Musik und Theater Susannenstraße 42 6. Mythos Records Schanzenstraße 81 7. Scratch Records Schanzenstraße 79 8. Vince Lombardy Highschool Records Schulterblatt 87 ST.PAULI 9. Container Records Reeperbahn 115 10. Reis Schallplatten Wohlwillstraße 20 KAROLINENVIERTEL 11. Basement Records Neuer Kamp 30 12. No Rules Marktstraße 147 13. Remember Records Feldstraße 37a 14. Yesterday Records Feldstraße 37a

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UNIVIERTEL 15. Alligator Records Grindelallee 116 16. Crime Art Grindelallee 32 17. Drugstore Rutschbahn 18. Ingo’s Plattenkiste Grindelallee 41 19. Keypoint’s Grindelallee 32 20. Lost & Found Rappstraße 2 21. Unterm Durchschnitt Durchschnitt 15 EIMSBÜTTEL 22. Musik-Antik Weidenstieg 14 23. Belle Alliance Müggenkampstraße 39 24. Cuepoint Gärtnerstraße 3 25. Feed Back Lappenbergsallee 41 26. Helga Dietrich Schwenckestraße 62 27. Oldie Record Shop Gärtnerstraße 22 28. The Roots Stellinger Weg 15 ALTONA / OTTENSEN / BAHRENFELD 29. ABS Große Bergstraße 11 30. Antiquariat Bücherwurm Ottenser Hauptstraße 60 31. Play It Again Sam Stresemannstraße 130 32. Delirium Records Gasstraße 2 33. Ping Pong Records Bahrenfelder Chaussee 15

WINTERHUDE / EPPENDORF 34. Baseline Records Sierichstraße 148 35. POP Musik und Mode Klosterallee 100 36. The Record Schenkendorfstraße 22 37. Traktor Eppendorfer Landstraße 92 38. Starpoint Lehmweg 40 INNENSTADT / NEUSTADT 39. Maybe Crazy Lange Reihe 113 40. Rocco Schallplatten Gänsemarkt 33 41. Schallplatte am Mönckebergbrunnen Spitalerstraße 22 42. The True Source/  Hip Hop Store Schauenburger Straße 4 43. Tarantula Records Pilatuspool 7 WANDSBEK 44. G-Style Wandsbeker Chaussee 172 45. Inferno Wandsbeker Chaussee Diese Liste müsste leider noch viel länger sein. Wir entschuldigen uns für all die Schiffswracks, die wir nicht an Land bringen konnten.

Nomaden

An deck geblieben

1. Back Records Wohlwillstraße 24 2. Barmbek Comics (ehemals Borgweg Records) Barmbeker Straße 13 3. Burnout Records Wohlwillstraße 27 4. Detective Records (ehemals Championship Records) Reeperbahn 115, Sternbrücke 5. Crypt Records Seilerstraße 36 6. Groove City Records Budapester Straße 44, Dammtorstraße 29 7. Otaku Records Feldstraße 45 8. Plattenrille Rutschbahn 15 9. Remedy Records Schulterblatt 78, Holstenplatz 18 10. Rekord Schanzenstraße 46 11. Slam Records Bahrenfelder Straße 98 12. Under Pressure Karolinenstraße 19 13. Zardoz Lange Reihe 52, Paul-Nevermann-Platz 1, Osterstraße 164

1. Back Records Wohlwillstraße 1 2. Borgweg Records Borgweg 5 3. Burnout Records Beim Grünen Jäger 21 4. Championship Records Susannenstraße 21 5. Checkpoint Charly Gärtnerstraße 31 6. Crypt Records Julius-Leber-Straße 20 7. Fischkopp Grabenstraße 4 8. Freiheit & Roosen Paul-Roosen-Straße 41 9. Groove City Records Marktstraße 114 10. Hanseplatte Neuer Kamp 32 11. Michelle Records Gertrudenkirchhof 10 12. Minigroove Simon-von-Utrecht-Straße 17 13. Otaku Records Bleicherstraße 3 14. Plattënkiste Gärtnerstraße 16 15. Plattenrille Grindelhof 29 16. Rekord Schulterblatt 84 17. Remedy Records Stellinger Steindamm 2 18. Ruff Trade Records Feldstraße 48 19. Selekta Records Bartelsstraße 11 Bernhard-Nocht-Straße 67 20. Slam Records Schulterblatt 104 21. Smallville Records Hein-Hoyer-Straße 56 22. Pure Soul Records Kohlhöfen 17 23. Under Pressure Schanzenstraße 10 24. Weltrecord Eppendorfer Landstraße 124 25. Zardoz Schulterblatt 36 26. Anders Hören Hudtwalckerstraße 26 27. Hanse CD Große Bleichen 36

Liste der schiffbrüchigen, nomaden und an Deck gebliebenen


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Junius Verlag GmbH Stresemannstraße 375 22761 Hamburg www.junius-verlag.de

Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei allen Platten­läden für die jahrelange Unterstützung unseres Buchprojekts!!!

© 2015 by Junius Verlag GmbH Copyrights für Fotografien: Katrin Vierkant Alle Rechte vorbehalten www.4kant.de

Unser Dank geht an Anja Lutz für das großartige Design, Anne Lüth für das tolle Cover, Maica Vierkant und Anika Heusermann für die sagenhafte Bearbeitung der Interviews, an Gesa Lange, Jens Cornils, Katharina Kandel, Alexandra Kaserbacher, Mia Löb, Marlin van Soest, Simone Kesting, Susanne Wohlfahrt für die tollen Plattencover wie auch an Markus Schäfer, Frank Egel, Fiona Hinrichs-Polzin und Robin Hinsch, Dirk Grundner, Malte „Rawkoon“ Puck, Schrottkopp, Astrid Stefans und an Hans Bohlen für seine Recherchen.

Autoren/Fotografen: Nicolas Christitch, Katrin Vierkant Grafische Gestaltung: Anja Lutz und Nicolas Christitch Layout: Nicolas Christitch und Katrin Vierkant Covergestaltung: Anne Lüth Druck und Bindung: Offizin Andersen Nexö Leipzig GmbH Printed in Germany 1. Auflage 2015 ISBN 978-3-88506-057-4

Vielen Dank für all die seelische und psychologische Unterstützung, die wir von unseren Freunden und Familien erhalten haben. Wir möchten uns auch sehr herzlich bei allen bedanken, die uns auf Nordstarter unterstützt haben, damit dieses Buch realisiert werden konnte! Dieses Buch wäre nicht ohne die schönen Momente in Hamburgs Bars, Cafés, Restaurants und Clubs zustande gekommen: Vienna, Oberhafenkantine, Freudenhaus, Anno 1905, Backbord, Deniz, Lukullus, Kiez Curry, Imbiss bei Schorsch, Lokma, Mutter, Daniela Bar, Astra-Stube, Tortuga Bar, Zum Anker, Nachthafen, Kogge, Komet, Sorgenbrecher, Zum Silbersack, Hasenschaukel, Bernsteinbar, Feldkeller Kitty + Heini, KorallBar, Kleine Freiheit No. 1, Bei Erna, Skorbut, Na Und!, Golden Pudel Club, Frau Hedi, Hafenklang, Golem, Fundbureau, Ego, Hamburger Botschaft, Uebel &  Gefährlich, Molotow, Westwerk, Kampnagel, Ernst Brendler und all die anderen schönen Orte dieser Stadt! Ein großes Dankeschön an den Junius Verlag für die tolle Zusammenarbeit: Brit Voges, Janina Hein, Steffen Herrmann.

Katrin Vierkant ist Fotografin aus Hamburg. Seit zehn Jahren lebt und arbeitet sie in Paris. Nicolas Christitch kommt aus Paris und arbeitet seit mehr als zwanzig Jahren als Journalist und Artdirector für verschiedene französische Zeitungen und Verlage. www.record-stores.net www.4kant.de


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