Thomas Henning
Schanze, 1980
Schanze, 1980
Das M on tbl an c-Neon war nicht zu üb ersehen, j e t z t re c ht s d urc h S ch an zen straß e und Weid enallee b is zum K lok sw e g . Üb e r e ine m Kel l erein gan g s tand weiß auf schwarz: Luftschut z ke l l e r. I n d e n Fe ns t e rn der Woh n u n g waren Verd unkelung srollos zu e rke nne n, d ie nie j e ma nd a b gen ommen h atte. D ie Tischlerei neb enan ve rs p ra c h L ä rm s c ho n a m f r ü h en M orgen , und in d em winzig en Haus d ane b e n w a c ht e Fra u B l o c k w a rt u n ter ein em bl ond en Haarturm. S ie machte m ic h mit d e n L o t t o g e w inne rn bekan n t, deren Wohnung frei werd en sollte. Ora ng e und g rün l e uc ht e t e n T üren u n d Rah men, d ie Tap eten in rosa und sil b e r mit g ro ße m, s e nk re c ht e m Wel l en mu ster. Die flauschig e Ausleg eware wa r e x z e l l e nt ve rk l e b t . E s gab ein paar wirk lich g ute Gründ e, hier zu w o hne n: I n d e r We id e na l l e e befan den sich „Foto Wörm er“ und d as schräg e Ta nz c a f é „ E l f rie d e s Witwen bal l “, vor d em Haus g ab es einen Park pl a t z f ür me ine H e c k f l o s s e , u n d man kon n te nicht in d ie Fenster sehen. Me ine Fre und in ha t t e e ine n H und . M it ih m u n d ein e r Nikon F erk und ete ich d ie n e ue Umg e b ung in H a mb urg 6 u n d 1 3 . Die Bil d er am erik anischer Farb fotog ra f e n w ie W il l ia m E g g l e s t o n, J oel M eyerowitz, S tep hen S hore od er Joel S te rnf e l d und d e r „ sozial d oku men tarischen Fotog rafie“ im Hinte rko p f , k nip s t e ic h St ra ße n, Gebäu de u n d deren Bewohner. D ie Menschen p o s ie rt e n b e re it w il l ig und me is t v o l l er Stol z vor meiner K amera. Viele von ihne n w a re n no c h nie in e ine r a l l tägl ich en Situation ab g elichtet word en. Das Viertel u m das S chulterb latt und vor d er St e rns c ha nz e w a r z u d ie s e r Zeit ein e u n wirtl iche Nachb arschaft. Z war sorg t e d a s G e w ürz w e rk H e rma nn L a u e in der Sch a nzenstraße für g ut aromatisie rt e L uf t , d o c h ko nnt e d e r Geru ch n ach gemahlenem Z imt, Nelken und Mus k a t nüs s e n d e n G e s t a nk , d e r i m Sommer vom b enachb arten S chlachthof he rüb e rw e ht e , nic ht üb e rd e c ke n. Schulterblatt
So ve rz o g ma n s ic h in d a s „ B ie rha us Sc hul te r bl a tt“ z u de n be i de n g a s t f re und l ic he n W it w e n und ihre n l a ut e n Pa pa ge i e n , i n da s n e u e C a fé St e nz e l o d e r in e ine d e r s e hr e inf a c he n t ür ki sc h e n Te e stu be n . D ra u ß e n z u s it z e n w a r w e g e n d e r G e ruc hs b e l ä s t ig un g u n d de n fe h l e n de n Sit z g e l e g e nhe it e n ke in The ma . E s g a b a uc h n i c h t w i r kl i c h v i e l z u gu c ke n . De r g ra ue Kie z ha t t e no c h ke ine s ic ht b a re S z e n e , a u c h w e n n di e e r ste n Küns t l e r und „ Kre a t ive n“ b e re it s in H int e rh ö fe , l e e re We r kstä tte n u n d Fa b rike n o d e r in d ie me is t s e hr he runt e rg e ko m m e n e n , u n ko m fo r ta bl e n Wo hnung e n e ing e z o g e n w a re n. Für d e re n R e n o v i e ru n g w u rde n da n n b e i Ta us e nd T ö p f e , im Sa a l d e s a l t e n Fl o ra -Th e a te r s, di e n o tw e n di ge n We rk z e ug e und Fa rb e n g e k a uf t . M it t e n a uf de r B ü h n e de s z w e c ke n tfre m de te n Va rie t é s , unt e r d e m H imme l mit d e n ve rb l a sse n de n si l be rn e n S te rn c h e n b e f a nd s ic h d ie Aus s t e l l ung mit d e n R o l l e n de r pre i sw e r te n B o de n be l ä ge – w e r e t w a s me hr We rt a uf Q ua l it ä t l e g t e , k au fte n e be n a n , i m Ha u s 73 be i d e r Firma Kumme r. De r B l ic k v o n d e r B ühn e ü be r da s Pa r ke tt z e i gte e i n unb e s c hre ib l ic he s Sa mme l s urium a us T ö p fe n u n d Ha u sh a l tsw a re n . Ta g s üb e r, a b e r nic ht w ä hre nd d e r M it t a g s z ei t z w i sc h e n 12 u n d 15 U h r, b ev ö l ke rt e n e ink a uf e nd e Fra ue n und v ie l e a l te M e n sc h e n m i t z e r fu rc h te n G e s ic ht e rn d ie St ra ße n d e s Vie rt e l s v o r ruß ge sc h w ä r z te n Fa ssa de n . I n de n k l e ine n L ä d e n g a b e s nic ht imme r s o f o rt d a s ge w ü n sc h te P ro du kt. D a fü r w a r d ie Ausw a hl a n G e s c hä f t e n g ro ß. Wurde n l e be n de A a l e ge bra u c h t, m u sste ma n o f t d a s ha l b e Dut z e nd Fis c hhä nd l e r a b kl a ppe rn , bi s m a n di e z a ppe l n de n Tie re k a uf e n ko nnt e . Auf p l a nie rt e n Trümm e r gru n dstü c ke n h a tte n K i n de r i h re Sp ie l p l ä t z e und Tre ff p unk t e , d ire k t ne b e n d e m Au to h ä n dl e r m i t de m B a ra c ke nb üro und d e m ve rs t e c k t e n Aut o ma te n l a de n i m A bbru c h h a u s, de r e ine w ic ht ig e Funk t io n e rf ül l t e : A l s e inz ig es G e sc h ä ft i m Vi e r te l h a tte e r spä t a b e nd s und in d e r Na c ht g e ö ff ne t . A m A b e nd g ing ma n ins C a f é A d l e r a m We i de n sti e g, w o e s u n te r de r D e c ke v o n g ro ße n und k l e ine n Fl ug z e ug mo d e l l e n w i m m e l te . D i e Tr i ps da z u ga b e s a m Tre s e n. M it a ng e s a g t e n O rt e n im Vie r te l w a r e s da s a l l e rdi n gs sc h o n , Beim Grünen Jäger
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bi s das C afé Vienna in d er Fettstraße eröffnete und d ie g l ä nz e nd w e iß lackierte Bar zum Salon der jungen wilden Maler und anderer moderner Mensch en wu rde. Läd en wie d as läng st verschw und e ne „ Sub it o “ und das „L u x or“ fol gten. Mit d em inzwischen ab g er is s e ne n „ Kir“ e rö ff ne t e in der M ax -Brau er-Allee d er erste Musik club , un d in e ine r a uf g e g e b e ne n Wu rs tdarmf abrik wurd en d ie Exp erimente d er O ff - O ff - A rt g e z e ig t . Die w ich tigen Partys für ausg esuchte Gäste fand en im „ A l l e s w ird g ut “ z w is c he n den Wu rs tmas chinen einer verlassenen S chlac ht e re i s t a t t . I n d e n l e e re n „ K aisers aal “ zog schließlich d ie d em New Yorke r St ud io 5 4 na c he mp f und e ne Dis co Trin ity mit ihrer b lend end en Lig htshow e in. Gegen En de der 1980er Jahre verschwand en v ie l e d e r g ra ue n Fa s s a d e n d e s S ch an zen viertel s unter heller Farb e. D ie sk ur ril e n b a ul ic he n Pro v is o rie n d e r N ach kriegs zeit wurd en ab g erissen und d ie Baul üc ke n g e s c hl o s s e n. E in M usical veran stalter zerstörte d as Bühnenhaus d e r Fl o ra , d ie R ind e r w urd e n j e tzt woan ders geschlachtet, und im Gewürzwe rk H e rma nn L a ue e x p l o d ie rt e der Kess el mit d en g em ahlenen Musk atnüssen. Aus „ E l f rie d e s W it w e nb a l l “ w urde erst ein e ang esag te Taxifahrer- K neip e und d a nn e in R e s t a ura nt . Automaten l aden und Geb rauchtwag enhänd ler w ic he n Sup e rma rk t und Tageskl in ik. I rge nd wann starb d er Hund .
Lerchenstraße
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SchanzenstraĂ&#x;e
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SchanzenstraĂ&#x;e
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SchanzenstraĂ&#x;e
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SusannenstraĂ&#x;e
BartelsstraĂ&#x;e
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Schulterblatt
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Schulterblatt
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Schulterblatt
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Schulterblatt
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StresemannstraĂ&#x;e
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HolstenstraĂ&#x;e
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LerchenstraĂ&#x;e
LerchenstraĂ&#x;e
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BernstorffstraĂ&#x;e
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MargaretenstraĂ&#x;e
Ve re i n s s t ra Ă&#x; e
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AmandastraĂ&#x;e
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AmandastraĂ&#x;e
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Kleiner Schäferkamp, Ecke Schäferstraße
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Kleiner Sch채ferkamp
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Kleiner Sch채ferkamp