Schlosstouren von Mainland bis Bellinzona

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ReisefĂźhrer durch die SchlĂśsser des Herzogtums


Einband Masolino da Panicale (in Zusammenarbeit mit Lorenzo di Pietro, genannt Vecchietta?): Berglandschaft mit Städten und Schlössern, um 1435, Detail. Castiglione Olona, Palazzo Branda Castiglioni

Dieser Schlossführer wurde veröffentlicht in Kooperation mit EFRE - Europäischer Fonds für regionale Entwicklung Chancen kennen keine Grenzen

Hauptvertreter für Italien Comune di Somma Lombardo Hauptvertreter für die Schweiz Bellinzona Turismo Projektpartner Regione Lombardia Memoria & Progetto Giroscopio, Cultura e Impresa Nexo Cattaneo Paolo Grafiche

Verlag Nexo, Mailand Wissenschaftlicher Ausschuss Memoria & Progetto Lombardia nel Rinascimento Repubblica e Cantone Ticino, Ufficio dei beni culturali Koordinierung Ornella Marcolongo, Maria Angela Previtera Redaktion Elena Isella, Daniele Viscardi Ikonografische Recherche Eva Gabrieli, Melissa Nicolini Layout Valentina Zanaboni Webmaster Rossella Savio © 2012 Nexo © 2012 Castelli del ducato

Schirmherrschaft Archivio di Stato di Milano Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana Provincia di Varese Regione Piemonte Soprintendenza Archivistica per la Lombardia Soprintendenza Archivistica per il Piemonte e la Valle d’Aosta Università degli Studi di Milano Unser herzlicher Dank geht an Letizia Arcangeli, Cristina Bertacchi, Maria Barbara Bertini, Maria Pia Bortolotti, Pinuccia Brunella, Dimitri Brunetti, Stefania Buganza, Carlo Cairati, Maria Canella, Simona Cantone, Giuseppe Chiesi, Giorgio Chittolini, Maria Nadia Covini, Isabella Fiorentini, Gaetano Galeone, Roberto Grassi, Mirella Motta, Paolo Ostinelli, Eugenio Pintore, Micaela Procaccia, Daniela Protti, Elena Puccinelli, Claudio Salsi, Maurizio Savoja, Mario Signori.

Texte von Federico Del Tredici und Edoardo Rossetti. Federico Del Tredici: Schlossrundgänge 4, 5, 6, 8, 9 und die Tafeln über die Schösser in Binasco, Somma Lombardo, Cassano Magnago, Fagnano Olona, Jerago con Orago, Albizzate, Castelletto sopra Ticino, Bellinzona, Besozzo, Novara, Galliate, Caltignaga, Fontaneto d’Agogna, Divignano, Oleggio, Vogogna, Domodossola, Giornico, Cannero Riviera. Edoardo Rossetti: Schlossrundgänge 1, 2, 3, 7, 10 und die Tafeln der Schlösser in Mailand, Cusago, Abbiategrasso, Bereguardo, Pavia, Gambolò, Vigevano, Cassolnovo, Cislago, Angera, Invorio, Massino Visconti, Azzate, Varese, Castiglione Olona, Venegono Superiore, Tradate, Orino, Induno Olona, Vico Morcote und Locarno.

Zeichnungen von Silvio Giobbio Übersetzung Jeannette Corell-Giuliano für Spaziolingue www.castellidelducato.eu


EFRE - Europäischer Fonds für regionale Entwicklung Chancen kennen keine Grenzen

SCHLOSSTOUREN von Mailand bis Bellinzona Reiseführer durch die Schlösser des Herzogtums Von Federico Del Tredici Edoardo Rossetti



Die Gemeinde Somma Lombardo, der Hauptvertreter für Italien in diesem Projekt, liegt am höchsten Punkt der Eisenbahnlinie zwischen Mailand und Domodossola. Hinter meinem Büro führt eine eckige Steintreppe, die einem römischen Turm nachempfunden ist, nach oben. Von dort schweift der Blick über die große piemontesische Ebene, die sich von den Alpen bis zum Tal des Flusses Ticino erstreckt. Dahinter beginnt die Lombardei mit der Heide von Malpensa, dem Geschenk der Natur an den Menschen, für die Eroberung seines Lebensraums. Die Heide von Malpensa war Jagd- und Landwirtschaftsgebiet, besungen von Manzoni, der den Ginster mit seinem Spazierstock streichelte, und von D’Annunzio, der sich an aufregende Ausritte in die Heide erinnerte und seiner Jagdhundemeute bewundernde Verse widmete. In diesem meinem Land erhebt sich majestätisch ein Kunstwerk, beeindruckend in der Reinheit seiner Linien, in seiner massiven Ausstrahlung als Zeugnis einer Epoche, die von blutigen Schlachten, erbarmungslosem Hass und unversöhnlicher Rivalität geprägt war. Ein dominierender Ort zwischen Mailand und dem Simplonpass: das Schloss der Markgrafen Visconti di San Vito. 1963, im Alter von 10 Jahren durchschritt ich, Hand in Hand mit meinem Vater, zum ersten Mal den Ravelin und ließ mich gefangen nehmen von dem Hof Corte degli Armigeri, aber auch von jenem poetischen Kontrapunkt, der , wenn man nach rechts zu dem Bogengang aus dem 14. Jahrhundert und nach links zu der blinden Mauer schaut, mit zwei beeindruckenden Skulpturen des Bildhauers Giancarlo Sangregorio heute mehr denn je Emotionen weckt. Man sagt, das Leben ahmt die Literatur nach. Und genau so erscheint die Geschichte dieser großen Familie mit ihrem grün-weißen Wappen mit der Schlange, die einst zwischen diesen Mauern lebte. Aber das Leben geht weiter und wandelt sich schneller als die Literatur. In einem lebendigen, dynamischen Bewusstsein, das kühner ist als jenes, dass man benötigt, um poetische Sprache zu erneuern oder eine Erzählung zu ersinnen, gründete Don Gabrio von den Markgrafen Visconti di San Vito, der letzte Nachkomme dieser adligen Dynastie, eine Stiftung, die seinen Namen trägt und heute die beeindruckende Festung verwaltet, als Ort der Geschichte und der Kultur, geöffnet für die Stadt und die ganze Welt. Die Geschichte ist unser Spiegel, unser Ausgangspunkt, ein Brunnen der Weisheit, aus dem man schöpft, um daraus zu lernen. Aus diesem Grund möchten wir mit dem Werk Die Schlösser des Herzogtums ein Kultur- und Tourismusprojekt fördern, das vom Castello Sforzesco in Mailand bis zu den Schlössern von Bellinzona führt, zu den Orten und Territorien, die einst den Visconti und Sforza gehörten. Einige dieser Orte faszinieren, weil sie heute komplett anders erscheinen, andere wiederum bezaubern, weil sie auf den ersten Blick familiär, fast heimatlich wirken. Kennen bedeutet oftmals, platonisch, Erkennen, aber der faszinierendste Weg, den wir hier aus kultureller Sicht einschlagen, ist eigentlich eine Rückkehr, eine Odyssee durch unsere eigene Geschichte. Zwischen Bellinzona, Lugano, Varese, Como und Mailand entwickelt sich heute eine einheitliche „Ticino-Stadt“, vernetzt mit Autobahnen und durchquert von den Strömen der Tages- und Saison-Pendler, Touristen und Studenten. Dieses territoriale System hat keine eigene „Regierung“, sondern vertraut auf eine Art spontane, instinktive Kooperation zwischen lokalen und nationalen Teilsystemen. Seine Existenz basiert auf der eigenen Geschichte und auf dem Bewusstsein, im Verlauf vieler Jahrhunderte Absichten, Projekte und Wahrheiten geteilt zu haben. In diesem Sinne wünsche ich dem Kultur- und Tourismus-Projekt, das uns mit unseren Schweizer Freunden vereint, eine gute Reise, im Bewusstsein, dass viele Dinge geschehen, wenn man reist. Gewissheiten, Werte, Gefühle und Erwartungen verlieren sich auf dem Weg und andere Dinge, andere Werte und Emotionen, treffen zusammen und werden unterwegs erzählt.

Guido Pietro Colombo Bürgermeister von Somma Lombardo



Als Hauptvertreterin für die Schweiz fühle ich mich geehrt, hier das Ergebnis einer intensiven Arbeit der Recherche und Zusammenstellung präsentieren zu dürfen, das sich nicht nur auf die Geschichte der einzelnen Schlösser, Paläste und Festungen beschränkt, sondern auch die Verbindungen dokumentiert, die in der Vergangenheit besonders stark waren, weil das Territorium einem einheitlichen Herzogtum unterstand. Heute trennen die Burgen Regional- und sogar Staatsgrenzen und es mag schwer sein, sich vorzustellen, dass sie einst zu ein und demselben Staat gehörten und wie das Leben zu dieser Zeit war. Andererseits scheinen es uns die bedeutenden Monumente suggerieren zu wollen. Wenn ich durch die Straßen meiner Stadt Bellinzona gehe, habe ich oft das Gefühl, in die Realität des Mittelalters einzutauchen, so als hätte sich an ihrem Grundgedanken nichts geändert und als sei die Raum-Zeit-Linie so dünn, dass man sie nicht wahrnimmt. An die Realisierung eines Schlossführers in dieser Form habe ich fest geglaubt. Wir konnten einfach nicht alles der Suggestion und Erhabenheit des künstlerischen Erbes überlassen, das uns die Herzöge von Mailand überliefert haben. Vielmehr bestand die Notwendigkeit, es in seinen Kontext einzubinden sowie die Verbindungen und Funktionen aufzuzeigen, mit denen es einst geschaffen wurde. Dieser illustrierte historische Schlossführer, der dem Leser einen Einblick in die Geschichte des Herzogtums der Visconti und Sforza und deren Festungen vermittelt, entstand im Rahmen des interregionalen Projekts Die Schlösser des Herzogtums. Auch an dieses Projekt glaube ich fest, allem voran, weil es eine Rückkehr zu den antiken Bindungen repräsentiert. Außerdem unterstütze ich es sehr, unsere Kräfte zu vereinen, um dem Publikum unser gemeinsames Erbe bekannt zu machen. Bellinzona ist auch heute noch reich an diesem historisch-geografischen Erbe aus dem Mittelalter. Dieses Erbe pulsiert hinter dem strengen Charme eines lombardischen Vorortes am Fuß der Alpen und am Kreuzpunkt zwischen der lateinischen und alemannischen Kultur, an jenem Weg, für den der Name Gotthardpass steht. Vor allem aber sind es die drei Schlösser von Bellinzona mit ihrer rauen Schönheit, die jahrhundertelange, von Römern und Langobarden, Schweizern und Mailändern geschriebene Geschichte erzählen. Dieses reiche Erbe integriert sich in einen größeren Kontext, der weitere Gebiete des Tessins und der Lombardei einbezieht, und so mit den in diesem Führer präsentierten zehn Touren das antike Herzogtum Mailand zusammenfügt. Die touristischen und thematischen Strecken zwischen den Schlössern und auf künstlerischer Ebene bedeutendsten Orten werden mit vertiefenden historischen Informationen, Meisterwerken der Kunst und detaillierten Hinweisen ergänzt, sodass jede Etappe für alle Besucher ihren ganz eigenen Charme bereithält. Dem Buch Schlosstouren von Mailand bis nach Bellinzona. Die Schlösser des Herzogtums wünsche ich viel Erfolg und hoffe, dass es bei den Lesern ein Interesse weckt, das zur Herausgabe weiterer vertiefender Ausgaben motiviert.

Flavia Marone Vorsitzende des Tourismusverbands Bellinzona e dintorni


Für die Region Piemont ist es eine große Ehre, in den Band Schlosstouren von Mailand bis Bellinzona aufgenommen worden zu sein. Dies bietet eine hervorragende Gelegenheit, die Umgebung von Novara – bekannt als „Land der Schlösser“ sowie Domodossola kennen zu lernen. Und das übergreifende Projekt Die Schlösser des Herzogtums ermöglicht die Wahrnehmung einer heute oft vergessenen Dimension und wertet das geografische Territorium über seine Regions- und Staatsgrenzen hinaus auf, in einer neuen Form kultureller und touristischer Förderung. Das auf der Identität „Schloss“ basierende Projekt zeigt die Territorien der Herzogtümer in einer neuen Dimension und fügt sie anhand der präsentierten Touren zu einem System zusammen. In dem Bestreben, den Ursprung und die tiefen Bindungen zu unterstreichen, die die einstigen Staaten der Visconti und Sforza vereinen, hebt der Schlossführer die heute noch lebendigen und an der Architektur, der Sprache, den Traditionen und der Weingastronomie erkennbaren Verbindungen hervor und beleuchtet die Gebiete so aus einem neuen Blickwinkel. Diese Veröffentlichung präsentiert nicht nur den Piemont mit seinen Schlössern in Novara, Galliate, Caltignaga, Fontaneto d’Agogna, Divignano, Oleggio, Vogogna und Domodossola, sondern bietet auch die Gelegenheit, einen Großteil des kulturellen Erbes dieser Gebiete neu zu entdecken. Dank dem Studium, der Beschreibung und der Digitalisierung der Quellen aus Archiven und Büchern wird Touristen ebenso wie Wissenschaftlern der große kulturelle Reichtum nähergebracht. In diesem Sinne wünsche ich der Initiative viel Erfolg und hoffe, dass sie der Ausgangspunkt für eine noch umfangreichere Zusammenarbeit auf kulturell-touristischer Ebene zwischen den Regionen Piemont und Lombardei sowie den Schweizer Territorien sein möge.

Michele Coppola Referent für Cultura, Regione Piemonte


Die 45 Schlösser in diesem Führer – den ich versucht wäre, eher eine Erzählung zu nennen – verteilen sich auf dem Territorium, das maßgeblich dem Westteil des antiken Herrschaftsgebiets der Visconti und Sforza entspricht. Das Gebiet bildet eine Art Dreieck zwischen Pavia im Süden und Bellinzona und Domodossola im Norden. Die Hauptstadt Mailand liegt leicht außerhalb dieses Dreiecks. Das eingeschlossene Territorium hat die typische Morphologie des Po Tals -Tief- und Hochebene, Hügellandschaft und die alpinen Berggebiete. Wie von den Autoren erwähnt, variieren je nach der lokalen Umgebung auch die Baumaterialien und das Aussehen der Schlösser. In der Ebene werden Ziegelsteine verwendet, im Hügelgebiet Kiesel und in größerer Höhe aus den Bergen gewonnene Felsblöcke. Es ändert sich also das Aussehen, während ihre Rolle und vor allem ihr Symbolgehalt immer unverändert bleiben. In der allgemeinen Vorstellung repräsentierte ein Schloss oder eine Burg den Ort einer Macht, beziehungsweise viele Jahrhunderte lang einen Ort DER Macht. Hier waren bewaffnete Männer stationiert, die ein Territorium kontrollierten, es vor externen Feinden verteidigten und für die Treue der Untertanen sorgten. Schlösser und Burgen waren aber auch die Residenzen von berühmten Familien und Herrschern mit ihrem bunten Hofgefolge. Sie waren ein wenig Kaserne und ein wenig Villa und irgendwo dazwischen schlängelte sich die Geschichte dieser Bauten durch die Jahrhunderte. Viele entstanden noch vor der Herrschaft der Visconti als reine Militärstützpunkte, wurden später zu Herrschaftspalästen umgebaut und kehrten mitunter zu ihren ursprünglichen Funktionen zurück. In der Literatur waren dämmerige Burgen, uneinnehmbare Bollwerke, starke Mauern und Türme stets die ideale Kulisse für die Darstellung von Dramen, Leidenschaften, Abenteuern, Verrat, Folter und Duellen. Abgesehen von dem mitunter wirklich hohen künstlerischen und architektonischen Wert ist es jene Identität als Schauplatz unwiederholbarer Ereignisse, die uns an Schlössern und Burgen so fasziniert. Diesem Führer gelingt es, in den Rundgängen und den Beschreibungen jenen Charme wieder aufleben zu lassen. Von jeder Burg werden die Geschichte, die architektonischen Merkmale und, sofern vorhanden, die erhaltenen Kunstwerke beschrieben, stets in einem historisch-territorialen Kontext. Dieser territoriale Kontext hat, nicht zuletzt aufgrund der enormen Verstädterung in den letzten Jahrzehnten, mitunter die Beziehung zwischen Bau und Landschaft verändert und deren ursprüngliche Harmonie gestört. Der Wert dieser Veröffentlichung besteht darin, uns bei der Wiederentdeckung zu unterstützen. Wir wünschen uns, dieses Buch in den Händen von Bürgern, Studenten und Familien zu sehen. Dieses Buch muss man auskosten, zu Hause in aller Ruhe, und sich die stets sorgfältig dokumentierten und niemals banalen Texte sowie die beeindruckenden Illustrationen auf der Zunge zergehen lassen. Dieses Buch ist aber auch ein exzellenter Begleiter für unsere Reisen durch das Territorium und – vor allem – durch die Zeit.

Valentina Aprea Referentin für Istruzione, Formazione e Cultura, Regione Lombardia


Inhalt

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Vorwort

19 26

1. Herzogliche Umzüge. Ein virtueller Rundgang zwischen dem Schloss und dem Mailänder Dom Castello Sforzesco, Mailand

39 44 48 52 54 62

2. Kanalfahrten. Die Herzöge auf den Navigli Das Schloss in Cusago, Cusago Das Schloss in Abbiategrasso, Abbiategrasso Das Schloss in Bereguardo, Bereguardo Das Visconti-Schloss in Pavia, Pavia Das Schloss in Binasco, Binasco

65 70 73 74 80 82 84

3. Mit dem Herzog auf Jagd. Herzogsresidenzen im lombardischen Nebel Das Schloss in Gambolò, Gambolò Vigevano Das Schloss der Visconti-Sforza in Vigevano, Vigevano Rocca Vecchia, Vigevano Palazzo Sanseverino, Vigevano Das Schloss in Villanova di Cassolnovo, Cassolnovo

89 98 104 106 108 110 112 114 116 122 126

4. Die Gefilde der Visconti. Eine Tour in drei Etappen Das Schloss Visconti di San Vito, Somma Lombardo Das Schloss in Cassano Magnago, Cassano Magnago Das Schloss in Fagnano Olona, Fagnano Olona Das Schloss Castelbarco Visconti, Cislago Das Schloss in Jerago, Jerago con Orago Das Schloss in Albizzate, Albizzate Das Schloss in Castelletto, Castelletto sopra Ticino Rocca Borromeo, Angera Visconti-Turm, Invorio Das Schloss der Visconti di San Vito, Massino Visconti

129 137 138 140 142

5. Vor den Toren des Herzogtums. Die Burgen von Bellinzona und der historische Ort Bellinzona Castelgrande, Bellinzona Das Schloss Montebello, Bellinzona Die Burg Sasso Corbaro, Bellinzona


145 150 152

6. Familienschlösser. Kleinadel zwischen dem Lago di Varese und dem Lago Maggiore Villa Bossi Zampolli, Azzate Die Paläste Cadario und Adamoli, Besozzo

157 162 166 172 176

7. Auf den Spuren der Castiglioni. Ein Vorort am Fluss Olona Das Schloss in Masnago, Varese, Masnago Der Ort Castiglione Olona, Castiglione Olona Das Schloss in Venegono Superiore, Venegono Superiore Das Schloss Pusterla Melzi, Tradate

179 184 188 192 194 198 200

8. Schlosslandschaft „in Bewegung“. Zwischen den Flüssen Ticino und Agogna in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Das Schloss der Visconti-Sforza in Novara, Novara Das Schloss in Galliate, Galliate Das Schloss in Caltignaga, Caltignaga Das Schloss in Fontaneto, Fontaneto d’Agogna Das Schloss in Divignano, Divignano Die Stadtmauer von Oleggio, Oleggio

203 210 213 214 216 218

9. Briefe vom Schlachtfeld. Das Ossola-Tal und Giornico Das Schloss und die Burg in Vogogna, Vogogna Domodossola Sacro Monte Calvario, Domodossola Turm und Stadtmauer, Domodossola Die Kirche Santa Maria del Castello, Giornico

223 230 232 234 238 242

10. Kontrolle über die Voralpentäler. Die Ambitionen des antiken Adels Die Burg in Orino, Orino Das Schloss der Medici di Marignano, Induno Olona Das Schloss in Morcote, Vico Morcote Das Visconti-Schloss in Locarno, Locarno Die Schlösser in Cannero, Cannero Riviera

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Nützliche Informationen

252

Bildquellenverzeichnis



Dieses Buch ist nicht der x-te Reiseführer über die Lombardei mit mehr oder weniger vollständigen Informationen über die Geschichte und Kunst der Region, sondern vielmehr ein Instrument, mit dem ein Touristen-Ausflug (auch ein intellektueller) in einen Augenblick des Wissens verwandelt wird. Die hier präsentierten Touren wurden nicht mit dem Ziel zusammengestellt, über Strecken von möglichst wenigen Kilometer möglichst viele Monumente „abzuhaken“, sondern zielen darauf ab, unser Wissen über die Vergangenheit zu bereichern. Hierzu werden Monumente in unterschiedlichem Erhaltungszustand und von unterschiedlichem ästhetischem Wert präsentiert, die jedoch in einem historischen Zusammenhang stehen, weil sie alle sichtbare und greifbare Spuren politischer Institutionen (Herzogtum und Hof, lokale Herrschaft und Lehnsgüter) und sozialer Gruppen (Hoch- und Kleinadel) repräsentieren. So erscheinen uns das Gebiet nördlich von Mailand und die Umgebung von Novara nun wieder als das „Land der Schlösser“, das sie im 15. Jahrhundert waren und das uns aufgrund unseres lückenhaften Wissens über ein Territorium, das für gewöhnlich aus der Perspektive der Wirtschaft und der politischen Ereignisse der heutigen Zeit betrachtet wird, bislang verborgen blieb. Jede Tour widmet sich vertiefend einem bestimmten Thema, zu dem ein Überblick aber auch eine präzise historische Rekonstruktion geliefert wird. Zu jeder Etappe gibt es eine Tafel mit allen historischen, technischen und künstlerischen Informationen, die benötigt werden, um den jeweiligen Bau in seinem Kontext zu verstehen. Die komplette Lektüre vermittelt ein Bild von der Geschichte des Territoriums zwischen dem Fluss Ticino und dem Lago Maggiore, wie es bislang nie veröffentlicht wurde. In diesem Territorium bewegten sich wichtige Mitglieder der lombardischen Gesellschaft (der historischen Lombardei mit Gebieten, die jetzt zum Piemont gehören, wie zum Beispiel die heutige Provinz Novara), die uns beachtliche monumentale Zeugnisse hinterlassen haben, mal besonders bedeutungsvolle wie den Komplex in Castiglione Olona, mal fast unbekannte wie die Fresken in Albizzate und Masnago oder die Überreste des Schlosses in Fontaneto. Von der Masse der bereits existierenden Reiseführer hebt sich dieses Buch – unter vielen anderen Vorzügen – ab, weil es die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Persönlichkeiten der lombardischen Renaissance wie den Lokal- oder Burgadel lenkt. Diese Kategorien waren für lange Zeit aus dem allgemeinen Bewusstsein und dem Geschichtswissen wie ausgelöscht, da man sich fast ausschließlich zum einen auf Städte, Kleinstädte, das Bürgertum oder städtische Patrizier und zum anderen auf Herzöge und Herzoginnen konzentrierte. Die umfangreich eingefügten Abbildungen präsentieren die Monumente und erleichtern das Verständnis, während die Details der Fresken, Miniaturen und Chroniken in ihrer Gegenständlichkeit und Alltäglichkeit die in den Texten analysierte Gesellschaft und Kultur widerspiegeln. Ein Beispiel hierfür ist das Kapitel über die Schlacht bei Giornico, in dem die Entwicklung eines Krieges in einem Tal an der Staatsgrenze beschrieben wird. Daher sind wir davon überzeugt, dass diese Touren die Neugier des gebildeten oder interessierten Touristen wecken und noch viel mehr: Durch die Einbindung des konkreten Teils der Monumente, der Bilder und der Abstraktion der Inhalte, auf die sich die Autoren beziehen, um diese Elemente in einen Kontext zu setzen, ermöglichen sie das Verständnis einer Geschichte, wie man es mit den kompakt gefassten Handbüchern der klassischen Schule nur schwer erlangen kann. Sie vermitteln ein Geschichtsverständnis, das die Voraussetzung für jede verantwortungsbewusste Entscheidung bezüglich der Erscheinungsformen unserer Existenz ist, von der Politik über den Umweltschutz bis hin zu den sozialen Beziehungen zwischen Personengruppen.

Letizia Arcangeli Giorgio Chittolini 13



Auch im Tessin wird dieser neue Schlossführer Erfolg haben. Ein Instrument dieses Kalibers (im Hinblick auf seine Substanz aber noch mehr im Sinne seines Verdienstes) fehlte bislang, trotz der unzähligen Broschüren, Touristenprospekten, Wocheneinlagen und Flyer, mit denen die Besucher zu den künstlerischen Zeugnissen und Monumenten im Kanton gelockt werden sollen. Diese Veröffentlichung mit ihrem originellen Aufbau auf der Grundlage kohärenter, durchdachter Entscheidungen hebt sich entschieden von dem ab, was wir diesbezüglich gewohnt sind. Dies nicht nur, weil sie Touren zu Monumente vorschlägt, die unter mehreren Gesichtspunkten miteinander in Verbindung stehen, sondern auch, weil der Leser die Möglichkeit erhält, eine historische Dimension zu erfassen, die nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist. Das Projekt basiert auf dem Bestreben, einige gleichförmige Elemente der Lombardei und des Gebietes am Ticino zu erkennen, die einen gemeinsamen Bezug zu dem Herzogtum der Visconti und Sforza haben, wobei dennoch die Vielfalt der Einflussfaktoren und lokalen Gegebenheiten berücksichtigt wird. Die Verbreitung von Schlössern und Burgen auf dem Territorium der Voralpenseen und in den Tälern der Zentralalpen entsprang einem strategischen Plan der damaligen Mächte. All diese Bauten, die von Militärfunktionären und herzoglichen Knappen geführt oder von Lehnsherren und Landadligen überwacht wurden, waren entlang der antiken Kommunikationswege über die Alpenpässe positioniert. Ihre Präsenz stand in direktem Zusammenhang mit den politischen und wirtschaftlichen Interessen, die dieses Umland des herzoglichen Staates tief prägten – und die Lektüre dieses Reiseführers ermöglicht ein uneingeschränktes Verständnis dieser Gegebenheiten. Bellinzona, Giornico, Morcote und Locarno: Anhand dieser vier Ortschaften im Tessin zeigen die Autoren die Strategien auf, die es den Herren von Mailand ermöglichten, in der Voralpenregion Festungen zu errichten oder wiederaufzubauen. Diese Auswahl von vier Zentren inmitten einer Landschaft, die fast kapillar mit Türmen, Festungen und Verteidigungssystemen übersät ist, ermöglicht die Auseinandersetzung mit den wichtigsten Monumenten und bietet gleichzeitig die Gelegenheit, den Blick weiter schweifen zu lassen und auch verschiedene territoriale Realitäten, Sozialgefüge, Ressourcen, Bauaktivitäten sowie mehr oder weniger bekannte Figuren und Persönlichkeiten zu erfassen. Die vorgeschlagenen Touren führen zu den strengen Festungen und den Herrschaftsresidenzen der herzoglichen Lehnsherren, aber auch zu Ortschaften, Kultstätten, Kunstwerken und Aussichtspunkten, die in ihrer Gesamtheit auch heute noch die Züge einer Epoche erkennen lassen, die für die Ereignisse und Entwicklungen in den Regionen der italienisch-schweizerischen Grenze von fundamentaler Bedeutung waren.

Giuseppe Chiesi Paolo Ostinelli

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Vorwort der Autoren

Eigentlich ist es unmöglich, Schlösser nicht zu lieben. Türme und Festungsmauern – womöglich ein wenig abgebröckelt, mit Moos und Gespensterlegenden – inspirieren immer die Phantasie ihrer Besucher, ganz egal welchen Alters. Sie wecken Neugier und lassen im Gedächtnis eine „romantische“ Vergangenheit mit Rittern und Schlachten, prunkvollen Festen und eleganten Damen Revue passieren. Und so überrascht es nicht, dass in vielen Regionen Italiens, aber auch in ganz Europa, Schlösser und Burgen beliebte und berühmte Ziele sind, Attraktionen höchster Priorität für die Programme des Massentourismus. Um ein „schönes Schloss“ zu besichtigen, muss man sich für gewöhnlich nicht weit vom Wohnort entfernen. In Italien warten viele Burgen und Festungen auf einen Besuch. Mitunter sind sie nur wenig bekannt oder ruhen halb verborgen unter späteren Bauten. In manchen Fällen ist es hinreichend, in eine Nebenstraße einzubiegen, in anderen muss man die Geduld haben, das suchende Auge zu schulen, um unter modernen Gebäuden die Spuren einer nicht selten überraschenden Vergangenheit zu entdecken. Dieser Schlossführer möchte ihnen in diesem Sinne behilflich sein. Er bietet dem Besucher nützliche Informationen und Instrumente, die es ihm ermöglichen, sich mit dem Panorama der Schlösser und Burgen in dem weitreichenden Gebiet zwischen Mailand, der Umgebung von Novara und dem Kanton Tessin vertraut zu machen. Auf diesem Territorium, das heute von Regional- und Staatsgrenzen durchzogen ist, aber in der Vergangenheit unter der Herrschaft der Herzöge von Mailand stand, gibt es eine Reihe mehr oder weniger berühmter Residenzen: von den großen Schlössern der Herzöge auf der oberen lombardischen Ebene über die herrschaftlichen Burgen (später oft zu Villen umgebaut) auf den Hügeln bis hin zu den Festungen zur Verteidigung der Täler, Alpenpässe und wichtigen Handelsstraßen. Proportional zur Veränderung der territorialen Morphologie (Ebene, Hügel, Gebirge) wandelt sich auch das Aussehen der Bauten. Die Burgen und Befestigungen in Gebirgslage sind aus dem gleichen harten Fels gebaut wie dem, auf dem sie stehen. In der Hügellandschaft bestehen die Mauern der aus Flusssteinen und in der großen Ebene wiegen Gemäuer aus lombardischen Ziegeln vor. Eventuelle Marmoreinlagen, die man sehr selten und nur an den Herzogspalästen findet, verraten auch dem heutigen Besucher noch das größere Prestige dieser Bauten. Aber auch die Formen sind unterschiedlich: In der Ebene finden wir großzügige vierekkige Grundrisse mit Türmen, während in höheren Lagen bis zur Voralpenregion gewundene und gewagte Konstruktionen zu sehen sind, die sich der Bodenform anpassen. Die Innendekorationen dieser Residenzen beschränken sich in den meisten Fällen auf Überreste und Fragmente. Daher wird versucht, das einstige Bild zumindest teilweise mit Worten wiederaufleben zu lassen. Größere bemalte Flächen findet man jedoch noch in den an die Burgen angrenzenden Kirchen. Zu den bedeutendsten Bauten des hier beschriebenen Gebiets finden Sie separate Infotafeln mit Angaben über die Eigentümer und die Geschichte des jeweiligen Komplexes, dessen Funktionen und eventuelle Umbauten. Mit den Kapiteln zu spezifischen Themen wie den Freizeitaktivitäten der Herzöge, der Politik der großen Adelsfamilien, der Bedeutung des Lokaladels und anderen haben wir hingegen versucht, die Festungen für einen Augenblick ihrer „Einsamkeit“ zu entziehen. Zusammenfassend gesagt, haben wir uns die Aufgabe gestellt, die Ereignisse aller Burgen und Residenzen in den historischen Kontext des Herzogtums der Visconti und Sforza einzubinden, da die meisten dieser Komplexe in dieser Epoche entstanden sind oder ihre größte Blütezeit hatten. Über Gespenster wird hingegen nicht berichtet. Die hier beschriebenen Ereignisse sind gewiss weniger spannend und auch etwas schwieriger. Sie betreffen die Gründung eines „modernen“ Staates, die Etablierung neuer Herzogsdynastien, die Kontrolle der Staatsgrenzen durch die Zentralmacht oder die Versuche, sich eben jener Kontrolle zu entziehen. In diesen prosaischen Geschichten kann der Leser jedoch weiter versuchen – zumindest hoffen wir dies, weil es wichtiger als alles andere ist, um Gesehenes schön und interessant zu finden – zu verstehen. 17



SCHLOSSRUNDGANG 1

Herzogliche Umzüge Ein virtueller Rundgang zwischen dem Schloss und dem Mailänder Dom MAILAND

Giovan Pietro Birago: Der Triumph des Massimiliano Sforza, Codice Trivulziano 2167, um 1496-1499. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana

Am 23. und 24. April feierte man in Mailand das Fest des Heiligen Georg. Zu diesem Anlass, ganz besonders während der Herrschaft des Herzogs Galeazzo Maria Sforza (1466-1476), war die Stadt von den herzoglichen Milizen bevölkert, die im Schlosspark – dem heutigen Parco Sempione – stationiert waren und auf dem Platz vor dem Stadttor Porta Giovia (Piazza Castello-Foro Bonaparte) zu Turnieren und Tjosten antraten. Anschließend schritten der Herzog und sein Gefolge in einer feierlichen Prozession, ganz in Bordeaux und Weiß gekleidet und einer festen Rangordnung folgend, zum Altar des Heiligen Georg im Mailänder Dom. Die herzogliche Prozession zog vom Schloss über den Platz in die Contrada del Maino (heutige Via Camperio), von dort in die Contrada die Meravigli auf die Cordusio und schließlich über die Contrada Pessina und die Contrada degli Orefici bis zum Domplatz. Diese Strecke möchten wir Ihnen hier präsentieren, wenn auch aufgrund der städtebaulichen Veränderungen auf eher virtuelle Weise. Mit dem Bau des Schlosses an der Porta Giovia und nachdem Herzog Filippo Maria Visconti (1412-1447) die Festung zu seinem dauerhaften Wohnsitz gewählt hatte, wurde dieser Stadtteil zwischen Cordusio und den Stadttoren Vercellina (Magenta) und Comasina (Garibaldi) radikalen Änderungen unterzogen. Hofräte, Waffenmeister und Gefolgsleute ließen sich zunehmend in der unmittelbaren Umgebung des Schlosses nieder und der Bezirk war von Sonderregelungen geschützt, die Fremden und Pestkranken den Zugang verwehrten. Der kleine Vorplatz des Schlosses der Visconti war von den eleganten Wohnhäusern der treuesten herzoglichen Oberhofmeistern (Oldrado Lampugnani, Andrea Birago und Francesco Landriani) gesäumt. Hinter dem Garten der Residenz von Gaspare Visconti, Graf von Arona, wo sich heute die Via Puccinio befindet, gab es ein Gebäude, in dem der Herzog Leoparden hielt. Diese exotischen Tiere, die damals wirken mussten, als seien sie mittelalterlichen Almanachen entsprungen, streiften auch durch den Park hinter dem Schloss. Auf dem Platz vor dem Haus von Giacomo Visconti (etwa dort, wo sich heute das Teatro Dal Verme befindet), bildete der Fluss ein breites Becken, an dem für die Hofleute Boote anlegen konnten. Während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts veränderte sich der von Filippo Maria und seinem Hof abgegrenzte Stadtteil nicht erheblich. Nach der Machtübernahme der Sforza wurde das Schloss von dem neuen Herzog (1450-1466) neu aufgebaut, während in den eleganten Bauten an den Straßen Contrada Del Maino, Dei Cusani und San Giovanni sul Muro lediglich die Eigentümer wechselten: Im Palazzo des Kardinals Branda Castiglioni ließ sich der kalabrische Hofrat Angelo Simonetta nieder, schon bald gefolgt von all seinen Verwandten – unter anderen dem mächtigen Hofsekretär Cicco – die in die umliegenden Häuser zogen. Roberto Sanseverino aus Neapel, Graf von Cajazzo und Neffe von Francesco Sforza, ließ sich hingegen direkt am Platz nieder. All diese Persönlichkeiten und Mitglieder des Hofes der Sforza verschönten die Residenzen während ihres Aufenthalts zusätzlich. Bianca Maria Viscon19


HERZOGLICHE UMZÜGE

ti wohnte weiterhin in dem alten Palazzo der Visconti am Dom, hielt sich aber häufig in den Residenzen ihrer Freunde und Verwandten (Visconti, Gallarati und Del Maino) an der Porta Vercellina auf. Nachdem Herzog Galeazzo Maria im Jahr 1467 seinen Wohnsitz in das Schloss an der Porta Giovia verlegte, ließen sich in dem Viertel zunehmend sie berühmten Hofsänger nieder, die der Herr von Mailand sehr schätzte. Die Grafen Torelli wurden vertrieben und ihr Wohnhaus wurde der Mätresse von Herzog Sforza, Lucia Marliani, übergeben. Die umfangreichsten städtebaulichen Veränderungen im Stadtteil wurden erst während der Herrschaft von Ludovico Sforza (14801494), genannt „Il Moro“ (Der Dunkle), vorgenommen. Im Jahr 1492, als die Planungen für den Platz von Vigevano bereits in vollem Gange waren, befahl der Herzog den Abriss der Häuser, die den Schlossvorplatz säumten. Er wollte das unförmige Gesamtbild korrigieren und den Platz mit gleichartigen Bauten umgeben. Zur gleichen Zeit wurde die Residenz von Francesco Landriani beschlagnahmt und dem herzoglichen Sekretär Marchesino Stanga zum Geschenk gemacht. Dieser junge und sehr reiche Mann aus Cremona war 10 Jahre als „Kulturminister“ für die Baupolitik der Sforza zuständig. Das Haus des Sekretärs wurde anschließend zum schönsten Gebäude Mailands: Die Zimmer und Loggien waren mit römischen Motiven des

Ansicht von Mailand, Ende des 15. Jahrhunderts. Mailand, Kloster Chiaravalle, Kapitelsaal. Rechts ist das Castello Sforzesco und in der Mitte der im Bau befindliche Dom erkennbar

Der Schlosspark und seine Umgebung Giovanni Battista Clarici: Umgebungskarte Mailand, 1600-1682, Detail. Mailand, Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli

Der antike Park des Herzogspalastes war in unmittelbarer Schlossnähe als Garten angelegt, während sich im weiteren Umkreis einerseits Bauernhöfe mit bebauten Feldern und andererseits ein beforstetes Jagdgebiet befanden. Der Park hatte eine beachtliche Ausdehnung und erstreckte sich nach Nordosten mit einem Außenumfang von über 15 Kilometern. Der eigentliche Garten hingegen war zwischen dem Schloss und dem Cassino in einem Umfang von nur

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5 Kilometern mit einer rund 2,5 Meter hohen Backsteinmauer mit acht Toren umfriedet. Dem sei vergleichsweise angemerkt, dass die ganze befestigte Stadt Mailand von damals einen Umfang von 7 Kilometern und der Redefosso (ein künstlich angelegter Kanal) die Stadt und ihre Viertel über einen Umfang von rund 12 Kilometern umfloss. Im Süden grenzte der Garten an den Gebäudekomplex der Kirche Santa Maria delle Grazie und, an einem nahen Ort, der sich heute nicht mehr mit Genauigkeit definieren lässt (möglicherweise dort, wo sich die heutige U-Bahnstation Pagano befindet), erhob sich das „Juwel des Cassino“: Eine Villa mit Fischteichen, Pavillons, Labyrinthen und langen Laubengängen, die der Zerstreuung der Herzoginnen diente. Im Norden erstreckte sich der Park über Portello hinaus bis nach Villapizzone und der Kartause zu Garegnano. Östlich grenzte er an die großen Vororte Sant’Anna (Largo Foppa, Via della Moscova) und Ortolani (Corso Sempione: Via Peschiera, Via Cagnola).


SCHLOSSRUNDGANG 1

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HERZOGLICHE UMZÜGE

Leonardo da Vinci: Entwurf für das Bühnenbild der Danaë von Baldassarre Taccone, 1496. New York, The Metropolitan Museum of Art

Malers Bramantino dekoriert und die Türen und Kamine schmückten Werke der Bildhauerwerkstatt Cristoforo Romano (die zur gleichen Zeit in der Kartause von Pavia den monumentalen Sarkophag für Gian Galeazzo Visconti vollendete). Von den mit grünem Marmor dekorierten doppelbogigen Fenstern an der Fassade des Palazzo verfolgte der Hofstaat die Tjosten und Wettkämpfe auf dem Platz. Gegenüber dem Palazzo von Marchesino ließ Ludovico den antiken Gebäudekomplex der Visconti abreißen und den Kornspeicher Broletto Nuovissimo errichten. Neben dem Haus des Stanga ließ sich der Graf von Cajazzo, Giovanni Francesco Sanseverino (Sohn von Roberto), nieder. Hier setzte Leonardo Da Vinci die Danaë von Baldassarre Taccone mit verblüffenden Spezialeffekten in Szene. Während dieser Zeit erwartete Leonardo ferner das Projekt für eine Reiterskulptur von Francesco Sforza, die auf dem neuen Platz aufgestellt werden sollte. Die Arbeiten an dem Monument wurden unterbrochen, als der Herzog im Jahr 1495 die hierfür vorgesehene Bronze seinem Schwiegervater Ercole d’Este überließ, der hieraus Kanonen goss. Im April 1500 zerstörten die Gascogner das im Hof aufgestellte Tonmodell des Denkmals, woraufhin das Projekt endgültig aufgegeben wurde. Im Jahr 1494, in Vorbereitung der Hochzeit von Bianca Maria Sforza mit Kaiser Maximilian von Habsburg, wurden alle Straßen rund um das Schloss erneuert. Auf der Strecke, auf der der Hochzeitszug die Braut zum Dom begleiten sollte, wurden alle typisch mittelalterlichen Holzvorbauten wie überdachte Dachterrassen, Kreuzund Laubengänge entfernt, die Dachtraufen auf eine gleichförmige Höhe gebracht und die Fassaden nicht nur geweißt, sondern auch mit historischen und mythologischen Motiven bemalt. Der Brautzug war außerordentlich feierlich und dort, wo die Fresken nicht vollendet waren, wurden die Fassaden mit kostbaren Bildteppichen verdeckt. Ein besonders faszinierender Ort muss die Ecke zwischen Contrada del Maino (heutige Via Camperio) und der Strada die Meravigli gewesen sein. Hier war der Palast von Ambrogio del Maino, Cousin der Braut und der Herzöge, zu diesem Anlass komplett neu gestaltet worden. Die frisch gestrichene Fassade und das neue Marmorportal (nicht erhalten) erstrahlten in der engen Via Camperio in ganz besonderem Prunk. Kurz hinter der Kreuzung mit der Via Meravigli (in Richtung Via Magenta), dort, wo sich heute ein 22

Leonardo da Vinci: Skizze für das Sforza-Denkmal, 1488. Windsor, The Royal Collection


SCHLOSSRUNDGANG 1

Giovanni Ambrogio De’ Predis: Bianca Maria Sforza, um 1493. Washington, National Gallery of Art

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HERZOGLICHE UMZÜGE

graues Gebäude aus der Nachkriegszeit erhebt, hatte Pietro Gallarati, ein weiterer Verwandter der Herzöge, die Fassade seines Palastes mit Fresken bemalen lassen, die Szenen aus der Römischen Antike darstellten. Realisiert wurden die Fresken von dem Maler Troso da Lodi aus Monza mit Effekten, die man heute ohne zu zögern als 3D definieren würde. Die Perspektiven der Motive schufen die beeindruckende Illusion, als würden die Figuren prunkvoller kaiserlicher Festumzüge mit ihren Rüstungen aus der Fassade heraustreten und die Köpfe der Gehäupteten auf die Straße rollen. Weiter vorn, hinter dem Cordusio, stellten die Juweliere und Waffenbauer ihre kostbaren Waren aus, dank denen Mailand in ganz Europa berühmt war. Heute kann man auf dem Weg durch diese Straßen und über diese Plätze die Atmosphäre des Mailands der Sforza leider nur noch in der eigenen Vorstellung aufleben lassen. Das einzige erhaltene Beispiel der prunkvollen Paläste, die das Schloss mit der Stadt verbanden, ist das Piccolo Teatro in der Via Rovello 2. Mit der jüngst abgeschlossenen Restaurierung wurde dem Stadtbild hiermit ein seltener Akzent mit dem Flair des 15. Jahrhunderts zurückgeschenkt. Das Haus zählte zu den begehrtesten Mailands. Es war zuerst Eigentum des Grafen Francesco Bussoni und wurde dann Graf Pietro dal Verme vererbt. Nach dem Tod des Grafen reservierte der Herzog das Gebäude Cesare Sforza, seinem Sohn aus der Beziehung mit der berühmten Cecilia Gallerani, allgemein bekannt als die Dame mit dem Hermelin von Leonardo da Vinci. Zwischen 1491 und 1499 wurde der Palast umgebaut, aber nie vollendet. Der Haupteingang befand sich an der schmalen Via Rovello, die zu jener Zeit wesentlich enger war als sie heute, nach der Öffnung zu der breiten Via Dante aus dem 19. Jahrhundert, wirkt. Der schöne Eingangshof, der wie das Atrium eines römischen Herrenhauses angelegt ist, war mit einfarbigen Freskenmalereien dekoriert, die die Heldentaten des Francesco Sforza darstellten. Diese Fresken sind heute leider nicht mehr erhalten. Geblieben ist von der prunkvollen Dekoration nur noch der kleine Kopf einer Harpye, die zum Fries des großen Saals im Erdgeschoss gehörte. Atelieri Bramantino: Fries mit Harpyen, um 1502. Mailand, Piccolo Teatro

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SCHLOSSRUNDGANG 1

La Gualtiera

Fassade der Villa Simonetta, Mailand

Etwa 3 Kilometer vom Schloss entfernt befindet sich in der Via Stilicone 36 die einzige erhaltene der Villen, die an der Porta Vercellina (Magenta), aber auch außerhalb der Stadttore, vor der Porta Comasina, den herzoglichen Schlosspark säumten. Der ursprünglich La Gualtiera genannte Bau heißt heute Villa Simonetta. Die Landhäuser mit Blumen- und Obstgärten, die einst den Familien Bentivoglio, Cagnola, Pusterla, Rusca und Visconti di Somma gehörten, erstreckten sich über die gesamte grüne Landschaft nördlich von Mailand. Die heutige Villa Simonetta ist das Ergebnis eines Umbaus, mit dem der Gouverneur Ferrante Gonzaga im 16. Jahrhundert das ursprünglich kleinere Landhaus erweiterte. Die Gärten sind nicht mehr erhalten und von den Loggien fällt der Blick auf eine Bahnstation und die Brücke

Ghisolfa. Einige Kapitelle und die Kapelle zeigen jedoch noch schöne Spuren der ursprünglichen Dekorationen aus dem 15. Jahrhundert: In der Kapelle malte Bernardo Zenale eine Kreuzabnahme voller Pathos, die jedoch heute nur noch schemenhaft erkennbar ist. Auftraggeber für die Freske war Gualtiero Bascapè (gestorben 1508), Zollrichter und treuer Höfling von Ludovico „Il Moro“. Nach dem politischen Verfall der Jahre 14991500 litt Gualtiero unter einer tiefen Religionskrise, verließ seinen Palast am Schlossvorplatz und zog sich (nachdem er nach den Beschlagnahmungen durch die Franzosen seine Eigentümer zurückerhalten hatte) in die Villa zurück. Hier verbrachte er gemeinsam mit seinem spirituellen Meister Andrea Ferrari seine letzten Lebensjahre mit dem Studium heiliger Schriften.

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CASTELLO SFORZESCO

CASTELLO DI PORTA GIOVIA GEMEINDE: Mailand TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: Vollständig mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum, Bibliothek und Galerie

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Der erste befestigte Bau an dem antiken Stadttor Porta Giovia wurde wahrscheinlich 1368 von da Galeazzo II Visconti (1354-1378) errichtet. Der Herr von Mailand lebte jedoch weiterhin in seiner prunkvollen Residenz in Pavia und überließ die Hauptstadt seinem Bruder Bernabò, der in dem großen Palast an der Porta Romana wohnte. Gian Galeazzo Visconti war als Nachfolger seines Vaters Galeazzo II (1378) der erste Herzog von Mailand (1395-1402), der ab 1392 umfangreiche Bauarbeiten im Außenbereich der Stadtmauern veranlasste, an einem Abschnitt, der schon damals „Zardinum“ (Garten) genannt wurde. Erst Herzog Visconti begann, dauerhaft im Schloss zu wohnen. Nach der kurzen und relativ unbedeutenden Herrschaft des jungen und glücklosen Herzogs Giovanni Maria (1402-1412), der vor der Kirche San Gottardo in Corte ermordet wurde, veranlasste Filippo Maria umfangreiche Bauarbeiten, mit denen das Areal für einen großen, als Herzogsresidenz angemessenen Komplex definiert wurde. Nach dem Tod von Filippo Maria (1447) stürzte das Herzogtum in eine tiefe institutionelle Krise, da der Herzog keine legitimen männlichen Nachkommen hatte. Während in dem warmen Sommer des Jahres 1447 der Körper des toten Herzogs im Schloss verweste, plünderten Bedienstete und Höflinge die Säle und den herzoglichen Schatz. Nach kurzer Zeit riefen einige bedeutende Persönlichkeiten der Stadt Mailand die Ambrosianische Republik aus (1447-1449) und nun wurden die Häuser der Höflinge und Soldaten geplündert, die sich in unmittelbarer Nähe des Schlosses befanden. Der zur Stadt weisende, älteste Teil der Festung wurde abgerissen und an seiner Stelle eine Art Stadt-Hostel errichtet, wo man kostenlos Brot an Arme ausgab. Der große Schlosspark wurde an den Grafen Vitaliano Borromeo vermietet und von diesem landwirtschaftlich genutzt. Nach einem siegreichen Feldzug fielen nacheinander alle Städte, die früher


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C

bereits unter der Herrschaft der Visconti standen. In den ersten Märztagen des Jahres 1450 zog Francesco Sforza, verheiratet seit 1441 mit Bianca Maria Visconti (uneheliche Tochter von Filippo Maria und der Adligen Agnese del Maino), in Mailand ein und wurde zum Herzog gekrönt, nachdem er unter anderem das offizielle Versprechen abgegeben hatte, das Schloss an der Porta Giovia nicht neu zu errichten. Nach Beilegung der Proteste eines Teils der Bevölkerung begann er jedoch bereits 1451 mit Restaurierungsarbeiten und Umbauten, die ab 1452 noch intensiver fortgesetzt wurden, nachdem auf dem Schloss wieder ein Burgherr und eine bewaffnete Garnison eingesetzt worden waren. Der Hof von Francesco und Bianca Maria wurde im Palazzo dell‘Arengo, dem antiken Palast der Visconti in der Nähe des im Bau befindlichen Doms, eingerichtet, aber der Herzog, die Hofräte und die Hofadligen begannen, erneut den Schlosspark zu nutzen und sich, wenn auch nicht direkt

im Schloss, so jedoch in den komfortablen Villen des Visconti-Adels in dessen unmittelbarer Umgebung niederzulassen. Die Umbauten realisierten der florentinische Architekt Antonio Averulino (genannt „Filarete“, die Ingenieure Bartolomeo Gadio aus Cremona und Benedetto Ferrini aus der Toskana, unterstützt von unzähligen Maurermeistern und Militär-Ingenieuren, die auf dem Vorplatz angeheuert wurden oder aus der zahlreich verfügbaren Arbeiterschar aus Mittelitalien stammten, die Francesco da Cotignola (Der Sforza) auf dessen Militärzügen gefolgt waren. Nach dem Tod von Francesco Sforza (1466) schlugen die Versuche Bianca Maria Viscontis, auf die Regierung ihres Sohnes Galeazzo Maria Einfluss zu nehmen, fehl, da dieser von der Politik des Herzogs enttäuscht war und sich von seiner Mutter und dem mächtigen Gefolge der Verwandten und Familienfreunde distanzierte. Infolge dieses Bruchs zog sich der junge Herzog im Jahr 1467 mit

Gesamtansicht des Castello Sforzesco in Mailand mit dem Dom im Hintergrund

Francesco Galli (genannt Francesco Napoletano): Madonna mit Kind (Madonna Lia), um 1495, Detail mit dem Castello Sforzesco. Mailand, Pinacoteca del Castello Sforzesco 27

G T D E H B


Die Kapelle von Galeazzo Maria Das Heiligtum in Mailand war nicht so prunkvoll wie die (leider zerstörte) Kapelle von Pavia, ist aber dennoch ein seltenes Zeugnis der Initiativen des fünften Herzogs. Die Kapelle (heute Saal XII des Museums für Antike Kunst) mit Fresken der Meister Giacomino Vismara, Stefano de Fedeli, Bonifacio Bembo und deren Gehilfen war zentral in das herzogliche Apartment, zwischen dem Privatgemach des Herzogs (Saal XI) und dem „Portico dell’Elefante“ eingebettet. Ein durchbrochener Lettner trennte sie von dem großen irdischen Saal, für den sie den idealen Hintergrund bildete. Die Prozession der Heiligen vor dem Hintergrund aus Blattgold auf geometrischen, modularen Stuckdekorationen, in deren Mitte das Emblem der Visconti abgebildet ist, war von dem Beichtvater des Herzogs sorgfältig entworfen worden, ohne auch nur einen der Schutzpatrone der Dynastien Visconti Sforza auszulassen. Für die Deckenfreske, die die Auferstehung darstellt, hatte der toskanische Architekt Benedetto Ferrini eine Ikono-

grafie aus Florenz mitgebracht und den Malern als Vorlage gegeben. Im Schloss gab es mehrere Kapellen. Im Obergeschoss, hinter dem Grünen Saal, befand sich ein identischer Altar (heute Saal XVI der Möbelsammlung) und in der Kapelle San Donato im gegenüberliegenden Flügel (Saal III des Museums für Antike Kunst) war in den gleichen Jahren eine weitere Auferstehung realisiert worden (die Deckenfreske zeigt hier einen weiten Sternenhimmel, gesäumt von einer beeindruckenden Berglandschaft). Am Uhr-Turm hatte der mächtige Wachhauptmann Ambrogino da Longhignana ähnlich wie in der Kapelle San Donato ein weiteres Heiligtum errichten lassen, das mit Fresken von Pietro Marchesi und Vincenzo Pestegala dekoriert war (in geringem Umfang erhalten)

einem kleinen Gefolge aus Höflingen, Hofräten und Mitarbeitern ins Schloss zurück. Den ersten, improvisierten Restaurierungsarbeiten, die veranlasst worden waren, um die Festung als Herzogsresidenz anzupassen, folgten zwei Umbauzyklen, die der Herzog persönlich leitete. In der zweiten Restaurierungsphase (1471-1474) wurden die herzoglichen Gemächer vollständig neu dekoriert und man hatte bereits die Idee, auf dem Vorplatz ein Reiterdenkmal zu errichten, das Francesco Sforza darstellen sollte. Am 26. Dezember 1476 wurde Herzog Galeazzo nahe der Kirche Santo Stefano in Brolo ermordet. Während der ruhelosen Regierungszeit hatten sich Bona von Savoyen und der erste Sekretär Cicco Simonetta, unterstützt von Ludovico Gonzaga, Markgraf von Mantua, bereits für einen Ausbau der Befestigungen ausgesprochen. Als Herzogin Bona nach etwa zwei Jahren Familien28

Lombardischer Maler: Antikes Portrait, 1473, Detail. Mailand, Castello Sforzesco, Ostwand der Herzogskapelle

streits und heftigen Kontrasten Ludovico „Il Moro“ ins Schloss zurückrief (September 1479), wurde Cicco Simonetta, der seit 40 Jahren die Kanzlei der Sforza leitete und die Regierungspraxis steuerte, verhaftet und am 30. Oktober 1480 im Schloss von Pavia enthauptet. An seiner Stelle wurde der Sekretär der Herzogin Bartolomeo Calco eingesetzt, während das Schloss dem Burgherren Filippo Eustachi aus Pavia sowie die Garnison dem mächtigen Hauptmann Ambrogino da Longhignana unterstellt wurde. Eustachi, Ludovico „Il Moro“ und der adlige Pallavicino Pallavicini bildeten einen Regierungsrat, entmachteten Bona (die in das Schloss von Abbiategrasso verbannt wurde) und regierten während der 1480er Jahre das Herzogtum vom Schloss aus. Nach einer fehlgeschlagenen Verschwörung des Burgherren Eustachi unter Beihilfe seines Schwagers, dem persönlichen


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Sekretär des „Moro“, Aloisio Terzaghi, bildete der Herzog mit Hilfe einer Gruppe junger, vertrauenswürdiger Bediensteter und Sekretäre eine Art Schattenregierung, die im Namen des Neffen Gian Galeazzo Maria Sforza (1476-1494) die Staatsgeschäfte eigenständig abwikkelte. Während die Politik des „Moro“ immer untragbarer wurde, war das Schloss Schauplatz prunkvoller Hochzeiten, der des jungen Herzogs mit dessen Cousine Isabella von Aragón, der zwischen Ludovico „Il Moro“ und Beatrice d’Este sowie der von Alfonso d’Este mit Anna Sforza. Im Jahr 1494 erlangte Ludovico Maria Sforza die ersehnte kaiserliche Investitur für das Herzogtum Mailand und dank dem willkommenen Tod von Gian Galeazzo gelang ihm der letzte entscheidende Zug für den Aufstieg zum herzoglichen Thron. Die Verheiratung von Bianca Maria Sforza mit dem Kaiser, bei einer Mitgift unglaublichen 300.000 Dukaten (vergleichbar mit einem „Schmiergeld“ für die Ernennung zum Herzog), die Krönungsfeier für Ludovico (26. Mai 1495) und die Gastfreundschaft gegenüber König Karl VIII

von Frankreich (dem er 1495 Zutritt zum Herzogtum gewährte, um den Feldzug gegen die verwandten von Aragón zu ermöglichen) boten weitere Gelegenheiten, dem Wunsch nach Luxus freien Lauf zu lassen und in der unmittelbaren Umgebung des Schlosses das gesamte Stadtbild zu erneuern. Im Jahr 1497 starb die junge Herzogin Beatrice d’Este an ihrer dritten Entbindung. Der gesamte Hof verfiel in tiefe Trauer und über dem Herzogtum zogen

Fassaden von Mailänder Häusern aus dem 15. Jahrhundert am Waffenplatz des Castello Sforzesco, Mailand

Waffenplatz des Castello Sforzesco. Rechts der BonaTurm und die Fassade der Rocchetta ohne Öffnungen

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sich dunkle Wolken zusammen. Die Kosten der kaiserlichen Hochzeit von 1494 hatten die Finanzen erschöpft und um neue Mittel zu beschaffen, wurden die staatlichen Einnahmen an Privatpersonen verkauft. Ein Teil der lombardischen Aristokratie missbilligte die verschwenderische Politik, die Entmachtung staatlicher Institutionen und die Macht, die den Günstlingen des „Moro“ gewährt wurde. Im April 1498, nach dem Tod von König Karl VIII, bestieg den Thron von Frankreich der junge und ehrgeizige Ludwig von Orléans (Ludwig XII). Aufgrund seiner Abstammung von Valentina Visconti (eheliche Tochter des Herzogs Gian Galeazzo) verfügte der neue König über Rechte auf das Herzog-

tum Mailand. So geriet es aufgrund der Alleanz zwischen Frankreich und der Republik Venedig sowie des gleichgültigen Schweigens vonseiten des Kaisers und der anderen italienischen Mächtigen in eine Zwangslage. Im August 1499 war das Klima am Schloss konfliktgeladen. Nach dem Verlust der Hochburg Alessandria, kurz vor der venetischen Invasion in die Ghiera d’Adda und die Gebiete um Cremona sowie nach der Ermordung des mächtigen Schatzmeisters Antonio Landriani begehrten viele Mailänder auf und plünderten die Häuser der Hofadligen und Günstlinge rund um das Schloss und im Viertel Delle Grazie. Am 2. September verließ der Herzog das Schloss und begab sich auf die Reise zum

„Die Zimmer zum Garten“ und der Turmsaal Nach der offiziellen Krönung von Ludovico „Il Moro“ zum Herzog von Mailand wurde im Schloss ein Restaurierungsund Dekorationszyklus eingeleitet. Man vervollständigte die zu den herzoglichen Gemächern weisende Seite der Rocchetta, aber die umfangreichsten Umbauten betrafen hauptsächlich die Räume im Erdgeschoss am Herzogshof, in denen schon Gian Galeazzo und Isabella gewohnt hatten. Im Jahr 1495 wurde der alte Übergang („piancheta“) erweitert, der die herzoglichen Gemächer mit dem italienischen Garten (zwischen dem Schloss und der Schutzmauer) verband. Es wurden eine Loggia und drei Kammern (heute Säle IX und X des Museums für Antike Kunst) errichtet, die mit dem Turmsaal verbunden waren. Möglicherweise im gleichen Jahr wurde auch damit begonnen, einen der kleinen Räume mit Motiven aus der Römischen Antike zu dekorieren. Im Sommer 1496 beklagte sich Ludovico „Il Moro“ über den Maler, der „sich wegen eines Skandals absentiert“ hatte und versuchte 7 Jahre bevor seine Schwägerin Isabella D’Este hier ein kleines eigenes Zimmer einrichtete, für die Vervollkommnung der Dekorationen den Meister Perugino zu gewinnen. Nach dem Tod der Herzogin wurde das Dekorationspro-

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jekt geändert und man plante den „Saleta negra“ Als eine Art geweihte Stätte zum Gedenken an die verstorbene Beatrice. In diesen Räumen arbeitete möglicherweise auch Leonardo Da Vinci, der ab dem Frühjahr 1498 nachweislich mit der Dekoration des Turmsaals (Saal VIII) neben den Kammern beschäftigt war. Leonardo und seine Gehilfen entfernten die für Galeazzo Maria Sforza angebrachte Holztäfelung und realisierten eine einheitliche Dekoration, die den gesamten Raum als eine einzige große Laube erscheinen ließ, Ein „Baumzimmer“ („camara de li arbori“) mit dichter Vegetation, die in komplexen Verflechtungen über die Wände rankte sowie hier und dort die unverzichtbaren Symbole und Wappen trug. Das Gewölbe wurde mit unangemessenen Restaurierungen stark beschädigt, während die Abschnitte über dem Boden noch in voller Schönheit bewundert werden können. Die wunderschönen Felsen und feucht wirkenden Wurzeln bringen die Faszination Leonardos für das Studium der Natur voll zum Ausdruck. Wappen der Sforza, um 1498. Mailand, Castello Sforzesco, Gewölbe des Turmsaals


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Kaiserhof Innsbruck, aber nicht, ohne zuvor bei Nacht in der Kirche Santa Maria delle Grazie seiner „Dame“ einen Besuch abzustatten: dem Grabmahl von Beatrice, erhoben im Chor der Kirche und bedeckt mit einem vergoldeten Tuch. Dann begab sich der Moro auf den Weg nach Como und nahm auch einen Teil des herzoglichen Schatzes mit. Die Franzosen drangen ungehindert in die Stadt ein und der Burgherr Bernardino da Corte verkaufte am 17. September das Schloss an Gian Giacomo Trivulzio (Heerführer der gallischen Armee). Was von dem Schatz und den kostbaren Paramenten blieb, wurde unter Trivulzio, da Corte, Antonio Maria Pallavicini und Francesco Bernardino Visconti aufgeteilt. Die französische Regierung unter der Führung von Trivulzio wurde von der gibellinischen Aristokratie sofort kontrastiert und erweckte schon bald auch Unzufriedenheit bei den Mailändern. Zur Gleichen Zeit stellte Ludovico „Il Moro“ erneut ein Heer zusammen und zog in Richtung Trient, um Mailand zurückzuerobern. Das Heer des Sforza drang im Januar 1500 in die Hauptstadt ein und fand die Unterstützung der Bevölkerung sowie eines Großteils des Adels. Das Schloss blieb jedoch in den Händen der Franzosen, die naheliegende Häuser überfielen und die Stadt mit Kanonen beschossen. Im April kam es zur entscheidenden Schlacht in Novara. Die von Sforza gedingten Schweizer Söldner zogen sich unerwartet zurück und der Herzog wurde auf der Flucht gefangen genommen. Er wurde nach Frankreich gebracht und starb dort in Haft. Mailand war zu dieser Zeit eine Stadt ohne Männer (alle adligen Gibellinen waren mit ihren jeweiligen Gefolgen nach Novara geeilt) und als die Nachricht von der Niederlage eintraf, „wurden die Häuser […] aller Art geplündert, von Franzosen wie Italienern im Schloss, die alles Gute und das Beste davontrugen“. Und den Ehefrauen und Töchtern der Mailänder Edelmänner, die nicht schnell genug in die Klöster flohen

„ward mehr Unehre angetan als allen anderen, besonders den vermählten“, wie in einem Originaldokument aus dieser Zeit zu lesen ist. Das Schloss wurde umgehend zur militärischen Festung degradiert und die Franzosen zerstörten den Vorplatz und die von Sforza errichteten Bogengänge. Nachdem es seine höfische Funktion eingebüßt hatte, wurde es nicht mehr als Herzogssitz genutzt, auch nicht unter der kurzlebigen Herrschaft von Massimiliano Sforza (1512-1515). Erst Francesco II Sforza (1521-1535) wählte es erneut zu seiner Residenz. Der neue Herzog schien die antike Festung nicht sonderlich zu lieben, wo er unter anderem während seines heldenhaften Widerstands gegen die Spanier (1525-1526) für einige Monate eingeschlossen war. Dennoch war er es, der im Jahr 1534, für die Ankunft seiner kindlichen Braut Christina von Dänemark (Nichte des Kaisers Karl V), die herzoglichen Gemächer provisorisch restaurieren ließ. Nach seinem Tod ging das Herzogtum in kaiserliches

Castellum Mediolanense, in Topographia Italiae, 1688. Mailand, Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli. Im Vordergrund der befestigte, sternförmige Bau

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Bogengang im Hof der Rocchetta, Castello Sforzesco, Mailand

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Eigentum und dann mit dem Erbe von Karl V an die spanische Krone über. Fast alle Gouverneure des Staates Mailand zogen es vor, in dem alten Palast der Visconti am Domplatz (Corte dell’Arengo, heute Palazzo Reale) zu wohnen. Das Schloss hingegen wurde zunehmend als Kaserne genutzt. Die umliegenden Villen wurden abgerissen und an deren Stelle eine sternförmige Befestigungsmauer errichtet, die den Bau endgültig von der Stadt trennte. Diese rein militärische Funktion behielt es praktisch bis zur Zeit nach der Gründung des italienischen Staates. Nachdem auch die Projekte aus napoleonischer Zeit, den Komplex erneut in das mailändische Stadtgefüge

zu integrieren, fehlgeschlagen waren, erwägte man sogar einen vollständigen Abriss des Baus. Ab 1887 wurde die ehemalige Herzogsresidenz als Museum genutzt. Nach und nach verlagerte man den maßgeblichen Teil aller städtischen Kunstsammlungen hierher: die Pinakothek, die Städtische Kunstbibliothek (Civica Biblioteca d’Arte), die Kunstsammlung Vinciana, das Staädtische Fotoarchiv (Civico Archivio Fotografico), das Zeichnungskabinett (Gabinetto dei Disegni), das Münzkabinett (Gabinetto Numismatico, Medagliere e Monetiere), das Ägyptische Museum (Museo Egizio), das Museum der Vorgeschichte (Museo della Preistoria), die Drucksammlung (Raccolta delle Stampe) „Achille Bertarelli“, das Historische Stadtarchiv und Biblioteca Trivulziana (Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana). Auf Initiative von Luca Beltrami, der in der gleichen Zeit die Restaurierungsarbeiten leitete, entwickelte sich das Schloss zu einem der bedeutendsten Kulturzentren Mailands. In der Folgezeit wurden nicht länger oberflächliche Restaurierungen von Herzogsgemächern vorgenommen, sondern immer weitere Museen eingerichtet. Es kamen die Kunstsammlungen von Luca Beltrami, Giorgio Nicodemi, die berühmte Sammlung des Ateliers BBPR und in der Pinakothek die jüngsten Sammlungen von Albini-Helg-Piva und Valter Palmieri. Das Schloss hat einen präzise rechteckigen Grundriss mit zwei runden Türmen an der zur Stadt weisenden Front und zwei quadratischen an der Rückseite zum Schlosspark. Die architektonische Struktur ist in zwei große, rechteckige Komplexe gegliedert, zwischen denen wahrscheinlich einst die Stadtmauer und der Stadtgraben verliefen. Hinter der Hauptfassade mit den Türmen mit Bossenwerk und dem berühmten mehrstökkigen Turm, der von Beltrami wiederaufgebaut wurde, befindet sich der große Innenhof, auch Waffenplatz genannt. Der hintere Teil des Komplexes ist ebenfalls in zwei Bereiche gegliedert: Die quadra-


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tische Rocchetta (Burg) im Westen und den Herzogshof im Osten. Diese beiden Komplexe waren einst vollständig voneinander getrennt und autonom. Auf dem Waffenplatz erheben sich der BonaTurm und daneben der Uhr-Turm. Ersterer verstärkt eine Ecke der Rocchetta und der andere (am Ort der antiken Porta Giovia) bildet den Zugang zum Herzogshof. Links verläuft durchgehend und massiv die Mauer der Rocchetta, während die Fassade an der rechten Seite von den zahlreichen Fenstern der ehemaligen herzoglichen Gemächer belebt wird. Der Hof der Rocchetta (mit einer Seitenlänge von ca. 37 Metern) ist an drei Seiten von Bogengängen gesäumt und über Gang auf Kragsteinen mit dem Haupthof verbunden. Die Nordwestflügel sind die ältesten und vereinen sich am sogenannten Burg- oder Schatz-Turm (Torre Castellana oder Torre del Tesoro), während der Ostflügel zum Herzogshof der späteste Bau ist. Der eigentliche Herzogspalast säumt in U-Form den Innenhof. Den malerischen

Hintergrund bildet der Bogengang an der kurzen Seite, genannt „Portico dell’Elefante“. Dieser Name geht auf eine exotische Dekoration aus der Zeit der Sforza zurück. An der NordwestEcke wird der nüchterne Bau von einem Bogengang mit darüber liegender Loggia aufgelockert, wo sich der ursprüngliche Treppenaufgang befindet. Die zum Park weisende Seite hat eine lange Reihe

Hof der Rocchetta, Castello Sforzesco, Mailand. Gut erkennbar die drei verschieden gestalteten Seiten

13. Januar 1490: das „Paradiesfest“ Für die Hochzeit von Gian Galeazzo Sforza und Isabella von Aragón – die in einem etwas bescheidenen Umfang gefeiert wurde, zum einen aufgrund der Trauer um die kurz zuvor verstorbene Mutter der Braut und zum anderen auf Wunsch von Ludovico „Il Moro“, der seinen Neffen bei offiziellen Feierlichkeiten gern in den Hintergrund rückte – wurden im großen Saal des Obergeschosses (heute Saal XVI der Möbelsammlung) temporäre Dekorationen geschaffen. In einem Rahmen aus Gemüse- und Obst-Motiven wurden die Wände mit Atlas bezogen und mit kleinen Gemälden auf Leinwand dekoriert, die Szenen aus der Antike sowie militärische Errungenschaften von Francesco Sforza darstellten. In der Saalmitte wurde eine große, mit kostbaren Stoffen verkleidete Tribüne errichtet und an der kurzen Seite des Saals gegenüber dem Eingang (wo sich der Altar einer der herzoglichen Kapellen befand), wurde ein Tuch aus Atlas

angebracht, das eine beeindruckend komplexe Szenerie darstellte. Am 13. Januar 1490 fand in diesem Saal das berühmte Paradiesfest („Festa del Paradiso“) statt. Regisseur, Bühnenbildner und Kostümmeister war kein Geringerer als Leonardo da Vinci. Der damalige Botschafter von Ferrara beschrieb die Inszenierung folgendermaßen: „Das Paradies ähnelte in der Form einem halben Ei, in dessen Innerem alles gülden war, mit zahllosen Lichtern wie Sternen und Öffnungen, in denen alle sieben Planeten nach ihren Graden höher oder tiefer zu sehen waren. Am oberen Rand des Runds schwebten die zwölf Sternzeichen mit Lichtern und elegant anzusehen. Im Paradies hörte man des Weiteren schöne Gesänge und Klänge, sanft und lieblich.“ Leonardo da Vinci: Entwurf eines Theaterkostüms, 1490. Windsor, The Royal Collection

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Luca Beltrami: Erfinden oder rekonstruieren? Einer der Rundtürme des Castello Sforzesco während der Restaurierungsarbeiten zum Ende des 19. Jahrhunderts. Mailand, Civico Archivio Fotografico

Der Architekt Luca Beltrami (1854-1933) studierte an der damals soeben gegründeten Universität Politecnico Milano bei dem vielseitigen Meister Camillo Boito. Nach einem Studien- und Arbeitsaufenthalt in Paris (wo er an der Restaurierung des dell’Hôtel de Ville mitwirkte), kehrte er nach Mailand zurück und unterrichtete an der Accademia di Brera und am Politecnico, wo er, unter anderen, den Zuschlag für die Restaurierung der Domfassade, den Palazzo Marino und die Piazza della Scala erhielt. Ab 1884, während er in mehreren Bereichen (auch auf politischer Ebene) vielbeschäftigt war und eine lebhafte Debatte über die Definition eines „italienischen“ Architekturstils lief, förderte der Architekt mit Unterstützung des Verbandes Società Storica Lombarda eine Kampagne, um das Schloss vor dem vollständigen oder teilweisen Abriss zu bewahren, der im Rahmen einiger städtebaulicher Pläne erwägt wurde. Für die komplette Restaurierung des Castello Sforzesco setzte sich Beltrami jedoch

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erst ab 1893 verstärkt ein. Aus anderorts gesammelter Erfahrung (Soncino und Pandino) wusste der Architekt, dass die Restaurierung eines historischen Gebäudes nicht nur die optimale stilistische Rekonstruktion von Bausubstanz war, wie der Franzose Eugène Viollet-le-Duc sie definierte (vgl. Burgrestaurierung Coucy, Stadtmauern von Carcassonne und die aufwändige Restaurierung des Schlosses von Pierrefonds), sondern auch eine „historische“ Komponente beinhaltet, die die jeweiligen Ereignisse und Schichtungen berücksichtigen muss, denen ein Gebäude im Verlauf der Zeit ausgesetzt war. Die positivistisch orientierte Absicht Beltramis, die „wahre“ historische Form des Castello Sforzesco wiederzufinden, konkretisierte sich in verschiedenen Archiv-Recherchen und stratigraphischen Erhebungen. Sein monumentales Werk Il castello di Milano (Castrum Portae Jovis) sotto il dominio dei Visconti e degli Sforza, MCCCLXVIII-MDXXXV (Mailand, Ulrico Hoepli, 1894) wurde umgehend gedruckt und ist auch heute noch eine unverzichtbare Dokumentensammlung für das vertiefende Studium des Schlosses. Den Recherchen folgten 10 Jahre andauernde Restaurierungsarbeiten, die der Festung ihr heutiges Aussehen verliehen. Während dieser Zeit erschienen weitere Veröffentlichungen, insbesondere über die umfassendsten Eingriffe wie an der unter Ludovico „Il Moro“ realisierten „Ponticella“ oder am Turm von Filarete, die in besonderem Maße von der Verknüpfung zwischen der historischen Dokumentation und Restaurierung gekennzeichnet waren. Das Interesse und Engagement Beltramis für den Wiederaufbau des Schlosses war so stark, dass er im Jahr 1903 seine private Kunstsammlung verkaufte, um auf eigene Kosten den nach Umberto I benannten Mittelturm neu aufzubauen. Das Ergebnis hat zweifellos wenig Bezüge zum Original, aber das heutige Gesamtbild des Schlosses lässt die konkreten Bemühungen des Architekten um eine historisch korrekte Wiederherstellung deutlich erkennen.


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gotisch anmutender Fenster und wurde einst von einer weiteren Mauer (genannt „Ghirlanda“) geschützt. Diese Front ist mit dem viereckigen Gesamtkomplex über die zwei massiven Außentürme Santo Spirito (im Westen) und Del Carmine (im Osten) verbunden. Von dem ersten Außenturm ist noch ein Teil des massiven Korpus an der Mauer zu sehen, die zum Bahnhof Cadorna weist, während von der „Ghirlanda“ nur Teile der Ecktürme und des Noteinlasses erhalten sind. Diese fast romantisch anmutenden Ruinen bilden heute eine eindrucksvolle Kulisse für den Sempione-Park. Rund um den Burggraben führt ein breiter unterirdischer Gang, der mit den Außenwerken, den Außentürmen und dem Tor zum Park verbunden war. Diese unterirdischen Gänge gehörten zu dem effizienten Verteidigungssystem des Schlosses, das seinerzeit als uneinnehmbar galt. Die Form des ursprünglichen Schlosses der Visconti hingegen kann heute nicht mehr mit Genauigkeit rekonstruiert werden. Der Burgteil, der sich außerhalb des Stadtgrabens an der Parkseite befand, hatte wahrscheinlich die gleiche Gliederung wie der aktuelle und hatte möglicherweise von Anfang an einen zusätzlichen Mauergürtel. Die Rocchetta war das eigentliche Schloss, während der Bereich des späteren Herzogshofes, wie aus einigen Schriften aus dem Jahr 1438 hervorgeht, eine Art Palast mit mindestens zwei Türmen, aber geöffnet zu den Gärten innerhalb und außerhalb des Stadtgrabens, gewesen sein muss. Alle Mauern des Palastes von Filippo Maria waren grün oder mit einem schwarz-grünen Rautenmuster gestrichen. Die Privaträume des Herzogs befanden sich im Ostflügel in der Nähe des Turms Carmine, möglicherweise dort, wo später die Gemächer der Herzoginnen eingerichtet wurden. Das Schlafzimmer des Visconti war mit einem Fries dekoriert, das zum Teil von Giovanni da Vaprio gemalt und zum Teil als Relief gestaltet war, mit 17 aus Pappelholz geschnitzten, vergoldeten und versilberten Schilden. Ein großer

Balkon gab den Blick auf den Burggraben und die Gärten zwischen der Burg und der Schutzmauer frei. Weitere Balkone und vorspringende Loggien lockerten die Außenseite dieses Gebäudeteils weiter auf und schufen eine direkte Verbindung zwischen den Innenräumen und dem grünen Außenbereich. Auf einer Wiese vor dieser Front gab es einen Marmorbrunnen, der aus dem antiken Palazzo dell‘Arengo der Visconti stammte. In der Mitte des Brunnens thronte ein Engel mit einer Flagge, auf der vergoldet die Schlange – das Symbol der Visconti – zu sehen war. Ähnliche Flaggen zierten auch die Türme und die Schornsteine der

Turm Umberto I im Castello Sforzesco, im Original möglicherweise von Filarete und rekonstruiert von Luca Bertrami

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Loggia von Benedetto Ferrini im Castello Sforzesco, Mailand

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Burg. Unter den Zimmern und Kammern musste sich auch ein Raum befunden haben, den der Herzog komplett mit Wasser füllen ließ, um während der heißesten Sommertage zu baden. Die intern liegenden Räume waren vorwiegend mit Wappenmotiven in Weiß und Grün dekoriert. Nach Aussagen des Historikers Pier Candido Decembrio wurden nur zu Festtagen wenige Purpurteppiche ausgelegt, da der Herzog keinen Wert darauf legte, sich mit kostbarem Wandschmuck und Silber zu umgeben. Am Ufer des Flusses Nirone zwischen dem Schloss und der Kirche Sant’Ambrogio ad Nemus sollen sich einige Landhäuser und eine Falknerei befunden haben. Zur Stadt hin war die ursprüngliche Burg nach Annahme von Beltrami weniger symmetrisch gestaltet und die Befestigungen waren von verschiedenen Bauten unterbrochen: Der Kirche San Donato, der Kanzlei, dem Ratspalast (Palazzo del Consiglio oder Palazzo Gaspare Visconti) und dem Palast der Herzogin. Mit dem Neubau durch die Dynastie Sforza wurde die Festung wesentlich

massiver und bedrohlicher gestaltet. Lediglich der möglicherweise von Filarete entworfene Turm, der ursprünglich mit gemeißelten Kapitellen aus Serizzo und einem antiken Fries mit Bukranien aus Terrakotta dekoriert war, lockerte die zur Stadt weisende Fassade etwas auf. Während der Regierungszeit von Bianca Maria Visconti und Francesco Sforza wurden im Schloss keine nennenswerten neuen Dekorationen geschaffen. Unter Galeazzo Maria (insbesondere ab 1467) hingegen wurden die Gebäude des Herzoghofes fertiggestellt und die Gemächer für den Herzog und sein Gefolge gestaltet. Obwohl der Herzog nicht dauerhaft in Mailand lebte, da er dem Schloss die Jagdresidenzen oder das prunkvolle Schloss in Pavia vorzog, wurden die Räume im Erdgeschoss in kurzer Zeit mit Wappenmotiven dekoriert. Die herzoglichen Gemächer lagen in der Nähe des „Portico dell’Elefante“, das des Herzogs links und jenes der Herzogin direkt hinter dem Bogengang. Den Kreuzpunkt der beiden rechtwinklig angeordneten Flügel war der Turmsaal (Sala della Torre oder Sala delle Asse, heute Saal VIII des Museums für Antike Kunst), dekoriert mit einer kostbaren geschnitzten und vergoldeten Holztäfelung und mit einem direkten Zugang zu den Gärten hinter dem Graben. Im rechten Flügel des Bogengangs „Portico dell’Elefante“ befanden sich die Kapelle San Donato (heute Saal III), ein Privatgemach (bewohnt von Ludovico Sforza „Il Moro“, heute Saal IV), der „Sala Nova“ oder Ballsaal (Säle I und II, nicht zu verwechseln mit dem heutigen Ballsaal im Hof der Rocchetta). Zum Apartment des Herzogs gehörte der große Saal (auch Grüner Saal genannt) im Erdgeschoss (heute Saal XIV). Dieser Saal war mit „Fazoli” (geknoteten Tüchern) dekoriert und der Schauplatz offizieller Feierlichkeiten. Von der Rückseite des Saals gelangte man in die Kapelle (Saal XII), während sich an der rechten Seite der Zugang zum schwarz-weiß dekorierten


MAILAND

Rätesaal (Sala del Consiglio, heute Saal XV) befand. Es folgten das Vorzimmer (auch Roter Saal, heute Saal XIII), dekoriert mit vergoldeten Tauben auf rotem Hintergrund, und das Privatgemach des Herzogs, ebenfalls mit Holztäfelung sowie einer Gewölbedecke in Gold und Dunkelblau. Während der Regierungszeit von Ludovico Sforza „Il Moro“ blieb die Funktion dieser Räume unverändert. Im Verlauf seiner politischen Karriere verlagerte dieser seine Zimmer von den Räumen rechts vom Eingang zum Haupthof (heute die Räume der Städtischen Kunstbibliothek) in die nebenliegenden Säle (heute Saal IV), den „Sala Nova“, die Kapelle San Donato und einige Räume im Erdgeschoss der Rocchetta, während er nach seiner Investitur im Jahr 1495 die herzoglichen Gemächer bezog. Gleichzeitig wurde der „Portico dell’Elefante“ geschlossen und ein neuer „Saloto“ geschaffen, der die Räume der Herzogin vergrößerte und eine direkte Verbindung zwischen den Zimmern des

Herzogs und der Herzogin schuf. Während dieser Jahre wurden an verschiedenen Stellen des Schlosses Umbauten vorgenommen. Der Hof der Rocchetta wurde vervollkommnet und es wurden neue Gebäude am Haupthof errichtet. Gleichzeitig entstand über der Brücke zwischen dem Garten und dem Turm der herzoglichen Gemächer ein kleines Apartment und es wurden einige beachtliche, aber dennoch nur vorübergehende Dekorationen geschaffen. Francesco II Sforza ließ im Jahr 1534 die Gemächer der Herzogin und die während der Regierungszeit seines Vaters gebauten Kammern erneuern. Die permanenten Dekorationen beschränkten sich auf die Bemalung einiger Gewölbe (zum Teil unglücklicherweise abgerissen oder schlecht erhalten) sowie die Realisierung einiger Fresken-Friese. Zur gleichen Zeit wurden die Räume am Herzogshof mit diversen kostbaren Wandteppichen dekoriert, auf denen die Abenteuer von Äeneas oder exotische Tiere dargestellt waren.

Der Schatz: „spectaculo trionphante, dignissimo et richissimo“ Der Argos von Bramantino ist eine wahrscheinlich aus den Achtzigerjahren des 15. Jahrhunderts stammende Freske, und wahrscheinlich die einzige, die von dem von Ludovico „Il Moro“ veranlassten Dekorationszyklus erhalten ist. Die stark perspektivische und als Trompe l’œil gestaltete, muskulöse Figur des Wächters und Hirten mit den 100 Augen springt in all ihrer Stattlichkeit förmlich in den Raum, umgeben von Medaillen aus imitierter Bronze, auf denen Szenen des Mythos (Merkur, der Argos einschläfert) und die anmutigen Pfauen der Göttin Juno dargestellt sind. Unter dem Gemälde wurde, in einer augenscheinlich unsystematischen, glitzernden Unordnung, der Schatz des Castello Sforzesco aufbewahrt: Auf orientalischen Teppichen lagen die zwölf großen Medaillen mit den Abbildern der Herzöge von Mailand, von denen jede zwischen 10.000 und 15.000 Dukaten wert waren, sowie angehäufte Goldmünzen in

einem Wert zwischen 650.000 und 800.000 Dukaten. Auf Tischen waren lange Ketten, Colliers und andere Juwelen der Herzoginnen aufgereiht. Ferner gab es lakkierte und bemalte Truhen mit übergroßen Perlen, Kameen, Diamanten und anderen Edelsteinen sowie silberne Kerzenständer in Menschengröße. Im Saal verteilt standen die 66 großen Vasen aus Email, Gold und Silber im antiken Stil, die Nachbildungen von Vasen von Ercole d’Este waren, sowie weitere Gefäße aus Lasurstein, Porzellan und Karneol. An den Wänden hingen 66 Heiligenfiguren aus massivem Silber, vier mit Edelsteinen besetzte Kreuze sowie ein mit Perlen besetztes Kreuz aus Massivgold. Und schließlich gab es ein großes Altarbild mit Vergoldungen, das die Krönung der Jungfrau Maria, umgeben von Engeln und Heiligen, darstellt, sowie „so viele Silbermünzen angehäuft zu einem Berg, den eine Gams nicht überspringen könnte“. 37



SCHLOSSRUNDGANG 2

Kanalfahrten Die Herzöge auf den Navigli CUSAGO ABBIATEGRASSO BEREGUARDO PAVIA BINASCO

Boot mit Schaufelrad, aus De machinis von Mariano di Jacopo, genannt „Taccola“, 1449. Paris, Bibliothèque Nationale de France

Der Dichter und Übersetzer Pier Candido Decembrio aus Vigevano (Vita Philippi Mariae Vicecomitis tertii Ligurum ducis) schrieb, dass Filippo Maria Visconti (1412-1447), nachdem er aufgrund seiner Leibesfülle nicht mehr reiten konnte, „von Mailand ein Kanalnetz schuf, über das er alle häufig besuchten Orte mit einem Nachen erreichen konnte. Diese Barke war ebenso ausstaffiert wie sein Gemach und der herzogliche Audienzsaal und hatte gleichwohl eine Dienerschar mit Rängen wie im Palast. So ließ er sich umherschiffen, zuerst nach Cusago, dann nach Abbiategrasso und schließlich nach Bereguardo und Pavia. Dieses (zugegeben nicht gerade schmeichelhafte) Bild des übergewichtigen Filippo Maria, der sich mit seinem Luxusboot „von Pferden auf dem Treidelpfad“ ziehen lässt, inspiriert uns zu der Rundfahrt, die wir Ihnen in diesem Kapitel präsentieren möchten. Die Tour führt vom Mailänder Schloss über Cusago, Abbiategrasso und Bereguardo nach Pavia und von dort (ebenfalls dem Wasserweg folgend, aber dieses Mal auf dem Naviglio Pavese) über Binasco zurück nach Mailand. Diese Strecke bildet eine Art Dreieck zwischen Mailand, Abbiategrasso und Pavia, die einst von den Kanälen und heute von Straßen gekennzeichnet wird: der Landstraße 494, der Fernstraße 526 und der Landstraße 35. Auf dem umschlossenen Gebiet erstreckten sich einst die weiten Ländereien der Visconti, an die heute noch die Ortsnamen Gudo Visconti, Motta Visconti und Viscontina erinnern. Auf jedem dieser Besitztümer befand sich ein Schlösschen oder ein kleiner befestigter Bau, von dem aus die lokale Mühle oder die Gastwirtschaft bewacht wurden. Viele der herzoglichen Gutshöfe (Binasco, Vigano, Trezzano) hatte Gian Galeazzo Visconti (1378-1402, Herzog ab 1395) der großen und aktiven Kartause von Pavia zum Geschenk gemacht, während einige andere an die verschiedenen Nebenzweige der Dynastie Visconti vererbt wurden: Moncucco an die Visconti aus Albizzate (später Fontaneto und Cassano Magnago), Motta, Gaggiano und San Vito an die Visconti aus Somma, die später von den Gütern in San Vito den Markgrafentitel ableiteten. Auf Initiative der Herzöge von Mailand wurde in diesem Gebiet das Kanalsystem perfektioniert, mit dessen Bau bereits mehrere Jahrhunderte zuvor begonnen worden war. Der Naviglio Grande entstand möglicherweise entlang dem Verlauf eines Grabens aus dem 12. Jahrhundert (später Ticinello genannt). Der Kanal bezog sein Wasser aus dem Fluss Ticino und wurde zwischen Abbiategrasso und Landriano über Binasco zur Verteidigung gegen die mit Kaiser Friedrich I (Barbarossa) alliierten Paveser. Der auch als Bewässerungskanal genutzte Wasserlauf wurde nach und nach schiffbar gemacht und in Richtung Gaggiano-Trezzano verbreitert, um von den Mailändern später als Transportund Handelsweg zum Verbano-Becken und zu den Alpenpässen genutzt werden zu können. Vermutlich erreichte er bereits 1209 die lombardische Hauptstadt und kurze Zeit später wurden mit einem weiteren Kanalarm Abbiategrasso und Turbigo verbunden. Nachdem im Jahr 1387 die (im Vorjahr begonnenen) Bau39


KANALFAHRTEN

1438, ein Jahr aktiver Bautätigkeit In der Biblioteca Ambrosiana in Mailand ist ein kleines, handgeschriebenes Register erhalten, das der herzogliche Schatzmeister Dolfino Giorgi geführt hat. Hierin zeichnete er die Ausgaben für Bauarbeiten auf, die in verschiedenen Residenzen und Festungen des Herzogtums im Jahr 1438 durchgeführt wurden. Diese kostba-

re Originalschrift dokumentiert Restaurierungen und Ausbauten an den Schlössern von Mailand, Pavia, Cusago, Abbiategrasso, Bereguardo, San Colombano, Binasco, Monza, Melegnano, Vigevano, Valenza und Castelleone, aber auch den Bau von Brücken und neu angelegte Kanäle.

arbeiten am Mailänder Dom dem Befehl von Gian Galeazzo Visconti unterstellt wurden, benötigte man einen bequemen Transportweg für die für den Bau benötigten Marmorblöcke von den Hängen des Verbano. Während dieser Zeit wurde der Kanalarm zur Stadt vervollständigt (und schiffbar gemacht) und die am Bau der Kathedrale beteiligten Ingenieure lösten das Problem der Höhenunterschiede mit Hilfe von Becken und Schleusen. Während der ersten Jahre des 15. Jahrhunderts (möglicherweise auf Initiative von Filippo Maria Visconti) wurde das Kanalnetz weiter ausgebaut und es entstand der Naviglio di Bereguardo, der Abbiategrasso mit dem Ticino verband. Dieser Wasserlauf überwand mit Hilfe eines Systems aus 12 Schleusen, die über eine Strecke von 19 Kilometern angeordnet waren, einen Höhenunterschied von beachtlichen 24 Metern. Einige Jahre später wurde auf Wunsch des Herzogs Francesco Sforza (1450-1466) der alte Bewässerungskanal von Pavia nach Binasco (angelegt unter Gian Galeazzo Visconti) verbreitert und schiffbar gemacht. Aber erst im Jahr 1819 wurde die Direktverbindung zwischen Mailand und Pavia fertiggestellt – allerdings über einen anderen Weg als den alten gewundenen Verlauf des Naviglio Grande und den Naviglio di Bereguardo – um die Hauptstadt mit dem Ticino zu verbinden. Gleichzeitig nahm Francesco Sforza (1457) ein altes Projekt von Filippo Maria, einen Kanal von der Adda abzuzweigen, wieder auf, das jedoch erst 1496 von Ludovico „Il Moro“ vollendet wurde. So entstand der Navigium Novum oder Naviglio Martesana, der sein Wasser aus der Adda bezog und vom Schloss in Trezzo bis zur Kirche San Marco in Mailand führte. Die Herzöge der Dynastien Visconti und Sforza erkannten sofort, wie nützlich diese Wasserwege anstelle der gewundenen und unwegsamen Straßen für persönliche und offizielle Reisen waren. Und so passierten die Kanäle mit direkter Verbindung zu den herzoglichen Residenzen regelmäßig prunkvolle Buzentauren (Paradedogen), die für die Beförderung der Herzogsfamilien angemessen waren. In Mailand statteten die Herzöge beispielsweise das Schloss mit zwei Hafenbecken aus, einem in der Nähe des Vorplatzes und einem weiteren im Schlosspark. Von den Anlegestellen konnten die Mitglieder des Hofes ungesehen die Boote besteigen und über den antiken Stadtgraben zwischen den „Soste“ (Warendepots mit Direktzugängen zum Wasser), über die Kanäle, an deren Stelle 40

Leonardo da Vinci: Naviglio di San Cristoforo, aus Codice Atlantico, 1509. Mailand, Biblioteca Pinacoteca Accademia Ambrosiana


SCHLOSSRUNDGANG 2

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KANALFAHRTEN

Agnese del Maino: Die einzige geliebte Frau Agnese del Maino, Tochter von Ambrogio del Maino, war eine Mailänder Adlige. Ihre einflussreiche, gibellinische Familie besaß weite Ländereien im Norden Mailands sowie in der Umgebung von Pavia und Novara, war aber nach dem Mord an Giovanni Maria Visconti (1412) vom Unglück verfolgt. Wahrscheinlich war Agnese eine Zofe von Herzogin Beatrice Lascaris di Tenda (1372-1418). Letztere war die einflussreiche Witwe des Kondottieres Facino Cane und die erste Ehefrau des 20 Jahre jüngeren Filippo Maria Visconti. Sie hatte dazu beigetragen, die Macht des Herzogs während seiner ersten Regierungsjahre zu festigen, wurde im Jahr 1418 dann aber des Ehebruchs angeklagt und, wahrscheinlich im Schloss von Binasco, enthauptet. Zur gleichen Zeit ging der Herzog eine Liebesbeziehung zu Agnese del Maino ein, einigen Quellen zufolge soll er sie anfänglich gezwungen haben, seine Geliebte zu werden. Agnese gebar dem Herzog seine einzigen zwei Nachkommen, die Töchter Bianca Maria (später Herzogin von Mailand) und Lucia (frühzeitig verstorben). Die Edelfrau lebte praktisch eingeschlossen in den Schlössern von Abbiategrasso und Cusago, wo sie auch ihre Töchter entfernt vom Hof gebar. Im Jahr 1427 heiratete der Herzog Maria von Savoyen (1411-1469), die er ebenfalls „verbannte“, in einen eigens für sie erbauten Palast am Vorplatz des Mailänder Schlosses. Die Beziehungen des Herzogs zu seinen Ehefrauen und seiner einzigen Geliebten liefern einige Hinweise auf dessen komplexe Einstellung zum anderen Geschlecht. So war es Agnese im Jahr 1425 beispielsweise verboten, die herzoglichen Gemächer in Cusago zu betreten, und im gleichen Jahr wurde sie genau zur Ankunft des Herzogs vom Schloss in Abbiategrasso fortgeschickt. Heute ist es nur schwer nachzuvollziehen, ob dieses Verhalten des Herzogs auf seine paranoide Schwermut zurückzuführen war, die sich während der Zeit der Pest noch verstärkt hatte, oder eine ausgeprägte Form von Frauenfeindlichkeit. Nach dem Tod von Filippo (1447) gelang es Agnese, ihren starken, entschlossenen Charakter zu beweisen: Sie beriet ihren Schwiegersohn Francesco Sforza, bewegte den Burgherren von Pavia dazu, das Schloss und die Stadt den Sforza zu übergeben, begünstigte Verwandte und Freunde und wurde zum Angelpunkt einer ver-

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schlungenen und mächtigen Maschinerie von Sippenbündnissen, die dem neuen Herzog die Tore von Mailand öffneten. Während der ersten Herrschaftsjahre der Sforza schien Agnese eine Position als Herzogswitwe zu bekleiden, ein Privileg, das der rechtmäßigen Ehefrau Maria von Savoyen hingegen verwehrt blieb. Agneses Tochter, später selbst Herzogin, nennt sie in privaten Briefen an ihren Ehemann „meine Frau Mutter, die herrliche Madonna“. Auch zu ihrem Schwiegersohn hatte Agnese ein äußerst inniges Verhältnis, wie aus dem Schriftverkehr zwischen beiden hervorgeht. So erzählte die nicht mehr junge Agnese Sforza beispielsweise von einem Unfall mit ihrer Kutsche: „Mein Herr, welch ein Gaudium! Als die Kutsche umgestürzet ward, dachten sie, ich sei gestorben und klagten. Aber ich erwiderte: Was klaget ihr? Was schreiet ihr? Ich sage Euch mein Herr: Die zu große Liebe für meine Tochter und meine Familie hat mir mehr Leid als Glückseligkeit zugefügt!“ Agnese starb am 13. Dezember 1465 und wurde in dem Mailänder Kloster Sant’Orsola beigesetzt. Dieses Kloster hatte sie selbst gegründet und dann den befreundeten, dem Heiligen Angelus ergebenen Franziskanerbrüdern unterstellt. Die Geschichte von Beatrice di Tenda und Agnese berührte unvermeidlich die Sensibilität des 19. Jahrhunderts. Im Panorama der Melodramen des italienischen Romantizismus, die großes Fernweh zum Ausdruck brachten und sich gern an den großen Dramen des Mittelalters und der englischen oder französischen Renaissance inspirierten, war Beatrice di Tenda (1833) von Vincenzo Bellini (thematisches Gegenstück zu Anna Bolena von Gaetano Donizetti aus dem Jahr 1830) das einzige lyrische Werk, das sich den undurchsichtigen Geschichten der Dynastie Visconti widmete. Alle Szenen des Melodramas spielen im Schloss von Binasco. Obwohl er aufgrund von Verzögerungen und Unstimmigkeiten mit dem Librettisten Teile und Überarbeitungen früherer Werke in die Partitur eingearbeitet hatte, ist es dem Sizilianer mit den blauen Augen gelungen, in einigen Chorszenen eine dramaturgische Dynamik zu schaffen, an der sich sogar der junge Verdi inspirierte (die Parallelen zwischen den Chören der Cortigiani und denen im Rigoletto sind nicht zu überhören).


SCHLOSSRUNDGANG 2

Maestro di Paolo e Daria (?): Bucintoro, Detail, aus De Paulo e Daria amanti von Gaspare Visconti, 1495. Berlin, Kupferstichkabinett

heute die Straßen Via Carducci, Via De Amicis, via Conca del Naviglio verlaufen und, vorbei an der Porta Ticinese, langsam über Land bis zur Herzogskapelle San Cristoforo und auf den Naviglio Grande fahren. Von Trezzano gelangten die Barken über den kleinen Kanal von Cusago auf einer schattigen Strecke durch die Wälder des Jagdgebiets zum Herzogspalast. Entlang des Naviglio Grande erbauten Adlige und Mitglieder des Hofes schon frühzeitig eigene Sommerresidenzen, mit denen quasi das System der städtischen Paläste und herzoglichen Wonnen nachgeahmt wurde. Die Villen, die der Stadt am nächsten lagen, sind nach dem 2. Weltkrieg komplett verschwunden. Erhalten ist nur ein schöner Palazzo (früher Schloss) in Vermezzo, den die Familie Panigarola (Gutsverwalter bei Hof) von den Pozzobonelli erworben hatte. Der in Privateigentum befindliche Bau hat Bogengänge mit eleganten Kapitellen, Medaillons im römischen Stil mit Portraits von Herzögen und Kaisern sowie Graffit-Decken mit geometrischen Formen. In diesen werden Motive wiederaufgenommen, wie sie zum Ende des 15. Jahrhunderts in Mode gekommen waren: die Bandornamente von Leonardo da Vinci und die Polyeder des Mathematikers Luca Pacioli, der in Mailand im Palast von Galeazzo Sanseverino zu Gast war. Fast am Ende des Hauptarms des Naviglio Grande, vor den Toren von Abbiategrasso, bildete das Castelletto (das noch heute dem Ortsteil der Gemeinde seinen Namen gibt) einen ersten Verteidigungswall für den großen Ort, an dem sich die Wasserwege verzweigten. Dies war auch der Ort, an dem sich das Haus des Kanalwächters befand, und wo das antike Flussbett des Ticino begann, der von hier in Richtung Binasco floss. Von einer Verzweigung im Süden führte ein kleiner Kanal mit starker Strömung von Abbiategrasso nach Bereguardo, vorbei an den Jagdgebieten des Ticino-Tals, und von hier gelangten herzoglichen Boote nach Pavia bis zum Bagno della Duchessa. Hinter dem prunkvollen Schloss grenzten der Garten und der große Park an die landwirtschaftlichen Gebiete der Kartause. Den einst wunderschönen Garten mit Tieren (auch exotischen) gibt es heute nicht mehr, aber auf jeden Fall einen Besuch wert ist Mirabello, das erst das Haus des Parkwächters und später das Jagdschlösschen von Galeazzo Sanseverino war. Von der Anlegestelle des Parks gelangte man weiter auf dem Naviglio Pavese bis nach Binasco. 43


DAS SCHLOSS IN CUSAGO

GEMEINDE: Cusago (Mailand) TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza, Casati Stampa di Soncino ERHALTUNGSZUSTAND: Intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Privatresidenz

Fassade des Schlosses in Cusago

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Das Schloss in Cusago wurde von Bernabò Visconti (1354-1385) erbaut und bereits im Jahr 1369 vom Herzogshof bewohnt. Die Sommerresidenz lag innerhalb eines großen Jagdgebiets, das mit einem hölzernen Lattenzaun umfriedet war. Dank seiner Nähe zur Stadt Mailand hielt sich auch Gian Galeazzo Visconti oft hier auf (nachdem er seinen Onkel und Schwiegervater Bernabò beseitigt hatte). Zwischen 1425 und 1440 schien sich Herzog Filippo Maria Viscon-

ti konstant für Cusago zu interessieren. Er hielt sich regelmäßig im Schloss auf und veranlasste Restaurierungen, Ausbauten sowie die Pflege des Schlossparks. Außerdem lebte hier vorübergehend auch dessen Geliebte Agnese del Maino, die für gewöhnlich im nahen Abbiategrasso wohnte. Im Jahr 1438 wurde ein kleiner Kanal angelegt, der die Residenz in Cusago mit dem Naviglio Grande verband. Während der letzten Regierungsjahre von Filippo Maria wurde das Schloss immer seltener genutzt und aus einer Schrift aus dem Sommer 1447, die kurz vor dem Tod des Herzogs erstellt wurde, geht hervor, dass die Residenz zu diesem Zeitpunkt ganz verlassen war. Während des Bestehens der Repubblica Ambrosiana (1447-1450) wurden einige Gebäude des Komplexes abgerissen und mindestens 10.000 „Pertiche“ (über 6,5 km2) des herzoglichen Landbesitzes an Mailänder Adlige verkauft. Während der Regierungszeit von Francesco Sforza gab es einige Initiati-


CUSAGO

ven zur Erhaltung des Schlossparks wurden die Jagd und die Abholzung verboten. Dennoch schienen die ersten Herzöge der Dynastie Sforza an Cusago kein besonderes Interesse zu haben. Bestätigt wird diese Hypothese durch die Tatsache, dass der Besitz im Jahr 1469 dem Markgrafen Monferrat als Aussteuer für Elisabetta Sforza (Schwester des Herzogs) zum Geschenk gemacht wurde. Während der letzten Jahre seiner Regierungszeit schien das Interesse von Herzog Galeazzo Maria (1466-1476) für das Jagdgebiet wieder etwas aufzuleben, aber erst Ludovico „Il Moro“ (14801499) war es, der die Residenz wiederherstellen und dekorieren ließ. 1486 wurde der Maler Giovanni Pietro da Corte beauftragt, für die Dekoration des Hauptsaales einige Platten mit Friesen und Blütenmotiven im antiken Stil zu gestalten. Dies belegt, dass das Schloss Mitte der 1480er Jahre komplett wiederaufgebaut worden war und zu diesem Zeitpunkt bereits die Dekorationsphase begonnen hatte. Danach entwickelte sich Cusago zu einer Art Juwel der Sforza, zu einem Ort für die Zerstreuung und Unterhaltung des Hofes. Unter anderen Persönlichkeiten war hier Kaiser Maximilian von Habsburg zu Gast und im Jahr 1494 erhielt den Besitz die Braut von Ludovico Sforza, Beatrice D’Este, zum Geschenk. Mit den Unruhen während der ersten Jahre des 16. Jahrhunderts gingen der Landbesitz und das Schloss an Maximilian Stampa über (1525) und verblieben dann für mehrere Jahrhunderte im Eigentum der Dynastie Casati Stampa di Soncino. Heute wirkt die Residenz in Cusago weniger wie ein Schloss und eher wie ein Palazzo. Das Gebäude hat einen gleichmäßig rechteckigen Grundriss mit einem großen Innenhof. Die Längsseiten messen 96 Meter und der Haupteingang befindet sich an der kurzen Ostfront mit dem großen Vorplatz und unter dem hohen Turm (später erbaut und nach der Renaissance-Zeit verändert). An der Nordost-Ecke des Gebäu-

des befand sich eine elegante Loggia (heute vermauert), die sich asymmetrisch in die Fassade einfügt. Die Fenster in der Fassade waren einst symmetrisch angeordnet, im Erdgeschoss mit Flachbögen und im Obergeschoss mit Spitzbögen. Der große Innenhof hat an der Eingangsseite einen Bogengang. Die eleganten Kapitelle der Säulen und die Kragsteine des Bogenganges sind, gemeinsam mit einigen Kaminen im Innenbereich, leider die einzigen erhaltenen Dekorationselemente des Gebäudekomplexes. Zur Herrschaftszeit der Visconti musste das Schloss wie ein Bauernhof mit Türmen und mehreren Innenhöfen wirken, auf jeden Fall sehr verschieden von dem „palazo molto belo“, wie ihn Galeazzo Visconti, Herr von Somma Lombardo und Graf von Busto Arsizio, im Jahr 1491 der Markräfin Isabella D’Este beschrieb. Neben dem Brief an Isabella, in dem ein typischer Tag in Cusago mit Tanz und Gesang im Garten, Jagdausflügen in den Park, Spielen und dem Fischen von Hechten und Krebsen im Fischteich und im Bach beschrieben wird, gibt es ein Festgedicht in lateinischer Sprache, verfasst von Giovanni Alberto Bossi aus Busto Arsizio (Verwandter von Galeazzo Visconti und Begleiter von Beatrice d’Este auf deren

Urkunde von Ludovico „Il Moro”, 28. Januar 1494. London, The British Library. Der Herzog schenkt seiner Ehefrau Beatrice d’Este einige Besitztümer, darunter Cusago

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Ein Brief des Herren von Somma über das Vergnügen bei Hofe Cristoforo De’ Predis: Jagdszene, Detail aus De sphaera, um 1470. Modena, Biblioteca Estense Universitaria

„Am heutigen Morgen, einem Freitag, sind wir, die Herzogin, all ihre Zofen und ich, zu Pferd aufgebrochen und in der dritten Stunde des Nachmittags nach Cuxago geritten. Um Euch verehrter Dame über all unsere Genüsse zu berichten, sage ich Euch, dass wir, gemeinsam mit der Herzogin und dem Dioda [Hofnarr] zuerst die Kutsche bestiegen und mehr als 25 Lieder dreistimmig und sehr anmutig gesungen haben, der Dioda als Tenor, ich mal Bass mal Sopran und die Herzogin als Sopran. Dabei haben wir so viele Späße gemacht, dass es mir bald anmutet, als sei ich selbst närrischer als der Narr. [...] Nach dem Essen begannen wir sogleich, mit dem Ball zu spielen, bis wir müde wurden, und gingen dann zu dem schönen Palaste, unter anderen Herrlichkeiten mit einem geschnitzten Marmortor, so kunstvoll wie das der Kartause. [...] Dann gingen wir an einen Ort neben dem Palast, wo ich eine schöne Jagd hatte vorbereiten lassen. Wir fischten Neunaugen und Krebse [...] und gleich darauf mehr als tausend große Hechte [...] und ließen vom Bachufer anmutige Falken fliegen, die sich in Richtung Pavia entfernten [...]. Dann gingen wir zu den Hirschen und Rehen, ließen 22 davon laufen und erschos-

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sen zwei Hirsche und zwei Rehe. Um ein Uhr in der Nacht kehrten wir nach Mailand zurück und präsentierten unsere Jagdbeute meinem erlauchten Herzog von Bari, welcher sich so daran erfreute, wie man es sich nicht mehr hätte wünschen können. Viel mehr als wäre er in Person dabei gewesen. Und ich glaube, meine Herzogin hat mehr verdient als ich, denn ich denke, der hochverehrte Herr Lodovico wird ihr Cuxago schenken, was mir eine große Freude ist und auch sehr nützlich. Nur ich habe meine Stiefel zerschlissen und bin närrisch geworden, wie schon gesagt. Das hat man nun davon, wenn man den Frauen ein Vergnügen bereiten will. [...] Meine erlauchte Markgräfin, ich kann unsere gemeinsamen Abende und Eure sanfte Gesellschaft nicht vergessen. Und ebenso wie damals gehe ich in die Kammer meiner Dame und denke sie dort zu finden, wie sie sich ihr Haar richtet, ebenso wie die Zofen Teodora und Beatrice im Nachtgewand und auch Violante und Maria, ebenfalls entkleidet, und wenn ich sie nicht finde, bin ich tristen Gemüts.“ Mailand, 11. Februar 1491, Galeazzo Visconti in einem Brief an die Markgräfin von Mantua, Isabella d’Este


Das Schloss war in ein großes, grünes Areal eingebettet. Im Garten, wahrscheinlich im nördlichen Bereich unter der kleinen Außenloggia, gab es einen Fischteich und der Gutshof, der „Palazzetta“ genannt wurde, trennte den Schlossbereich von dem Landgut. Der Park war in unmittelbarer Schlossnähe mit einem „steccatello“ (niedriger Lattenzaun) umfriedet und der gesamte Besitz von einem höheren Holzzaun. Die wenigen Häuser der Siedlung (die bis zum Jahr 1602 keine eigene Pfarrkirche hatte) waren (damals wie heute) um den Vorplatz des Schlosses angeordnet, wie ein ideales städtebauliches Modell in Miniatur.

CUSAGO

Ausflügen nach Cusago), das eine weitere Beschreibung des Schlosses liefert. Bossi schreibt darin den Bau der Residenz schmeichelnd Ludovico „Il Moro“ zu und verweilt mit seiner Beschreibung vorwiegend bei dem schönen antiken Marmorportal (später von Massimiliano Stampa entfernt und heute verloren). Der Eingangsbogen zum Palast, den Galeazzo Visconti als „Tor aus gemeißeltem Marmor, so schön wie die Tore der Kartause [von Pavia]“ beschrieb, zeigte einen ikonografischen Mix verschiedenster mythologischer, biblischer und historischer Figuren und Persönlichkeiten wie Titus und Vespasian, Cicero und Vergil, David mit dem Haupt des Goliath und Judith mit dem von Holofernes, die theologischen und die Kardinaltugenden und die Arbeiten des Herakles, alle in den Marmor gemeißelt, wo natürlich auch Romulus und Remus mit der Wölfin nicht fehlten. Das Portal war also alles andere als schlicht und ähnelte wahrscheinlich dem des Palastes von Marchesino und Cristoforo Stanga in Cremona (heute im Louvre zu sehen). Im Turm über dem Portal war ein Uhrmechanismus mit der Glocke verbunden, die für die Umgebung die Stunden schlug. Unter dem Bogengang waren Portraits der lombardischen Herzöge zu sehen („insubrium stat imago ducum“), mit denen die Kontinuität der Dynastien Visconti und Sforza unterstrichen wurde, möglicherweise in einer ähnlichen Art wie das Fries in der Loggia des Schlosses von Invorio. Der gesamte Hof war mit einer durchgehenden Rautenborte dekoriert (noch sichtbar) und über den Bogenzwickeln befanden sich wahrscheinlich Medaillons aus Terrakotta oder Marmor, auf denen, im thematischen Einklang mit den anderen Dekorationen des Bogenganges und des Portals, möglicherweise Herzöge oder Kaiser dargestellt waren. Im Inneren wurden die Motive der Dekoration auf den Tafeln wiederaufgenommen, die, wie bereits erwähnt, Giovanni Pietro da Corte im Jahr 1486 schuf.

Kapitell des Bogengangs im Innenhof des Schlosses Cusago

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DAS SCHLOSS IN ABBIATEGRASSO

GEMEINDE: Abbiategrasso (Mailand) TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza, Villavecchia, Cambiago, Saiz, Borgazzi, Nicorini ERHALTUNGSZUSTAND: Teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz der Stadtbibliothek Romeo Brambilla, der Tourismusagentur, des Verbands Pro Loco und der Stiftung für die Förderung der Region

Ostfront des Schlosses in Abbiategrasso

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Das heute sichtbare Schloss von Abbiategrasso wurde, wahrscheinlich gegen Ende des 13. Jahrhunderts erbaut, am Ostrand der Ortschaft als Ersatz einer früheren Festung (Castro Margazario), die sich südlich des Ortes nahe des Benediktinerklosters San Martino

befunden hatte. Vermutlich wurde es auf Initiative von Azzone Visconti (1329-1339) später ausgebaut und restauriert. Weitere Veränderungen wurden im Jahr 1381 von Gian Galeazzo Visconti veranlasst, aber erst 1438, unter Herzog Filippo Maria, baute man das Schloss umfangreich aus und dekorierte es neu. Nachdem die ursprüngliche Burg ihre Verteidigungsfunktion vorzeitig eingebüßt hatte, wählte sie Filippo Maria Visconti schon bald zu seiner bevorzugten außerstädtischen Residenz, weil sie von Mailand schnell und leicht zu erreichen war und in der Nähe eines großen Jagdgebietes lag. Bereits Galeazzo II Visconti (13541378) überließ das Schloss und die weiten Ländereien der Visconti rund um den Ort seiner Frau Bianca von Savoyen als Apanage. Damit führte er die Tradition ein, die Residenz in Abbiategrasso den jeweiligen Ehefrauen der Mailänder Herzöge zur Verfügung zu


ABBIATEGRASSO

stellen (diese Tradition wurde später auch von den Sforza übernommen). Indem sie die großen Güter in der Umgebung von Abbiategrasso und die Feudalherrschaft über eine der wohlhabendsten und aktivsten Ortschaften des Herzogtums ihren Gemahlinnen überließen, konnten die Herzöge die Erträge dieser reichen Gegend vollkommen unabhängig verwalten. Seine ausgeprägt „weibliche“ Ausstrahlung (im Gegensatz zu Cusago) verlieh dem Schloss Agnese del Maino, Geliebte des Herzogs Filippo Maria und Mutter der Herzogin Bianca Maria. Als Francesco Sforza und Bianca Maria im Jahr 1450 Herzöge von Mailand wurden, blieb die energische Agnese in Abbiate und zog gemeinsam mit der Mutter ihres Schwiegersohnes, Lucia Terzani, im Schloss die Kinder des jungen Herzogspaares in einer entspannten und häuslichen Atmosphäre auf. Die Anwesenheit dieser Nachkommen der neuen Dynastie Sforza im bevorzugten Schloss von Flippo Maria Visconti, wo Bianca Maria selbst aufgewachsen war, diente dem politischen Bestreben der Sforza, ihre Wurzeln und ihre Verbindung zu den Visconti hervorzuheben. Mit dieser Logik können auch die häufigen Aufenthalte von Galeazzo Maria Sforza sowie dessen Interesse für das Schloss und die Ortschaft erklärt werden. Auf Wunsch des Herzogs erblickte dessen Erstgeborener Gian Galeazzo Maria (20. Juni 1469) hier das Licht der Welt. Damit ahmte er den ersten Herzog von Mailand (Gian Galeazzo Visconti) nach, der seinerzeit verfügte, dass sein erster Sohn Giovanni Maria (7. September 1388) in diesem Schloss geboren werden sollte. Im Jahr 1480 wurde das Schloss zur festen Residenz der verwitweten Herzogin Bona von Savoyen, die deren Schwager (Ludovico „Il Moro“) aus Mailand vertrieben hatte. Dies entsprach dem Ehevertrag von 1468, in dem festgelegt war, dass sie im Witwenstand hier ihren dauerhaften Wohnsitz haben sollte. Nach den

Restaurierungsarbeiten in Cusago, Gambolò und Vigevano hielten sich die Sforza immer seltener in Abbiategrasso auf. Nach und nach wurde das Schloss nun wieder zunehmend als Festung genutzt und war zwischen 1524 und 1527 Schauplatz erbitterter Kämpfe zwischen Franzosen und den kaiserlichen Truppen. Dabei wurden Teile des Gebäudes zerstört und während der spanischen Zeit wurde es in ein Basteisystem eingebunden. 1658 wurden drei Türme abgerissen, der vierte gekürzt und der gesamte Südflügel des Baus entfernt. Gleichzeitig ging das Eigentum an Privatbesitzer über, die das ehemalige Schloss für bürgerliche Zwecke nutzten. 1862 wurde es an die Gemeinde veräußert. Auf Initiative der Verwaltung wurden in den Folgejahren die

Bottega Lombarda: Gian Galeazzo Sforza, Detail der „Truhe der drei Herzöge“, 1480-1494. Mailand, Civiche Raccolte d’Arte Applicata

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Perspektive der Ostfront des Schlosses, Abbiategrasso

Nebengebäude und Basteien abgerissen, der einstige Burggraben zugeschüttet, um Raum für den neuen Bahnhof zu schaffen, aber auch einige Restaurierungen vorgenommen. Heute erhalten ist lediglich ein Bruchteil des Ostflügels mit dem zugehörigen Turm und der Grundstruktur des Innenhofes. Im Hinblick auf die Dekorationen fällt sofort die Eleganz der zweibogigen Fenster aus Terrakotta auf, die vom Park in der Via Cavallotti aus zu sehen sind. Wenige Überreste

der Dekoration sind im Hof und in einigen Räumen erhalten. Im obersten Stockwerk, wo sich (im einstigen Dachboden) früher die Verliese befanden, sind in die Wände eingeritzte Botschaften zu sehen, hinterlassen von den damals zum Aufenthalt gezwungenen „Gästen“. Das Schloss mit viereckigem Grundriss und vier Türmen musste sich einst majestätisch über seine Umgebung erhoben haben, da die Türme noch wesentlich höher waren als die Gebäude. Der Bau umschloss einen fast quadratischen Innenhof, in der Vergangenheit gesäumt von einem eindrucksvollen Bogengang mit fünf Spitzbögen auf massiven Säulen an jeder Seite. Das Schloss war komplett mit leuchtenden Farben dekoriert (wie im Innenhof noch zu erkennen ist). Auf Ziegelattrappen an den Fassaden war das Motto des Dichters Petrarca A BON DROIT zu lesen und unter den Bogengängen (wie in Pandino) waren geometrische Kreismotive dargestellt, die wie gemalter Stoff wirkten. Fast alle Räume (außer den Weinkellern) hatten, ebenso wie in Pandino und Vigevano, Decken mit Holzbalken und keine Gewölbe. Die Aufteilung der Apartments im Inneren konnte nicht eindeutig rekonstruiert werden. Wahrscheinlich befanden sich die Empfangssäle im Ostflügel in Richtung Mailand, der über einen direkten und separaten Zugang sowohl vom Land als auch vom Kanal besaß (heute erkennbar an dem Wappen mit der Schlange). Zu diesem Flügel gehörten ferner ein hängender Garten und ein Belvedere auf der äußeren Befestigung. Der große Saal mit Kamin im Erdgeschoss (heute noch sichtbar) musste einer der wichtigsten Empfangssäle sein. Er hatte eine Dekoration aus weißen und schwarzen Rauten mit Inschriften, möglicherweise realisiert von den Malern Giovanni da Monza und Giovanni Pessina, und wurde zu besonderen Anlässen mit prunkvollen nicht permanentem Schmuck ausstaf-


ABBIATEGRASSO

fiert. Die Gemächer der Herzoginnen lagen wahrscheinlich an der Nord-OstEcke des Komplexes. Hierauf weist eine geritzte Inschrift mit dem Geburtsdatum des Herzogs Gian Galeazzo Sforza hin, die in einem Raum des Obergschosses – möglicherweise dem Zimmer von Bona von Savoyen – entdeckt wurde. Die Räume des Herzogs hingegen befanden sich im Südflügel (vollständig zerstört), an der Seite zum „Borghetto“ (Dörfchen), wo Filippo Maria Visconti einige Kammern errichten und von dem Maler Balzaro Piatti dekorieren ließ. Die Herzogskapelle Santa Maria befand sich (wie in Pavia) gleich rechts vom Eingang, in einem Anbau der Fassade und angrenzend an den heute nicht mehr erhaltenen SüdWest-Turm. Quellen aus dem 17. Jahrhundert zufolge war die Kapelle reich und elegant dekoriert. Das Schloss war nur am Rand in den Ort integriert. Dieser Ort hatte sich auf unübliche Weise bipolar entwickelt, mit einem Zentrum an der Pfarrkirche San Pietro (einzeln stehender Bau außerhalb der Stadtmauern) und einem weiteren am Kloster der Benediktinerinnen San Martino. Die befestigte Ortschaft mit der ursprünglichen Burg erstreckte sich rund um das Kloster und die alte Kirche Santa Maria. Später, um die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts, breitete sich die Siedlung nach Norden aus, in Richtung der Kirche San Pietro, und wurde von einer neuen, exakt rechteckig angelegten Stadtmauer umgeben, sodass die Burg nun in der Mitte der Ostmauer, parallel zur Straße zwischen Mailand und Vigevano, lag. Zwischen 1365 und 1372 wurde im neuen Ortsteil die Kirche Santa Maria Nuova errichtet. Der beeindruckende Bau entstand auf Wunsch des Lokaladels, wurde aber von den Visconti gefördert und finanziert. Aufgrund der häufigen Anwesenheit der Herrscher im Ort und mit der Gründung des Franziskanerklosters Santa Maria Annunziata entwickelte

sich nordöstlich vom Zentrum ein dritter Ortskern. Das Kloster wurde nach 1469 infolge eines Exvotos des Herzogs Galeazzo Maria errichtet, das dieser einige Jahre zuvor abgelegt hatte, und im Jahr 1472 geweiht. Die Niederlassung der Franziskaner an dem vom Hof viel besuchten Ort förderte die religiösen Bündnisse, die die zu dieser Zeit bereits verstorbene Großmutter Agnese del Maino geknüpft hatte, und auch in Galliate gab es ähnliche Projekte. An der Straße nach Mailand berührte die Stadtmauer das „Castelletto“, eine kleine Burg, die von der Familie Torriani an die Visconti übergegangen war. Die Burg befand sich in einer strategischen Lage und diente der Überwachung der Kanalgabelung.

Innenhof des Schlosses, Abbiategrasso Gemalte Dekoration im Innenhof des Schlosses, Abbiategrasso

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DAS SCHLOSS IN BEREGUARDO

GEMEINDE: Bereguardo (Pavia) TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Attendolo Bolognini, Maruzzi da Tolentino ERHALTUNGSZUSTAND: Teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Rathaus und Sitz der Stadtbibliothek

Eingang des Schlosses in Bereguardo

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Die ersten Zeugnisse des Schlosses von Bereguardo gehen auf den Herbst des Jahres 1351 zurück, als es bereits ein gelegentlicher Aufenthaltsort des Hofes von Galeazzo II Visconti war. Die ursprüngliche Festung mit der Ortschaft hatten die Visconti möglicherweise aus der Mensa Episcopalis des Bistums von Pavia erwor-

ben. Obwohl es zu den Festungen des Herzogtums zählte, wie die architektonische Struktur des Baus selbst belegt, schien es weniger zu Verteidigungszwekken und vorwiegend als Residenz genutzt worden zu sein. Aus der Zeit zwischen 1392 und 1438 sind Restaurierungsarbeiten dokumentiert. 1448 schenkte Francesco Sforza den Palast und das Besitztum Bereguardo dem Burgherren von Pavia, Matteo Marcagatti Attendolo Bolognini (der es seinerseits der Schwiegermutter des Sforza, Agnese del Maino, übergab). Nachdem der Kondottiere im Jahr 1450 Herzog geworden war, überließ er den Besitz und das Lehnsgut seinem Schwiegersohn Giovanni Maruzzi da Tolentino. Diese erste Schenkung des Herzogs erweist sich als emblematisch für die Situation, die mit Einführung der neuen Dynastie entstanden war. Francesco Sforza musste geduldige und diplomatische Vermittlungsarbeit leisten, sowohl gegenüber seinem eigenen Gefolge (wie Tolentino), das in das Mailändische System eingeführt werden sollte, als auch gegenüber dem Lokaladel, der in seinen Ansprüchen befriedigt werden musste. Um die Gunst Letzterer zu erwerben und Erstere in die Gesellschaft des neuen Herzogtums einzuführen, verschenkten Francesco und Maria viele ihrer staatlichen Besitztümer, inklusive Schlössern. Die Tolentino blieben Herren von Bereguardo bis zum ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Gleichzeitig wurde das Schloss zwischen den verschiedenen Zweigen der Dynastie aufgeteilt und an der gegenüberliegenden Seite des Platzes wurde eine prunkvolle Barockvilla errichtet. Im Jahr 1897 schenkte der Ingenieur Giulio Pisa den gesamten Komplex der Gemeinde. Das Schloss dominiert massiv von einer sanften Anhöhe das Ticino-Tal. Ebenso wie bei dem Schloss in Pavia entstand die heute sichtbare U-Form durch den Abriss des Flügels, der den Innenhof nach Westen abschloss. Gemeinsam mit diesem Gebäudeflügel sind auch die Bogengänge, die Kapelle und ein Turm verloren gegangen, die wahrscheinlich bereits im


reich dekoriertes „camera regale“ (Herrschaftszimmer) mit zwei vergoldeten Altarbildern (ein Ölgemälde, das die Jungfrau Maria darstellt und eine Leinwand, auf der der Heilige Hieronymus zu sehen ist) bei dem es sich möglicherweise um den Raum mit dem noch heute sichtbaren, schönen zweibogigen Fenster handelt, die Kapelle San Nicola da Tolentino (die sich in dem heute zerstörten Flügel zum Garten befand), ein Turmzimmer, zwei Kanzleien, Räume für den Gutsverwalter und den Prätor sowie Ställe, Küchen, Vorratskammern und Weinkeller. In den Aufstellungen über die Dekorationen des Schlosses wird ferner eine beachtliche Anzahl von Wandteppichen mit Figuren, Blatt- und Tiermotiven („a figure, a fogliami et animali“) erwähnt. Im 17. Jahrhundert gab es in einigen Räumen (darunter möglicherweise dem als „Falken- und Habichtsaal“ bezeichneten) Wandmalereien, die vermutlich Jagdszenen darstellten. Ein Besucher aus dem 19. Jahrhundert erinnert sich an Inschriften in deutscher Sprache: Hierbei handelte es sich wahrscheinlich um das Motto der Sforza MIT ZAIT, kombiniert mit der Hauswurzknospe, die Francesco Sforza als Symbol gewählt hatte, um die Bedeutung der Geduld bei diplomatischen Handlungen zu unterstreichen.

BEREGUARDO

17. Jahrhundert abgerissen wurden. Unter der Leiste aus gibellinischen Zinnen (zum Teil zugemauert) auf den Kurtinen aus Terrakotta-Ziegeln sind noch immer die Spuren der verschiedenen ursprünglichen Öffnungen zu sehen. Das schönste Fenster befindet sich über dem Nordflügel. Mit seiner schlanken Marmorsäule ist es besonders elegant und entstand auf Initiative des Herzogs Filippo Maria, wie das Monogramm FM belegt. Sowohl im Hof als auch in den Räumen ist die erlesene Ästhetik des 15. Jahrhunderts fast vollständig verloren gegangen. Einige Räume des Schlosses werden in zwei Bestandslisten, jeweils aus den Jahren 1516 und 1517, erwähnt. Diese zwei Auflistungen der von den Brüdern Ludovico und Giovanni Tolentino in Bereguardo verwahrten Güter ergänzen sich gegenseitig und vermitteln eine Vorstellung von dem Gebäudekomplex und dessen prunkvoller Einrichtung. Die um den großen Hof und einige Nebenhöfe angeordneten Gebäude hatten diesen Inventaren zufolge einen Bogengang mit Marmorsäulen und einen „salla aperta“ (offenen Saal), zwei Apartments für die Damen (jeweils eins im Erd- und Obergeschoss), einen großen Saal in dem Flügel mit Blick auf die Kirche und einen weiteren in dem zum Platz, ein

Innenhof des Schlosses, Bereguardo

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DAS VISCONTI-SCHLOSS IN PAVIA

GEMEINDE: Pavia TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: Teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Stadtmuseum und Ausstellungsort

Blick auf das Castello Visconteo in Pavia und Umgebung

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Das Schloss von Pavia ist das authentischste Zeugnis für das, was sich die Visconti unter Herzogswürde vorstellten. Die Bauarbeiten begannen 1360, kurz nach dem Bau der dritten Stadtmauer (12. Jahrhundert), und dauerten 5 Jahre. Das Schloss entstand wahrscheinlich am

Standort einer alten, von Matteo Visconti errichteten Festung und sein monumentaler Charakter ist zum Teil bis heute erhalten. Der Gebäudekomplex grenzt an eine militärische Zitadelle, die sich bis zum Kloster San Pietro in Ciel d’Oro erstreckt. Er wurde kurz nach der endgültigen und mühevollen Eroberung der antiken longobardischen Hauptstadt (1359) direkt als Palast erbaut und beherbergte sofort den Hof von Galeazzo II Visconti. Der mächtige viereckige Bau mit Türmen und einer Seitenlänge von 150 Metern musste zu jener Zeit eins der bedeutendsten zivilen Bauwerke Europas sein und verkörperte unmittelbar das Prestige der Herren Visconti, die sich zu dieser Zeit mit den Königen von


PAVIA

Frankreich und England verschwägerten. Vergleichsweise sei angemerkt, dass das Pariser Schloss Louvre, das König Karl V von Frankreich, ebenfalls im Jahr 1360, restaurieren ließ, und das auf den Raum der alten Burg von Phillip II begrenzt war, einen Grundriss hatte, der gerade einem Viertel der Fläche des Schlosses in Pavia entsprach. Noch heute überrascht die Gleichförmigkeit und Modularität des architektonischen Projekts. Jeder Flügel war (zum Teil ist) in elf Gewölbebögen unterteilt. Dieser Gewölbebogen bildete das Grundmodul für die Zimmer mit einem, zwei, drei Gewölben, bis hin zu den fünf Gewölben des Jagdsaals. Nach Abschluss des Rohbaus beauftragte Galeazzo II Giovanni Dondi mit der Konstruktion einer astronomischen Uhr, die in einem der Türme installiert werden sollte. Im gleichen Jahr rühmte Francesco Petrarca in einem Brief an Giovanni Boccaccio die „structurae mirabilis“ des Schlosses und im Jahr darauf bat Galeazzo persönlich den Stadtherren von Mantua Guido Gonzaga, ihm Maler zu schicken, die die Räume dekorieren sollten. Zur gleichen Zeit wurden auch Künstler aus Bologna nach Pavia gerufen. Im Jahr 1380 wandte sich Galeazzo erneut an die Mantuaner, auf der Suche nach geschickten Malern, die an seinem Hof Tiermotive realisieren sollten. Wahrscheinlich im gleichen Zeitraum wurde geplant, den luftigen Bogengang teilweise zu schließen, um dort weitere, dem Hofleben angemessene Räume zu realisieren. Filippo Maria Visconti hielt sich nur gelegentlich in Pavia auf. Er bevorzugte Mailand und die Schlösser in Abbiategrasso, Bereguardo und Cusago. Auf seinen Wunsch war jedoch der Künstler Pisanello ins Schloss gerufen worden, der hier, möglicherweise ebenso wie in Mantua, die Tjosten und Zerstreuungen der Visconti malte. 1448 schenkte der Burgherr Matteo Marcagatti da Bologna das Schloss Francesco Sforza, durch Vermittlung von Agnese del Maino, Schwiegermutter des Kondottieres und Begün-

stigte des Hofes. Aber erst unter Galeazzo Maria Sforza gewann das Schloss in Pavia die Bedeutung zurück, die es einst unter den ersten Visconti hatte. Galeazzo verlegte den Hauptsitz des Hofes nach Pavia, die Aufenthalte im Schloss wurden immer häufiger und bald länger als die Zeit, die man in Mailand verbrachte, und der Standort entwickelte sich zu einem wichtigen Angelpunkt für die Fortführung der Politik seiner Vorfahren der Dynastie Visconti. Mit dem Tod des Herzogs schwanden auch die Pläne für Pavia und in dem Schloss hielt sich oft der junge Herzog Gian Galeazzo Maria Sforza (1476-1494) auf, der von seinem Onkel Ludovico „Il Moro“ aus Mailand verdrängt worden war. Nach der französischen Invasion im Jahr 1499 büßte das Schloss seine höfische Funktion ein und wurde zunehmend als Festung und Kaserne genutzt. 1525 wurde während der Schlacht bei Pavia der Nordflügel zerstört, in dem sich die herzoglichen Gemächer befanden. Damit gingen auch die schönsten Malereizyklen und die kostbarsten Säle des Visconti-Schlosses verloren. Während der Plünderungen von 1527 wurde weiteres Inventar entwendet und es wurden die zwei Türme an der Parkseite abgerissen. Bis 1921 wurde das ehemalige Schloss für militärische Zwecke genutzt.

Giovanni Andrea Vavassore (zugeschrieben): Belagerung der Stadt Pavia durch den König von Frankreich, 1525. Pavia, Musei Civici

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Flämische Manufaktur: Die Schlacht bei Pavia, 16. Jahrhundert. Neapel, Polo Museale Napoletano, Museo Nazionale di Capodimonte

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Im darauf folgenden Jahrzehnt wurde es restauriert und heute beherbergt es die Museen der Stadt Pavia. Die zur Stadt weisende Fassade hat zum Teil noch ihr ursprüngliches Aussehen, mit ihren Zinnen, den abschließenden hohen Türmen und den gleichmäßig angeordneten, eleganten zweibogigen Fenstern. Von den ursprünglich drei Toren sind zwei erhalten: das zur Stadt und das Westtor (das einst an die befestigte Zitadelle grenzte). Dieses zweite Tor ist der heutige Eingang, durch den man zu den Museen gelangt. Der große Innenhof (aufgrund des zerstörten Flügels an der Nordseite geöffnet) ist von einem eleganten Bogengang mit Spitzbögen gesäumt, die auf achteckigen Säulen ruhen. Im Obergeschoss wird die Innenfassade des zur Stadt weisenden Flügels von regelmäßig angeordneten Vierbogenfenstern mit Rosetten aufgelockert. An den kurzen Seiten befinden sich einbogige Vielpassfenster und zweibogige Fenster, die die ursprünglichen Vierbogenfenster ersetzen (diese wurden zum Ende des 14. Jahrhunderts geschlossen, um Raum für neue Apartments zu schaffen). Von der einst üppigen Dekoration ist nur wenig erhalten. Lediglich im Blauen Saal („Sala Azzurra“) des Süd-WestTurms, im Saal der Zofen („Sala delle

Damigelle“) und im Rosensaal („Sala delle Rose“) im Ostflügel sind noch bedeutende Werke der Hofmalerei zu sehen. Insbesondere die Zofen, gemalt vor einem wie ein Wandteppich wirkenden Hintergrund mit stilisierten Rosen und unter gotisch anmutenden Bögen, gelten als das bedeutendste Kunstwerk des Komplexes. Weitere Spuren von Malereien sind in den Bogengängen (das Motiv bezieht sich möglicherweise auf die Eroberung von Pavia durch die Visconti), in der Nähe der antiken Kapelle und in einigen anderen Sälen erhalten. Direkt hinter dem Haupteingang zur Stadt befand sich einst die herzogliche Kapelle. Über eine Treppe, die sich in etwa an der gleichen Stelle der heutigen befunden hat, gelangte man zu den Loggien des Obergeschosses. Auf der linken Seite befand sich die reich ausgestattete Bibliothek, während auf der rechten die Kanzleien lagen, gefolgt von zunehmend reich dekorierten Räumen im Ostflügel. Besonders beeindruckt waren die Besucher hier von dem „Saal der Leoparden“ mit Motiven exotischer Tiere, ähnlich wie jene aus dem „Musterbuch“ von Giovannino de’ Grassi, das heute in Bergamo verwahrt wird, aber genau in der Zeit der Visconti entstanden ist. In vielen Räumen gab es Wandmalereien, die Jagdszenen mit Löwen, Leoparden und


PAVIA

Tigern, aber auch Falken, Windhunden, Bracken, Hirschen und Wildschweinen darstellten. Weitere Zimmer hatten Blütendekorationen mit Veilchen und anderen Blumenarten. In der Mitte des Nordflügels befand sich der Jagdsalon („Salone delle Cacce“) mit Abmessungen von rund 40 x 12 Metern. Die Wände des Saals waren mit Jagdund Fischfangszenen sowie Bildern von Turnieren und anderen Vergnügungen des Herzogs dekoriert. In diesem Saal

gab es ferner ein berühmtes Portrait von Gian Galeazzo Visconti, umgeben von einem Rudel Hunde. Zentral an der zum Park weisenden Front öffnete sich ein enormer Balkon (ca. 6 Meter breit und 7 Meter hoch). Hierzu schrieb der der Berichterstatter aus Pavia Stefano Breventano: „Auf dem aus einer sechsteiligen Öffnung hervorspringenden Gestade ließen sich die Herrschaften zur Sommerszeit ihr Mahl aufwarten, ergötzten sich an der frischen Abendbrise und

Das Dekorationsprogramm von 1469 und die Reliquien-Kapelle Gewölbe mit Sternenhimmel und Motiven von den Heldentaten des Galeazzo Maria Sforza. Pavia, Castello Visconteo, Blauer Saal

Im Jahr 1469 wurde der Hofmaler Bonifacio Bembo beauftragt, eine Liste der Wandmalereien im Schloss von Pavia und anschließend einen Kostenvoranschlag für die Restaurierung, aber auch die Ergänzung der bereits reichen Dekoration zu erstellen. Dieses Dokument (das im Mailänder Staatsarchiv verwahrt wird) bietet außerordentlich nützliche Informationen für die genaue Rekonstruktion des Schlosses und seiner Malereizyklen, aber auch über die größenwahnsinnigen Projekte von Galeazzo Maria Sforza und dessen unbezwingbaren Willen, sich in die prestigeorientierte Politik der Visconti zu integrieren. Der fünfte Herzog von Mailand wollte einige Räume der herzoglichen Gemächer mit Hofszenen (Empfang von Botschaftern, Sitzungen des herzoglichen Rates, Essen und Empfänge) sowie mit historischen Motiven wie seiner Hochzeit mit Bona von Savoyen. Von diesen Räumen, in denen sich die dargestellten Kapitel mit einer durchgehenden Dekoration (Motive mit Mottos und Heldentaten) abwechseln, ist lediglich der Blaue

Saal im Erdgeschoss des Süd-Ost-Turms erhalten. Hier wechseln sich in geometrischen Segmenten unter einem Sternenhimmel mit dunkelblauem Hintergrund Darstellungen verschiedener Unterfangen der Sforza ab. 1474 wurde, ebenfalls auf Initiative von Galeazzo Maria Sforza, ein Projekt für die Neugestaltung der Herzogskapelle erstellt. Nach diesem Projekt sollte die Hofkirche, die sich unter den ersten zwei Bögen rechts vom Eingang zur Stadt befand, eine Art immenses, kostbares Reliquiar werden, ähnlich der Kaiserkapelle im Schloss Karlštejn (Tschechische Republik). Unter einem dunkelblauen Himmel mit goldenen Sternen sowie unter den Lünetten mit Szenen aus dem Leben Christi öffnete sich an der Wand ein gigantischer Flügelaltar aus vergoldetem Holz. Ein ebenfalls vergoldeter Lettner teilte das Ambiente in zwei Bereiche. Im Inneren des Flügelaltars sollten auf Konsolen und in Laden die zahlreichen Reliquien verwahrt werden. Die Fächer sollten mit 200 Tafeln mit Heiligenbildern auf vergoldetem Grund verschlossen werden. Realisiert werden sollte das Werk von einer Gruppe Hofmaler unter der Leitung des alten Bonifacio Bembo und des gerade aufsteigenden Vincenzo Foppa. Das Projekt wurde wahrscheinlich nie abgeschlossen und die Reliquien, die der Gemeinde Pavia geschenkt worden waren, fielen den Plünderungen von 1525 bis 1527 zum Opfer.

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Schlosshof, Pavia. Sichtbar die Vierbogenfenster mit Rosetten

speisten alle wohlgemut zum süßen Klang der Tromboni, Cornetti, Flöten und allerlei anderer Instrumente.“ Von dem Saal gelangte man nach Osten in die Gemächer des Herzogs und nach Westen in die der Herzogin. Insbesondere das Apartment des Herzogs (seinerzeit Galeazzo Maria Sforza) musste äußerst komplex und gegliedert sein. Es umfasste den Rätesaal „ganz in

dunklem Golde“ mit Freskenmalereien, die an der Decke die Planeten und an den Wänden den Herzog zwischen seinen Hofräten darstellten, eine zweite Kapelle, ein Vorzimmer mit Bildern der Diener, die dem Herzog am nächsten standen, das Schlafzimmer und ein Empfangssaal mit roten Wänden und dem Emblem der „raza“ (eine strahlende Sonne), ein zweites Vorzimmer mit Portraits der Herzogsfamilie und der ersten Adligen des Herzogtums sowie einen Speisesaal mit Fresken, die Adlige aus Pavia darstellten, wie sie dem Herzog servieren. Diese strenge Aufteilung der Räume nach ihrer Funktion (in Mailand wesentlich weniger ausgeprägt) und die Gestaltung mit entsprechender Dekoration lassen vermuten, dass bei Empfängen in Pavia eine Etiquette und ein Hofprotokoll gegolten haben muss, das sich bereits den Gepflogenheiten der europäischen Königshöfe des 17. Jahrhunderts annäherte. Die Gemächer der Her-

Ein Aufbewahrungsort für Familienkultur und Familiengedenken Im Süd-West-Turm des Schlosses befanden sich in der ersten Etage das Archiv und die Bibliothek der Visconti. In Pavia gab es rund 1.000 Bücher (951 in der Zeit von 1489 bis 1490), in etwa die gleiche Anzahl wie in der Tour de la Librairie des Louvre. Texte in griechischer, lateinischer, hebräischer und französischer Sprache, medizinische und juristische Werke, Bibeln, Hagiographien und Originale der Werke von Francesco Petrarca, der sich im Schloss von Pavia aufgehalten hatte, standen hier Seite an Seite mit der neuesten Hofliteratur und miniaturverzierten Bänden, in denen Geschichten der Dynastien Visconti und Sforza erzählt wurden. Einige der schönsten Bände wurden im Jahr 1499 auf Wunsch von Ludwig XII in das Schloss von Blois verlagert und werden heute in der französischen Nationalbibliothek verwahrt. Der in Pavia aufbewahrte Teil des Archivs der Visconti waren die historischen Memoiren der Herrscherfamilie. Es handelte sich hierbei also nicht um das laufende Archiv, das hingegen

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bei den verschiedenen Richterämtern in Mailand oder in der herzoglichen Kanzlei geführt wurde, sondern um ein Familienarchiv über Privatangelegenheiten der verschiedenen Mitglieder der Dynastie oder über Beziehungen zu anderen bedeutenden europäischen Familien (insbesondere durch Heirat eingegangene Verbindungen). In Kisten und Regalen aufgereiht gab es Bücher über die Grafen Bernabò, Register und Aufzeichnungen über die verschiedenen, von den Visconti beherrschten Gebieten, Texte über die kaiserlichen Privilegien, Aussteuerurkunden (insbesondere die kritischen über die Thronfolge bezüglich Valentina Visconti) sowie die Testamente. Nach dem Fall der Sforza wurde dieses Archiv fast komplett aufgelöst, lediglich einige Dokumente befinden sich heute in Paris und einige andere in den Mailänder Bibliotheken Ambrosiana und Trivulziana. Das Archiv und die Bibliothek in Pavia stärkten die Rolle des Schlosses als Aufbewahrungsort für Belege der historischen und kulturellen Würde des Herzogs und der Dynastie Visconti-Sforza.


PAVIA

zogin waren mit Motiven offizieller Hofszenen sowie Darstellungen von Spiel und Unterhaltung dekoriert. Ebenso gab es Bilder der Hochzeit von Bona von Savoyen mit Galeazzo Maria Sforza, auf denen das Gefolge des Königs von Frankreich, das die Braut begleitet, besonders hervorgehoben war. Ein ganz besonderer Raum musste die Schatzkammer gewesen sein, die sich im Erdgeschoss des heute nicht mehr vorhandenen Nord-West-Turms befand. Dieser Raum wurde auch Spiegelsaal („Sala degli Specchi“) genannt und wird von Breventano folgendermaßen beschrieben: „…mit eckigen Glasstükken, jedes so groß wie eine Handfläche, in vielerlei Farben desgleichen wie in Kirchen. Und in jedem dieser Glasquadrangel waren ein Mensch oder ein Tier, ein Pflanze oder eine Blüte abgebildet, ganz aus Gold, sodass die Strahlen der im Osten aufgehenden Sonne aufgefangen und zurückgeworfen wurden und so viel Licht und Herrlichkeit verbreiteten, dass jeder, der den Raum betrat, geblendet ward. Der Boden dieses fabelhaften Gemachs war ganz von einem Mosaik bedeckt, auf dem antike Dichtungen und Erzählungen zu lesen waren, und ringsum an den Wänden waren geschnitzte Bänke aufgestellt, mit Lehnen so hoch, wie ein stehender Mann mit der Hand anrühren kann.“ In das Stadtgefüge von Pavia war das Schloss im Norden integriert worden, sodass es einen zusätzlichen Ortskern bildete. Die Visconti hatten eine neue Zufahrt (Corso Strada Nuova) errichtet, die den Verlauf der (im Wesentlichen bereits geraden) Straße von Pavia leicht abwandelte und das Schloss direkt mit der befestigten Brücke über den Ticino verband. Zur Zeit der Sforza wurde an dieser neuen Straße das Krankenhaus San Matteo eröffnet (heute Universität). Zwischen dem Schloss und dem historischen Ortskern, an der Pfarrkirche Santa Maria in Pertica (wunderschöner Zentralbau aus dem 7. Jahrhundert, zerstört 1815) wurde auf dem Gelände des anti-

ken longobardischen Friedhofs, der einst außerhalb der Stadtmauern gelegen hatte, ein elegantes Hofviertel errichtet. In die Befestigungen an der Westseite des Schlosses war die antike Kirche San Pietro in Ciel d’Oro integriert, eine heilige, symbolische und bedeutende Stätte, da sich hier das Grabmal des Heiligen Augustinus befindet. Die Nebengebäude des Hofes erstreckten sich über den gesamten nördlichen Teil der heutigen Viale Giacomo Matteotti. Hier, zwischen dem Schloss und dem Augustinerkloster, wurde in der Zeit der Sforza der „Salone della Balla“ errichtet, ein Nebengebäude des Schlosses, das ausschließlich für die Unterhaltung des Hofes genutzt wurde. Der heute nicht mehr erhaltene Bau hatte perfekt harmonische Formen und eine exzellente Akustik. Im Norden erstreckte sich der gigantische Park und an dessen Grenze wurde im Jahr 1396

Bernardino Lanzani (zugeschrieben): Ansicht von Pavia, um 1522. Pavia, San Teodoro

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Der Park und das Schloss Mirabello

Putti, Füllhörner und Vasen, 1520-1521. Pavia, Schloss Mirabello, Obergeschoss

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Während an den Wänden der Gemächer das ganze Repertoire exotischer und seltsamer Tiere aus mittelalterlichen Tierbüchern zu sehen war, tummelten sich im Viridarium nördlich des Schlosses zwischen Gärten und Wäldchen ungewöhnliche Tiere und einheimisches Wild. Der Schlosspark mit einer Fläche von insgesamt 22 Quadratkilometern war in mehrere Bereiche gegliedert, die durch Mauern voneinander getrennt wurden. In der Nähe des nördlichen Burggrabens (mit direktem Ausblick vom großen Balkon des Jagdsaals) lagen der herzogliche Garten und der „Parchetto“ (kleiner Park). Hier mussten sich der große Fischteich und Kanal (möglicherweise mit direkter Zufahrt vom Naviglio) und der Badepavillon (oder Bagno della Duchessa) befunden haben. Das quadratische Wasserbecken (etwa 20 Meter Seitenlänge), gesäumt von vier weißen Marmorstufen und überdacht mit einem Pavillon aus bemaltem Lärchenholz war der ideale Ort für die sommerliche Entspannung der Hofmitglieder. Rund um das Tal des Wildbaches Vernavola und entlang der heutigen Verkehrsachse Via Torretta-Via Vigentina erstreckte sich der alte Park, umgeben von einer 15 Kilometer langen Mauer. In der Mitte dieses Gebiets lag das Schloss Mirabello. Es war der Wohnsitz des Parkwächters (Verwalter des herzoglichen Besitzes), Unterschlupf für die Jagdausflüge des Herzogs und, im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, Schloss von Galeazzo Sanseverino. Heute wird es als Ferienbauernhof genutzt und ist in der gleichnamigen Ortschaft (Strada Bompiumazzo 250) teilweise noch zu sehen. Der von dem ursprünglichen Bau erhaltene Teil erhebt sich mit roten Ziegelsteinen, gotischen Fenstern und einer Steingalerie auf Kragsteinen aus Serizzo (wie am Palast des Sanseverino in Vigevano) über die umliegende Landschaft. Der erste Herzog Mailands, Gian Galeazzo Visconti (ab 1395), vergrößerte den Park um weiteren Grund, den er von kirchlichen Institutionen und Adligen aus Pavia erwarb. Die Umfriedungsmauer des neuen Parks war 6 Kilometer länger als die alte und erreichte an der Porta Augusto die herrschaftliche Stiftung der Kartause von Pavia, die in den gleichen Jahren auf Wunsch des Herzogs Gian Galeazzo entstand. In diesem Gebiet mit Besitztümern des Herzogs und privaten Ländereien wechselten sich Jagdreviere und landwirtschaftlich genutzte Flächen ab, die im Jahr 1525 zum Schauplatz der berühmten und verheerenden Schlacht bei Pavia wurden.


PAVIA

die Kartause von Pavia gegründet, ursprünglich als Wallfahrtsort für die Dynastie und herzoglicher Friedhof. Innerhalb eines Jahrhunderts hatte sich die Stadt dank der konstanten Eingriffe sowohl der Visconti als auch der Sforza, zu einem Meisterwerk des höfischen Städtebaus entwickelt, mit einer idealen „Achse der Macht“, die die befestigte Brücke, die neue Straße, das Krankenhaus, das Hofviertel, den Palast, die Burg, den Park und den Friedhof miteinander verband. Abgesehen von den Schäden, die durch die Schlacht bei Pavia verursacht worden waren, haben die Bauprojekte Napoleons, die Neugestaltung des Schlossplatzes (Piazza Castello) und der Viale XI Febbraio nach der italienischen Vereinigung, der Bau der Eisenbahnlinie nördlich des Schlosses und schließlich die spätere Urbanisierung des Parks das Bild der Festung und

deren Bezug zur Stadt verändert und den Palast vom Stadtkern, von der nicht mehr vorhandenen, nebenliegenden Festung und vom Park getrennt.

Cristoforo Solari: Grabmonument von Ludovico Sforza und Beatrice d’Este, 1497, Detail. Kartause Pavia, Kirche

Kontrolle über die Zeit: Das „Astrario“ von Dondi „Item horologium unum magnum cum theoricis septem planetarium cum spera una cum ymaginibus et cum cosmographia et capsa sua lignea picta esistens in medio camere ipsius librarie cum libro uno pro eius reformacione cum clavis octo habentes arma ducalia“: Mit diesen Worten wurde im Jahr 1489 die voluminöse Maschine für die Messung der Zeit und der Planetenbewegungen beschrieben, mit deren Bau Galeazzo II Visconti 1365 den Arzt, Wissenschaftler und Künstler Giovanni Dondi (1318-1388) aus Padua beauftragte. Diese beeindrukkende, symbolisch in der Mitte der reich ausgestatteten Bibliothek (erste Etage des Süd-West-Turms) aufgestellte astronomische Uhr hatte Dondi 16 Jahre Studium und Arbeit gekostet. Der komplexe Apparat hatte sieben Quadranten, die die Bewegung der sieben damals bekannten Planeten anzeigten. Er funktionierte bis 1440 und blieb dann stehen, wurde restauriert und war 1529, als Kaiser Karl V ihn bewunderte, erneut defekt. Das Aussehen der Konstruktion kann anhand der von Dondi selbst ver-

fassten Dokumentation Tractatus Astrarii nachvollzogen werden. Die Uhr und die Begleitdokumentation faszinierten auch Donato Bramante, der 1495 den Burgherren von Pavia bat, „einige Zeichnungen über eine Uhr, die sich in dieser Bibliothek befand und gewisse Planeten zeigte“ einsehen zu dürfen, möglicherweise, um sie in dem Rundzimmer „Cello Tondo“ im Schloss von Vigevano zu malen. Wer sich für das Aussehen des Mechanismus interessiert, kann sich die Rekonstruktion aus dem Jahr 1963 ansehen, die von dem Mailänder Uhrmacher Luigi Pippa realisiert wurde und im Nationalmuseum für Wissenschaft und Technik (Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia) Leonardo da Vinci in Mailand ausgestellt ist.

Luigi Pippa: Astrario von Giovanni Dondi, 1963. Mailand, Museo Nazionale della Scienza e della Tecnologia Leonardo da Vinci

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DAS SCHLOSS IN BINASCO

GEMEINDE: Binasco (Mailand) TYP: Festung, Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: Umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Rathaus Das heute als Rathaus genutzte Schloss von Binasco befindet sich im Ortskern, nahe der Kirche Santo Stefano. Unweit von hier fließt der Naviglio Pavese und noch näher, gleich südlich der Festung, der Ticinello, der einst die Grenze zwischen den Territorien des Umlandes von Mailand und Pavia bildete. Die Festung ist berühmt als das Gefängnis der Ehefrau von Herzog Filippo Maria Visconti, Beatrice di Tenda, die er im Jahr 1418 des Ehebruchs beschuldigte und enthaupten ließ. Der Bau stammt aus dem 14. Jahrhundert und ist ein Sinnbild der besonderen Aufmerksamkeit, die die Visconti „ihrer“ Heimat Binasco Ansicht des Schlosses in Binasco

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zukommen ließen. Der Ort, in strategischer Lage an der Straße, die von Mailand nach Pavia führte, wurde bereits im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts Privateigentum der Herren von Mailand. Sie war Teil des beachtlichen Vermögens, das sich die Familie zu dieser Zeit im Umland der Stadt aufbauen wollte, in gewisser Hinsicht motiviert von dem Wunsch, durch Besitztümer ihre damals noch instabile Herrschaft zu festigen. Späteren Zeugnissen zufolge wurden sofort nach dem Erwerb im Ort neue Bauten errichtet, die eine Verlagerung des Ortes vom Südufer des Ticinello (wo sich die antike Pfarrkirche San Giovanni befand) an das Nordufer bewirken sollten. In diesen Jahren, wahrscheinlich zwischen 1315 und 1319, ließ Luchino Visconti die Kirche Santo Stefano als neue Pfarrkirche von Binasco errichten und weihen. Vor diesem Hintergrund wurde auch das Schloss erbaut. Seine erste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1329, in dem es von Azzone Visconti und dessen Onkel Giovanni als Gefängnis für Feinde genutzt wurde.


BINASCO

Der Ticinello in Binasco, 1566. In der Mitte das Schloss von Binasco

Dank erheblicher steuerlicher und rechtlicher Begünstigungen vergrößerte sich die Bevölkerung ebenso wie der Reichtum in Binasco in den folgenden Jahrzehnten sehr rasch. Der Ort war Marktplatz und Verwaltungssitz eines großen Besitztums der Visconti, das damals die Ausdehnung der heutigen Gemeinde hatte. Die Ortschaft war von einem Schutzwall umgeben und eine Vorburg gewährte die sichere Verwahrung von Gütern, die Unterbringung von Tieren sowie bei Bedarf auch Schutz für Personen. Allein das Schloss blieb stets im ausschließlichen Besitz der Herzöge. Auch als Gian Galeazzo Visconti im Jahr 1396 alle Gebäude und Ländereien von Binasco der Kartause von Pavia übertrug, war nur die Festung von dieser Schenkung ausgeschlossen. Bauarbeiten für die Umgestaltung zur Residenz sind seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts dokumentiert. Ebenso ist belegt, dass sich die Herzöge Sforza in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts während ihrer Besuche in der Gegend in diesem Komplex aufhielten. Mit großer Wahrschein-

lichkeit wich das damalige Aussehen des Schlosses nicht wesentlich von dem ab, das mit Zeichnungen und Beschreibungen aus dem 16. Jahrhundert belegt ist. Es hatte einen breiten Burggraben, Zugbrücken, vier Ecktürme und einen hohen Mittelturm. Im Residenzflügel gab es einen großen Salon und im Erdgeschoss befanden sich Weinkeller und Gefängnisse. Letztere waren insbesondere für die dort herrschenden Zustände gefürchtet, aufgrund derer der Aufenthalt aller, die hier „verweilten“, innerhalb weniger Wochen fatale Folgen hatte. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde der Komplex umgebaut und restauriert. Nach den Plünderungen in napoleonischer Zeit und einem verheerenden Brand (1869) war das Schloss zum Ende des 19. Jahrhunderts schließlich schwer beschädigt. Das heutige Aussehen ist das Ergebnis späterer Restaurierungen und vermittelt auf jeden Fall einen Eindruck von der mächtigen Präsenz der einstigen Festung. An der Südfront sind zwei der antiken Ecktürme erhalten, während von dem Mittelturm keine Spur verblieben ist. 63



SCHLOSSRUNDGANG 3

Mit dem Herzog auf Jagd Herzogsresidenzen im lombardischen Nebel GAMBOLÒ VIGEVANO CASSOLNOVO

Jagdszene, aus Trattato di falconeria e caccia per Francesco Sforza, 1459. Chantilly, Bibliothèque du Musée Condé

„Ganz in Schwarz gekleidet, tief erschüttert, auf einem Rappen und umringt von einem Rudel Hunde, fegte er dahin.“ So wurde Galeazzo Maria Sforza zwischen den Nebelschwaden der herzoglichen Jagdgebiete von einem Edelmann auf seinem Weg nach Mailand beobachtet. Als der Adlige die Stadt erreichte, erfuhr er zu seinem Entsetzen, dass der Herzog an diesem Tag in der Kirche Santo Stefano ermordet worden war und er im Wald dessen Geist im Jagdgewand gesehen hatte. Dies geschah am 26. Dezember des Jahres 1476. Die Anekdote, die wie ein Gemisch aus gotischem Roman und Ghost Story anmutet, wird in einem moralistischen Kurzepos erzählt, das fast zeitgleich zu den Ereignissen verfasst wurde und mindestens in einem Punkt eine Tatsache widerspiegelt: Die Jagdleidenschaft des Herzogs Galeazzo Maria, die nicht nur von fast allen Herzögen der Dynastie Visconti-Sforza, sondern auch vom Großteil aller Herrscher und Adligen des damaligen Europas geteilt wurde. Dabei handelte es sich um weitaus mehr als um einen simplen höfischen Zeitvertreib. Vielmehr hatte sich die herzogliche Jagd im ausklingenden Mittelalter zu einer Aktivität von politischem Gewicht entwickelt. Die Abgrenzung und Verwaltung der großen Jagdgebiete diente der immer intensiveren Kontrolle des Territoriums und anlässlich von Jagdausflügen gelang es dem Herzog, die unruhigen, nicht selten mehreren Einflüssen gleichzeitig ausgesetzten Vertreter des Adels um sich zu scharen. Außerdem boten die Jagdausflüge Gelegenheit, den Herren und dessen Gefolge seinen Untertanen außerhalb von Palästen und Burgen zu präsentieren, als nahbare, eifrige Beschützer, die ihre Bauern vor den Raubzügen von Wölfen und Bären bewahrten. Die Haltung von Hunden, Pferden und Wildtieren generierte nicht nur erhebliches Einkommen, sondern erwies sich auch noch aus einem anderen Grund als nützlich: Sie bot die Gelegenheit, neue höfische Rollen und Ehrenpositionen zu schaffen, die nach freiem Ermessen an Adlige verteilt werden konnten, die nach Prestige und Genugtuung strebten. Und schließlich diente die Jagd dazu, den Herzog, den Adel, aber auch Höflinge und Militärs für eventuelle Schlachten trainiert und in Form zu halten. So verwundert es nicht, dass den Jagdaktivitäten innerhalb des Herzogtums großflächige Gebiete vorbehalten waren. Hierzu zählten die Parks der Schlösser in Mailand, Pavia und Cusago, das Heideland oberhalb von Mailand sowie zwischen den Flüssen Lambro und Po, die Gehege entlang des gesamten Ticino-Tals und jene in der Brianza zwischen den Flüssen Lambro und Adda. Während die Herzöge der Dynastie Visconti für ihre Jagdaktivitäten die Residenzen in Cusago, Bereguardo und Pavia bevorzugten, wählten die Sforza, vor allem Galeazzo Maria (1466-1476) und Ludovico „Il Moro“ (1480-1499) vorrangig die Lomellina und deren Umgebung, den feuchten, nebligen „Wilden Westen“ des Herzogtums. In einem weitläufigen Gebiet hinter dem Ticino-Tal, das nur dünn besiedelt (abgesehen von den großen Ortschaften Vigevano, Garlasco, Mortara, Trecate und Galliate), größtenteils sumpfig und daher kaum bebaut war, errichteten die Herzöge von Mailand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein beachtliches System von Residenzen, Schlös65


MIT DEM HERZOG AUF JAGD

Nicht nur Herzogsschlösser Blick vom Schloss in Zerbolò

Außer den Jagdschlössern des Herzogtums gibt es auf dem Territorium unserer Tour weitere Schlösser in unterschiedlichem Erhaltungszustand, wie beispielsweise einige kleine Burgen am Fluss Ticino, zwischen Pavia und Vigevano. Die Burg in Cascina Caselle (Gemeinde Zerbolò) war Eigentum der Adelsfamilie Eustachi und wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts bereits in eine Residenz verwandelt und mit interessanten Fresken dekoriert, möglicherweise ursprünglich von Bergognone. Weitere Beispiele sind die Schlösser in

Zerbolò (Eigentum der Visconti aus Cassano Magnago), Parasacco und Schloss Beccaria in Borgo San Siro, das 1475 dem Krankenhaus San Matteo übertragen wurde. Ebenso nennenswert ist die größere Festung in Gropello Cairoli mit einer massiven Fassade und einem noch erhaltenen Eckturm. Der Bau gehörte ursprünglich den Beccaria und ging später durch Heirat und herzogliche Übergriffe an die Visconti aus Cassano Magnano über. Und schließlich sei an dieser Stelle das Schloss in Garlasco erwähnt, von dem nach der Plünderung von 1524 nur noch eine Ruine übrig blieb, das aber einst von fundamentaler Bedeutung für die Kontrolle über Pavia und die Straße nach Monferrato war. Es wurde der Familie Beccaria genommen und 1436 von Herzog Filippo Maria Visconti seinem vertrauten Berater Guarnerio Castiglioni aus Casciago zum Geschenk gemacht.

sern und Bauernhöfen, womit sie die Ambitionen alteingesessener Adelsfamilien wie der Beccaria und Barbavara in Grenzen halten konnten. Galeazzo Maria beabsichtigte scheinbar, das gesamte Territorium zwischen Vigevano und Galliate in ein einziges, großes Jagdgebiet zu verwandeln, während Ludovico „Il Moro“ eher die landwirtschaftliche Nutzung anstrebte. Er veranlasste das Anlegen des Kanals Roggia Mora, die Vervollkommnung des Naviglio von Vigevano und zielte anschließend auf die Kontrolle der Wasserwege ab, worin es ihm Hofmitglieder mit Besitztümern in der Gegend bald gleichtaten. Diese territoriale Einmischung war die Vorankündigung nicht weniger Konflikte zwischen dem Herzog und seinen Untertanen, erwies sich aber auch als wesentlich für die Entwicklung des Territoriums als Reisanbaugebiet. Nach dem verheerenden Fall der Regierung von Ludovico „Il Moro“ wurde das gesamte, von der Reform der Sforza betroffene Agrar- und Jagdgebiet an dessen Erzfeind Gian Giacomo Trivulzio übergeben, der im Zuge dieser Ereignisse auch Vigevano (zum Marquisat erhoben) sowie die Schlösser in Gambolò, Villanova und Galliate erhielt. Auch in der spanischen Zeit nach 1535 wurden diese Territorien und Schlösser fast alle den Gouverneuren von Mailand als Apanage zur Verfügung gestellt, was die untrennbare Verknüpfung des Gebiets mit der zentralen Macht bestätigte. Der ideale Ausgangspunkt für einen Besuch der Herzogsresidenzen in den Umgebungen von Pavia und Novara wäre der heute leider nicht mehr erhaltene Jagdsaal (Sala delle Cacce e degli Svaghi) im Schloss von Pavia gewesen. Hier wollte sich der erste Herzog Mailands, Gian Galeazzo Visconti (1378-1402, Herzog ab 1395) in einer Jagdszene, umgeben von einem Rudel Hunde, portraitieren lassen. Von diesem Gemälde ließ sich Jahrzehnte später auch Galeazzo Maria Sforza noch inspirieren und ließ es in anderen Residenzen (Zeitzeugnissen zufolge) kopieren, zum Teil auf66


SCHLOSSRUNDGANG 3

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MIT DEM HERZOG AUF JAGD

grund seiner Jagdleidenschaft, zum Teil aber auch, um durch den Bezug zu seinem berühmten Vorfahr seine eigene Persönlichkeit mit Prestige zu umgeben. Für unseren realen Rundgang wählen wir jedoch das Schloss in Gambolò, das in einer engeren Verbindung zu Ludovico „Il Moro“ als zu dessen Bruder Galeazzo steht. Nach einer separaten Besichtigung des Schlosses ist die Ortschaft mit ihren relativ gut erhaltenen Fassaden (viele mit gotisch anmutenden Fenstern) und den Überresten der Stadttore auf jeden Fall einen Besuch wert. Im Ortskern gab es zwei Pfarrkirchen, die Sant’Eusebio und die San Gaudenzio, die von zwei verschiedenen Diozösen, jeweils von Pavia und Novara (später Vigevano) abhingen. Ganz besonders sehenswert ist jedoch ein dritter Gottestempel, die Kirche San Paolo in der Via Magenta, in der bedeutende Holzskulpturen von Giovanni Angelo Del Maino zu sehen sind, die die Trauer um den toten Jesus darstellen. Bei diesem Werk, das aus den 1530er Jahren stammt und bei dem auf den für diese Zeit typischen, vergoldeten Punk völlig verzichtet wurde, verwendete der Künstler nur eine begrenzte Farbpalette und strebte nach einem ausgeprägten Realismus, sodass die sieben Skulpturen in Lebensgröße ein Pathos von außerordentlicher Natürlichkeit und Komplexität ausstrahlen. Folgt man von hier der Landstraße 206 in Richtung Vigevano, erreicht man vor dem Ort den beeindruckenden Ruinen-Komplex der Sforzesca – einem von Ludovico „Il Moro“ errichteten Modell-Gutshof mit viereckigem Grundriss und vier Ecktürmen. Neben den Renaissance-Monumenten in der Stadt, wie den Schlössern, dem Dom und den Kirchen San Francesco und San Pietro Martire, empfehlen wir die Besichtigung zweier weiterer, weniger bekannter Sehenswürdigkeiten, die sich beide im Südteil der 68

Die Ermordung des Galeazzo Maria Sforza, aus Lamento del duca Galeazo [sic] Maria, duca di Milano, Florenz 1568. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana


SCHLOSSRUNDGANG 3

Luftansicht der Sforzesca, Vigevano

Ortschaft befinden. Wenige Schritte von der überdachten Straße entfernt, in der Via Cairoli 11, sind die Überreste des Palastes der Familie Colli (Hofjuristen der Sforza) zu sehen. Der kleine aber kostbare Innenhof ist mit Szenen dekoriert, die Ereignisse bei Hof und den Empfang von Botschaftern darstellen, möglicherweise im Gedenken an die Colli als Vertreter der Sforza in anderen Staaten oder an den Besuch (1472) eines Redners aus Florenz, der Gast im Haus der Colli war. Rund 800 Meter von hier entfernt, an der Kreuzung zwischen Via Madonna degli Angeli, Via Pisani und Via Belli, befindet sich hingegen die kleine Kirche Santa Maria degli Angeli. Die Kirche entstand auf Wunsch des Herzogs Galeazzo Maria, der sie nach einem an dieser Stelle erlittenen Reitunfall im Jahr 1470 als Exvoto errichten ließ. Sie wurde von dem Architekten Benedetto Ferrini aus Florenz entworfen und zählte zu den schönsten Landkapellen des Herzogtums. Von dem antiken Bau mit blau und gold dekorierter Kuppel, einer Prozession der „herzoglichen“ Heiligen an den Wänden und Portraits des Herzogspaares mit Familie ist nur eine Freskenmalerei erhalten, die die Anbetung des Kindes mit Maria und Joseph darstellt. Die Freske ist stark beschädigt und wird dem Maler Zanetto Bugatto zugeschrieben, der sich Quellen aus dieser Zeit zufolge an dem Werk von Andrea Mantegna und den Experimenten flämischer Maler inspirierte. Fährt man von Vigevano in Richtung Cassolnovo und verlässt die Landstraße 206, gelangt man hinter dem Kanal Roggia Mora inmitten von Reisfeldern (im Frühjahr überschwemmt) mit Fröschen, Silber- und Graureihern zu der abgelegenen Herzogsresidenz Villanova. Den idealen Abschluss bildet schließlich ein Besuch des Schlosses von Galliate.

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DAS SCHLOSS IN GAMBOLÒ

GEMEINDE: Gambolò (Pavia) TYP: Adelspalast, Herzogsresidenz DYNASTIEN: Beccaria, Sforza, Trivulzio, Litta, Litta Visconti Arese, Robecchi ERHALTUNGSZUSTAND: Vollständig mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz öffentlicher Einrichtungen, Stadtbibliothek Gemma Biroli, Archäologisches Museum Lomellino

Eingangsportal des Schlosses in Gambolò

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Die antike befestigte Ortschaft Gambolò, deren Ursprung möglicherweise ein Militärstützpunkt aus römischer Zeit war, hat eine Trapezform (rund 450 mal 350 Meter), vier Stadttore und vier gerade Straßen, die alle in den zentralen Platz (Piazza Cavour) münden. Ein Schloss im Zentrum ist seit dem 11. Jahrhundert dokumentiert. Mindestens seit Beginn des 14. Jahrhunderts war es wahrscheinlich Eigentum der Adelsfamilie Beccaria, die auf politischer Ebene eine bedeutende Rolle in Pavia spielte und über Vorrechte verfügte, die sie noch zum Ende des Jahrhunderts als privat erachtete und nicht durch herzogliche Gunst erworben. Erst im Jahr 1412 wurden Antonio Beccaria

und dessen Brüder von Filippo Maria Visconti (1412-1447) offiziell mit dem Ort belehnt und erhielten gleichzeitig den Titel „Grafen von Gembolò“. 1466 wurde die Investitur zu Gunsten von Agostino Beccaria, Sohn des Antonio, erneuert. Er erhielt das Schloss und hielt sich dort auch oft auf, starb im Jahr 1475 jedoch ohne direkte Erben zu hinterlassen. In seinem Testament erklärte Agostino das Krankenhaus San Matteo in Pavia zum Universalerben, aber bereits 1481 gelang es Ludovico „Il Moro“ gleich nach seiner Machtübernahme, sich die Privatherrschaft über Gambolò anerkennen zu lassen. Er besetzte sofort den Palast der Beccaria im Schloss, hielt sich dort während der 1480er Jahre häufig auf und veranlasste wahrscheinlich auch Restaurierungs- Dekorationsarbeiten. Zur gleichen Zeit schenkte Ludovico seiner jungen Geliebten Cecilia Gallerani Güter im nahen Parasacco und versuchte, sich den Großteil der Besitztümer des verstorbenen Agostino Beccaria anzueignen. Hierzu mietete er sie dauerhaft vom Krankenhaus San Matteo und verursachte auf diese Weise eine Reihe von Konflikten und Auseinandersetzungen zwischen den lokalen Eigentümern (unter anderen auch dem einflussreichen Hofrat Scipione Barbavara), den Bewohnern von Garlasco, Gambolò und Borgo San Siro und den zuständigen Verwaltern des Krankenhauses. Nach dem Sturz von Ludovico gingen das Schloss und das Lehnsgut gemeinsam mit Vigevano, Villanova und Galliate an Gian Giacomo Trivulzio und im Jahr 1513 dann an den Bischof von Sitten, Matthäus Schiner. 1573 gelang es schließlich Agostino Litta, das Lehnsgut gegen einen enormen Geldbetrag zu erwerben. Obwohl die Lokalgemeinde bis 1680 gegen das Eigentum am Schloss protestierte, leiteten die neuen Herren sofort Umbauten ein, um die Burg in eine Villa zu verwandeln.


GAMBOLÒ

Das an der Süd-West-Ecke der antiken Ortschaft gelegene Schloss von Gambolò hat eine nahezu rechteckige Form. Die antiken geböschten Mauern mit gibellinischen Zinnenattrappen säumen den weiten Umfang der Seitenlängen von jeweils 100 bis 130 Metern und der Bau ist noch teilweise von dem (jetzt trockenen) einstigen Burggraben umgeben. An den Ecken sind die vier Rundtürme erhalten und entlang der Mauern sind Überreste von mindestens weiteren drei Außentürmen erkennbar. Man betritt das Schloss vom Corso Vittorio Emanuele durch ein eindrucksvolles Barockportal, das an dem einstigen Eingang des Hauptturms realisiert wurde. Der an der nordwestlichen Ecke er Stadtmauer befindliche Palazzo Litta liegt in einer Linie mit dem Eingangsportal. Der Bau hat einen rechteckigen Innenhof, teilweise mit Bogengängen, sowie zwei von der Fassade auskragende Flügel, die einen Art Vorhof bilden. Bemerkenswert ist der lange Westflügel mit einem Bogengang auf Doppelsäulen im Erdgeschoss und einem weiteren im Obergeschoss mit einer geschlossenen Galerie. Diese Galerie wird „Manica Lunga“ (langer Ärmel) oder „Loggia delle Dame“ (Damen-Loggia) genannt. Sie beginnt am Südflügel des Hauptgebäudes und erstreckt sich bis zu dem runden Turm am Belvedere. In einem Teil des Gebäudekomplexes ist das Archäologische Museum Lomellino untergebracht. Dieser Bereich bildete einst einen malerischen Hintergrund für den barock gestalteten Garten im Südteil, wo sich heute ein Parkplatz befindet. Im 15. Jahrhundert musste der Schlosskomplex von Gambolò wie eine massive Burg mit Türmen wirken. Im Innenbereich befand sich ursprünglich ein weiterer Turm, der Zeitdokumenten zufolge „Magna“ genannt wurde. Gleich rechts vom Eingang zum Innenhof befanden sich wahrschein-

lich die Kapelle, das Haus des Podestà (Stadtvogt) mit den Verliesen, der Backofen und der Brunnen, während links das Haus des Prätors und die Kelterei lagen. An der Nordfront des Schlosses Litta sind Überreste des Bergfrieds, genannt „Haus des Herren“, also des ehemaligen Palastes von Agostino Beccaria, erhalten, der dann von Ludovico „Il Moro“ zum Sitz für seinen privaten Hof umgebaut wurde. Die einzige erhaltene Dekoration ist das Terrakotta-Fenster mit Spitzbogen, das in diesem Gebäudeteil zu sehen ist. Der Bau war um einen „Salla Magna“ (großen Saal) errichtet worden, der eine große Küche, mehrere Zimmer und einen Turm (genannt „Colombaia“) umfasste (möglicherweise handelte es sich hierbei um den an der Nord-West-Ecke erhaltenen).

Mauerabschnitt mit einem der Ecktürme, Gambolò

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Luftansicht von Vigevano. In der Mitte das Schloss und Piazza Ducale, rechts die überdachte Straße

Vigevano

VIGEVANO

Schlossrundgang 3

Vernachlässigt man die Legenden aus Römischer Zeit, wurde Vigevano in der longobardischen Epoche gegründet. Die erste Erwähnung eines Schlosses im Ort geht auf das 10. Jahrhundert zurück. Zum Ende des 13. Jahrhunderts wurde Vigevano endgültig Mailand unterstellt und war seitdem mit den institutionellen Ereignissen der Stadt fest verknüpft. Während der Herrschaft der Visconti und Sforza erlangte der Ort immer größere Bedeutung und der letzte Herzog der Dynastie Sforza, Ludovico „Il Moro“, erklärte ihn zur dynastischen Stadt. Unter französischer Herrschaft wurde sie zum Marquisat erhoben und dann dem Marschall Gian Giacomo Trivulzio übergeben, der für rund 20 Jahre (14991518) über ihr Schicksal bestimmte. Nach der Rückkehr von Francesco II Sforza (15211535) begann ein neues, wenn auch kurzlebiges Kapitel herzoglicher Macht. Während dieser Zeit wurde Vigevano erst zur Stadt erklärt und dann zum Bistum erhoben. Unter spanischer Herrschaft im Jahr 1535 ging die Stadt nach dem Spanischen Erbfolgekrieg (1714) an Österreich und nach dem Frieden von Aachen (1748) an die Savoyen. Eigentlich kann man in Vigevano nicht von einem einzelnen Schloss sprechen, sondern eher von einem mehrschichtigen Festungssystem, von dem nur der weitläufige Mittelbereich erhalten ist. Allein zwischen dem 14. Und dem 15. Jahrhundert wurden in Vigevano drei Festungen errichtet: die unter dem Namen Castello Sforzesco bekannte, die Rocca Vecchia oder Rocca Belriguardo und schließlich die Rocca Nuova oder Palazzo Sanseverino.

Fries mit Wappen, Detail. Schloss Vigevano, Burgfried

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DAS SCHLOSS DER VISCONTI-SFORZA IN VIGEVANO

GEMEINDE: Vigevano (Pavia) TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza, Trivulzio ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz des Internationalen Schuhmuseums, Pinakothek, Ausstellungsräume

Innenhof des Schlosses in Vigevano. Von links nach rechts: die herzoglichen Ställe, der Turm, die ehemaligen Küchen, der Burgfried und die Loggia der Falknerei

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Das ursprüngliche Schloss oder die Vorburg, die sich auf einem natürlichen Hügel zwischen dem Wildbach Terdoppio und dem Fluss Ticino erhob, wurde wahrscheinlich von einem befestigten Erdwall geschützt, der den vieleckigen Bereich des heutigen Platzes umgab. Zwischen 1339 und 1341 plante der zum Stadtvogt ernannte Luchino Visconti (1339-1349) die Befestigung des Ortes Vigevano komplett neu und leitete in diesem Zusammenhang auch den Umbau des antiken Schlosses zur Herrschaftsresidenz ein, der unter der Dynastie Sforza voll-

endet wurde. Unter Galeazzo Maria Sforza war ein neues Interesse für die Nutzung von Vigevano als Hofresidenz zu beobachten. Im Jahr 1470 befahl der Herzog den gesamten Hof nach Vigevano, um seine Untertanen einen Treueschwur leisten zu lassen. Gleichzeitig hielt er sich immer länger hier auf und ein Teil des Schlosses wurde ausgebaut. Nach dem Tod von Galeazzo Maria schien das Schloss von Herzogin Bona von Savoyen erneut ausschließlich als Militärstützpunkt genutzt worden zu sein. Nach 1485, zur Zeit einer schweren Pest und zunehmend politischen Spannungen in Mailand, hielten sich Ludovico „Il Moro“ und dessen Hofgefolge immer öfter hier auf und im Jahr 1489 bezeichnete Ludovico selbst Vigevano als den Ort, an dem er und sein Neffe Gian Galeazzo „die längste Zeit des Jahres“ residierten. Ab diesem Zeitpunkt wurden zahlreiche Umbauten vorgenommen und Projekte umgesetzt, die sich auf das gesamte Territorium von Vigevano ausweiteten: Die Fertigstellung des Naviglio Sforzesco,


VIGEVANO

das Anlegen des Kanals (Roggia) Mora, der Bau des Modell-Gutshofes Sforzesca, die Befestigung des Ortes, die Verschönerung des Stadtbildes durch den Bau von Palästen für vertrauenswürdige Höflinge, die Planung eines großen Platzes, der Wiederaufbau des Rathauses, die Neugestaltung des Schlosses, der Bau der beeindrukkenden Marställe sowie der Versuch, den lokalen Pfarrbezirk zum Bistum zu erheben. Zwischen 1490 und 1497 entwickelte sich Vigevano nicht nur zu einem beliebten Ziel für die Jagd und Freizeitaktivitäten, sondern wurde fast zu einer Herzogsstadt und erreichte den Gipfel ihrer Blüte. Im Schloss waren berühmte Besucher zu Gast. Die Markgrafen von Mantua und die Grafen von Ferrara hielten sich für längere Zeit hier auf und im Jahr 1494 wurde feierlich der König von Frankreich, Karl V, empfangen. In diesen Jahren waren das Schloss und der Ort Schauplatz prunkvoller Empfänge wie die Hochzeit Sanseverino-Adorno, die Jagdausflüge wurden zu luxuriösen

Paraden und während des lebhaften Karnevals von 1493 wurden zahlreiche Theatervorstellungen aufgeführt (der Herzog und sein Gefolge mischten sich auf dem neuen Platz maskiert unter das Volk und führten die Parodie einer ritterlichen Tjost auf). Die unbestrittene Hausherrin war hierbei Beatrice D’Este, die junge Ehefrau von Ludovico „Il Moro“, die hier, noch mehr als in Mailand, ihre Rolle als Herzogin im Hintergrund ausübte und sich auf die offizielle Funktion vorbereitete, sie sie ab 1495 bekleidete, als ihr Ehemann durch kaiserliche Investitur zum Herzog gekrönt wurde und damit die jungen Erben seines Neffen entmachtete. Kurze Zeit darauf, nach dem Fall des „Moro“, wurden in den 1530er Jahren anlässlich des Eintreffens von Karl V und der Hochzeit zwischen Francesco II Sforza und Christina von Dänemark der Burgfried modernisiert sowie einige Gemächer mit Friesen dekoriert. Das Schloss befand sich aber schon damals in einem sehr schlechten Zustand und lag dann für die zwei fol-

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Brücke mit Loggia zur Verbindung des Gebäudes mit der Falknerei, Vigevano

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genden Jahrhunderte verlassen. Ab dem 18. Jahrhundert wurde es dauerhaft als Kaserne benutzt, mehrfach restauriert und zusätzlich befestigt. Heute beherbergt es Ausstellungen und Museen (Internationales Schuhmuseum Pietro Bertolini, Städtische Pinakothek), aber ein Teil des großen Komplexes ist weiter ungenutzt und befindet sich in einem halb verlassenen Zustand. Der heutige Zugang zum Schloss befindet sich an der Piazza Ducale. Dieser Platz, der in den 1490er Jahren auf Wunsch von Ludovico „Il Moro“

entstand, war wie ein Römisches Forum angelegt und das Ergebnis eines durchdachten Einheitsprojekts, mit dem das Schloss in den Ort eingebunden werden sollte. Ursprünglich hatte der Platz ein anderes Aussehen, er war weniger gleichförmig, da die Gebäudeblöcke mit den Bogengängen von den Straßen und der Zufahrt zum Schloss unterbrochen waren. Zeitdokumenten zufolge wurden die Pläne im Verlauf der Bauarbeiten mehrmals geändert, nicht zuletzt aufgrund von Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bauverantwortlichen sowie zwischen Hof und Gemeinde, was den Traum vom Einheitsprojekt des Bramante in immer weitere Ferne rückte. Die bei jüngsten Restaurierungsarbeiten erhobenen Daten führten auch zu einer Neubewertung der Eingriffe durch Bischof Juan Camurel, die offensichtlich umfangreicher waren als man bislang vermutete. Auch die heute sichtbaren, bemalten Fassaden der Gebäude stammen von Erneuerungsarbeiten aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts und sind ein Werk des Malers Casimiro Ottone, der eine symmetrischere Dekoration wählte, die qualitativ weit hinter den Originalen aus dem 15. Jahrhunderten zurücksteht. Zum Ende des 17. Jahrhunderts wurden auf Initiative des Bischofs Camurel die Bogengänge am Platz vervollständigt und vereinheitlicht. Damit wurde das Schloss für immer den Blikken verborgen und der Fluchtpunkt von der Burg zur Kathedrale verlagert. Ferner wurden der Außenturm und die hohe Zufahrtsrampe entfernt, die in den schönen, fälschlicherweise Bramante zugeschriebenen, Turm führte. An diesem Turm, der wahrscheinlich in mehreren Phasen gebaut und 1491 nach dem Modell des Turms von Filarete im Mailänder Schloss vervollkommnet wurde, ist noch heute der Eingang zum Innenhof erkennbar, um den sich das Schloss und die


VIGEVANO

Dienstgebäude aus dem 15. Jahrhundert reihten. Rechts vom Haupteingang war der gesamte Westflügel des Komplexes von den beeindruckenden herzoglichen Marställen belegt. Die ersten waren die großen Ställe von Ludovico „Il Moro“, eindrucksvolle Räume mit starker Ausstrahlung. Die 1490 errichteten und jüngst restaurierten Ställe werden von einer Doppelreihe Säulen aus Serizzo in drei Bereiche gegliedert und erinnern mit ihrem feierlichen Ambiente eher an Säle von Klosterbibliotheken aus dieser Zeit. Gleich dahinter liegen die Ställe an den Seiten des Westeingangs, die aus der Zeit von Galeazzo Maria stammen. Im Obergeschoss befanden sich hier die Räume von Höflingen und Bediensteten. An der Süd-West-Ecke des Innenhofes befanden sich die Wäscherei und darüber die schöne Loggia der Falknerei. Links vom Hofzugang hingegen lagen in der NordOst-Ecke die Küchen und die Back-

stube. Im 15. Jahrhundert waren alle Gebäude mit Fassaden zum großen Innenhof mit bunten Fresken bemalt. Über die Häuserfronten spannte sich im trompe l’œil-Stil ein gemaltes Bossenwerk aus farbigem Marmor, unterbrochen von schlanken korinthischen Säulen, Gebälken mit Ungeheuern, Füllhörnern, Wappen und Medaillons, während die Fenster im Obergeschoss von gewölbten Terrakotta-Rahmen gesäumt waren. Spuren der Originaldekorationen sind an den Fassaden noch heute sichtbar. An der Ostseite des Innenhofes erhebt sich der eigentliche Burgfried majestätisch mit seinem Korpus aus Ziegelsteinen und den vier leicht auskragenden Ecktürmen. Der U-förmige Burgfried ohne Bogengänge war einst von einem tiefen Graben umgeben und wurde vom Platz durch einen zusätzlichen Mauerring mit Zugangsturm und Außenturm getrennt. Die Front wurde im 19. Jahrhundert von dem Architekten Ludovico Inverardi

Die Kammern der Beatrice D’Este Im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts befanden sich im Schloss die prunkvollen Kammern von Beatrice D’Este, von denen berichtet wurde, dass sie voller kostbarer und ungewöhnlicher Objekte waren. Fast wie als Vorgeschmack auf die Wunderkammern des folgenden Jahrhunderts gab es dort Glas- und Kristallvasen aus Venedig, dekoriertes Porzellan und Keramik, Hundehalsbänder und Jagdutensilien aus Gold, Email und mit Halbedelsteinen, unzählige Flakons mit Parfüms und seltenen Essenzen, ungewöhnliche Objekte und heilige Gegenstände aus einheimischer Produktion. Um sich ein Bild von den Kammern in Vigevano zu machen, müsste man vor seinem geistigen Auge die Gegenstände passieren lassen, die, verstreut in Museen auf der ganzen Welt, aus den AlabasterKammern des Alfonso D’Este oder den Kammern der Markgräfin Isabella von

Mantua erhalten sind, die beide Geschwister von Beatrice waren. Die Räume der Herzogin von Bari schienen jedoch nicht jene überintellektuelle mythologische Symbologie und die Leidenschaft für Antiquitäten zum Ausdruck zu bringen, wie sie in den Räumen in Mantua und Ferrara zu beobachten war. In Vigevano überwog das eher weltliche Streben nach Großartigkeit und dem konkreten Prunk der für den Hof der Sforza typischen Luxusgegenstände. So ist es keineswegs ein Zufall, dass ein Gesandter des Herzogs von Ferrara, der detailreich die Kammern von Beatrice beschrieb, diese mit einem Hauch Ironie und Snobismus als „hübsche Läden“ bezeichnete. Maestro della Pala Sforzesca: Beatrice d’Este, Detail der Pala Sforzesca, um 1497. Mailand, Pinacoteca di Brera

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Die Arazzi des Trivulzio Der Marschall von Frankreich Gian Giacomo Trivulzio ließ zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Reihe wunderschöner Wandteppiche realisieren, auf denen der Verlauf der Monate dargestellt ist und die heute im Castello Sforzesco in Mailand zu sehen sind. Diese Arazzi wurden auf Kartonvorlagen von Bramante gewebt und sind ein authentisches Zeugnis der außerordentlichen Handwerkstradition aus Vigevano, die auch nach dem Fall der Herrschaft der Sforza weiter fortsetzte. Manufaktur Vigevano, Benedetto da Milano: September, 1504-1509. Mailand, Civiche Raccolte d’Arte Applicata

Hofställe, Vigevano. Die großen Räume wurden auf Wunsch von Ludovico „Il Moro“ errichtet

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in neugotischem Stil gestaltet und teilweise vereinheitlicht. Mit diesen Eingriffen wurden die gotisch anmutenden Öffnungen, die auf verschiedene Bauphasen seit der Zeit von Galeazzo Maria zurückgingen, zum Teil angegli-

chen. Die Innenräume aller Etagen hatten flache Kassettendecken aus Holz mit bemalten Einsätzen. Die Gewölbe, die man heute in einigen Räumen des Burgfrieds sieht, wurden erst später realisiert, wie an dem Verlauf der erhaltenen Dekorationsleisten erkennbar ist. Im Mittelflügel des Schlosses befindet sich eine doppelte Reihe Zimmer. Die Räume mit Blick auf den Innenhof entstanden zur Zeit von Luchino und die südliche Reihe wurde wahrscheinlich unter Galeazzo Maria hinzugefügt. Hier mussten sich die herzoglichen Gemächer befinden, allerdings erwies es sich als sehr schwierig, die Anordnung der Dekorationen zu rekonstruieren. Historischen Quellen zufolge gab es fünf große Apartments und einen weitläufigen Salon für Spiele und Bälle, die, ebenso wie die Fassade, alle mit Fresken bedeckt waren. Ein Teil der Innendekorationen wurde in den 1980er Jahren im Rahmen von Restaurierungsarbeiten wiederhergestellt, darunter Rundmotive vom Beginn des 15. Jahrhunderts in den Fensterleibungen, eine lebhafte Jagdszene, die möglicherweise aus der Zeit von Galeazzo Maria stammt, ein sehr elegantes Fries mit Ungeheuern aus der Zeit des „Moro“ sowie diverse weitere Friese, die wahrscheinlich Teil der provisorischen, vom letzten Herzog der Sforza veranlassten Dekora-


VIGEVANO Jagdszene, Detail. Vigevano, Schloss der Visconti-Sforza, Freske im Saal des Burgfrieds

tionen sind. All dies sind aber nicht mehr als blasse Spuren des einstigen Prunks der Residenz, die nur sichtbar sind, wenn der Burgfried für Veranstaltungen geöffnet wird. Hinter dem Burgfried erheben sich die Reste des Baus, den Ludovico „Il Moro“ zu Ehren seiner Gattin und seines neugeborenen Sohnes Massimiliano hatte errichten lassen. Diese Überreste sind nur von der Via Riberia aus sichtbar. Im Jahr 1493 wurden zwei neue Flügel hinzugefügt und zwischen diesen ein hängender Garten mit Brunnen und Wasserspielen angelegt. Der neue Gebäudeteil zur überdachten Straße hatte eine elegante Loggia und

vier Zimmer. Zu diesen Räumen, die vermutlich von Bramante dekoriert wurden, zählte eine neue Herzogskapelle sowie das Zimmer „Cello Tondo“, dessen Gewölbedecke wahrscheinlich mit astronomischen oder astrologischen Motiven dekoriert waren, die sich an dem Astrario von Giovanni Dondi im Schloss von Pavia inspirierten. Von der Loggia ist lediglich die in den „Loggia delle Dame“ genannten Flügel eingemauerte Marmorstruktur erhalten. Der Garten ist ganz verschwunden und die Reihe der einst von Bramante dekorierten Zimmer wurde im 16. Jahrhundert aufgrund von Stabilitätsproblemen neu aufgebaut. 79


ROCCA VECCHIA

ROCCA VECCHIA (DI BELRIGUARDO) GEMEINDE: Vigevano (Pavia) TYP: Burg, Festung DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Ausstellungs- und Veranstaltungsräume

Zugang zur überdachten Straße, Vigevano

Überdachte Straße zwischen der Rocca und dem Schloss, Vigevano

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Als Luchino Visconti die Schlossburg zu seiner Residenz wählte, ließ er die Rocca Vecchia errichten, um den Südteil des Ortes zusätzlich zu befestigen. Die Festung hat einen quadratischen Grundriss, vier Ecktürme und zwei Seitentürme, jeweils einen an der Ost- und einen an der Westseite, sowie zwei Haupteingänge, einen zum Feld und zum Kanal und einen weiteren an der erhöhten Straße, die später überdacht wurde. Dieser rund 150 Meter lange Weg ver-

band die Rocca mit dem Schloss und bildete die bevorzugte Strecke für den Zugang, aber auch die Flucht aus dem Ort, sodass die Ansiedlung umgangen wurde und der Zugang zur Herzogsresidenz unabhängig blieb. Noch heute zählt sie zu den faszinierendsten Überresten der Befestigungen von Vigevano. Nach dem Tod von Filippo Maria wurde die Rocca Vecchia zerstört und später von Francesco Sforza (1450-1466) teilweise wieder aufgebaut. Zum Ende des 15. Jahrhunderts wurde innerhalb der Mauern ein Garten als eine Art prestigereicher Zugang für Hofmitglieder angelegt, die das Schloss auf dem Wasserweg erreichten. Von den Türmen hatte man einen weiten Ausblick über das Umland, überragt von dem Massiv der Sforzesca. In den 1830er Jahren wurde die Rocca zum Dienststützpunkt für die Garnison der Savoyer umgewandelt. Im Inneren wurde eine Reitbahn mit einem schönen Dachwerk realisiert, die heute für Ausstellungen genutzt wird.


VIGEVANO

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PALAZZO SANSEVERINO

PALAZZO SANSEVERINO (ROCCA NUOVA) GEMEINDE: Vigevano (Pavia) TYP: Adelsresidenz, Festung DYNASTIEN: Sanseverino, Avalos ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Privatresidenz

Sébastien de Pontault: Carte du Gouvernement de Vigevano, 1676-1694, Detail. Sichtbar die von den Spaniern errichtete sternförmige Befestigung

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An den Hausnummern 19 und 21 des Corso della Repubblica sind umfangreiche Spuren des Palastes von Galeazzo Sanseverino erhalten. Sanseverino war der Befehlshaber des Heeres der Sforza sowie Schwiegersohn und Hofmitglied von Ludovico „Il Moro“. Der ab Beginn der 1480er Jahre an einem zu jener Zeit noch ländlichen Ort erbaute Palazzo Sanseverino ist aufgrund seines fast regelmäßig rechteckigen und an den Himmelsrichtungen ausgerichteten Grundrisses ein einmaliges Beispiel für

die lombardische Architektur. Der Komplex der Burg und des umliegenden Bezirks entspricht in kleinerem Maßstab dem Größenverhältnis der Gebäude des Hofes von Mailand. Ebenso wie sich im Westteil des Mailänder Schlosses die Dominikanerkirche Santa Maria delle Grazie und der Palazzo Sanseverino befanden, liegen auch in Vigevano die Kirche San Pietro Martire (des gleichen Ordens) und das Haus des Heerführers westlich des Schlosses, in einer Linie mit der Achse der Ortschaft. Anhand einer Zeichnung, die im Staatsarchiv von Mailand verwahrt ist, kann das ursprüngliche Aussehen des Gebäudes rekonstruiert werden. Es war anfänglich ohne Bogengänge und Loggien geplant worden, hatte zwei Eingänge an den Hauptachsen (wahrscheinlich in Übereinstimmung mit den antiken Zugängen von der Stadt- und von der Landseite) sowie zwei Treppen an den anderen beiden Seiten. Die Zugänge und Vertikalverbindungen teilten das Gebäude in vier Eck-Apartments pro Etage. Die Räume des Obergeschosses waren über eine Galerie verbunden, die ursprünglich um den gesamten Hof führen musste. Diese Galerie bildete ein praktisches Trennelement, eine charakteristische Dekoration (auch in Mirabello vorhanden) und schließlich eine ideale „Tribüne“ für die Zuschauer von Festen und Theatervorstellungen. Als sich im Jahr 1495 die politische Situation verschärfte und eine Befestigung von Vigevano erforderlich wurde, beschloss man, die luftige Residenz Sanseverino in eine Militärfestung zu verwandeln. Der Mittelteil des Palastes, neben dem sich die Ställe befanden (die denen des Schlosses von Vigevano sehr ähnlich waren), wurde zwischen vier starken Mauern eingeschlossen, die an den Ecken von massiven Rundtürmen verbunden wurden. Die zwei Längsfassaden wurden mit starken Außentürmen mit Bossenwerk befestigt. Im Jahr 1534 zeigte Francesco II Sforza unerwartetes Interesse für die Festung: Er veranlasste


VIGEVANO

Reparaturen, die Wiederherstellung des Burggrabens und deren Umwandlung in Fischteiche, die Erweiterung des Nordflügels um einen tiefen Bogengang und umfangreiche Dekorationsarbeiten im Inneren. Möglicherweise ebenfalls auf seine Initiative wurde eine große Wendeltreppe geplant, deren Form wie ein Gemisch aus dem Stil französischer Schlösser und dem der im Vatikan befindlichen Treppe von Bramante wirkte. Später, unter spanischer Herrschaft, wählte der neue Lehnsherr Alfonso d’Avalos, der das Schloss der Sforza als Residenz nicht in Betracht zog, die Rocca Nuova zum Wohnsitz für sich, seine Frau Maria von Aragón und sein Hofgefolge. Nach seinem Tod im Palast wurde die Residenz endgültig in eine Festung zurückverwandelt. Mit ihrer sternförmigen Festungsmauer wurde die Rocca zur Diamantspitze des Befestigungssystems von Vigevano. Sie wurde von den Franzosen belagert und 1645 erobert sowie bei Rückkehr der Spanier im Folgejahr vollständig zerstört. Von der Zerstörung verschont blieb lediglich der Kern innerhalb der Festungsmauer, der antike Palazzo Sanseverino, der der Nonne Schwester Eustachia von Santa Croce geschenkt und dann in ein Klarissenkloster umgewandelt wurde. Der Palast ist noch heute sichtbar, befindet sich allerdings in Privateigentum. Der Außenbereich ist fast vollständig in das Stadtgefüge integriert, aber der teilweise restaurierte Innenhof hat sein ursprüngliches Aussehen im Wesentlichen beibehalten. Teilweise ist auch die antike Galerie noch zu sehen, die auf massiven Trägern aus Serizzo-Stein ruht. Die großen Bogenfenster der Westfront mit Stulpen aus Terrakotta verraten noch die ursprüngliche Funktion des Baus als Residenz. Lageplan der Rocca, erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Mailand, Archivio di Stato Nordflügel des Palastes Sanseverino, Vigevano 83


DAS SCHLOSS IN VILLANOVA DI CASSOLNOVO

DAS SCHLOSS IN VILLANOVA DI CASSOLNOVO (LA MAURA) GEMEINDE: Cassolnovo (Pavia), Ortsteil Villanova TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Barbavara, Sanseverino, Sforza, Trivulzio, Gonzaga, Costa de Beauregard ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Agrarbetrieb, Privatresidenz

Blick auf das Schloss in Villanova, Cassolnovo

Die Burg von Villanova bildet im Panorama der Schlösser aus der Zeit der Sforza einen Einzelfall. In antiken Quellen wird sie als „casa“, „palatium“ oder als „großes quadratisches Haus [...] fast mit der Form eines Schlosses“, aber nie als Festung bezeichnet. Denn der Bau wurde mit dem Ziel errichtet, wie ein

großes schönes Ferien- oder Landhaus in der Mitte des Jagdgebietes von Galeazzo Maria zu wirken, und später von Ludovico „Il Moro“ in einen landwirtschaftlichen Betrieb umgewandelt. In Villanova, das heute zu Cassalnovo in der Provinz Pavia zählt, früher aber dem Kirchenrecht und der Verwaltung des nahen Novara unterstand, ist die Präsenz eines Castrum seit dem Ende des 10. Jahrhunderts dokumentiert. Zum Ende des 14. Jahrhunderts besaß das Vallombrosanerkloster San Bartolomeo aus Novara ein Schloss und ein großes Anwesen. Die Mönche verpachteten das Land erst an die Barbavara, eine Familie, für die diese Gegend das Zentrum ihrer Interessen in puncto Status und Vermögen bildete, und ab 1455 dann an den neapolitanischen Kondottiere und Neffen von Francesco Sforza, Roberto Sanseverino. In einer Quelle aus den 1450er Jahren wird ebenfalls eine Festung erwähnt, während aus dem Jahr 1472 die Absicht von Galeazzo


CASSOLNOVO

Maria Sforza dokumentiert ist, in Villanova neue Gebäude zu errichten. Zu dieser Zeit erwarb Sanseverino das gesamte Gut in Villanova vom Kloster San Bartolomeo, im unmissverständlichen Bestreben, es an den Herzog weiterzuverkaufen. Zwischen 1473 und 1474 liefen die Bauarbeiten an dem neuen Schloss auf Hochtouren. Der Entwurf stammte von dem florentinischen Architekten Benedetto Ferrini, an dem Bau wirkten jedoch auch Architekten und Ingenieure aus Mailand mit (Danesio Maineri und Maffeo da Como, die auch in Novara, Vigevano und Galliate tätig waren, sowie Pietro da Lonate, der an den Schlössern in Pavia und Milano mitgebaut hatte). Der Bau ging zunächst rasch voran. 1474 wurden die Apartments eingerichtet und 1475 hielt sich hier bereits Ferdinando, Sohn des Königs von Neapel, Ferrante I, auf. Kurz danach gerieten die Arbeiten aufgrund fehlender finanzieller Mittel jedoch ins Stocken. Gegen Ende des Jahres 1476 erachtete es der Herzog als notwendig, das „Haus“ in Villanova zu befestigen. Nach seiner Ermordung wurden diese Arbeiten jedoch unverzüglich und endgültig eingestellt. Im Folgejahr wurde der Komplex erneut Sanseverino geschenkt. Aufgrund der verworrenen Machenschaften von Roberto während der 1480er Jahre (der Kondottiere verbündete sich erst mit der Witwe von Galeazzo Maria, Bona von Savoyen, agierte dann im Bund mit Ludovico „Il Moro“ gegen sie und wendete sich schließlich auch gegen Ludovico) gingen das Gut und das Schloss erneut an die Sforza über. Wahrscheinlich vollendete Ludovico „Il Moro“ den Bau und nutzte ihn als Verwaltungszentrum für einen großen landwirtschaftlichen Betrieb auf einer Fläche von 20.000 Pertiche (rund 13 Quadratkilometer). Für die Bewässerung der Felder in Villanova und Vigevano (La Sforzesca) wurde das Wasser

des Flusses Sesia über einen neuen Kanal – den Roggia Mora – umgeleitet. Das Schloss in Villanova wurde zu dieser Zeit „La Maura“ oder „La Mora“ genannt und gemeinsam mit dem Schloss von Cusago der Braut des Herzogs, Beatrice d’Este, geschenkt. Mit dem Sturz der Dynastie Sforza und dem Vormarsch der Franzosen ereilte den Komplex das gleiche Schicksal wie das Schloss in Vigevano und es wurde den adligen Vertretern der wechselnden Mächte (Gian Giacomo Trivulzio, Matthäus Schiner, Bischof von Sitten, Ferrante Gonzaga) als Apanage zur Verfügung gestellt. Im 19. Jahrhundert wurde mit den Eingriffen der Markgrafen Costa de Beauregard die landwirtschaftliche Nutzung des Gutes endgültig besiegelt. Zwei verwitterte, unheimliche Marmorskulpturen (möglicherweise aus römischer Zeit) begrüßen den Besucher an dem Ort, an dem die einstige Zugbrücke den Schutzgraben (heute zugeschüttet) überwand. Möglicherweise sind sie Zeugnisse der Leiden-

Melones dulces, aus Tacuinum sanitatis, um 1390, Detail. Wien, Österreichische Nationalbibliothek

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Nordflügel des Schlosses in Villanova, Cassolnovo

Blick auf das Schloss in Villanova, Cassolnovo. Sichtbar sind Spuren der gemalten Dekoration 86

schaft des „Moro“ für Antiquitäten, allerdings ist schwer feststellbar, wann diese Skulpturen am Eingang aufgestellt wurden. Das Gebäude wirkt sehr vernachlässigt und ähnelt einem großen Bauernhof, seine antike Bausubstanz ist jedoch weitestgehend erhalten. Es hat einen rechteckigen Grundriss mit vier auskragenden Ecktürmen, die nicht viel höher sind als das Gebäude, sowie zwei Zugänge. Am Zugang zum Ort (Nord-Ost-Flügel) sind noch die Rillen der einstigen Zugbrücke erkennbar und es gibt einen fünften Turm mit Zinnen. An der gegenüberliegenden Seite, zu den Feldern in Richtung Novara, befindet sich der zweite Eingang, der nur zu Fuß passierbar ist und ursprünglich mit einer Hängebrücke ausgestattet war. Fast alle Seiten haben regelmäßig angeordnete Flachbogenfenster auf zwei Etagen, bei denen es sich um die Originale aus der Zeit der Sforza handelt. Die Fassaden sind mit einer regelmäßigen Dekoration aus weißen und Bordeaux-farbenen Rhomben bedeckt. Der fast quadratische Innenhof ähnelt den Höfen lombardischer Landgüter, er weist keinerlei Dekorationen auf und wird auf zwei Ebenen von Holzbalkonen gesäumt. Die Innenfassade der Rückseite hat

nur eine Balkonreihe und das Dachgesims wird von einem anderen, vorspringenden Balkenwerk getragen. Das in einigen historischen Beschreibungen als „vollständig bemalt“ bezeichnete Schloss war wahrscheinlich von Anfang an mit den Rhomben in Weiß und Bordeaux dekoriert (die heute noch an allen Seiten sichtbaren Dekorationen stammen jedoch von späteren Erneuerungsarbeiten). Die interne Raumaufteilung aus der Zeit der Sforza kann nur schwer rekonstruiert werden. Dokumentiert sind auf jeden Fall ein großer Saal für Spiele und Bälle, der von dem Ingenieur Pietro la Lonate gleichzeitig mit jenen der Residenzen in Mailand und Pavia realisiert wurde, eine Kapelle, eine große Küche sowie Gemächer für den Herzog du sein Gefolge, aufgeteilt auf 69 Räume. Die Annahme, dass der Bau nicht für militärische Zwecke bestimmt war, wird auch durch die Tatsache belegt, dass sich die Ställe außerhalb des quadratischen Grundrisses befanden (wahrscheinlich die Bauten an der Nordseite). Die Hundezwinger und die Unterkünfte für die Bediensteten, die dem Hof auf Jagdausflüge begleiteten, befanden sich hingegen im Ort. Die kleine Ortschaft folgt noch heute ihrer Berufung zur Landwirtschaft. Sie erstreckt sich nordöstlich vom Palast und hat eine geschlossene, sehr reguläre Form. Am Ortseingang fährt man durch ein Portal (fast auf einer Linie mit der Burg), das von einem turmähnlichen Aufbau überragt wird. Die Bauernhöfe sind im Viereck rund um einen Platz angeordnet, der wie ein großer lombardischer Hof wirkt, geteilt von zwei Straßen und mit einigen modernen Gebäuden. An der Südecke dieses Vierecks befindet sich das Schloss und zentral an dessen Nordseite die Dorfkirche. Die geschlossene Form des Ortes scheint die Bezeichnung als „Vorburg“, die man in historischen Dokumenten findet, zu bestätigen.


CASSOLNOVO

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SCHLOSSRUNDGANG 4

Die Gefilde der Visconti Eine Tour in drei Etappen SOMMA LOMBARDO CASSANO MAGNAGO FAGNANO OLONA CISLAGO JERAGO CON ORAGO ALBIZZATE CASTELLETTO SOPRA TICINO ANGERA INVORIO MASSINO VISCONTI

Künstler aus Angera: Napo Della Torre wird in Gefangenschaft geführt, um 1280, Detail. Angera, Rocca Borromeo, Jura-Saal

Der Name Visconti ist berühmt. Er gehörte den Herren von Mailand, der Familie, die vom späten 13. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts das politische Panorama der Stadt und der Lombardei dominierte. Spricht man den Namen Visconti aus, schweifen die Gedanken beispielsweise zu Erzbischof Ottone, dem Begründer der Macht der Familie, dessen Taten im Schloss von Angera brillant repräsentiert sind. Oder zu Azzone (1329-1339), dem es nach jahrzehntelangen Krisen und Schwierigkeiten gelang, der Signoria Visconti neuen Glanz zu verleihen, indem er ihre Macht auf regionaler Ebene nachhaltig festigte. Seine Grabstätte befindet sich in Mailand, in der Kirche San Gottardo, dekoriert mit Darstellungen aller von ihm unterworfenen Städte. Und schließlich schweifen die Gedanken zurück zu dem vielleicht berühmtesten Namen Gian Galeazzo (1378-1402), dem ersten Vertreter der Familie, der sich ab 1395 mit dem Herzogstitel schmückte und im Jahr 1402 starb. Die große Dynastie beschränkte sich aber natürlich nicht auf diese ganz besonders berühmten Visconti. Neben der Hauptlinie gab es diverse Nebenzweige, die mit Ersterer mehr oder weniger eng verwandt waren und in verschiedenem Umfang Macht und Reichtum besaßen. Zentrale Persönlichkeiten im politischen Panorama Mailands waren oftmals gerade die Vertreter dieser „Seitenlinien“ der Dynastie Visconti. Viele gewährten den mit ihnen verwandten Herren und Herzögen von Mailand wichtige Unterstützung, andere zählten zu ihren hartnäckigsten Gegnern. Im Jahr 1339 beispielsweise war es ein Visconti, der die Herrschaft von Azzone über Mailand ernsthaft bedrohte: Lodrisio, der viele Schlösser in der Region Seprio besaß, konnte in einer Schlacht bei Parabiago nur mit Mühe besiegt werden. Und als Gian Galeazzo Visconti 1385 seinen Onkel Bernabò ermorden ließ, mit dem er sich bis zu diesem Zeitpunkt die Macht geteilt hatte, waren es andere Mitglieder der Dynastie, die sich (allerdings erfolglos) an die Spitze der internen Opposition gegen den „Tyrannen“ Gian Galeazzo stellten. So verwundert auch keineswegs die Rolle, die diese „zweitrangigen“ Visconti nach dem Aussterben der herzoglichen Linie mit dem Tod (1447) des letzten Herzogs der Visconti, Filippo Maria (1412-1447) spielten. Keinem Mitglied der Seitenzweige gelang es, sich in diesen unruhigen Jahren als Nachfolger des verstorbenen Herzogs zu behaupten und, wie man weiß, gewann den Kampf um die Nachfolge letztendlich der „ausländische“ Kondottiere Francesco Sforza (14501466). Der Aufstieg von Francesco wurde jedoch von verschiedenen Vertretern der Dynastie Visconti unterstützt. Lancillotto und Ermes Visconti aus Castelletto erwiesen sich beispielsweise als nützlich, indem sie große Ländereien um Novara dem Sforza zuwendeten. Weitere große Hilfe kam von Filippo Maria Visconti aus Fagnano (auch Herr von Albizzate und Fontaneto sowie einflussreich in vielen Gegenden westlich von Mailand). Natürlich wurden diese Gefal89


DIE GEFILDE DER VISCONTI

Privileg des Filippo Maria Visconti, 1445. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana. Der Herzog übergibt Vitaliano Borromeo das Lehnsgut Arona

len nicht ganz uneigennützig gewährt. Wie Filippo Maria selbst an den neuen Herzog Francesco Sforza schrieb, hatte er sich für diesen auch und vor allem „zum Vorteil seines Hauses“ eingesetzt. Alle bzw. fast alle Vertreter dieser Seitenlinien der Dynastie Visconti waren in der Stadt fest verwurzelt. Sie besaßen elegante Paläste in den vornehmsten Vierteln, in denen sie residierten und Freunde oder Kunden trafen. Aber „esser Vesconte“, wie man damals sagte, bedeutete auch, großes Interesse an den Ländereien der Umgebung von Mailand zu haben. Dies umfasste nicht nur das Eigentum an sich, sondern auch Steuereinnahmen und Anspruch auf Rechtsprechung sowie die Herrschaft über echte kleine Signorien, die im Vergleich zu den anderen, „normalen“ Territorien des Herzogtums erhebliche Privilegien genossen. In vielen Fällen wäre es falsch, hier von „Lehnsgütern“ zu sprechen, da die juristischen Grundlagen, die das Bestehen dieser Herrschaften rechtfertigten, oftmals undurchschaubar waren. So behaupteten verschiedene Zweige der Dynastie, diese Vorrechte aufgrund ihrer seit jeher währenden Tradition zu besitzen. Sie erklärten eine „eigene“, private Macht auszuüben, die höchstens von direkten kaiserlichen Investituren abhing. Dabei wurde strikt von sich gewiesen, dass diese herrschaftlichen Rechte auf herzogliche Begünstigung zurückzuführen seien. Ebenso wie die mächtigen Inhaber dieser Vorrechte noch im 18. Jahrhundert behaupteten, die Signorien der Visconti seien „sine lege“, also „an sich legitim“ und nicht aufgrund einer Anerkennung von höherer Ebene. Ziel der Visconti war es hierbei nicht, sich als Herrscher autonomer „kleiner Staaten“ darzustellen, die vom Herzogtum völlig unabhängig waren. Die private Natur der Herrschaft über Ländereien und Ortschaften zu unterstreichen und abzustreiten, dass es sich hierbei um vom Herzog gewährte Lehnsgüter handelte, diente vielmehr dazu, Eingriffe des Herzogs und seiner Funktionäre so weit wie möglich einzuschränken, um die Privilegien dieser Territorien uneingeschränkt zu genießen. Dies beinhaltete im Einzelnen den Versuch, komplette Immunität auf steuerlicher Ebene zu erzielen, aber auch, die geschützte Rechtsprechung zu erhalten, um keine Einmischung vonseiten der staatlichen Funktionäre fürchten 90


SCHLOSSRUNDGANG 4

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DIE GEFILDE DER VISCONTI

zu müssen. Dies zumindest war das Bestreben und so lag es nahe, dass die Herzöge in diesen Situationen ihre Stimme auch gern in den Gebieten ihrer Verwandten laut werden ließen, um diese Privilegien zu untergraben. Allerdings erwiesen sich solche Eingriffsversuche als mühsam und kamen nur selten vor. Daher konnten die Gebiete unter dem Einfluss der Visconti, einschließlich jener in der direkten Umgebung von Mailand, wirklich als Orte mit einem ganz eigenen Status auftreten. Es waren Städte und Dörfer, die die Zöllner und Funktionäre der Herzöge nicht betreten konnten, ohne „um Erlaubnis zu bitten“, und nur, um vielleicht einen Banditen zu fassen oder die Zahlung einer Steuer einzufordern. Auf der Spur eines Diebes, der ihm eine große Geldsumme entwendet hatte, schrieb ein Geistlicher gegen Ende des 15. Jahrhunderts an Herzog Ludovico „Il Moro“, ihm sei bewusst, dass er in dieser Angelegenheit von den Funktionären vor Ort und auch von Ludovico selbst kaum Unterstützung erwarten könne. Der Dieb war nämlich nach Golasecca geflohen, einem Ort, der – wie der Prälat schrieb – zu den „Vicecomitum Regiones“, also den „Regionen der Visconti“ zählte. Und in den Regionen der Visconti hatten nur die Visconti Handlungsmacht. Als besonders stark präsentierte sich die Präsenz der Familie in jenem Teil des antiken Umlands von Mailand gleich hinter der Adda, wo Nachfahren des entmachteten Bernabò über Besitztümer und die Rechtsprechung verfügten, im fruchtbarsten Gebiet der Mailänder Umgebung südlich der Stadt. Später waren es jedoch die Gebiete nordöstlich von Mailand, zwischen Seprio und dem heute zum Piemont gehörenden Ufer des Lago Maggiore, wo viele Seitenlinien der Dynastie „ihre Schatten ausbreiteten“, wie man in jener Zeit sagte. Die berühmte Schlange des Familienwappens schlängelte sich über die Fassaden unzähliger Schlösser dieser Gegend und viele Ortschaften wurden von dem einen oder anderen Zweig der Dynastie beherrscht. Diese Gebiete waren es auch, auf die sich besagter Prälat mit der Bezeichnung „Vicecomitum Regiones“ bezog. Innerhalb dieser Grenzen zwischen dem Seprio und den Territorien hinter dem Ticino bewegt sich die hier beschriebene Route, durch Gebiete und Ortschaften, die einst von Zweigen des Hauses Visconti beherrscht wurden. Allerdings unterstanden nicht alle Siedlungen des Territoriums den Visconti und nicht immer war die von den verschiedenen Vertretern der Dynastie lokal ausgeübte Macht eindeutig gefestigt. Noch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts blieben die Grenzen der „Regionen der Visconti“ und somit die Grenzen ihres territorialen Einflusses in vieler Hinsicht fließend und nicht eindeutig definierbar. Aber auch, wenn man nur die wichtigsten Gebiete unter jenen aufzählt, die in dieser Gegend ohne jeden Zweifel unter der Kontrolle der Visconti standen, ist die Liste noch hinreichend lang. Das knapp 20 Kilometer von Mailand entfernte Cislago war die erste Ortschaft, die in der Region des Seprio der Dynastie gehörte und dem Familienzweig aus Somma unterstand. Fährt man weiter in westlicher Richtung, gelangt man nach Fagnano, Cassano Magnago, Crenna, Jerago, Orago, Albizzate, Caidate, Besnate, Somma, Mezzana, Vergiate, Golasecca und Sesto Calende. Und hinter dem Ticino nach Castelletto, Fontaneto, Paruzzaro, Oleggio Castello, Invorio, Massino, Lesa und Ornavasso. Fast alle dieser Ortschaften haben ein Schloss bzw. eine Burg, die bei Bedarf militäri92

Cristoforo De’ Predis: Wappen der Sforza, aus De sphaera, um 1470. Modena, Biblioteca Estense Universitaria


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schen Zwecken und der Verteidigung diente, in „normalen“ Zeiten aber auch den Angelpunkt für die Präsenz der Herren Visconti in bestimmten Gebieten bildete. Denn hier wohnten, wenn auch oft nur gelegentlich, die Mitglieder der Dynastie. Vor allem residierten hier jedoch die Podestà und Gutsverwalter, die für die Rechtsprechung und die Verwaltung der immensen Besitztümer zuständig waren, das heißt, zwischen diesen Gemäuern konkretisierte und entfaltete sich im täglichen Kontakt mit der Lokalbevölkerung die Macht der Visconti. Da sich die zahlreichen Festungen zwischen Seprio, dem Gebiet nördlich von Novara und Vergate natürlich abhängig von den jeweiligen historischen Ereignissen aus baustruktureller Sicht individuell entwickelt haben, ist es nahezu unmöglich, sie als Komplex zu beschreiben. Lediglich zwei allgemeine Betrachtungen wären möglich, die uns jedoch helfen, den Kontext besser zu verstehen, in den diese Bauten eingebettet waren. Der Ort Somma, der im Mittelalter zu den größten unter der Herrschaft der Visconti zählte, hatte zum Ende des 15. Jahrhunderts mit großer Wahrscheinlichkeit nur noch weniger als 1000 Einwohner. Und keine der Festungen der Visconti warf ihren Schatten auf die großen Ansiedlungen im Nordwesten Mailands. Legnano, Busto Arsizio und Gallarate waren keine Regionen der Visconti. Arona, das territorial sehr nah am Gebiet der Dynastie lag, unterstand nur für sehr kurze Zeit der Herrschaft eines Familienzweiges, dem der Magnago-Fagnano aus Cassano. Die Präsenz der Visconti durchdrang die Gebiete zwischen Mailand und dem Lago Maggiore, konzentrierte sich aber vorwiegend auf die kleineren Ortschaften des Territoriums, während in den größeren und reicheren Ortschaften nur marginaler Einfluss vorhanden Naviglio im Krieg, Detail aus Cronaca Bernese von Diebold Schilling dem Älteren, um 1483. Zürich, Zentralbibliothek. Der Lago Maggiore und der obere Lauf des Ticino waren von fundamentaler Bedeutung für das Verteidigungssystem und den Handel zwischen der Ebene und den Alpen

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DIE GEFILDE DER VISCONTI

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SCHLOSSRUNDGANG 4

Wappen und Heldentaten der Visconti, aus Codice Trivulziano 1390, um 1450. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana

war. In diesen Orten war es auch nicht selten, dass die Bewohner selbst Initiativen ergriffen, um die Macht der Dynastie auf lokaler Ebene in Grenzen zu halten. So überfielen im Jahr 1402 beispielsweise Männer aus Busto Arsizio und Gallarate das Schloss der Visconti in Orago und zerstörten einen Teil der Gebäude. Als zweite allgemeine Beobachtung hingegen könnte ein Vergleich mit einigen anderen Schlössern im Gebiet Seprio herangezogen werden, die sich in der Nähe der Visconti-Festungen befanden. Die Schlösser waren in der Regel etwas abgelegen von den Ortschaften und lagen im Verhältnis zu diesen in einer leicht erhöhten Position. In den meisten Fällen befand sich in unmittelbarer Nähe eine Kirche, die natürlich auch den Herrschaften unterstand. In dieser Hinsicht ähnelten sie den Festungen anderer Mailänder Adelsfamilien, wie denen der Besozzi in Besozzo, der Pusterla in Tradate oder der Castiglioni in Castiglione. Betrachten wir diesbezüglich beispielsweise das Schloss Pusterla in Tradate: Es erhebt sich auf einem niedrigen Hügel direkt außerhalb des antiken Ortskerns und die nahe Kirche Santa Maria in Castro ist eng mit dem Gebäudekomplex verbunden. In Tradate, ebenso wie in Besozzo und Azzate war die Festung von einer dichten Reihe Adelshäuser mit den Familienwappen der Pusterla, Besozzi und Bossi umgeben. Dies waren die Residenzen der zahlreichen Vertreter der Dynastie, die der lokalen Hauptlinie angehörten. Dies liefert einen Hinweis darauf, wie sich die Lokalmacht des größten Familienzweiges in einem sozusagen „familiären“ Kontext entwickelt haben könnte, der auf die jahrhundertelange Verwurzelung zahlreicher Familienmitglieder zurückzuführen war. Was ein wenig verwundert, ist, dass dieser Aspekt bei den Festungen der Visconti fast völlig zu fehlen scheint, insbesondere in der Gegend östlich des Flusses Ticino. In Somma, Albizzate, Besnate, Jerago und den anderen Orten im Seprio, in denen es ein Schloss der Visconti gibt, findet man keine Adelshäuser wie bei jenen der Dynastien Bossi, Pusterla, Besozzi oder Castiglioni. Dieser, an der Form der Ansiedlung erkennbare Aspekt ist möglicherweise der beste Hinweis auf die „Verspätung“, mit der sich die Macht der Visconti im Gebiet des Seprio durchsetzen konnte, in einer Gegend, die nicht von der antiken Präsenz einer bestimmten Familie geprägt war und wo die Dynastie ihre Einflussbereiche nicht vor dem 13. Jahrhundert definieren konnte. Das heißt, hier fehlte sozusagen die „verwandtschaftliche Substanz“, wie sie hingegen im Seprio die Vorherrschaft anderer Adelshäuser bestimmte, die dort seit sehr langer Zeit ansässig und mit dem Gebiet tief verwurzelt waren. Über jene „verwandtschaftliche Substanz“ verfügten die Visconti hingegen im Gebiet westlich des Ticino, in Massino und Invorio, also ebenfalls dort, wo die Dynastie auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblicken konnte. Somit ist es auch kein Zufall, dass das Stadtgefüge rund um die Schlösser eher der in Tradate und Azzate und weniger jener in Somma und den anderen, von den Visconti beherrschten Orten des Seprio ähnelt. Die im Gebiet verstreuten Schlösser der Visconti, die unterschiedlich gut erhalten sind und in der Gegenwart für die verschiedensten Zwecke genutzt werden, sind auf jeden Fall auch heute noch einen Besuch wert. Da es nicht möglich ist, eine Strecke abzustecken, die alle – wenn auch nur die wichtigsten – Schlösser umfasst, präsentieren wir Ihnen hier drei verschiedene Routen. Der Ausgangspunkt für alle drei ist das Schloss von Somma Lombardo, das unter den antiken Residenzen der Visconti heute möglicherweise das eindrucksvollste darstellt. Ausgehend vom Schloss in Somma führt uns die erste dieser Touren durch die „Regionen der Visconti“. Fahren Sie hierzu zunächst in Richtung Gallarate, und zwar nicht über die moderne Fernstraße Sempione, sondern über die antike Verbindungsstraße über Arsago Seprio (versäumen Sie hier keineswegs, die wunder95


DIE GEFILDE DER VISCONTI

schöne romanische Pfarrkirche mit der Taufkapelle aus dem 12. Jahrhundert zu besichtigen). Nach der Ankunft in Gallarate kann man in Crenna, das heute ein Stadtteil ist, aber bis 1923 eine autonome Ortschaft war, auf dem Hügel die Überreste des gleichnamigen Schlosses der Visconti besichtigen. Das Schloss erhebt sich neben der Pfarrkirche San Zenone, an der höchsten Stelle des Hügels in dominierender Lage über der gesamten umliegenden Ebene. Sein Name steht vor allem im Zusammenhang mit Lodrisio Visconti, dem unglückseligen Protagonisten der oben erwähnten Schlacht von Parabiago, der den Komplex zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu seiner bevorzugten Residenz wählte und eine umfangreiche Erneuerung der antiken Bausubstanz veranlasste. Von dem einstigen „Castrum Fortissimum“, wie es der Chronist Pietro Azario beschrieb, bleibt heute nur wenig. Im 19. Jahrhundert wurden stark invasive Umbauten an den antiken Gebäuden vorgenommen, wie man an der nach Gallarate weisenden Fassade eines der Hauptgebäude deutlich sieht. Auf einem Spaziergang durch die Via Locarno bis zur Kreuzung mit der Via Salita Visconti, kann man das Ausmaß des ursprünglichen Festungsumfangs erkennen sowie (an der Via Salita Visconti) das eindrucksvollste Gebäude des Komplexes bewundern. Von Gallarate geht es weiter, erst nach Cassano Magnano und dann nach Fagnano, zu den Schlössern der zwei bedeutendsten Zweige der Dynastie. Folgt man hinter Fagnano den Richtungsweisern nach Gorla Maggiore, durchquert man das Tal Valle dell’Olona. Von dort geht es weiter nach Mozzate bis zu dem eindrucksvollen Schloss von Cislago, der antiken Signoria der Visconti in Somma, die mindestens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts deren bevorzugte Residenz darstellte. Die zweite mögliche Strecke hat den gleichen Ausgangspunkt und führt zu den Schlössern der Visconti im Tal des Wildbaches Arno. Von Somma aus gelangt man auch hier zunächst nach Arsago mit der romanischen Pfarrkirche. Anschließend geht es jedoch nicht nach Gallarate, sondern in Richtung Norden nach Besnate, einer kleinen Ortschaft, die im Mittelalter nach einem Familienzweig der Visconti benannt wurde. Das hier befindliche Schloss präsentiert sich dem Besucher heute stark verändert, Als Privat-Residenz und Restaurant (das nicht unbegründet den Namen „Il Castellaccio“ [heruntergekommenes Schloss] trägt). Der zum Teil verlassene Komplex lässt jedoch noch einige Teile der ursprünglichen Gebäude erkennen, Überreste der antiken Türme und vor allem, östlich des Hauptgebäudes, die schöne einstige Schlosskapelle Santa Maria in Castello. In der nahen Pfarrkirche San Martino sind Portraits der zwei antiken Herren Ercole und Gerolamo Visconti zu sehen, dargestellt gemeinsam mit Antonio Abate und dem Heiligen Antonius von Padua auf dem noch heute erhaltenen Altarbild (1538). Wesentlich würdevoller und mit unmittelbarer Ausstrahlung präsentiert sich das Schloss von Jerago, das man wenige Fahrminuten nach Besnate erreicht. Nach der Ortschaft Orago, ebenfalls mit Überresten eines Schlosses, das einst dem gleichnamigen Familienzweig der Visconti gehörte, führt die Tour weiter zu der Festung von Albizzate mit einem wunderschönen Oratorium aus dem 14. Jahrhundert. Das nördlichste Ziel der Strecke ist Caidate, heute ein Ortsteil von Sumirago, knapp vier Kilometer oberhalb von Albizzate. Hier erhebt sich ein Schloss, das nach seinen Besitzern aus dem 18. Jahrhundert Confalonieri genannt wird. Der Bau, der bereits ab dem 17. Jahrhundert zur Residenz umgebaut wurde und dem der Architekt Giuseppe Balzaretto im 19. Jahrhundert erneut ein burgähnliches Aussehen verlieh, hat auch heute noch seinen ursprünglichen, viereckigen Grundriss. Auch der massive Turm an der Nordwest-Ecke ist, wenn auch stark verändert, ein Zeugnis aus der Zeit der Visconti. Die Kulisse für unsere dritte Tour sind die eindrucksvollen Landschaften des 96


SCHLOSSRUNDGANG 4

Lautenspieler, 17. Jahrhundert. Somma Lombardo, Schloss Visconti di San Vito

Lago Maggiore. Fahren Sie hierfür von Somma in nördliche Richtung, verlassen Sie die Fernstraße Sempione und folgen Sie den Richtungsweisern nach Golasecca. Über weniger befahrene Straßen gelangen Sie hier zunächst nach Golasecca und dann nach Sesto Calende. Dies war ein antiker Marktplatz und die Einnahmestelle für den Zoll, der auf alle über den Fluss aus oder nach Mailand transportierten Waren erhoben wurde. Hier ist das Schloss zu sehen, das einst dem Familienzweig der Visconti aus Castelletto gehörte. Es liegt verborgen zwischen den Gebäuden des historischen Ortskerns und von der Via dell’Olmo sind lediglich die (allerdings stark veränderten) Türme sichtbar. Die schöne Flusspromenade lädt auf jeden Fall zu einer Rast ein, vor allem für all jene, die keine Zeit haben, die Rundfahrt fortzusetzen. In nördlicher Richtung gelangen Sie zu der Burg von Angera, der einzigen des Gebiets, die nicht einem Familienzweig der Visconti gehörte, oder, nachdem Sie den Fluss überquert haben, zu einem der ältesten Herrschaftssitze der Dynastie. Wenn Sie die zweite Strecke wählen, gelangen Sie erst zur Festung von Castelletto Ticino und anschließend zu der in Invorio Inferiore, indem Sie von Castelletto der Straße nach Arona folgen und dann in Richtung Oleggio Castello und Paruzzaro abbiegen. Das Schloss von Massino Visconti mit seinem atemberaubenden Blick über den See, das man über die eindrucksvolle Straße am Alto Vergante erreicht, bildet einen würdigen Abschluss für die Tour. 97


DAS SCHLOSS VISCONTI DI SAN VITO GEMEINDE: Somma Lombardo (Varese) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Visconti di San Vito ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum, Veranstaltungsort der Stiftung Visconti di San Vito

Das Schloss zählt zweifellos zu den bedeutendsten unter den Residenzen der Visconti im Gebiet des Seprio und erhebt sich rund 100 Meter vom Hauptplatz (Piazza Vittorio Veneto) der Ortschaft Somma Lombardo, in der Nähe des schönen Rathauses und der Pfarrkirche Sant’Agnese. Die Straße Sempione führt heute an seiner gesamten Ostfront entlang. Dadurch ist der Komplex im Verhältnis zum Stadtgefüge etwas isolierter als in der Vergangenheit. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte die wichtige Verkehrsader an der Westseite vorbei, wo sich heute die Südseite des Schlosses Visconti di San Vito, Somma Lombardo. Turm aus dem 16. Jahrhundert und Vormauer in Form einer Bastei

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Via Visconti di Modrone befindet. Sowohl an der Südfront zur Piazza Sempione als auch an der langen Nordseite befinden sich Zugangsportale, Beide mit großzügig angelegten Vorplätzen, von denen der Südvorplatz eine leichte Steigung aufweist. Das Schloss wurde von den Visconti zwischen dem 13. und dem Beginn des 14. Jahrhundert errichtet. Der ursprüngliche Kern des heute sichtbaren Baus lag eingebettet zwischen weiteren, älteren Befestigungen, wie unter anderen dem berühmten Castrum (auch Gulizone genannt), das sich um das Jahr 1000 am heutigen Standort der Kirche Sant’Agnese erhob. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts gehörte es den Mönchen des Mailänder Klosters San Simpliciano, die es von dem nicht näher bekannten lokalen Adligen Gulizone geschenkt bekommen hatten. Der 2.500 Quadratmeter große befestigte Bereich umfasste einen Turm, ländliche Gebäude und Wohnungen und mindestens bis zum 12. Jahrhundert war an seinen Besitz die Ausübung der Herrschaftsrechte über die gesamte Ort-


SOMMA LOMBARDO

schaft gebunden. Aus dem darauf folgenden Jahrhundert sind weniger Informationen über die Präsenz und die Herrschaft der Mönche von San Simpliciano über Somma überliefert, was auf einen Rückgang ihrer Kontrolle über Somma schließen lässt. Gleichzeitig werden zunehmend die Mitglieder einer Familie erwähnt, die ihren Namen aus dem der Ortschaft ableiteten – Da Somma. Diese Familie war auch in Mailand verwurzelt und verfügte über beachtliche Besitztümer und Rechte in der Ortschaft und deren unmittelbarer Umgebung. Der Einfluss der Visconti in Somma ist in seinen Anfängen nicht umfangreich dokumentiert und schien in diesen ersten Jahrzehnten noch begrenzt zu sein. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts jedoch verfügten Mitglieder der Dynastie über Besitztümer sowohl in Somma als auch in dessen Umgebung. Aber erst als sich die Herrschaft der Visconti nach dem Sieg über die Rivalen Della Torre in Mailand durchsetzte, zeichnete sich auch die Kontrolle über Somma deutlich ab. Die mit dem Haus Della Torre verbundenen Da Somma verschwanden rasch aus dem Panorama von Somma und überließen das Feld zwischen Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts einem Familienzweig der Visconti, der von dem Bruder des zukünftigen Herren von Mailand, Matteo Visconti (gestorben 1322) abstammte. Der Bau des heute sichtbaren Schlosses, der wie bereits erwähnt auf das ausklingende 13. Jahrhundert datiert werden kann, hing also eng mit der zunehmenden Einflussnahme der Visconti in der Ortschaft zusammen. Nachdem sie das alte Castrum verlassen hatten, das anschließend rasch verfiel, begannen sie in diesen Jahren mit dem Bau der neuen Festung auf dem nahen Hügel, auf dem sich zu dieser Zeit die Pfarrkirche Sant’Agnese befand (am Ort der heutigen Südfront). Der Standort

dieses ersten Baus entspricht dem heutigen Nordwest-Hof (auch „Cortile degli Armigeri“ genannt), neben dem ein Jahrhundert später weitere Teile der heute sichtbaren Festung hinzugefügt wurden. Über die Visconti aus Somma sind aus den folgenden Jahrhunderten nur wenige Informationen überliefert, aber es kann zweifellos davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder der Familie ihre Interessen nicht auf diese Gegend beschränkten und auch im politischen Panorama des damaligen Mailands wichtige Positionen bekleideten. Um die Jahrhundertwende zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert agierten die Brüder Francesco und Antonio Visconti, Herren von Somma, beispielsweise als stolze Gegner von Gian Galeazzo und spielten auch nach dessen Ermordung eine aktive Rolle bei den schweren Konflikten in Mailand und im gesamten Herzogtum. Sie zählten zu den eifrigsten Vertretern der Oppositionsbewegung gegen den neuen Herzog Giovanni Maria (1402-1412) und wurden im Jahr 1408 beide getötet. Ihre Besitztümer und Rechte an Somma gingen an Battista Visconti, den einzigen der Söhne von Antonio, der gegenüber dem herzoglichen Zweig der Dynastie keine gegnerische Position bezogen hatte.

Rasierteller-Sammlung Somma Lombardo, Schloss Visconti di San Vito

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Im Jahr 1420 erhielt Battista von Filippo Maria die Bestätigung seiner Rechte auf Somma, einschließlich der steuerlichen und juristischen Privilegien, und seine Söhne und Erben, Francesco und Guido, begannen in den 1440er Jahren, die Interessen der Familie im Gebiet des Seprio erneut intensiver zu vertreten. Viele Ortschaften der Pfarrgemeinden Somma, Mezzana und Arsago zahlten an die Brüder jährliche Abgaben und genossen im Gegenzug Schutz vor den Steuerforderungen und den Funktionären des Herzogs. Gestärkt durch den Erwerb von weiterem Grundbesitz, fand das Projekt von Francesco und Guido im Verlauf der Krise nach dem Tod des Herzogs Filippo Maria

zunehmend Anklang. Die zwei Visconti verbündeten sich mit Francesco Sforza und so gelang es ihnen, in diesen Jahren ihren Einflussbereich auf das gesamte Gebiet der Pfarrgemeinden Somma Mezzana und Arsago auszudehnen und zu einem Herrschaftssystem mit eigener Rechtsprechung zu entwickeln, die sich jeder staatlichen Kontrolle entzog. Nach der Festigung der Position von Francesco Sforza wurden diese Privilegien jedoch zwangsläufig eingeschränkt. Francesco und Guido verloren einen Teil ihrer „Neukäufe“ und ihrer Herrschaft unterstanden offiziell nur noch Somma, Mezzana, Golasecca und Vergiate. Mit den Ereignissen dieser Zeit

Zwei Meisterwerke der Renaissance, verborgen in der Heide Man schrieb das Jahr 1512, als Battista Visconti di Somma den Maler Marco d’Oggiono mit der Realisierung eines Triptychons beauftragte, das die Mariä Himmelfahrt sowie die Heiligen Stephanus und Johannes den Täufer darstellen sollte. Das kostbare Gemälde war für die Kirche Santo Stefano in Mezzana bestimmt, dessen Patron Visconti war, und ist heute im DiözeseMuseum in Mailand ausgestellt. Aber auch in der Kirche von Mezzana sind heute noch zwei unbestrittene Meisterwerke der italienischen Renaissance zu sehen: das Pfingstfest und die Kreuzabnahme von Bramantino. Die zwei Gemälde, die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der Kirche Santo Stefano befanden, im 18. Jahrhundert in die dahinter gelegene Kirche Santa Maria della Ghianda gebracht und später in die Pfarrkirche von Mezzana zurückverlegt wurden, stammen möglicherweise aus den Grabkapellen, die die Visconti aus Somma in der Franziskanerkirche Sant’Angelo in Mailand besaßen. Trotz des schlechten Erhal-

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tungszustandes und der nicht optimalen Positionierung der beiden Tafeln erkennt man sofort den außerordentlich geschickten perspektivischen Aufbau der Werke. Insbesondere bei dem Bild Pfingstfest, das Bramantino wahrscheinlich kurz nach der Rückkehr von einem Arbeitsaufenthalt in Rom realisierte (datierbar auf 1508 oder etwas früher), sind die Figuren in der Szene auf besonders eindrucksvolle Weise positioniert. In der Mitte thront die Jungfrau oben auf einer Treppe, unter einem massiven Bogengang mit dorischen Säulen. Die zwölf Apostel, die sie umgeben, tragen rote und grüne Gewänder in geschickt angeordneten Kontrasten. Die vier Apostel im Vordergrund, sitzend auf reich dekorierten Bänken, richten finstere Blicke auf den Betrachter. Bartolomeo Suardi (genannt Bramantino): Pfingstfest, um 1510. Mezzana di Somma Lombardo, Santo Stefano


SOMMA LOMBARDO

Nordseite des Schlosses Visconti di San Vito, Somma Lombardo

Mitte des 15. Jahrhunderts, geprägt von dem neuen Interesse der Brüder Francesco und Guido Visconti für das Territorium von Somma, hängen auch die zu dieser Zeit durchgeführten Bauarbeiten im Schloss zusammen, die dem Komplex weitestgehend das noch heute sichtbare Aussehen verliehen. Bereits 1452 wurden umfangreiche Ausbauten veranlasst. An die Ostseite der viereckigen Festungsanlage aus dem 14. Jahrhundert wurde ein zweiter Hof mit Ecktürmen angebaut, von denen zwei mit dem bereits bestehenden Festungsteil „geteilt“ wurden. Die genau am Ort der Bauarbeiten befindliche alte Kirche Sant’Agnese wurde abgerissen und auf Kosten der zwei Visconti rund 100 Meter weiter südlich, am ehemaligen Standort des alten Schlosses Gulizone, in ihrer heutigen Position wieder aufgebaut. Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den Brüdern Visconti sowie im Zuge einer allgemeinen Teilung aller Güter und Rechte der Familie wurde das ausgebaute Schloss im Jahr 1473 zwischen den zwei Parteien aufgeteilt. Francesco bekam den neu

gebauten Teil des Schlosses sowie die Rechtsprechung über die Hälfte von Somma. Guido hingegen erhielt den antiken Schlosshof und die Herrschaftsrechte über alle Bewohner des Westteils der Ortschaft. Nach dem Übergang der Teile an die jeweiligen Erben der Brüder war eine erneute Vereinigung der zwei Schlosshälften ausgeschlossen. Vielmehr wurden im Verlauf der Zeit weitere Teilungen, aber auch umfangreiche Erneuerungsarbeiten und Ausbauten vorgenommen. Heute hat die Festung eine viereckige Form, die annähernd in vier Blökke mit ebenso vielen Höfen gegliedert werden kann: den NordwestHof (Corte degli Armigeri), der an Guido und dessen Nachfolger ging, der Südwest-Hof, der ab dem 16. Jahrhundert dem Familienzweig Visconti di Modrone gehörte, sowie die zwei Osthöfe, die einst durch eine Mauer getrennt und Eigentum der Erben von Francesco (Visconti di San Vito) waren. Beginnt man die Besichtigung an der Piazza Ermes Visconti, zu der die Nordfront des Komplexes weist, sieht man auf der 101


Hof („Cortile degli Armigeri“) des Schlosses Visconti di San Vito, Somma Lombardo

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rechten Seite, hinter einem kleinen, Ende des 17. Jahrhunderts umgebauten Turm, den Zugang zum ältesten Teil des Schlosses, dem Cortile degli Armigeri. Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammen der runde Turm rechts vom Eingang sowie der maßgebliche Teil der heute sichtbaren Fassade. Die Spitzbögen und die stämmigen Säulen an zwei der vier Seiten stammen jedoch ohne Zweifel aus dem 14. Jahrhundert, also aus der Zeit, zu der dieser Schlossteil erbaut wurde. An den Wänden sind Spuren von Graffit-Dekorationen zu sehen. Interessant sind auch das Monogramm des Heiligen Bernhardin von Siena und die in viele der Kapitelle gemeißelten Motive von Heldentaten der Visconti. An der linken Seite der Fassade zur Piazza Ermes Visconti befindet sich der Eingang zu dem Nordwest-Hof, den Guido und Francesco Visconti Mitte des 15. Jahrhunderts errichten ließen und der im Eigentum der Erben des Letztgenannten verblieb. In der Mitte der Fassade erkennt man deutlich einen der ehemaligen Ecktürme der Festung aus dem 14. Jahrhundert, die in den neueren, Mitte des 15. Jahrhunderts errichteten Teil einge-

bettet wurden. Links außen erhebt sich besonders eindrucksvoll einer der zwei von Francesco und Guido neu errichteten Türme, der jedoch im 19. Jahrhundert noch einmal umfassend verändert wurde. Im Innenhof, der ab dem 17. Jahrhundert vor allem Wohnzwecken diente, führt eine breite Treppe ins Obergeschoss. Hier kann in den reich mit Originalmöbeln ausgestatteten Räumen auch eine umfangreiche Sammlung antiker Rasierteller bewundert werden. Der Ehrensaal und die angrenzenden Räume sind mit wertvollen Fresken dekoriert, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts anlässlich der Hochzeit zwischen einem Visconti und einer Taverna realisiert wurden. Der Künstler ist nicht dokumentiert, mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich jedoch um ein Werk von Carlo Antonio Procaccini und dessen Gehilfen. Folgt man von der Piazza Ermes Visconti zu Fuß (mit Vorsicht) der Straße Sempione, geht es vorbei an dem Teil des Schlosses, der Francesco und dessen Erben zugeteilt wurde, bis zum Südeingang des Komplexes. Links führt ein Portal, das vom Wappen der Visconti überragt wird, in einen kleinen Innenhof, eine Art Vorhof zum Südwest-Hof oder „Ehrenhof“, in den man durch einen eleganten Zugangsturm mit Kragsteinen und Zinnen gelangt. Dies ist ein dritter Teil der aktuellen Festung, der nach den beiden Nord-Höfen errichtet wurde. Er stammt wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert, wurde in der Folgezeit jedoch mehrmals umgestaltet. An der rechten Seite der Südfront befindet sich hingegen der Eingang zum vierten Schlossbereich, in dem ursprünglich vor allem Diensträume untergebracht waren und der über eine direkte Verbindung zum NordostHof verfügt. Heute ist er der Hauptzugang und Startpunkt für die Führungen durch das Schloss.


SOMMA LOMBARDO

Die unglücklichen Liebschaften der Gräfin Challant Im September 1514 heiratete der dreißigjährige Ermes Visconti, nachgeborener Sohn des Herren von Somma Battista, die vierzehnjährige Bianca Maria Gaspardone. Die junge Frau, Waise des Finanzministers des Markgrafen von Casale Monferrato, brachte eine stolze Aussteuer von 25.000 Scudi (dieser Betrag entsprach fast dem Jahreseinkommen eines kleinen padanischen Staates) mit in die Ehe. Dank seines hochadligen Blutes und ihres Reichtums wurden die beiden das berühmteste Paar im Mailand des 16. Jahrhunderts. Wie aus jüngst entdeckten Dokumenten hervorgeht, beauftragten Ermes und Bianca Maria um 1520 zur Untermalung ihres gesellschaftlichen Status Bernardino Luini mit der Dekoration der Mailänder Kirche San Maurizio al Monastero Maggiore. In den Lünetten an der Trennwand der Kirche ließen sich die Eheleute Visconti (und nicht Ippolita Sforza und Alessandro Bentivoglio wie ursprünglich vermutet) darstellen, umringt von den heiligen Schutzpatronen der Familie – der Heiligen Agnes und dem Heiligen Stephanus. Diese waren auch die Schutzpatrone von Somma Lombardo und Mezzana, da die Gebiete ebenfalls diesem Familienzweig gehörten. Auf dem Portrait von Luini trägt Bianca Maria ein kostbares Kleid aus weißem Satin, dekoriert mit 173 Schmucknadeln aus Gold, während Ermes in einem eleganten Gewand aus schwarzem Samt und Atlas und einem Futter aus Luchsfell posiert. Am 11. Mai 1521 starb Ermes Visconti unerwartet an einer Krankheit. Die junge Witwe zog sich in ihr Geburtshaus in Casale zurück und wählte ein Jahr später aus der Schar der von ihrem Reichtum angelockten Freier den Grafen René de Challant aus dem Aostatal. Die Beziehung zu ihrem zweiten Ehemann (der jünger war als sie) erwies sich jedoch sofort als problematisch. Bianca Maria kehrte erneut nach Casale zurück, wo sie den Grafen von Caiazzo, Roberto Ambrogio Sanseverino, kennen lernte, der ihr Liebhaber wurde. Hier verfasste sie auch ihr Testament, in dem sie verfügte, eingeäschert und im Grabmal ihres geliebten Ermes in der Mailänder Kirche Sant’Angelo beigesetzt zu werden. Sie folgte dem Kondottiere Sanseverino nach Pavia, führte hier wahrscheinlich auch eine Beziehung mit dem Grafen Ardizzino Valperga Di Masino und kehrte anschließend nach Mailand zurück

Bernardino Luini: Bianca Maria Gaspardone Visconti, Detail der Zwischenwand, um 1520. Mailand, San Maurizio al Monastero Maggiore

(1526). Die durch die Pest von 1524 entvölkerte Stadt war zu diesem Zeitpunkt von den kaiserlichen Truppen unter der Führung des Konnetabels von Bourbon belagert. Die Gräfin hielt sich im Haus ihrer Cousine Daria Pusterla Botta (einer aus politischer Sicht stark geschädigten Frau) auf und dann muss es in ihren Liebesbeziehungen ein unerwünschtes Ereignis gegeben haben. Im August desselben Jahres wurde Gräfin Challant gemeinsam mit einem vermeintlich neuen spanischen Liebhaber verhaftet und des Mordes an den Brüdern Valperga Di Masino angeklagt. Obwohl kein direkter Zusammenhang zwischen dem Delikt und der jungen Gräfin hergestellt werden konnte, verurteilte der in der Zwischenzeit in der Stadt eingetroffene Bourbon die Gräfin im Oktober 1526 zum Tode und sie wurde am Außenturm des Mailänder Schlosses enthauptet. Dieses grausame Ereignis regte sofort die Phantasie der Dichter an. Der erste, der das Thema aufgriff, war der Dominikanermönch Matteo Bandello, der einige Informationen über das Ereignis zusammentrug und diese zu einer seiner bekanntesten Novellen (übertroffen nur von Romeo und Julia) verarbeitete. Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche literarische und Theaterwerke über die Geschichte der Gräfin Challant. Zu den interessantesten Texten zählt La signora di Challant von Giuseppe Giacosa, dem Librettisten von Giacomo Puccini. Gleichzeitig wurde der Mythos geboren, diese Frau zu portraitieren, entstanden durch eine Glosse am Ende der Novelle von Brandello („e chi bramasse di veder il volto suo ritratto dal vivo, vada ne la chiesa del Monistero Maggiore, e là dentro la vedrà dipinta“ – „wer sich danach sehnt, ihr Abbild vom lebenden Modell zu betrachten, möge in die Kirche des Monistero Maggiore gehen, um sie gemalt zu sehen“). Noch heute kann man die Anmut der unglücklichen Gräfin und zeitweiligen Herrin von Somma Lombardo auf dem von Ermes Visconti in Auftrag gegebenen Portrait von Bernardino Luini im Mailänder Monastero Maggiore bewundern.

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DAS SCHLOSS IN CASSANO MAGNAGO

GEMEINDE: Cassano Magnago (Varese) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Dal Pozzo ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Das Schloss in Cassano Magnago zählt zu den Festungen der Visconti im Gebiet des Seprio und fügt sich heute harmonisch in ein Stadtgefüge mit niedrigen Häusern und Gärten ein. In der Vergangenheit war es unter allen anderen das Schloss, das im Verhältnis zur zugehörigen Ortschaft am isoliertesten lag. Die Siedlung erstreckte sich gerade bis zum Fuß des Hügels der Festung, von dem sie sich noch vor wenigen Jahren einsam erhob, Seite an Seite lediglich mit der Kirche Santa Maria del Cerro. Der Bau war seit der zweiten Hälfte des Fassade des Schlosses in Cassano Magnago. Die Zinnen und Bogenfenster stammen von Umbauten aus dem 19. Jahrhundert

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13. Jahrhunderts Eigentum der Visconti und ist mit einem der wohlhabendsten und mächtigsten Zweige der Dynastie verknüpft, der ab dem 15. Jahrhundert unter dem Namen Cassano Magnago dokumentiert ist. Die Visconti aus Cassano besaßen weite Ländereien, herrschaftliche Rechte auf die Ortschaft und das Patronat der Kirche Santa Maria und das Schloss bildete den Angelpunkt für all ihre Interessen in diesem Gebiet. Wie von einem notariellen Dokument aus dem späten Mittelalter belegt wird, war das Schloss, das zu dieser Zeit „Ca`Bianca“ (weißes Haus) genannt wurde, der Sitz des Podesta, der von hier die Rechtsprechung ausübte. Gemeinsam mit diesem wirkten hier einige Schergen, wie ein „Camparo“, der für die Weinberge und Felder zuständig war, sowie der Pfarrer, der in der von den Herrschaften selbst gegründeten Kirche Santa Maria seine Gottesdienste abhielt. Außerdem wurde hier in großen Mengen das auf den Feldern der Visconti ange-


CASSANO MAGNAGO Luigi Pietro Barinetti: Das Schloss von Cassano Magnago, aus Grande Illustrazione del LombardoVeneto von Cesare Cantù, 1858

bauten Getreides gelagert. Das gesamte Obergeschoss des Hauptgebäudes wurde daher als „Solaio delle Biade“ (Haferboden) bezeichnet. Da nur wenige Originalquellen verfügbar sind und der Komplex in den vergangenen zwei Jahrhunderten stark verändert wurde, kann die ursprüngliche Struktur der Festung nur schwer rekonstruiert werden. Aber auch hinsichtlich dieses Aspekts scheint Cassano im Vergleich zu den Merkmalen fast aller anderen Festungen der Visconti im Seprio einige Besonderheiten aufzuweisen. Der U-förmige, nach Westen offene Bau des eigentlichen Schlosses war seit dem 15. Jahrhundert in ein größeres, ebenfalls befestigtes Areal eingebettet, das Originaldokumenten zufolge „Ricetto“ (Vorburg) genannt wurde. Innerhalb dieser Außenmauern gab es Gärten und Freiflächen, aber auch Gehöfte, Ställe und Backstuben. Neben dem Hauptgebäude erhob sich ein Turm, der „Del Biscione“ genannt wurde. Der Turm ist nicht erhalten, aber auf einem Gemälde aus dem

18. Jahrhundert zu sehen. Neben dem bereits erwähnten „Haferboden“ befanden sich in diesem Turm die Gemächer der Herrschaften sowie einige Diensträume, die Küchen sowie ein weiterer Raum, der Ende des 15. Jahrhunderts als „Scuola“ (Schule) bezeichnet und möglicherweise für die Unterrichtung der zahlreichen Nachkommen der Dynastie genutzt wurde. Von dem großen Originalkomplex ist heute nur noch wenig sichtbar. Das Hauptgebäude wurde im 19. Jahrhundert komplett umgebaut und ist heute eine in einen großen Park eingebettete Privatvilla mit gotischen Stilelementen. Entlang der Via Santa Maria und der Via Vallazza sind hingegen einige Überreste der Türme und Gebäude zu sehen – davon eins mit einer schönen Renaissance-Loggia – die sich an der Nord- und Westseite der Vorburg aneinanderreihten. Bemerkenswert auch das mittelalterliche Marmorwappen mit Symbolen der Visconti, das in den Glockenturm der Kirche Santa Maria eingemauert ist. 105


DAS SCHLOSS IN FAGNANO OLONA

GEMEINDE: Fagnano Olona (Varese) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti ERHALTUNGSZUSTAND: vollständig mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Rathaus

Innenhof des Schlosses in Fagnano Olona, 15. Jahrhundert

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Das von einem Graben umgebene Schloss erhebt sich direkt vor dem ältesten Ortskern, zu dem auch seine Hauptfassade (Südfront) weist. Die Nordseite des Komplexes hingegen befindet sich hoch über dem Flussbett des Olona-Tals. Das heute als Rathaus genutzte Schloss ist bereits aus dem 13. Jahrhundert dokumentiert und mindestens seit dem 14. Jahrhundert stand es, ebenso wie die zahlreichen Besitztümer der Seitenzweige der Dynastie, im

Zusammenhang mit der Familie Visconti. Zum Ende des 14. Jahrhunderts ging es an Gaspare Visconti, den mächtigen Berater des Herzogs Filippo Maria und anschließend an dessen Sohn, der wie der Herzog Filippo Maria hieß. Filippo Maria zählte zu den einflussreichsten Persönlichkeiten seiner Zeit und er unterstützte Francesco Sforza aktiv bei dessen Machtübernahme. Im Hinblick auf Residenzen widmete er den Großteil seines Engagements der großen Festung, die er ab 1450 in Fontaneto bei Novara errichten ließ. Dennoch vernachlässigte er auch seine Burg in Fagnano nicht, in der er sich ebenfalls häufig aufhielt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit war er es, der die heute noch sichtbaren zwei Türme errichten ließ und keineswegs zufällig waren auch Jahrzehnte nach seinem Tod Räume im ältesten Teil des Schlosses eng mit seinem Namen ver-


FAGNANO OLONA

Stillende Madonnae, 15. Jahrhundert. Schloss in Fagnano Olona, Fassade

bunden. In einer Beschreibung aus dem Jahr 1509 wird ein Raum im Obergeschoss erwähnt, der zum derzeit einzigen Innenhof ein Raum (mit Blick auf das Olona-Tal) wies und hier als „del magnifico fu signor Filippo“ (herrliches Gemach des verstorbenen Filippo) bezeichnet wird. Außerdem gab es weitere Zimmer, Latrinen, eine Kapelle, Salons, ein kleines Studio, ein „Camera Picta“ (Saal mit Fresken) und an der Westseite des Hofes wahrscheinlich einen Bogengang. Im Erdgeschoss hingegen befanden sich die Backstube, die Küchen, die Ställe und weitere Diensträume. Diesen Gebäudekomplex überragten die zwei Haupttürme, von denen einer die herrschaftliche Kanzlei beherbergte, sowie die heute nicht mehr sichtbaren „Torrexini“, mit denen die Ecken der Festung abschlossen. Im Zuge der Kriege in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wurde das Schloss stark beschädigt.

Für seine Restaurierung sorgte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts dann vorwiegend der Erzbischof von Mailand, Gaspare Visconti, der in der Zwischenzeit der Eigentümer geworden war. Um den Charakter einer Residenz zu untermalen, wurde der antike Komplex an der zur Ortschaft weisenden Seite um weitere Bauten ergänzt, die auch heute noch sichtbar sind. So wurde dem ursprünglichen Hof aus dem 15. Jahrhundert ein neuer Hof vorgestellt, in den man durch das Barockportal an der Piazza Cavour gelangt. An der Rückseite des Hofes aus dem 16. Jahrhundert führt ein dreigeteilter Durchgang zum antiken Teil der Festung, wo ein Wappen der Visconti mit den Initialen F und M (Filippo Maria) zu sehen ist. In einigen Räumen sind schwache Spuren der einstigen Dekoration erhalten und an der Fassade befindet sich ein Basrelief aus dem 15. Jahrhundert, das die stillende Madonna darstellt. 107


DAS SCHLOSS CASTELBARCO VISCONTI

GEMEINDE: Cislago (Varese) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Castelbarco Visconti ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Fassade des Schlosses Castelbarco Visconti, Cislago

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Aufgrund seiner strategischen Lage an der Straße, die von Mailand nach Varese, Como und in die Schweiz führte, war Cislago im Mittelalter ein bedeutender Ort und bereits seit dem 10. Jahrhundert ist hier die Präsenz einer Festung dokumentiert. Aber erst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in der Zeit der Konflikte zwischen dem Mailänder Adel und der Bevölkerung, begann die bestehende Festung, im Zusammenhang mit der Dynastie Visconti erwähnt zu werden, die in den folgenden Jahr-

hunderten das Schicksal des Komplexes bestimmen sollte. Zum Ende des 13. Jahrhunderts gehörte das Schloss Uberto, dem Bruder des Herren von Mailand Matteo Magno, und ging dann gemeinsam mit den Festungen in Somma Lombardo und Agnadello an dessen Nachfolger über. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war es die bevorzugte Residenz von Antonio Visconti, dem Stammvater des Familienzweiges, der später unter dem Namen Di Somma bekannt wurde. Nachdem es für einige Zeit zwischen mehreren Eigentümern aufgeteilt worden war, gelangte das Schloss zur Wende zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert komplett in den Besitz von Battista Visconti, genannt Comparino, der als herzoglicher Diener am Hof von Ludovico „Il Moro“ (1480-1499) tätig und ein anerkannter Auftraggeber für Kunstwerke war. Im Jahr 1510 wurde der Komplex, ebenso wie viele andere


CISLAGO

Bauten zwischen Mailand und Varese, von schweizerischen Truppen zerstört. Battista starb (um 1524) ohne direkte Nachfolger und vererbte das Schloss seinen Neffen Cesare und Alfonso, den Söhnen seines Bruders Tebaldo. Von Cesare stammten die Visconti di Cislago ab, die das Lehnsgut und die Burg bis 1716 besaßen. Dann starb dieser Familienzweig der Visconti aus und die Güter von Cislago – einschließlich der Grafschaft über Gallarate – gingen durch Heirat an die Adelsfamilie Castelbarco aus dem Trentino über. Diese nannten sich von diesem Zeitpunkt an Castelbarco Visconti und verwandelten das Schloss gegen Ende des 18. Jahrhunderts in einen Treffpunkt für gepflegte Unterhaltung. Die Nachkommen dieser Familie sind auch heute noch die Eigentümer der Festung. Das Schloss in Cislago steht auf einer fast nicht wahrnehmbaren Erhebung, die von dem Wildbach Bozzente begrenzt wurde (heute unterirdisch unter dem Vorplatz der Pfarrkirche) und präsentiert sich heute als Barockvilla mit zwei nachgeahmten Zinnentürmen an der Nordfront. Die einzigen Elemente des ursprünglichen Schlosses sind die zwei Türme aus dem 17. Jahrhundert, die gemeinsam mit denen des Schlosses Frascarolo in Induno und den Türmchen eines Flügels des Schlosses in Somma (welches im 17. Jahrhundert den Visconti aus Cislago gehörte) Zeugnis von dem vorzeitigen „Revival“ mittelalterlicher Themen ablegen, wie es in der Lombardei zu beobachten war. An das Gebäude grenzt auch heute noch das der Heiligen Maria Assunta und dem Heiligen Martin (beim Adel jener Zeit beliebter Schutzpatron der Ritter) geweihte Oratorium, das 1398 von Maffiolo Visconti gestiftet und zu Beginn des 15. Jahrhunderts dekoriert wurde. Gebäudefront zum Hof, Cislago Eingangstor zum Schlosshof, Cislago 109


DAS SCHLOSS IN JERAGO

GEMEINDE: Jerago con Orago (Varese), Ortsteil Jerago TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Bossi ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz, Veranstaltungsort

In mittelalterlichen Dokumenten über Jerago und dessen Umgebung wird häufig ein „Mons Sancti Jacobi“ (Berg des heiligen Jakob) genannter Ort erwähnt. Diesen Hügel findet man einige hundert Meter vom Stadtkern entfernt, in Richtung Besnate. Auf diesem Hügel erhebt sich das Schloss der Visconti von Jerago, direkt hinter der Kirche San Giacomo, nach der auch der Hügel benannt ist. Die Burg wurde möglicherweise am Ort einer älteren Befestigung errichtet und war seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Eigentum eines Familienzweiges der Visconti, der auch die Herrschaftsrechte über den Ort und die umliegenden Ländereien besaß. Das Schloss von Jerago, Ansicht von Nordwest

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Dank ihrer engen Verwandtschaft mit den Mitgliedern der Dynastie, die über die zahlreichen anderen Schlösser der Gegend herrschten, spielten die Visconti aus Jerago im 14. und 15. Jahrhundert eine führende Rolle im Herzogtum, gestärkt durch ihren Reichtum aber nicht zuletzt auch durch ihr immaterielles Vermögen in Form von Beziehungen und Prestige. Nicht weniger entscheidend für den Erfolg der Familie waren die strategischen Eheschließungen. Während der eigene Einfluss dieses Familienzweiges der Visconti im 15. Jahrhundert noch begrenzt und geringer als jener anderer Linien erschien, trugen die Eheschließungen einiger seiner Mitglieder mit führenden Persönlichkeiten des damaligen Mailands jedoch erheblich dazu bei, seine Reputation aufzuwerten. Antonia ehelichte zu Beginn des Jahrhunderts den berühmten Grafen von Carmagnola, einen der bedeutendsten Kondottieres unter Filippo Maria Visconti. Von besonderer Bedeutung war jedoch die Heirat von Elisabetta di Gasperino mit dem mächtigen herzoglichen Sekretär Cicco Simonetta kurz nach der Mitte


JERAGO CON ORAGO

des Jahrhunderts. Dieser vom führenden Mailänder Adel nur wenig geschätzte Ausländer knüpfte durch die Eheschließung mit einer Visconti (wenn auch aus zweitrangiger Linie) eine wichtige Verbindung zur „guten Gesellschaft“ jener Zeit. Azzone, der Bruder von Elisabetta, ebnete sich hingegen mit der Heirat seiner Schwester den Weg in eine erfolgreiche Karriere in der herzoglichen Richterschaft. Allerdings büßten er und seine Nachkommen anscheinend wieder etwas von ihrem Glück ein, nachdem Simonetta in Ungnade gefallen war. Die Söhne von Azzone, Bernabò und Gaspare Visconti, teilten sich im Jahr 1493 das väterliche Erbe. Unter besagten Gütern befand sich auch das Schloss in Jerago und eben dieser Aufteilung verdanken wir die ersten sicheren Informationen über den Aufbau des Komplexes. Die Gebäude waren in U-Form angeordnet und die unbebaute Westweite schloss mit einer einfachen Mauer ab. Nicht dokumentiert sind die Türme und der rustikale, im Osten mit zwei Türmchen befestigte Bau, der heute auf der linken Seite zu sehen ist, wenn man sich dem Schloss über die Hauptstraße nähert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dieser Teil also nach der Teilung von 1493, wenn

auch nicht viel später, entstanden. Das jüngst restaurierte und auch heute noch genutzte Schloss zeigt von außen eine schlichte, strenge Form, lediglich unterbrochen von einigen Fenstern, Zinnen und Kragsteinen, ebenso wie der Innenhof, obwohl dieser mehrmals umgestaltet wurde, um dem Bau das Aussehen einer Residenz zu verleihen. Über dem Zugangsportal zum Hof prangt ein Wappen der Familie Bossi, die im 18. Jahrhundert Eigentümerin der Festung und des Lehnsgutes wurde. Aber in der nahen Kirche San Giacomo, die im Interesse einer vollständigen Besichtigung des Schlosses nicht vernachlässigt werden sollte, kehren auch die Symbole der Visconti zurück.

Innenhof des Schlosses von Jerago, Jerago con Orago

Das Oratorium San Giacomo Die Kirche, die seit jeher eng mit der Festung verbunden ist und in der Vergangenheit auch „San Giacomo in Castello“ genannt wurde, hat wahrscheinlich romanische Ursprünge, möglicherweise aus dem 12. Jahrhundert. Im Inneren sind Fresken verschiedener Epochen zu sehen, die mitunter nur schwer datiert werden können. Von besonderem Interesse ist die Heiligenprozession aus dem späten 14. Jahrhundert in der Apsis, überragt von der Darstellung von Christus in einer Mandorla und den Symbolen der vier Evangelisten. An den Seitenwän-

den sieht man hingegen die Darstellung einer Madonna mit Kind aus dem 15. Jahrhundert und gegenüber eine Figur im Gebet, bei der es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Visconti handelt. Neben der Freske befindet sich eine Widmungsschrift mit dem Wappen der Visconti. Auf der stark beschädigten Inschrift ist der Name „Guidetus de Vicecomitibus“ (Guidetto, Sohn des verstorbenen Azzone Visconti) erkennbar, der bis zu den späten 1430er Jahren als MitHerr von Jerago dokumentiert ist.

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DAS SCHLOSS IN ALBIZZATE

GEMEINDE: Albizzate (Varese) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Zugangsturm und im Hintergrund rechts einer der erhaltenen Teile des Schlosses von Albizzate

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Um dieses Schloss zu erreichen, gehen Sie vom Hauptplatz der Ortschaft, Piazza IV Novembre, durch die Via Roma und biegen von dieser in die Via Castello ein. Hinter dem Eingang, der im 18. Jahrhundert gebaut wurde, um den damals eher rustikalen Komplex etwas freundlicher zu gestalten, durchquert man einige Diensthöfe, die zum Teil noch bewohnt sind und gelangt schließlich zu der eigentlichen Festung. Die ursprüngliche viereckige Struktur der Festung mit Türmen, von dessen Ostfront man auf das Tal des Arno blickt, ist noch immer erkennbar. Am Zugangsportal zum Haupthof prangt gut sichtbar ein Wappen der Visconti, andere Spuren der antiken Festung, die der Familie seit dem 13. Jahrhundert gehörte, sind allerdings nur noch vereinzelt zu finden. Der Komplex wurde bis zum vergangenen Jahrhundert wiederholt umgebaut und präsentiert sich heute eher wie eine große Villa in einem schwer vernachlässigten Zustand.

Einen ganz anderen Eindruck erweckt hingegen das antike Oratorium des Schlosses, dessen Fresken eins der bedeutendsten Beispiele für die Malerei des 14. Jahrhunderts in der Lombardei darstellen. Die kleine Kirche befindet sich an der Piazza IV Novembre, rechts von der Pfarrkirche Sant’Alessandro. Damit ist sie weiter von der Festung entfernt als in anderen ähnlichen Fällen (wie in Cislago oder Jerago), aber dennoch nah an den Herrschaftsgebäuden am Platz, wie dem heutigen Rathaus. Das nach der Mitte des 14. Jahrhunderts errichtete Oratorium zeigt heute eine fast schmucklose Fassade, die jedoch noch im 17. Jahrhundert reich mit Heiligenfiguren und über dem Opaion mit den Symbolen der Familie Visconti dekoriert war. Die Gründung der Kirche geht mit Sicherheit auf ein Mitglied der Dynastie zurück, möglicherweise auf einen nicht näher identifizierten Pietro Visconti, wie traditionelle Studien ergaben, die jedoch noch immer nicht hinreichend durch entsprechende Dokumentation belegt sind. Mit Sicherheit von den Visconti in Auftrag gegeben wurden auch die Fresken, die vollständig die Innenwände bedekken und die jüngsten Untersuchungen zufolge aus einer Zeit kurz nach 1385 stammen. Auch hier sieht man die Schlangen des Wappens der Dynastie im unteren Bereich des Bogens der Rückwand. Am Zwickel des gleichen Bogens sind Propheten dargestellt und an der Halbkuppel der Apsis ist ein großer segnender Christus zu sehen, umgeben von den Symbolen der vier Evangelisten. Darunter sind die zwölf Apostel dargestellt, die möglicherweise bereits aus dem 15. Jahrhundert stammen. An den Seitenwänden sind Szenen aus dem Leben der beiden Heiligen zu sehen, denen das Oratorium geweiht ist. Die ersten, links vom Eingang, die ab dem ersten Segment rechts an der Wand erkennbar sind, zeigen Motive über Johannes den Täufer, von der Erschei-


ALBIZZATE

ning des Erzengels Gabriel bei Zacharias bis zu Szenen von seinem Tod und der wundersamen Wiederentdeckung seiner sterblichen Überreste. An der rechten Seite hingegen reihen sich die Geschichten des Ludwig von Toulouse, Sohn des Königs von Neapel, Karl von Anjou, aneinander, der im Jahr 1296 aus Liebe zu den Armen auf Reichtum und Thron verzichtete und in den Franziskanerorden eintrat. Die Namen der Künstler, die diese Fresken schufen, sind nicht bekannt. Sicher ist jedoch, dass hier verschiedene Freskenmaler unterschiedlicher Kulturen und Fähigkeiten beteiligt waren. Auf der Grundlage jüngster Studien kann

angenommen werden, dass die Fresken in Albizzate von einer Künstlerwerkstatt, also einem Meister und seinen Gehilfen oder sogar von zwei Ateliers mit unterschiedlichen Stilen geschaffen wurden, die jeweils die Geschichten des Heiligen Johannes und Ludwigs realisierten. Das Oratorium stand lange verlassen und noch im Jahr 1925 befand es sich Zeitdokumenten zufolge in einem „Zustand der Zerstörung“, missbraucht als „Scheune für Maulbeerblätter und Heu“. An einigen, von der Feuchtigkeit stark beschädigten Stellen wurden die Fresken, ebenso wie der gesamte Bau, in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach restauriert, zuletzt im Jahr 2000.

Kirchendiebstähle zum Ende des 15. Jahrhunderts Lombardischer Maler: Johannes der Täufer erscheint wundersam zwei Mönchen, nach 1385. Albizzate, Oratorium der Visconti

Einerseits ein Oratorium wie das der Visconti in Albizzate zu errichten und andererseits zu gewährleisten, dass dort regelmäßig Gottesdienste abgehalten werden, waren im Mittelalter zwei sehr verschiedene Unterfangen. Um zu erreichen, dass ein Pfarrer konstant in einer bestimmten Kirche predigte, musste für ein Benefizium gesorgt werden, also ein „Budget“, das den Unterhalt des Predigers sicherstellte. Jenes Benefizium fehlte in diesem Oratorium für lange Zeit, sodass es im Jahr 1455 im Rahmen einer Visitation als „wertlos“ bezeichnet wurde, Ohne Benefizium und somit ohne einen Kaplan, der regelmäßig die Messe zelebrierte. Dieser Mangel wurde erst im Jahr 1471 von den Brüdern Giovanni Aloisio und Franchino Visconti des Familienzweiges aus Albizzate behoben. Diese stellten in diesem Jahr einige ihrer Güter für den Unterhalt des

Pfarrers zur Verfügung, der von diesem Zeitpunkt an in „ihrem“ Oratorium predigen sollte. Nach nicht allzu langer Zeit entfachte sich jedoch zwischen dem „neuen“ Kaplan und jenem der nahen Pfarrkirche Sant’Alessandro, der sich unerwartet einem „gefährlichen Konkurrenten“ gegenüber sah, ein heftiger Konflikt. Dies belegen einige Zeugenaussagen, die Einwohner von Albizzate im Jahr 1480 bei einem Notar in Gallarate hinterlegten. Diese Bürger waren zu dem Notar gerufen worden, um über ein zu Weihnachten vorgefallenes Ereignis auszusagen, und alle erinnerten sich, dass Pietro Vismara, der Kaplan des Oratoriums, an diesem Tag vor einer großen Schar Gläubiger die Messe zelebriert, und, wie sie bezeugten, zu diesem Anlass von den Anwesenden eine große Summe Almosen empfangen hatte. Dieses Geld diente traditionell dazu, das Einkommen des Predigers aufzurunden. Während Pietro Vismara noch predigte, soll der Priester von Sant’Alessandro, Gaspare de Mirano ins Oratorium gestürzt sein und hier vor den Augen aller Anwesenden „accepit oblationem pecunie“ – die gesamten, dem „Rivalen“ gewährten Almosen gestohlen haben. 113


DAS SCHLOSS IN CASTELLETTO GEMEINDE: Castelletto sopra Ticino (Novara) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Fassade des Schlosses in Castelletto

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Das Schloss von Castelletto, nahe der Ortschaft und in leicht erhöhter Position über dem Fluss Ticino, zählt heute unter den zahlreichen Festungen des Territoriums zwischen Mailand und dem Lago Maggiore, die den Mitgliedern der Dynastie Visconti gehörten,

zu den am besten erhaltenen. Der Ursprung des Burgkomplexes geht auf jeden Fall auf eine Zeit vor dem Erwerb durch die Visconti zurück. Es ist belegt, dass die Festung zur Zeit ihrer ersten Erwähnung (1145) einer der bedeutendsten Adelsfamilien der Umgebung von Novara, den Castello, gehörte, während die ersten, ungewissen Informationen der Präsenz der Visconti in dieser Gegend erst aus dem folgenden Jahrhundert überliefert sind. Ab 1236 ist dokumentiert, dass Ottone Visconti, ein Mitglied des Familienzweiges, der bereits die Herrschaft über Massino im Vergante besaß, Interessen in Castelletto verfolgte, während zum Ende des Jahrhunderts ein gewisser Uberto Vi-


CASTELLETTO SOPRA TICINO

sconti im Schloss zu wohnen und auch eine nicht näher definierte Herrschaft („Dominio“) über die Ortschaft zu besitzen schien. Die Figur des Uberto, möglicherweise ein Bruder von Matteo Visconti, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts Herr von Milano war, lässt sich vielleicht besser mit Uberto, dem Sohn des verstorbenen Ruggero, also dem Neffen von Ottone Visconti identifizieren, der 1236 im Zusammenhang mit Castelletto erwähnt wurde. Der Mangel an Zeitdokumenten macht es unmöglich, die Zusammenhänge mit Gewissheit zu rekonstruieren. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass Uberto der Stammvater jener Linie sein musste, die später Visconti di Castelletto genannt wurde. Diesen wurde im Jahr 1329 die Herrschaft über den Ort mit einer kaiserlichen Urkunde besiegelt, nachdem die Ländereien und das Schloss für kurze Zeit zu Beginn des 14. Jahrhunderts das Eigentum von Mitgliedern der rivalisierenden Dynastie Della Torre waren. Dank der Möglichkeit, auf alle über den Fluss transportierten Waren Zölle zu erheben, was den ertragreichsten Teil der Kontrolle über Castelletto und dessen Festung ausmachte, hatten die Visconti aus Castelletto erhebliche Reichtümer angehäuft und genossen ihre höchste Blütezeit in den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts, zur Zeit des Urenkels von Uberto, Alberto, und dessen Söhnen Lancillotto und Ermes. Neben ihrer Herrschaft über Castelletto kontrollierten sie auch die umliegenden Ortschaften (Sesto Calende, Angera, Lisanza, Borgo Ticino, Pombia, Varallo Pombia, Invorio Superiore und Paruzzaro) und verfügten somit über ein kompaktes Gebiet im südlichen Teil des Lago Maggiore sowie zusätzlich die Kontrolle über das etwas weiter entfernt gelegene Ornavasso. Die folgenden Jahrzehnte erwiesen sich hingegen als weniger brillant. Aufgrund des Verlustes wichtiger Ländereien ging ihr Einfluss im Vergleich zu dem anderer Zweige der Dynastie Vi-

sconti zurück und auf dem Territorium ließen sich neue Familien nieder, wie zum Beispiel die Borromeo. Hinzu kam die Aufteilung aller Güter und Rechte, zunächst zwischen Ermes und Lancillotto und später unter deren zahlreichen Nachkommen. Eine dieser Aufteilungen, die auch das Schloss betraf, liefert jedoch erste Informationen über das damalige Aussehen der Festung. Sie hatte anscheinend bereits zu jener Zeit (1416) eine kompakte viereckige Form, überragt von zwei Ecktürmen, wie sie sich auch heute noch dem Auge des Besuchers präsentiert. Der Komplex, insbesondere der Westflügel, wurde im Verlauf der Zeit mehrfach umgebaut, um ihm das Aussehen einer Residenz zu verleihen. Er verblieb bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Eigentum der Visconti und ist auch heute noch Privatbesitz.

Bonifacio Bembo: Die Welt (Denari), Visconti-Tarot, um 1445, Detail. New Haven, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University. Die Visconti aus Castelletto erlangten ihren Reichtum durch die Zölle, die sie am Wasserweg des Ticino erhoben

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ROCCA BORROMEO

GEMEINDE: Angera (Varese) TYP: Burg, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Borromeo ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Puppen- und Spielzeugmuseum

Dort, wo sich das Becken des Verbano (anderer Name für den Lago Maggiore) zu seinem südlichsten Ausläufer verengt, erhebt sich die Burg von Angera auf einem Felsen aus rosa schimmerndem Dolomitgestein. Der bereits in der römischen Kaiserzeit (bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Stazzona genannt) bedeutende Ort Ansicht der Rocca Borromeo in Angera

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spielte seit dem Frühmittelalter eine strategische Rolle für den Handel über den See sowie die Verteidigung der Verbindungsstraßen zwischen den Alpen und der Ebene. Aufgrund des Mangels an Zeitdokumenten erwies es sich als schwierig, den Bau des ersten Burgkerns zu rekonstruieren. Ebenso ungewiss ist, wann die Festung in den Besitz des Erzbistums Mailand übergegangen ist. Während die nahe gelegenen Burgen in Travaglia und Brebbia betreits im 10. Jahrhundert Eigentum des Erzbistums wurden, gibt es einen analogen Hinweis auf Angera – der mit der allerersten Erwähnung des Schlosses übereistimmt – erst aus dem Jahr 1066. Zu dieser Zeit soll das Schloss einer Frau, nämlich Oliva, einer Nichte des Erzbischofs Guido da Velate gehört haben. Allerdings ist heute nicht rekonstruier-


ANGERA

bar, ob Guido der erste Mailänder Bischof war, der die Festung kontrollierte. Gewiss ist hingegen, dass dessen Nachfolger die Burg für fast drei Jahrhunderte als teuren Schatz hüteten und unter allen Festungen in ihrem Besitz einen privilegierten Rang gewährten. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts diente die Burg für lange Zeit als Zufluchtsort für Erzbischof Leone da Perego, Hauptvertreter des mailändischen Adels, der mehrmals zur Flucht aus der inzwischen von den Torriani beherrschten Stadt gezwungen worden war. Nach dem Sieg der Visconti über die Torriani begann für die Geschichte der Burg ein neues Kapitel. Ebenso wie viele andere Güter aus der Mensa Episcopalis ging sie in den Besitz der neuen Herren von Mailand über. Diese erachteten sie als legendären Ort ihrer Wurzeln und ließen sie mit den wunderschönen Fresken dekorieren, die bis zum heutigen Tag erhalten sind und den Sieg des Stammvaters Ottone über die Rivalen Della Torre darstellen. Der Übergang von Angera und der Festung an die Dynastie blieb für lange Zeit juristisch nicht dokumentiert und wurde erst im Jahr 1384 offiziell erklärt, als der Gegenpapst Clemens VII von Avignon die Burg an die Tochter von Bernabò und Ehefrau von Gian Galeazzo, Caterina Visconti, übergab. Kraft einer kaiserlichen Verfügung wurde Angera 1397 als Apanage für die Herren von Mailand zur Grafschaft erhoben, aber die politischen Unruhen in Mailand und der anschließende Tod von Gian Galeazzo (1402) untergruben innerhalb kurzer Zeit den direkten Einfluss der Herzöge auf die Ortschaft am See. Hiervon profitierte zunächst Gaspare Visconti di Uberto, ein mächtiger Graf aus dem nahen Arona und entfernter Cousin der Herzöge, der die Rechte an dem Ort und möglicherweise auch dem Schloss erhielt. Im Jahr 1439 verschenkte Filippo Maria, unter anderem mit dem Ziel, die Vorherrschaft der Nachkommen von Gaspare über das Südbecken des Lago

Maggiore zu schwächen, Arona an seinen Schatzmeister Vitaliano Borromeo, einen Nachkommen außerordentlich reicher Händler und Bankiers aus der Gegend um Padua und der Toskana. Und 10 Jahre später (1449) gelang es dem neuen Grafen von Arona, für 12.800 Lire auch die Rechtsprechung über Arona zu erwerben. Ab diesem Zeitpunkt wurde Arona zu einem festen Bestandteil des kleinen „Staates“, den die Borromeo im Begriff waren, am Lago Maggiore aufzubauen. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts, ausgenommen eine kurze Zeit, in der Angera unter direkte Kontrolle des Herzogs zurückkehrte (1497), war das Schloss Eigentum der Borromeo und ist es noch heute. Die unverwechselbare Silhouette der Burg sieht man zwischen den Hügeln des Varesotto, vom Vergante und vom gesamten südlichen Teil des Lago Maggiore. Hinter der Ortschaft führt eine enge Straße bis zum Gipfel des Hügels. An den zwei weniger steilen Hängen ist das Schloss von einer weit angelegten Schutzmauer umgeben. Schon von dem unasphaltierten Parkplatz am Ende der

Künstler aus Angera: Ottone Visconti nimmt Napo Della Torre gefangen, um 1280, Detail. Angera, Rocca Borromeo, Jura-Saal

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Schlossmauer, Angera. Im Hintergrund der Schlossturm

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Auffahrt sieht man den großen Mittelturm aus dem 13. Jahrhundert, aus Angera-Stein, mit guelfischen Zinnen und einer Verkleidung aus falschen Ziegeln, der den Kern des Burgkomplexes bildet. In der Vergangenheit erhob er sich isoliert an der höchsten Stelle des Hügels, flankiert nur von einem kleineren, antiken Turm, dessen Überreste auf dem Weg zum heutigen Eingang noch sichtbar sind: eine hohe Wand (die den „Scaligera“ genannten Flügel abschließt) mit Steinquadern an den Seiten und einem vermauerten einbogigen Fenster. Hinter dem ersten Turm (Ticket-Verkauf) und neben der hohen Mauer, die den Innenhof nach Osten abschließt, gelangt man zu dem schiefen Eingangsturm. Die Neigung des Turms entstand durch das Nachgeben einer größeren, flacheren Struktur aus dem 13. Jahrhundert, die an der Ostseite einstürzte und dann erneut gehoben und an die Bodenkonformation des Hügels angepasst wurde. Ein Spitzbogen mit Fallgitter und Portal führt auf die erste Hof-Terrasse mit Blick nach Süden, auf die darunter

liegende Ortschaft und den See. Gegenüber vom Eingang erhebt sich der elegante Turm, den der Erzbischof und Herr von Mailand Giovanni Visconti (1339-1354) gegen Mitte des 14. Jahrhunderts anbauen ließ. Unter diesem Bauwerk befinden sich die Zugänge zum Garten und zur Schlosskirche San Bartolomeo. An der Nordseite befindet sich ein Gebäudeflügel, der in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts errichtet wurde, um den Innenhof abzuschließen. Das eingeschossige Gebäude wurde gegen Mitte des gleichen Jahrhunderts mit dem Turm „Torre di Giovanni“ verbunden und um 1550 umgebaut. In dieser Phase entstanden die heute sichtbaren Fenster mit Architraven, die die ursprünglichen Bogenfenster ersetzten und für den Lichteinfall in die Repräsentationssäle der Borromeo sorgten. Ein zweites Portal mit Rundbogen führt in den Innenhof, der ein starkes Gefälle aufweist und von einer HaarnadelRampe unterbrochen wird. Zu diesem Hof weisen (von rechts nach links): ein niedriges Dienstgebäude vor der Ostmauer, in dem sich die antike Kelterei befand, der Gebäudeflügel „Scagliera“ (der am schwersten beschädigte) gegenüber dem Eingang, der Bergfried (an der Ecke) mit dem angrenzenden Flügel aus Angera-Stein und der von den Borromeo errichtete Eingang aus dem 16. Jahrhundert mit einem schönen Bogengang, ebenfalls aus dem rosa schimmernden lokalen Gestein. Der älteste Flügel an diesem Hof ist der „Scagliera“. Er wurde um 1250 zwischen den zwei ältesten Türmen errichtet und war wahrscheinlich der Überrest eines kleinen Palazzos, der einst auf Wunsch des Erzbischofs von Mailand Leone da Perego entstanden war. Die Überlagerung der verschiedenen Öffnungen erschweren die Rekonstruktion der ursprünglichen Struktur, die viele Jahre als rustikaler Bau diente und von den Borromeo, die hingegen den Flügel zum See bewohnten, vernachlässigt wurde. Das Originalgebäude hatte wahrschein-


ANGERA

lich drei Etagen (inklusive Souterrain) mit einer durchgehenden Reihe zweibogiger Fenster in der ersten Etage, möglicherweise mit einer vorgebauten Galerie, die man über eine Außentreppe erreichte. Um 1370 wurde der Flügel restauriert und die Innenräume mit den Emblemen von Bernabò Visconti und dessen Ehefrau Regina Della Scala dekoriert. Auf diese Dekorationen ist auch der heutige Name zurückzuführen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Gebäudeteil über eine Zisterne mit dem Burgfried verbunden. Der sogenannte Ottone-Flügel („Ala Ottoniana“) hingegen stammt wahrscheinlich aus dem späten 13. Jahrhundert. Dieser komplett aus geschliffenen Quadern des Lokalgesteins errichtete Flügel ist ein wahres Meisterwerk der Residenzialarchitektur des 13. Jahrhunderts. Die Fassade schmücken schmale, einbogige, ausgeschmiegte Fenster im Erdgeschoss und sehr elegante zweibogige Fenster im Obergeschoss. In dem Gebäude befanden sich einst zwei Räume: ein Saal im Erdgeschoss, der von einer zentral angeordneten Reihe achteckiger Säulen geteilt und zum Teil als Küche genutzt wurde, sowie im Obergeschoss ein großer Salon mit zwei

Reihen Kreuzgewölben auf Spitzbögen. Um dieses Gebäude mit dem Bergfried zu verbinden, wurde der ursprüngliche Eingang zum Turm geschlossen. In den Saal im Obergeschoss gelangte man über eine Außentreppe, die sich einst an der zum Hof weisenden Wand befand, aber nicht erhalten ist. Der gegen 1550 entstandene BorromeoFlügel („Ala Borromaica“) grenzt an den Flügel aus dem 14. Jahrhundert und wurde errichtet, um den Mittelhof zur Seeseite abzuschließen. Auf den großen Bögen des Laubenganges kann man das Motto HUMILITAS sowie andere Symbole der Familie sehen. In diesem Gebäude befand sich der Ehrensaal mit zwei Treppenrampen, die auch heute noch ins Obergeschoss führen. Mit diesem Anbau schufen die Borromeo einen neuen Zugang zum Ottone-Saal und gestalteten die Innenaufteilung neu. Der Bogengang, die große Treppe, die Galerie über dem Bogengang und der Salon (mit Seeblick) haben die Ausmaße und Anordnung, wie sie für die Hauptgebäude von lombardischen Palästen und Villen jener Zeit typisch waren. Die Besichtigung der Innenbereiche kann in zwei Etappen aufgeteilt werden: Das gesamte Erdgeschoss und das Souterrain

Steine für das Herzogtum Das Dolomitgestein des Vorgebirges von Angera war sowohl im Mittelalter als auch während der Renaissance im gesamten Herzogtum Mailand außerordentlich beliebt. Die Lombardei war generell arm an wertvollen Gesteinen, die sich für die Errichtung von Prunkbauten eigneten. Aus diesem Grund wurden die Schlösser in dieser Gegend (auch die der Herzöge) in der Regel mit minderwertigem Naturstein oder gebrannten Ziegeln gebaut. Einzelne dekorative Details von Mailänder Festungen, aber auch an Pfarrkirchen und Palästen, wurden oftmals aus dem schönen Naturstein aus

Angera realisiert, dessen Farbnuancen von einem schmutzigen Weiß über helle Gelbtöne bis huin zu einem zarten Rosé reichen. In Angera sind der gesamte Burgfried und der Gebäudeflügel der Visconti aus diesem Gestein realisiert. Bei dem Besuch anderer Schlösser des Herzogtums ist es aber auf jeden Fall die Mühe wert und unterhaltsam, die vielen Details (Kapitelle, Säulen, Schlusssteine oder ganze Bogenstulpen und Fenster) zu entdecken, die aus dem kostbaren AngeraStein realisiert sind. Gebäudeflügel der Visconti in der Rocca Borromeo, Angera

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Die Wurzeln der Visconti, oder wie man sich eine glorreiche Vergangenheit verschafft Möglicherweise in den ersten zwei Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts, während Matteo Magno dabei war, seine Macht zu festigen, schrieb ein anonymer Autor einen Text, der heute unter dem Titel Chronica Danielis de Comitibus Angleriae bekannt ist. So wurde eine Legende geboren, die Angera-Stazzona eine glorreiche Vergangenheit als römische Stadt zuschrieb, inklusive einer langen Genealogie der Grafen von Angera, die Könige von Italien und die Vorfahren der Visconti gewesen sein sollten. Kurze Zeit darauf griff der Dominikanermönch und Chronist Galvano Fiamma den Mythos der Gründung Angeras auf und zog sogar eine Parallele zu Rom: So soll es ein gewisser Anglo (oder Angelo) aus Troja und Verbündeter von Äeneas gewesen sein, der während seiner Fahrten durch Italien die neue Stadt erbaut und die Dynastie begründet haben soll. Im Jahr 1397 beschaffte sich der neue Herzog Gian Galeazzo, der fest an diese mystifizierten Ursprünge glaubte, vom Kaiser

den Grafentitel für Angera und ab diesem Zeitpunkt nannten sich die Visconti Herzöge von Mailand, Grafen von Pavia und Grafen von Angera. Zusätzlich strebten sie danach, die Ortschaft zum Angelpunkt für das Verwaltungssystem der Seeregion zu erheben. Giorgio Merula und andere Historiographen der Sforza spannen die Legende dann zu einem absoluten Extrem weiter und behaupteten, dass Anglo gar ein Sohn von Ascanius, dem Sohn von Äeneas und Bruder von Iulus (Gründer des römischen Patriziergeschlechts Gens Iulia) gewesen sein soll. Damit war die Geschichte perfekt und die Visconti-Sforza sicherten sich mit dieser Legende als „Enkel“ der antiken römischen Kaiser eine in jeder Hinsicht vorrangige Position im Kreis der italienischen Dynastien. Der Versuch, den kleinen Seeort Angera in den Stadtstatus zu erheben (umgesetzt von Ludovico „Il Moro“ im Jahr 1497), war lediglich der letzte Schritt im Prozess der Mystifizierung der Dynastie.

beherbergen das Puppen- und Spielzeugmuseum mit einer umfangreichen und hochinteressanten Sammlung, die von der Familie zusammengetragen und im Verlauf der Jahrhunderte mit den Geschenken für die kleinen Prinzen und Prinzessinnen Borromeo ergänzt wurde. Im Obergeschoss hingegen können die historischen Gemächer besichtigt werden. In den Sälen aus dem 16. Jahrhundert gibt es Überreste von Fresken aus dem 15. Jahrhundert, die aus dem Palast der Borromeo in Santa Maria Podone hierher verlagert worden waren und einen Eindruck von dem höfischen Ambiente dieser Zeit vermitteln, aber in den Räumen des Turms Giovanni Visconti und im Jura-Saal („Salone della Giustizia“) taucht der Besucher in eine wahre Zeitreise ein. In zwei Räumen des zweiten Turmgeschosses sind Spuren der antiken Dekoration aus dem 14. Jahrhundert zu sehen, die auch die Initialen des Erzbischofs enthalten. Von besonders großem 120

Interesse ist vor allem der Ottone-Flügel. Hier kann ein außerordentlicher Freskenzyklus bewundert werden. Die Fresken zeigen Szenen der Ereignisse, die Ottone Visconti zur Herrschaftsübernahme in Mailand geführt haben. Zu diesem Raum gelangt man über die große Ehrentreppe, an deren Ende man nach links abbiegt. Die durchgehende geometrische Dekoration zwischen den Gewölberippen prangt in verschiedenen leuchtenden Ocker-, Rot-, Blau- und Grüntönen, während die Fresken an den Wänden die erfolgreichen Unterfangen des Ottone darstellen. Die Malereien wurden von einem anonymen Künstler geschaffen, der „Maestro di Angera“ genannt wird. Daher sind sie nicht genau datierbar, stammen jedoch mit einiger Sicherheit aus der Zeit zwischen dem ausklingenden 13. und den ersten 2 Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts. Die ikonografische Quelle der Malereien könnte eine zeitgleiche Chronik in Form eines


ANGERA

Preisgedichts sein, die der Dominikanermönch Stefanardo da Vimercate verfasste. An der Wand rechts vom Eingang war in privilegierter Position die Schlacht von Desio (21. Januar 1277) dargestellt, die den Sieg der Visconti über die Torriani brachte. Die Freske ist jedoch leider komplett zerstört. In einem guten Erhaltungszustand sind hingegen die Szenen aus der Zeit nach der Schlacht an der Wand des Eingangs. Diese zeigen die Gefangennahme von Napo Torriani und die Vergebung sowie besiegte Torriani, die in Gefangenschaft geführt werden. An der linken Wand sind, aufgeteilt in Segmente, schließlich die Ereignisse des feierlichen Einzugs von Ottone in Mailand dargestellt. Der in allen Szenen gut erkennbare Erzbischof wird auf den Bildern als milder Sieger und Friedensstifter dargestellt, der weniger an seinem eigenen Vorteil, sondern vorrangig am Wohl der Gemeinschaft interessiert ist. So ist es keineswegs ein Zufall, dass er auf allen Bildern unbewaffnet dargestellt ist. Über dem Freskenstreifen mit den Heldentaten des Ottone erstreckt sich eine Art krönendes Fries mit einer Abfolge der Sternzeichen, kombiniert mit den jeweiligen astrologischen Häusern. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand hingegen sind Spuren zweier weiblicher Figuren zu erkennen: eine sitzende Frau auf einem Rad, das einen Mann zerquetscht, und eine weiß gekleidete Königin auf einem Thron. Hierbei handelt es sich um allegorische Darstellungen des Glücks und der Tugend, was darauf hinweist, dass der anonyme Künstler nicht nur von den Ereignissen berichten, sondern auch den moralisch ausgelegte Schluss des Poems von Stefanardo da Vimercate einbeziehen wollte, das mit einer Art Hymne an das wechselnde Glück endet. Im Saal von Angera werden also nicht nur eine Tatsache aus der Geschichte der Familie Visconti (die auch in einem anderen, nicht erhaltenen Saal des gleichen Schlosses mit Portraits berühmter Mitglieder der Dynastie zele-

briert wurde) oder die Lobpreisung der Größe des Erzbischofs Ottone dargestellt, sondern auch die Wechselhaftigkeit der Ereignisse (von den Sternen bestimmt) unterstrichen, die das Glück der Reichen beeinflusst. Den dort wo ein Torriani verliert, siegt ein Visconti, was aber nicht heißt, dass früher oder später genau das Gegenteil eintreten könnte. Bei der Besichtigung des Schlosses sollten Sie auf keinen Fall versäumen, die Treppe hinaufzusteigen, die vom JuraSaal („Sala della Giustizia“) zum Bergfried führt. Von den Turmzimmern und den darüber liegenden Terrassen und auf dem Weg über alte und neue Treppen bietet sich aus den gotisch anmutenden Fenstern und schrägen Schlitzen ein atemberaubendes Panorama über den See, die Hügellandschaft des Varesotto, über den Lauf des Ticino und bis zu den Alpen.

Jura-Saal (Sala della Giustizia) in der Rocca Borromeo, Angera

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VISCONTI-TURM

SCHLOSS DER VISCONTI GEMEINDE: Invorio (Novara) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Visconti d’Aragona, Ferrari Ardicini ERHALTUNGSZUSTAND: Überreste mit teilweise erhaltenem Turm HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz)

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Das erste Zeugnis einer Festung in Invorio geht auf das 11. Jahrhundert zurück. Etwa aus der gleichen Zeit ist aber auch die Präsenz eines Schlosses auf dem Hügel von Invorio Superiore dokumentiert. Das Schicksal von letztgenanntem Komplex währte allerdings nur für kurze Zeit und die Burg, die sich am Standort der heutigen Wallfahrtskirche Madonna di Castello befand, musste im 12. Jahrhundert bereits verfallen sein. Nachgewiesen ist, dass beide Festungen zu Beginn des 12. Jahrhunderts den Grafen von Biandate gehörten. Die Grafen überließen die Burg in Invorio Superiore der Abtei Cluny (vor 1184) und konzentrierten ihr Interesse auf Invorio Inferiore. In den ersten Jahren des 13. Jahrhunderts weckte das Schloss aufgrund seiner strategischen Lage das Interesse der Gemeinde Novara, die sich zu dieser Zeit in Richtung Lago Maggiore und Lago d’Orta vergrößerte und ihren Einfluss auch auf Invorio ausweitete. Ein Versuch der Grafen von Biandrate, das Schloss zurückzuerobern, schlug fehl und zwischen 1223 und 1232 wurde auf der Grundlage einiger Vereinbarungen der endgültige Übergang von Invorio unter die Rechtsprechung von Novara besiegelt. Aus der Zeit dieser Friedensverhandlungen ist aber auch die Präsenz von Vorfahren der Visconti in Invorio und im Vergante dokumentiert und die Gemeinde Novara bemühte sich, die Rechte der Visconti (möglicherweise schon seit längerer Zeit Vasallen der Grafen von Biandrate) in diesem Gebiet zu respektieren. Zwischen 1356 und 1358 wurde das Schloss in Invorio Inferiore während des Krieges zwischen den Visconti und dem Markgrafen von Monferrat schwer beschädigt. Hierbei ging ein Teil der Befestigungsbauten verloren, aber das Schloss wurde dennoch nicht verlassen. Am Ort der antiken Festung reihten sich weiterhin eng die Häuser zahlreicher Visconti aneinander, die sich hier mehr oder weniger stabil niedergelassen hat-


Ansicht des Visconti-Turms in Invorio

ten. Diverse Zweige der Dynastie, von denen einige andere Schlösser und Gemeinden kontrollierten, übten an diesem Ort eine nicht urkundlich belegte Herrschaft ohne genaue rechtliche Grundlagen aus. Von diesen Visconti erlangten die Herren von Castelletto Ticino, die Brüder Lancillotto und Ermes, im Jahr 1413 von den Herzögen von Mailand offiziell die Belehnung von Invorio Superiore, inklusive Ornavasso, Borgo Ticino, Varallo Pombia und Pombia di Vergante. Gleichzeitig weiteten sie inoffiziell und gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern ihren Einfluss auf Invorio Inferiore, Paruzzaro, Oleggio Castello, Montrignasco, Castelletto Ticino und Lisanza aus. Im 15. Jahrhundert war einer der berühmtesten Bewohner von Invorio Inferiore ein Visconti aus Castelletto, Alberto, der erstgeborene Sohn von Lancillotto. Dieser gebildete und geschickte Kondottiere bewährte sich

erfolgreich als Soldat und erhielt, nachdem er für den König von Neapel gekämpft hatte, das Privileg, seinem Namen den Zusatz „von Aragón“ hinzufügen zu dürfen. Obwohl das Herrschaftszentrum der Visconti von Aragón im 15. Jahrhundert weiterhin die Festung von Castelletto Ticino blieb, stand Alberto ein „Haus“ im Schlosskomplex von Invorio zu, wie aus einem Dokument von 1510 hervorgeht. Die Residenz wurde von den Visconti, die normalerweise in Mailand in der Nähe des Schlosses wohnten, wahrscheinlich als kleiner Zufluchtsort für ihre Unterhaltung auf dem Land genutzt. Zwischen Verurteilungen, Beschlagnahmungen und militärischen Pflichten hatten die mit den Sforza sympathisierenden Nachkommen von Alberto jedoch nur wenig Gelegenheit, die ländliche Stille von Invorio zu genießen. Anchise beteiligte sich aktiv an allen Phasen der italienischen Kriege, während Ermes Costanzo seine antifran123

INVORIO

Zugang zum Turm mit dem Wappen der Visconti, Invorio


Die Friese von Invorio: Portraits der Herzöge Visconti und Sforza Mailänder Maler: Francesco und Galeazzo Maria Sforza, Herzöge von Mailand, um 1495. Verbania Pallanza, Museo del Paesaggio

mutlich von der Familie Visconti erteilt, wahrscheinlich von Alberto und dessen Söhnen. Auch ist nicht auszuschließen, dass die heute noch in der Casa Rusca in Invorio Inferiore (wo der Fries um 1919 abgenommen wurde) erhaltenen Portraits ebenfalls von Alberto in Auftrag gegeben wurden und möglicherweise dessen Familie darstellen. Diese Art, Familienportraits den offiziellen der Herzöge gegenüberzustellen stimmt genau mit dem Stil jener Bildnisse (wahrheitsgetreu oder erfunden) überein, die auch auf Friesen oder Deckensegmenten in den Schlössern und Palästen des Herzogtums üblich waren (wie beispielsweise ein ähnlicher Zyklus von Botta in Castelletto di Branduzzo).

Im Landschaftsmuseum von Verbania (Museo del Paesaggio) werden die Überreste des bedeutendsten Malereizyklus aus dem Gebiet des Vergante verwahrt: Ein Fries mit den Portraits der Herzöge von Mailand, das aus der Loggia eines Hauses der Visconti in Invorio Inferiore stammt. Der Fries zeigt, gerahmt von einem falschen Gebälk, auf rotem Grund die offiziellen Portraits von Gian Galeazzo und Filippo Maria Visconti sowie Francesco Sforza, Galeazzo Maria, Gian Galeazzo und Ludovico „Il Moro“. Die Medaillons mit den Bildnissen werden von einer Schar monströser Kreaturen (Zentauren, Harpyen, Sirenen) mit Bögen, Pfeilen, Füllhörnern und Drehleiern getragen. Die Fresken sind von höchster Qualität, wenn auch nicht optimal erhalten. Der Maler musste genaue Kenntnisse über die Kunstwerke am Hof der Sforza besitzen, die in Vigevano und Mailand im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhundert realisiert wurden. Der Auftrag wurde ver-

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INVORIO

zösische Einstellung im Jahr 1519 mit dem Leben bezahlte (Enthauptung). Die Nachkommen von Ermes Costanzo behielten die Güter in Invorio, bevorzugten jedoch als Feudalresidenz Oleggio (Burg, die im 19. Jahrhundert in neugotischem Stil umgestaltet wurde). 1742 erhielt ein Visconti von Aragón, der Alberto hieß wie sein berühmter Vorfahr, den Titel Markgraf von Invorio. Gleichzeitig verfügte er, durch Heirat und Erbschaft mütterlicherseits, über das gesamte Vermögen des Familienzweiges. Mit dem Tod eines weiteren Alberto Visconti von Aragón im 19. Jahrhundert (1896) starb dieser Familienzweig aus und die Besitztümer und Schlösser, die die Familie viele Jahrhunderte lang erhalten hatte, wurden endgültig zerstreut. Auf einem Spaziergang durch den historischen Stadtkern von Invorio Inferiore erkennt man an dem Verlauf der Via Martinoli, der Via XX Settembre und der Via Curioni auch heute noch das Areal der antiken Befestigung. Diese Straßen umrunden die Hügelkuppe, auf der einst das Schloss stand und wo sich heute Gartenterrassen befinden. Und auf der Spitze erhebt sich der Steinturm aus dem 13. Jahrhundert (rund 17 Meter hoch mit Quadersteinen an den Ecken), gekrönt mit gibellinischen Zinnen (möglicherweise später hinzugefügt). Der ehemalige Eingang zum Burgfried befindet sich in ca. 4 Metern Höhe, erkennbar an einer mit bearbeiteten Blöcken aus Serizzo-Stein gerahmten Öffnung. Rund um den Turm sind die Spuren eines einstigen Hofes und Überreste schlichter Steingebäude zu sehen, die möglicherweise aus dem 14. Jahrhundert stammen. Am Eingang zu diesem Hof erinnert eine runde Marmortafel (wahrscheinlich im 19. Jahrhundert hinzugefügt) der Volkstradition zufolge an die legendäre Gefangenschaft von Margherita Visconti Pusterla in Invorio: Die schöne Tochter eines Visconti und Ehefrau eines Pusterla war

von ihrem Ehemann in das Komplott gegen Luchino Visconti verwickelt worden. Direkt am Fuß des Hügels legen eine Reihe von Häusern und eine Villa aus dem 17. Jahrhundert Zeugnis von der Entwicklung der Besitztümer der Visconti im Umfeld der Festung ab. Der heutige Eingang der Villa, die einst den Visconti von Aragón gehörte, befindet sich in der Via XX Settembre 3. Der antike Zugang zum Schloss musste sich jedoch unter dem großen Bogen an der Via Martinoli befinden (Hausnummer 18). Geht man von der Piazza Matteotti (mit der schönen Kirche Santa Marta) die steile Straße hinauf, sieht man ein massives Gebäude mit dem Schlangensymbol der Visconti an der Supraporte und dahinter den hohen Steinturm. Diese Perspektive vermittelt nur teilweise einen Eindruck von der ursprünglichen Mächtigkeit des Komplexes. Das Portal, das einst von einem dekorierten Stulp umrandet war und noch heute das Marmorwappen zeigt, führt in einen nicht identifizierten Hof (interessant die Überreste von Gusslöchern im Eingang), der keine Verbindung mit dem dahinter liegenden Turm oder anderen Bauten nördlich der Burg aufweist. Dennoch erahnt man, dass der Bereich zwischen diesen Gebäuden (heute in mindestens 4 Höfe aufgeteilt) einen großen Platz bilden musste, zu dem auch die heute nur über die Via Pusterla zugänglichen Häuser wiesen. Von der Via Pusterla kann man auch den Turm und die umliegenden Gebäude aus der Nähe betrachten. Das Haus am Ende der Gasse, das sich unmittelbar am Fuß des Turms befindet (heute „Casa Rusca“ genannt) hatte im Obergeschoss eine Loggia mit einem Fries, das Portraits der Herzöge darstellte (heute im Landschaftsmuseum Verbania). In einem Saal im Erdgeschoss hingegen ist ein Malereizyklus erhalten, der Portraits von Schildträgern und Spuren weiterer Dekorationen wie Wappen mit Schlangen, purpurne Pavillons und einen „sprechenden“ Hofnarr als Wächter des Eingangs zeigt. 125


DAS SCHLOSS DER VISCONTI DI SAN VITO

GEMEINDE: Massino Visconti (Novara) TYP: Schloss, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Visconti di Massino, Visconti d’Aragona, Palestrini, Chiossi, Visconti di San Vito ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz), Veranstaltungsort

Hauptturm des Schlosses in Massino Visconti

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Im Herzen des Vergante, an einem zum Lago Maggiore abfallenden Hang, befindet sich eins der ältesten Gebiete der Visconti, der Ort Massino. Die Ortschaft liegt am Hafen von Lesa und der Blick schweift von hier mühelos zum lombardischen Ufer, bis hin zu den Burgen von Arona, Angera, Lisanza, Brebbia, den Schlössern von Besozzo und Orino sowie zu der antiken Festung Santa Maria del Monte oberhalb von Varese. Erste Zeugnisse der Präsenz eines befestigten „Curtis“ gehen auf die Mitte des

9. Jahrhunderts zurück. Zu dieser Zeit wurde Massino der Königin Theutberga, Frau von Lothar II, als Apanage überlassen. Später wurde der Ort dem Kloster San Sisto in Piacenza und dann (vom Bischof von Vercelli) dem Kloster San Gallo geschenkt. Während des 10. Jahrhunderts unterstand der Ort am See dem letztgenannten Kloster und erst aus dem Jahr 1134 gibt es eine erste Erwähnung von Massino im Zusammenhang mit der Dynastie Visconti. In diesem Jahr soll ein gewisser Guido Visconti, Sohn von Ottone, von den Mönchen von San Gallo die Investitur für die Feudalrechte über die Ortschaft erhalten haben, die kurze Zeit später von Kaiser Konrad III bestätigt wurde. Die Befestigungsmauer von Massino musste zu dieser Zeit um die Pfarrkriche San Michele verlaufen, während auf einer Erhebung südlich vom Ort, in der Nähe der Kirche Santa Maria, bald darauf eine Burg errichtet wurde. Wahrscheinlich um 1358 wurde diese Festung jedoch vom Herren von Mailand Galeazzo II Visconti (1354-1378) selbst zerstört und erst in den Folgejahren veranlassten andere Mitglieder der Dynastie den Bau einer neuen Festung direkt unterhalb der Kirche. Diese Burg wurde möglicherweise anfänglich von einer einheimischen, mit den Visconti verwandten Familie geführt (wie es in Invorio üblich war) und ging im 16. Jahrhundert endgültig an die Visconti (genannt Visconti di Massino) über. In deren Besitz blieb sie bis zum 19. Jahrhundert, um dann in der Folgezeit mehrmals die Eigentümer zu wechseln. Später kehrte sie in den Besitz der Familie zurück, was das Bestreben der verschiedenen Familienzweige belegt, eine Art Rückkaufrecht auf das Schloss auszuüben, das als Wiege der Dynastie erachtet wurde. Nachdem die Erblinie der Visconti di Massino ausgestorben war, ging es im Jahr 1823 durch Nachfolge an die Visconti von Aragón. 40 Jahre nach dem letzten Eigentümer der Vi-


MASSINO VISCONTI

sconti von Aragón und nachdem es in dieser Zeit mehrfach die Eigentümer gewechselt hatte, wurde das Schloss schließlich von den Visconti di San Vito aus Somma erworben. Ein Teil der Einrichtung und das Archiv der Visconti von Aragón, das hier verwahrt wurde, wurden in das Schloss von Somma Lombardo verlagert. Von der Autobahnausfahrt Meina geht es über die Dörfer Pisano und Nebbiuno nach Massino Visconti. Gleich hinter der obligatorischen Einfahrt in die Via Vittorio Emanuele erreicht man das beeindruckende Massiv des Schlosses. Eine breite, von Bäumen gesäumte Treppe trennt die Festung von der Kirche Santa Maria. Ein interessantes Detail der Kirche sind die in die Nordwand eingelassenen Steintafeln der Visconti. In der Kapelle Sant’Agnese (die Heilige Agnes war den Visconti besonders teuer) ist ein Freskenzyklus aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts erhalten, der von der Familie in Auftrag gegeben wurde. Von den Schlosstürmen sind drei erhalten, davon zwei an den Seiten des Südportals, das möglicherweise der ursprüngliche Haupteingang war und über dem das klassische Schlangen-Symbol der Visconti aus Angera-Stein prangt. Der Burgfried entspricht mit hoher Wahrscheinlichkeit dem ehemaligen Mittelturm des Komplexes (er trägt jedoch das Datum 1555). Daneben liegt ein Gebäudekomplex in U-Form mit einer Hofterrasse zur Ortschaft. An dieser Seite fällt sofort die sogenannte „Parlera“ auf, eine vorgebaute Loggia, von der Kundmachungen ausgerufen wurden. In den Innenhof gelangt man durch einen gotischen Bogen und einen breiten Durchgang, dessen Wände im 17. Jahrhundert reich und durchgehend mit Wappenmotiven dekoriert wurde (besonders interessant die Schlangen der Visconti an den Masten der Boote auf dem Lago Maggiore). Die Fassade des langen Gebäudes, die zum Terrassengarten weist, erinnert stark an die Ästhetik

einer Villa aus dem 17. Jahrhundert, aber es sind auch gotisch anmutende Fenster mit gewölbten Rahmen aus Terrakotta erhalten. Das Gemäuer des Schlosses – ähnlich dem in Orino, Lisanza, Invorio und teilweise in Angera, aber auch jenen in Vogogna, Locarno und Bellinzona – ebenso wie das Gesamtbild der Häuser in der Ortschaft, erinnern bereits an die Architektur der Alpenregion, insbesondere an die des Eschentals und des Tessins. In dem Ortsteil zum Berg, direkt am Fuß des Schlosses und der Kirche, sind einige Häuser mit Kapitellen erhalten, die das Emblem der Visconti tragen.

Dekorative Friese, 17. Jahrhundert. Massino Visconti, Schloss der Visconti di San Vito, Eingangsbereich Terrassen des Schlossgartens, Massino Visconti

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SCHLOSSRUNDGANG 5

Vor den Toren des Herzogtums Die Burgen von Bellinzona und der historische Ort BELLINZONA

Schweizer Truppen überfallen Bellinzona im Dezember 1478, aus Cronaca lucernese von Diebold Schilling dem Jüngeren, 1513. Luzern, Korporationsgemeinde der Stadt Luzern

In Bellinzona gibt es drei Burgen, die, gemeinsam mit dem gesamten Befestigungssystem der Stadt, im Jahr 2000 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurden. Im Westen erhebt sich auf einem in die Ebene hinausragenden Felsausläufer das Castelgrande, mit dem die lange, zum Ticino hinab führende Mauer verbunden ist. Fährt man von hier in östliche Richtung, gelangt man erst zur Burg Montebello und dann, in höherer Position, zur Burg Sasso Corbaro. Zwischen Castelgrande und Montebello erstreckt sich der mittelalterliche Ort Bellinzona, umgeben von einer Stadtmauer, die mit beiden Burgen verbunden ist und so eine einheitliche Befestigungslinie bildet, mit der jedem in Nord-Süd-Richtung Reisenden der Weg versperrt werden konnte. Dieser außerordentliche Verteidigungskomplex wirkt auf den heutigen Besucher zweifellos überwältigend, aber auch in der Vergangenheit musste er einen ähnlichen Eindruck vermitteln. So sprachen bereits im 13. Jahrhundert die Mailänder Konsuln von Castelgrande als einer „so sicher von der Natur und vom Menschen geschützten Festung, dass sie uneinnehmbar ist“. Der gesamte Verteidigungsapparat, der ab dem 13. Jahrhundert rund um Castelgrande konstant ausgebaut wurde, hatte bereits in der Zeit, in der Bellinzona unter die Herrschaft der Kantone Uri, Schwyz und Unterwalden (1500) fiel, ein Aussehen, das dem heutigen stark ähnelte und das maßgeblich aus der Zeit der Herrschaft des Herzogtums Mailand stammte. Bellinzona war im Jahr 1340 Bestandteil des Rechtsgefüges von Mailand geworden und verfügte über eine strategische Bedeutung, die auch den Herren von Mailand nicht verborgen blieb. Von hier aus konnte man die wichtigsten Verbindungsstraßen zwischen der Poebene und Nordeuropa rund um die Alpenpässe San Bernardino, Gotthard sowie den Lukmanier- und den Nufenpass kontrollieren. Daher genoss dieser Ort vonseiten der Herzöge konstante Aufmerksamkeit, die sich, vor allem im 15. Jahrhundert, in umfangreichen Ausbauten äußerte, mit denen der immer stärker werdende Druck aus der Schweiz in die Grenzen gewiesen werden sollte. Die strategische Lage von Bellinzona spielte aber nicht nur eine wesentliche Rolle für die Entwicklung des Ortes in militärischer Hinsicht, sondern beeinflusste auch das wirtschaftliche Wachstum in dieser Gegend, die ein Angelpunkt reger Produktions- und Handelsaktivitäten sowie ein beliebter Wohnort für einflussreiche Händlerfamilien war. Diese Mitglieder der damals blühenden Gesellschaft haben sowohl als private Auftraggeber aber auch Vertreter der Lokalgemeinde in den Palästen und Kirchen der Ortschaft zahlreiche Spuren hinterlassen, die auch heute noch sichtbar sind. Unser Rundgang durch das herzogliche Bellinzona bietet somit nicht nur einen Einblick in das europaweit einmalige Verteidigungssystem, sondern auch die Gelegenheit, die Entwicklung der Sensibilität für Ästhetik, des Kunstgeschmacks und der Vorzüge in einer Stadt am Rande des Herzogtums zu beobachten. Lassen Sie Ihren Wagen auf einem der Parkplätze am historischen Stadtkern und 129


VOR DEN TOREN DES HERZOGTUMS

starten Sie Ihre Besichtigung von Bellinzona und seiner Schlösser von der Piazza Indipendenza (früher Piazza San Rocco aufgrund der hier befindlichen, gleichnamigen Kirche. Die Freskenmalereien an der Fassade stammen aus dem 20. Jahrhundert). Vom Platz sieht man sowohl rechts als auch links an der Zufahrtsstraße zum Zentrum, Via Camminata, Überreste des südlichen Stadtmauergürtels, an dem sich einst, genau hier an der Piazza Indipendenza, das heute nicht mehr sichtbare Stadttor Lugano öffnete. Die Stadtmauer, die bereits im 14. Jahrhundert bestand, schloss sich um den Ortskern und war, wie man auch heute noch sieht, im Westen mit dem Castelgrande und im Osten mit der Burg Montebello verbunden. Zwischen 1475 und 1480 wurden die Mauern und Türme auf Wunsch des Herzogs erhöht, verstärkt und dem Einsatz von Feuerwaffen angepasst. Auf diese Zeit geht auch der Bau des Ravelins zurück, der die Porta Lugano schützte und auf antiken Zeichnungen von der Stadt zu sehen ist. Hinter dem ehemaligen Stadttor gelangt man über die Via Camminata in das Herz des antiken Ortskerns, in jene Straßen, in denen sich bereits im späten Mittelalter die Paläste der reichsten Familien, Werkstätten von Kunsthandwerkern sowie zahlreiche Notariatskanzleien und Gasthäuser aneinanderreihten, die an einem Durchreiseort wie diesem ein außerordentlich einträgliches Geschäft hatten. So ist es auch kein Zufall, dass sich an eben dieser wichtigen Straße, auf der Höhe der Piazza Nosetto, auch das Rathaus befindet. Dieser zentrale Bezugspunkt der Gemeinde

Die erste Darstellung von Bellinzona

Bellinzona, aus Cronaca di Berna di Benedikt Tschachtlan, 1470. Zürich, Zentralbibliothek

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Im Jahr 1457 beauftragte Francesco Sforza seinen Vertrauten Ermanno Zono, das Verteidigungssystem von Bellinzona genau zu untersuchen. Dieser erfüllte seine Aufgabe sehr sorgfältig und informierte den Herzog sogar, wie viele Zinnen – „quattrocentovantocto“ (498) – die Stadtmauer schützten. Der von Zono verfasste Bericht mit dem Titel Notula et descriptione dele parte de Berinzona wurde dem Herzog jedoch nicht allein in Schriftform übergeben, sondern mit einer Karte ergänzt, die von einem lokalen Experten angefertigt wurde und in die alle Befestigungen von Bellinzona eingezeichnet waren. Von dieser ersten dokumentierten Darstellung des befestigten Ortes fehlt leider jede Spur, allerdings ist bekannt, welchen Künstler die Berater des Herzogs für diese außerordentlich wichtige Aufgabe wählten: Cristoforo da Seregno, der bereits mit der Realisierung von Werken im Rathaus beauftragt worden war und den der gleiche Rat einige Jahre später für die Gestaltung des Freskenzyklus im Münster wählte.


SCHLOSSRUNDGANG 5

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VOR DEN TOREN DES HERZOGTUMS

Hans Walter Imhof: Die Stadt Bellinzona, 1630, Detail der Südviertel

war Sitz der Verwaltung, der Gerichte und Residenz der herzoglichen Funktionäre. Das heute sichtbare Gebäude ist das Ergebnis von Umbauten aus dem 20. Jahrhundert, der ursprüngliche Bau geht jedoch auf das 14. Jahrhundert zurück und wurde zu jener Zeit als Ersatz für ein älteres Rathaus errichtet, das sich weiter südlich in der Via Camminata befand. Einer Beschreibung zufolge, die kurz nach dem Bau verfasst wurde, befanden sich an dem von einem Bogengang gesäumten Innenhof einst Weinkeller, ein Gefängnis, ein Stall, Dienstgebäude, ein großer Saal, eine Küche und ein kleinerer Raum für Ratssitzungen, der mit einem Kamin ausgestattet war. An der zur Piazza Nosetto weisenden Außenseite befand sich ein weiterer Bogengang, unter dem sich Geschäftsräume aneinander reihten, die die Gemeinde ab 1430 an Notare oder lokale Kunsthandwerker vermietete, während weniger hygienische Gewerbe wie Fleischer oder Schmiede fern gehalten wurden. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde beschlossen, an das Gebäude einen Glokkenturm mit Uhr anzubauen und im Jahr 1455 wurde der Meister Cristoforo da Seregno aus Lugano von der Gemeinde beauftragt, unter dem internen Bogengang die Wappen von Bellinzona, des derzeitigen Podestà und des Herzogs Francesco Sforza (1450-1466) darzustellen (die Dekorationen sind nicht erhalten). 132


SCHLOSSRUNDGANG 5

Baldo Carugo: Piazza Nosetto Ende des 15. Jahrhunderts, 1925. Bellinzona, Palazzo Civico

Im Jahr 1469, ebenfalls im Auftrag der Gemeinde, schuf Cristoforo da Seregno ferner einen bedeutenden Freskenzyklus mit Motiven der Heiligen Petrus und Paulus im Münster. Diese Kirche erreichen Sie in nördlicher Richtung über die Via Nosetto. Im 15. Jahrhundert wurde das Münster anstelle der schlichten Pfarrkirche innerhalb der Mauern des Castelgrande zur Hauptkirche der Gemeinde erhoben. Das heute sichtbare Gebäude ist das Ergebnis umfangreicher Umbauten, die im Jahr 1515 auf Wunsch der Gemeinde vorgenommen wurden. Mit der Umgestaltung wurde einer der bedeutendsten Architekten jener Zeit, Tommaso Rodari, beauftragt, der außerdem die Bauarbeiten am Dom von Como leitete und von dessen Atelier auch die beiden Seitenportale stammen, die heute noch erhalten sind. Im Zuge der Neugestaltung im 16. Jahrhundert wurden alle früheren Strukturen und Dekorationen entfernt, einschließlich der Fresken von Cristoforo da Seregno. Das einzige heute erhaltene Zeugnis aus dem 15. Jahrhundert ist das wunderschöne Weihwasserbecken im Kircheninneren, gleich am Anfang des Kirchenschiffes. Dieses Becken aus Candoglia-Marmor, das in den 1460er Jahren entstand und bereits seit 1543 an diesem Standort dokumentiert ist, wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem anderen Kontext und zu einem anderen Zweck geschaffen. Vermutlich befand es sich einst als Brunnen in der Herzogsresidenz von Vigevano (die verschiedenen, in den Marmor gemeißelten Motive von Heldentaten des Herzogs könnten darauf hinweisen) und wurde später unter nicht näher bekannten Umständen von Gian Giacomo Trivulzio (Herr von Misox und ab 1499 Markgraf von Vigevano) verlagert. Lässt man die Portale des Münsters hinter sich und folgt der eindrucksvollen Via Codeborgo, gelangt man zur Piazza del Sole. Das antike Stadttor, in der Vergangenheit das einzige, das sich nach Norden öffnete, ist nicht mehr erhalten. Zu sehen sind hingegen noch Überreste der Nordmauer und im Hintergrund die beeindruckende Silhouette des Castelgrande mit seinem Turm „Torre Bianca“. Das Schloss kann von hier aus zu Fuß in wenigen Minuten erreicht werden (gehen Sie ein kurzes Stück zurück und biegen Sie über die Via Codeborgo in die Salita San Michele ein). Mit dem Lift erreicht man das Schloss hingegen innerhalb weniger Sekunden. Diese Aufzüge wurden im Rahmen der jüngsten Restaurierungsarbeiten realisiert und bringen den Besucher von der Piazzetta Della Valle, in unmit-

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VOR DEN TOREN DES HERZOGTUMS

Atelier Scotti (?): Kreuzigung, um 1513-1515, Detail. Bellinzona, Santa Maria delle Grazie

telbarer Nähe der Piazza del Sole, direkt zum Schloss. Versäumen Sie bei Ihrem Schlossbesuch keinesfalls, sich im Museum die über 200 mit Tempera auf Papier realisierten Zeichnungen anzusehen. Diese Bilder stammen aus den 1470er Jahren und waren eine Deckendekoration des antiken Palastes Ghiringhelli. Bemerkenswert an diesen Werken ist der Stil, der von den zu jener Zeit in Bellinzona verbreiteten Formen stark abweicht. Der leichte Abstieg vom Castelgrande in Richtung Via Codeborgo eignet sich für alle und bietet darüber hinaus einen schönen Ausblick auf das Münster und den Südteil der ältesten Burg von Bellinzona. Nach der Rückkehr zur Hauptstraße des historischen Stadtkerns können Sie bis zur Piazza Indipendenza zurückgehen, sich dort eventuell von kleinen Umwegen durch die Seitenstraßen verführen lassen und dann Ihren Spaziergang einige Hundert Meter in südlicher Richtung auf der Via Lugano bis zu den Kirchen San Biagio und Santa Maria delle Grazie fortsetzen. In der San Biagio, dem älteren der beiden Gottestempel, kann man elegante Fresken aus dem 14. Jahrhundert (einen Heiligen Christophorus, eine Madonna mit Kind in der Lünette der Fassade, Dekorationen in der Apsis und zum Teil an der Südwand) sowie einige spätere Werke vom Beginn und aus der Mitte des 15. Jahrhunderts bewundern, darunter einige Andachtsmotive, die auf Wunsch bedeutender lokaler Adelsfamilien entstanden sind und dem Atelier von Cristoforo und Nicolao da Seregno zugeschrieben werden. An der linken Wand ist ein schönes Altarbild – Madonna mit Kind zwischen den Heiligen Blasius und Hieronymus – von Domenico Pezzi aus dem Jahr 1520 zu sehen. Einen ganz anderen Eindruck vermittelt die Kirche Santa Maria delle Grazie, die 1480 gemeinsam mit dem angrenzenden Franziskanerkloster erbaut und 1505 geweiht wurde. Hier wurde der spätgotische Geschmack, den die späteren Fresken in der San Biagio noch ausstrahlen, nur wenige Meter entfernt aber einige Jahrzehnte später bereits von der „Hand der Renaissance“ überlagert. Ab 1510 schuf hier ein anonymer Meister, möglicherweise der Mailänder Schule, eine unvollendete Verkündigung am Triumphbogen sowie die Fresken in der Kapelle San Bernardino. Weitere Fresken vom Atelier Scotti aus der Zeit um 1513 stellen an der Trennwand zwischen dem Kirchensaal und dem Bereich für die Mönche Szenen aus dem Leben und die Pas134


SCHLOSSRUNDGANG 5

sion Christi dar. Eine wesentliche Rolle spielten hierbei zweifellos die Auftraggeber der Werke, die Observanten, die hier wie auch an anderen Orten dieser Gegend aktive Förderer künstlerischer Neuheiten waren. In den Archiven des Gemeinderates von Bellinzona erhaltene Urkunden über Schenkungen und Spenden für die Gestaltung der Zwischenwand belegen, wie sehr auch die Nachkommen jener Personen, die im Jahr 1469 Cristoforo da Seregno mit der Dekoration des Münsters beauftragt hatten, die über die Observanten nach Bellinzona getragenen Neuheiten befürworteten. Nach der Besichtigung der Kirche Santa Maria delle Grazie können Sie mit dem Wagen zu den anderen Burgen von Bellinzona fahren. Die jeweiligen Wege sind an diversen Stellen im Ort gut ausgeschildert. Möglicherweise empfiehlt es sich zuerst die höher gelegene Burg Sasso Corbaro zu besichtigen, dort den beeindrukkenden Ausblick auf die Ebene und die umliegenden Berge zu genießen und anschließend zur Burg von Montebello hinabzufahren. Nach dem Besuch von Montebello lohnt sich ein kurzer Abstecher zur Kirche San Paolo di Arbedo (nehmen Sie die Via San Gottardo in der sich vom Zentrum entfernenden Richtung und folgen Sie den Richtungsweisern nach „Località Carmagnola“), wo Sie mit den Werken von Seregno noch einmal in das Klima des 15. Jahrhunderts eintauchen können. Von Cristoforo und Nicolao da Seregno finden Sie im Inneren der Kirche eine Freske mit dem Abendmahl aus den 1450er- und 60er Jahren. Nicht minder interessant sind jedoch auch die späteren Werke von Antonio da Tradate, dem auch der große Heilige Paulus an der Fassade zugeschrieben wird. Wenn Sie keine Eile haben, können Sie an der Straße nach Locarno und zum Lago Maggiore, ausgehend vom Zentrum von Bellinzona gleich hinter dem Ticino, noch einen Abstecher zum Monte Carasso einlegen. An der Fassade der lokalen Kirche, die den Heiligen Hieronymus und Bernhardin geweiht ist, sehen Sie Fresken aus dem beginnenden 16. Jahrhundert von Domenico Pezzi, dem gleichen Künstler, der auch das Altarbild in der Kirche San Biagio geschaffen hat. Angrenzend an das Gotteshaus befindet sich ein Augustinerinnenkloster. Aus dem vorhergehenden Jahrhundert hingegen stammen die zahlreichen Fresken der Kirche San Bernardo, die in vielen Fällen ebenfalls Cristoforo Seregno stammen. Die oberhalb des Ortes gelegene Kirche erreicht man mühelos mit der Seilbahn über Mornera. Und der atemberaubende Ausblick bei der Auf- und Abfahrt nach und von San Bernardo bildet einen würdigen Abschluss für diesen vielseitigen Ausflug. Pellicano, Detail der Kreuzigung, Anfang 15. Jahrhundert. Arbedo, San Paolo

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Die Burgen Montebello und Castelgrande, Bellinzona

Bellinzona Ab dem 11./12. Jahrhundert begann die Geschichte von Bellinzona, sich von dem befestigten Areal des Castelgrande, das seit vorrömischer Zeit isoliert bewohnt war, hügelabwärts zu verlagern. Angelockt von der günstigen Lage zogen in jener Zeit, die von einem starken demografischen und wirtschaftlichen Wachstum geprägt war, Kunsthandwerker und Händler in die Ortschaft. Das Stadtgefüge wurde dichter, es wurden neue Kirchen erbaut und diesen schon bald Funktionen (einschließlich jene der Pfarrkirche) zugestanden, die bis zu diesem Zeitpunkt allein den Gotteshäusern innerhalb der Mauern des Castelgrande vorbehalten waren. In diesen zentralen Jahren des Mittelalters unterstand Bellinzona der Signoria von Como, aber bereits ab dem 13. Jahrhundert verstärkte sich hier und in der gesamten Region, die für die Kontrolle über die Alpenpässe von wesentlicher Bedeutung war, der Einfluss aus Mailand. Nachdem es ab 1340 endgültig in den Herrschaftsbereich der Visconti übergegangen war, erlangte Bellinzona eine beachtliche Autonomie, die erhalten blieb, bis der Ort in den bewegten 15 Jahren nach dem Tod von Gian Galeazzo Visconti (1402) – zum wiederholten Male – unter schweizerische Herrschaft fiel. Auch die Schlacht bei Arbedo (1422), die für die Rückeroberung des Gebiets durch Mailand entscheidend war, konnte die Besorgnis über die Ambitionen der benachbarten Konföderation nicht auslöschen. Daher konzentrierte sich in den folgenden Jahrzehnten die Aufmerksamkeit der Herzöge von Mailand zunehmend auf die Verteidigung von Bellinzona und die Befestigungen wurden im Verlauf des 15. Jahrhunderts in der Form ausgebaut, wie sie größtenteils auch heute noch zu sehen ist. Nachdem Mailand unter französische Herrschaft gefallen war, waren es jedoch im Jahr 1500 die Einwohner von Bellinzona selbst, die den Behörden von Uri, Schwyz und Unterwalden ihre Ergebenheit erklärten, eine Ergebenheit, die nach dreijährigen Konflikten auch von Ludwig XII, König von Frankreich und dem neuen Herzog von Mailand, anerkannt wurde. So begann die Herrschaft der drei Kantone über den Ort, die bis zur Gründung des Kantons Tessin andauern sollte. Die Schweizer Landvögte enthoben die aus Mailand entsandten Funktionäre ihrer Ämter und das gesamte Befestigungssystem, das im Verlauf der Zeit zur Verteidigung gegen die Schweizer errichtet worden war, verlor auf einen Schlag seine Bedeutung und war bis zu den Restaurierungsarbeiten im 20. Jahrhundert dem Verfall ausgesetzt.

Baldo Carugo: Ansicht von Bellinzona im 16. Jahrhundert, 1925. Bellinzona, Palazzo Civico

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BELLINZONA

Schlossrundgang 5


CASTELGRANDE

GEMEINDE: Bellinzona (Kanton Tessin) TYP: Burg DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz des Historischen Kunstmuseums und des HistorischArchäologischen Museums, Ausstellungsort

Luftansicht der Burg Castelgrande, Bellinzona

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Der zwischen dem Ticino und dem historischen Ortskern aufragende Hügel des Castelgrande ist der Standort der ältesten menschlichen Besiedlung im Gebiet von Bellinzona. Auf dem Gipfel der Erhebung wurden Artefakte aus der Jungsteinzeit entdeckt, die heute gemeinsam mit Objekten aus späteren Epochen wie der Bronze- und Eisenzeit im Historisch-Archäologischen Museum der Burg zu sehen sind. Dank Ausgrabungen in den 1960er Jahren ist auch die Besetzung des Hügels durch Römi-

sche Truppen aus der Zeit der Eroberung von Rätien (1. Jh. vor Christus) gut dokumentiert. Auf das 4. Jahrhundert hingegen kann der Bau einer ersten Befestigung datiert werden, deren Verlauf teilweise mit dem der heute noch sichtbaren Mauern übereinstimmte. Das Gebiet wurde im Frühmittelalter nicht verlassen und aus der gesamten Epoche des Hochmittelalters sind innerhalb der Stadtmauern zahlreiche Gebäude dokumentiert, wie zum Beispiel Türme, Wohnhäuser oder die antike Pfarrkirche San Pietro mit dem angrenzenden Kirchhof. Bis in die Gegenwart erhalten ist auch der „Torre Bianca“ (Weißer Turm), neben dem sich wahrscheinlich der Palast des Bischofs von Como befunden hatte. Der nahe „Torre Nera“ (Schwarzer Turm) hingegen stammt wahrscheinlich aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts. Das heute eher schmucklos wirkende Aussehen der drei Höfe, in die sich der Burgkomplex gliedert, ist auf die Umbauten aus der Zeit der Visconti


BELLINZONA Die Verteidigungsmauer der Burg Castelgrande. Torre Nera und, im Hintergrund, Torre Bianca

und Sforza zurückzuführen, die ihn, vor allem im 15. Jahrhundert, einer ausschließlich militärischen Funktion angepasst hatten. Neben der Schaffung von großen Freigeländen für die Stationierung vieler Soldaten wurde im 15. Jahrhundert außerdem der Mauerring erhöht und erweitert. Es wurden neun neue Türme errichtet und auch die bestehenden (Torre Bianca und Torre Nera) wurden umgebaut. Der Zugang zur Burg erfolgte seinerzeit über ein – noch heute sichtbares – Portal an dem Mauerabschnitt, der in südlicher Richtung Castelgrande mit den Verteidigungsanlagen der darunter liegenden Ortschaft verband. Auch heute erreicht man die Burg vom Ort noch auf verschiedenen Wegen. Die bequemste Option bieten jedoch die Lifte, die den Besucher von der Piazza Della Valle direkt in die Burg bringen. Heute betritt man den Komplex über den Südhof, der von dem schlanken Torre Bianca und dem niedrigeren, gedrungen wirkenden Torre Nera überragt wird. Richtet man den Blick nach Osten, kann man von diesem Standort sowohl die Südmauer der Ortschaft als auch die Burg Montebello sowie im Hintergrund Sasso Corbaro sehen. Im Süden, gegenüber den beiden Türmen, schließt der Hof

mit einem Gebäudekomplex ab, in dem nach Abschluss der jüngsten Restaurierungsarbeiten das Historisch-Archäologische und das Historische Kunstmuseum untergebracht wurden. Von hier führt der Rundgang weiter durch den West- und den Südhof. Besonders bemerkenswert ist die lange Mauer, die vom Castelgrande zum Ticino verläuft und mit der ersten über eine trapezförmige Struktur verbunden ist. Dieser in den 1480er Jahren auf Wunsch von Ludovico „Il Moro“ (1480-1499) entstandene Bau sollte die Ebene von Bellinzona komplett abschließen. Die neue Mauer überlagerte die bestehende Befestigung, die von der Burg zum Ticino hinab führte und sich im Jahr 1478 als unzureichend erwies, den Übergriffen der Schweizer standzuhalten. Von dieser auf Initiative von Ludovico „Il Moro“ entstandenen Struktur sind heute nur noch wenige Abschnitte sichtbar, noch gut erhalten ist jedoch der direkt an der Burg befindliche Teil. Diesen kann man sowohl über den oberen als auch den eindrucksvollen überdachten Wehrgang mit den zahlreichen Öffnungen begehen, durch die die Verteidiger einst Armbrüste, Hakenbüchsen und kleine Artilleriegeschütze auf ihre Angreifer richteten. 139


DAS SCHLOSS MONTEBELLO

GEMEINDE: Bellinzona (Kanton Tessin) TYP: Burg DYNASTIEN: Rusca, Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz des Archäologischen Stadtmuseums

Luftansicht der Burg Montebello, Bellinzona Abschnitt der Verteidigungsmauer und Türme der Burg Montebello, Bellinzona 140

Gegenüber vom Castelgrande, an den Hängen des Hügels östlich von Bellinzona, liegt die Burg Montebello. Auch dieser Komplex ist mit den Stadtmauern verbunden und wurde

(kurze Zeit vor dem Jahr 1300) wahrscheinlich auf Initiative von Mitgliedern der Dynastie Rusca errichtet. Diese mächtige Adelsfamilie aus Como war auf dem gesamten Territorium zwischen dem Comer See und dem oberen Lago Maggiore tief verwurzelt und besaß zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch Lehnsgüter in Bellinzona. Auf diese Zeit geht der zentrale Teil des Baus zurück. Dieser wurde von einem viereckigen Burgfried überragt, dessen ursprüngliches Aussehen jedoch im Rahmen von Restaurierungsarbeiten zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark verändert wurde. Rund um diesen Kern wurde gegen Mitte des 14. Jahrhunderts ein zweiter Mauergürtel errichtet, der möglicherweise bereits mit der Stadtmauer verbunden war, aber ebenfalls in den folgenden Jahrhunderten mehrfach verändert wurde. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts, insbesondere zwischen 1462 und 1490, erhielt der nunmehr als herzogliche Festung genutzte Komplex die heute weitestgehend noch sichtbare Form. In diesen Jahren wurde der äußere Mauergürtel verstärkt und mit Außentürmen zusätzlich geschützt. Zur Verteidigung des Eingangs an der Ostseite wurde zum Ende des Jahrhunderts auch der Ravelin erbaut, an dem sich heute der Haupteingang befindet. Hinter dem Hof des Ravelins führt der Rundgang durch eine Tür in einem viereckigen Turm zu einem weiteren Hof innerhalb der Mauern aus dem 15. Jahrhundert, in dem der ursprüngliche Festungskern deutlich erkennbar ist. Von den Wehrgängen bietet sich ein spektakulärer Blick auf Bellinzona und das Castelgrande. Außerdem kann man von hier auch den Burgkomplex selbst mit seinen langen, zum historischen Ortskern hinab führenden Mauern besonders gut überblicken.


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BELLINZONA

Ravelin und im Hintergrund die T端rme des Burgfrieds. Burg Montebello, Bellinzona


DIE BURG SASSO CORBARO

GEMEINDE: Bellinzona (Kanton Tessin) TYP: Burg DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: intakt HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum und Ausstellungsort

Sasso Corbaro ist von den drei Burgen in Bellinzona die am höchsten und am weitesten östlich gelegene. Von hier bietet sich dem Besucher ein atemberaubender Ausblick auf die gesamte Ebene und die weiter unten liegenden Burgen Montebello und Castelgrande. Die Festung liegt isoliert und ist nicht mit dem Verteidigungssystem der Stadt verbunden. Sie wurde mit Gewissheit im 15. Jahrhundert von Luftansicht der Burg Sasso Corbaro, Bellinzona

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den Herzögen von Mailand im Rahmen ihrer Bemühungen errichtet, die Befestigungen der Gegend um Bellinzona zu verstärken. Am Standort eines bereits bestehenden Turms wurde 1478 unter der Leitung herzoglicher Ingenieure der Burgfried, der sich an der Nord-Ost-Ecke der Festung erhebt, gebaut und innerhalb weniger Jahre fertiggestellt. Die im Verlauf des 20. Jahrhunderts mehrfach restaurierte Burg hat einen quadratischen Grundriss mit einer Seitenlänge von 25 Metern. Besichtigt werden können der massive Burgfried sowie an der gegenüberliegenden Ecke ein schlanker gebauter Wachturm. Im Innenhof befinden sich neben einer jüngst restaurierten Kapelle verschiedene Gebäude, die in der Vergangenheit als Wohnhäuser dienten und in denen heute zum Teil gastronomische Einrichtungen untergebracht sind.


BELLINZONA

Die Deckendekorationen des Hauses Ghiringhelli Deckendekorationen im Palazzo Ghiringhelli, um 1470. Bellinzona, Museo Storico Artistico di Castelgrande

Reale Tiere und phantastische Kreaturen, Darstellungen der Tugend, gefeierte Ritter und berühmte Persönlichkeiten der Antike… Szenen aus einer verkehrten Welt. Dies sind nur einige der Figuren der über 200 Temperazeichnungen auf Papier, die Sie im Historischen Kunstmuseum der Burg Castelgrande auf jeden Fall besichtigen sollten. Die Besonderheiten dieser Bilder aus den 1470er Jahren sind eine leichte Pinselführung, leuchtende Farben und oftmals schwarze Konturen. Sie stammen von einem unbekannten Künstler und ihr Stil weicht erheblich von den Werken ab, den Cristoforo da Seregno auf privaten oder öffentlichen Auftrag in diesen Jahren in Bellinzona realisierte. Ursprünglich stammen die Bilder aus dem Palazzo Ghiringhelli und späteren (1970 abgerissenen) Hotel Della Cerva, das sich im Stadtzentrum hinter dem Münster befand. Genauer gesagt handelte es sich hierbei um eine Deckendekoration aus dem besagten Palast und die Bilder waren ursprünglich auf Holzplatten gezogen. Der Auftrag zu ihrer Realisierung wurde vermutlich anlässlich der Heirat zwischen einem Ghiringhelli (wahrscheinlich dem reichen Händler Giovanni) und einer Dame des Hauses Muggiasca (einer ebenfalls in Bellinzona ansässigen, einflussreichen Familie jener Zeit) erteilt. Dies

erklärt die häufige Wiederholung der Familienwappen der beiden Dynastien, aber auch viele Details der komplexen Ikonografie. So galt die Darstellung berühmter Männer oder der Stammväter bekannter Geschlechter (wie Romulus und Remus oder Peleus, dem Vater von Achille) beispielsweise als Segenswunsch für die Fruchtbarkeit der Ehe. Auch Portraits berühmter Paare fehlen nicht. So entdeckt man vor allem die Herzöge Francesco und Galeazzo Maria Sforza, begleitet von ihren jeweiligen Gattinnen. Eins der portraitierten Paare stellt möglicherweise die Brautleute selbst dar. Die Dame reicht einen Granatapfel dar, ein Symbol für Tugend und Fruchtbarkeit. Und er, wie man sich vorstellen kann, muss außer dem symbolischen Granatapfel auch eine stolze Mitgift empfangen haben (es ist bekannt, dass Caterina Ghiringhelli, eine enge Verwandte von Giovanni, in diesen Jahren mit einer Mitgift von 1200 Gulden verheiratet wurde, einem Betrag, der zweifellos Respekt einflößt). Aber nicht ohne Moral, wie auf einer Schriftrolle zu lesen ist, die eine der an der Decke dargestellten Figuren in der Hand hält: „chi crede in li fiorini trovar riposso, cierca l’amaro e fuze la dolzeza“ (Wer glaubt, mit den Gulden Frieden zu finden, sucht das Bittere und entbehrt das Süße).

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SCHLOSSRUNDGANG 6

Familienschlösser Kleinadel zwischen dem Lago di Varese und dem Lago Maggiore AZZATE BESOZZO

Ritter, Detail der Kreuzigung, erstes Viertel des 14. Jahrhunderts. Leggiuno, Santa Caterina del Sasso

Der Norden des antiken Mailänder Umlands zwischen Varese, der Brianza und dem Fluss Adda ist heute nicht nur dicht besiedelt, sondern auch eine Gegend mit großen Städten, die zum Teil Provinzhauptstädte sind, wie Varese, Monza oder Lecco. Betrachtet man die Landkarte dieses Gebiets, sieht man ein fast ohne Unterbrechungen besiedeltes Territorium mit nicht wenigen demografisch bedeutenden Ballungszentren. Hierzu zählen die soeben genannten Städte, aber auch Gallarate, Busto Arsizio, Legnano, Saronno, Rho, Meda, Cantù, Desio, Carate Brianza, Vimercate und andere. Die heutige Rolle dieser Orte, die in der Vergangenheit „Borghi“ (Vorstadtviertel) genannt wurden, scheint von jener, die ihnen noch im ausklingenden Mittelalter zuteil wurde, jedoch stark abzuweichen. Mit Ausnahme von Monza haben die heute größten Ansiedlungen im Vergleich zur Zeit der Herzöge Visconti und Sforza scheinbar ein geringeres „spezifisches Gewicht“ als man vermuten würde, wenn man die moderne Landschaft des Mailänder Umlands und der Brianza betrachtet. Und diese Beobachtung gilt nicht nur auf rein demografischer Ebene, sondern kann auch auf andere Aspekte ausgeweitet werden. Ansiedlungen, die im 17. und 18. Jahrhundert protoindustriell aktive Vororte und die Heimat reicher Elitefamilien waren, die den Angelpunkt des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens der jeweiligen Einflussbereiche bildeten, scheinen in ihrer modernen Form von diesem Image weit entfernt zu sein. Dies bedeutet nicht dass sie heute vernachlässigt oder arm wirken, aber in vieler Hinsicht fällt es schwer, sie in der Folgezeit als jene „Knotenpunkte“ der Lokalgesellschaft wiederzuerkennen. Das Bestehen des kapillar im gesamten Mailänder Umland vertretenen Landadels, der während der gesamten Epoche der Visconti und Sforza noch zahlreich war und im ländlichen Leben eine führende Rolle spielte, erklärt dieses ungewöhnliche soziale und politische Umfeld des Mittelalters, eine Gesellschaftsordnung, die mehr auf die Personen und weniger auf die Orte an sich ausgerichtet war. Die antiken, in Mailand ansässigen Adelsgeschlechter waren auch in bestimmten ländlichen Gebieten tief verwurzelt, die oft die Ursprungsorte der jeweiligen Dynastien waren. Zu diesen Adelsgeschlechtern zählten beispielsweise die Crivelli, die um Nerviano und Parabiago nachweislich dokumentiert sind, die Castiglioni (Castiglione Olona und Umgebung), die Pusterla (Tradate) oder die Porro (Lentate), Aber auch die Familien Parravicini, Alciati, Carcano, Giussani, Grassi und Airoldi (im genie der Brianza), um nur einige zu nennen. Die Mitglieder dieser Geschlechter, die mitunter sehr zahlreich waren (z.B. allein die Crivelli aus Nerviano und Parabiago waren im 15. Jahrhundert 100), vergrößerten konstant die Zahl der jeweiligen Einwohner. Und sie verfolgten in diesen Gebieten erhebliche wirtschaftliche Interessen, nicht nur im Zusammenhang mit dem Grund und Boden. In fast allen Fällen waren sie reicher als alle Landwirte und Bauern zusammen, aber auch reicher als die Kunsthandwerker und Händler, die 145


FAMILIENSCHLÖSSER

in den Mailänder Vororten ansässig waren. Diese Adligen, die nicht immer aber oft das Privileg besaßen, als Bürger von Mailand anerkannt zu sein (dieser Status garantierte erhebliche steuerliche und juristische Vorteile), genossen im Vergleich zu den anderen Bewohnern der ländlichen Gebiete eine in jedem Fall begünstigte Position. Ihnen wurden bestimmte Steuern erlassen oder sie zahlten geringere Beträge, sie unterstanden nicht den Lokalbehörden und hatten somit einen eigenen bevorzugten Status innerhalb der Lokalgesellschaft. Und dennoch spielten sie in dieser Gesellschaft eine zentrale Rolle, die für ihren Einfluss in verschiedenen Bereichen dieser Realität von entscheidender Bedeutung war. Landadlige waren auf lokaler Ebene oftmals die bedeutendsten Grundbesitzer und Wirtschaftsakteure. Sie waren aber auch für die Eintreibung von Steuern zuständig und profitierten von Ausschreibungen. Sie vertraten die Gemeinden vor dem Herzog und seinen Funktionären und bekleideten die wichtigsten Ämter in Verwaltungsbehörden und gemeindeübergreifenden Institutionen. Diesem Rang gehörten oftmals aber auch die wichtigsten lokalen Vertreter der Kirche an, die Kanoniker der Pfarrkirchen und deren Propste. Die „kleinen Vaterländer“ dieser Adligen waren die größten Ansiedlungen im ländlichen Raum, die sie zwar häufig aufsuchten, die aber letztendlich für sie wenig attraktiv waren. Denn was für einen Crivelli oder einen Pusterla wirklich zählte, war einfach, eben dieser Dynastie anzugehören. Mitglied der richtigen Dynastie zu sein, bedeutete weitaus mehr als „am richtigen Ort“ zu sein. Andererseits bot die Tatsache, in einem dieser großen Orte des ländlichen Raums zu wohnen, auch jemandem mit großer Familientradition nur wenig zusätzliche Chancen, in der Lokalgesellschaft anerkannt zu werden. Es war sozusagen ein Teufelskreis: Auf der einen Seite gab es „große“ Familien, die sich von den noch „kleinen“ Orten wenig angezogen fühlten (eher von nahe gelegenen Städten), auf der anderen Seite blieben Vorstadtorte „klein“, eben weil sie für die “großen“ Familien nicht attraktiv waren. Das in vieler Hinsicht geringe Gewicht, das die großen Orte des ländlichen Raums im ausklingenden Mittelalter noch hatten, paarte sich mit dem „familiären“ Charakter jener Territorien und der Rolle, die mächtige Verwandtschaftsbeziehungen und adlige Herkunft spielten. Dies erklärt, warum sich in diesen Gebieten bedeutende weltliche Gebäude aus der Zeit der Herzöge auch heute noch oft außerhalb der antiken Zentren der Ortschaften befinden. Oder, was ein wenig überrascht, warum die historischen Ortskerne auch sehr kleiner Dörfer mitunter über historische Bauten verfügen, die einen wesentlich höheren Wert aufweisen als jene in nahe gelegenen Städten und Kleinstädten. Ein berühmtes Beispiel hierfür sind Castiglione Olona, aber auch, wenngleich etwas weniger offensichtlich, Besozzo und Azzate, die zwei Orte, die wir in der Mitte der hier präsentierten Tour vorstellen. In beiden Orten gibt es unter anderem in jeder Hinsicht vollwertige Schlösser. In beiden Fällen ist jedoch auch interessant zu beobachten, dass sich um diese Schlösser elegante Adelshäuser reihten, wie aus Originalkarten des 15. und 16. Jahrhunderts hervorgeht. Diese kleinen Paläste, die im Verlauf der Jahrhunderte mehrfach 146

Lombardischer Bildhauer: Medaillon mit dem Portrait von Giovanni Bossi, um 1490. Mailand, Museo d’Arte Antica, früher Azzate, Casa Castellani Fantoni


SCHLOSSRUNDGANG 6

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FAMILIENSCHLÖSSER

umgebaut wurden und heute zum Teil verlassen sind, heben sich mit ihren Familienwappen, eleganten Portalen, Loggien und mitunter Fresken in höfischem Stil (Azzate) von der umliegenden, typisch ländlichen Architektur deutlich ab. Ihre Eigentümer waren Mitglieder von Adelsfamilien, deren Name seit jeher mit den jeweiligen Orten fest verknüpft waren, wie zum Beispiel die Bossi in Azzate oder die Besozzi in Besozzo. Den bedeutendsten Zweigen dieser Dynastien gehörten ferner die jeweiligen Schlösser. Der „Sinn“ dieser Festungen ist jedoch nur nachvollziehbar, wenn man den Kontext des Umfeldes und das verwandtschaftliche Gefüge berücksichtigt, in die sie sich seinerzeit einbetteten. So sind die Schlösser in Besozzo und Azzate Bestandteile einer „Familiengeschichte“ im weiteren Sinne, deren Spuren in den Orten auch heute noch erkennbar sind. Und diese Geschichte weicht von anderen, beispielsweise jenen der Visconti-Festungen in den umliegenden Orten wie Somma, Albizzate und anderen, erheblich ab. Die Schlösser der Visconti im Gebiet Seprio waren gegen Ende des 13. Jahrhunderts an Orten errichtet worden, an denen keine antike Familientradition bestand. Daher findet man in der Umgebung dieser Festungskomplexe auch keine Spuren einer „verwandtschaftlichen Substanz“, wie beispielsweise rund um die Schlösser der Besozzi oder Bossi. Azzate, die Heimat der Dynastie Bossi, bildet die erste Etappe der hier präsentierten Tour. Dem Besucher, der über die Autobahn A8 das Gebiet erreicht, bietet die Kirche Santa Maria di Brunello mit ihrem wunderschönen Jüngsten Gericht vom Ende des 15. Jahrhunderts einen geeigneten Vorgeschmack. Von hier geht es weiter nach Azzate und zu den dortigen Schlössern und Adelshäusern. Nach einem Blick auf den Lago di Varese und die umliegenden Hügel von der schönen Via Monte Grappa führt der Weg in Richtung See, an dem man bis nach Bardello entlang fährt. Auf dem Weg dorthin wird die Fahrt in Höhe der Ortschaft Bodio von einer wunderschönen Allee aufgelockert. Diese Allee führt zur Villa Bossi, die im 16. Jahrhundert auf den Überresten einer ebenfalls der Familie gehörenden Burg errichtet wurde (in den folgenden Jahrhunderten mehrfach umgebaut). Folgen Sie hinter Bardello den Wegweisern nach Gavirate und biegen Sie nach wenigen Hundert Metern in Richtung Besozzo ab. Das sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto erreichbare Schloss liegt auf der Kuppe des Hügels, der den heutigen Ortskern überragt. Auf einer weiteren, dem Hügel gegenüberliegenden Erhebung befindet sich die Pfarrkirche Santi Alessandro e Tiburzio, deren Gründung ebenfalls in einem engen Zusammenhang mit der Familie Besozzi stand. Zwei weitere zwei Gotteshäuser, die ebenfalls mit der adligen Verwandtschaft dieser Familie verknüpft sind, bilden den Abschluss der hier beschriebenen Tour. In Brebbia (rund 2 Kilometer von Besozzo entfernt) befindet sich die Pfarrkirche Santi Pietro e Paolo, eins der bedeutendsten Beispiele romanischer Architektur der Provinz Varese, reich dekoriert mit Fresken, die auf die Zeit zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert datiert werden können. Während des gesamten Mittelalters bis in die Moderne hinein wurden die Ämter der Pröpste und Kanoniker der Pfarrei häufig von Mitgliedern der Dynastie Besozzi bekleidet. In einem noch engeren Verhältnis zu dieser Agnation steht jedoch die Einsiedelei Santa Caterina del Sasso, deren Gründung traditionsgemäß mit dem Namen des „Familienheiligen“ und Seligen Alberto Besozzi verbunden ist. Um die Einsiedlerei zu erreichen, verlassen Sie Brebbia, folgen Sie erst den Richtungsweisern nach Laveno-Mombello und dann nach Lago-Bozza bis zur Kreuzung mit der Provinzstraße 69. Biegen Sie hier nach rechts ab und nehmen Sie nach ca. 5 Kilometern den Abzweig nach Santa Caterina. Mit dem Lift erreichen Sie das direkt an die Felswand am See gebaute Kloster in wenigen Augenblicken. Von hier bietet sich ein beeindruckender Ausblick auf einen großen Teil des Lago Maggiore und die umliegenden Berge. 148

Tarot, 15. Jahrhundert, Detail. Azzate, Villa Lampugnani


SCHLOSSRUNDGANG 6

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VILLA BOSSI ZAMPOLLI

SCHLOSS UND ADELSHÄUDER BOSSI GEMEINDE: Azzate (Varese) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Bossi, Obicini, Zampolli ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Das auf einem Bergrücken am Lago di Varese gelegene Azzate wurde im 13. Jahrhundert mit Befestigungen geschützt, als sich die Herren des Ortes im Zuge der Kämpfe um die Kontrolle über Mailand mit den Visconti verbündeten. Im architektonischen Gefüge des Ortes ein „klassisches“ Schloss zu entdecken, ist nicht einfach. Sowohl dieser im südlichen Teil des Vorortes mit Blick auf das Val Bossa (oder Val Bodia) errichtete Bau, der auch heute noch als Schloss bekannt ist (Castello Bossi Zampolli) als auch das größte Bauwerk Eingang zur Villa Bossi Zampolli, Azzate

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der Ortschaft, der sich an der entgegengesetzten Seite des Zentrums befindet (Villa Benizzi Castellani: Rathaus und Locanda Mai Intees), wurden bis zum Beginn der Moderne nicht wie echte Burgen, sondern eher wie befestigte Wohnhäuser beschrieben. Im 17. und 18. Jahrhundert wurden die sich eng aneinander reihenden Adelshäuser in elegante Ferienvillen umgebaut. Seit jeher waren diese Häuser Eigentum der Dynastie Bossi, die seit dem Hochmittelalter das Leben im Ort massiv beeinflusste. Ebenso wie die Häuser der Besozzi in Besozzo oder jene der Castiglioni in Castiglione Olona, waren auch in Azzate die bedeutendsten Bauten Eigentum der Familie Bossi. Festzustellen, welchen der zahlreichen Familienzweige der großen Dynastie die einzelnen Paläste im Ort gehörten, ist größtenteils außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich. Das „Schloss“ oder Villa Bossi in der Via Castello, auf einer Erhebung gleich außerhalb der Ortschaft, ist das bedeutendste Gebäude des Ortes und kann


AZZATE

auf den Familienzweig zurückgeführt werden, der ab dem 16. Jahrhundert die Feudalherrschaft über das gesamte Val Bodia besaß. Die Familie besaß den Komplex vom 14. Jahrhundert bis zum Jahr 1810 und veranlasste im 18. Jahrhundert Restaurierungsarbeiten, mit denen der Originalbau in die elegante Landvilla umgestaltet wurde, wie sie auch heute noch sichtbar ist. Vereinzelte Spuren aus dem 15. Jahrhundert findet man in den Dienstgebäuden der Villa (ein Fenster mit Spitzbogen und Terrakotta-Fassung) und den Fresken im Oratorium des Schlosses San Lorenzo, die auf das 13. Jahrhundert datiert wurden. Unter Einbeziehung einiger bereits bestehender Bauten gestaltete ein nicht identifizierter Architekt im 18. Jahrhundert den Komplex neu und schuf an dem einst engen Vorplatz einen beeindruckenden neuen Eingang. Einige wie eine Kulisse angeordnete Gebäude, an denen das Wappen der Bossi zu sehen ist, bilden einen trichterförmigen Zugang, der durch Höfe und Gänge den Blick auf den toskanischen, mit Architraven versehenen Bogengang des Ehrenhofes freigibt. Hinter diesem erhebt sich kompakt und massiv die Villa. Der dahinter liegende italienische Garten mündet in einen englisch angelegten Park mit einem spektakulären Ausblick auf den Lago di Varese und die Gebirgskette des Monte Rosa. Auch im Ort begegnet man mehrfach dem generell silberfarbigen Familienwappen auf rotem Grund mit den Ochsen – den berühmten bö d’Azzàa, wie sie im örtlichen Dialekt genannt werden. Auch in dem engen Netz von Gassen mit wunderschönen Ausblicken auf den See und die Berge, mit seinen neugotischen Türmen, barocken Palästen und strengen Renaissance-Kirchen (besonders sehenswert ist die Fassade der entweihten Kirche Sant’Antonio aus dem Jahr 1525 in der Via Volta) gibt es Spuren aus dem 15. Jahrhundert zu entdekken: ein wunderschönes Portal an der

Hausnummer 20 am Ende der Via Volta, kurz vor dem Eingang zur Villa Benizzi Castellani oder ein Hof mit majestätischen gotischen Bögen auf quadratischen Säulen mit Spuren von Fresken. Unter dem Bogengang der Villa Benizzi Castellani (heute Rathaus), die das Aussehen eines Gebäudes aus dem 15. Jahrhundert komplett eingebüßt hat, sind zwischen den Muschelwerk-Rahmen Überreste von Dekorationen aus der Renaissance zu sehen. Eine Tafel an dem gleichen Komplex erinnert an die Umbauten, die im Jahr 1495 von Giovanni und Matteo Bossi veranlasst wurden (die Tafel befindet sich an der Rückseite des Palastes und war in der Vergangeheit von Marmormedaillons umgeben, die heute im Castello Sforzesco in Mailand verwahrt werden). Gegenüber der Villa gibt es (möglicherweise römische) Überreste einer weiteren Befestigung, die „Pretorio“ (Prätorium) genannt wird. In den Häusern dieses Ortsteils – dem wahren Kern der antiken Siedling – sind in Privaträumen einige der schönsten Wandmalereien des lombardischen 15. Jahrhunderts erhalten. Hier wechseln sich unentschlüsselbare Embleme, Mottos und höfische Szenen mit Garaffit-Dekorleisten im Stil der Antike ab. Ein weiteres bedeutendes Zeugnis des einstigen Lokaladels ist der Platz am Ende der Via Riva (ebenfalls nur wenige Meter von der Villa Benizzi Castellani entfernt), der vollständig von Herrschaftshäusern und den zugehörigen Dienstgebäuden gesäumt ist. Auch der von hier aus sichtbare Turm mit Taubenschlag und dem Schlangenwappen der Visconti scheint trotz der zahlreichen romanischen Veränderungen ein Original aus dem 15. Jahrhundert zu sein. Als letzte Etappe in Azzano bietet sich das jüngst in der Via Monte Grappa angelegte Belvedere an. Von hier genießt man einen der schönsten Ausblicke in der gesamten Lombardei, auf den Lago di Varese, die Bergkette des Monte Rosa und den Naturpark Campo dei Fiori. 151


DIE PALÄSTE CADARIO UND ADAMOLI

hDAS SCHLOSS IN BESOZZO GEMEINDE: Besozzo (Varese) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Besozzi, Adamoli, Foderati di Val d’Elsa ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Der Turm aus dem 13. Jahrhundert im Garten des Palazzo Adamoli, Besozzo

Eingangsturm des Palazzo Cadario mit Loggia, Besozzo 152

Das Schloss erhebt sich von der Kuppe des Hügels von Besozzo Superiore, noch oberhalb des Wildbaches Bardello und im Zentrum der modernen Ortschaft. Ein Zeugnis der antiksten Bauphase ist der Turm aus dem 13. Jahrhundert in einem der Gärten des Komplexes, der auch von verschiedenen Punkten der

darunterliegenden Ebene gut erkennbar ist. Dieser Turm ist jedoch auch das einzige erhaltene Element der ursprünglichen Festung, die heute in zwei Gebäude mit einem Grundriss des 15. Jahrhunderts gegliedert ist und in späteren Jahrhunderten mehrfach umgestaltet wurde. Geht man links die Via Giulio Adamoli, hinauf, gelangt man zum Palazzo Cadario. Dessen Eingang befindet sich in einem großen Renaissance-Turm mit Kragsteinen und einer kleinen Loggia. Durch das Portal mit Bossenwerk, das das gesamte Gebäude charakterisiert, gelangt man in den Innenhof. Hier befindet sich ein eleganter Bogengang aus dem 16. Jahrhundert mit Säulen aus Angera-Stein und eine große Ehrentreppe führt in die Innenräume, die zum Teil mit Fresken aus moderner Zeit dekoriert sind. Gegenüber dem Eingang zum Palazzo Cadario befindet sich jener zum Palazzo Adamoli, dem zweiten Gebäude des heutigen Komplexes, ein schönes Portal aus Serizzo-Stein und mit stilisierter Blütendekoration aus dem 16. Jahrhundert. An dem dem Eingang gegenüber liegenden Flügel des nach Osten geöffneten Innenhofes sind Spuren von Graffit-Dekorationen aus der Renaissance zu sehen. Im Obergeschoss des Gebäudeteils, der heute Eigentum der Familie Foderati di Val d’Elsa ist, übernachtete im Jahr 1863 Giuseppe Garibaldi als Gast des Generals Adamoli. In dem Apartment ist neben antiquarischen Möbeln und Sammlerstücken auch dieses „berühmte“ Bett noch erhalten, das anscheinend sehr bequem gewesen sein musste, da hier im Jahr 1867 nach Garibaldi auch Giuseppe Mazzini erholsamen Schlaf fand. Mit der Festung unauslöschlich verbunden sind die Namen der bedeutendsten Mitglieder der Familie Besozzi, einem antiken, führenden Adelsgeschlecht, das bereits vor der Gründung der Gemeinde an diesem Ort und in dessen Umgebung tief verwurzelt war. Wahrscheinlich


BESOZZO

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Santa Caterina del Sasso Die direkt über dem Lago Maggiore an den Fels gebaute Einsiedlerei Santa Caterina del Sasso di Leggiuno (in antiken Dokumenten Santa Caterina al Sassoballaro) zählt zu den eindrucksvollsten Orten des Ufers an der Seite von Varese. Die drei durch Vorplätze mit eleganten Loggien verbundenen Gebäudekomplexe mit Blick auf den See und die Berge erreicht man vom Land aus über eine steile Treppe oder mit einem modernen Lift sowie auf dem Wasserweg über den eigenen Landungssteg. Die Ursprünge des in der Vergangenheit dem Heiligen Nikolaus von Bari geweihten Klosters und die Lebensgeschichte des hier verehrten Seligen Alberto Besozzi sind von Legenden umnebelt. So wird erzählt, dass Alberto Besozzi bei einer Fahrt über dem See von einem Unwetter überrascht und von der Heiligen Katherina von Alexandrien wundersam gerettet wurde. Nachdem die Gefahr gebannt war, soll der Mailänder Adlige, ein reicher Händler und Wucherer, das weltliche Leben hinter sich gelassen und als Einsiedler auf einem Felsvorsprung gelebt haben. Zum Ende des 14. Jahrhunderts erhielt der kleine Wallfahrtsort aufgrund einer engen Verbindung zu den Eremitanern von Sant’Ambrogio ad nemus, einem Kloster, das sich am Rand des Schlossparks in Mailand befand, neue Impulse. Zwischen dem Ende des 14. und den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts wurde das Zönobium am Lago Maggiore definitiv der Heiligen Katharina von Alexandrien geweiht und umfassend ausgebaut und restauriert. Entscheidend für den Status des Klosters war in dieser Zeit vermutlich auch die Protektion durch Donnina Rusca, der Ehefrau von Pietro Besozzi (Herr der Pfarrei Brebbia), aber vor allem durch die Tochter von Franchino (ehemaliger Herr von Como) und Nichte von Bernabò Visconti. Die Aufwertung des Klosters und Wallfahrtsortes durch die Gunst dieser Adligen festigte ihrerseits die Familienbande zwischen den Rusca und den Besozzi, aber auch deren Macht am Südufer des Lago Maggiore. Die in jenen Jahren realisierten Dekorationsarbeiten werden von zahlreichen noch erhaltenen Fresken belegt. Von besonderem künstlerischen Interesse ist eine Gruppe von Knappen im Kapitelsaal (im Südflügel des Klosters). Diese Freske, die Teil eines Freskenzyklus zu einem unbekannten Thema war, ist ein einmaliges Zeugnis für die Darstellung von Rittern aus dem 14. Jahrhundert. Die Besozzi besaßen über mehrere Jahrhunderte eine Art

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Pietro Crespi: Kreuzigung, 1510. Leggiuno, Santa Caterina del Sasso

Patronat ohne juristische Grundlage über die Einsiedlerei. Während der ersten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts veranlassten wahrscheinlich die Edelfrau Angela Carcano (Nichte einer Besozzi) sowie der adlige Mailänder Notar Francesco Besozzi umfangreiche Dekorationsarbeiten. Der Notar, ein bekannter Auftraggeber des Malers Bernardino Luini, wird in einer der Heiligen Katharina von Alexandrien (Schutzpatronin der Besozzi) geweihten Kapelle in der Kirche San Maurizio in Mailand mit einem feierlichen Portrait geehrt. In der oleiche Zeit wurde der Ruhm des Klosters durch die Wiederentdeckung der sterblichen Überreste von Alberto Besozzi (13. Juli 1535) zusätzlich gemehrt. Aus Zeiten vor dem 16. Jahrhundert hingegen stammen das Gemälde mit der Kreuzigung, datiert und signiert von dem Maler Pietro Crespi aus Busto Arsizio sowie verschiedene Freskenzyklen, die lokal ansäsigen Malern und Anhängern des Stils von luini zugeschrieben werden.


erheblicher Vernachlässigung deutlich die Spuren ihrer einstigen Bedeutung erkennen. Die Höfe mit Loggien, Säulen und kostbaren Kapitellen und die reich dekorierten Eingangsportale heben sich von den anderen, ländlichen Bauten unübersehbar ab. Über den Eingängen sieht man noch zahlreiche gibellinische Adler, das Wappen der Besozzi. Besonders gut erhalten ist beispielsweise das Wappen an der Hausnummer 3 der Via Monfrini. Von dieser Straße führt eine Treppe zur Kirche Santi Alessandro e Tiburzio, die von den Besozzi gegründet und geführt wurde und in der sich verschiedene Grabmäler von Mitgliedern der Dynastie befinden. Das Gotteshaus wurde im 16. und 17. Jahrhundert umgebaut und ist heute die Pfarrkirche des Ortes.

BESOZZO

war der Beginn des 15. Jahrhunderts, in den Zeiten der Wirren infolge des Todes von Herzog Gian Galeazzo Visconti (1402) die größte Blütezeit des Familienzweiges der „Burgherren“. In diesen Jahren erlangte Pietro, Oberhaupt der gibellinischen Fraktion, die im Gebiet des Lago Maggiore wütete, sowie verwandt mit den Visconti und den Rusca, einer weiteren bedeutenden Adelsfamilie, die Lehnsherrschaft nicht nur über Besozzo, sondern auch über das gesamte Zuständigkeitsgebiet der Pfarrei von Brebbia. Die Lehnsherrschaft währte jedoch nicht lange und wurde bereits 1417 auf Besozzo beschränkt. In den folgenden Jahrzehnten ließ der Einfluss der Familie deutlich nach und sie spielte auf politischer Ebene im weiteren Sinne keine führende Rolle mehr. Ungemindert und bis in die moderne Zeit anhaltend blieb jedoch der lokale Einfluss, nicht nur der bedeutendsten Vertreter der Dynastie, sondern auch der sekundären Familienzweige. Die zahlreichen, oftmals reichen und mit dem Leben in der Lokalgemeinde tief verwurzelten Linie des Hauses Besozzi bildeten die die tragende Achse der Gesellschaft im gesamten Gebiet sowie die den Angelpunkt der Macht ihrer wichtigsten Verwandten. Und eben dieses Ausmaß jener „Macht der Verwandschaft“ bildet die Überleitung zu einer kurzen Betrachtung Viertels in der unmittelbaren Umgebung der Festung. Auf einem Spaziergang durch die Straßen in der Nähe des Schlosses (entlang der Via Adamoli und der Via Sant’Antonio oder auf der Via Monfrini) fallen diesbezüglich mehrere Bauten auf, die auf der Hügelkuppe wie eine Krone rund um das Schloss angeordnet sind. Diese Villen waren einst das Eigentum und die Residenzen verschiedener Nebenzweige der Dynastie Besozzi. Diese „Adelshäuser“, heute oftmals aufgeteilt oder in einem schlechten Erhaltungszustand, lassen trotz späterer Umbauten und trotz mitunter

Eingang des Palazzo Adamoli, Besozzo

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SCHLOSSRUNDGANG 7

Auf den Spuren der Castiglioni Ein Vorort am Fluss Olona VARESE, MASNAGO CASTIGLIONE OLONA VENEGONO SUPERIORE TRADATE

Lombardischer Maler: Falkenjagd, Mitte 15. Jahrhundert. Varese, Schloss in Masnago, Sala degli Svaghi

Die Castiglioni sind eine der antiksten Familien Mailands. Bereits im 14. Jahrhundert wurde das Gedenken an die bedeutendsten Mitglieder dieser Dynastie auf repräsentativen Wandteppichen mit Szenen aus dem Leben der Familie und mit Portraits auf Gemälden zelebriert, die die Galerien in den Palästen von Mailand und den Residenzen von Castiglione Olona schmückten. Die Mitglieder dieser Dynastie waren hohe Prälaten (Äbte, Bischöfe und Kardinäle), Richter, Groß- und Einzelhändler, Bankiers, sowie Kanzler, Sekretäre und Räte am herzoglichen Hof, aber auch Ritter und geschätzte Meister des geschriebenen Wortes. Ihr Ruhm reichte bis nach Flandern und Ungarn und sie leisteten einen bedeutenden Beitrag zu dem lebhaften kulturellen Austausch der Renaissance. Einige Familienzweige ließen sich in Bari und Mantua nieder. Von Letzterem stammt der berühmte Baldassarre, Autor des für die italienische Renaissance symbolischen Textes Il Cortegiano, ab. In Mailand hatten die Guelfen Castiglioni ihr „Hauptquartier“ rund um die heutige Piazza della Scala, in der Nähe der älteren Häuser der Torriani. Im Umland konzentrierte sich die Macht der Dynastie hingegen zum Teil auf die Gegend entlang des Flusses Olona. Das Zentrum dieses Herrschaftsgebiets ist der antike Ort Castiglione, aber das von der Familie kontrollierte Territorium erstreckte sich über das Tal hinaus bis nach Morazzone (am Tal des Wildbaches Arno), Casciago, Masnago (am Lago di Varese), Binago, Appiano und Mozzate (bei Como). Um die Kontrolle über die Olona standen die Castiglioni im Wettstreit mit anderen Mailänder Familien, allen voran den Pusterla, Herren von Tradate. Insbesondere im 14. Jahrhundert und den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts verschärften sich die Konflikte zwischen den Castiglioni und den Pusterla im Gebiet des Seprio und oberhalb von Mailand, zeitgleich mit den Verschwörungen im Zusammenhang mit der kontrastreichen Machtübernahme der Visconti. Den Pusterla von Tradate gelang es in dieser Zeit, die Kontrolle über den zentralen Abschnitt des Laufs der Olona zu erlangen und die Lampugnani (ein weiteres, in der Gegend ansässiges Adelsgeschlecht) aus Legnano) schwächten die Position der Castiglioni an der Stelle, an der der Fluss vom Fuß des Hügels durch die Heide in Richtung Stadt fließt. Allerdings gelang es den Castiglioni, mit den Lampugnani eine friedliche Beziehung zu knüpfen, begünstigt durch eine weitsichtige Heiratspolitik, wie die zahlreichen verflochtenen Wappen der zwei Dynastien auf den Fresken verschiedener Familienschlösser belegen. Die adligsten der zahlreichen Familienzweige waren jene aus Casciago, Herren von Garlasco in Lomellina (1436), die Marano in der Umgebung von Novara (1466) sowie der hauptsächlich in Castiglione Olona ansässige. Zu diesem Zweig gehörte auch der Kardinal Branda, der im Jahr 1454 zum Grafen von Venegono Superiore ernannt wurde. Der obligatorische Startpunkt unseres Rundgangs ist der „Saal der Laster und Tugenden“ (Sala die Vizi e delle Virtù) im Schloss von Masnago. Von hier geht es weiter nach Casciago, wo sich der Heilige Antonius nach seiner Bekehrung aufhielt und das die Heimat eines der Familienzweige der Castiglioni war. Von dem einstigen Schloss in Casciago ist keine Spur mehr zu finden, nur hier und dort, hinter gusseisernen 157


AUF DEN SPUREN DER CASTIGLIONI

Masolino da Panicale (in Zusammenarbeit mit Lorenzo di Pietro, genannt Vecchietta?): Berglandschaft mit Städten und Schlössern, um 1435, Detail. Castiglione Olona, Palazzo Branda Castiglioni

Toren und zwischen den Kronen jahrhundertealter Bäume in den Parks und Villen auf dem zum Lago di Varese abfallenden Hügel, kann man noch einige Türme entdecken, die im 19. Jahrhundert im Zuge eines mittelalterlichen Stil-Revivals entstanden sind. Besonders sehenswert ist der Ausblick vom Garten der Villa Castelbarco (die möglicherweise auf angrenzenden Überresten eines Teils des antiken Schlosses errichtet wurde). In dem Gebäude sind heute das Rathaus und eine Grundschule untergebracht. Von der Villengruppe, die den Ortskern darstellt, führen gewundene Gassen und Treppen zwischen den antiken Bauerhäusern den Hang hinab und der Blick schweift über den gesamten See bis zum Monte Rosa. Auf dem Rückweg nach Masnago und Varese beeindruckt das gewaltige Steinmassiv, das sich von dem Grün des Sacro Monte abhebt: der Turm von Velate, einziger Überrest eines Castrums der Spätantike, das im 11. Jahrhundert umgebaut (aus dieser Zeit stammt auch der Turm), aber bereits ab dem 12. Jahrhundert nicht mehr genutzt wurde. Seit kurzer Zeit steht der Turm unter Denkmalsschutz (FAI – Fondo Ambiente Italiano). Die Versuchung, von hier zwischen Parks und Jugenstilvillen die Straße nach Sant’Ambrogio zu nehmen, ist stark, aber der Sacro Monte mit seinen Kapellen aus dem 17. Jahrhundert und der barocken Kirche auf den Überresten ihrer Vorgängerinnen aus der Renaissance und dem 13. Jahrhundert verdient einen separaten Besuch, zum Beispiel mit einer Rast im Burducan (Jugendstillokal mit Blick auf die Berge und Seen), wo man das „Elisir di Burducan“ probieren kann: Dieser bis zum heutigen Tag nach einem geheimen Rezept gebrannte Likör vereint die Aromen von Alpenkräutern mit jenen mediterraner Früchte und ist die Erfindung eines wandernden Garibaldiners, der sich nach seinen Reisen in den Orient in Varese niederließ. Weiter führt die Tour durch die voralpine Provinzhauptstadt und in das Zentrum von Bizzozero. Auf dem Vorplatz der hiesigen Pfarrkirche sieht man die ersten Spuren der Burg, in der Form von Türmen, die möglicherweise im 17. Jahrhundert im Zuge einer verfrühten lokalen Wiederaufnahme mittelalterlicher Baustile umgestaltet wurden. Hinter der Kirche Santi Evasio und Stefano führt eine schmale Straße zu dem antiken Schloss. Der heute als Privatresidenz genutzte Bau hat eine Form, der die einstige Präsenz von Türmen vermuten lässt, sowie einige zweibogige Fenster (wahrscheinlich später hinzugefügt). Die Lage der früheren Burg ist eindeutig als strategisch zu erkennen: Sie dominiert direkt das unterhalb liegende Tal der Olona und der Blick reicht bis zur Straße nach Como. Das Schloss gehörte den Castiglioni von Casciago (die auch die 158


SCHLOSSRUNDGANG 7

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AUF DEN SPUREN DER CASTIGLIONI

Das Archiv der Castiglioni in Castiglione Olona Im antiken Palast des Kardinals Branda in Castiglione Olona wird eine einzigartige Sammlung von Familiendokumenten verwahrt. Hierbei handelt es sich nicht um die übliche Anhäufung von Verträgen und Rechnungsbüchern über die Gutsverwaltung, sondern um einen sprichwörtlichen Nachlass, sorgfältig zusammengestellt von dem Grafen Francesco Castiglioni (Erbe der Grafen von Venegono, gestorben 1846), der alle Akten des Hauses Castiglioni, die im damaligen Archiv der Noratiatskanzlei Broletto in

Mailand verwahrt waren, indexiert und registriert hat (heute sind die Akten der antiken Notare im Mailänder Staatsarchiv in der Via Senato verwahrt). Die in mehreren eleganten Büchlein wie in einem Adressbuch aufgelisteten Indices zahlloser notarieller Urkunden, teils mit Zusammenfassungen, teils nur gelistet (viele Originale sind nicht erhalten) sind ein kostbares Hilfsmittel für die Rekonstruktion der Geschichte der Dynastie zwischen dem 14. und dem 19. Jahrhundert.

unterhalb liegenden Ländereien und die Mühlen von Gurone kontrollierten), ging aber im 16. Jahrhundert durch Heirat an die Bizzozeri über. In Bizzozero lohnt sich ein Abstecher zur Kirche Santo Stefano. Der romanische Bau liegt in geringer Entfernung von der Ortschaft, an einem Ort, an dem sich in der Antike eine römische Siedlung befunden hatte. Im Inneren überlagern sich Freskomalereien in mehreren Schichten. Die bedeutendste ist ein Renaissance-Zyklus von Galdino da Varese (1498), dem berühmtesten lokalen Maler des 15. Jahrunderts, der sich von der Welt der festlichen Putten Okuli trompe l’œil-Architektur, wie sie in Zentren der Renaissance zu finden war, entfernte. Das sich zwischen den Hügeln unterhalb von Lozza öffnende Tal der Olona bildet das Präludium zur Ankunft in Castiglione Olona. Auf den Kuppen der umliegenden Hügel meint man, noch immer die Turmbauten wahrzunehmen, von denen einst die Brücke über die Olona und die gleich angrenzend gelegene Kelterei, aber vor allem der Verkehr zwischen Varese und Mailand überwacht wurden. Dies war einer der wichtigsten Kreuzpunkte der Straßen, die die lombardische Hauptstadt mit Varese und der Schweiz verbanden. Das Panorama des Tals, das sich unterhalb der Ortschaft trichterförmig verengt, wird heute von der Präsenz mehrerer Industriehallen gestört. Von dem engen Tal steigt steil der Hügel an, auf dem sich einst das Schloss der Castiglioni erhob. An seinem Standort befindet sich heute eine Stiftskirche aus der Renaissance. Oberhalb von Castiglione liegt die Ortschaft Venegono Superiore. Von hier erweiterten die Castiglioni ihren Einflussbereich bis nach Binago, um die Straße nach Como zu kontrollieren, sowie nach Appiano, wo sich die letzte Pfarrkirche vor der Grenze zum Herrschaftsgebiet von Como befand. Wenige Kilometer von Castiglione und Venegono entfernt kann man die Überreste von Sibrium (Castelseprio), einer Ansiedlung aus der Spätantike, besichtigen, die dem Gebiet des Seprio seinen Namen gab. Castelseprio, das im Jahr 1287 von Mailändern zerstört wurde, ist für seine kostbaren Fresken in der Kirche Santa Maria Foris Portas bekannt. Die hier sichtbaren Malereien, die von einem anonymen byzantinischen oder syrischen Künstler zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert geschaffen wurden, sind in ganz Westeuropa einmalig. In der Renaissance wurde die Kirche Santa Maria ferner mit einer kostbaren Freske dekoriert, die Christi Geburt darstellt und heute in der Kirche San Martino im nahen Carnago verwahrt ist. Die komplexe architektonische Anordnung, die fast übertrieben wirkende Verwendung von Motiven aus der römischen Anti160


SCHLOSSRUNDGANG 7

ke (äußerst beliebt in der Renaissance) und die reichen Faltenwürfe verraten die Neigung des Künstlers, mit künstlerischen Stilelementen aus Ferrara zu experimentieren. Und da stellt sich automatisch die Frage, wer in einen abgelegenen Wald des antiken Sibrium einen lokalen Maler gerufen haben könnte, der sich jedoch mit den neuesten Entwicklungen der Mode auskannte. Außerdem bietet dieses Kunstwerk einen direkten Hinweis darauf, wie die Schlösser der Castiglioni, Pusterla und Visconti zum Ende des 15. Jahrhunderts dekoriert sein mussten. Am Fuß des Hügels von Castelseprio erhebt sich der Turm Torba, der einst Teil der Stadtmauer war und heute als Eigentum des Verbandes FAI (Italienischer Umweltfonds) unter Denkmalsschutz steht. Er gehörte im 15. Jahrhundert zu einem Kloster, dass Frauen der Dynastie Pusterla hatten errichten lassen. Diese mächtige, mit den Castiglioni rivalisierende Familie herrschte in Mailand über das Viertel Porta Ticinese und südlich der Stadt über die fruchtbaren Gegenden in Carpiano. Von dem einst großen Familienschloss aus dem 15. Jahrhundert in Tradate bleibt keine Spur, aber im Ortskern sind interessante Bauten erhalten, die auf die vielen, antiken Häuser der Pusterla zurückgeführt werden können. Über die Provinzstraße nach Saronno gelangt man nach der Durchfahrt durch einige kleine Ortschaften in den Ortsteil Mozzate, der auch San Martino genannt wird. Fast direkt an der Straße erhebt sich hinter dichten Laubbäumen ein wie eine Villa wirkender Bau. Die kompakte Bauweise mit Innenhof hinter den Dekorationen und den gusseisernen Balkonen aus dem 18. Jahrhundert zeugt von dem einstigen Schloss San Martino. Dies war das erste Schloss der Castiglioni auf der von Mailand kommenden Straße, eine sichere Zuflucht für Zeiten, in denen das politische Klima in Mailand kritisch war, und in ruhigen Momenten eine komfortable Landresidenz. Hinter dem Palast erhebt sich zwischen modernen Gebäuden die Wallfahrtskirche Santa Maria Solaro, die in der Vergangenheit wahrscheinlich zur Festung gehört hatte. Im Inneren der Kirche sind weitere Malereien aus der Renaissance (um 1490-1500) zu sehen, die allerdings noch einen sehr provinziell ausgerichteten Charakter haben. Unter einer Jungfrau auf einem Thron ist, mit einigen unübersehbaren Schwierigkeiten in der Darstellung, eine Gruppe ausschließlich männlicher Gläubiger dargestellt: Mitglieder einer Bruderschaft oder Portraits der Castiglioni? Ganz in der Nähe liegt die Ortschaft Cislago mit ihrem Palast, die aber bereits zum Gebiet der Visconti zählt. Gläubige, Detail der Jungfrau auf dem Thron, letztes Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts. San Martino di Mozzate, Santa Maria Solaro

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DAS SCHLOSS IN MASNAGO

GEMEINDE: Varese, Masnago TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Castiglioni, Castiglioni Stampa, Mantegazza, Panza ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Städtisches Museum für Moderne Kunst

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Die Präsenz von Befestigungen in Masnago ist seit dem 11. Jahrhundert dokumentiert. Die Stadtmauer mit Türmen, in die die Pfarrkirche San Pietro und das heutige Schloss integriert waren, stand in enger Beziehung zu den Befestigungen von Velate, Santa Maria del Monte, Casciago und Varese. Ab dem 14. Jahrhundert war das Schloss Eigentum der Familie Castiglioni aus Casciago. Die Bewohner waren die Brüder Obizzo, Giovanni, Guarnerio und Giovanni Andrea, alle Rechtsgelehrte in Pavia und Inhaber bedeutender Ämter unter Filippo Maria Visconti (1412-1447), die den Komplex im 15. Jahrhundert auch ausbauten. Die Burg blieb viele Jahrhunderte das Eigentum der Castiglioni, die Besitzer stammten jedoch von verschiedenen Familienzweigen ab. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts wurden die Besitztümer in Masnago dann an Angelo Mantegazza verkauft. Nach einem weiteren Verkauf an die Familie Panza ging das Gebäude im Jahr 1981 schließlich an die Gemeinde Varese über. Die Burg auf der Kuppe eines Hügels mit Blick auf den Lago di Varese und den Sacro Monte wirkt heute wie eine typisch lombardische Villa. Der Komplex ist um einen Innenhof, zum Teil mit Bogengängen, angeordnet und gliedert sich in zwei Gebäude: Im Osten befindet sich ein kompakter, trapezförmiger Block aus dem 15. Jahrhundert und im Südwesten eine Villa aus dem 17. Jahrhundert mit einem L-förmigen Grundriss zum Hof, die an bestehende Strukturen angebaut wurde. Der Eingang befindet sich an der Nordseite neben einem Turm. Die Zinnen des Turms stammen aus dem 19. Jahrhundert, das Gemäuer hingegen (sichtbar im Hof seit jüngsten Restaurierungsarbeiten) verrät jedoch die antiken Ursprünge und die einstige Zugehörigkeit zu dem primitiven Originalkomplex. Das interessantere Gebäude im Osten war mit dem Turm verbunden und erhob sich einst an einem Hof mit Bogengang. Eine der Säulen aus dem 15. Jahrhundert ragt noch aus dem Mauerwerk. Die anderen Seiten des Hofes, dort wo sich jetzt die Gebäudeflügel aus dem 17. Jahrhundert befinden,


VARESE, MASNAGO

schlossen im 15. Jahrhundert wahrscheinlich mit einfachen Mauern ab. Im Jahr 1938 wurden Dekorationszyklen entdeckt, die in diesem Flügel die Wände der Räume bedeckten. Im „Salone degli Svaghi“ (Unterhaltungssaal) im Erdgeschoss sind vor einem durchgehenden Hintergrund mit Seen und Bergen Szenen des höfischen Zeitvertreibs dargestellt. Auf Voralpenseen fährt man mit eleganten Booten und modern gekleidete Damen reichen sich gegenseitig Blumen oder spielen mit Tarotkarten. Die Edelmänner hingegen widmen sich der Falkenjagd. Weitere Damen musizieren unter prunkvollen Pavillons, die auf blühenden Wiesen aufgestellt und mit kostbaren Stoffen und Motiven von Heldentaten der Familie dekoriert sind. Auf den Gebirgskämmen sieht man Türme, Schlösser und Landkirchen. Fast hat man das Gefühl, eine Szene am Lago di Varese aus dem 15. Jahrhundert zu erleben. Auch die Enten im Teich fehlen nicht, aber über der Tür an der Nordwand ist ein exotischer Leopard zu sehen. Möglicherweise sollte mit der Darstellung dieses nicht einheimischen Tieres eine Verbindung zu den weitaus kostbareren Dekorationen aus dem Leoparden-Saal (Sala dei Leopardi) im Schloss von Pavia und dem Tierbuch von Giovannino de’ Grassi mit Zeichnungen eleganter Raubkatzen in verschiedenen Posen hergestellt werden. Tiere dieser Art müssen die Castiglioni auf jeden Fall direkt gesehen haben, da sich das Haus, in dem Herzog Filippo Maria Visconti seine Leoparden hielt, in der Nähe des Mailänder Palastes der Castiglioni aus Casciago befand. Im Obergeschoss gibt es vier Räume mit Wandmalereien. Der Saal der Laster und Tugenden (Salone die Vizi e delle Virtù) entspricht dem Salone degli Svaghi im Untergeschoss. Hier sind auf rotem Untergrund, der möglicherweise in der Vergangenheit mit einer blauen Lasurit-Farbe bedeckt war, symbolische, mitunter unverständliche Figuren dargestellt. Jede Tugend wird jeweils den zwei kontrastierenden Lastern gegenübergestellt. Die negativen und positiven Eigenschaften sind im klassischen Stil personifiziert: An der Ostwand

sieht man die Keuschheit im Mönchsgewand, begleitet von der aufreizenden Anstößigkeit und einer Dame, die die Eitelkeit darstellt, mit einem Taschenspiegel und einem Frisierstab. Die Dekorationen der zwei Hauptsäle gehen wahrscheinlich auf die Jahre zurück, in denen das Schloss von Giovanni Castiglioni (gestorben 1443) und Maria Lampugnani, einer Tochter der Herren von Legnano, bewohnt war. Die Familienwappen der Lampugnani und der Castiglioni sind in fast allen Dekorationen verflochten dargestellt. Auf die gleiche Zeit

Lombardischer Maler: Dame mit Orgel, Mitte 15. Jahrhundert. Varese, Schloss in Masnago, Sala degli Svaghi

Turm des Schlosses in Masnago aus dem 15. Jahrhundert, Varese. Die Zinnen stammen aus dem 19. Jahrhundert. 163


Sala dei Vizi e delle Virtù. Varese, Schloss in Masnago

Lombardischer Maler: Geiz, Sparsamkeit und Verschwendung, Mitte 15. Jahrhundert. Varese, Schloss in Masnago, Sala dei Vizi e delle Virtù 164

datiert werden könnte auch die Dekoration des (östlich) angrenzenden Zimmers mit Kreismotiven (durchgehend geometrische Zeichnung, wie sie ab dem 14. Jahrhundert Mode war) und einer Nische, in der die Kreuzigung mit Heiligen dargestellt ist. Die Atmosphäre der anderen zwei Säle präsentiert sich mit einem ganz anderen Charakter. Der Saal im Nordosten hat dekorierte Flächen, wie sie zum Ende des 15. Jahrhunderts üblich waren. Über alle Wände des Raums zieht sich die Zeichnung eines seltsam anmutenden Säulengangs. Die Säulenschäfte werden von monströsen Masken unterbrochen. Der darüber dargestellte Fries zeigt Medaillons, die von weiteren Ungeheuern getragen werden und in denen Mitglieder der Dynastie sowie historische und mythologische Figuren dargestellt sind. Noch immer ungeklärt ist die Bedeutung der ikonografischen Themen im letzten Saal, die vermutlich aus den 1530er Jahren stammen. Die elegante Holzdecke aus dem

15. Jahrhundert ist mit Friesen und darin mysteriösen Bildern verziert. Die Themen sind teils religiöser und teils weltlicher Art. Bei der schlafenden nackten Frau könnte es sich um die von Theseus verlassene Arianna handeln. Die von heute nicht mehr lesbaren Inschriften gesäumten Embleme haben eine symbolische Bedeutung, die sich dem heutigen Besucher nicht mehr erschließt. In der Ortschaft, die sich zwischen dem Schloss und der Kirche erstreckt, gibt es noch diverse Spuren der Vergangenheit zu entdecken. Genau gegenüber der Pfarrkirche belegen die Grundmauern eines einst hohen Turms, dass die Stadtmauer bis hierher reichen musste und das große Areal säumte, auf dem sich die Häuser der Castiglioni aus Casciago befanden. An der Südseite ist das Schloss von einem englisch angelegten Park umgeben, der bis zu dem großen Tor aus dem 18. Jahrhundert mit den Löwen – den traditionellen Wappentieren der Dynastie Castiglioni – reicht.


VARESE, MASNAGO

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DER ORT CASTIGLIONE OLONA

SCHLOSS CASTIGLIONE OLONA GEMEINDE: Castiglione Olona (Varese) TYP: Burg DYNASTIEN: Castiglioni ERHALTUNGSZUSTAND: historische Überreste. Auf dem Gelände des Komplexes befinden sich die Stiftskirche und die Taufkapelle

Ansicht von Castiglione Olona, rechts die Stiftskirche

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Die Geschichte von Castiglione Olona ist von zahllosen Zerstörungen und Neuaufbauten geprägt. Der Anfang des Ortsnamens (der den Wortstamm von „Castello“ enthält) und die nahen Befestigungen aus der Spätkaiserzeit in Torba e Castelseprio lassen darauf schließen, dass es in Castiglione ein Castrum gegeben haben muss, das in das römische Befestigungssystem zur Überwachung des Olona-Tals und der sich hier schneidenden Verbindungsstraßen zwischen Como und Novara sowie Mailand und den Alpen integriert war. Erstmalig dokumentiert ist die

Burg allerdings erst aus dem 11. Jahrhundert. Im Zuge der Konflikte zwischen den Torriani und den Visconti im 13. Jahrhundert wurde sie mehrfach zerstört und wieder aufgebaut sowie dann ab 1423 auf Initiative der Castiglioni, unter der Leitung von Kardinal Branda, neu errichtet. Ab diesem Zeitpunkt und mit dem Bau der Stiftskirche wurde die Burg außerdem zum religiösen Zentrum der Ortschaft. Die Burg und die Pfarreien der Stiftskirche wurden von einem Konsortium der adligen Castiglioni geführt, die im Rahmen von Versammlungen gemeinsam den Burgherren und die Kaplane wählten und, ebenfalls gemeinsam, die Kosten für die Restaurierung der Burg trugen. Nach dem Tod des Herzogs Filippo Maria Visconti (1447) traten einige Castiglioni für die Gründung der Repubblica Ambrosiana ein und ihr Schloss im Seprio wurde besetzt und von Filippo Maria Visconti, Graf von Albizzate und Partisam von Francesco Sforza (14501466) teilweise zerstört. Nach der Flucht von Ludovico „Il Moro“ (1480-1499) und dem Einzug der Franzosen in Mailand (1499) verbündeten sich fast alle Mitglie-


CASTIGLIONE OLONA

der der Dynastie Castiglioni mit den Franzosen. Im darauf folgenden Jahrzehnt geriet die Burg mehrfach in das Kreuzfeuer der Scharmützel zwischen Schweizer Söldnern und den Truppen des Königs von Frankreich. Auch für die Bewohner von Castiglione waren die Plünderungen von 1510 eine besonders harte Zeit. Nach der Thronübernahme durch Massimiliano Sforza (1512-1515) wurden die bekanntesten Mitglieder der Familie Castiglioni zu Rebellen erklärt und enteignet. Im Jahr 1513 befahl der Herzog dem Senator Giovanni Battista Pusterla, den Ort und die Burg komplett zu zerstören, aber es gelang den Castiglioni, sich auf der Straße zwischen Varese und Bizzozero mit dem mit der Plünderung beauftragten Heerführer gegen Zahlung eines beachtlichen Geldberags zu einigen, dass nur die Burg aber nicht der Ort zerstört werden sollte. Auf diese Weise konnten die Paläste und Kirchen der Familie gerettet werden. Die verbleibenden Überreste der Burg wurden im Jahr 1522 von Francesco II Sforza (15211535) dem Erdboden gleichgemacht und bei dessen Rückkehr viele Mitglieder der Familie Castiglioni erneut verurteilt und enteignet. Die Ruinen der Wiege der Dynastie Castiglioni sind auf dem Felsvorsprung über dem Olona-Tal sichtbar. Der Mauergürtel musste fast viereckig verlaufen und an drei Seiten war die Hauptverteidigung auf natürliche Weise durch den rund 20 Meter hohen Steilhang zum Fluss gegeben. Historischen Quellen zufolge gab es massive Türme, die die Silhouette des Komplexes über dem darunter liegenden Tal noch höher erscheinen ließen. Von der Burg selbst ist lediglich das Eingangsportal erhalten. Es befindet sich an der steilen Straße, die vom Ort hinauf führt, und wurde einst von einer Zugbrücke über einen Graben geschützt, der heute zugeschüttet ist. Möglicherweise sind der Turm neben der Sakristei der Kirche, der Glockenturm und der Bau, in den die Taufkapelle integriert ist, Überreste der antiken Befestigungstürme der Burg. Bei

dem Besuch der Burg von Castiglione sollten also auf jeden Fall auch die Stiftskirche und die Taufkapelle besichtigt werden, die sich in der Vergangenheit innerhalb des befestigten Burggeländes befunden haben. Die Kirche Santi Stefano e Lorenzo wurde zwischen 1421 und 1428 als Ersatz für eine alte, dem Heiligen Petrus geweihte Kirche errichtet. Die Architekten waren Alberto, Giovanni und Pietro Solari, Söhne des Architekten des Mailänder Doms, Marco da Carona. Die Dekorationen stammen aus einer Zeit nach 1431. Die Taufkapelle ist mit 1435 datiert und innerhalb dieser kurzen Zeitspanne müssen auch die Dekorationen der Stiftskirche stammen. Die Altäre der Kirche sind nicht mit bemalten Tafeln sondern mit Steintafeln in leuchtenden Farben dekoriert, die von Meistern aus Carona geschaffen wurden. Unter einem Bogen links vom Hauptaltar ist das von den gleichen Künstlern realisierte Grabmal des Kardinals Branda (um 1443) integriert.

Masolino da Panicale, Engel, Detail aus Die Taufe Christi, 1435. Castiglione Olona, Taufkapelle

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Fassade des Schlosses von Monteruzzo, Castiglione Olona

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Auch die Spuren weiterer Grabmäler von Mitgliedern der Familie Castiglioni sind zahlreich. Die Fresken stammen von dem reifen Masolino da Panicale (Florenz), der die Halbkuppel der Apsis mit Geschichten der Jungfrau dekorierte, und den jungen Malern Lorenzo di Pietro, genannt Vecchietta (Siena), und Paolo Schiavo (aus Florenz, möglicherweise slawischer Abstammung) mit den Geschichten der Heiligen Stephanus und Lorenz. An der im Verhältnis zur Kirche entgegengesetzten Seite der Burg (zwischen den beiden Bauten befand sich wahrscheinlich ein Kreuzgang, um den sich die Häuser der Kanoniker reihten) erhebt sich die Taufkapelle mit zwei kleinen Räumen, an deren Gewölben Geschichten von Johannes dem Täufer von Masolino zu sehen sind. Diese Fresken sind ohne Zweifel ein Meisterwerk der italienischen Renaissance. Ebenso wie bei den Malereien in der Stiftskirche scheinen sich die toskanischen Künstler, obwohl sie ihre eigenen Stilelemente nicht vernachlässigen, hier geschickt von den noch gotisch-höfischen Elementen des Mailänder Stils inspirieren zu lassen, der die Kunst in der Lombardei dra-

stisch verändern und erneuern sollte. Bei der Besichtigung von Castiglione Olona fällt auf, wie der Ort zwischen der Anhöhe der Burg und dem Hügel Monteruzzo eingezwängt ist. Auch auf dem Monteruzzo befindet sich heute ein Schlossbau, allerdings eine „Fälschung“ aus dem 17. Jahrhundert. Der Palast der Castiglioni di Monteruzzo dominiert mit seinen emporragenden Türmen den Ort von Süden. In der Vergangenheit waren alle Häuser der Ortschaft, die sich am Fuß des Schlosses befanden, Eigentum von Mitgliedern der Familie Castiglioni. Für die bedeutenderen Vertreter der Dynastie waren es Zweitresidenzen, Alternativen zu den Palästen in Mailand, aber dennoch als greifbarer Beweis für die eigenen Wurzeln und die Kontrolle über das Territorium eifersüchtig gehütet. Erst im 17. Jahrhundert gingen einige dieser Patrizierhäuser an andere Adelsfamilien wie die Clerici, Magenta oder Piccinelli über, Familien, die zu dieser Zeit zwischen Mailand und Seprio an Macht gewannen. An allen Ecken der gewundenen, steilen Straßen sieht man im Überfluss Tafeln und Wappen mit dem aufgerichteten Löwen und


CASTIGLIONE OLONA

der Burg, dem Emblem der Familie. Unterhalb des Palastes Monteruzzo befindet sich das „Corte del Doro“, ein ehemaliges Haus der Castiglioni, das heute der Gemeinde gehört und in dem das Museum für Kunst aus Kunststoff MAP (Museo di Arte Plastica) untergebracht ist. Das MAP ist das erste Museum Italiens, das sich ausschließlich Kustwerken aus Plastik widmet und, gemeinsam mit dem großen Industriegebiet im Tal nördlich der Burg, ein wichtiges Zeugnis der jüngsten Entwicklung von Castiglione Olona. Aber auch zwischen den Kunstwerken aus Plastik lebt die Atmosphäre der Herzogsschlösser hier mit den Dekorationen im Hof und in den Räumen wieder auf. Sanftmütige Häslein springen zwischen grünen Bäumen, verfolgt von dem aufmerksamen Blick großer Reiher, all dies verflochten mit komplexen geometrischen Dekorationen und architek-

tonischen Attrappen als Rahmen in leuchtenden Farben. Am Platz, der sich an der Kreuzug der antiken Dorfstraßen bildet, erhebt sich der Palast des Kardinals Branda, der im 15. Jahrhundert alternativ zur Burg zum Zentrum der Ortschaft wurde. Der Palast des Kardinals besteht aus zwei Gebäuden, einem aus dem 14. Jahrhundert mit Blick zum Innenhof und einem aus dem 15. Jahrhundert an der Straße. Die zwei Gebäude sind durch einen Bau mit einer eleganten Loggia verbunden, in dem sich die kleine Kapelle San Martino befindet. An der Fassade zur Straße sieht man noch Spuren der antiken Fenster mit Terrakotta-Rahmen und eine schöne Marmortür mit dem herzoglichen Emblem, überragt von dem unverzichtbaren Familienwappen der Castiglioni. Der Bau war in der heute sichtbaren Form bereits im Jahr 1431 vollendet, während die Deko-

Der Kardinal Branda Meister aus Carona: Sarkophag des Kardinals Branda, nach 1443, Detail. Castiglione Olona, Stiftskirche

Branda Castiglioni (Mailand, 1350 – Castiglione Olona, 1443) war der erstgeborene Sohn von Maffiolo und Lucrezia der Grafen Porro. Er studierte kanonisches Recht in Pavia und wurde schon bald darauf an der oleiche Universität Dozent für das Fach. Im Jahr 1389 wurde er von Gian Galeazzo Visconti zum päpstlichen Haus gesandt, wo er seine Karriere fortsetzen konnte. Er wurde Auditor der Römischen Rota, Apostolischer Protonotar, Bischof von Piacenza (1404), Kardinale (1411) sowie Apostolischer Legat für Deutschland, Ungarn und

Böhmen. Außerdem beteiligte er sich als führender Delegierter am Konzil von Konstanz (1414-1418) sowie am Konzil von Basel/Ferrara/Florenz (1431-1445). Dank seiner persönlichen Freundschaft mit Kaiser Sigismund von Luxemburg wurde Branda Castiglioni zum Grafen der ungarischen Region Veszprém ernannt. Neben dem Engagement für den Ausbau seines Heimatortes ließ er auch die Kirche San Clemente in Rom dekorieren sowie in Mailand einen Palast für seine Neffen errichten (heute Palazzo Cagnola in der Via Cusani). In Castiglione Olona gründete er eine Grammatikschule, deren erster Lehrer der Mähre Johannes von Olmütz war. Von Olmütz schrieb auch eine lobpreisende Biografie des Kardinals, die 1935 im Grab des Prälaten in Castiglione entdeckt wurde. Nach seiner Rückkehr von dem Konzil in Florenz zog sich Branda nach Castiglione zurück, wo er 1443 im Alter von 93 Jahren starb.

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Landszenen, Mitte 15. Jahrhundert. Castiglione Olona, Corte del Doro, Saal im Obergeschoss

rationen im Inneren wahrscheinlich zwischen 1435 und 1438, also während einer Zeit geschaffen wurden, in der sich der Kardinal hier permanent aufhielt, zwischen einer Sitzung des Baseler Konzils bis zur nächsten. Besonders faszinierend sind die Dekorationen der Privatgemächer. An den Wänden der Kapelle, der Loggia, dem PuttenZimmer (Camera dei Putti) und dem Landschafts-Zimmer (Camera del Paesaggio) sind Dekorationszyklen erhalten, die die höfische Atmosphäre des 15. Jahrhunderts wieder aufleben lassen. In der Kapelle San Martino, die von Vecchietta aus Siena in der zweiten Hälfte der 1430er Jahre dekoriert wurde, ziehen in sanften Pastellfarben mit schillernden Übergängen zwischen Rosa, Violett und Grün an beiden Seiten der zentralen Kreuzigung heilige Jungfrauen und Beichtvater in einer Prozession dahin (die Fresken wurden erst im Jahr 1982 wiederentdeckt). Ursprünglich wurden die Dekorationen mit Elementen aus vergoldetem und emailliertem Metall weiter aufgewertet, die den Eindruck von Glanz und Kostbarkeit in diesem Raum noch steigerten. An der Loggia im oberen 170

Bereich, deren Ästhetik durch die später hinzugefügte Treppe gestört wird, zeigt wahrscheinlich die moralistische Personifizierung der Tugenden und Laster in antiken Heldinnen und Helden. Das wie zufällig unter der gemalten architektonischen Struktur eingefügte, schöne Stillleben verdient zweifellos einen Augenblick der Bewunderung. Auch die Dekoration im Putten-Zimmer scheint mit erzieherischen Absichten erdacht zu sein. Hier sieht man nackte Kinder, die zwischen dicht belaubten Bäumen vor einem roten Hintergrund (ursprünglich möglicherweise ein leuchtendes Lasurit-Blau) zu spielen scheinen, aber Schriftrollen und Inschriften verraten, dass es sich hierbei nicht nur um harmlose Spiele, sondern moralische Belehrungen handelt: Jede Geste der Putten könnte ein tugendhaftes Verhalten ausdrücken. Im angrenzenden Zimmer erstreckt sich eine schöne, aber unvollendete „ideale Landschaft“, vermutlich von Masolino. Zwischen rosafarbenen Felsen und malvengrünen Wiesen erheben sich Phantasiestädte und Schlösser mit Türmen unwahrscheinlicher Architektur, natürlich gerahmt von eleganten Friesen und den unverzichtbaren


CASTIGLIONE OLONA

Familienwappen der Castiglioni, abwechselnd mit jenen der Terzaghi, der Pusterla und anderen Verwandten. Gegenüber dem Kardinalspalast befindet sich der sogenannte „Palazzo die Familiari“ (Palast der Verwandten), der wahrscheinlich die Residenz einiger Neffen von Branda war. Die Überreste des schönen Portals vermitteln mit den sich abwechselnden Motiven – Kaiserportraits und Helmschmuck – die Atmosphäre des Übergangs vom ausklingenden Mittelalter zur Renaissance. Ebenfalls am zentralen Platz der Ortschaft, dort, wo die Straße zu der antiken Burg beginnt, erhebt sich am Standort einer älteren Kapelle die sogenannte Kirche Di Villa, die dem Leib Christi und den vier Kirchenlehrern geweiht ist (1437 im Bau und mit Gewissheit 1444 fertiggestellt). Der möglicherweise in Anlehnung an das Heilige Grab als Zentralbau realisierte Gottestempel ist das einzige Gebäude der lombardischen Ortschaft, dessen Stil an

den der Toskana erinnert, bei dem das Spiel der Hell-Dunkel-Kontraste der architektonischen Strukturen und getünchten Wände jedoch nicht mit Pietra Serena sondern mit lokalem Naturstein aus den nahen Steinbrüchen in Malnate und Saltrio realisiert ist. Auch alle anderen Elemente wie die Verarbeitung des Steins und der Terrakotta weisen auf die Handschrift einheimischer Meister hin. Der von korinthischen Lisenen geprägte Würfel, überragt von einer runden Vierungskuppel mit Loggia belegt, wie gut informiert die kleine Dynastie der Castiglioni über innovative Stilelemente war. Im Inneren befindet sich das beeindruckende Grabmal des Juristen Guido Castiglioni, eines Großneffen des Kardinals Branda, der 1485 in Alexandrien gestorben war. Das Grabmonument wurde dem verstorbenen von dessen Witwe Margherita Feruffini gewidmet und könnte seinem Stil nach dem Atelier Amadeo zugeschrieben werden.

Die Castiglioni und die antiken Römer Masolino da Panicale: Ansicht von Rom, 1435, Detail. Castiglione Olona, Taufkapelle

In der Taufkapelle von Castiglione Olona ist eine berühmte Ansicht von Rom aus der Vorgelperspektive dargestellt. Die Ruinen der Urbs Aeterna haben, ebenso wie die Menschen der Renaissance im Allgemeinen wahrscheinlich auch viele Castiglioni fasziniert. Die Freske soll möglicherweise an die Kardinalswürde des Branda erinnern, vor allem aber an die Leidenschaft des Prälaten und seiner Familie für die Antike. Den Grundstein für diese Leidenschaft legte möglicherweise Ciriaco D’Anco-

na, einer der bedeutendsten Forscher der klassischen Antike des beginnenden 15. Jahrhunderts. Sicher ist, dass der Wissenschaftler im Jahr 1443 anlässlich des Todes von Branda in Castiglione zu Gast war. Da sich die Castiglioni ihre Leidenschaft für Relikte aus der Antike mit Humanisten in ganz Europa teilten, sammelten sie auf ihren Territorien und in den Wäldern des Seprio römische Opfersteine, Stelen und Grabsteine und stellten sie in ihren Häusern in Castglione und ihren Palästen in Mailand wie in Museen aus. Ein Verwandter des Kardinals wurde wegen seiner großen Sammlung antiker Statuen, Epigraphen und Medaillen sogar „der Römer“ genannt. Diese Sammlungen sind leider nicht mehr vorhanden, im Hof des Palastes von Branda sind jedoch noch einige Opfer- und Grabsteine erhalten. 171


DAS SCHLOSS IN VENEGONO SUPERIORE

GEMEINDE: Venegono Superiore (Varese) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Pusterla, Castiglioni, Saglier, Collini, Broggi ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Sitz des Istituto Missioni Africane di Daniele Comboni

Luftansicht des Schlosses in Venegono Superiore

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Die erste Erwähnung des Schlosses von Venegono geht auf das 11. Jahrhundert zurück. Ab 1316 begannen die Pusterla (die bereits seit Mitte des 13. Jahrhunderts in Tradate niedergelassen waren), Güter in Venegono zu erwerben und wurden vermutlich auch die Eigentümer des Schlosses. Die Ausweitung des Einflussbereichs der Pusterla auf das Herrschaftsgebiet der Castiglioni führte zum Konkurrenz-

kampf zwischen den beiden Familien und verschärfte auch deren bereits bestehenden Konflikt in Mailand. Im Jahr 1409 fassten die Pusterla Ubertino Castiglioni, hielten ihn erst im Schloss von Venegono und dann in Monza gefangen und ließen ihn letztendlich gegen Zahlung eines beachtlichen Kopfgeldes und die Abtretung einiger Besitztümer der Castiglioni wieder frei. Die Situation schlug jedoch um, nachdem sich Giovanni Pusterla an der Verschwörung gegen den jungen Herzog Giovanni Maria (1402-1412) beteiligt hatte, der 1412 in der Kirche San Gottardo in Corte ermordet worden war. Der neue Herzog Filippo Maria (1412-1447), Bruder des Getöteten, beschlagnahmte daraufhin einen Großteil der Beitztümer der Pusterla. Im Jahr 1425 wurde das Schloss von Venegono Superiore von den vier Neffen des Kardinals Branda auf dessen Fürsprache erworben.


VENEGONO SUPERIORE

Wahrscheinlich kauften die Castiglioni in dieser Zeit auch das kleine Schloss (Castelletto) und die Besitztümer in Venegono Inferiore, um die sie sich jedoch dann bis zum 17. Jahrhundert weiter mit den Pusterla stritten. Am 2. Januar 1454 ernannte Kaiser Friedrich III von Habsburg Francesco Castiglioni (einen der vier Neffen des Kardinals Branda) zum Grafen von Venegono Superiore. In den folgenden Jahren bis zum Ende des Jahrhunderts kauften die Castiglioni weiter Güter der Pusterla in Venegono auf. Nach dem Tod des ersten Grafen (1478) wurde das Schloss zwischen dessen drei Kindern aufgeteilt. Während der ersten 10 Jahre des 16. Jahrhunderts waren das Territorium und das Schloss von Venegono den Streifzügen und Plünderungen durch Schweizer Truppen ausgesetzt. Nach der Rückkehr der Sforza (1512) wurden die meisten Castiglioni zu Rebellen erklärt und enteignet, aber Venegono Superiore verblieb in den Händen der Dynastie. Zwischen den Mauern der Burg von Venegono wurde auch der Rachezug der Castiglioni gegen die Pusterla geplant: Am 25. Juli 1515 ermordete Fioramonte Castiglioni (Neffe des Grafen Francesco) unter Mithilfe einiger Verwandter grausam jene Pusterla, die die beschlagnahmten Güter in Venegono Inferiore besetzt und sich an der Zerstörung der Burg in Castiglione Olona beteiligt hatten. Bis zum Jahr 1703 blieb das Schloss Eigentum verschiedener Familienzweige der Grafen von Venegono. Anschließend verkauften einige Castiglioni ihre Anteile an den Abenteurer und Maler Giovanni Saglier, einen Freund der Borromeo auf der Suche nach Adelung. So wechselten nach und nach verschiedene Teile des Komplexes die Eigentümer und zwischen 1921 und 1926 wurde das Schloss von den Comboni-Missionaren aufgekauft und in ein Noviziat des Ordens verwandelt. Das Schloss auf dem Hügel, von dem

aus der Ort und die umliegenden Ländereien von Vedano bis nach Binago und Venegono Inferiore kontrolliert werden konnten, hat auch heute noch fast seine ursprüngliche rechteckige Form. Sein heutiges Aussehen ist das Ergebnis von Restaurierungen im neugotischen Stil, die zum Ende des 19. Jahrhunderts von Broggi sowie von den Comboni-Missionaren nach 1921 durchgeführt wurden. Obwohl diese Restaurierungen dazu beigetragen haben, das vage burgähnliche Aussehen zu erhalten, wurde die Ästhetik der mittelalterlichen Bausubstanz doch erheblich beeinträchtigt, insbesondere am Nordflügel, wo die zwei ursprünglichen massiven Ecktürme in einen modernen Bau integriert wurden und nun nicht mehr sichtbar sind. Die Hauptgebäude waren an der

Wappenn der Castiglioni und Wappenmotiv von Francesco Castiglioni, Mitte 15. Jahrhundert. Venegono Superiore, Schloss, Außenansicht des Westflügels

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1520: Hexenjagd in Venegono

In der zweit zwischen März und Juni des Jahres 1520 wurden einige Frauen aus Venegono Superiore von einem Kunsthandwerker aus Monza der Hexerei angeklagt. Im Rahmen des im Schloss geführten Prozesses, an dem sich auch der Graf Fioramonte Castiglioni beteiligte, wurden die vermeintlichen Hexen außerdem beschuldigt, eines der Kinder des Grafen ermordet zu haben. Nach monatelangen

weiteren Prozessen und Folterungen „gestanden“ einige der Frauen und begannen, sich gegenseitig verschiedener Straftaten zu anzuklagen. Andere hingegen erklärten weiterhin ihre Unschuld. Alle an der Angelegenheit beteiligten Männer wurden freigesprochen und sieben der Frauen wurden zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und auf dem Hügel Monte Rosso gegenüber dem Schloss verbrannt.

Seite des Protokolls der Verhöre im Rahmen des Hexenprozesses von Venegono Superiore, 1520. Mailand, Archivio di Stato

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VENEGONO SUPERIORE

Nordseite des Vierecks in Hufeisenform angeordnet, während der große Hof an der Südseite wahrscheinlich nur mit einer einfachen Mauer abschloss (wie in Jerago). Das Schloss war von einem Graben umgeben und der Haupteingang befand sich in der Mitte des Westflügels. Über dem Portal erhob sich ein Turm, der einst mit zwei Steinskulpturen von Heiligen dekoriert war und sich heute in der restaurierten Form aus dem 19. Jahrhundert zeigt. Am Nordflügel gab es weitere zwei Türme und noch eine turmähnliche am Kopf des Ostflügels, dort, wo heute der neugotische Turm zu sehen ist. Der große Innenhof war zum Teil von einem Bogengang gesäumt und auch im 15. Jahrhundert gab es bereits eine Außentreppe, die zum Obergeschoss hinauf führte. Im Westflügel wurden interessante Spuren von Fresken aus dem 15. Jahrhundert entdeckt, die eine Vorstellung von der ursprünglichen Dekoration vermitteln. Neben den üblichen Wappen mit dem aufgerichteten Löwen und der Burg, kombiniert mit den Buchstaben FA (möglicherweise die Initialen des ersten Grafen Francesco) und anderen Wappenmotiven ist die hochinteressante Darstellung eines Philosophen oder Juristen erhalten. Die schöne einfarbige Freske (die einen Mann mit Bart und Kapuze in verschiedenen ockertönen darstellt) könnte Teil eines Zyklus mythologischer oder allegorischer Figuren gewesen sein, wie sie auch in anderen Schlössern und Palästen der Castiglioni zu finden sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass an die Wände rund um den Schlosshof eine Prozession berühmter Männer gemalt war, ähnlich dem viel gerühmten Freskenzyklus der Heldinnen und Helden von Masolino da Panicale (ein den Castiglioni gut bekannter Maler) im Palazzo Orsini di Monte Giordano in Rom. Das Buch, das der Mann in der linken Hand hält und auf das er mit der Rechten zeigt, erinnert vor allem an die

umfangreiche Bibliothek, die die Castiglioni im Schloss von Venegono – zumindest bis zu den Plünderungen zu Beginn des 16. Jahrhunderts – besaßen und die Werke in italienischer, lateinischer, französischer und hebräischer Sprache enthielt. Obwohl das Schloss in keiner direkten Beziehung zum Ort steht, sind die ersten Häuser am Fuß des Hügels über die Kirche Santa Maria Assunta mit dem Komplex verbunden. Die Kirche wird auch Alla Fontana genannt und wurde am Standort eines früheren Gottestempels mit dem Namen Santa Maria in Castro errichtet. In der kleinen Kirche sind einige Fresken aus der Mitte des 16. Jahrhunderts sowie Portraits der Auftraggeber Giovanni Battista Castiglioni und Ippolita Figini erhalten.

Philosoph oder Jurist, Mitte 15. Jahrhundert. Venegono Superiore, Schloss, Westflügel

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DAS SCHLOSS PUSTERLA MELZI

GEMEINDE: Tradate (Varese) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Pusterla, Melzi ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Sitz des Istituto Barbara Melzi delle Figlie della Carità Canossiane

Fassade des Zentrums der Canossianerinnen (Istituto Barbara Melzi delle Figlie della Carità Canossiane)

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Die Präsenz der Mailänder Adelsfamilie Pusterla in Tradate ist seit dem 13. Jahrhundert dokumentiert. Im Jahr 1221 bekleidete ein gewisser Obizzo Pusterla das Amt des Hauptmanns vom Seprio, was das Prestige belegt, das die Dynastie im nördlichen Umland von Mailand zu dieser Zeit bereits anhäufte. Das Schloss von Tradate wurde von den Pusterla gegen Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut, oder besser, wieder aufgebaut. Die Kirche Santa Maria di Castello wurde Erzbischof von Mailand, Guglielmo Pusterla (1361-1370) gegründet, der sich lange am päpstlichen Hof von Avignon aufgehalten hatte und ein Gegner der Visconti war. Innerhalb dieser Kirche weihte Tommaso Pusterla, Bischof von Brescia (1397-1399), eine kleine Kapelle, die (gemeinsam mit der Mailänder Kirche

San Sebastiano im Viertel Porta Ticinese) viele Jahrhunderte lang den religiösen Treffpunkt der Familie darstellte. Das Verhältnis der Pusterla zur Macht der Visconti war oftmals recht stürmisch. Im Jahr 1341 zettelte Francesco Pusterla eine Verschwörung gegen Luchino Visconti an, an der sich einige seiner Verwandten, aber auch andere Mailänder Adlige beteiligten. 70 Jahre später (1412) beteiligte sich ein Pusterla in vorderster Front an der Ermordung des jungen Herzogs Giovanni Maria Visconti. Diese Ereignisse zeugen von dem Prestige und der Macht dieser Dynastie, die sich in der Position befand, sich an die Spitze von Mailänder Adligen zu stellen und diese gegen die Herren Visconti zu führen. Aufgrund ihrer Beteiligung an diesen Verschwörungen wurden die bedeutendsten Familienzweige (oftmals physisch) sprichwörtlich ausgelöscht und sie verloren einen Großteil ihres Grundbesitzes, der regelmäßig beschlagnahmt wurde. Diese politischen Situationen wechselten sich mit den jahrelangen Konflikten ab, die auf lokaler Ebene mit den adligen Castiglioni ausgetragen wurden. Die zwei Familien stritten sich mehrere Jahrhunderte lang um die Kontrolle über das Olona-Tal zwischen Venegono Superiore und Tradate. Noch während des gesamten 15. Jahrhunderts waren die Pusterla jedoch in der Lage, ihre Beziehungen zu den Herzögen der Dynastie Sforza fast auf gleicher Ebene zu pflegen. Der mächtige Pietro Pusterla (Großneffe des Erzbischofs von Mailand) führte die Partei der Gibelliner und beeinflusste nach dem Mord an Galeazzo Maria (1476) massiv die Politik des Herzogtums, indem er die Herzöge zwang, den ersten Sekretär Cicco Simonetta seines Amtes zu entheben und zu enthaupten. Von Baldassarre, einem Sohn von Pietro, stammten die Herren von Frugarolo, Casalnoceto und Abbiategrasso ab. Dies war der adligste und bedeutendste Familienzweig bis zum 18. Jahrhundert. Im 17. Jahrhundert gelang es dem unternehmungslustigen Fabrizio Luigi Pusterla des Familienzweiges aus Tradate, mit Hilfe jahrelanger Erbschaftsklagen, die schon fast


TRADATE

an Betrug grenzten, den adligen Herren aus Mailand die begehrten Güter in Tradate sowie die Patronatsrechte auf die Schlosskirche Santa Maria abzuringen. Zum Ende des 18. Jahrhunderts heiratete die letzte Erbin von Fabrizio einen Melzi und so ging das Schloss in das Eigentum jener Familie über. Barbara Melzi (18251898), die letzte Erbin ihrer Familie, gründete im Schloss von Tradate ein Zentrum für Canossianerinnen. Das Schloss erhebt sich auf dem Hügel von Tradate über der unterhalb liegenden Ortschaft und dem Olona-Tal. Der Blick schweift von hier ungehindert bis zur Bergkette des Monte Rosa. Der Bau wirkt wie ein mächtiger Palast aus dem 17. Jahrhundert und von seinem ursprünglichen Aussehen im Mittelalter und der Renaissance verbleiben keinerlei Spuren. Auch ist es schwierig zu rekonstruieren, wie die Originalfestung aufgebaut war, allerdings dürfte sie von jener der nahen Burg in Venegono Superiore nicht wesentlich abgewichen sein. Der einzige erhaltene Überrest aus dem Mittelalter ist die Kirche Santa Maria in Castello. Sie wurde auf Initiative von Barbara Melzi stark umgebaut und mit neugotischen Elementen ausgestattet, aber im Inneren ist der kostbare Marmorsarkophag von Tommaso Pusterla erhalten, der von Meistern der Campionesischen Schule geschaffen wurde und heute als Altarbild genutzt wird. Dieses Grabmal ist ein bedeutendes Zeugnis für das Prestige, das die Dynastie im 14. Jahrhundert erlangt hatte. Aber auch die Innendekorationen des Schlosses in seiner heutigen Form sollten nicht vernachlässigt werden. Die in den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts geschaffenen Dekorationen zeugen möglicherweise von dem Wunsch nach der vollständigen Legitimation des Familienzweiges der Pusterla von Tradate gegenüber jenem von Frugarolo. In dem großen Salon im Obergeschoss sowie in einigen angrenzenden Zimmern ließen die Pusterla einen fast einheitlichen Zyklus zur Lobpreisung der Dynastie realisieren. In gemalten Nischen sind 28 Vorfahren dargestellt, die

unter den bedeutendsten aus der Zeit vom 12. bis 16. Jahrhundert sorgfältig ausgewählt wurden. Zusätzlich gibt es zwei heldenhafte Reiterfiguren, zum Gedenken an die Kreuzfahrer der Familie. In einem separaten Zimmer wird der Ruhm der Prälaten aus dem Hause Pusterla zelebriert. Der Zyklus ist wahrscheinlich ein Werk der Maler Salvatore und Francesco Maria Bianchi da Velate sowie Federico Bianchi aus Varese. Ebenso wie in Castiglione Olona war das Schloss einst in einen Kontext aus Familienvillen eingebettet. Die antiken Wohnhäuser im Zentrum von Tradate, die sich vom Schloss bis zur Pfarrkirche aneinanderreihen, zeugen mit den Wappen der Dynastie von den antiken Besitztümern der verschiedenen Familienmitglieder. Die Wohnhäuser wechselten sich mit den Kreuzgängen von Klöstern ab, die von Familienmitgliedern gegründet worden waren und in denen sich die Grabmäler der lokalen Adligen befinden. Auf dem gesamten Ausläufer des Schlosshügels standen Familienresidenzen, möglicherweise Umbauten von ehemaligen Aussichtstürmen oder befestigten Teilen der Burg. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts und zum Teil im darauf folgenden waren die Pusterla aus Frugarolo Eigentümer des Palastes Monteoliveto (nördlich des Schlosses, heute bekannt als Villa Citterio), den man sich wie ein prunkvolles Landhaus im Renaissance-Stil vorstellen muss. In diesem Palast gab es auch eine kleine Kunstsammlung des Ritters Giovanni Battista Pusterla, der in der Kirche Santa Maria del Monte oberhalb von Varese bestattet ist. Auch die Villa Sopranzi Stroppa (südlich des Schlosses, heute Istituto Lodovico Pavoni) war in der Vergangenheit vermutlich eine Residenz der Pusterla. Der burgähnliche Charakter im neugotischen Stil wurde ihr von dem Architekten Giuseppe Jappelli aus Venedig verliehen. Von dem einst wunderschönen Park mit gotisch anmutenden Gewächshäusern und Pavillons mit mittelalterlich wirkenden Türmchen ist leider nur sehr wenig erhalten. 177



SCHLOSSRUNDGANG 8

Schlosslandschaft „in Bewegung“ Zwischen den Flüssen Ticino und Agogna in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts NOVARA GALLIATE CALTIGNAGA FONTANETO D’AGOGNA DIVIGNANO OLEGGIO

Die Gründung der Stadt Mailand, aus Manipulus florum seu Historia Mediolanensis ab origine urbis ad a. circiter 1333 von Galvano Fiamma, vor dem 14. Jahrhundert. Mailand, Biblioteca Nazionale Braidense

Keineswegs zufällig wird die Gegend um Novara auch „Land der Schlösser“ genannt. Die Schlösser, Türme und Festungen verschiedener Art, mal eingebettet zwischen Äckern und Reisfeldern, mal innerhalb größerer Ortschaften sowie verschieden gut erhalten, sind in dieser Gegend besonders zahlreich. Und noch zahlreicher sind jene, von denen man heute lediglich weiß, dass es sie einst gegeben hat. Zeitdokumenten zufolge war die gesamte Umgebung von Novara ab dem zentralen Mittelalter von Schlössern geradezu übersät. Jeder Ort, selbst der kleinste, hatte sein eigenes Castrum. Diesbezüglich sehr informativ ist die dem Werk „Andar per Castelli“ beigefügte Karte. Dieses Buch enthält die bis zum heutigen Tag gründlichste Studie über die Schlösser von Novara. In „Da Novara tutto intorno“ von Giancarlo Andenna hingegen wird versucht, alle Schlösser, die es in dieser Gegend gegeben hat, visuell darzustellen und dies ergibt eine äußerst dicht bedruckte Karte, auf der nur wenig Freiraum bleibt. Wer sich also mit den Schlössern in der heutigen Provinz Novara „konfrontieren“ möchte, mag sich in gewisser Hinsicht einem ewigen Element dieser Landschaft gegenübersehen, einer Art zeitloser Konstante. Dabei würde jedoch ein falscher Eindruck entstehen. Denn hinter der Kontinuität, mit der die Präsenz von Schlössern an einem bestimmten Ort dokumentiert ist, verbergen sich oftmals umfassende Änderungen der Bausubstanz. Und auch wenn die Bauten bereits seit Jahrhunderten bestehen, haben sie doch oft auch ihre Funktion mehrfach geändert. Abgesehen von ihrer zweifelsfrei langen Kontinuität ist die Schlosslandschaft in Novara, ebenso wie viele andere, seit jeher „in Bewegung“. Hierfür ganz besonders bezeichnend ist die große Veränderung in Novara, wie auch in anderen Gebieten des Herzogtums Mailand, die das Panorama der Schlösser in der Zeit der Sforza, gegen Mitte des 15. Jahrhunderts prägte. Wo es noch keine gab, wurden neue Festungen gebaut. Viele andere entstanden auf den Ruinen älterer Bauten, mit völlig neuen Formen und Funktionen. Diese Veränderungen nach 1450 wählen wir in diesem Kapitel als Leitfaden für unsere Schlössertour westlich von Novara, in dem Gebiet zwischen dem Ticino und der Agnona. Die Hauptdarsteller der Szene sind, selbstverständlich, die Herzöge. Hierfür bezeichnend sind beispielsweise die Bauwerke der 1470er Jahre in Galliate oder die Umbauten an der Festung, von der aus die Stadt Novara bewacht wurde. Neben den Herzögen gab es aber auch noch andere Persönlichkeiten, die aktiv an der Erneuerung und dem Wandel der lokalen Schlosslandschaft beteiligt waren. Allen voran die Adelsdynastien, aus Novara, wie die Caccia, aber auch aus anderen Gegenden, wie die Visconti und die Borromeo. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts veranlassten Mitglieder dieser Adelsfamilien ganz neue Bauten oder umfassende Umbauten antiker Komplexe, unter anderem mit dem Ziel, in traditionell von der Familie kontrollierten Gebieten mehrere Festungen 179


SCHLOSSLANDSCHAFT „IN BEWEGUNG“

gleichzeitig zu errichten. So bauten die Caccia beispielsweise innerhalb weniger Jahre in dem Gebiet zwischen Caltignaga, Proh, Castellazzo und Mandello ganze vier Schlösser fast neu. Das Ergebnis dieser eifrigen Bautätigkeit führte nicht selten zur Ausübung eines Einflusses, der bestimmte Grenzen überschritt, bzw. die Herausbildung kleiner Adelsherrschaften, gegen die auch die Autorität der Herzöge nur wenig ausrichten konnte. Nachdem der adlige Filippo Maria Visconti ein neues großes Schloss in Fontaneto hatte errichten lassen, wählte er es zu einer seiner Lieblingsresidenzen, als optimalen Unterschlupf für seine Jagdausflüge im Tal des Ticino. Filippo Maria, der zu den bedeutendsten Persönlichkeiten des Mailands der Sforza zählte, machte seine Burg in Fontaneto aber auch zum Zentrum eines „Privatbereichs“, in dem jede Einflussnahme praktisch unmöglich war, und sei es die der herzoglichen Funktionäre oder des Herzogs selbst. Als Filippo den Auftrag bekam, den Schwarzhandel in der Umgebung von Novara zu unterbinden, stellte er sich, anstatt sie zu jagen, an die Spitze der Schmuggler und verwandelte das Schloss in einen komfortablen Zufluchtsort, wo – wie Herzog Ludovico „Il Moro“ beklagte – „jenen, die sich des Betruges schuldig machen, Gunst und Hilfe zuteil“ wurde. Die Herzöge und die großen Adelsfamilien spielten hier zweifellos die wichtigste Rolle, aber auch andere Persönlichkeiten sind an dieser Stelle eine Erwähnung wert. Die großen Gemeinden in den ländlichen Gebieten setzten auch eigene Projekte um: Die geschah zum Beispiel in Oleggio, wo die Bewohner in den 1450er Jahren von Francesco Sforza (1450-1466) die Genehmigung erhielten, eine massive Befestigung zur Verteidigung des Ortes zu errichten, von der auch heute noch Überreste zu sehen sind. Dieses keineswegs selbstverständliche und in anderen Teilen des Herzogtums nur wenig übliche Engagement lässt erkennen, wie falsch eine einheitliche Betrachtung der Veränderungen nach 1450 wäre, die die Schlosslandschaft um Novara geprägt haben und die auf ganz unterschiedliche Ziele und Initiatoren zurückzuführen sind. Ohne Zweifel ist jedoch in der Gesamtperspektive erkennbar, welche Veränderungen die politischen Strukturen des Herzogtums Mailand nach dem Aufstieg von FranBlick auf das Schloss in Proh, Briona

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SCHLOSSRUNDGANG 8

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SCHLOSSLANDSCHAFT „IN BEWEGUNG“

cesco Sforza erfuhren. Francesco war stark, dank seiner Waffen und einer strategischen Heirat (mit Bianca Maria, der Tochter des letzten Herzogs Visconti), und musste sich doch mit nicht wenigen Konkurrenten auseinandersetzen. Und so gelang es ihm nur mit Mühe und dank systematischer Absprachen mit den wichtigsten politischen Persönlichkeiten des Staates, seine Macht aufzubauen. Die Schlüsselrolle für die Macht des Herzogtums spielten vor allem die Städte. Aber auch größere Ortschaften, wie eben Oleggio, die anstelle der traditionellen Privilegien einer Stadt Schutz wollten, waren von Bedeutung. So wurde Adligen wie Filippo Maria Visconti (Herr der Burg in Fontaneo) oder den Caccia – die dem Herzog Sforza sowohl bei der Eroberung von Novara als auch bei der Einnahme des Schlosses von Pavia von großem Nutzen gewesen waren – später gestattet, das Schloss in Caltignaga zu errichten. Aufgrund dieser Anerkennung seiner Regierung sozusagen „von unten“ war Francesco Sforza gezwungen, in einem völlig neuen Umfang Autonomie zu gewähren, oftmals auch Personen, die dieses Privileg zuvor nur begrenzt genossen hatten. Festungen wie jene in Fontaneto, Oleggio, Caltignaga oder Divignano waren in der Zeit der Sforza somit das greifbare Zeichen eines neuen Gleichgewichts zwischen den Herzögen und ihren Untergebenen. Sie wurden zum Symbol einer Macht, die gezwungen war, sich in gewisser Hinsicht auf einen Handel einzulassen. Unsere Entdeckungsreise durch die Schlosslandschaft westlich von Novara hilft uns somit auch, die Entwicklung der institutionellen Struktur des Herzogtums besser zu verstehen. In diesem Kontext darf natürlich auch die Stimme der Herzöge selbst nicht vernachlässigt werden. Diese Stimme hören wir, wie bereits erwähnt, insbesondere in den Schlössern von Novara und Galliate, die keineswegs zufällig vor allem in den Herrschaftsjahren von Galeazzo Maria (1466-1476) und Ludovico Sforza (1480-1499), den Söhnen von Francesco, massiv umgestaltet wurden. Denn in diesen Jahren wurde im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen besonders intensiv versucht, der Figur des Herzogs seine autonome Autorität zurückzugeben. Nach der Besichtigung dieser beiden Festungen geht es auf der Fernstraße 229 weiter zu den Herrschaftsburgen der Caccia in Caltignaga und der Visconti in Fontaneto. Ein weiteres Muss auf dieser Strecke ist die Kirche Santissima Trinità in Momo. Und all jenen, die Zeit haben und noch mehr Festungen der Familie Caccia besichtigen möchten, empfehlen wir kurze Abstecher zu den Schlössern in Proh und Castellazzo, die außerhalb unseres Rundgangs liegen, aber zu den am besten erhaltenen Bauten in der Provinz Novara zählen. Fährt man von Fontaneto über die eindrucksvollen Nebenstraßen zuerst in Richtung Cressa und dann nach Bogogno, Agrate und Conturbia, gelangt man schließlich zu der anderen Herrschaftsresidenz in Divignano an der Südgrenze des antiken „Staates Borromeo“. Von hier geht es über die Fernstraße 32 zurück nach Novara, wo Sie auf dem Weg die Überreste der von der Gemeinde errichteten Stadtmauer in Oleggio betrachten können. 182

Giovanni Ambrogio De’ Predis (zugeschrieben): Ludovico Maria Sforza, aus Codice Trivulziano 2167, um 1496-1499. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana


SCHLOSSRUNDGANG 8

Die Kirche Santissima Trinità in Momo Die Umgebung von Novara ist nicht nur ein „Land der Schlösser“, sondern auch ein Land der Pfarrkirchen, Taufkirchen, Oratorien und Landkapellen, oft dekoriert mit antiken und sehr antiken Fresken. Innerhalb unseres Rundgangs sollten Sie zum Beispiel keineswegs versäumen, die romanische Pfarrkirche San Michele in Oleggio zu besichtigen. Eine weitere Option, ebenfalls innerhalb unseres Schlossrundgangs, ist die Santissima Trinità in Momo. Diese Kirche befindet sich an der Fernstraße 229, kurz hinter der Ortsausfahrt

von Momo in nördlicher Richtung. Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert, aber ihr kostbarstes Merkmal sind die im Inneren erhaltenen Fresken vom Ende des 15. Jahrhunderts. Der Malereizyklus wurde wahrscheinlich von Francesco und Giovanni Cagnola geschaffen, die für eins der aktivsten lokalen Ateliers im 15. Jahrhundert tätig waren, und bedeckt einen Großteil der Innenwände. Die Motive sind unter anderen eine Dreifaltigkeit an der Apsis, dreißig Szenen aus dem Leben Christi und ein großes Jüngstes Gericht.

Francesco und Giovanni Cagnola (?): Das Jüngste Gericht, Ende 15. Jahrhundert. Momo, Santissima Trinità

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DAS SCHLOSS DER VISCONTI-SFORZA IN NOVARA

GEMEINDE: Novara TYP: Burg DYNASTIEN: Della Torre, Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, zukünftiges Museum und Ausstellungsort

Das Schloss erhebt sich am südöstlichen Rand des ältesten Ortskerns, an einer Ecke der ehemaligen Befestigungsmauer, die Novara in der römischen Antike und im Mittelalter umgab. Diese Festung, die weniger Kontroll- und eher Verteidigungszwecken diente, steht in einem engen Zusammenhang mit den stadtexternen Herrschaften über Novara, zuerst den einstigen Herren von Mailand, Della Torre, die sich zu Beginn des 13. Jahrhunderts auch Novara angeeignet hatten. Nachforschungen des Historikers und Experten für die Ostfront des Schlosses in Novara

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Sforza-Ära Bernardino Corio zufolge hatte Francesco Della Torre im Jahr 1272 den Bau einer Festung veranlasst, und zwar am Ort eines Palastes der Familie Tettoni, die in der Stadt zu seinen mächtigsten Rivalen zählte. Kurze Zeit darauf wurden die Della Torre aus der Stadt vertrieben und das Schloss wird in den Zeitdokumenten erst wieder erwähnt, als Novara erneut unter Fremdherrschaft fiel, nämlich die des Herren von Mailand Matteo Visconti (12871302, 1311-1322), der im Jahr 1290 auch Herr von Novara wurde. Auch in diesem Fall war dem Bau allerdings eine nur kurze Blütezeit beschieden. Nach dem vorübergehenden Untergang des Nachkommens der Visconti und im Zuge schwerer Konflikte zwischen den rivalisierenden Fraktionen wurde der Komplex von den Guelfen aus Brusati und Cavallazzi abgerissen – „explanato“ (eingeebnet), wie es in Originaldokumenten hieß. Und auch nach der erneuten Machtübernahme (1322) der gegnerischen Gibelliner („Pars


NOVARA Nordwestecke des Schlosskomplexes von Novara vor der Restaurierung

Rotunda“) unter der Führung der Tornielli kam es noch nicht zum Wiederaufbau. Vielmehr konzentrierte sich die Regierung darauf, innerhalb des Stadtgefüges ein sprichwörtliches „Gibellinisches Viertel“ zu errichten. Hierzu wurde ein weiträumiger Teil der Stadt befestigt und für die Männer der Pars Rotunda reserviert. Anhänger des feindlichen Lagers durften dort nicht wohnen und auch nicht zu Gast sein. Wer nicht zur Fraktion der Gibelliner gehörte und in diesem Stadtteil Häuser besaß, wurde per Statut gezwungen, diese zu verkaufen und die Schlüssel aller Zugangstore wurden den befehlsführenden Tornielli übergeben. Im Jahr 1332 geriet Novara unter die Kontrolle der Visconti und erst in dieser Zeit wurde das zerstörte Schloss wieder neu gegründet. Wie sich der Berichterstatter Pietro Azario erinnert, zeigte der neue Herrscher Giovanni Visconti (1339-1354) Interesse für den Standort der zerstörten Burg und ließ dort ein „wahrlich großartiges” Castrum errichten. Später wurde die Burg von dessen

Nachfolgern Galeazzo II (1354-1378) und Gian Galeazzo (1378-1402, Herzog ab 1395) zusätzlich befestigt. Letzterer veranlasste darüber hinaus den Bau einer neuen Stadtfestung, der sogenannten Cittadella (im südöstlichen Teil der Stadt). In der Zeit der Sforza, nach 1450, erhielt der Komplex das Aussehen, das er noch heute hat. Aus den Jahren unter Francesco Sforza sind Restaurierungsarbeiten dokumentiert, aber erst dessen Sohn, Herzog Galeazzo Maria, veranlasste die umfangreichsten Umbauten. Nachdem er den Abriss der Cittadella befohlen hatte, deren Nutzen er im Verhältnis zu ihren Erhaltungskosten für zu gering erachtete, konzentrierte Galeazzo Maria all seine Aufmerksamkeit auf das Schloss. Ab den ersten 1470er Jahren wurde der bereits bestehende Kern der Festung unter der Leitung von Bartolomeo Gadio und anderen bedeutenden Ingenieuren von einem massiven Mauergürtel mit Zinnen und einem breiten Graben umgeben. Ferner wurden vier Türme, jeweils einer an 185


jeder Ecke der Befestigungsmauer, errichtet, die fast 40 Ellen über dem Grund des Grabens aufragten. Über diese Türme berichtet Gadio in einem Brief an den herzoglichen Sekretär Cicco Simonetta im September 1476 und kündigt deren baldige Fertigstellung an. Ein weiterer Turm und ein Ravelin zum Schutz des Einganges wurden in den Jahren unter Ludovico „Il Moro“ errichtet und in der Moderne wurde der gesamte Komplex in eine neue Stadtmauer integriert, die an diesem Abschnitt später wieder abgetragen wurde und daher heute nicht mehr vorhanden ist. Bis zu den 1970er Jahren wurde das Schloss als Haftanstalt genutzt und erst in jüngster Vergangenheit wurden Restaurierungsarbeiten vorgenommen. Im Rahmen dieser zum Teil heftig umstrittenen Eingriffe wurde unter anderem der moderne Turm Gedenkinschrift für Galeazzo Maria Sforza, nach 1476. Novara, Schloss der ViscontiSforza

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über dem Eingang an der Piazza Martiri della Libertà (dort wo sich einst der Ravelin befand) erhöht und eine neue Fußgängerbrücke aus Holz an der Südseite des Grabens (Allea San Luca) realisiert. Die Befestigungsmauer aus der Zeit der Sforza ist zum Teil zerstört, vor allem die Ecktürme, die heute nicht von dem Komplex aufragen. Dennoch beeindruckt diese Festung auch heute noch, wenn man um sie herumgeht, insbesondere die Süd- und die Westseite, an die ein Park grenzt. Der früher für die Lagerung von Munition und die Stationierung von Knappen genutzte Innenhof wird derzeit restauriert, um die Bausubstanz zu erhalten. Nach Beendigung der Arbeiten soll hier ein Museums- und Ausstellungszentrum eingerichtet werden. Hier sind Gebäudeteile aus der Zeit der Visconti, aber auch noch ältere Spuren wie Überreste römischer Mauern erhalten.


NOVARA

Der Untergang der Sforza. Die Schlacht von Novara Schlacht der Ritter des Sforza gegen die Franzosen, aus El Fatto d’arme del duca di Milano contra del re de Franze, Mailand, um 1515. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana. Mit der Gefangennahme von Ludovico „Il Moro“ in Novara endete die Unabhängigkeit des Herzogtums Mailand und es folgte ein erbitterter Kampf um die Herrschaft zwischen Franzosen und Spaniern

In Novara erlitt die instabile Herrschaft der Sforza über das Herzogtum Mailand ihren ersten schweren Schlag. Im Jahr 1495 öffnete die gegen Ludovico „Il Moro“ rebellierende Stadt ihre Tore Ludwig von Orléans, einem Cousin des Königs von Frankreich Karl VIII und als Neffe der Tochter von Herzog Gian Galeazzo, Valentina Visconti, Anwärter auf die Mailänder Krone. Vier Monate später konnten die Sforza nach einer schweren Belagerung die Stadt zunächst zurückerobern. Nur kurze Zeit darauf kam es jedoch bereits zum letzten und entscheidenden Konflikt zwischen Orléans und Sforza. In den ersten Septembertagen des Jahres 1499 erfährt Ludovico „Il Moro“ von dem zweifachen Übergriff der Venezianer und Franzosen. Er verlässt Mailand, wo am 18. Oktober Ludwig von Orléans als König von Frankreich Ludwig XII seinen triumphalen Einzug hält. Allerdings vergingen nur wenige Monate (Februar 1500), bis Ludovico, unterstützt von den mit der ausländischen Regierung bereits unzufriedenen Mailändern, in die Stadt zurückkehren konnte. Mit Ausnahme des Mailänder Schlosses, das in französischer Hand verbleibt, kehrt die Hauptstadt unter seine Kontrolle zurück. Innerhalb weniger Wochen wurden die Mailän-

der Kirchen all ihrer Schätze beraubt und von dem Erlös verdingt Ludovico Schweizer Söldner. Nachdem er das Heer aufgestellt hatte, bereitete er sich in den ersten Apriltagen des Jahres 1500 auf die Schlacht mit den Franzosen vor. Aber am Tag des Konflikts zogen sich die Schweizer Truppen, auf die Sforza alles gesetzt hatte, unerwartet zurück. Dem Herzog blieb nichts als die Flucht, zuerst verkleidet als Franziskanermönch und dann als Schweizer Knecht (10. April). Dennoch wurde er von seinen Feinden erkannt und nach Frankreich verschleppt, wo er im Mai 1508 starb. Die meisten Mailänder Adligen, die Ludovico ins Feld gefolgt waren, wurden im Schloss von Novara gefangen gehalten und nur gegen enorme Kopfgelder frei gelassen. In der Zwischenzeit versuchte man in der Stadt, fast ohne Männer, der französischen Wut standzuhalten. Der Botschafter von Venedig schrieb hierzu: „wurden die Häuser der Visconti aller Art geplündert, von Franzosen wie Italienern im Schloss, die ohne jedes Hindernis in die Häuser eindrangen alles Gute und das Beste davontrugen. So trug es sich vor allem in den Palazzi der Crivelli und der Landriani zu und den Ehefrauen ward mehr Unehre angetan als allen anderen.“

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DAS SCHLOSS IN GALLIATE GEMEINDE: Galliate (Novara) TYP: Herzogsresidenz DYNASTIEN: Sforza, Trivulzio ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz der Stadtbibliothek, des Museums für zeitgenössische Kunst Angelo Bozzola und des Museums Sala Museo Achille Varzi

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Das Schloss von Galliate als groß zu bezeichnen, wäre mit Sicherheit keine elegante Beschreibung. Dennoch ist es wahrscheinlich gerade die Größe, mit der die Festung beeindruckt, wenn man sie von der Piazza Vittorio Veneto aus betrachtet. Dieser schöne Platz befindet sich im Stadtzentrum und seine gesamte Nordseite wird von einer Front der Festung eingenommen, die über 100 Meter lang ist. Aber auch die Größe des Ortes war bereits zu der Zeit, in der das Schloss erbaut wurde, beachtlich. Galliate liegt auf einer Anhöhe an der Straße zwischen Novara und Mailand, an einem wichtigen Transit-Punkt am Fluss Ticino und ist aus demografischer Sicht seit dem Mittelalter eins der bedeutendsten Zentren der Umgebung von Novara. Einerseits stand der Ort aufgrund seiner strategischen Position im Zentrum der Konflikte zwischen den zwei Städten, was mitunter zerstörerische Folgen hatte, andererseits bescherte die politisch ungewisse Position als „Grenzort“ der geschäftigen Gemeinde außergewöhnliche Privilegien sowohl auf steuerlicher als auch auf juristischer Ebene. Nicht zufällig zählte der Ort im Jahr 1448 zu den wenigen, denen es gelang, ihre Unterordnung auf autonome Weise mit dem zukünftigen Herzog Francesco Sforza auszuhandeln. Unter anderem forderte man zu diesem Anlass die komplette Trennung vom Steuerbezirk der Stadt Novara sowie die Garantie, nicht mehr belehnt zu werden (in diesem letzten Punkt gab Sforza allerdings ein Versprechen ab, die er dann nicht hielt, und nach einigen Jahren wurde Galliate Lehnsgut des Kondottiere Ugolino Crivelli). Der Bau des beeindruckenden Schlosses ist jedoch weder auf die Initiative der dynamischen Gemeinde noch auf die ihrer Feudalherren zurückzuführen. Nach dem Tod des Grafen Ugoli-


GALLIATE

no Crivelli (1469) wurde Galliate dann erst Lehnsgut von Battista da Montignana, eines Begünstigten des Herzogs, und später von Carlino da Varese. Zu Beginn des Jahres 1473 stand diese Gegend mit all ihren Erträgen jedoch bereits unter der direkten Kontrolle des Herzogs Galeazzo Maria. Dieser fand hier einen idealen Ausgangspunkt für seine herbstlichen Jagdausflüge am Ticino und kam, wie auch früher schon, zu diesem Zweck nach Galliate. Hieraus entstand das Bedürfnis, die bereits bestehenden Befestigungen am Ort des heutigen Schlosses – eines Komplexes aus dem 14. Jahrhundert, das einst den Erzbischöfen von Mailand gehörte und einer Stadtmauer der Gemeinde – auszubauen und eine neue, dem Herzog würdige Residenz zu errichten. Ab 1472-1473 wurde auf Wunsch von Galeazzo Maria zunächst ein neuer Kanal gelegt, der Wasser in den das Grundstück umgebenden Graben führte. Diese Arbeiten wurden auch in den Folgejahren fortgesetzt, mit einiger Mühe zwischen Ungewissheiten und Kontrasten mit den Bürgern von Novara. Aus dem Jahr 1476 hingegen stammen die ersten sicheren Informationen über die Bauarbeiten

an der neuen Residenz, für die einige der fähigsten, im Dienst des Herzogs stehenden Ingenieure hinzugezogen wurden. Über der alten Bausubstanz wurde der langgestreckte, viereckige Schutzwall errichtet, wie er zum größten Teil auch heute noch sichtbar ist, mit Ecktürmen und weiteren zwei Türmen zum Schutz der Zugänge an der Nord- und Südseite (Piazzia Vittorio Veneto). Innerhalb der Befestigung gab es ein heute nicht mehr erhaltenes Mittelgebäude mit den Küchen sowie zahlreichen Zimmern und Sälen, davon einem, der speziell für Ballspiele genutzt wurde („Gioco della Balla“). Noch wenige Tage vor seinem Tod interessierte sich Galeazzo Maria persönlich für den Fortschritt der Bauarbeiten. Er befahl, Querträger herauszureißen, neue Fenster zu öffnen, Decken höher zu ziehen und die Ritzen in der Tür zu seinem Gemach zu schließen, „damit man nicht in das Gemach des Herren schauen kann“, wie er selbst schrieb. Im Zuge einer umfangreichen Initiative zur Aufwertung des Ortes wurde auch der große Vorplatz der Festung auf Wunsch des Herzogs verändert. Die neue Pfarrkirche entstand und man plante die Gründung eines Fran-

Fassade des Schlosses von Galliate

Perspektive der Ecktürme und des Grabens, Schloss Galliate 189


Dem antiken Schloss im 19. Jahrhundert hinzugefügter Gebäudeteil, Galliate

Seitenfront des Schlosses mit Burggraben, Galliate 190

ziskanerklosters, dessen Mönche den spirituellen Bedürfnissen des Herzogs und seiner Höflinge Sorge tragen sollten. Der Tod von Galeazzo Maria, der am 26. Dezember 1476 vor der Mailänder Kirche Santo Stefano ermordet wurde, setzte diesem umfangreichen Programm jedoch ein Ende. Auch aus den Jahren unter Ludovico „Il Moro“ sind Bauarbeiten in der Umgebung des Schlosses dokumentiert. Dessen Lieblingsresidenz war aber, wie man weiß, Vigevano und so konzentrierte er auch all seine Aufmerksamkeit und Initiativen künstlerischer Art auf das dortige Schloss. Nach dem Sturz von Ludovico ging der Besitz als Lehnsgut an Gian Giacomo Trivulzio, anschließend, zwischen 1525 und 1532, an die Erben von Carlo Sforza, später an den Sohn von Ludovico, Giovanni Paolo Sforza und blieb schließlich bis zum Ende des 17. Jahrhunderts im Besitz von dessen Erben. Beschreibungen von 1646 und 1699 zufolge wurden im Verlauf der zwei

Jahrhunderte nach dem Tod von Ludovico „Il Moro“ zwei Ravelins zum Schutz der Zugänge sowie neue Gemächer an der Befestigungsmauer errichtet, insbesondere an der Südseite der Festung. Der in der Beschreibung von 1699 noch erwähnte mittlere Burgfried mit drei hohen Türmchen wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts abgerissen, während im vergangenen Jahrhundert auch die Ravelins und an der Westseite die äußere Befestigungsmauer das gleiche Schicksal ereilte. Was von dieser Außenmauer blieb, mit den Ecktürmen und den Haupttürmen an den Zugangstoren, ist der einzige noch sichtbare Teil der Residenz, die einst auf Wunsch von Galeazzo Maria entstand. Heute ist das Schloss zum Teil Privatbesitz und zum Teil Gemeindeeigentum und beherbergt die Stadtbibliothek, das Museum für zeitgenössische Kunst Angelo Bozzola sowie das Museum Sala Museo Achille Varzi, benannt nach dem berühmten Rennfahrer aus Galliate.


GALLIATE

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DAS SCHLOSS IN CALTIGNAGA

GEMEINDE: Caltignaga (Novara) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Caccia ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

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Ebenso wie in anderen Orten der Gegend um Novara entstand auch in Caltignaga der spätmittelalterliche Festungskomplex auf den Überresten eines bereits bestehenden Castrum. Er bestand aus einem größeren, von einer Mauer umgebenen Areal, das dicht mit Wohnhäusern bebaut war, wie man auch heute noch an der kompakten Anordnung der Gebäude erkennen kann. Und auf diese antike Befestigung, die bereits aus der Zeit um das Jahr 1000 dokumentiert ist, beziehen sich auch die Quellen aus dem 14. Jahrhundert, wobei die dort verwendete Bezeichnung „castellaccio“ (verwahrlostes Schloss) auf den Verfall des Verteidigungssystems schließen lässt. Auf dem Areal dieses „Schlosses“ befindet sich die aktuelle Burg, die von Mitgliedern der Adelsfamilie Caccia errichtet worden war. Die Caccia zählten zu den auf der politischen Szene von Novara aktivsten Dynastien und ihnen verdanken wir beispielsweise auch den Bau der nahen Festungen in Proh, Castellazzo und Mandello. Sie beteiligten sich aktiv an jener intensiven Initiative des Burg- und Schlossbaus, der in der Umgebung von Novara nach der Machtübernahme von Francesco Sforza, ab 1450 Herzog von Mailand, zu beobachten war. Im Fall von Caltignaga ist die Verbindung zwischen der von Schwierigkeiten geprägten Etablierung des Herzogs und der Entwicklung der Burg ganz besonders offensichtlich. Der Bau des Komplexes steht nämlich in einem engen Zusammenhang mit den Aktivitäten des Sforza-Anhängers Giacomo Caccia, der gemeinsam mit seinem Bruder Azzone Burgherr im Schloss von Pavia war und sich von Anfang an mit den Sforza verbündet hatte. Dieser gewährte Caccia die Kontrolle der wichtigen Festung in Pavia und ließ ihn für sich arbeiten, um ihm die Eroberung der Stadt Novara zu erleichtern. 1449 erhielten die Erben des in der Zwischenzeit verstorbenen Giacomo Caccia für die Bemühungen des Vaters als Belohnung


CALTIGNAGA

Caltignaga und die umliegenden Ländereien als Lehnsgut, mit dem zusätzlichen Privileg vollständiger Steuerimmunität. Und sofort nach dieser Übergabe begannen die neuen Feudalherren mit dem Bau der Burg. Im Jahr 1497 wurde die mittlerweile fertiggestellte Festung jedoch beschlagnahmt, da die Enkel von Giacomo Caccia im Konflikt mit Ludovico „Il Moro“ standen und sich mit den Franzosen verbündet hatten. Allerdings gelang es den zwei von Ludovico vertriebenen Enkeln von Giacomo, genannt Obicino „Il Bianco“ und Obicino „Il Nero“, bereits wenige Jahre später das Lehnsgut erneut zurückzuerobern. Nach dem Sturz von Ludovico durch den König von Frankreich Ludwig XII und dessen Machtübernahme als neuer Herr von Mailand konnten sie ihre Treue den Franzosen gegenüber geltend machen und erhielten so ihre Güter, unter anderem auch die Festung in Caltignaga, zurück. Im Jahr 1524 wurde sie dann von französischen Truppen in Brand gesetzt, als Rache für den Verrat der Caccia, die sich in der Folgezeit erneut mit den Sforza und Kaiseranhängern verbündet hatten. Dem Besucher, der das Schloss von Caltignaga aus der Nähe der Pfarrkirche San Salvatore an der Piazza XXV Aprile betrachtet, präsentiert es sich heute wie eine große Villa mit einem eleganten Vorgarten. Biegt man von der Via Marconi nach rechts in die Via Volta ein und geht dann die Via Castello entlang, zeigt die Burg jedoch ein ganz anderes, weniger freundliches Gesicht. Auf diesem Weg erreicht man den Westteil des Komplexes, wo die ursprünglichen Formen der Festung aus dem 15. und 16. Jahrhundert noch deutlich erkennbar sind. An der gewundenen Straße reihen sich dicht Gebäude aneinander. Die unmittelbare Umgebung der Burg ist so dicht mit teilweise verlassenen Wohn- und Bauernhäusern bebaut, dass diese den Komplex mitunter fast verbergen. Obwohl es sich hierbei größtenteils um neuere Bauten handelt, lässt ihre Prä-

senz doch auf den Kontext schließen, in dem ab Mitte des 15. Jahrhunderts die Festung erbaut wurde. In jenen Jahren wurde die verfallene Burg wiederaufgebaut und auch der Umbau des Innenhofes und der nebenliegenden Säle geht auf diese Zeit zurück. Besonders bemerkenswert ist die Ostfassade des Komplexes, geschützt von einem Graben und mit einem Mittelturm zur Verteidigung des Zugangs. In der jüngst verstärkten Burgmauer öffnen sich zwei große einbogige Fenster mit Terrakotta-Fassungen. Direkt über dem Eingangsportal hingegen ist das Familienwappen der Dynastie Caccia zu sehen, begleitet von der Inschrift FORTITUDINIS NOSTRAE CALTINIAGAE.

Giovanni De Campo und Atelier: Der Heilige Secundus, zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Caltignaga, San Salvatore

Westfront des Schlosses in Caltignaga mit dem Eingangsturm 193


DAS SCHLOSS IN FONTANETO

GEMEINDE: Fontaneto d’Agogna (Novara) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Eingang zum Palazzo Nuovo. Fontaneto d’Agogna, Schloss

Schloss von Fontaneto, 1636, Detail der sogenannten „Mappa Dulio“ 194

Das Schloss von Fontaneto befindet sich in der Nähe des Flusses Agogna, gleich nördlich des Rathauses und der Pfarrkirche Santa Maria, und ist heute im Vergleich zu seiner ursprünglichen Form wesentlich kleiner. Bis zur Hälfte des 17. Jahrhunderts wirkte es wie eine strenge Burg mit Türmen. In einem Zeitdokument heißt es: „wahrhaftig weit und stark ist sein Gemäuer, das für lange Zeit jedem Heere trotzet“. Die Ecken der Festung schlossen mit runden Türmen ab und entlang der Mauern floss ein Graben „mit fließendem Wasser wegen der vielen Quellen“. Zwei weitere, von einem Ravelin geschützte Türme erhoben sich an den Eingängen, heute an der Piazza Castello und der Piazza Annunciata. Erbaut wurde die beeindruckende Burg ab der zweiten Hälfte des 15.

Jahrhunderts von dem bedeutenden Familienzweig des Filippo Maria Visconti, der oberhalb von Mailand bereits Herr vieler Ländereien war und zu den wichtigsten Persönlichkeiten im Mailand der Sforza zählte (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Herzog). Am Standort des Visconti-Schlosses gab es in der Vergangenheit jedoch schon weitere Befestigungen. Hinter dem Kloster San Sebastiano, das zu Beginn des 10. Jahrhunderts von Visconte Gaiardo di Vercelli gegründet worden war, gab es bereits vor dem Jahr 1000 eine Festung, die in Zeitdokumenten „Castrum“ genannt wurde. Rund um diesen ersten Kloster- und Burgkomplex entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten eine Ortschaft, die ihrerseits wahrscheinlich ebenfalls von einem Palisadenzaun umgeben war. Die Herren über das Dorf und Eigentümer der meisten Ländereien dieser Gegend waren wahrscheinlich bereits ab der Mitte des 11. Jahrhunderts die Mönche des Klosters Santi Felino e Gratiniano aus Arona. Unter deren Kontrolle blieb der Ort bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, anschließend übertrugen sie die Güter und Rechte auf Fontaneto an den Grafen Manfredo Barbavara, eine bedeutende Persönlichkeit der Entourage des Herzogs Gian Galeazzo Visconti. Vor dem Panorama der schwerwiegenden Umwälzungen, die das Herzogtum in den Jahren unmittelbar nach der Ermordung von Gian Galeazzo Visconti (1402) erschütterten, wurde die Herrschaft über Fontaneto zu einem Gegenstand heftiger Konflikte zwischen den Barbavara, dem Kloster Santi Felino e Gratiniano, der mächtigen Familie Tornielli aus Novara und dem Familienzweig von Filippo Maria Visconti, der sich letztendlich in den 1440er Jahren gegen seine Rivalen durchsetzen konnte. Die von Filippo Maria Visconti


FONTANETO D’AGOGNA

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Francesco und Giovanni Cagnola: Wappenfries, vor 1511, Detail. Fontaneto d’Agogna, Schloss, Palazzo Nuovo. Erkennbar die Wappen von Ludwig XII, König von Frankreich, und von Carlo D’Amboise

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eroberte Siedlung war jedoch von den Kämpfen in den vorangegangenen Jahren schwer gezeichnet. Noch 1450 wurde der Ort mit nur wenigen Einwohnern als „Festung mit 20 Feuern“ (weniger als 100 Einwohner) und ohne Verteidigungsapparat beschrieben: „Fontaneto hat keine Burg“, schrieb ein Funktionär aus Novara in jenem Jahr an Herzog Francesco Sforza. Filippo Maria wählte Fontaneto zu seiner bevorzugten Residenz und veranlasste umfangreiche Restaurierungsarbeiten, sodass auch zwei Jahrhunderte später noch sein Name hiermit in Verbindung gebracht wurde, als der Mann, „der dem Orte Fontaneto neues Leben einhauchte, welcher zuvor ganz zerstört und ohne Häuser war“. Das neue Schloss am Ort des alten Klo-

sters San Sebastiano, dessen Kirche in die Festung integriert worden war, musste im Jahr 1482, als Filippo Maria starb, bereits fertiggestellt gewesen sein. Originaldokumente aus dieser Zeit berichten sowohl von Gemächern im Wohnflügel als auch von Befestigungsbauten wie dem Graben und den Ravelins zum Schutz der Zugänge. Weniger Gewissheit besteht hinsichtlich der Datierung der Türme, die auf Bildern und in Beschreibungen aus späterer Zeit zu finden sind. Diese stammen möglicherweise aus der Zeit nach dem Tod von Filippo Maria und wurden auf Wunsch von dessen Witwe Maria Ghilini und seines Sohnes Giovanni Maria errichtet. Auf jeden Fall mussten sie im Jahr 1513 fertig gewesen sein. Mit Sicherheit auf Initiative von Maria Ghilini entsand der neue Wohnflügel an der Südostseite des Schlosses. Dieser Teil wird „Palazzo Nuovo“ genannt und ist mit den noch heute sichtbaren Friesen, die Maria Ghilini realisieren ließ, der aus künstlerischer Sicht bedeutendste Teil des Komplexes. Gleich nach dem Tod von Filippo Maria wurde das Schloss zwischen seinen Kindern aus erster und zweiter Ehe aufgeteilt. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Teilungen hinzu, jedoch ohne Einfluss auf das äußere Verteidigungssystem, das noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts die oben erwähnte, ursprüngliche Form aus dem 15. und 16. Jahrhundert hatte. Die großen Türme der Burg wurden 1639 gekürzt, um Kanonen aufstellen zu können und sechs Jahre später, 1645, auf Befehl des Gouverneurs von Mailand endgültig abgerissen. Gemeinsam mit ihnen wurden auch alle anderen Verteidigungsbauten entfernt. Die diesbezüglichen Sprengarbeiten wurden sehr nachlässig ausgeführt, sodass auch die Residenzbauten


FONTANETO D’AGOGNA

innerhalb des Mauerrings schwere Schäden davontrugen. Die Piazza Castello präsentiert sich heute somit sehr verschieden von der ursprünglichen aus der Zeit vor den Abrissarbeiten, als hier noch der Ravelin den Zugang schützte und sich noch ein weiterer, höherer Turm erhob, der auf dem Altarbild von Tanzio da Varello in der Pfarrkirche Santa Maria zu sehen ist. An der linken Seite des Platzes befindet sich die Kirche San Sebastiano mit ihrer Fassade aus dem 17. Jahrhundert, die auf der älteren (und wesentlich größeren) Klosterkirche errichtet wurde. Im Inneren sind sowohl im Schiff (der Heilige Bartholomäus) als auch an der Decke (Verkündigung, Der Heilige Blasius) Fresken aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Diese wurden möglicherweise von Cristoforo Moretti geschaffen, einem Maler, dessen Mailänder Haus sich genau gegenüber dem Stadtpalast des vermutlichen Auftraggebers Filippo Maria Visconti befand. Links

neben der Kirche gelangt man durch ein Portal in den Hof des „Palazzo Nuovo“ mit einem Fries aus den Anfängen des 16. Jahrhunderts, das im Auftrag von Maria Ghilini und deren Sohn Galeazzo Maria Visconti realisiert wurde. Zwischen Engeln, Füllhörnern und Akanthusranken sind hier 12 Wappen dargestellt, einige der Visconti und andere von Dynastien, die mit diesem Familienzweig in einem engen Verwandtschaftsverhältnis standen. In der Mitte legen die Wappen des Mailänder Gouverneurs Carlo d’Amboise und des Königs von Frankreich, Ludwig XII Zeugnis von der politischen Einstellung von Maria Ghilini und deren Sohn ab, die sich während der italienischen Kriege mit den Franzosen verbündeten. Bei einem Rundgang um das Schloss kann man entdecken, was von dem ursprünglichen Burggraben geblieben ist und den anderen antiken Zugang zur Festung erreichen, der sich an der heutigen Piazza Annunciata befindet. Hof des Palazzo Nuovo. Fontaneto d’Agogna, Schloss. Rechts die von Kragsteinen getragene Galerie

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DAS SCHLOSS IN DIVIGNANO

GEMEINDE: Divignano (Novara) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Borromeo ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz)

Das Schloss erhebt sich am zentralen Platz des Ortes, Piazza Matteotti, auf der Kuppe eines Hügels, der westlich in Richtung Conturbia und Agrate steil abfällt. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts stand die kleine Ortschaft unter direkter Kontrolle der Gemeinde Novara. Ab Beginn des 15. Jahrhunderts wurde Divignano dan zum Objekt des Interesses jener Adelsfamilien, die ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf die Gegenden im Süden des Lago Maggiore gerichtet hatten. Im Jahr 1413 wurde der Ort vom Mailänder Herzog Filippo Maria Visconti (1412-1447) erstmalig als Lehnsgut an die Herren von Castelletto und Sesto Calende, Lancillotto und Ermes Visconti übergeben, die ihren Einflussbereich in diesen Jahren auf viele Kommunen der Umgebung von Novara zwischen den Flüssen Ticino und Agogna ausweiteten. 1447 überließ Filippo Maria, der sich in der Zwischenzeit mit den zwei Visconti zerstritten hatte, Divignano du die umliegenden Ländereien dann jedoch seinem Schatzmeister Vitaliano Borromeo, wahrscheinlich, um einen Teil seiner erheblichen Schulden bei dem reichen Vitaliano zu tilgen. So wurden der Ort und das Schloss Teil des großen und kompakten Herrschaftsgebiets, das sich die Familie Borromeo in jenen 198


Jahrhunderts wurde das Schloss vergrößert und mit vier Türmen ausgestattet, jeweils einem an jeder Ecke des viereckigen Mauerrings, der zu jener Zeit an der zum Platz weisenden Seite vermutlich zusätzlich durch einen Burggraben geschützt war. Heute sind nur noch drei der Türme aus dem 15. Jahrhundert zu sehen, im Südwesten, im Nordwesten und im Nordosten (am Platz). Zwischen den zwei Letztgenannten, an der Via Buozzi, verläuft der einzige erhaltene Überrest des Gebäudes aus dem späten Mittelalter, massiv und dennoch elegant, mit den Silhouetten der Rauchabzüge und zahlreichen Spitzbogenfenstern mit Terrakottafassungen. Die anderen drei Seiten der ursprünglichen Festung wurden noch vor dem 18. Jahrhundert abgerissen. Heute sichtbar sind die Ergebnisse späterer Umbauten, mit denen der Komplex an eine Funktion als Residenz und Landgutshof angepasst wurde. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden der Innenhof und das Landhaus am Südwestturm umgebaut sowie ein Herrschaftsflügel mit Blick auf den Platz errichtet, der mit dem Nordostturm aus dem 15. Jahrhundert verbunden ist.

Giovanni da Vaprio (zugeschrieben): Kampf des Borromeo mit dem Einhorn, Detail einer Urkunde von Filippo Maria Visconti, 1445. Mailand, Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana

Ostturm des Schlosses in Divignano

Gebäudeflügel aus dem 18. Jahrhundert und Ostturm, Divignano 199

DIVIGNANO

Jahren rund um den Lago Maggiore aufbaute. Das Territorium der Dynastie erstreckte sich im Norden bis nach Canobbio und zum Tal Ossola und im Süden bis nach Divignano und dessen Umgebung, die vor allem aufgrund ihres Forstbestandes und ihrer fruchtbaren Böden von Interesse war. Möglich waren diese Initiativen der Borromeo, in diesem Fall wie auch bei anderen Gelegenheiten, dank der bereits bestehenden Interessen von Familienzweigen der Visconti. Aber ebenso wie im Fall von Arona, das wenige Jahre zuvor von einem Nebenzweig der Visconti an die Borromeo übergegangen war, spielte auch hier die entscheidende Rolle eine Heirat: die zwischen Franceschina Visconti, Tochter des früheren Herren von Divignano, Lancillotto, und Filippo Borromeo, dem Sohn von Vitaliano. Auf die Herrschaftsjahre von Filippo Borromeo (gestorben 1464) oder die seines Sohnes Giovanni könnte die Phase umfangreicher Umbauten an dem Burgkomplex von Divignano zurückgeführt werden, der noch in einem Dokument aus dem Jahr 1450 als „bescheiden“ („modicum“) definiert wurde. In der zweiten Hälfte des


DIE STADTMAUER VON OLEGGIO

GEMEINDE: Oleggio (Novara) TYP: Stadtmauer EIGENTUMER: Gemeinde Oleggio ERHALTUNGSZUSTAND: vereinzelt erhalten

Die antike mit Ziegelsteinen gebaute Stadtmauer von Oleggio, mit ihren großen Ecktürmen, Zinnen, Gusslöchern, Schießscharten und einem Wehrgang, umschloss einst die gesamte Ortschaft, den heutigen historischen Stadtkern. Es gab sechs Stadttore, von denen zwei erhalten sind: eins im Osten an der abfallenden Corte dei Mazzeri und eins im Süden in Richtung Novara, an der Via Pozzolo. An dem letztgenannten Stadttor ist auch der letzte erhaltene Abschnitt der antiken Stadtmauer zu sehen. Obwohl die Zinnen nicht mehr erhalten sind und die Mauer zum Teil von neueren Bauten bedeckt ist, erkennt

Ansicht der Stadtmauer von Oleggio

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man noch immer ihre beeindrukkende Größe, insbesondere an dem massiven Eckturm. Was die Befestigung von Oleggio unter denen der Umgebung von Novara bemerkenswert macht, ist weniger ihr heutiges Aussehen, sondern eher die Geschichte ihres Baus. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erbaut, entstand aber nicht wie die meisten anderen auf Initiative des Herzogs oder einer Adelsfamilie, sondern auf Wunsch der Lokalgemeinde, die zu den zahlreichsten der Umgebung von Novara zählte. Im späten Mittelalter wurde in Oleggio ein gut besuchter Wochenmarkt abgehalten und der lokale Hafen am Fluss Ticino, ebenfalls Eigentum der Gemeinde, zählte zu den bedeutendsten Umschlagplätzen an diesem Wasserweg. Im Jahr 1450 beschrieb ein Funktionär des Herzogs den Ort als „Befestigung mit 400 Feuern“. Dies entspricht knapp 2000 Bewohnern und kein


OLEGGIO

anderer Ort in der Umgebung von Novara schien zu jener Zeit eine ähnliche Einwohnerzahl zu haben. Die erste Information über die Initiative dieser aktiven Gemeinde, die teilweise noch heute sichtbare Stadtmauer zu errichten, stammt aus dem Jahr 1447, jener Zeit, in der Mailand unter republikanischer Regierung stand. Am 9. Oktober 1447 sprachen Vertreter der Gemeinde Oleggio bei den Funktionären der Repubblica Ambrosiana vor, um Antwort auf einige Forderungen bezüglich steuerlicher und juristischer Aspekte aber auch hinsichtlich der Möglichkeit zu erhalten, den Ort zu befestigen. Oleggio besaß zu dieser Zeit mit Gewissheit bereits ein Verteidigungssystem zum Schutz der gesamten Ansiedlung. Innerhalb dieser Umfriedung gab es in der Nähe der Pfarrkirche San Pietro ein antikes Castrum, eine Art befestigtes Stadtviertel, das bereits aus dem 10. Jahrhundert dokumentiert ist und größtenteils von der Adelsfamilie Boniperti bewohnt wurde. Das, was man nun bauen wollte, war allerdings von der bestehenden Befestigung grundverschieden: eine starke Bastion, mit der die gesamte Ortschaft in eine einzige große Festung verwandelt werden sollte. Das 1447 genehmigte Bauprojekt wurde auch von Francesco Sforza begrüßt, der 1455 den Bewohnern zur Belohnung für ihr Engagement beim Bau der Stadtmauer einige Steuern erließ. Dennoch war der Bau auch im Jahr 1473 noch nicht abgeschlossen. In jenem Jahr schrieben die Konsuln von Oleggio an die Herzogin „die Befestigung hat begonnen“ und wahrscheinlich wurde die Stadtmauer erst im folgenden Jahrzehnt fertiggestellt. Die Mauer wurde zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert fast vollständig zerstört und heute ist, wie bereits erwähnt, nur noch der Abschnitt an

der Porta Pozzolo erhalten. Betritt man den historischen Ortskern durch dieses Stadttor, kann man an der rechten Seite an diesem Mauerabschnitt bis zu dem Platz mit der Pfarrkirche San Pietro entlanggehen. An dem anderen schönen Platz auf der Kuppe des Hügels, dem einstigen Marktplatz, an dem sich heute das Rathaus befindet, erhebt sich der zweite Turm, der „Torre dei Bagliotti“ genannt wird. Der Turm, dessen ursprüngliche Funktion nicht geklärt ist, stammt aus dem 13. bis 14. Jahrhundert und hat heute einen Aufbau aus dem 18. Jahrhundert.

Aufstieg zur Porta Mazzeri, Oleggio

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SCHLOSSRUNDGANG 9

Briefe vom Schlachtfeld Das Ossola-Tal und Giornico VOGOGNA DOMODOSSOLA GIORNICO

Die Schlacht bei Giornico (28. Dezember 1478), aus Cronaca lucernese von Diebold Schilling dem Jüngeren, 1513. Luzern, Korporationsgemeinde der Stadt Luzern

Giornico ist ein Ort im Leventina-Tal. Er liegt einige Kilometer nördlich von Bellinzona und ist, nicht nur bei Historikern, wegen der Schlacht bekannt, die hier im Dezember 1478 zwischen den Reihen des Herzogs von Mailand und, in der Zahl erheblich unterlegen, den Talbewohnern und Schweizer Truppen ausgetragen wurde. Dennoch trugen Letztere den Sieg davon, den Sieg des David gegen Goliath, der von den Siegern und den Verlierern, sowie später von deren Nachkommen, jeweils gefeiert bzw. banalisiert wurde. Bis zum 19. und 20. Jahrhundert war diese Gegend Schauplatz von Konflikten zwischen „Helvetisten“ und Italien-Anhängern, inklusive Geschichtsschreibung aus der einen oder anderen Perspektive. In der heutigen Zeit haben sich die heftigsten Debatten gelegt und auch im Hinblick auf die objektive Rekonstruktion der historischen Tatsachen und deren Hintergründen wurden wichtige Schritte nach vorn gemacht. Dies nicht zuletzt dank der Veröffentlichung von Quellen mit Informationen über die Schlacht: Erste Veröffentlichungen gab es bereits Mitte des 20. Jahrhunderts und die jüngste ist ein Werk der Reihe Ticino ducale (aus diesem Werk stammen alle nachfolgenden Zitate) mit einer äußerst umfangreichen Dokumentation über die Schlacht, die in Mailänder Archiven verwahrt wird. Ebenso wie bei wesentlich weniger lange zurückliegenden Kriegen und Konflikten war auch für Giornico das, was man heute die „Informationsfront“ nennt, die wichtigste Quelle für die dortigen militärischen Aktionen und Ereignisse. In unserem spezifischen Mailänder Fall bedeutet dies, dass die beste Zeugin die „Papierschlacht“ war, dank der wir heute über mehrere Hundert Briefe über die Ereignisse und deren Kontext verfügen. Diese rege Korrespondenz wurde, wie man sich vorstellen kann, vor allem zwischen dem Sitz der Zentralregierung in Mailand und den Orten geführt, die von dem Vormarsch der Schweizer betroffen waren. Hier finden wir Besorgnis zum Ausdruck bringende Berichte über das Vorrücken des Feindes, Versprechen bezüglich der Aussendung von Verstärkung sowie Befehle bezüglich der Versorgung von Truppen oder Strategien für das Vorgehen gegen den Feind. Und neben dieser offiziellen Korrespondenz bestand aber auch ein kontinuierlicher Informationsaustausch zu vielen anderen Aspekten und nicht nur innerhalb des Herzogtums. Über Informationslücken in den Quellen kann also keineswegs geklagt werden. Eine ganz besonders genaue Rekonstruktion ermöglichten die Dokumente aus den zwei Monaten des Konflikts bis zum entscheidenden Moment der Schlacht bei Giornico. Dank dieser Quellen wissen wir, dass die ersten Meldungen bezüglich eines möglichen Angriffs durch die Schweiz, noch vage, was die Richtung (Ossola-Tal? Locarno? Bellinzona? Valtellina?) betraf, Anfang November des Jahres 1478 den Mailänder Hof erreichten. Dieser von Besorgnis geprägte Schriftverkehr stammt von herzoglichen Funktionären wie dem Verwalter von Bellinzona oder dem Hauptmann von Domodossola, Lehnsherren wie dem Grafen Pietro Rusca aus seinem Schloss in Locarno sowie „Alliierten“ wie dem Herren von Mesolcina, Graf Enrico Sacco. Aber in der Hauptstadt, wo die politische Situation bereits seit fast zwei Jahren von einer starken Instabilität geprägt war, reagierte man keineswegs schnell. Herzog Galeazzo Maria 203


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war am. 26 Dezember 1476 ermordet worden und die Thronfolge stand seinem Sohn Gian Galeazzo (14761494) zu, der noch ein Kind war. Die Zügel des Staates hielt zu dieser Zeit seine Witwe, Herzogin Bona, in der Hand, unterstützt von einem Regierungsrat unter der Führung des Sekretärs Cicco Simonetta, der über den maßgeblichen Teil der effektiven Regierungsmacht verfügte. In Opposition von Simonetta und seiner Übermacht agierten jedoch zahlreiche Mailänder Familien, aber auch die Brüder des verstorbenen Herzogs, allen voran Ludovico „Il Moro“ (1480-1499), der schon bald die Führung des Herzogtums übernehmen sollte. Nach vorherigen Streifzügen von Bewohnern des Leventina-Tals und inoffiziellen Volkskämpfern, die nicht unter der Kontrolle der Kantonsbehörden standen, drangen die regulären Schweizer Truppen gegen Ende November bis nach Bellinzona vor, das letztendlich als Ziel des Angriffs festgelegt worden war. Die gut bewaffneten und disziplinierten Schweizer Schwadronen konnten von den wenigen noch in Bellinzona gebliebenen Männern nicht aufgehalten werden. Die Stadt wurde belagert und Anfang Dezember eingenommen. Die Truppen der Konföderation drangen bis nach Lugano vor und in dem gesamten Gebiet zwischen Lago Maggiore, Varese und Como breitete sich Panik aus. Die Regierung in Mailand entschloss sich daraufhin endlich, ein großes Heer auszusenden, aber man brauchte Zeit. Die Mobilmachung so vieler Männer war langsam, sodass die Armee erst gegen Mitte Dezember an der Front eintraf. Sie kamen spät, waren aber bereit für eine Feldschlacht, die – wie der Verwalter von Bellinzona Carlo da Cremona schrieb – den Glanz einstiger Triumphe über die Schweizer wieder aufleben und „die Ehre und den Ruhm der italienischen Kampfkunst“ wiederherstellen sollte. Angesichts der mehreren Tausend im Süden eintreffenden Fußsoldaten und Kavalleristen zogen sich die Schweizer überraschend zurück. Zwischen dem 15. und dem 16. Dezember war die Belagerung von Bellinzona abgewehrt und die herzoglichen Truppen schienen völlig kampflos den Sieg davongetragen zu haben. Aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen (es hatte zu schneien begonnen) und der Schwierigkeit, sich auf unwegsamem Gelände zu bewegen, rieten die Kommandanten des Mailänder Heers zur Vorsicht. Sie forderten die Regierung auf, sich mit der Befreiung von Bellinzona zufriedenzugeben und von weiteren militärischen Aktionen abzusehen. Cicco Simonetta und die anderen Mitglieder des Regierungsrates in Mailand hatten jedoch ganz andere Pläne: Das für die Mobilisierung der Armee ausgegebene Geld sollte zumindest einen großen und effektiven Sieg einbringen. Außerdem hätte ein solch eindeutiger Sieg auch der Reputation des Regimes genutzt, sowohl in den Augen der Untertanen als auch jenen der anderen italienischen Mächte. Daher wurde der Befehl zum Angriff gegeben, unterstützt auch von der Bevölkerung Bellinzonas, die zum einen Rache wollte und zum anderen bezüglich der Stationierung „alliierter“ Truppen besorgt war, deren Präsenz Wirren und ein gestörtes Stadtleben voraussehen ließ. So drangen am Weihnachtstag 4500 Mailänder Soldaten in Richtung Leventina vor und innerhalb weniger Stunden verwandelte sich der vorher errungene Teilsieg in eine schwere Niederlage. Nur unter größten Schwierigkeiten erreichten die Truppen das ver204

Schweizer Söldner überwinden den Gotthardpass auf einer Spedition nach Italien, aus Cronaca lucernese von Diebold Schilling dem Jüngeren, 1513. Luzern, Korporationsgemeinde der Stadt Luzern


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schneite Tal und wurden dort von 200 oder 300 Männern der Leventina sowie einigen weiteren regulären Soldaten der Konföderation erwartet. Die Mailänder waren in der Zahl weit überlegen, aber es kam zu keinem offenen Konflikt. Die von den Hängen des engen Tals herabstürzenden Felsblöcke verursachten Panik in den vordersten Reihen der Mailänder Fußsoldaten. Das Chaos verwandelte sich in Flucht und die Flucht in ein Desaster. Viele Soldaten wurden von ihren Truppen getrennt und von Talbewohnern ermordet, viele weitere ertranken im Ticino. Am Ende zählte man in den herzoglichen Reihen über 800 Tote, eine sehr hohe Zahl im Verhältnis zum Standard bei Schlachten in dieser Zeit. Dieser kurzen Zusammenfassung der Fakten sei an dieser Stelle noch eine abschließende Betrachtung der letztendlichen Auswirkungen hinzugefügt: Bellinzona war nicht in Schweizer Hand gefallen (dies geschah etwa 20 Jahre später), aber es war das Ende der Regierung unter Simonetta, die, durch diese Ereignisse stark geschwächt, nur noch wenige Monate an der Macht blieb. Die über die Ereignisse in Giornico und deren Hintergründe erhaltenen Originaldokumente verraten aber noch viel mehr. Und einige dieser interessanten Informationen eignen sich hervorragend für die Zusammenstellung einer weiteren Rundfahrt zu den Festungen, die von den Ereignissen jener letzen Tage des Jahres 1478 zwischen dem Ossola-Tal, Locarno und Bellinzona am stärksten betroffen waren. Die erste Etappe der hier präsentierten Tour ist das Schloss von Vogogna im unteren Ossola-Tal, das über die Autobahn und die Fernstraße Sempione leicht erreicht werden kann. Zur Zeit der Schlacht bei Giornico lag diese Festung, die zu den weitläufigen Besitztümern der Familie Borromeo zählte, nicht an der „vordersten Linie“ der von den Schweizern angegriffenen (oder angreifbaren) Front. Vielmehr befand sie sich, ebenso wie alle Lehnsgüter der Borromeo, im unmittelbaren Hinterland der umkämpften Territorien, in jenem großen Gebiet nördlich von Mailand, aus dem Männer zur Verstärkung, Verpflegung und andere Unterstützung für die Truppen gesandt wurden. Im Hinblick auf die Ereignisse von 1478 spielte Vogogna somit vor allem eine Rolle, die aus „logistischer“ Sicht auch für eine Schlacht im 15. Jahrhundert von Bedeutung war. Diese Aufgabe ist umfassend belegt, von unzähligen Spuren und der verfügbaren DokumenApollonio Pessina: Große Felsblöcke, um 1937, Entwurf. Ligornetto, Casa Pessina

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Schweizer Truppen am Gotthardpass, aus Cronaca lucernese von Diebold Schilling dem Jüngeren, 1513. Luzern, Korporationsgemeinde der Stadt Luzern

tation des Schriftverkehrs zwischen Regierung, Funktionären und Lehnsherren hinsichtlich der Materialversorgung, ohne die jede militärische Aktion zum Scheitern verurteilt gewesen wäre. Diesbezüglich besonders wertvolle Quellen sind die Briefe, die zwischen November und Dezember an die Grafen Borromeo, an Vitaliano sowie an dessen Bruder Giovanni gesendet wurden. Darin wird mit Dringlichkeit aufgefordert, Schiffe für die Überfahrt der Soldaten über den Lago Maggiore zu stellen, den Transport von Proviant für die Truppen zu unterstützen sowie Mehl, Getreide und Streu zur Verfügung zu stellen. Und für eben diese Aktivitäten war Vogogna, gemeinsam mit dem weiteren großen Schloss der Borromeo in Arona, das Koordinierungszentrum. So forderte der Herzog am 22. November, infolge der alarmierenden Meldungen hinsichtlich möglicher feindlicher Offensiven, den Grafen Vitaliano Borromeo auf, sich in seine Festung am OssolaTal zu begeben und sich dort vorerst permanent niederzulassen, um die an die zu verteidigende Grenze gesendeten Soldaten mit allen verfügbaren Mitteln zu unterstützen. Von Vogogna geht es weiter auf der Fernstraße 33 in Richtung Norden nach Domodossola. Auf dem Weg empfiehlt sich ein Abstecher zu der Kirche San Bartolomeo in Villadossola, die zu den bedeutendsten romanischen Bauten in dieser Gegend zählt. Domodossola ist die größte Ansiedlung des Tals und im Jahr 1478 war der befestigte Ort einer der kritischsten Punkte der Front: Lange Zeit hielt man ihn für das potenzielle Angriffsziel, denn diese Gegend war „nicht hinreichend geschützt […] und an den Pässen gibt es keine Männer, die sie verteidigen könnten“ (wie der lokale Hauptmann schrieb). Dank des intensiven Schriftverkehrs zwischen Mailand und Domodossola können abgesehen von der Richtung des vermeintlichen Angriffs der Schweizer aber auch noch weitere Aspekte des Konflikts beleuchtet werden. Zum Beispiel das Gewicht, das einem möglichen „Verrat“ durch die Lokalbevölkerung beigemessen wurde. Dies barg nämlich die Gefahr, dass der Ort und das Tal noch vor einer möglichen Eroberung dem Feind in die Hände fielen, weil sich die Bewohner den Eindringlingen freiwillig ergeben. Von Schweizer Seite wurden sie nämlich ganz unverhohlen dazu aufgefordert, wie der Hauptmann Ambrogio Longhignana schrieb, der mit der Verteidigung des Ortes beauftragt worden war. Was man in dieser Hinsicht befürchtete, war aber nicht, dass das Tal unter Schweizer Herrschaft fallen könnte. Vielmehr hatte man Angst vor geheimen Abkommen mit dem Ziel, die Schweizer Truppen umzuleiten, also vor Bündnissen „unter der Hand“ zwischen den Talbewohnern und der Bevölkerung von Domodossola, die auf diese Weise hätten versuchen können, ihre eigene „Außenpolitik“ zu betreiben, angesichts der Tatsache, dass im Europa des 15. Jahrhunderts die Staatsgewalt keineswegs eindeutig definiert war. Um den 26. November ging zum Beispiel das Gerücht um, dass sich die Einwohner von Domodossola und jene des Tals mit den „Tartoncini“ (Schweizern) ein Abkommen getroffen hätten. Es hieß, die Einheimischen hätten, im Gegenzug für das 207


BRIEFE VOM SCHLACHTFELD

Versprechen der Schweizer, das Tal nicht anzugreifen, zugesichert, den herzoglichen Truppen die Alpenpässe zu versperren, falls sie beabsichtigten, auf diesem Weg gegen den Feind vorzudringen. Mit einer ähnlichen Versuchung sahen sich die Bewohner des nahen Lavizzara-Tals konfrontiert, die die Schweizer, ebenfalls gegen das Versprechen, ihr Tal von Angriffen zu verschonen, aufgefordert hatten, „den Truppen des Herzogs den Weg zu versperren“. Diese Männer erinnerte Graf Pietro Rusca jedoch daran, welcher Logik die Zugehörigkeit zu einem Staat folgt: In einem Brief schrieb er, solche Abkommen seien illegal, weil das Volk „Herren unterstand, deren Willen es sich zu fügen habe“. Das Schloss jenes Grafen in Locarno ist das Ziel unserer zweiten Etappe. Der Weg mit einer Teilstrecke durch die Alpen kann in etwas mehr als einer Stunde zurückgelegt werden. Folgen Sie also, nachdem Sie Domodossola verlassen haben, den Hinweisschildern nach Vigezzo und Locarno. Die Fernstraße 337 führt hinauf nach Santa Maria Maggiore und Craveggia hinauf, wo man die Fahrt unterbrechen kann, wenn man sich für die Tour 2 Tage Zeit lassen möchte. Von hier geht es weiter bis zur Schweizer Grenze und dahinter über die Panoramastraße Via delle Centovalli hinunter bis nach Locarno. Südöstlich des historischen Stadtkerns befindet sich das Schloss Rusca, das in den schweren Tagen der Schlacht bei Giornico Gefahr lief, von den nahen Bergen aus überfallen zu werden. Und von hier aus schrieb Graf Pietro in den Monaten November und Dezember ununterbrochen nach Mailand, mitunter „völlig verzweifelt“, wie aus einigen Quellen hervorgeht. Er bot Hilfe an und bat selbst um Hilfe, lieferte aber auch wichtige Informationen hinsichtlich der feindlichen Absichten. Von seiner Festung in Locarno, die auch das Zentrum eines großen, sich über die umliegenden Täler erstreckenden Lehnsgutes war, konnte Pietro nämlich Spione in das Territorium des Feindes aussenden. In diesen Gebieten, insbesondere im Leventina-Tal, konnte Graf Rusca auf „Freunde und Getreue“ zählen, auf „seine“ Männer, die bereit waren, ihn über die Absichten der „Deutschen“ genau zu informieren. Die Briefe des Grafen gingen aber nicht nur nach Mailand. Die Analyse seiner Korrespondenz vom Ende des Jahres 1478 lieferte Aufschluss über einen wichtigen Aspekt des gesamten „Informationsnetzes“, das hinter einem so schwerwiegenden Konflikt wie jenem in Giornico stand. Die Meldungen und Nachrichten reisten nicht nur von der Peripherie ins Zentrum und zurück. Viele Informationen wurden auch „in horizontaler Richtung“ ausgetauscht, das heißt innerhalb des Umlandes, sodass sie den Filter der Regierung praktisch umgingen. Dieser Informationsfluss erfolgte zum Teil mit dem vollen Einverständnis der Regierung, beinhaltete aber mitunter auch Strategien, die mit jenen „von oben“ im Kontrast standen. Da er sich in den ersten Dezembertagen „in großer Gefahr“ sah, begnügte sich Pietro beispielsweise nicht mehr damit, den Herzog um Hilfe zu bitten (die nur verzögert eintraf), sondern schrieb auch direkt „an den ganzen Lago Maggiore, an alle Pfarrkirchen von Valtravaglia (unter der Herrschaft seines Bruders Giovanni) und an Ambrogio Longhignana“, den Befehlshaber der zur Verteidigung von Domodossola eingetroffenen Armee. Ambrogio bat er im Einzelnen, Domodossola zu verlassen und ihm in Locarno zu Hilfe zu eilen. Diese Bitte brachte Longhignana, wie er später an den Herzog und die Herzogin schrieb, etwas in Verlegenheit und er erinnerte in seiner Antwort den Grafen daran, dass er sich an die Befehle aus Mailand halten müsse: „…so gab ich ihm zu verstehen, dass man seinem [Pietro Rusca] Verlangen ohne die Zubilligung Eurer Exzellenz keineswegs nachkommen könne“. Fährt man von Locarno am See entlang, gelangt man über die Ebene von Magadino zu den eindrucksvollen Befestigungen von Bellinzona, dem eigentlichen Zentrum des Konflikts. Der über die gesamte Hälfte des Monats Dezember belagerte Ort hielt dem Angriff stand, trotz des Mangels an Lebensmitteln und trotz der genialen Einfälle der Invasoren, die zum Beispiel Treppen an die Mauern bauten, um diese zu überwinden. Wie man sich leicht vorstellen kann, kamen die meisten der Briefe in diesen Monaten 208


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Mailänder Manufaktur: Rundschilder, vor 1478. Luzern, Historisches Museum. Nach der Niederlage der Mailänder sammelten die Konföderierten auf dem Schlachtfeld die Schilder ihrer Feinde ein

aus Bellinzona oder wurden dorthin gesendet. Und aus der Masse der mit diesen Originaldokumenten überlieferten Informationen soll an dieser Stelle ein letzter Aspekt hervorgehoben werden, der Aufschluss über die Natur einer militärischen Kampagne mit mehreren Tausend Soldaten auf beiden Seiten gibt, bei der es jedoch zu keiner direkten Konfrontation kam und die nicht mit einer echten Schlacht, sondern in einer jämmerlichen Flucht endete. Krieg zu führen, Soldaten und Hilfsmittel zu mobilisieren, wirkt sich nicht nur auf Personen und Sachen, sondern allem voran auf die Gemüter aus. Und diese Gemüter und Stimmungen sind es auch, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. Die bloße Nachricht über den bevorstehenden Vormarsch von Schweizer Truppen verbreitete unter der Bevölkerung von Bellinzona große Angst. Viele Menschen flüchteten und die Funktionäre des Herzogs begannen, an der Treue ihrer Untertanen zu zweifeln. Auch waren sich die Funktionäre der Tatsache bewusst, dass das Eintreffen der aus Mailand gesandten Soldaten noch vor ihrem eigentlichen militärischen Nutzen von fundamentaler Bedeutung war, um die Bevölkerung zu ermutigen und einem gefährlichen „Abdriften“ zum Feind vorzubeugen. Hierzu schrieb der Verwalter von Bellinzona mit klaren Worten an die Herzogin: „Sobald die Verstärkung eintrifft, wird die ganze Stadt ohne zu zögern auf unserer Seite stehen.“ Sich bei Freund und Feind „sehen zu lassen“, war weitaus mehr als der einfache Umstand eines Krieges, sondern ein wichtiger Bestandteil des Konfliktes, der über Sieg oder Niederlage entscheiden konnte. „Ich habe beschlossen, vorzustoßen, bis uns unsere in der Festung von Bellinzona eingeschlossenen Männer uns sehen, um ihnen Mut zu machen“, schrieb der Heerführer der herzoglichen Armee Pier Francesco Visconti am 13. Dezember. Neben dem Wunsch, dem Feind Schaden zuzufügen, war es eben jener Wille, sich „vor den Augen der Untertanen in Szene zu setzen“ und „die eigene Reputation zu pflegen“, der die Mailänder Regierung zu dem Entschluss trieb, das Heer über Bellinzona hinaus bis in das verschneite Leventina-Tal zu schicken. Wer Zeit und Lust hat, den Spuren des Heeres bis nach Giornico zu folgen, sieht am linken Hang des Tals, kurz vor dem Ort, die Anhöhen, von denen die Schweizer wahrscheinlich die Felsbrocken herunterrollen ließen, die dem Vormarsch der Mailänder ein klägliches Ende setzten. Und diese Niederlage brachte, über die schweren materiellen Verluste hinaus eine verheerende Schande über das Reich.

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DAS SCHLOSS UND DIE BURG IN VOGOGNA

GEMEINDE: Vogogna (Verbano Cusio Ossola) TYP: Burg DYNASTIEN: Visconti, Sforza, Borromeo ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten mit Umbauten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Ausstellungsort (Schloss)

Stadtmauer und Turm des Schlosses in Vogogna

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Mit seinen engen Gassen und antiken Wohnhäusern bewahrt das Zentrum von Vogogna auch heute noch viel von seinem ursprünglichen Aussehen. Aufgewertet wird das Stadtgefüge durch elegante Adelshäuser (wie zum Beispiel das Haus der Biraghi) und den schönen Gerichtshof aus dem 14.

Jahrhundert. An der höchsten Stelle des Ortskerns erhebt sich das Schloss, dessen zylindrischer Turm an verschiedenen Orten zwischen den Bürgerhäusern zu sehen ist. Etwas weiter oben, an den Hängen des Monte Orsetto, sind die Überreste einer zweiten Befestigung sichtbar, der sogenannten „Rocca“ (Burg), die wahrscheinlich aus der gleichen Zeit stammt wie das Schloss und mit diesem möglicherweise verbunden war. Der bis zum 13. Jahrhundert zweitrangige Ort Vogogna erlebte im 14. Jahrhundert die für seine Entwicklung entscheidende Wende. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl und es wurde die – heute nicht mehr erhaltene – Stadtmauer errichtet, die den Ort einst umschloss. Im Jahr 1348 entstand der Gerichtspalast und kurze Zeit darauf (1373) wurden die Statute der Gemeinde verfasst, aus denen die Bedeutung der Ortschaft für Transit- und Marktaktivitäten bereits deutlich hervorgeht. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann auch der Bau des Schlosses und der oberhalb liegenden Burg auf diese Zeit (um die Mitte des 14. Jahrhunderts) datiert werden. Das Schloss war vermutlich mit der Stadtmauer verbunden und die Burg über eine weitere Mauer mit dem Schloss, sodass dieses von oben nicht umgangen werden konnte. Zum Ende des Jahrhunderts, als der Ort bereits fester Bestandteil der Besitztümer der Visconti war, sowie nach einer Zeit starker Instabilität und blutiger Konflikte zwischen den verschiedenen Fraktionen, wurde Vogogna zum Verwaltungszentrum für Ossola Inferiore und es wurde ein Vikar mit umfangreichen juristischen Vollmachten eingesetzt. Die wiederholten Übergriffe Schweizer Truppen prägten das Schicksal des Schlosses im gesamten 15. Jahrhundert bis zum Beginn des folgenden. Die Festung wurde zwischen 1410 und 1411, dann 1415, im darauf folgenden Jahrzehnt und auch in der zweiten


VOGOGNA

Hälfte des Jahrhunderts von den Konföderierten angegriffen. Auch von dem Kriegsgeschehen der Schlacht bei Giornico (1478) war es betroffen. Eine noch wichtigere Rolle spielte es später bei der Militärkampagne im Ossola-Tal im Jahr 1487. Bei diesem Konflikt war es das Hauptquartier des Widerstands und der Sammelpunkt für die herzoglichen Truppen, die zur Verteidigung gegen den Vormarsch der Schweizer aufgestellt worden waren. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts unterstand die Festung nicht mehr unter direkter Kontrolle des Herzogs, sondern gehörte zum Feudalbesitz der Grafen Borromeo. Somit waren diese auch zuständig für die Rechtsprechung im Ort und im unteren Tal, das ebenfalls zu dem großen, in diesen Jahren stetig weiter wachsenden Herrschaftsgebiet der Familie gehörte. Die Belehnung der Borromeo im Jahr 1447 löste bei den Einwohnern heftigen Widerstand aus, die es ablehnten, nicht mehr direkt dem Herzog, sondern den neuen Lehnsherren zu unterstehen. Sie forderten den Widerruf der Belehnung und wendeten sich nach dem Tod des letzten Herzogs der Visconti mit ihrem Begehren an die republikanische Regierung, die inzwischen in Mailand die Macht übernommen hatte. Dem Antrag wurde zunächst stattgegeben, aber man hielt das Versprechen nicht: Im Jahr 1449 erhielt Vitaliano Borromeo erneut die Feudalrechte für den Ort und den umliegenden Bezirk. So begann die lange Geschichte der Dynastie Borromeo in Vogogna, die bis zur Moderne andauerte und nur zur Zeit der Konfiszierungen durch Ludovico „Il Moro“ in den 1490er Jahren sowie durch die Franzosen zur Zeit der italienischen Kriege zeitweilig unterbrochen wurde. Im Jahr 1515 wurde die Festung bei Übergriffen von Schweizer Truppen mit der Unterstützung von Bewohnern des oberen Ossola-Tals beschädigt und verlor in der spanischen Zeit

ihre Funktion als der wichtige Militärstützpunkt, der sie bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts war. Dem folgte eine Zeit des Verfalls der Bausubstanz, dem erst durch jüngste Restaurierungsarbeiten Einhalt geboten werden konnte. Der Schlosseingang neben dem unverwechselbaren runden Turm aus dem 15. Jahrhundert ist über eine der vielen Straßen, die vom Ort zum Schloss hinauf führen, leicht erreichbar. Dahinter erwarten den Besucher drei Innenhöfe auf verschiedenen Ebenen. Von dem letzten, größten und am höchsten gelegenen Hof kann man den Hauptteil der Festung am besten überblicken: ein massives Gebäude, begrenzt auf der einen Seite von dem runden Turm am Eingang und auf der anderen von einem zweiten, quadratischen Turm. Von hier hat man auch einen hervorragenden Blick auf das Tal und den Ort. Noch besser ist die Aussicht allerdings von der oberhalb liegenden Burg, die man auch zu Fuß über einen kurzen (aber steilen) Pfad erreicht.

Ansicht der Burg, Vogogna

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Piazza Mercato in Domodossola mit dem Zugang von der Via Briona

Domodossola

Domodossola liegt an einer der wichtigsten Verbindungsstraßen zwischen der Poebene und den Gebieten nördlich der Alpen und war bereits in der römischen Antike und den ersten Jahrhunderten des Mittelalters ein bedeutendes Zentrum. Auf der Kuppe des nahen Hügels Mattarella gab es wahrscheinlich bereits seit dem 6. Jahrhundert eine Burg. Unten im Ort hingegen wurde die Pfarrkirche errichtet, um die herum die Christianisierung der gesamten Gegend organisiert wurde. In der Nähe dieser Pfarrkirche entstand im 10. Jahrhundert innerhalb einer Befestigung, die „Castrum Novum“ genannt wurde, ein Palast der Bischöfe von Novara, von dem aus deren beachtlicher Grundbesitz im Ossola-Tal verwaltet werden sollte. Auch ist es sehr wahrscheinlich, dass bereits zu dieser Zeit in Domodossola ein gut besuchter Wochenmarkt stattgefunden hat. Mit Sicherheit dokumentiert ist dieser Markt erst seit dem Jahr 1000. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts konkretisierte sich die Präsenz der Bischöfe von Novara offiziell als Adelsherrschaft, die sie für mehr als drei Jahrhunderte behalten sollten, bis der Bezirk in den Besitz der Visconti überging. Aufgrund der verworrenen Überlagerung der Einflussbereiche von Bischöfen, weltlichen Adelsfamilien und später auch der Gemeinde Novara, von der das gesamte Tal geprägt war, gab es aber gelegentlich auch Ambitionen, die mit jenen der Bischöfe im Kontrast standen, insbesondere vonseiten der Grafen Da Castello. In dieses komplexe Szenario mischten sich ab Beginn des 14. Jahrhunderts auch die Herren von Mailand ein und 1358 gelang es ihnen erstmalig, von Domodossola Besitz zu ergreifen. Aber erst in den 1480er Jahren, nach heftigen Konflikten zwischen den lokalen Fraktionen, konnten sie ihre Kontrolle über den Ort und das gesamte obere Tal endgültig durchsetzen. Die Jahrzehnte unter der Herrschaft der Visconti und Sforza (dal 1450) gestalteten sich für den Ort jedoch alles andere als friedlich. Für die gesamte Dauer des 15. Jahrhunderts waren Domodossola und das Tal von wiederholten Schweizer Übergriffen bedroht. Dass der Ort in Schweizer Hände fallen konnte, war in diesem Fall sogar nicht unwahrscheinlich, da dies von der Lokalbevölkerung oder einem Teil dieser durchaus akzeptiert oder gar begrüßt worden wäre. Das Jahr 1410 begann mit einer ersten Welle von Konfrontationen, die sich bis zu den 20er Jahren hinzogen. Im Zuge dieser Konflikte wurde das Schloss von Mattarella zerstört und Domodossola geriet mehrfach unter Schweizer Kontrolle. Zur Zeit der Schlacht bei Giornico (1478) war dies nicht der Fall aber auch hier war die Versuchung der Bewohner groß, sich den Schweizern zu ergeben. Neun Jahre später folgte ein weiterer Übergriff durch Schweizer Truppen, geführt von dem Bruder des Bischofs von Sitten, der sich ebenfalls auf den Ort und dessen Befestigung konzentrierte. Der in diesem Fall von dem Heer der Sforza bei Crevola errungene Sieg gebot den Schweizern und deren Ambitionen bezüglich Ossola zunächst für längere Zeit Einhalt. Im Zuge der italienischen Kriege in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts flammten die Übergriffe dann erneut auf und konnten erst nach dem Übergang des Mailänder Herzogtums an Karl V endgültig gestoppt werden.

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DOMODOSSOLA

Schlossrundgang 9


SACRO MONTE CALVARIO

SCHLOSS MATTARELLA GEMEINDE: Domodossola (Verbano Cusio Ossola) TYP: Burg DYNASTIEN: Visconti ERHALTUNGSZUSTAND: historische Überreste. Auf dem Burggelände befindet sich ein Teil des Sacro Monte Calvario

Die Burg erhebt sich auf der Kuppe des Hügels Mattarella in dominierender Position über dem Ort und dem Tal. Sie wurde im Frühmittelalter errichtet und ging um das Jahr 1000 an die Bischöfe von Novara, als stärkstes Zeichen ihrer Macht über die unterhalb liegende Ortschaft. Sie war Sitz der bischöflichen Vertreter und mitunter Wohnsitz der Bischöfe selbst. Der Komplex wurde mehrmals umgebaut und vor allem zu Beginn des 14. Jahrhunderts, nach einem heftigen Konflikt zwischen Mauerreste der Burg Mattarella, Domodossola

Teil der Stadtmauer mit einem Turm, Domodossola 214

dem Bischof Uguccione und den Dorfbewohnern zusätzlich befestigt. Nach dem Übergang an die Herren von Mailand im Jahr 1358 wurde sie als Sitz einer Garnison der Visconti genutzt, bis bei einem schweren Übergriff durch Schweizer Truppen (1415) ein Großteil zerstört und anschließend nie wieder komplett aufgebaut wurde. Im 18. Jahrhundert wurden die Überreste der antiken Burg in die Wallfahrtskirche Sacro Monte am Hang des Hügels integriert. Dieser Ort ist (ausgehend von der Via Mattarella) über den von Kapellen gezeichneten Heiligen Weg zu Fuß erreichbar. All jene, die den steilen Anstieg nicht zu Fuß bewältigen möchten, erreichen die Hügelspitze, die heute Monte Calvario genannt wird, auch mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Hinter der letzten Kapelle sieht man die Überreste der antiken Mauern und den großen Turm der Burg, der wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert stammt. Außerdem bietet sich dem Besucher von hier ein atemberaubender Ausblick auf das gesamte unterhalb liegende Tal.


DOMODOSSOLA

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a)

TURM UND STADTMAUER

GEMEINDE: Domodossola (Verbano Cusio Ossola) TYP: Schlossturm und Stadtmauer der Ortschaft DYNASTIEN: Visconti, Sforza ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Der Turm ist Privateigentum

Piazza Mercato, Domodossola

Domodossola, 1710. In der Mitte das Schloss und die Stadtmauer 216

Die erste sichere Information bezüglich der Existenz eines Castrums in Domodossola, unterhalb der Festung auf dem Hügel Mattarella, stammt aus dem 10. Jahrhundert. Der befestigte Bereich erstreckte sich südwestlich des heutigen historischen Ortskerns und in seinem Inneren befanden sich die Pfarrkirche, Wohnhäuser sowie der Palast der Bischöfe von Novara. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde auf Initiative der Einwohner, obwohl die Bischöfe sich lange dagegen wehrten, eine massive Stadtmauer errichtet und der antike Komplex in den neuen Mauerring mit eingeschlossen. Aber erst im darauf folgenden Jahrhundert, nach der Zerstörung der Burg Mattarella, wurde der Festungsbereich radikal umgestaltet und einer rein militärischen Funktion angepasst. Auf Befehl der Herzöge von Mailand wurden in der zweiten Hälfte

des 15. Jahrhunderts die nahe Pfarrkirche, die Häuser der Kanoniker und alle innerhalb der Befestigung befindlichen Wohnhäuser abgerissen. Die Pfarrkirche wurde hierbei an den Ort der heute sichtbaren verlegt. Die Festung mit ihren neuen Mauern und vier Ecktürmen wurde zusätzlich von einem Graben umgeben und für die Nutzung von Artillerie angepasst. Ausgestattet mit seiner starken Stadtmauer und der neuen Festung musste Domodossola Mitte des 15. Jahrhunderts wie eine unbesiegbare „Kriegsmaschine“ erscheinen, um Übergriffe von Norden vordringender Truppen abzuwehren. Im 18. Jahrhundert wurden aufgrund der Vergrößerung des Ortes, der sich nunmehr zu einem Industriegebiet entwickelt hatte, viele Bauten abgerissen und hierbei auch große Teile des antiken Verteidigungssystems zerstört, die aus diesem Grund heute leider nicht mehr sichtbar sind. Der massive, jüngst restaurierte Turm an der Piazza Rovereto ist der einzige Überrest des einstigen Schlosses. An der der Via Monte Grappa und der Via Facchinetti, nahe der heutigen Pfarrkirche, sind noch einige Abschnitte der früheren Stadtmauer zu sehen. Der Bischofs-Turm im Stil des 13. Jahrhunderts an der Via Briona weist auf die frühere Existenz ähnlicher Bauten in diesem Ortsteil hin (auch der heutige Glockenturm der Kirche Santi Gervasio e Protasio ist ein umgebauter antiker Wachturm). Der gesamte historische Stadtkern ist in jedem Fall äußerst sehenswert, insbesondere Piazza Mercato mit den mittelalterlichen Bogengängen und der nahe Palazzo Della Silva. Im Inneren der Kirche Santi Gervasio e Protasio kann neben einer berühmten Leinwand von Tanzio da Varallo ein romanischer Architrav bewundert werden, der mit Szenen der Legende von Karl dem Großen dekoriert ist und mit einiger Wahrscheinlichkeit aus der ursprünglichen Pfarrkirche stammt.


DOMODOSSOLA

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DIE KIRCHE SANTA MARIA DEL CASTELLO

SCHLOSS IN GIORNICO GEMEINDE: Giornico (Kanton Tessin) TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Da Giornico ERHALTUNGSZUSTAND: historische Überreste. Auf dem Gelände des Komplexes befindet sich die Kirche Santa Maria del Castello Die Kirche Santa Maria del Castello befindet sich an der rechten Talseite, außerhalb des historischen Kerns von Giornico, von dem sie der Fluss Ticino trennt. Aufgrund ihrer erhöhten Position ist sie zwischen den anderen GotKirche Santa Maria del Castello, Giornico

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teshäusern der Bautengruppe rechts vom Fluss sofort erkennbar. Rund um die Kirche sieht man, vom Ort kommend, deutlich die Überreste der antiken Burg, Spuren und Fragmente der massiven Mauern (deren einstige Funktion heute nicht mehr mit Gewissheit rekonstruiert werden kann) jener Herrschaftsresidenz, deren Gedenken heute im Namen der Kirche Santa Maria fortbesteht. Die Festung existierte möglicherweise bereits im 11. Jahrhundert und wurde zwischen 1160 und 1176 auf Initiative von Bernardo da Giornico, einem Mitglied der mächtigsten Adelsfamilie im Leventina-Tal, ausgebaut. Der kaiserliche Rechtsanwalt Bernardo stand zu jener Zeit hinter Friedrich I Barbarossa. Mit dessen Unterstützung versuch-


GIORNICO

Ein Gasthaus an der Straße zum Gotthardpass Eine besondere Erwähnung unter den vielen Sehenswürdigkeiten in Giornico verdient zweifellos das Haus Stanga, ein Gebäudekomplex im antiken Ortskern, der wahrscheinlich aus dem 15. Jahrhundert stammt. Das heutige Museum (Museo di Leventina, zu sehen sind religiöse Einrichtungsgegenstände sowie antike Gegenstände und Bauernkleidung) war in der Vergangenheit ein Wohn- und Gasthaus. Die Fassade des Gebäudes wurde um 1589 von Giovanni Battista Tarilli e Domenico Caresana mit Fresken dekoriert. Diese zeigen die Wappen und Banner der bedeutendsten Persönlichkeiten, die in jenen Jahren im Gasthof Unterschlupf fanden. Hof des Hauses Stanga, Giornico

te er, sich den Forderungen des Kapitels der Mailänder Kathedrale zu entziehen, das ebenfalls Anspruch auf die Herrschaft über das Tal erhob. Nachdem Friedrich in Legnano von den Gemeinden der Lega Lombarda (1176) geschlagen worden war, musste auch Bernardo der Mailänder Kirche die Oberherrschaft zugestehen. Später war es jedoch der Druck der Lokalgemeinden, der die Macht der Da Giornico definitiv in Frage stellte. Auch nach dem Verlust der Herrschaft spielten die Vertreter der Dynastie eine wichtige Rolle in der Talgesellschaft, nun allerdings lediglich in führenden Positionen der Lokalverwaltung, als Notare, Richter, Gemeindevertreter oder Vertreter des Mailänder Kapitels. Weniger Informationen als aus der Zeit der Da Giornico haben wir über das Schloss aus den letzten Jahren des Mittelalters. Es ist lediglich bekannt, dass sich im Jahr 1276 der Mailänder Bischof Ottone Visconti im Zuge des Konflikts mit den Rivalen Della Torre hier versteckte. Zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert wurde die Kirche Santa Maria umfassend ausgebaut. Es ist jedoch nicht bekannt, ob die angrenzende Herrschaftsresidenz weiter genutzt wurde oder, nach einem Brand,

der aus der Zeit um 1370 dokumentiert ist, bereits dem Verfall preisgegeben war. Laut offizieller Geschichtsschreibung wurde die Burg im Jahr 1518 von Schweizern des Kantons Uri, die in der Zwischenzeit die Herrschaft über das Leventina-Tal erobert hatten, vollständig zerstört. Die Kirche Santa Maria, die von diesem zerstörerischen Werk verschont blieb, stellt heute somit das bedeutendste Element des antiken BurgkompleTorre di Attone, Giornico

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Eine einzigartige Insel im Fluss Ticino In Giornico führen heute mehrere Brücken über den Ticino und verbinden den historischen Stadtteil mit dem rechten Talhang. Die zwei ältesten, die bereits aus dem Mittelalter dokumentiert sind, befinden sich an der Stelle, an der der Fluss am leichtesten zu überwinden war, da er hier durch eine kleine Insel in zwei schmale Arme geteilt wird. Die Insel ist jedoch groß genug, um auch heute noch Gebäude zu beherbergen, und hat eine Besonderheit: Sie ist die einzige bewohnte Insel des Flusses Ticino, von seiner Quelle bis zum Po. Einst gab es hier Mühlen, Schmieden, Sägewerke und sogar eine der antiksten Schokoladenfabriken der Gegend. Mittelalterliche Brücke über den Ticino, Giornico

xes dar. Sie hat zwei Apsiden (die südliche ist die ältere), die Außenwände sind mit Lisenen und romanischen Bögen verziert und rechts von der schlichten Fassade, nahe der Apsis, erhebt sich ein hoher Glockenturm (erbaut im 12. Jahrhundert). Der

Kirche Santa Maria del Castello, Giornico Im Vordergrund die Schlossruinen

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Innenraum wird von einem Bogenpaar in zwei Schiffe geteilt und hat eine schöne Kastendecke (16. Jahrhundert, später verändert). Von besonderem Interesse sind jedoch die Fresken am nördlichen Chor, die der Inschrift zufolge im Jahr 1448 vom Atelier des


GIORNICO

Nicolao da Seregno: Trivultus, 1478. Giornico, San Nicolao

Da Seregno geschaffen wurden. Am Gewölbe ist ein Christus in einer Maestà mit den Symbolen der Evangelisten zu sehen, die unteren Bereiche hingegen zeigen groß den Heiligen Georg, der den Drachen tötet, eine Kreuzigung und einige weitere Heilige (die zwei letzten Darstellungen links stammen aus einer späteren Epoche). Zwischen den Heiligen ist kniend der Auftraggeber des Werks dargestellt. Gleich unterhalb der Kirche Santa Maria, als Teil der kleinen Gruppe religiöser Bauten, die auch die Pfarrkirche San Michele und den angrenzenden Friedhof umfasst, befindet sich die Kirche San Nicolao (oder San Nicola), die bei einem Besuch in Giornico unbedingt besichtigt werden sollte. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und zählt zu den bedeutendsten romanischen Monumenten des Tessins. Die Apsis und die Wände sind außen mit kleinen Bögen dekoriert. Die Fassade wird von Lisenen in drei

Bereiche geteilt, die an der Spitze in doppelten Blindbögen zusammenlaufen. Die beiden Portale, das der Fassade und das zweite an der Südseite, rechts der Fassade, sind mit wunderschönen Skulpturen von Tieren und Menschen dekoriert. Im Inneren sieht man gleich links vom Eingang ein antikes, romanisches Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert, das sich ursprünglich in der nahen Pfarrkirche befand. An der Wand des Kirchenschiffes sind Spuren von Fresken erhalten, die das Letze Abendmahl und den Heiligen Christopohorus darstellen. Die wunderschönen Fresken an der Apsis (bemerkenswert die Darstellung der Dreifaltigkeit als Trivultus, eine Darstellungsform die später durch päpstliches Edikt verboten wurde) wurden im Jahr 1478 von Nicolao da Seregno realisiert. Unter der Apsis befindet sich die Krypta, deren kostbare Kapitelle mit geometrischen und figurativen Motiven dekoriert sind. 221



SCHLOSSRUNDGANG 10

Kontrolle über die Voralpentäler Die Ambitionen des antiken Adels ORINO INDUNO OLONA VICO MORCOTE LOCARNO CANNERO RIVIERA

Ducatus mediolanensis finitimarunque regionum descriptio, Detail aus Theatrum Orbis Terrarum von Abraham Ortelius, 1572

Die Alpentäler nördlich des Gebiets Seprio hinter dem Naturpark Campo dei Fiori, zwischen den Seen Verbano (Lago Maggiore) und Ceresio (Lago di Lugano) haben seit Jahrhunderten eine zweifache Berufung, als Grenzgebiet, aber auch als wichtige Kommunikationswege für den transalpinen Handel. Da sie außerdem zum einen unter der spirituellen Kontrolle der Diözese von Como und zum anderen unter jener der Erzbischöfe von Mailand standen, waren sie in der Vergangenheit lange Zeit Gegenstand der Rivalität zwischen den jeweils zugehörigen Gemeinden und später Grenzgebiet zwischen dem Herzogtum der Visconti und Sforza und den Schweizer Kantonen. Die Verwaltung dieser komplexen Territorien gestaltete sich schwierig, nicht nur wegen ihrer Entfernung vom Zentrum des damaligen Staates (Mailand), sondern auch aufgrund der stark gesplitterten Eigentumsverhältnisse vor Ort. Die Orte mit Zugang zu den Seen (Locarno, Luino, Laveno, Lugano) erlangten ihren Reichtum dank des Handels und es gab einen weit verzweigten und oftmals in viele Fraktionen geteilten Lokaladel. Die Talgemeinden hielten eifersüchtig an ihren Vorrechten fest und standen im Kontrast untereinander, aber auch mit den lokalen Hauptstädten und der Zentralmacht. Und schließlich gab es einen „importierten“ Adel, der eigentlich mit Kontroll- und Schlichtungsfunktionen betraut wurde, der die Konflikte letztendlich aber nicht milderte sondern mit den eigenen Ambitionen, sich Territorium anzueignen, noch stärker entfachte und für die Etablierung des jungen Regionalstaates der Visconti eher ein Hindernis als eine Hilfe war. Einige antike Adelsfamilien herrschten inoffiziell über ihre Territorien, wie zum Beispiel die Rusca, Gibelliner aus Como, die stets danach strebten, sich zwischen den Tälern des Bistums von Como einen eigenen Staat aufzubauen, oder die Mandelli vom Comer See, die auch in der Mailänder Gesellschaft gut etabliert waren und mit ihren Besitztümern bis zu den reichen Gegenden der Poebene vorgedrungen waren. In dieser bereits komplexen Situation vermehrten die Herzöge Visconti und Sforza den Kreis der Adligen zusätzlich, indem sie andere, nicht einheimische Dynastien belehnten. Die Borromeo (reiche, erst seit kurzer Zeit geadelte Händler aus der Toskana und Padua) erhielten Arona und die Inseln des Sees, um dort die besorgniserregende Vorherrschaft einiger Familienzweige der Visconti über den Lago Maggiore zu untergraben. Die Sanseverino (hochadlige Dynastie aus Neapel normannischer Herkunft, deren Mitglieder von Filippo Maria Visconti für Militärzüge gedingt worden waren) erhielten Lehnsgüter im Gebiet Sottoceneri (südlicher Teil des heutigen Schweizer Kantons Tessin), um dort die Übermacht der Rusca zwischen Comer See und dem Luganersee zu brechen. Oder die Cotta (eine antike Adelsfamilie aus Mailand), die in Valcuvia integriert wurde, um dort über ein Einflussgebiet an der wichtigen Straße zwischen dem alten Bischofspalast in Angera und den Ländereien des Bistums Como zu besitzen. Zwischen dem 14. und dem 15. Jahrhundert bauten oder sanierten all diese Familien Schlösser, Burgen und Wachtürme, die zur Bewachung der Pässe, an den Straßen und an den Seeufern über alle Täler verstreut lagen. In vielen Fällen wurde mit diesen Festungen wahrscheinlich ein früheres Verteidigungssystem aus der römischen Spät223


KONTROLLE ÜBER DIE VORALPENTÄLER

kaiserzeit aktualisiert. Zwischen 1510 und 1515 wurden fast alle Burgen in diesem Gebiet von Schweizer Truppen geplündert und teilweise zerstört. Besonders berühmt ist die Zerstörung der Burg in Travaglia, die der Verteidigung des Luinese diente. Sogar die mächtigen Befestigungen der Burg von Locarno wurden im Jahr 1531 von den Schweizern zerstört. Die Burg in Cuvio wurde später in eine Villa umgebaut, ebenso wie die in Frascarolo. Andere wurden verlassen und verfielen in Wäldern und zwischen Gestrüpp. Das einzige Zeugnis, das noch eine, wenn auch blasse, Vorstellung von diesen antiken Festungen vermittelt, ist die Burg in Orino. Die Überreste des Komplexes befinden sich an den Nordwesthängen des Naturparks Campo dei Fiori sowie an der Öffnung des Valcuvia-Tals und diese Festung bildet den Ausgangspunkt für die in diesem Kapitel präsentierte Rundfahrt. Die Tour folgt auf historisch-landschaftlicher Ebene einer einheitlichen Logik, umfasst aber ein sehr großes Gebiet und kann daher nicht an einem Tag bewältigt werden. Sie könnte in drei Etappen gegliedert werden, indem man zwischen Sottoceneri und dem Ceresio (Luganersee) auf der einen Seite und Sopraceneri und dem Verbano (Lago Maggiore) auf der anderen dem Verlauf der drei Täler bei Varese (Valcuvia, Valganna und Valtravaglia) folgt. Von Orino nach Induno Olona durch das Tal Valganna (ca. 35 Kilometer) Um von Orino nach Rancio zu gelangen, kann man zwischen zwei Straßen wählen: Eine führt durch den Talgrund über Cuvio (im Zentrum der Ortschaft erhebt sich ein beeindruckender Palast, einst Schloss und Sitz des kleinen Hofes der Cotta), die andere hinauf in die Berge, zwischen den Wäldern an den Hängen des Naturparks Campo dei Fiori entlang und über Castello Cabiaglio (wo sich ein weiteres Schloss der Cotta befindet). Hinter Rancio schlängelt sie sich nach Bedero und führt an der Abtei von San Gemolo in das Valganna-Tal. Das kleine Benediktinerkloster, das einem berühmten lokalen Heiligen geweiht ist, war einst das Kontrollzentrum für einen großen Landbesitz, der vom Valganna-Tal, über Teile der angrenzenden Täler Marchirolo und Valcuvia, bis nach Induno

Rancio Valcuvia

Typisches Haus mit Loggia in Rancio Valcuvia

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Neben den Schlossbesichtigungen sollten Sie auch der kleinen Ortschaft Rancio am Nordhang des Parks Campo dei Fiori einen Besuch abstatten. Hier gibt es noch viele der typischen Häuser mit Gewölbeloggien auf mehreren Etagen, ein mit Säulen aus dem 15. Jahrhundert „gedemütigtes“ Kloster (Via Mazzini), einen Palast aus dem 17. Jahrhundert (Villa Velati in der Via Cavour) mit Elementen aus der Spätrenaissance und, zwischen den Wäldern in der Nähe der Wohnhäuser, einige Mauerreste, die möglicherweise von einer antiken Befestigung stammen. Durch die Ortschaft fließt der Fluss, der am Standort der einstigen Mühle in eine Schlucht stürzt. Von der über den Fluss führenden Brükke bietet sich ein entspannender Blick über die alten Häuser des Ortskerns.


SCHLOSSRUNDGANG 10

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KONTROLLE ÜBER DIE VORALPENTÄLER

Olona und Malnate reichte. Die auf der Grundlage einer den Sforza gewährten Kommende um 1477 errichtete Abtei wurde von dem letzten Komtur Gian Angelo Medici, dem späteren Papst Pius IV dem Krankenhaus Ospedale Maggiore in Mailand geschenkt. In der Abtei ist eine Wandmalerei aus dem 15. Jahrhundert zu sehen, die eine Madonna der Barmherzigkeit darstellt. Außerdem kann man die heilige Quelle (Ort, an dem der Heilige Gemulus den Märtyrertod starb) besichtigen oder an dem kleinen See spazieren gehen. Hinter dem Valganna-Tal fährt man durch ein Gebiet mit Industrie und vielen Jugendstilbauten nach Induno Olona. Kurz vor dem Ort geht es hinauf nach Frascarolo, wo sich das lokale Schloss befindet. Um die Villa mit den Türmen der Medici di Marignano in ihrer Gesamtheit zu bewundern, empfiehlt es sich, am Olona-Tal entlang weiter nach Süden zu fahren (über die neue Anbindung von Varese an die Autobahn). Von hier schweift der Blick über die grüne Hochebene mit ihren Zypressen, den massiven Turm im Hintergrund und die schlankeren Türme rund um den bemalten Palast: Es wirkt verwirrend, dieses einzigartige, isolierte Stück Toskana in der Lombardei zu sehen und fast könnte man die berühmteren Medici aus Florenz mit ihren Mailänder Verwandten verwechseln. Von Induno nach Marcote, rund um den Ceresio (ca. 35 Kilometer) Wenn Sie auf der Suche nach Renaissance sind, besichtigen Sie in der Nähe des Ortskerns die Kirche San Pietro in Silvis. Die dort erhaltenen Fresken aus dem 15. Jahrhundert haben keine überragende Qualität, sind jedoch ein aussagekräftiges Zeugnis des Volksglaubens. Wenn Sie Zeit haben, können Sie anschließend die schöne Villa Cicogna di Bisuschio besichtigen oder andernfalls direkt nach Cuasso al Monte weiterfahren. An dieser Stelle öffnet sich das Tal und man überblickt den Ceresio (Luganersee). Auf der Anhöhe westlich des Tals erhob sich einst eine massive Befestigungsmauer mit Kirchen und Zisternen. Die Spuren der Burg sind in den die Landschaft dominierenden Wäldern verstreut. Hinter Porto Ceresio 226

Meister aus Santa Maria in Selva: Gläubigen, Detail des Gemäldess Madonna der Barmherzigkeit und Verkündigung, 1400-1401. Locarno, Santa Maria in Selva


SCHLOSSRUNDGANG 10

und der Schweizer Grenze sieht man von Weitem (am gegenüberliegenden Seeufer) das Schloss und die Ortschaft Morcote. Die Straße nach Riva San Vitale schlängelt sich zwischen den steilen Hängen und dem See entlang und bietet eindrucksvolle Ausblicke. Um die dritte Etappe dieser Schlosstour zu beginnen, muss man fast den gesamten See umfahren. Nach der Besichtigung von Morcote und seinen Weinbergen könnte man auf italienisches Territorium zurückkehren und nach Campione fahren, um dort die Kirche Santa Maria dei Ghirli (mit bedeutenden spätgotischen Fresken und einem Zyklus von Luini mit Szenen der Genesis nach Vorlagen von Dürer) sowie das kleine Stadtmuseum mit interessanten Marmorobjekten aus der Renaissance besuchen. Alternativ könnte man nach Lugano weiterfahren und dort die Kirche des Franzistkanerklosters Santa Maria degli Angeli (erbaut am Standort der ehemaligen Burg der Rusca Sanseverino) mit einem Lettner von Bernardino Luini (1529) oder die (in der Kapelle Rusca der gleichen Kirche) halluzinative Vision (vor 1528) einer Schar Kranker und Bettler bewundern, die aus dem finsteren Mailand in das Umland zu flüchten scheinen. Vom Valcuvia-Tal nach Locarno über Arcumeggia, Caldè, Luino und Maccagno (ca. 85 Kilometer) Im Valcuvia-Tal, zwischen Casalzuigno (berühmt für die schöne, denkmalgeschützte Villa Della Porta Bozzolo) und Vergobbio, zweigt sich eine Serpentinstraße ab, die nach Arcumeggia hinaufführt. Dieser Ort ist berühmt für die hier sichtbaren zeitgenössischen Wandmalereien. Von hier überquert man auf einem unwegsamen Pfad den Bergkamm, der das Tal vom Lago Maggiore trennt. Über diesen Weg gelangt man nach Castelveccana, von dessen Ortsteil Caldè die Burg von Travaglia erreicht werden kann. Die antike Festung der Mailänder Bischöfe (und militärisches Zentrum des Lehnsgutes der Rusca) wurde wahrscheinlich im Jahr 1513 von den Schweizern zerstört. Auf dem Felsvorsprung direkt am See bleibt heute außer einigen Steinmauern und den Überresten eines Grabens keine Spur von der einstigen Befestigung und dem Militärhafen. Lediglich die antike Kirche Santa Veronica (gegründet im 12. Jahrhundert und mit einigen Überresten von Fresken aus dem 15. Jahrhundert) zeugt noch von der Bedeutung, die dieser Ort einst haben musste. Die kümmerlichen Ruinen der Burg erreicht man über einen steilen Waldpfad. Von hier schweift der Blick jedoch von Cannero bis nach Stresa, und von dem Steilhang zum See kann man an den

Johannes Stumpf: Luggaris vonn Eydgnossen belagert, aus Gemeiner loblicher Eydgnoschaft Stetten Landen und Völckern, 1547-1548

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KONTROLLE ÜBER DIE VORALPENTÄLER

Gelehrte Memoiren des Territoriums Die Strecke dieser Tour basiert praktisch auf einem Lehrwerk aus dem 15. Jahrhundert. Der Humanist Domenico Belli aus Maccagno Inferiore, der aus diesem Grund auch Maccaneo genannt wird, war mit der Lehre von Cola Montano (der auch die jugendlichen Mörder von Galeazzo Maria Sforza folgten) aufgewachsen und Erzieher der zahlreichen Kinder des adligen Dichters Gaspare Ambrogio Visconti (vom Familienzweig der Cassano Magnago). Er starb im Jahr 1530 in Turin, nachdem er als Historiograph am Hof der Savoyen gearbeitet hatte und war der Autor einer Chronik mit dem Titel Chorographia Verbani Lacus, gedruckt 1490 in der Mailänder Druckerei des Deutschen Ulrich Schinzenzeler. Dieser Text, ergänzt durch die erste kartographische Darstellung des Lago Maggiore, ist vor allem berühmt für die Bezüge zu Bramante (dargestellt, wie er am Ufer des Sees nach kostbaren

Steinen sucht, die er benutzte, um den Effekt des von den Römern benutzten Marmor nachzuahmen). Außerdem wird in diesem Dokument eine interessante Strekke gezeichnet (von den Festungen in Bellinzona bis zur ländlichen Umgebung von Vigevano), die einen wichtigen kartographischen Bezug für alle Wege innerhalb des antiken Herzogtums von Mailand liefert. Die Schlösser des Valcuvia-Tals werden auch in einem weiteren Werk aus der Renaissance erwähnt, einem Festgedicht in lateinischer Sprache mit dem Titel Descriptio vallis Cuvi, geschrieben von dem adligen Feudalherren Giovanni Stefano Cotta. Diese kurze poetische Komposition besteht im Wesentlichen aus einer Liste der Talorte, aber es werden auch die Schlösser von Orino, Cuvio und Cabiaglio erwähnt sowie die reiche, im Tal lebende Fauna (Hirsche, Wildschweine und Raubvögel).

Ufern hier und da die alten Bauten mit Türmen der Ziegelbrennereien aus dem 20. Jahrhundert sehen. Wenn Sie es bevorzugen, den Abstecher nach Caldè auszulassen, können Sie vom Valcuvia-Tal auf komfortablere Weise über die Fernstraße 394 durch das ValtravagliaTal nach Luino gelangen. Alternativ kann die Tour von Caldè am See entlang nach Valtravaglia und Germignaga fortgesetzt werden. In Luino kann die Kirche San Pietro in Campagna (antike außerstädtische Pfarrkirche, heute an dem modernen Friedhof) besichtigt werden. Im Inneren ist eine Freske mit der Anbetung der Heiligen drei Könige vom Beginn des 16. Jahrhunderts erhalten. Eine identische Freske befindet sich in der Kirche San Siro in Lanzo d’Intelvi (weiteres Lehnsgut der Rusca), was die Anlehnung an eine allgemein gebräuchliche Vorlage belegt. An der Seepromenade, ebenfalls außerhalb der Ortschaft, erhebt sich hingegen die Kirche Santa Maria del Carmine (ehemalige Klosterkirche): An den Flügeln des Portals prangen die Wappen der Rusca, begleitet von den Initialen des Grafen Giovanni und des Podestà Ambrogio Gritti (im Amt von 1489 bis 1497). Am See entlang geht es weiter bis zur Schweizer Grenze. Diese Gegend ist von der Präsenz massiver Verteidigungstürme geprägt. Man sieht sie in Mesenzana (noch im Tal), Ligurno (Ortsteil von Porto Valtravaglia), Maccagno Inferiore und in Pino. Eine komplexere Festung musste sich in Maccagno befinden. Dieser Ort war das Zentrum eines antiken Lehnsgutes der Mandelli, eingefügt zwischen den Gebieten, die von Filippo Maria Visconti (1412-1447) den Rusca zugewiesen worden waren. Schließlich erreicht man das Gebiet Sopraceneri und hinter dem Fluss Ticino, nicht weit entfernt von dessen Mündung in den See, Locarno. Versäumen Sie zuvor jedoch keinesfalls einen Abstecher zu dem schönen historischen Ortskern von Muralto. Fortgesetzt werden kann die Tour am See entlang bis nach Cannero. Die Schlösser auf den Inseln kann man nur von Weitem bewundern (vom Ufer oder, wem sich diese Gelegenheit bietet, von einem Boot aus), solange keine angemessenen Anlegestellen vorgesehen werden. 228

Schloss von Morcote, im Hintergrund der Luganersee und die Berge


SCHLOSSRUNDGANG 10

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DIE BURG IN ORINO

GEMEINDE: Orino (Varese) TYP: Burg DYNASTIEN: Cotta, Visconti Borromeo Arese, Corti, Bonaria, Clivio, Moia, Sangalli, Mascioni ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz, Veranstaltungsort

Befestigungsmauer der Burg in Orino

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Die Überreste der Burg von Orino findet man im Wald, einen Kilometer vom gleichnamigen Ort entfernt, auf einem Ausläufer der Westhänge des Parks Campo dei Fiori in einer Höhenlage von ca. 525 Metern über dem Meeresspiegel. Die Festung wurde wahrscheinlich im 12. Jahrhundert an der Straße erbaut, die das Schloss der Bischöfe von Angera mit den Gebieten um Como verband. Leider sind allerdings keine materiellen Überreste oder Dokumente erhalten, die eine genaue Datierung des Komplexes vor dem 15. Jahrhundert gestatten. Der Bau der Burg erfolgte somit vermutlich auf Initiative der Familie Cotta. Im Jahr 1450 belehnte der frisch gekrönte Herzog Francesco Sforza (1450-1466) sei-

nen Berater Pietro Cotta mit dem Lehnsgut Valcuvia. Obwohl sich die Gutsverwaltung im Schloss von Cuvio (heute Palazzo Cotta Litta Arese) befand und die Feudalherren ihren ständigen Wohnsitz in Mailand hatten, befestigten die Cotta in Absprache mit den Sforza einige Ortschaften im Tal (Bedero, Cabiaglio, Orino) und hielten sich gelegentlich in ihren dortigen Voralpen-Residenzen auf. Zwischen 1510 und 1515 wurde die Festung in Orino, ebenso wie alle anderen Burgen der Gegend, von den Schweizer Milizen (Kantone Luzern, Uri und Nidwalden) belagert und zum Teil zerstört. Die Schweizer kontrastierten das Vorrecht der Mailänder Familie auf im ValcuviaTal und wurden hierbei von Ercole Rusca (unehelicher Erbe der Gräfen von Locarno) unterstützt. Aber die Lehnsherren (verbündet mit Massimiliano Sforza) verhandelten mit den neuen Herrschern und versuchten, auf diese Weise die Kontrolle über ihre Territorien zu behalten. Obwohl die Cotta den Besitz ihres Lehnsgutes und die Kontrolle über die Burg in Orino erhalten konnten, wurde die Verteidigungsfunktion der Burg immer unwesentlicher und bereits im 16. Jahrhundert wurde das Areal innerhalb der Befestigungsmauern für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. Im Jahr 1728 wurde das gesamte Lehnsgut von einem zweiten Pietro Cotta (Nachkomme des ersten) an den Grafen Giulio Visconti Borromeo Arese abgetreten. Einige Jahre danach (vor 1757) wurde die Burg in Orino (inzwischen eine Ruine) mit den rund 60 Pertiche (ca. 40.000 Quadratmeter) Land von den Cotta endgültig verkauft. In den folgenden Jahrhunderten wechselte der Besitz mehrmals die Eigentümer und erst im 20. Jahrhundert wurden einige erhaltende Restaurierungs- und Wiederaufbauarbeiten vorgenommen. Dem folgte eine weitere Zeit der Vernachlässigung, die erst kürzlich endete. Heute, nach einer weiteren Restaurierung, wird die


ORINO

Burg von den derzeitigen Eigentümern als Konzert- und Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt. Man erreicht die Festung über eine ansteigende Straße inmitten von Wäldern. Was von der Burg noch sichtbar ist, vermittelt den Eindruck eines einst bedeutenden Komplexes. Die fast rechteckige Befestigungsmauer mit Seitenlängen von rund 100 und 50 Metern säumt das heute begrünte Innengelände, auf dem sich früher Gebäude (möglicherweise aus Holz) befanden. Diese Häuser dienten als Unterschlupf für die Garnison und gelegentlich als Zuflucht die Bewohner der unterhalb liegenden Ortschaft. Im Süd-Osten befinden sich Überreste einer großen Zisterne. Die Zinnen (insbesondere jene über dem Eingang) und einige Zwischentürme wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts hinzugefügt, aber der Umfang

der Mauer entspricht im Wesentlichen dem ursprünglichen. Im Inneren, am höchsten Punkt des Areals (Nord-West-Ecke zum Tal) erhebt sich der mit einem Turm verstärkte Burgfried. Der 15 Meter hohe Hauptturm mit einer Grundfläche von ca. 4 mal 5,5 Metern ist aus lokalem, zu Naturgestein mit Quadern an den Kanten gebaut. In seinem Inneren befand sich einst ein Treppenschacht, der ihn von dem nebenliegenden Hauptturm abgrenzte. Dieser war ein kompakter, 12 Meter hoher Block mit einer Fläche von fast 400 Quadratmetern. In den 1,5 Meter starken Mauern des Burgfrieds sind noch Spuren der Kragsteine zu sehen, die einst den Wehrgang trugen. Leider sind nach den Plünderungen keinerlei dekorative Elemente (Kamine, Kapitelle, Säulen usw.) erhalten, mit denen der Hauptturm vermutlich einst geschmückt war.

Eingangsportal zur Burg und der Nordost-Turm, Orino

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DAS SCHLOSS DER MEDICI DI MARIGNANO

DAS SCHLOSS IN FRASCAROLO GEMEINDE: Induno Olona (Varese), loc. Frascarolo TYP: Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Sforza, Zemo, Neri, de Theis, Medici di Marignano, Crivelli ERHALTUNGSZUSTAND: umgebaut HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz

Hauptturm des Schlosses der Medici di Marignano aus dem 16. Jahrhundert, Induno Olona

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Eine erste Befestigung in Fracarolo ist aus von 1162 dokumentiert. In diesem Jahr positionierte der Bischof von Mailand im Zuge der Konflikte zwischen Mailändern und den Kaisertruppen hier seinen Vorposten gegen die Einwohner von Arcisate, die sich mit Friedrich I Barbarossa alliiert hatten. Dieser Vorposten war strategisch

gewählt, da man von der Burg aus den engen Zugang zum Valganna-Tal, den ersten Abschnitt des Olona-Tals sowie den Zugang zu dem zum Luganersee führenden Tal kontrollieren konnte. Die Eigentümer der Festung waren die Mönche der Abtei San Gemolo in Ganna, die stets mit den Mailändern verbündet blieben. Zwischen 1490 und 1495 war die Burg zeitweise Sitz des kleinen Vareser Hofes von Giulio Sforza, einem unehelichen Sohn des Herzogs Francesco, der mit der sehr reichen Erbin Margherita Grassi verheiratet und Lehnsherr der Pfarrei von Brebbia war. Nachdem es mehrfach die Besitzer gewechselt hatte und nach den bereits erwähnten Plünderungen durch Schweizer Soldaten (November 1511) wurde das Schloss 1542 Giovanni Battista Medici da Novate abgetreten. Dieser war ein Bruder des Kardinals Gian Angelo (Komtur von San Gemolo) und späterer Papst Piusio IV (1559-1565) sowie des berühmten Kon-


INDUNO OLONA

dottieres Gian Giacomo, genannt Medeghino. Die Brüder Medici (die sich mit Autorität Zugang zum Kreis der Adelsfamilien in der Lombardei verschafft hatten) erwarben mit der Zeit alle Güter in Frascarolo und verwandelten die antike Festung nach und nach in eine elegante Villa. Zur gleichen Zeit ließen sie auch das Schloss des Bernabò Visconti in Melegnano restaurieren und machten es zu einem prunkvollen Schrein für die Zelebrierung des Ruhms ihrer Dynastie. Von dem antiken Schloss bleibt nur der massive quadratische Turm (Seitenlänge ca. 10 Meter). Er steht fast isoliert in der Nord-West-Ecke des Komplexes (am höchsten Punkt) und hat einen abgeschrägten Sockel sowie für Burgen typisches Bossenwerk an den Kanten und Fensterfassungen. Möglicherweise lag auch der angrenzende Hof zum Teil innerhalb des ursprünglichen, befestigten Umfangs. Die eleganten Türmchen am Ende des rustikalen Eingangsflügels wurden hingegen Mitte des 16. Jahrhunderts von den Medici hinzugefügt und zeigen einen Abschluss mit Kragsteinen und Zinnen von Luca Beltrami. Der Rest des Komplexes mit seinen italienisch angelegten Terrassengärten, den mit illusionistisch verspiegelten Motiven bemalten Fassaden und den Bogengängen mit erlesenen Grotesken ist ein bedeutendes Zeugnis für die Zivilisation der Villenbesitzer. Die einzigen Überreste des hier fast völlig ausgelöschten Mittelalters sind die neugotischen Blendwerke des Brunnens, der die Bauernhäuser am Anfang der Zufahrt schmückt.

Osthof und Gewölbe des Bogenganges im Schloss der Medici di Marignano, Induno Olona 233


DAS SCHLOSS IN MORCOTE

GEMEINDE: Vico Morcote (Kanton Tessin) TYP: Burg DYNASTIEN: Visconti, Sforza, Rusca, Sanseverino, Paleari ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz), Sitz der Azienda Agricola Arbostora

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Auf einer Hochebene des Monte Arbostora, die zum Luganersee abfällt (Höhe 475 Meter über dem Meeresspiegel), sieht man zwischen Weinbergen die Überreste der Burg von Morcote. Von diesem Abhang konnte man beide Arme des Sees kontrollieren (sowohl den in Richtung Ponte Tresa als auch den Hauptarm in Richtung Melide, Bissone und Campione) und man überblickte weit das Valceresio-Tal (in Richtung Bisuschio, Arcisate und Indu-


VICO MORCOTE

Soldaten in antiker Pose in der Kirche Santa Maria del Sasso Domenico Pezzi: Gang zum Martyrium, 1513. Morcote, Santa Maria del Sasso

Die Kirche Santa Maria del Sasso erhebt sich auf einem Felsausläufer unterhalb der Burg. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erneuert und in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts umgebaut (Erneuerung der großen, nach Süden ausgerichteten Kapelle). Im Inneren sind verschiedene Zeugnisse ihrer Vergangenheit aus der Renaissance erhalten. In der Rosenkranz-Kapelle (Cappella del Rosario) werden die künstlerischen Neuheiten, mit denen man zu jener Zeit in der Certosa von Pavia experimentierte, von einem Maler aus Varese mit See-Atmosphäre abgewandelt. Der Stil zeigt Parallelen mit jenem der Ateliers, die der Schule von Giovanni Martino Spanzotti folgten, und zwischen dem Ende des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts in Piemont und in der Lombardei aktiv waren. In der Kapelle des wundersamen Fischfangs (Cappella della pesca Miracolosa) – hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Fischerei in diesem Ort am Luganersee die wichtigste Tätigkeit war – realisierte der Maler Bartolomeo da Ponte Tresa (aktiv vom 3. bis 5. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts) an den Gewölben um 1520 Okuli mit Engeln, im Gedenken an die zu dieser Zeit 40 Jahre zurückliegenden Experimente von Bergognone in der lombardischen Villa in Caselle. In der Fischfangszene zeigt er jedoch, dass er auch über die neueren Darstellungstechni-

no Olona). Von den Ursprüngen der Festung ist wenig bekannt, vermutlich wurde sie um das 12. Jahrhundert am Standort eines römischen Wachturms erbaut. Von 1416 bis 1434 kontrollierte Lotario Rusca die Festung von Morcote und war Lehnsherr des Gebietes Sottoceneri, das er für die Abtretung des Valchiavenna-Tals an Herzog Filippo Maria Visconti erhalten hatte. Nach dem Tod von Lotario (1434) beabsichtigte der Herzog, die Familie Rusca aus dem Gebiet um Como zu vertreiben

ken von Giovanni Agostino da Lodi bestens informiert war. Besondere Aufmerksamkeit zieht jedoch die Ansicht von Genua auf sich, die hinter dem Zug auf der Freske Gang zum Martyrium (in der früheren Hauptkapelle) zu sehen ist. Hier stellt der Maler Domenico Pezzi (geboren im ValsoldaTal und in den ersten 50 Jahren des 16. Jahrhunderts jedoch aktiv zwischen Mailand und Genua) nicht nur Genua „La Superba“ mit ihren Befestigungen zur Küste und zu den Bergen dar (und überlieferte damit eine der ältesten und genauesten Ansichten der Küstenstadt), sondern auch den Zug der Soldateska – die in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts diese Gegend mehrfach heimgesucht hatte – in antiquarischen Posen, die er dem Werk Der Triumph des Cäsar von Andrea Mantegna (früher in Mantua, heute im Hampton Court Palace) entlehnt.

(Franchino und Lotario waren von 1408 bis 1416 die gefährlichen Herren von Como) und etablierte erst inoffiziell (ab 1435) und dann amtlich (1438) seinen neapolitanischen Kondottiere Aloisio Sanseverino im Lehnsgut Sottoceneri und dem Schloss von Morcote. Obwohl die neuen Lehnsherren in Lugano (in einem Gebäude, das das Eigentum des Bischofs von Como war) und in Mendrisio (das dortige antike Schloss an der Kirche San Sisinio gehörte den Torriani und die alten Lehnsherren Rusca besa-

Ansicht des Schlosses von Morcote

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Fassade der Festung zur Seeseite, Morcote

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ßen hier ebenfalls eine Residenz) lebten, wurde Morcote zum wichtigsten Militärstützpunkt der Region und man baute es wahrscheinlich aus. Während Sanseverino mit dem Gut für seine dem Herzog geleisteten Dienste belohnt wurde, erhielten die Rusca die Grafschaft Locarno und die Kontrolle über das Intelvi-Tal (1439). Nach dem Tod von Aloisio Sanseverino und des Herzogs (beide starben 1447) besetzten die Rusca erneut einen Teil ihrer alten Territorien und auch das Schloss in Morcote. Die zwei Familien – die eine Guelfen, die andere Gibelliner, eine nicht einheimisch und eine aus Como – rivalisierten für rund weitere 40 Jahre um das Lehnsgut und scharmützelten im Sottoceneri. Die Sanseverino behielten das Lehnsgut bis 1485, ihre Rolle in der Führung des Schlosses von Morcote war seit 1477

jedoch stark beeinträchtigt, zum einen durch die politische Situation in Mailand (die Unruhen nach dem Mord an Galeazzo Maria) und zum anderen durch die Konflikte zwischen Guelfen und Gibellinern in der Gegend um Lugano (wo die Sanseverino natürlich die Fraktion der Guelfen unterstützten). Durch Vermittlung eines gibellinischen Rusca aus Locarno geriet die Festung von Morcote im Jahr 1482 unter die direkte Kontrolle der Zentralmacht. Vor Ort walteten dem Herzog unterstehende Burgherren: erst die Paleari (eine Familie, die in die Lokalgesellschaft aber vor allem in die Kanzlei bei Hof aufgenommen wurde) und dann die Crivelli (ein mächtiger und zahlreicher Clan aus Mailand). Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurden die umfangreichen Um- und Ausbauten in dieser Zeit direkt von den Sforza veranlasst.


dennoch beeindruckend. An der Südseite sieht man die strengen Formen eines Schutzwalls und daneben einen massiven Rundturm. Innerhalb der Mauern gibt es Reste einer Zisterne, eines römischen Turms und Teile einiger Räume, die einer großen Küche und eines kleinen Salons. Weiter südlich erkennt man Spuren eines trapezförmigen Mauergürtels. In den Süd-Ost-Ecke zeigen die Überreste eines Ravelins Spuren von einer einstigen Zugbrücke. Der sich von hier bietende Ausblick und das umliegende, bebaute Land sind auf jeden Fall einen Besuch wert. In der unterhalb liegenden Ortschaft Morcote, die einst vollständig von einer Befestigungsmauer umgeben war, befindet sich der sogenannte „Torre del Capitano“ mit einem Spitzbogenportal und einem eleganten zweibogigen Fenster.

VICO MORCOTE

In den Jahren 1512 bis 1513 wurde die Burg von den Schweizern teilweise zerstört und alle darin verwahrten Wertgegenstände nach Lugano verschleppt. Nacht dem definitiven Übergang des Gebietes Sottoceneri an die Kantone wurde die Burg 1517 dem Hauptmann Francesco Paleari (Erbe der antiken Burgherren) überlassen. Die Paleari blieben Eigentümer der Festung für die folgenden vier Jahrhunderte. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Überreste der Burg und die umliegenden Ländereien an die Familie Gianini verkauft, die auch heute noch die Eigentümer sind und den landwirtschaftlichen Betrieb Azienda Agricola Arbostora führen. Zur Burgruine gelangt man über den Abhang von Vico Morcote. Die Überreste des Baus sind nicht sehr viele aber

Urkunde von Galeazzo Maria Sforza, 1466-1476. Privatsammlung

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DAS VISCONTI-SCHLOSS IN LOCARNO

GEMEINDE: Locarno (Kanton Tessin) TYP: Burg, Herrschaftsresidenz DYNASTIEN: Visconti, Sforza, Rusca ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz des Archäologischen Museums und des Stadtmuseums

Ansicht des ViscontiSchlosses in Locarno

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In der Umgebung von Locarno sind seit dem 12. Jahrhundert verschiedene Festungen dokumentiert, wie zum Beispiel das Schloss San Michele in Ascona (auf dem Felsvorsprung zum See an der Südgrenze der Ortschaft), das San Materno, ebenfalls in Ascona, am Fluss Maggia, das San Biagio oberhalb von Orselina oder das in Gordola oberhalb von Muralto. Typisch für diese Festun-

gen, von denen nur noch wenige Überreste von Mauern und Türmen übrig sind, war die gemeinsame Verwaltung der Strukturen durch mehrere lokale Adelsfamilien. Im Unterschied zu den Festungen in Azzate, Besozzo, Castiglione Olona oder Mendrisio, die von Mitgliedern der gleichen Dynastie (Bossi, Besozzi, Castiglioni und Torriani) geführt wurden, waren diese Burgen um Locarno auf zwei oder mehr Zweige verschiedener Familien (Duno, Orelli, Muralto, Magoria, Larocca) aufgeteilt. Im 14. Jahrhundert, zur Zeit der Machtübernahme der Visconti (1342), wurde Locarno mit der Burg San Biagio (um 1380 bei lokalen Konflikten zerstört), die Burg Orelli mit angrenzendem befestigtem Hafen sowie einer Art Bollwerk verteidigt, das „Fraccia“ genannt wurde (im Stil der größeren Stadtmauer von Bellinzona). Diese


LOCARNO

Mauer befand sich östlich von Muralto und verlief vermutlich fast parallel zum Lauf des Flusses Verzasca am Ende des Ticino-Tals. In Locarno ist die erste Burg aus dem Jahr 866 dokumentiert. Das heute sichtbare Visconti-Schloss, das sich am südwestlichen Stadtrand in der Nähe des Flusses Maggia befindet, ist wahr-

scheinlich ein Umbau der antiken Befestigungen der Orelli aus dem 12. Jahrhundert. Als Herzog Filippo Maria Visconti die Rusca aus dem Gebiet Sottoceneri vertrieb und Franchino das zur Grafschaft erhobene (1439) Lehnsgut Locarno übertrug, wurde die Burg Sitz des Grafenhofes. Neben der Herrschaftsresidenz der Familie Rusca gab

Ambrogio Annoni, Giorgio Lombardi: Das Schloss von Locarno, 1912

Heilige zu Pferd für die adligen Rusca: San Vittore a Muralto Einer der bedeutendsten Überreste des Schlosses von Locarno ist in den Glockenturm der Kirche San Vittore in Muralto eingemauert. Der als Reiter dargestellte Mailänder Heilige war wie alle Kriegerheiligen (Heiliger Georg, Heiliger Martin, Heiliger Mauritius usw.) dem Adel besonders teuer, aber auch der heilige Schutzpa-

tron der Pfarrei Locarno, die sich in Muralto befand. Das Relief entstand auf Wunsch von Franchino Rusca, der zwischen 1460 und 1462 mit der Realisierung den Künstler Martino Benzoni beauftragte (aktiv zwischen 1446 und 1492, auch beteiligt am Bau des Mailänder Doms).

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Gebirgspanorama im Hintergrund einer Flucht aus Ägypten In der nach einer Erscheinung der Heiligen Jungfrau (1480) auf einem Felsausläufer oberhalb von Locarno errichteten Wallfahrtskirche Madonna del Sasso in Orselina sind einige hervorragende Werke aus der lombardischen Renaissance erhalten. Zu sehen sind zwei Holzskulpturen zum Thema der Passion Christi – eine Marienklage eines Meisters aus Santa Maria Maggiore (vor 1485) und eine Pietà der Mailänder Schnitzer De Donati (um 1505-1510) sowie eine Verkündigung von Bernardino de’ Conti (um 1522). Aber das unumstrittene Meisterwerk von Orselina ist die Flucht aus Ägypten von Bartolomeo Suardi, genannt Bramantino (um 1510-1515). Der Ursprung des Gemäldes ist nicht erwiesen, allerdings muss es bei der Diözese von Como bekannt gewesen sein, da es schon sehr früh von Bartolomeo da Ponte Tresa in der Kapelle Camuzio der Kirche Santa Maria degli Angeli in Lugano kopiert wurde. Im Hintergrund ragen zwischen Alpengipfeln verschwommen Zinnentürme in das Blau des Himmels. Bartolomeo Suardi (Bramantino): Flucht aus Ägypten, um 1510-1515. Orselina, Madonna del Sasso

es eine Burg, die unter direkter Kontrolle des Herzogs stand. Diese diente als Militärstützpunkt und verfügte über beachtliche Befestigungen, die sich bis zum Ort und zum Hafen erstreckten. Während die Herzöge verschiedene Architekten und Ingenieure kommen ließen, die auch an dem Bau des Schlosses in Mailand sowie jener in Bellinzona beteiligt waren, beauftragte Graf Franchino den Bildhauer Martino Benzoni mit der Dekoration seines Anteils an der Burg. Nach der Einnahme von Bellinzona durch die Schweizer (1500) wurde der Verteidigungscharakter des Komplexes wieder ausgeprägter und er wurde von den Franzosen um einen massiven Ravelin mit Bossenwerk erweitert. Der endgültige Übergang von Locarno an die Kantone kündigte hingegen den 240

Niedergang der Festung an. Im Jahr 1513 wurde der Abriss des Verteidigungssystems beschlossen. Diesem Eingriff fielen auch über zwei Drittel der Burg zum Opfer und nur der Teil des Palastes der Rusca blieb verschont. Von 1513 bis 1798 ließen sich in dem verbliebenen Teil Landvögte (Vertreter der Zentralregierung) nieder und seit 1920 ist das Gebäude Sitz des städtischen und archäologischen Museums. Nähert man sich der Burg über die Via Bernardino Luini, kann man die Überreste der Hafenbefestigung sehen. Zwischen den Ruinen erhebt sich die Fassade des Palazzo Rusca mit eleganten zweibogigen Fenstern (die beiden mittleren ähneln jenen des ViscontiFlügels der Burg von Angera) und links einem vorspringenden Bau (antiker viereckiger Turm), ebenfalls mit


Ravelins (heute erdrückt von modernen Wohnhäusern), während die Reste des einst beeindruckenden Hauptturms San Vittore (mit dem die Burg oberhalb des Ortes in nördlicher Richtung abschloss) unter den Häusern an der Kreuzung zwischen der Via Bartolomeo Rusca und der Via San Francesco begraben sind. Geht man die letztgenannte Straße entlang und biegt dann in die Via Ripa Canova ein, kann man den einzigen erhaltenen Hauptturm bewundern.

LOCARNO

einem zweibogigen Fenster. Rechts hinauf geht man unter einem Rundbogen mit einem Wappen der Visconti hindurch in die Via al Castello. Diese führt an der langen Fassade des Palazzo Casorella (letztes Viertel des 16. Jahrhunderts) entlang und hinter einer Nadelkurve gelangt man durch ein Portal mit Architrav in den Hof. Die Loggien und Bogengänge sind mit Holzdecken ausgestattet, die eine der bedeutendsten Charakteristiken des Komplexes darstellen. An den Wänden sind die Wappen der Landvögte abgebildet, während an den Kapitellen und den Segmenten der Kastendecken die Embleme der Rusca und der mit diesen verwandten Familien prangen (ursprünglich gab es 138 Wappen im Bogengang). Unter den Loggien und im Hof sind Fragmente von Skulpturen aus der Renaissance zu sehen, von denen einige aus der zerstörten Kirche San Francesco stammen. Am Absatz der Treppe, die in das Obergeschoss führt, ist ein Gemälde aus der Renaissance erhalten. Es zeigt die Madonna auf dem Thron zwischen den Heiligen Hieronymus, Franziskus von Assisi, Katharina von Alexandrien und der selig gesprochenen Beatrice Casati Rusca (Ehefrau von Franchino, die 1490 in einer Aura von Heiligkeit starb), die den Sohn Johannes vorzeigt (gestorben 1508). Das Werk ist vermutlich auf das Ende des 15. Jahrhunderts datierbar und wurde von einem Maler geschaffen, der auch in Pallanza aktiv war und als Giovanni Antonio da Montonate identifiziert wurde. Im Obergeschoss befinden sich der lange Audienzsaal (mit gotisch anmutenden Doppelportalen), der Empfangssaal und ein Korridor. Auch diese Räume haben Holzdecken mit eleganten Schnitzereien, realisiert vermutlich um 1505 von Giacomino Malacrida aus Como. Auf dem Rückweg von der Burg zum Ort sieht man am Ende der Via al Castello die Überreste des massiven

Hauptturm des Schlosses, Locarno

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DIE SCHLÖSSER IN CANNERO

GEMEINDE: Cannero Riviera (Verbano Cusio Ossola) TYP: Burg DYNASTIEN: Borromeo ERHALTUNGSZUSTAND: teilweise erhalten HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau

Schloss auf der größten Insel, Cannero Riviera

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Die Schlösser befinden sich auf zwei Inseln, wenige Hundert Meter vom Ufer entfernt, leicht nördlich von der Ortschaft Cannero. Obwohl sie für gewöhnlich im Plural benannt werden, sind die beiden Gebäude eigentlich Teile ein und derselben Festung, die sich in einen Burgbau mit einer Fläche von ca. 2000 Quadratmetern und einen sekundären Hauptturm zum Schutz der Burg gliedert. Der Turm befindet sich auf der kleineren der zwei Inseln. Der jüngst einem ersten Restaurationszyklus unterzogene Komplex wirkt noch immer wie eine romantische Ruine, die aus dem Wasser zu ragen scheint. Wenn man den Kom-

plex vom Seeufer betrachtet oder gar die Gelegenheit hat, sich mit einem Boot zu nähern, bleibt dieser besondere Charme niemandem verborgen. Eben dieser Charme faszinierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch die im Exil lebende Ehefrau des Königs von England, Georg IV, Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel, die darauf hoffte (allerdings erfolglos), sich in jenen malerischen Überresten ihre Residenz einzurichten. Die Existenz einer Burg auf der größeren der beiden Inseln ist erstmalig vier Jahrhunderte vor diesem Zeitpunkt dokumentiert. Vor dem Hintergrund des schweren Konflikts, der nach dem Tod von Herzog Gian Galeazzo Visconti (1402) in dieser Gegend zwischen Guelfen und Gibellinern ausgetragen wurde, beschlossen die mächtigen Brüder Mazzarditi aus Canobbio (die zu den Anführern der Gibelliner zählten), hier eine Festung zu errichten, als Zuflucht für Gefolgsleute und Kerker für gefangen genommene Feinde. Gezwungen oder aus Überzeugung, beteiligten sich auch die Einwohner aller umliegenden Ortschaften an dem Unterfangen und ein


CANNERO RIVIERA

Teil der Baumaterialien konnte von den zerstörten Häusern der Feinde gewonnen werden. Allen voran wurde der Palazzo der Guelfen Mantelli aus Canobbio abgerissen, der die besten Steine für das Bauvorhaben lieferte. Dieser erste, „Castello della Malpaga“ genannte Bau, der vermutlich nur aus einem Turm mit einer Verteidigungsmauer bestand, hatte jedoch kein langes Leben. Bereits im Jahr 1414 wurde er von einem Heer des Herzogs Filippo Maria Visconti zerstört, als es diesem gelang, die Kontrolle über das Seegebiet zurückzuerobern. Der Turm wurde nicht wieder aufgebaut und in der heutigen Zeit bleibt von ihm leider keine Spur. Der heute sichtbare Komplex hat keinerlei Bezug zu der einstigen Festung der Mazzarditi, sondern entstand auf Initiative der Familie Borromeo, die in der Zeit von Herzog Filippo Maria begann, sich an dem zum Piemont gehörenden Seeufer ihren Einflussbereich aufzubauen. Auch die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts, in denen die neue Festung der Borromeo errichtet wurde, waren noch von schweren Konflikten geprägt, die dieses Mal auch die größten Mächte Europas einbezogen und schließlich zur Unabhängigkeit des Herzogtums Mailand führten. Graf Ludovico Borromeo, ein treuer Anhänger des Königs von Frankreich Ludwig XII und Initiator des Bauvorhabens, mischte sich an der Seite der Franzosen schon bald in den Konflikt ein. Ludovico wendete sich an die Schweizer und traf auch bei diesen auf ein offenes Ohr. Im Jahr 1518 wurde er als Bürger von Luzern und Bern anerkannt und im Jahr darauf flüchtete er, nachdem der französische Gouverneur von Mailand versucht hatte, ihn zu vergiften, nach Locarno, das inzwischen Territorium der Eidgenossen geworden war. Von dort plante Borromeo in Kooperation mit seinen Schweizer Vertrauten den Bau der neuen Burg, die nördlich seiner Herrschaftsgebiete auf den Inseln bei Cannero errichtet werden sollte. Aus militärischer Sicht war

dieser Standort ausgesprochen strategisch und lag außerdem nah an den Ländereien seiner Besitzer. Die Festung wurde nach dem Stammvater der Dynastie Vitaliana benannt, ab 1520 zügig erbaut und war schon 1522 bereit, einen ersten Übergriff abzuwehren. Dieser Übergriff kam aber nicht von den Franzosen, mit denen sich Ludovico in der Zwischenzeit wieder versöhnt hatte, sondern von den kaiserlichen Truppen von Karl V, die bereits in Angera und Arona die Verteidigung der Borromeo durchbrechen konnten. Die Versuche der Kaisertruppen, die Burg Vitaliana zu besetzen, blieben bis 1524 fruchtlos, was die Uneinnehmbarkeit des Komplexes belegt. Dieser erste ruhmreiche Augenblick der Festung sollte allerdings auch ihr letzter sein. Sie wurde nie zur Residenz umgebaut und behielt auch in den folgenden Jahrzehnten ihre rein militärische Funktion, ohne jedoch jemals wieder die Bedeutung zu erlangen, die sie zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte. Bereits 1570 wird sie in einer Bestandsaufnahme jener Zeit als verfallen dokumentiert und auch die Ausstattung mit Waffen und Artillerie schien zu diesem Zeitpunkt gering zu sein. Die Burg Vitaliana blieb stets im Besitz der Borromeo. In den folgenden Jahrzehnten wurden einige wenige Instandhaltungsmaßnahmen ergriffen aber ihre Erbauer und Besitzer schienen zunehmend das Interesse an dem Komplex zu verlieren, sodass sich nach einiger Zeit zwischen den verfallenen Bauten sogar Banditen und Fälscher einzunisten begannen. Die Ruinen der Festung sind jedoch bis zum heutigen Tag beeindruckend, insbesondere in dem am meisten verstärkten Bereich, dem Burgfried an der Nordseite der größeren Insel, der wahrscheinlich auch den ersten Kern des Komplexes darstellte. Den Burgfried schützen massive Rundtürme, während sich an der Südseite, wo einst die Garnisonen untergebracht waren, zwei Türme mit viereckigem Grundriss erheben. 243


Nützliche Informationen In diesem Bereich finden Sie alle Sehenswürdigkeiten, alphabetisch geordnet nach Provinzen und Gemeinden, mit der jeweiligen Adresse, Telefonnummer, E-MailAdresse und Webseite inklusive Kontaktdaten eventueller weiterer Ansprechpartner vor Ort. Darüber hinaus finden Sie Informationen über die aktuelle Nutzung und die Zugangsmöglichkeiten. Der Hinweis „Besichtigung möglich“ unter „Zugang“ gilt auch für Rollstuhlfahrer, sofern nicht anders angegeben.

Unter www.castellidelducato.eu finden Sie das vollständige Schriftenverzeichnis, auf das auch bezüglich eventueller Aktualisierungen der nützlichen Informationen verwiesen wird.

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PROVINZ MAILAND Abbiategrasso Schloss in Abbiategrasso Piazza Castello 9 Tel. +39 02 94692454, für Besichtigungen wenden Sie sich bitte an Pro Loco (Mobiltel. +39 328 0637390) www.comune.abbiategrasso.mi.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz der Stadtbibliothek Romeo Brambilla, der Tourismusagentur, des Verbands Pro Loco und der Stiftung für die Förderung der Region ZUGANG: Besichtigung während der Öffnungszeiten der Bibliothek möglich. Außerordentliche Öffnungszeiten: jeden ersten Sonntag im Monat (außer in den Monaten Januar, Juli, August und Dezember) auf Anfrage bei Pro Loco. Besichtigungstermine für Gruppen von mindestens 15 Personen auf Anfrage WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Abbiategrasso Tel. +39 02 94692464 info@prolocoabbiategrasso.org www.prolocoabbiategrasso.org Büro für Kultur und Tourismus der Gemeinde Abbiategrasso / Ufficio Cultura e Turismo del Comune di Abbiategrasso Tel. +39 02 94692220/92/95 Stiftung für die regionale Förderung / Fondazione per la Promozione dell’Abbiatense Tel. +39 02 94692468/58 fondazione@comune.abbiategrasso. mi.it www.fondazioneabbiatense.org Binasco Schloss in Binasco Via Matteotti Tel. +39 02 9057811 binasco@tin.it info@comune.binasco.mi.it www.comune.binasco.mi.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Rathaus ZUGANG: Besichtigung möglich (während der Öffnungszeiten des Rathauses) WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Mailand / IAT Informazione Accoglienza Turistica Milano 246

Tel. +39 02 77404343 turismo@provincia.milano.it www.visitamilano.it Cusago Schloss in Cusago Piazza Soncino 1 HEUTIGE NUTZUNG:

Monumentalbau, Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich www.comune.cusago.mi.it WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Cusago Mobiltel. +39 349 3108542 info@prolococusago.org www.prolococusago.org Mailand Castello Sforzesco Piazza Castello 1 Tel. +39 02 88463700 c.serviziocastello@comune.milano.it www.milanocastello.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum, Bibliothek und Galerie ZUGANG: Besichtigung möglich (für Besucher mit Körperbehinderungen nur teilweise zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Mailand / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Milano Tel. +39 02 77404343 turismo@provincia.milano.it www.visitamilano.it

PROVINZ NOVARA Caltignaga Schloss in Caltignaga HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich www.comune.caltignaga.no.it WEITERE ANSPRECHPARTNER: ATL Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it Castelletto sopra Ticino Schloss in Castelletto Vicolo Garibaldi 33

HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro

Loco Castelletto Ticino Mobiltel. +39 349 0090145 ATL - Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it Divignano Schloss in Divignano Nahe Piazza Matteotti www.comune.divignano.no.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz), Möbelhaus ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: ATL Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it Fontaneto d’Agogna Schloss in Fontaneto Piazza Castello www.comune.fontaneto.no.it HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich (auf Anfrage in der angrenzenden Pfarrei kann der Hof besichtigt werden) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Fontaneto d’Agogna Mobiltel. +39 335 7291284


info@prolocofontaneto.it www.prolocofontaneto.it ATL - Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it Galliate Schloss in Galliate Piazza Vittorio Veneto Tel. +39 0321 800763 sociocult@comune.galliate.no.it www.comune.galliate.no.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz der Stadtbibliothek, des Museums für zeitgenössische Kunst Angelo Bozzola und des Museums Sala Museo Achille Varzi ZUGANG: Besichtigung möglich nach Reservierung oder sonntags mit Führung (Kontakt: Ufficio Cultura, Tel. +39 0321 800763); zugänglich für Rollstuhlfahrer, außer dem Museum für zeitgenössische Kunst Angelo Bozzola WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Galliate / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Galliate Tel. +39 0321 864897 sociocult@comune.galliate.no.it ATL - Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it Invorio Torre viscontea Via XX Settembre 1 www.comune.invorio.no.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz) ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Invorio Tel. +39 0322 259324 Mobiltel. +39 333 8339787 stefanettiwalter@gmail.com ATL - Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione

Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it Massino Visconti Schloss der Visconti di San Vito Via Visconti 2 www.castellomassinoviscontidisanvito.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz), Veranstaltungsort ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Massino Visconti Tel. +39 0322 19713 info@massinovproloco.it www.massinovproloco.it Tourismuszentrum der Seen, Berge und Täler in Ossola / Distretto Turistico dei Laghi, Monti e Valli d’Ossola Tel. +39 0323 30416 infoturismo@distrettolaghi.it www.distrettolaghi.it Novara Schloss der Visconti-Sforza in Novara Piazza Martiri della Libertà www.castellodinovara.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau ZUGANG: Besichtigung nicht möglich (derzeit werden Restaurierungsarbeiten abgeschlossen) WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Novara / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Novara Tel. +39 0321 331620 iatturismo@comune.novara.it www.turismonovara.it

PROVINZ PAVIA Bereguardo Schloss in Bereguardo Via Castello 2 Tel. +39 038 2930362 info@comune.bereguardo.pv.it www.prolocobereguardo.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Rathaus, Sitz der Stadtbibliothek, Wohngebäude ZUGANG: Besichtigung auf Anfrage möglich (bitte wenden Sie sich an die Gemeinde) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Bereguardo Mobiltel. +39 338 2011127 info@prolocobereguardo.it www.prolocobereguardo.it Cassolnovo Schloss in Villanova di Cassolnovo Ortsteil Villanova HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Agrarbetrieb, Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Cassolnovo Mobiltel. +39 335 5471391 (Domenico Vitale) emily-star@hotmail.it IAT - Tourismusbüro Pavia / IAT Informazione Accoglienza Turistica Pavia Tel. +39 038 2079943 turismo@provincia.pv.it www.provincia.pv.it

Oleggio Stadtmauer von Oleggio Besichtigung an einigen Stellen der Ortschaft möglich (in der Nähe der Via Pozzolo) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Oleggio Mobiltel. +39 335 7670922 aldospalatino@virgilio.it ATL - Agentur für Tourismus und lokale Tourismusförderung der Provinz Novara / Agenzia di Accoglienza e Promozione Turistica Locale Provincia di Novara Tel. +39 0321 394059 info@turismonovara.it www.turismonovara.it 247


Gambolò Schloss in Gambolò Piazza Castello Tel. +39 038 1938256, +39 038 1930781 assarcheolom@libero.it www.comune.gambolo.pv.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz öffentlicher Einrichtungen, Stadtbibliothek Gemma Biroli, Archäologisches Museum Lomellino ZUGANG: Besichtigung möglich (während der Öffnungszeiten des Museums), für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Gambolò Mobiltel. +39 320 6211104 info@prolocogambolo.it www.prolocogambolo.it IAT - Tourismusbüro Pavia / IAT Informazione Accoglienza Turistica Pavia Tel. +39 038 2079943 turismo@provincia.pv.it www.provincia.pv.it Pavia Visconti-Schloss in Pavia Viale XI Febbraio 35 Tel. +39 038 233853 museicivici@comune.pv.it www.museicivici.pavia.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Stadtmuseum und Ausstellungsort ZUGANG: Besichtigung möglich (Zugang für Besucher mit Körperbehinderung am Vordereingang) WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Pavia / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Pavia Tel. +39 038 2079943, +39 038 2597001 turismo@provincia.pv.it www.provincia.pv.it Infopoint Castello Visconteo, Tel. +39 038 233853, +39 038 2304816 Vigevano Schloss der Visconti-Sforza in Vigevano Piazza Ducale Tel. +39 038 1691636 (Infopoint) gdegliagosti@comune.vigeva-no.pv.it infopointcastello@comune.vigeva no.pv.it www.comune.vigevano.pv.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumental248

bau, Sitz des Internationalen Schuhmuseums, Pinakothek, Ausstellungsräume ZUGANG: Besichtigung möglich Rocca Vecchia Eingänge an der Piazza Ducale (Schloss der Visconti-Sforza) und in der Via Rocca Vecchia Tel. +39 038 1691636 (Infopoint) gdegliagosti@comune.vigeva-no.pv.it www.comune.vigevano.pv.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau ZUGANG: Besichtigung möglich Palazzo Sanseverino Corso Repubblica 21 Besichtigung auf Anfrage unter folgenden Nummern: +39 335 6188431, +39 038 120129 HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung auf Anfrage jeden ersten Montag des Monats (10.00-13.00 Uhr und 15.00-18.00 Uhr) sowie während der Kulturwoche (Settimana della Cultura). Im angrenzenden Restaurant Tastevin gibt es einen Saal mit Freskenmalereien (Besichtigun auf Anfrage 10.0012.00 Uhr und 18.00-19.00 Uhr, Tel. +39 038 1694570) WEITERE ANSPRECHPARTNER:: IAT Tourismusbüro bei Pro Loco Vigevano / IAT - Informazione Accoglienza Turistica presso Pro Loco Vigevano Tel. +39 038 1690269 iat@comune.vigevano.pv.it www.iatprolocovigevano.it

SCHWEIZ Bellinzona Castelgrande Tel. +41 (0)91 8258145 info@bellinzonaturismo.ch www.bellinzonaturismo.ch HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz des Historischen Kunstmuseums und des Historisch-Archäologischen Museums, Ausstellungsort ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nur teilweise zugänglich)

Burg Montebello tel. +41 (0)91 8251342 info@bellinzonaturismo.ch www.bellinzonaturismo.ch HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Sitz des Archäologischen Stadtmuseums ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nur teilweise zugänglich) Burg Sasso Corbaro Tel. +41 (0)91 8255906 info@bellinzonaturismo.ch www.bellinzonaturismo.ch HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum und Ausstellungsort ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nur teilweise zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER:

Bellin-

zona Turismo e Eventi Tel. +41 (0)91 8252131 info@bellinzonaturismo.ch www.bellinzonaturismo.ch Giornico Kirche Santa Maria del Castello 6745 Giornico Tel. +41 (0)91 8641321 (Besichtigung der Kirche auf Anfrage bei der Pfarrei Giornico) www.giornico.ch/santa-maria-delcastello HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau ZUGANG: Besichtigung möglich (nicht zugänglich für Rollstuhlfahrer. Bei Schnee Zugang beeinträchtigt) Torre d’Attone 6745 Giornico www.giornico.ch/torre-dattone HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau ZUGANG: Besichtigung nicht möglich (derzeit werden Restaurierungsarbeiten durchgeführt)


WEITERE ANSPRECHPARTNER: Leventi-

na Turismo Tel. +41 (0)91 8691533, +41 (0)91 8692642 info@leventinaturismo www.leventinaturismo.ch Locarno Visconti-Schloss in Locarno Piazza Castello 2 Tel. +41 (0)91 7563170/80 servizi.culturali@locarno.ch www.locarno.ch HEUTIGE NUTZUNG : Monumentalbau, Sitz des Archäologischen Stadtmuseums ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nur teilweise zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Tourismusbüro Lago Maggiore / Ente Turistico Lago Maggiore Tel. +41 (0)91 7910091 info@ascona-locarno.com www.ascona-locarno.com Vico Morcote Schloss in Morcote Landwirtschaftlicher Betrieb Arbostora / Azienda Agricola Arbostora Strada al Castel 27 Tel. +41 (0)91 9802414 arbostora@bluewin.ch www.castellodimorcote.com www.alpe-vicania.ch HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Privatbesitz) ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Morcote Turismo Tel. +41 (0)58 8664960 morcote@lugano-tourism.ch www.promorcote.ch Lugano Turismo tel. +41 (0)58 8666600 info@luganoturismo.ch www.luganotourism.ch

PROVINZ VARESE Albizzate Schloss in Albizzate Via Privata Castello HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz,

ehemalige Spinnerei (zum Teil zerstört, Gemeindeeigentum) ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Albizzate Mobiltel. +39 338 6004823 info@prolocoalbizzate.com www.prolocoalbizzate.it Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it Angera Rocca Borromeo Via alla Rocca Tel. +39 0331 931300 roccaborromeo@isoleborromee.it www.borromeoturismo.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Puppen- und Spielzeugmuseum ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nicht zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Angera / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Angera Tel. +39 0331 960256 iat.angera@provincia.va.it Azzate Villa Bossi Zampolli Via Castello 48 HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Azzate Tel. +39 0332 459694 info@proazzate.org www.proazzate.org Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it

WEITERE ANSPRECHPARTNER:

Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it

Cassano Magnago Schloss in Cassano Magnago Piazza della Repubblica HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Cassano Magnano Mobiltel. +39 346 7467782 posta@prolococassanomagnago.it www.prolococassanomagnago.it Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it Catiglione Olona Stiftskirche / Collegiata Via Cardinal Branda 1 Tel. +39 0331 858903 info@museocollegiata.it www.museocollegiata.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum der Stiftskirche ZUGANG: Besichtigung möglich (derzeit werden Rampen für Rollstuhlfahrer realisiert). Für die Teilnahme an einer geführten Besichtigung wenden Sie sich bitte an: archeologistics.it, Mobiltel. +39 328 8377206 info@archeologistcs.it www.archeologistics.it didattica@museocollegiata.it

Besozzo Palazzo Cadario und Palazzo Adamoli Via Giulio Adamoli 13, 15 HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Auf Anfrage kann der Palazzo Adamoli genannte Teil besichtigt werden (Anfragen an: Foderati di Val d’Elsa, Tel. +39 0331 783259) 249


Tel. +39 0331 850084 info@prolococastiglioneolona.it www.prolococastiglioneolona.it Cislago Schloss in Castelbarco Visconti Via Cavour HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Cislago Mobiltel. +39 348 5944384 p.zardoni@alice.it www.cislagoinsieme.it Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it

Schloss in Monteruzzo Via Monteruzzo 1 Tel. +39 0331 858974 info@castellodimonteruzzo.it castellodimonteruzzo.blogspot.it HEUTIGE NUTZUNG: Kongresszentrum, Stadtbibliothek ZUGANG: Besichtigung nicht möglich Corte del Doro Museum für Kunst aus Kunststoff / Museo di Arte Plastica Via Roma 29 Tel. +39 0331 858301 info@museoarteplastica.it www.museoarteplastica.it HEUTIGE NUTZUNG: Museum für Kunst aus Kunststoff / Museo di Arte Plastica ZUGANG: Besichtigung während der Öffnungszeiten des Museums möglich (derzeit werden Rampen für Rollstuhlfahrer realisiert) WEITERE ANSPRECHPARTNER:

IAT Tourismusbüro Castiglione Olona / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Castiglione Olona Tel. +39 0331 858301 iatcastiglioneolona@provincia.va.it Associazione Pro Loco Castiglione Olona

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Fagnano Olona Schloss in Fagnano Olona Piazza Cavour 9 Tel. +39 0331 616511, +39 0331 610202 HEUTIGE NUTZUNG: Rathaus, Niederlassung Pro Loco ZUGANG: Besichtigung auf Anfrage möglich (bitte wenden Sie sich an Pro Loco) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Fagnano Olona Tel. +39 0331 618124 presidente@proloco-fagnanoolona.org www.proloco-fagnanoolona.org Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it Induno Olona Schloss der Medici di Marignano Via Castiglioni, Ortsteil Frascarolo HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Induno Olona Mobiltel. +39 339 7109919 proloco.induno@alice.it Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it

Jerago con Orago Schloss in Jerago Via Castello 9, Ortsteil Jerago www.jerago.com HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz, Veranstaltungsort ZUGANG: Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it Orino Burg in Orino Wanderweg von der Via della Rocca HEUTIGE NUTZUNG: Privatresidenz, Veranstaltungsort ZUGANG: Nur bei Veranstaltungen geöffnet WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Orino Tel. +39 0332 630727 marteganicarlo@libero.it Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it Somma Lombardo Schloss Visconti di San Vito Piazza Scipione 2 Tel. +39 0331 256337 castellovisconti@libero.it www.castelloviscontidisanvito.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau, Museum, Sitz und Veranstaltungsort der Stiftung Visconti di San Vito ZUGANG: Besichtigung mit Führung möglich (für Rollstuhlfahrer nur teilweise zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: IAT Tourismusbüro Somma Lombardo / IAT - Informazione Accoglienza Turistica Somma Lombardo Tel. +39 0331 989095 t u r i s m o @ c o m u n e. s o m m a l o m bardo.va.it Tradate Schloss Pusterla Melzi Via Barbara Melzi 2 Tel. +39 0331 841155 istitutocanossiano@virgilio.it


HEUTIGE NUTZUNG: Sitz des Istituto Barbara Melzi delle Figlie della Carità Canossiane ZUGANG: Besichtigung auf Anfrage möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Tradate Tel. +39 0331 826833 (Mittwochs und Samstags 9.00-12.00 Uhr) prolocotradate@libero.it Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it

Varese, Masnago Schloss in Masnago Via Cola di Rienzo 42 Tel. +39 0332 820409 musei.masnago@comune.varese.it www.varesecultura.it HEUTIGE NUTZUNG : Monumentalbau, Städtisches Museum für Moderne Kunst ZUGANG: Besichtigung möglich (für Rollstuhlfahrer nur teilweise zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Tourismusbüro Varese Tel. +39 0332 281913, +39 0332 286056 iatvaresecitta@provincia.va.it www.varesecittagiardino.it Venegono Superiore Schloss in Venegono Superiore Via delle Missioni 12 Tel. +39 0331 865010 combonianivenegono@libero.it www.comboniani.org HEUTIGE NUTZUNG: Sitz des Istituto Missioni Africane di Daniele Comboni ZUGANG: Besichtigung auf Anfrage möglich (der Park ist ständig zugänglich) WEITERE ANSPRECHPARTNER: Tourismusagentur der Provinz Varese / Agenzia del Turismo della Provincia di Varese Tel. +39 0332 286163 agenzia@turismovarese.com www.vareselandoftourism.it

PROVINZ VERBANO, CUSIO UND OSSOLA

Vogogna Schloss Via del Castello

Cannero Riviera Schlösser in Cannero Inseln Cannero Riviera HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau ZUGANG: umfahrbare Inseln WEITERE ANSPRECHPARTNER: Pro Loco Cannero Tel. +39 0323 788943 (geöffnet: März bis Oktober) proloco@cannero.it www.cannero.it Tourismuszentrum der Seen, Berge und Täler in Ossola / Distretto Turistico dei Laghi, Monti e Valli d’Ossola Tel. +39 0323 30416 infoturismo@distrettolaghi.it www.distrettolaghi.it

HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau,

Domodossola Sacro Monte Calvario Borgata Sacro Monte Calvario 5 Tel. +39 0324 241976 riserva@sacromontedomodossola.it www.sacromontedomodossola.it HEUTIGE NUTZUNG: Monumantalbau (Überreste der Burg befinden sich in den oberen Gärten des Sacro Monte Calvario) ZUGANG: Besichtigung möglich (teilweise zugänglich). Für die Besichtigung des Komplexes Sacro Monte Calvario konsultieren Sie bitte die Webseite oder wenden Sie sich an die Cooperativa Valgrande, Mobiltel. +39 340 0505707

Ausstellungsort ZUGANG: Besichtigung

möglich (nicht zugänglich für Rollstuhlfahrer, die Hindernisse werden jedoch derzeit beseitigt) Burg Erreichbar über einen Naturpfad, der im historischen Ortskern beginnt, oder von der Ortschaft Genestredo HEUTIGE NUTZUNG: Monumentalbau (Ruine) ZUGANG: Besichtigung möglich (für Besucher mit Körperbehinderungen nicht zugänglich) Tel. +39 0324 87200 municipio@comune.vogogna.vb.it www.comune.vogogna.vb.it WEITERE ANSPRECHPARTNER: Tourismuszentrum der Seen, Berge und Täler in Ossola / Distretto Turistico dei Laghi, Monti e Valli d’Ossola Tel. +39 0323 30416 infoturismo@distrettolaghi.it www.distrettolaghi.it

Turm und Stadtmauer Turm: Via Filippo Beltrami 15 Stadtmauer: Abschnitte in der Via Monte Grappa und der Via Facchinetti HEUTIGE NUTZUNG: Im Turm: Bar Strabilia 2 (antike Fresken sichtbar) und das Restaurant Luigi XIV ZUGANG : Besichtigung nicht möglich WEITERE ANSPRECHPARTNER:

Pro Loco Domodossola Tel. +39 0324 248265 info@prodomodossola.it www.prodomodossola.it

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Bildquellenverzeichnis

Archivio di Stato, Milano; Archivio fotografico Agenzia Turistica della Provincia di Novara; Archivio fotografico dell’Ente di Gestione dei Sacri Monti. Riserva Speciale del Sacro Monte Calvario di Domodossola. Fotografia di Antonio Maniscalco; Archivio Storico Civico e Biblioteca Trivulziana, Milano copyright ©Comune di Milano - alle Rechte vorbehalten; Umberto Barcella; Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University, New Haven; Bellinzona Turismo; Manuele Benaglia; Biblioteca estense universitaria, Modena; Biblioteca Nazionale Braidense; Bibliothèque du Musée Condé, Chantilly; Bibliothèque nationale de France, Parigi; Pino Brioschi; Fiorenzo Cantalupi; Franco Canziani copyright ©SIAF CNA Varese; Castello Sforzesco, Milano copyright ©Comune di Milano – alle Rechte vorbehalten; Castello Visconteo-Sforzesco, Vigevano; Gianni Cattagni; Giovanni Cavajoni; Città di Bellinzona; Civica Raccolta delle Stampe Achille Bertarelli, Milano ©Comune di Milano - alle Rechte vorbehalten; Civico Archivio Fotografico, Milano; Paola Comelli; Giovanni Dall’Orto; Nino De Angelis; Renzo Dionigi; Erich Lessing Culture and Fine Arts Archives; Fondazione Vivi Papi; Fototeca dei Musei Civici di Pavia; Stefano Gusmeroli; Historisches Museum, Luzern; Korporationsgemeinde der Stadt Luzern, Luzern; Kupferstichkabinett, Berlin; Paolo Liaci; Marka, Yoko Aziz; Marka, Korzhenko Dariya; Marka, Danilo Donadoni; Marka, KlausGerhard Dumrath; Marka, Christian Goupi; Marka, Kunz Rolf E.; Marka, Giovanni Mereghetti; Graziella Martino copyright ©SIAF CNA Varese; Roberto Mascaroni; Werner Morelli; Musei Civici di Varese (Foto Massimo Alari); Museo Archeologico Lomellino, Gambolò; Museo d’Arte Antica, Milano; Museo del Paesaggio, Verbania Pallanza; Museo della Collegiata, Castiglione Olona; National Gallery of Art, Washington; Toni Nicolini; Piero Orlandi; Österreichischen Nationalbibliothek, Wien; Massimo Pacciorini; Daniele Pasini; Bruno Pellandini (bruno.pellandini@bluewin.ch); Giacomo Perolini; Pinacoteca del Castello Sforzesco, Milano; Pinacoteca di Brera, Milano; Polo Museale Napoletano (Museo Nazionale di Capodimonte), Neapel; Raccolte d’Arte Applicata, Milano copyright ©Comune di Milano - alle Rechte vorbehalten; Sergio Trippini Stampe Antiche (www.trippini.it); Mario Tagni; Giorgio Telloli; Ivana Teruggi; Silvia Teruggi; The British Library, Londra; The Metropolitan Museum of Art, New York; The Royal Collection, Windsor; Marco Tirelli (fonte: Comuni-Italiani.it); Veneranda Biblioteca Ambrosiana, Milano; Giancarlo Vettore; Zentralbibliothek, Zurigo; Alfonso Zirpoli.

Bezüglich der Vervielfältigungsrechte erklärt sich der Herausgeber bereit, die eventuellen Ansprüche auf Bilder, deren Quelle nicht nachweisbar ist, zu regeln.

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Ein herzliches Dankeschön an alle Gemeinden, Behörden sowie alle privaten und öffentlichen Schlossverwaltungen für das zur Verfügung gestellte Bildmaterial, insbesondere: Agenzia del Turismo della Provincia di Varese; Agenzia Turistica Locale della Provincia di Novara; Associazione Masolino da Panicale, Castiglione Olona; Bellinzona Turismo; Castello di Besozzo; Castello di Jerago; Castello di Vico Morcote; Città di Bellinzona; Civico Museo d’Arte Moderna e Contemporanea, Varese; Comune di Abbiategrasso; Comune di Angera; Comune di Azzate; Comune di Bereguardo; Comune di Cassano Magnago; Comune di Castelletto sopra Ticino; Comune di Castiglione Olona; Comune di Cusago; Comune di Divignano; Comune di Domodossola; Comune di Fontaneto d’Agogna; Comune di Giornico; Comune di Orino; Comune di Somma Lombardo; Comune di Vogogna; Distretto Turistico dei Laghi, Monti e Valli d’Ossola; Ente di Gestione dei Sacri Monti. Riserva Speciale del Sacro Monte Calvario di Domodossola; ErrePi Organizzazione Eventi, Massino Visconti; Fondazione Castello di Novara; Fondazione Visconti di San Vito; Istituto Barbara Melzi delle Figlie della Carità Canossiane, Tradate; Istituto Missioni Africane di Daniele Comboni, Venegono Superiore; Leventina Turismo; Musei Civici, Pavia; Museo Archeologico Lomellino, Gambolò; Museo della Collegiata, Castiglione Olona; Pro Loco Abbiategrasso; Pro Loco Azzate; Pro Loco Fagnano Olona; Pro Loco Massino Visconti; Rocca di Orino; Sergio Trippini Stampe Antiche (www.trippini.it); Servizio Teatro, Turismo, Eventi, Musei, Castello e Spazi del Centro Storico del Comune di Vigevano; Settore Cultura, Turismo, Innovazione Tecnologica, Politiche della Scuola, Giovani e Pari Opportunità della Provincia di Pavia; Settore Turismo della Provincia di Milano; Studio BBP, Vigevano; Union Service, Besozzo; Unione degli Industriali della Provincia di Varese.

253


Druckschluss August 2012


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