Routen des
Barcelona. Güell Park.
Modernismus
Der Modernismus in Katalonien
In Katalonien versteht man unter dem generischen Namen Modernismus eine umfassende, künstlerische Bewegung, die sich in den letzten Jahrzehnten des 19. und ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelte. Ziel dieser Bewegung war es, das figurative Repertoire, die architektonische Typologie und die traditionellen Dekorationselemente zu aktualisieren, um sie an die neuen Techniken und industriellen Materialien und an die moderne Sensibilität anzupassen. Ihre Blütezeit erreichte die Bewegung um 1900, als sie das Erscheinungsbild einer dekorativen Mode annahm, die auf geschwungenen, asymmetrischen Linien und bunten, blumenartigen Verzierungen basierte, die sowohl die Architektur als auch die dekorativen und angewandten Künste kennzeichneten. Es wurden Objekte aus Glas, Keramik, Eisen und anderen Metallen gestaltet, und auch Möbel und andere Bereiche des Designs wie die Schmiedekunst, die Plakatmalerei und die Typographie waren betroffen. Ganz Europa durchlebte in dieser Zeit vor dem Ersten Weltkrieg eine glanzvolle Zeit, die Belle Époque, die von wissenschaftlichem und technischem Optimismus, von relativem wirtschaftlichen Reichtum, von einer großen Kreativität in Kunst und Kultur (dem Symbolismus in der Literatur, dem Wagnerismus in der Musik, dem Einfluß Nietzsches in der Philosophie) und von starker sozialer Unruhe geprägt war. Parallele Bewegungen zum katalanischen Modernismus sind unter folgenden Bezeichnungen bekannt: Art Nouveau in Frankreich und Belgien, Modern Style in England und den USA, Sezession in Österreich und Böhmen, Jugendstil in Deutschland und Liberty in Italien. Der katalanische Modernismus besitzt seine eigene Persönlichkeit, er ist sehr vielfältig und gehört in vielen Aspekten zur Avantgarde der Epoche, wobei er gleichzeitig eine nationale Kunst ist, die in enger Verbindung mit einem politischem Projekt, dem Katalanismus, steht. Diese Bewegung zur Zurückforderung und Erhaltung der eigenen Sprache und Kultur, die nach ihrer Blütezeit im Mittelalter in Verfall geraten war, begann auf literarischem Gebiet unter dem Namen Renaixença und setzte sich in der Kunst, in der Historiographie und in der Politik fort. Sie bestand zeitgleich mit einem Moment sozioökonomischen Fortschritts, der Festigung des industriellen Kapitalismus und politischer Stabilität, was der Bourgeoisie des Landes einen idealen Rahmen für Investition und Wachstum bot. Es entstanden Industrieansiedlungen, Eisenbahnnetze und Landwirtschaftskooperativen, vor allem im Bereich des Weinbaus, und die Städte wuchsen auf spektakuläre Weise. Ein modellhaftes Beispiel für dieses Wachstum ist Barcelona, wo eine große Stadterweiterung stattfand, durch die das Viertel Eixample (Erweiterung) entstand. Entsprechend seinem nationalen Charakter wurde der Modernismus mit zahlreichen entsprechenden Referenzen, Charakterzügen oder Symbolen angereichert. Dazu zählten zum Beispiel in der Architektur die Benutzung von Formen oder Motiven, die man historischen Stilen oder der volkstümlichen Kunst entnahm, oder auch die ständige Präsenz des katalanischen Wappens oder des Schutzpatrons des Landes, des heiligen Georg (Sant Jordi), mit der ganzen kämpferischen Kraft, die seine Legende umgibt. Aber gleichzeitig wollte der Modernismus auch eine moderne Kultur in Übereinstimmung mit Europa erschaffen. Diese Haltung spiegelte sich in den zahlreichen Anspielungen auf die nordische Architektur und im technischen Fortschritt wider, der neue Materialien wie Blatteisen, industrielles Glas und Beton brachte und die Perfektionierung der traditionellen Ziegelkonstruktionen.
Barcelona. Casa Batlló.
Gaudí und andere herausragende Persönlichkeiten Sowohl in der Architektur als auch im Design hebt sich zweifelsohne vor allem der sehr originelle und geniale Gaudí ab, der aus den engen Grenzen mit einem Werk ausbrach, dessen charakteristische Merkmale die organischen Formen, die Beherrschung der Strukturen und der Materialien und eine immense Expressivität sind, die sich stark an den Symbolismus anlehnt und eine Verbindung zur religiösen Thematik aufweist. Seine direkten Schüler sind Rubió i Bellver, Jujol und Martinell. Ein anderer Schüler, Masó, entwickelte seinen Stil zu einem persönlichen Noucentisme weiter, der den zentraleuropäischen Modellen sehr nahe kam. Domènech i Montaner, ein weiterer vorbildlicher modernistischer Architekt, entwickelte einen sehr dekorativen und charakteristischen Stil, der sich auf eine strenge Strukturplanung stützte und in einer rationalistischeren Strömung einzuordnen ist, die er mit seinen Mitarbeitern Vilaseca und Gallissà teilte, und der auch Falqués folgte. Puig i Cadafalch ist neben Gaudí und Domènech der dritte große Name dieser modernistischen Konstellation; er war der Vertreter eines kultivierten Archäologismus innerhalb einer autochthonen und fremden Tradition mit einem hohen Niveau an Qualität und Originalität. Durch die politische Betätigung von Intellektuellen der Bewegung und ihren Zugriff auf die Macht kristallisierte sich ein neuer kultureller Vorschlag heraus, der von E. d’Ors als Noucentisme definiert wurde und die Subjektivität und den dekadenten Charakter des Modernismus durch ein geordneteres Konzept mit klassischen und mediterranen Wurzeln ersetzen sollte. Der Modernismus wurde von einer Gruppe wundervoller plastischer Künstler geprägt. Als Beispiel seien hier die realistisch und in impressionistischer Technik gemalten Kunstwerke der Maler Rusiñol und Casas und die Skulpturen von Josep Llimona und M. Blay genannt sowie eine zweite Generation von Malern, die mit dieser Zeit in Verbindung stand und die so berühmte Künstler wie Nonell, Mir, Picasso und Anglada Camarasa umfaßte. Im Bereich der dekorativen Künste gab es Möbeltischler wie Homar oder J. Busquets, Keramiker wie A. Serra, Bildhauer wie Escaler, Arnau oder Gargallo und Juweliere wie Masriera.
Die modernistische Geographie Barcelona ist das wichtigste Zentrum der modernistischen Architektur, hier befinden sich über 2000 katalogisierte Beispiele. Die in der Hauptstadt so angesehene und Eindruck erweckende Bewegung breitete sich bald über die ganze katalanische Küste und ihr Hinterland aus, wobei die Achsen dieser Ausbreitung den Eisenbahnlinien folgten. Es gibt wundervolle Beispiele dafür, wie eine Generation von örtlichen Architekten, die Anhänger der großen Meister waren, in den Kreisstädten oder den Industriestädten in der Umgebung von Barcelona, ihren Stil mit den wundervollen Bodegas verbreitet haben, und zwar in den Urlaubsorten am Meer, den Bädern in den landwirtschaftlich geprägten Landkreisen im Süden und den Industriekolonien an den großen Flüssen. Außer religiösen und profanen Gebäuden institutionellen oder kulturellen Charakters ist auch das reiche Erbe an erhaltenen Mehr- oder Einfamilienhäusern zu erwähnen, mit wundervoll dekorierten Läden, plastischen Denkmälern oder kleinen Brunnen und Straßenlaternen. Die Skulpturen und vielfarbigen SgraffitoWerke, die viele Fassaden schmücken, Fenster, Gußeisengitter, Mosaike und so viele andere Beispiele für die dekorativen Künste, die man bei einem Spaziergang durch katalanische Dörfer entdecken kann, stellen ebenfalls einen wichtigen Teil dieses Erbes dar. Die Museen von Barcelona, Sitges, Olot usw. enthalten wertvolle Gemälde- und Skulpturensammlungen der Epoche sowie Möbel, Glasfenster, Schmuck und Ziergegenstände. Auch im Antiquitätenhandel sind noch viele wertvolle Gemälde, Möbel, Schmuckstücke und kleinere, nicht minder attraktive Stücke zu finden. Diejenigen, die das modernistische Erbe Kataloniens kennen lernen möchten, finden nach sechs geographische Zonen geordnet die wichtigsten Orte, die sie je nach ihren Vorlieben oder der zur Verfügung stehenden Zeit besuchen können. Diese Routen sind außerdem landschaftlich sehr reizvoll und zeichnen sich auch durch andere Sehenswürdigkeiten aus. In den Tourismusbüros finden Sie freundliche Unterstützung bei der Planung der Besuche.