Bürgerservice "neu" denken?

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Bürgerservice „neu“ denken?

KDZ-Work-Paper 01/2019 Dr. Klaus Wirth KDZ Managementberatungs- und Weiterbildungs GmbH Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at


Dr. Klaus Wirth, Coach Trig. Zert. Senior Berater im Team Public Management und Consulting des KDZ. Setzt sich seit 1999 aktiv für die Innovation österreichischer Kommunen in den Bereichen Organisationsentwicklung, Strategie und Führung, Personal- und Innovationsmanagement ein. Seit Jahren betreut er das Netzwerk Bürgerservice, das in seinen alljährlich stattfindenden Treffen aktuelle Fragen des Bürgerservice aufgreift und Innovationsimpulse in den Kommunen setzt.


INHALT

Inhaltsverzeichnis Eine kommunale Erfolgsgeschichte ............................................................................................ 4 In Zukunft mehr vom Gleichen, oder ein neues Entwicklungsleitbild? ................................... 5 Kunden- und Serviceorientierung als Basis der Unternehmenskultur .................................... 5 Qualifizierung und Automatisierung des Informationsservices ............................................... 6 Ausbau von Selbstbedienungselementen................................................................................. 10 „Digital First!“ oder doch das „digiloge“ Bürgerservice? ....................................................... 12 Das aufsuchende und mobile Bürgerservice ............................................................................ 15 Bürgerservice zu einem Ort der Begegnung entwickeln ......................................................... 17 Ausblick

.................................................................................................................................... 20

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Eine kommunale Erfolgsgeschichte Seit mehr als drei Jahrzehnten sind Bürgerservicestellen/Bürgerbüros in Österreichs Städten und Gemeinden ein für alle sichtbares Zeichen gelebter Kunden- und Serviceorientierung. Sie sind das einladende und freundliche Gesicht einer Kommune. Die Leitidee des Bürgerservice ist es seit jeher, den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zur Kommunalverwaltung und deren Leistungen möglichst einfach zu gestalten. Unabhängig davon, welche rechtlichen und formalen Erfordernisse eine Kommune selbst zu berücksichtigen hat und unabhängig davon, wie die einzelnen Kommunen ihre Aufgaben und Zuständigkeiten intern organisieren. Ausgehend von anfänglich eher einfachen Auskunfts- und Informationsstellen haben sich die Servicestellen im Laufe der Zeit zu immer qualifizierteren Anlaufstellen für die Bürgerinnen und Bürger entwickelt: Bürgerservicestellen übernehmen zuallererst eine wichtige Informations- und Vermittlungsfunktion an der Schnittstelle zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Gemeindeverwaltung. Dazu informieren sie umfangreich und geben eine Vielzahl von Auskünften aller Art. Sie vermitteln als Verwaltungslotsen in die Verwaltung hinein. Sie sind aber auch Fachabteilungen, in denen qualifizierte Verwaltungsleistungen aus unterschiedlichen Aufgabenbereichen angeboten werden: Personenstandsleistungen, Leistungen aus den Bereichen Meldeservices, Wahlangelegenheiten, Fundwesen, soziale Leistungen uvm. Teilweise sind in Bürgerservicestellen aber auch Agenden aus den Bereichen Kultur, Tourismus oder Stadtmarketing angesiedelt. Und trotz aller Individualität gibt es einige durchgängige Merkmale bei den Bürgerservicestellen.1 ❑

❑ ❑ ❑

1

In aller Regel befinden sich die Bürgerservicestellen meist (barrierefrei und oftmals mit einer zentralen Servicetheke) leicht erreichbar und zentral im Eingangsbereich eines Rathauses/Gemeindeamtes und sind damit ganz bewusst der erste Kontaktpunkt. Eine moderne, offene und helle Architektur unterstreicht den Servicecharakter und heißt die Bürgerinnen und Bürger willkommen. Auch von außen sind diese Serviceeinrichtungen klar als Bürgerservice gekennzeichnet und erkennbar (siehe Titelbilder). Um für die Bürgerinnen und Bürger gut erreichbar zu sein, sind die Öffnungszeiten der Bürgerservicestellen sehr großzügig: z. B. durchgehend über Mittag geöffnet, vielfach 50 und mehr Öffnungsstunden/pro Woche). Für einen möglichst einfachen Service für die Bürgerinnen und Bürgern und zur Begrenzung von Wartezeiten organisieren sich viele Bürgerservices so, dass möglichst alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Leistungen erbringen können. Spezialisierungen werden somit nur praktiziert, wenn sie unbedingt nötig sind (als Kunde bzw. Kundin muss ich nicht wissen wer, was macht; wenn ich mehrere Dinge zu erledigen habe, muss ich nicht zu unterschiedlichen Stellen gehen und am Ende möglicherweise noch mehrfach anstehen).

Dabei ist anzumerken, dass sich die Konzepte zwischen den großen Städten Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck von den anderen Kommunen teilweise deutlich unterscheiden. Die Hinweise zum „typischen“ Bürgerservice schließen somit die großen Städte nicht ein.

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In Zukunft mehr vom Gleichen, oder ein neues Entwicklungsleitbild? Generell stellt sich die Frage, woran sich neue oder zu evaluierende Bürgerservicestellen orientieren sollten? Bleibt alles wie gehabt, oder gibt es vielleicht ein neues Entwicklungsleitbild, das Orientierung geben kann? Obgleich die ersten Bürgerservicestellen in Österreich schon vor mehr als 30 Jahren entstanden sind (das Bürgerservice in Innsbruck hat 2017 z. B. sein 30-jähriges Jubiläum gefeiert2), entstehen nach wie vor neue Servicestellen. Diese orientieren sich vielfach an den erfolgreichen Mustern der Vergangenheit. Gleichzeitig entwickeln sich die bestehenden Bürgerservicestellen selbst kontinuierlich weiter um den veränderten Anforderungen der Kundinnen und Kunden aber auch neuen lokalen Gegebenheiten besser entsprechen zu können. Viele dieser Innovationsprozesse hat das KDZ in den letzten Jahren begleitet. Diese Erfahrungen bilden einen wichtigen Erfahrungsschatz aus dem wir für dieses Workpaper schöpfen dürfen. Was wir aktuell beobachten, sind mehrere, sich teilweise überlagernde Entwicklungslinien, die wir im Folgenden zur Diskussion stellen.3

Kunden- und Serviceorientierung als Basis der Unternehmenskultur Die Grundidee von Bürgerservice ist es von jeher, eine für Außenstehende unbekannte Kommunalverwaltung für die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln und insbesondere durch die Bürgerservicestellen eine einfache Schnittstelle zum Verwaltungssystem einer Kommune anzubieten. Viel ist hier in den letzten Jahrzehnten passiert und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger auch verwirklicht worden. Damit eine Kommune als kunden- und serviceorientiert wahrgenommen wird, braucht es nicht nur die Bürgerservicestelle an der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern. Es braucht vielmehr eine sichtbare und vor allem erlebbare Kunden- und Serviceorientierung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie aller Organisationseinheiten einer Kommune. Service- und Kundenorientierung muss quasi Teil der DNA einer Organisation, respektive der Unternehmenskultur sein (z. B. dokumentiert im Leitbild oder einer Service Charta) und durch das Verhalten aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tagtäglich erlebbar werden. Mit speziellen Workshops und Trainings hat das KDZ – zusammen mit seinen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern schon viele Organisationen unterstützt, diese Grundhaltung in der Organisationskultur zu stärken und weiter zu entwickeln.

2

Vgl. https://www.ibkinfo.at/buergerservice30er [2018-12-17]

3

Nicht berücksichtigt ist das Thema Beschwerdemanagement; nicht weil es nicht wichtig wäre, sondern vielmehr, weil es hier den Rahmen der Darstellung sprengen würde.

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Manchmal sind dabei – wie etwa in Mattersburg und Neusiedl am See (siehe nebenstehende Abbildung) – auch spannende gemeindeübergreifende Initiativen entstanden.4 Wollen Kommunen insgesamt als kundenfreundlich und serviceorientiert wahrgenommen werden, dann kann und darf Serviceorientierung nicht allein die Aufgabe der Bürgerservicestellen sein. Eine Verwaltung muss insgesamt auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Kundinnen und Kunden hin ausrichtet werden. Services, Leistungen, Abläufe und Verfahren müssen im Interesse der Kundinnen und Kunden neu gedacht und weiterentwickelt werden.

Foto: www.astridroth.at

Die in letzter Zeit im Zuge der Diskussion „agile Verwaltung“5 vielfach diskutierte Methode des „Design Thinking“6 kann hier ein hilfreicher Ansatz sein. Auch könnte die anstehende digitale Transformation als Verstärker für diese übergreifende Prozesssicht dienen um die Bürgerservicediskussion weiter zu entwickeln und die Verwaltung insgesamt auf die Bürgerinnen und Bürger und deren Erwartungen hin auszurichten. Wie weit die Städte und Gemeinden hier bereits sind, ist für uns im Gegensatz zu den sichtbaren Bürgerservicestellen momentan noch schwer einschätzbar. Auf der Grundlage einer solchen positiven Grundhaltung wird die Weiterentwicklung des Bürgerservicegedankens zu einer Selbstverständlichkeit für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Qualifizierung und Automatisierung des Informationsservices Ein ganz zentrales Element des Bürgerservices ist die Informationsbereitstellung, die Vermittlung und die Auskunftserteilung, sowohl persönlich im Bürgerservice, aber vor allem auch telefonisch und mit dem Bedeutungszuwachs des Mobiltelefons immer häufiger auch „mobil“. In den meisten Kommunen ist die telefonische Auskunftserteilung aber auch die Telefonvermittlung als Leistung im Bürgerservice lokalisiert. Teilweise übernehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst die Auskunftserteilung und Telefonvermittlung, teilweise wurden (vor allem bei größeren Kommunen) räumlich und organisatorisch getrennte Lösungen implementiert. Die vielleicht am weitestgehende Lösung praktiziert hier die Landeshauptstadt Linz, die mit ihrem Teleservice-Center eine eigenständige Call-Center-Lösung geschaffen hat. Dort werden nicht nur Auskünfte erteilt, sondern es können bereits viele Anliegen am Telefon erledigt werden:

4

Siehe dazu: KDZ Jahresbericht 2018

5

Siehe dazu exemplarisch: https://agile-verwaltung.org/ [2019-01-13]

6

Siehe etwa: https://de.wikipedia.org/wiki/Design_Thinking [2018-10-11]

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Linz: Teleservice-Center Unter der Nummer 7070 glüht der heiße Draht für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger an die Stadtverwaltung. In dem einzigartigen Call Center kümmern sich 24 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um die Fragen und Wünsche der Bevölkerung. Von den 2017 dokumentierten 259.000 Anrufen betrafen 153.000 konkrete Anliegen, die in der überwiegenden Mehrzahl abschließend beantwortet werden konnten. Nur 15 Prozent mussten an die Fachbereiche weitergeleitet werden. 11 Prozent der Anrufe betrafen Serviceleistungen, die über eine reine Auskunft hinausgehen, wie zum Beispiel VHS-Kursanmeldungen, die Verlängerung der Verleihfrist bei Büchern oder die Buchung von Stadtführungen. Den Anrufenden bleibt nervenaufreibendes, mehrmaliges Weiterverbinden erspart. Gleichzeitig entlastet das professionelle Telefonservice die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäftsbereiche. Da im Teleservice Center auch die Telefonzentrale des Magistrates integriert ist, werden viele Gespräche mit den erhaltenen Vorinformationen an die gewünschten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeleitet.

(Fotos: Stadt Linz)

Die Basis für einen erfolgreichen telefonischen Service sind einerseits qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Andererseits aber auch eine umfangreiche Wissensdatenbank, die vom Team des Teleservice Centers in Abstimmung mit den Geschäftsbereichen aktuell gehalten wird. Das Team des Teleservice betreut daneben die Online-Plattform „Schau auf Linz“. Die erfolgreiche Web-Meldeplattform ermöglicht via Internet oder Handy-App Wünsche, Beschwerden und Anregungen an die Stadt Linz heranzutragen. Fast 4000 Meldungen erreichten im Jahr 2017 das Teleservice Center der Stadt Linz. In der Presseaussendung unter https://www.linz.at/medienservice/2018/201806_91319.php sind sehr anschauliche Statistiken über die Arbeit des Teleservice Linz nachzulesen.

Auf kommunaler Ebene sind in den letzten Jahren auch noch andere, spezialisierte Auskunftsservices entstanden. Zwei Beispiele in Wien sind uns hier besonders aufgefallen:

Servicetelefone in Wien:

(Quelle: https://www.wien.gv.at/gesundheit-soziales/gesundheitsnummer-1450.html 2019-01-22)

(Quelle: https://www.wien.gv.at/gesundheit/leistungen/servicetelefon.html 2019-01-22)

Für kleinere Gemeinden oder Städte ist eine mit dem Teleservice-Linz vergleichbare Lösung oder hoch spezialisierte Auskunftsdienste wie in Wien, wirtschaftlich und organisatorisch unrealistisch. Hier könnte zukünftig eine Kooperationslösung, wie sie uns aus Deutschland mit der Behördennummer 115 bekannt geworden ist, einen neuen Entwicklungsweg aufzeigen:7

7

Siehe: https://www.115.de/DE/Startseite/startseite_node.html [2018-05-03]

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115: Die zentrale Behördennummer in Deutschland – Beispiel Bodenseekreis8 Zentrale Schnittstellen zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Landratsamt Bodenseekreis (ca. 200.000 EW) sind einerseits der zentrale Empfangsschalter Info+Service iPlus (siehe nebenstehendes Bild) und andererseits das zentrale Telefonservice. Das Telefonservice ist organisatorisch im Fachgebiet Bürgerservice, Verkehr und Schifffahrt angesiedelt.

(Bild KDZ Wirth)

Das zentrale Telefonservice ist dabei mehr als eine hausinterne Telefonvermittlungsstelle. Es ist zu einer zentralen telefonischen Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger im Bodenseekreis und gleichzeitig zu einem Shared-Service-Angebot für die Städte und Gemeinden des Bodenseekreises geworden. Für die Funktion als zentrale Anlaufstelle war das im Jahr 2009 gestartete Projekt „Behördennummer 115“ ein wesentliches Element. Über die bundeseinheitliche Rufnummer 115 sind im Bodenseekreis über die zentrale Vermittlung im Landratsamt die Städte Friedrichshafen, Kressbronn, Langenargen, Markdorf, Meckenbeuren, Meersburg, Überlingen und Uhldingen-Mühlhofen erreichbar. Für alle Mitgliedsgemeinden hat die zentrale Vermittlung elektronische Telefonbücher der Verwaltungen und kann direkt in die jeweiligen Stadt-/Gemeindeverwaltungen hinein vermitteln. Der Service 115 ist täglich von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr ohne Vorwahl zum Ortstarif erreichbar. Für die Behördenummer 115 gibt es ein einheitliches Serviceversprechen9:

(Quelle: Bodenseekreis)

-

Die 115 ist von Montag bis Freitag von 8.00 bis 18.00 Uhr erreichbar. 75 Prozent der 115-Anrufe werden innerhalb von 30 Sekunden durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter angenommen. 65 Prozent der 115-Anrufe werden beim ersten Kontakt beantwortet.Wenn nicht, erhält der Anrufer innerhalb von 24 Stunden während der Servicezeiten eine Rückmeldung, je nach Wunsch per E-Mail, Fax oder Rückruf.

Das Telefonservice des Landratsamts ist aber auch externer Telefonservicedienstleister (Shared-Service) für die Städte Friedrichshafen und Überlingen, die anstelle eines eigenen Vermittlungsdienstes das Telefonservice des Landratsamts nutzen. Die Gemeinde Meckenbeuren nutzt das Teleservice im Vertretungs-/Krankheitsfall ihrer eigenen Vermittlung oder außerhalb der Öffnungszeiten.

Sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bürgerservice zu vielen und sehr unterschiedlichen Leistungsbereichen kompetent Auskünfte geben und vermitteln können, so braucht es dazu ein funktionierendes Wissensmanagement. Während Linz für sein Teleservicecenter hierfür eine eigenständige Wissensdatenbank betreibt, haben andere Kommunen oftmals kleinere Wissensmanagementlösungen auf Basis der WIKI-Technologie entwickelt (z. B. Feldkirch, Leonding/Engerwitzdorf/Vöcklabruck, Weiz). Vielfach arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bürgerservicestellen aber nach wie vor mit traditionellen Formen der Wissensverwaltung, oftmals mit Word/Excel-Dokumenten am Filesystem oder adhoc InternetRecherchen.10 Seit kurzem ist eine vom KDZ für die Stadt Landsberg/Lech (D) entwickelte BürgerserviceFachanwendung für das Wissensmanagement auf moderner Wiki-Architektur verfügbar. Damit

8

Siehe: http://www.callcenterprofi.de/branchennews/detailseite/deepsearch-mit-ki-servicequalitaet-steigern-und-dabei-kosten-senken-20175556/ [2018-08-03].

9

Siehe: http://www.115.de/DE/ueber_115/115_Serviceversprechen/115_serviceversprechen_node.html [2018-05-03]

10

Die in vielen Kommunen bereits eingesetzten ELAK-Systeme sind häufig zu komplex bzw. für diverse „Informationsschnipsel“ nicht geeignet/überdimensioniert.

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kann die bestehende „Lösungslücke“ v. a. für mittlere und kleinere Kommunen geschlossen werden:

Bürgerservice-WIKI der nächsten Generation11

Eine nächste Entwicklungsstufe im Informations- und Auskunftsservice könnte durch sogenannte Chat-Bots möglich werden. Chat-Bots ermöglichen eine zeit- und raumunabhängige Kommunikation zwischen einer Kommune und den Bürgerinnen und Bürgern sowohl text-, als auch sprachbasiert. Das gegenwärtig am weitesten fortgeschrittene öffentliche Chat-Bot-Projekt in Österreich praktiziert die Stadt Wien mit ihrem WienBot:12

Wien: WienBot - Der Chatbot der Wiener Stadtverwaltung13 Der WienBot kann Antworten zu 350 Themen aus der Stadtverwaltung liefern. Mit jeder Frage lernt der WienBot dazu. Anfragen werden ausgewertet und das Informationsangebot laufend angepasst. In der App-Version können Fragen entweder getippt oder gesprochen werden. Zusätzlich können Nutzerinnen und Nutzer hier die Sprachausgabe-Funktion wählen. Weiters ist der WienBot auf Facebook und Twitter verfügbar. Im Jahr 2017 hat der WienBot etwa 300.000 Fragen beantwortet. Dem Chatbot wurde auch eine Portion „Wiener Charme” beigebracht: So wird dem Nutzer, wenn er sich z. B. nach den Öffnungszeiten des Christkindlmarkts erkundigt, zunächst ein kurzes Adventgedicht vorgetragen. Wer mehr über das Passservice wissen will, erhält nicht nur die passenden Infos, sondern auch die Frage: „Warum willst du die lebenswerteste Stadt der Welt verlassen?” Der WienBot wurde vom Presse- und Informationsdienst der Stadt konzipiert. Die Technik wurde von der Abteilung Informations- und Kommunikationstechnologie (MA 14) bereitgestellt. Für Teile des Bots wird die Open-Source-Software „Rasa“ verwendet: http://rasa.com/

Um Auskünfte noch weiter zu verbessern, kann künstliche Intelligenz (KI)14 ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Nicht um Menschen in der Interaktion zwischen Verwaltung und Bürgerinnen und 11

Kontakt im KDZ: Mag. Bernhard Krabina, krabina@kdz.or.at

12

Frühere kleinere Ansätze – etwa in der Stadt Kremsmünster – sind schnell an ihre Grenzen gestoßen. Die Entwicklung und der Betrieb von ChatBots erfordert entsprechende Ressourcen, die nur größere Städte oder Gemeindekooperationen aufbringen können.

13

Siehe: https://www.wien.gv.at/bot/

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Bürgern zu ersetzen, sondern vielmehr als unterstützendes paralleles Expertensystem, um die Qualität der Beratung noch besser zu machen. In der Stadt Wien wird im Bereich Wiener Wohnen ein entsprechendes System bereits erfolgreich eingesetzt:

Wiener Wohnen: Künstliche Intelligenz im Callcenter15 Der Kundenservice von „Wiener Wohnen“ nutzt das Expertensystem von DEEPSEARCH, um die vielfältigen Anliegen der rund 650.000 Gemeindemieter rasch und zufriedenstellend rund um die Uhr (7/24/365) zu bearbeiten. Aber anstatt mit einem Computer zu sprechen, spricht der Anrufer mit einem Mitarbeiter, der sich um die emotionale Ebene kümmert. Das System hört mit und gibt auf Stichwort mögliche Lösungen aus. Bei Wiener Wohnen gibt es über 3.000 Geschäftsprozesse, die ein/e KundendienstmitarbeiterIn alle kennen müsste. Die Potenziale dieser Lösung sind: Harmonisierung der Problemlösung, Reduktion der Ausbildungskosten, Reduktion des Gesamtcallvolumens, Steigerung der First Contact Resolution Rate und schnellere Beauskunftung des Kunden.

Ausbau von Selbstbedienungselementen Immer öfter stößt man in den letzten Jahren in Bürgerservicestellen auf interessante Selbstbedienungsangebote. Seien es Passautomaten, mit denen man den kompletten Passantrag inkl. Bild vorbereiten kann16, seien es Serviceroboter, die bei der Orientierung helfen. Mancherorts wurden lokale Terminals, die Zugänge zu Online-Services im Bürgerservice ermöglichen oder auch simple Automaten aufgestellt, an denen auch außerhalb der Öffnungszeiten (wenn sie außerhalb eines Rathauses aufgestellt sind) ausgewählte Leistungen einer Kommune zugänglich werden (z. B. Müllsäcke erwerben). Auch für das laufende Feedback gibt es inzwischen entsprechende Selbstbedienungslösungen.17 Die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger diese Angebote auch anzunehmen und zu nutzen ist dabei hoch. In einer Studierendenstudie in Zusammenarbeit mit der Stadt Graz18 haben etwa 82 Prozent der in der Studie befragten Personen klar zum Ausdruck gebracht, dass sie auf Selbstbedienungsautomaten zurückgreifen würden, um ihren Aufenthalt in der Servicestelle einfacher und kürzer zu gestalten.

14

Siehe exemplarisch: https://www.behoerden-spiegel.de/2018/07/04/ki-ist-thema-einer-neuen-enquete-kommission/, https://www.behoerdenspiegel.de/2018/05/24/ki-viele-fragen-wenig-antworten/ bzw. https://www.wienerzeitung.at/dossiers/kuenstliche_intelligenz/ [2018-07-31].

15

Siehe: http://www.callcenterprofi.de/branchennews/detailseite/deepsearch-mit-ki-servicequalitaet-steigern-und-dabei-kosten-senken-20175556/ [2018-08-03].

16

Siehe z.B. http://www.fr.de/frankfurt/stadtteile/frankfurt-west/hoechst-antrag-auf-ausweis-am-automaten-a-1319339 [2018-07-30].

17

Z. B. https://www.happy-or-not.com/de/

18

Siehe: Digitalisierung und BürgerInnenservice der Stadt Graz, Studie von Studierenden der WU Wien in Zusammenarbeit mit der Stadt Graz, Manuskript Jänner 2019.

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Stadt Neu-Ulm (D)

(Quelle: https://nu.neu-ulm.de/de/buerger-service/buergerservice/buergerbuero/speed-capture/ [2018-05-24])

Stadt Ludwigsburg (D)

(Quelle: Newsletter Behördenspiegel, Nr. 886 vom Mai 2018)

Ganz im Sinne einer erweiterten Selbstbedienung ist auch die wachsende Zahl an Onlineservices, die im Rahmen von Digitalisierungsbemühungen der Kommunen entstehen.

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„Digital First!“ oder doch das „digiloge“ Bürgerservice? Die Digitalisierung ist inzwischen zu einem omnipräsenten Thema in den Kommunalverwaltungen geworden.19 Von der Europäischen Union werden mit den beiden Leitprinzipien „Digital First“ und „The-Once-Only-Principle“20 klare Entwicklungsrichtungen für öffentliche Services vorgegeben. Abläufe in der Verwaltung werden für die Bürgerinnen und Bürger aber auch die Verwaltungen selbst vereinfacht und effizienter gestaltet. Dass das alles funktionieren kann zeigen nicht zuletzt Estland, Dänemark oder auch Norwegen. Dort ist die Interaktion zwischen Verwaltung und ihren Bürgerinnen und Bürgern durch Digitalisierung schon sehr weitreichend verändert worden. Sie stellen gegenwärtig in Sachen Digitalisierung die Benchmark für Österreich dar. Unter der Überschrift E-Government sind aber gleichfalls auch in Österreichs Kommunen in der jüngeren Vergangenheit immer wieder neue Onlineservices realisiert worden. Von der Anmeldung zu Kindergärten, der Buchung von Sportstätten21, dem Vereinbaren von Gesprächsterminen mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, bis hin zur Verfolgung der Bearbeitung von Bauanträgen.22 Durch solche digitale Services erweitert sich die zeitliche (7/24) und auch räumliche (z. B. von zu Hause) Unabhängigkeit für die Inanspruchnahme kommunaler Leistungen beträchtlich. Und wenn sie gut gemacht sind, entlastet dies auch die Kommunalverwaltung.

19

Siehe dazu insbesondere das aktuelle Workpaper des KDZ: http://kdz.eu/de/Digitalisierung-Wege-zur-digitalen-Stadt [2018-07-30].

20

Siehe: https://www.digitales.oesterreich.gv.at/documents/22124/30428/Folder-TOOP_DE-nB.PDF/126424ae-05b6-4fbd-90a0-6642221fed5b [2018-05-03] Das Once-Only-Prinzip soll den BürgerInnen in Behördenverfahren mehrfache Dateneingaben und das wiederholte Vorlegen von Urkunden, Belegen etc. ersparen.

21

Siehe exemplarisch Salzburg: https://venuzle.at/anbieter-region/salzburg/ [2018-08-03].

22

Siehe dazu etwa: https://www.graz.at/cms/beitrag/10311135/7776465/ [2018-04-25]; auch die Übersicht zu Wien in „mein Wien“. Monatszeitung der Stadt Wien, Februar 2018).

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Neue Möglichkeiten der elektronischen Authentifizierung mittels Handy-Signatur oder der neuen Ausweis-App MIA23 erleichtern die (elektronische) Zusammenarbeit zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Behörden. Viel ist - wie die nachstehende Übersicht der Stadt Graz exemplarisch zeigt – derzeit in Bewegung und auch schon verwirklicht. Viel Potenzial ist durch die Digitalisierung noch zu heben, wenn es für die Kommunen möglich wird, vermehrt proaktiv oder auch antragslos (wie etwa bei der Kinderbeihilfe24 oder der automatischen Verlängerung der Studienbeihilfe) zu agieren. Übersicht über die digitalen Services der Stadt Graz25:

Für die Zukunft des Bürgerservice ist die Digitalisierung daher eine wesentliche, wenn nicht gar die vielleicht wichtigste Entwicklungsgröße. Das digitale Bürgerservicebüro ist nur noch eine Frage der Zeit.26

23

Siehe: https://derstandard.at/2000035996259/Mia-Oesterreichische-Ausweis-App-macht-Daten-ohne-Speichern-zugaenglich bzw. https://www.austrian-standards.at/newsroom/meldung/sicherer-abschied-vom-analogen-ausweis/ [2018-08-03].

24

Siehe: https://www.bmfj.gv.at/familie/finanzielle-unterstuetzungen/familienbeihilfe0/antrag-familienbeihilfe.html [2018-05-03].

25

Siehe: https://www.graz.at/cms/beitrag/10311135/7776465/ [2018-04-25]

26

Als eine von fünf digitalen Modellregionen im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen hat die Stadt Paderborn als erste Leitkommune einen Förderbescheid erhalten, um Projekte im Rahmen der Digitalisierung umzusetzen. Gefördert wird ein Projekt für ein digitales Bürgerbüro in der Stadt auf Basis eines Serviceportals. Im ersten Halbjahr 2019 soll es seinen Dienst aufnehmen. https://www.behoerdenspiegel.de/2018/10/23/digitales-buergerbuero-kommt/ [2019-02-10].

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Nicht zuletzt die öffentlich gemachten Ambitionen des Bundes (siehe folgenden Kasten) und die vor kurzem präsentierte Österreich-App geben hier eine deutliche Richtung vor. Aus dem Interview mit BM Schramböck: „Die digitale Verwaltung muss viel selbstverständlicher werden. Ich meine damit Abläufe in der Verwaltung, die digitalisiert werden müssen, also übers Internet verfügbar werden. Die Gemeinden sind da nicht ausgeschlossen, sie spielen sogar ein sehr wichtige Rolle.“ „Wir stellen unsere Plattform oesterreich.gv.at zur Verfügung, damit die Gemeinden ihre Services integrieren können. Damit wollen wir das Leben für die Menschen vor Ort und die Wirtschaft vor Ort erleichtern.“ https://kommunal.at/artikel/das-digitale-amt-soll-die-gemeinden-entlasten [2018-08-26]

Mit der Plattform „oesterreich.gv.at“ oder auch der Smartphone App „Digitales Amt Österreichs“ können ab sofort Behördenwege in Österreich einfach digital erledigt werden. 27 Zum Start Anfang 2019 können etwa Wohnsitzänderungen gemeldet und Wahlkarten beantragt werden. Eltern können über den „Digitalen Babypoint“ Dokumente für ihre Kinder – unter anderem Geburtsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweis, Meldebestätigung und E-Card – bestellen. Weitere Services sollen nach und nach folgen und damit den Nutzen der Services erhöhen. Grundvoraussetzung für die Nutzung sind eine Handy-Signatur und ein biometrischer Sensor für die App.

(Quelle: https://www.oesterreich.gv.at/)

27

Siehe auch: https://www.digitales.oesterreich.gv.at/

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Das generelle Potenzial dieser digitalen Lösungen ist noch nicht abschätzbar. Viel wird davon abhängen, ob und welche praktischen Lösungen in nächster Zeit den Bürgerinnen und Bürgern konkret zur Verfügung stehen und wie gut nutzbar diese Angebote letztlich sind (Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger). Die neuen digitalen Angebote werden aber jedenfalls maßgeblichen Einfluss auf die Bürgerservicestellen in Österreich haben. Zu erwarten ist, dass die Nachfrage für einige Leistungsbereiche (etwa im Meldeservice oder im Bereich Personenstand) durch die Möglichkeit der digitalen Selbstbedienung sinken wird. Bei anderen Leistungsbereichen, wie etwa der Einrichtung der Handysignatur oder die Erläuterung der digitalen Verfahren, könnte im Gegenzug die Nachfrage zunehmen. Bei aller Euphorie und Begeisterung für die digitalen Innovationen gibt es in den Kommunen ein weitgehendes Einvernehmen dahingehend, dass die Digitalisierung keinesfalls alle bisherigen persönlichen Services ersetzen wird können. Sie sollen es auch nicht! Unter dem Stichwort „Multikanalfähigkeit von Dienstleistungen“ einer Kommune sollen alle Bürgerinnen und Bürger vielmehr die Möglichkeit haben, selbst entscheiden zu können, welche Servicekanäle sie nutzen möchten (online, persönlich, Selbstbedienungsterminal etc.). Die Zukunft des Bürgerservice wird damit breiter und bunter. Es wird ein ausgewogenes Nebeneinander von sowohl analogen – auf persönlichem Kontakt basierenden – Services und neuen digitalen Services geben. Mit dem Begriff „digilog“ wird dieses Nebeneinander aus sowohl digitalen als auch analogen Services vielleicht am zutreffendsten beschrieben. Den Kommunen muss jedoch trotz dieser Einschränkung immer bewusst sein, dass sie in Sachen Digitalisierung nicht mit anderen Kommunen konkurrieren. Sie stehen vielmehr in einem viel härteren Wettbewerb mit den großen internationalen IT-Größen (Amazon, Google & Co). Deren Serviceangebote und im Alltag erlebbare technische Lösungen bestimmen letztlich die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger, die sie dann wiederum an ihre Kommunen herantragen.

Das aufsuchende und mobile Bürgerservice Mit dem aufsuchenden und mobilen Service der Kommunen zeichnet sich eine der wachsenden Selbstbedienung gänzlich entgegen gerichtete Entwicklungslinie im Bürgerservice ab: Nicht die Bürgerinnen und Bürger kommen zur Kommune, sondern die Kommune kommt zu ihren Bürgerinnen und Bürgern! Zwei unterschiedliche Lösungsansätze nehmen wir hier wahr: ❑

Das sind zum einen temporäre Angebote, wie etwa Standesämter, die auf die Geburtenstationen kommen oder auch Trauungen außerhalb des Rathauses durchführen. Auch bei Wahlen kommt das Amt zu den Bürgerinnen und Bürgern (z. B. ins Altenheim). Im Rahmen der Inskription kommt das örtliche Meldeservice an die Hochschule oder in ein Studierendenheim (siehe nebenstehendes Beispiel der Stadt Graz).

Beispiel Graz

(Quelle: Stadt Graz; Fotos Peter Krusic)

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Zum anderen gibt es vermehrt mobile Angebote. Dabei kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa mit ihrem mobilen Büro (z. B. im Koffer28) zu nicht-mobilen Personen nach Hause, oder aber sie schlagen temporär vor Ort – z. B. in einem Kindergarten, einer Schule oder einer anderen kommunalen Einrichtung - „ihre Zelte auf“. Mancherorts setzen Kommunen rollende Büromobile29 ein, die dann die Ortsteile/Gemeinden zu festgelegten Zeiten anfahren und Service vor Ort anbieten.

In einem Leitfaden zur Einführung von mobilen Bürgerservices des Bundeslandes Sachsen (D)30, sind Beispiele aber auch praktische Erfahrungen aus verschiedenen Modellprojekten in Sachsen dokumentiert. Einige Beispiele möchten wir hier vorstellen:

Stadt Guntramsdorf (A)31 Mit dem „Mobilen Bürgerservice“ erleichtert die Gemeinde Amtswege für die ältere Generation, indem das Team aus dem Bürgerservice zu den Menschen vor Ort kommt. Und zwar jeden 1. Mittwoch (vormittag) im Monat, nach telefonischer Terminvereinbarung. Die Services sind älteren Menschen (+60) mit Hauptwohnsitz in Guntramsdorf und einer körperlichen Beeinträchtigung vorbehalten.

(Foto: Stadtgemeinde Guntramsdorf)

Die Leistungen des mobilen Service sind insbesondere Pflegegeldanträge bzw. Heimanträge, Anträge für einen Heizkostenzuschuss, Bestätigungen für den SOMA-Markt sowie Lebensbestätigungen.

Gemeinde Straß in Steiermark (A)32 Mobil eingeschränkte Personen können das mobile Service in Anspruch nehmen. Dabei können fast alle Dienstleistungen des Bürgerservice genutzt werden. Was es braucht ist eine Terminvereinbarung, dann kommt ein/e Mitarbeiter/in der Gemeinde nach Hause.

Stadtgemeinde Fehring in Steiermark (A)33 Alle Gemeindebewohnerinnen und -bewohner können, wenn sie keine Möglichkeit haben in ein örtliches Bürgerservice zu kommen, von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtgemeinde auch zu Hause betreut werden. Wer als BewohnerIn von Fehring diesen Service in Anspruch nehmen möchte, meldet seinen Bedarf einfach im Bürgerservice in Fehring oder in Hatzendorf an. Alles weitere klären dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt.

(Quelle: Veröffentlichung der Stadtgemeinde Fehrin)

Das ist letztlich nur durch das große Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bürgerservice möglich geworden, die sich spontan bereit erklärt haben, hier ebenfalls neue Wege zu gehen.

28

Siehe beispielsweise: https://www.bundesdruckerei.de/de/Themen-Trends/Magazin/Das-Meldeamt-kommt-nach-Hause bzw. https://www.egovernment.sachsen.de/buergerkoffer-das-amt-wird-mobil-4175.html [2018-07-31].

29

Siehe etwa: http://www.buerokratieabbau.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.296315.de Die Stadt Wien betreibt seit Jahren ebenfalls einen mobilen Service, der jedoch in seiner Ausrichtung nicht unmittelbar dem gängigen Bürgerservice entspricht. Siehe: https://www.wien.gv.at/kontakte/stadtservice/neu.html

30

Siehe dazu: https://www.egovernment.sachsen.de/download/CMS/smi-handlungsleitfaden-2016-barrierefrei_v0.60.pdf [2018-10-10]

31

Siehe: https://www.guntramsdorf.at/cgi-bin/ONLWYSIWYG2008/ONL.cgi?WHAT=INFOSHOW&ONLFA=GUN&INFONUMMER=37529412 [2019-05-08]

32

Quelle: http://www.strass-steiermark.gv.at/archive/10929 [2019-02-10]

33

Quelle: https://www.meinbezirk.at/suedoststeiermark/c-lokales/wenn-das-amt-zu-ihnen-nach-hause-kommt_a3349917 [2019-05-01]

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BÜRGERSERVICE „NEU“ DENKEN?

Stadt Wittstock (D)34

(Foto: Stadtverwaltung Wittstock)

Ein zum Büro umgebauter Einsatzwagen der Feuerwehr fährt regelmäßig alle 18 Ortsteile an. Auf diese Weise entfallen in der dünn besiedelten Stadt für die Bürgerinnen und Bürger die teilweise langen Wege (weiteste Entfernung: 25 km vom Ortsteil Zempow nach Wittstock/Dosse) zur Verwaltung. Seit Projektstart im Juli 2012 bis Ende September 2013 wurden von 775 Bürgern die Anliegen bearbeitet. Im Jahr 2012 haben sich 547 Bürger an den Mobilen Bürgerservice gewandt (begründet durch die Straßenumbenennung im Juli 2012). Im Jahr 2013 waren es 228 Bürger. Der Mobile Bürgerservice bietet das gesamte Leistungsspektrum des Bürgerbüros an. Dies beinhaltet das Melde-, sowie Pass- und Ausweiswesen, den Formularservice (Wohngeldanträge, Formulare Lohnsteuerjahresausgleich etc.), das Friedhofwesen und das Fundbüro. Seit November 2012 übernehmen sie auch einen Teil der Kfz-Zulassungsstelle (z. B. Abmeldungen, Adressänderung in der Zulassung). Zudem werden seit April 2013 sämtliche Anfragen bezüglich der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises bearbeitet. Dazu gehört auch das gemeinsame Ausfüllen der Anträge und die Beantwortung von Fragen. Die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter nutzen die Touren auch dafür, Aufgaben des Ordnungsamtes in der Fläche zu erledigen, z. B. werden Schriftstücke im Bedarfsfall unmittelbar erstellt und im Hausbriefkasten hinterlassen. Weiterhin können Straßenschlaglöcher vor Ort dokumentiert und sofort an die zuständige Stelle weitergeleitet werden. (Quelle: https://www.kgst.de/rathaus-auf-radern-das-mobile-burgerburo [2019-05-08])

Bürgerservice zu einem Ort der Begegnung entwickeln Stand zu Beginn der Bürgerservicediskussion vor allem das Ziel, den Bewohnerinnen und Bewohnern einer Kommune den Zugang zum örtlichen Verwaltungssystem zu erleichtern und die Verwaltungsorganisation und deren Leistungen auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger hin auszurichten, so erkennen wir gegenwärtig einige sich ergänzende interessante neue Entwicklungen: In der Landeshauptstadt Linz sind beispielsweise schon die Mehrzahl der Zweigstellen der Stadtbibliothek gleichzeitig auch Bürgerservicestellen mit einem breiten Angebot an Serviceleistungen.35 Die Stadtverwaltung kommt damit näher zu den Bürgerinnen und Bürgern und nutzt gleichzeitig gut erreichbare, bestehende Infrastruktur (und auch Personal) und ergänzt diese um neue Services. Diese Idee einer Mehrfachnutzung (bestehender) kommunaler Einrichtungen hat insbesondere für ländliche Gebiete ein erhebliches Potenzial, um etwa bestehende Serviceangebote aufzuwerten und von der Schließung bedrohte dezentrale Bürgerservicestellen durch eine Integration in bestehende Einrichtungen dauerhaft abzusichern. Warum also nicht auch die örtliche Bücherei, die Volksschule, die örtliche Tourismusinfo oder auch das von Gemeinden getragene Regionalmanagement bzw. andere Einrichtungen in der Gemeinde für Bürgerservices nutzbar machen? In Aarhus (Dk)36 ist unlängst mit dem so genannten „Dokk 1“ das derzeit vielleicht eindrucksvollste Beispiel einer neuen Art von kommunalen Serviceeinrichtungen entstanden. Das 2015 eröffnete Multimedia-Haus, gilt als Prototyp der Bibliothek der Zukunft. Im Mittelpunkt 34

Siehe dazu auch das Beispiel der Stadt Wittsock: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2017/10/2017-10-13-entwicklunglaendlicher-raeume.html [2018-07-30].

35

Z. B. gibt es dort: Aktivpässe, An-, Ab- und Ummeldungen des Wohnsitzes, Bewohnerparkkarten, Fund- und Verlustmeldungen, Hundeanund -abmeldungen, Kirchenaustritte, Lebensbestätigungen, Meldeauskünfte, Meldebestätigungen, Privathaushaltsbestätigungen, Wünsche, Anregungen und Beschwerden an die Stadtverwaltung.

36

Siehe dazu: https://dokk1.dk/english/citizens-services [2018-05-03] bzw. https://www.visitaarhus.de/de/dokk1-gdk1077504 [2018-05-03].

17 05.06.19


BÜRGERSERVICE „NEU“ DENKEN?

stehen jedoch die Schalter der kommunalen Verwaltung, um die herum sich Veranstaltungsräume, Cafés, Seminarräume, Bastelecken, Lounges, Spielzonen, Kuschelwinkel und Stillecken für Mütter gruppieren. Und irgendwo stehen dann auch noch Bücher. Das „Dokk1“ überstrahlt (architektonisch) alle anderen Gebäude der Stadt und verbindet das Meer mit der Stadt. Es bietet sehr viel Raum für unterschiedliche Funktionen und macht das Bürgerservice zu einem Ort der Begegnung. Ein Aspekt, der seinerzeit – wenn auch in kleinerem Maßstab – bei der Entwicklung eines neuen Stadtservices der Stadt Weiz37 ein wichtiges Element der Konzeptentwicklung war.38 So wurden im neuen Stadtservice eben auch Räumlichkeiten für Sprechstunden (PVA etc.) oder kleinere Veranstaltungen innerhalb des Stadtservice geschaffen. 39 Beispiel: Aarhus „Dokk1“ - Bibliothek und Bürger-Service40 An der neuen Hafenfront in Aarhus gibt es mit dem „Dokk1“ seit kurzem ein Multimediahaus, das alle anderen Gebäude der Stadt überstrahlt. In zentraler Lage ist es prädestiniert als Bindeglied zwischen dem Meer und der Stadt und mit einer Gesamtfläche von 28 000 m2 steht genügend Raum für all die Funktionen zur Verfügung, welche die Einrichtung erfüllen soll. Das „DOKK1“ enthält die Bibliothek der Zukunft, die nicht nur Bücher enthält, sondern in hohem Maße auch Vermittlung durch Technologie und Medien in den Mittelpunkt stellt. Außerdem ist hier auch der Aarhuser Bürgerservice untergebracht.

(Quelle: https://www.visitaarhus.com)

Für Besucherinnen und Besucher mit eigenem Fahrzeug stehen im „Dokk1“ 1000 vollautomatische Parkplätze zur Verfügung. Sie können „Dokk1“ jedoch auch bequem mit Fahrrad, Bus, S-Bahn und natürlich auch zu Fuß erreichen. Das große Gebäude ist für die ganze Familie gedacht. Es gibt große Spielflächen für die Kleinsten, eine Lounge-Area für Teenager und natürlich Lesesäle, in denen die erforderliche Ruhe herrscht, wenn Sie sich in ein Buch vertiefen möchten. Der Gong läutet immer dann, wenn ein neuer Bewohner in Aarhus geboren wird; er ist mit einem Klöppel versehen, den frisch gebackene Eltern von der Geburtsstation des Aarhuser Universitätskrankenhauses aus aktivieren können, wenn ihr Kind das Licht der Welt erblickt hat.

(Quelle: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/themen/die-zukunft-derbibliothek-das-dokk1-in-aarhus-13834316.html 2019-05-08)

Der große Mehrzwecksaal in der Mitte des Gebäudes ist für Konzerte, Theatervorstellungen, Vorträge und Bürgerversammlungen vorgesehen. Das Café lädt zu einer gemütlichen und entspannen Tasse Kaffee mit der Familie oder Freunden ein.

37

Siehe dazu: http://www.weiz.at/service/stadtservice/service-die-reportage und http://www.weiz.at/service/stadtservice/stadtservice-teil-2 [201807-31].

38

In der Partnerstadt der Stadt Weiz – Offenburg (D), wurde im Zuge des Relaunch die Tourist-Information in das Bürgerbüro integriert und hierfür ein attraktiver Ort des Verweilens geschaffen. Siehe dazu: https://www.offenburg.de/html/buergerbuero.html?& [2018-07-31] Dies war in Weiz ursprünglich auch vorgesehen, konnte aus verschiedenen Gründen aber noch nicht verwirklicht werden.

39

40

In der Partnerstadt der Stadt Weiz – Offenburg (D), wurde im Zuge des Relaunch die Tourist-Information in das Bürgerbüro integriert und hierfür ein attraktiver Ort des Verweilens geschaffen. Siehe dazu: https://www.offenburg.de/html/buergerbuero.html?& [2018-07-31] Dies war in Weiz ursprünglich auch vorgesehen, konnte aus verschiedenen Gründen aber noch nicht verwirklicht werden. Siehe dazu: https://dokk1.dk/english/citizens-services [2018-05-03] bzw. https://www.visitaarhus.de/de/dokk1-gdk1077504 [2018-05-03].

18 05.06.19


BÜRGERSERVICE „NEU“ DENKEN?

Die gezielte Schaffung von Orten der Begegnung ist aber nicht nur eine Herausforderung für größere Städte/Kommunen. Gerade in ländlichen Regionen verschwinden in den letzten Jahrzehnten immer mehr soziale Treffpunkte wie etwa Gasthäuser oder kleine Geschäfte. Gleichzeitig wird Vereinsamung als wachsendes gesellschaftliches Problem erkannt.41 Und so überrascht es vielleicht wenig, wenn aus Bürgerservicestellen kleinerer ländlicher Gemeinden vielfach berichtet wird, das vermehrt ältere Menschen die Bürgerservicestellen aufsuchen, um persönliche Ansprache zu finden, Probleme des Alltags (z. B. für sie unverständliche Formulare) zu besprechen und weniger, um eine ganz konkrete Erledigung im Sinne der Leistungsprogramme der Bürgerservicestellen zu machen. Bürgerservicestellen könnten sich somit – dem Leitgedanken der offenen Bürgerkommune42 – zu niederschwelligen offenen Treffpunkten, zur verbesserten Teilhabe benachteiligter Gruppen oder auch der Integration entwickeln. Vielleicht könnte ein Entwicklungspfad der Bürgerservicestellen in Österreich das weiterdenken, was in Deutschland mit gemeinsam getragenen Dorfläden/Nachbarschaftsläden bereits bekannt ist. Neben der Schaffung bzw. Erhaltung eines örtlichen Nahversorgers sind diese Einrichtungen in hohem Maße auch soziale Treffpunkte. Im Dorfladen kann man somit einkaufen, gemeinsam beim Kaffee sitzen und plaudern und gleich auch noch private Dienstleistungen (Post aufgeben/abholen, Wäsche in die Putzerei geben etc.) in Anspruch nehmen.43 Warum dann nicht auch gleich noch ausgewählte öffentliche Leistungen aus dem Bürgerservice anbieten? Denn wenn aus ökonomischen oder praktischen Gründen weder die Aufrechterhaltung von dauerhaft besetzten Außenstellen, noch der Aufbau von mobilen Services als Lösungen infrage kommen, dann könnte die Nutzung vorhandener Infrastruktureinrichtungen im Ort eine echte Alternative zum ansonsten drohenden Verlust von Bürgerservicestellen sein.

41

Siehe: https://www.nachrichten.at/nachrichten/gesundheit/Einsamkeit-wird-ein-Politikum;art114,2802042 [2018-07-31].

42

Siehe dazu: https://www.kgst.de/buergerkommune [2018-05-03]

43

Weitere Infos unter: http://dorfladen-netzwerk.de/

19 05.06.19


BÜRGERSERVICE „NEU“ DENKEN?

Ausblick Es ist viel passiert auf dem Gebiet des Bürgerservice in Österreichs Kommunen. Immer wieder sind neue Servicestellen entstanden. Bestehende Konzepte wurden meist nach fünf bis zehn Jahren evaluiert und anschließend meist sowohl baulich als auch hinsichtlich des Leistungsangebots weiter verbessert. In Seminaren und Lehrgängen des KDZ haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kommunen die Möglichkeit genutzt, sich selbst weiterzuentwickeln und sich breiter mit anderen Kommunen zu vernetzen. Die vom KDZ seit nunmehr sieben Jahren regelmäßig durchgeführten Netzwerktreffen44 haben immer wieder auch Innovationsimpulse in den Kommunen setzen können. Die Bürgerservicestellen sind zu einer festen Größe in der kommunalen Organisationsgestaltung und zum vielleicht sichtbarsten Zeichen gelebter Kunden- und Serviceorientierung Österreichs Kommunen geworden. Ob und inwieweit die Digitalisierung öffentlicher Services die aus meiner Sicht derzeit noch nicht optimale horizontale, aber vor allem auch vertikale Integration von Servicezugängen in Österreich verbessern wird, ist im Moment noch offen. Sicher ist: Auch zukünftig wird es trotz Digitalisierung persönliche Zugänge zum Verwaltungssystem brauchen. In Zukunft wird die Bürgerservice-Diskussion vielleicht noch stärker die Größenunterschiede zwischen den Kommunen und die damit zusammenhängenden unterschiedlichen Anforderungen von großen Städten und kleineren Kommunen berücksichtigen müssen. Schon heute unterscheiden sich die Bürgerservicelösungen von großen Städten wie Wien, Graz oder auch Salzburg merklich von denen kleinerer Kommunen. Die in diesem Workpaper vorgestellten Entwicklungslinien können für alle eine Orientierungshilfe sein, die aktuell oder in nächster Zeit ihr Bürgerservice neu ausrichten wollen. Es sind noch keine fertigen Lösungen aber allemal zum Nachdenken anregende Impulse für spannende Diskussionen. →

44

Siehe etwa zuletzt: https://kdz.eu/de/content/netzwerktreffen-b%C3%BCrgerservice-2018-0 [2019-05-08]

20 05.06.19


BÜRGERSERVICE „NEU“ DENKEN?

Notizen

21 05.06.19


KDZ Managementberatungs – und Weiterbildungs GmbH Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at


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