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IV Schlussfolgerungen

Das Pilotprojekt zum aufgabenorientierten Finanzausgleich für den Pflichtschulbereich befindet sich – entgegen den Vereinbarungen im Paktum zum FAG 2017 – noch immer in den Startlöchern. Die vorliegende Studie möchte einen Beitrag für den weiteren Entwicklungsprozess leisten und legt den Fokus auf mögliche Indikatoren für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich aus Sicht der Städte. Im Zentrum der Betrachtungen steht dabei die Pflichtschule sowie die schulische und außerschulische Tagesbetreuung. Aus dem vorliegenden Vorschlag für Indikatoren-Sets für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich können dabei drei Schlussfolgerungen gezogen werden:

1. Es bedarf einer Verknüpfung des aufgabenorientierten Finanzausgleichs mit dem Zielsteuerungsprozess im Pflichtschul- und Tagesbetreuungsbereich. Hierzu sind eine neue Steuerungskultur und eine verbesserte Zusammenarbeit der Gebietskörperschaftsebenen notwendig. So gilt es, gebietskörperschafts-übergreifende, sachpolitische und funktionale Ziele zu definieren. 2. Ein Vorschlag für ein Indikatoren-Set ist auf Basis der vorhandenen Datenlage grundsätzlich möglich. Für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich mit hoher Steuerungsrelevanz bedarf es jedoch einer Verbesserung der Datenlage und Weiterentwicklung der Indikatoren. 3. Der vorliegende Indikatoren-Vorschlag basiert auf den bestehenden Kompetenzzuteilungen auf die Gebietskörperschaftsebenen. Der Prozess zum aufgabenorientierten Finanzausgleich sollte jedoch weiter gedacht werden. So ist eine optimierte Finanzmittelzuteilung nur möglich, wenn auch klare Kompetenzzuteilungen bestehen und Strategien zur Weiterentwicklung des Finanzausgleichssystems vereinbart sind.

Im Nachfolgenden werden die genannten Schlussfolgerungen näher ausgeführt.

1 Verknüpfung des aufgabenorientierten Finanzausgleichs mit dem

Zielsteuerungsprozess

Indikatoren für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich sollten nicht nur aufgrund ihrer Verfügbarkeit, sondern insbesondere auch aufgrund ihrer Steuerungsrelevanz ausgewählt werden. Indikatoren können dabei dazu beitragen, Wirkungs- und Leistungsziele zu verfolgen und deren Zielerreichung messbar zu machen.

„Neue Steuerung“ und optimierte Zusammenarbeit der Gebietskörperschaftsebenen

Bevor eine Auswahl an Indikatoren erfolgen kann, bedarf es der Festlegung der sachbezogenen Wirkungs- und Leistungsziele einerseits und der Zielsetzungen des aufgabenorientierten Finanzausgleichs andererseits. Dabei gilt es, gebietskörperschafts-übergreifende Ziele zu definieren, um die Strategien der Gebietskörperschaften aufeinander abzustimmen und die Zusammenarbeit zu verbessern. Gerade hier zeigten sich in der Vergangenheit Schwächen, da unterschiedliche Interessen der Akteure aufeinandertreffen.

In diesem Sinne bedarf es eines zwischen den Gebietskörperschaftsebenen abgestimmten Zielsteuerungsprozesses. Dies umfasst beispielsweise die gemeinsame Festlegung von Wirkungszielen und die Ableitung konkreter Ziele und Maßnahmen im Sinne einer Prioritätensetzung zur Erreichung der Wirkungsziele. Ansätze für einen verbesserten

Zielabstimmungsprozess bietet etwa der Multi-Level-Governance-Ansatz 31 , welcher eine verbesserte Koordination und Kooperation der Gebietskörperschaftsebenen zum Ziel hat.

Indikatoren als Bindeglied zwischen Zielsteuerung und Mittelzuteilung

Indikatoren für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich sollten in weiterer Folge einen Bezug zu den gemeinsamen, gebietskörperschafts-übergreifenden Zielsetzungen aufweisen. Damit sind sie ein Bindeglied zwischen der sachbezogenen Zielsteuerung auf der einen Seite und der fiskalischen Ausstattung im Rahmen des Finanzausgleichs auf der anderen Seite.

2 Vorschlag für Indikatoren auf Gemeindeebene

Rasche Umsetzung auf Basis vorhandener Indikatoren grundsätzlich möglich

Im Rahmen der vorliegenden Studie werden zwei Indikatoren-Sets vorgeschlagen.  Ein erstes Indikatoren-Set mit „Sofort“-Indikatoren basiert auf der bestehenden Datenlage und könnte sofort umgesetzt werden. Da jedoch Datenlücken bestehen, können nicht alle relevanten Aufgabenfelder der Gemeinden abgebildet werden.  Das zweite Indikatoren-Set beinhaltet „Ideal“-Indikatoren. Zusätzlich zu den sofort verfügbaren Indikatoren werden hier auch Indikatoren umfasst, deren Datengrundlage aktuell noch erhoben werden muss.

Ein Indikatoren-Set setzt sich dabei folgendermaßen zusammen:  Basis-Abgeltung zur teilweisen Basisfinanzierung des Pflichtschulbereichs;  Lasten-Abgeltung zur differenzierten Steuerung, um unterschiedliche Präferenzen bzw. Sonderlasten abzubilden. Nachfolgend findet sich ein Überblick zu den vorgeschlagenen Indikatoren der beiden Indikatoren-Sets. Nähere Ausführungen zum Hintergrund der Auswahl der Indikatoren sind dem Vorkapitel zu entnehmen 32 .

Tabelle 9: Indikatorenvorschläge für einen aufgabenorientierten Finanzausgleich im Pflichtschulbereich

Indikatoren Indikatorenvorschlag "Sofort-Indikatoren" "Ideal-Indikatoren" BASIS-ABGELTUNG

Anzahl SchülerInnen Anzahl Schulklassen Anzahl SchülerInnen in der Tagesbetreuung

LASTEN-ABGELTUNG

Anzahl RisikoschülerInnen Jahresbetreuungsstunden in der Tagesbetreuung mittlere Klassengröße Schulgröße: SchülerInnen je Schulstandort Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018 in Diskussion von ExpertInnen des Österreichischen Städtebundes.

31 siehe etwa Bauer u. Biwald: Vom Regieren zum Steuern, 2017, S. 425 ff. 32 Zusätzliche Informationen sind auch der ergänzenden Studie „Mitterer et al.: Leistungs- und wirkungsbezogene Pflichtschulfinanzierung, 2018“ zu entnehmen.

Bei beiden Vorschlägen dient die Anzahl an Schülerinnen und Schülern sowie (geringer gewichtet) die Anzahl der Schulklassen eine wichtige Rolle für die Basis-Abgeltung. In Zukunft sollte zusätzlich auch die Anzahl an Schülerinnen und Schülern in der Tagesbetreuung erfasst werden.

Im Bereich der Lasten-Abgeltung findet sich die Anzahl der Risikoschülerinnen und -schüler als ein zentraler Indikator. Hierzu stehen aktuell bereits Indikatoren zur Messung bereit – wie etwa die Kinder mit nicht-deutscher Umgangssprache. In weiterer Folge ist jedoch eine Weiterentwicklung sowie Konkretisierung zweckmäßig. So sollten etwa in Kürze auch Zahlen zu Schülerinnen und Schülern mit konkretem Sprachförderbedarf zur Verfügung stehen, welche hier integriert werden könnten. Zusätzlich sollte im Rahmen der Lasten-Abgeltung mithilfe der Jahresbetreuungsstunden auf unterschiedliche Angebote im Bereich der Tagesbetreuung reagiert werden. Zur Optimierung der Klassen- bzw. Schulgröße sowie zur Förderung von Gemeindekooperationen sind zusätzliche entsprechende Indikatoren zu Klassen- bzw. Schulgröße vorgesehen. Grundsätzlich kann ein aufgabenorientierter Finanzausgleich auch mit der aktuell verfügbaren Datenlage umgesetzt werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dann ein wesentlicher Aufgabenbereich der Gemeinden – und zwar die Tagesbetreuung – fehlt, da derzeit die Datenlage unzureichend ist. Hier bedarf es einerseits einer Optimierung der Datenqualität im außerschulischen Betreuungsbereich (Horte), andererseits sind valide Daten zu den Ganztagsschulen notwendig.

Weitere Schritte zur Konkretisierung müssen folgen

Der hier vorgeschlagene Auswahlprozess für aufgabenorientierte Indikatoren kann nur einer von mehreren notwendigen Schritten zu einem aufgabenorientierten Finanzausgleich sein. Der vorliegende Prozess sollte auch als Chance gesehen werden, um grundlegende Reformen in der Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften umzusetzen (siehe Ausführungen unten). Da dies wohl nur langfristig umgesetzt werden kann, basiert der vorliegende IndikatorenVorschlag auf bestehenden Aufgabenverteilungen. Diese Vorgehensweise kann auch für das Pilotprojekt zum Pflichtschulbereich gemäß dem Paktum zum FAG 2017 angenommen werden. Damit findet sich eine sehr enge Definition des aufgabenorientierten Finanzausgleichs, welche sich ausschließlich auf die Ertragsanteilsverteilung der Gemeinden beschränkt. Um zumindest diesen Pfad weiterzuverfolgen, müssten noch mehrere Fragestellungen geklärt werden, wie insbesondere:

 Steuerungsrelevanz der Indikatoren: Es sollte geklärt werden, welcher Steuerungsansatz mit einem aufgabenorientierten Finanzausgleich verfolgt werden soll. Die Auswahl der Indikatoren bietet dabei die Chance, dass diese im Steuerungsprozess unterstützen. Diese Chance sollte auch genutzt werden.  Festlegen des Anspruchs auf Vollständigkeit: Es ist festzulegen, ob ausschließlich mit bereits vorhandenen Indikatoren gearbeitet werden soll oder ob neue, steuerungsrelevante Datensätze erhoben und daher alle relevanten kommunalen Aufgabenfelder (daher auch die Tagesbetreuung) abgedeckt werden sollen.  Indikatoren-Gewichtungen: Zur Festlegung der Gewichtung von Indikatoren bedarf es weiterführender Analysen und Modell-Berechnungen. So können etwa Analysen zu den tatsächlichen aktuellen Ausgaben für die Tagesbetreuung in Abhängigkeit der Betreuungsdauer oder der Gruppengröße hilfreich sein.

 Zielsetzungen zu Verteilungswirkungen: Die gewählten Gewichtungen der Indikatoren haben einen massiven Einfluss auf die tatsächliche Mittelzuteilung auf die einzelnen Gemeinden. Zur Fixierung der Gewichtungen ist daher eine von allen Gebietskörperschaftsebenen gemeinsam erarbeitete Festlegung der zugrundeliegenden gewollten Zielsetzungen zu den Verteilungswirkungen notwendig.  Wechselwirkungen im Abtausch mit dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel: Wenn ein Teil der Ertragsanteile aufgabenorientiert verteilt werden soll, bedeutet dies wohl einen Abtausch mit Mitteln aus dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Eine gesamthafte Betrachtung – bei entsprechenden Ausgleichsinstrumenten – ist daher notwendig, um ungewollte Verteilungswirkungen zu verhindern.  Festlegen des weiteren Zeitplans: Die mit dem Paktum zum FAG 2017 angestrebten Zeitpläne sind zu aktualisieren und zu konkretisieren. Als möglicher Zeitrahmen für die Finalisierung des Pilotprojektes Pflichtschule könnte der Herbst 2019 gelten.

3 Weitergehende Reformnotwendigkeiten

Finanzausgleich betrifft nicht nur die Mittelzuteilung

Der Finanzausgleich geht über die reine Mittelzuteilung hinaus. So umfasst der Finanzausgleich im weiteren Sinn auch Regelungen zur Aufgabenerfüllung (z. B. Festlegungen von Kompetenzen, Zieldefinition), zur Aufbringung und Verteilung der benötigten Mittel (z. B. Abläufe, Kontrollen) sowie zur Gestion der erforderlichen Ausgaben (z. B. Transparenz). 33 Dementsprechend reicht es nicht, sich ausschließlich mit der Mittelzuteilung zu beschäftigten. Vielmehr bedarf es einer Verknüpfung von Aufgabenerfüllung und Mittelzuteilung, was auch dem Grundprinzip eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs entspricht. Es ist daher notwendig, die Aufgabenerfüllung mit der Mittelzuteilung in Einklang zu bringen. Hierzu sind grundsätzlich mehrere Wege denkbar. Einerseits kann die Mittelzuteilung an die aktuelle Aufgabenerfüllung angepasst werden, wodurch bestehende Kompetenzverflechtungen auch im Bereich der Finanzmittel abgebildet werden. Andererseits würde eine Entflechtung der Kompetenzen und eine klare Zuordnung der Aufgaben zu den Gebietskörperschaftsebenen nicht nur eine Vereinfachung des Steuerungsprozesses bedeuten, sondern auch eine deutlich einfachere Ausgestaltung der Finanzmittelausstattung.

Reform des Finanzausgleichsmodells definieren

Mit dem Paktum zum FAG 2017 wurde zwar ein „Einstieg“ in den „Umstieg“ zur Reform des Finanzausgleichs kommuniziert. Allerdings wurde nicht festgelegt, wohin sich der Finanzausgleich in seiner Summe hinbewegen soll. So wurden mehrere Maßnahmen gesetzt, welche jedoch nicht aufeinander abgestimmt sind und in Summe neutrale bis leicht positive Effekte haben können. Eine tiefergehende Reform konnte daher nicht erreicht werden. 34

Für die Entwicklung eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs wäre es jedoch wichtig, die Fahrtrichtung des Finanzausgleichs zu kennen. Dementsprechend bedarf es konkreter

33 vgl. Bauer u. Thöni: Finanzausgleich im Überblick, 2017, S. 50. 34 vgl. Bröthaler u. Getzner: Evaluierungsrahmen Finanzausgleich, 2017, S. 398.

Entwicklungsstrategien für das Finanzausgleichssystems, wobei hier bereits auf zahlreiche Vorschläge von Expertinnen und Experten 35 zurückgegriffen werden kann.

Notwendigkeit einer Neuordnung der Kompetenzen

Der Pflichtschulbereich ist durch eine hohe Verflechtung der Kompetenzen der Gebietskörperschaften gekennzeichnet. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Ganztagsschulen, wo auch die Gemeinden Verantwortung für das pädagogische Personal übernehmen. Ein hohes Maß an Verflechtungen bedeutet jedoch einen hohen Koordinierungsaufwand und es ergeben sich zunehmend Schnittstellenprobleme. Dadurch wird eine bundesstaatliche Steuerung deutlich erschwert. Durch die Bündelung der Kompetenzen auf der Länderebene wären wohl merkbare Effizienz- und Effektivitätssteigerungen möglich. Der Prozess zu einem aufgabenorientierten Finanzausgleich kann als Chance gesehen werden, verstärkt über die bestehenden Kompetenzzuteilungen nachzudenken und diese zu optimieren. Ein idealtypischer Prozess wäre hier, zuerst die sachpolitischen und funktionalen Ziele gemeinsam (daher alle drei Gebietskörperschaftsebenen) festzulegen, dann die Aufgaben neu zu verteilen und erst im dritten Schritt die Finanzierungsregelungen festzulegen.

35 wie etwa Bröthaler et al.: Reformoptionen und Reformstrategien, 2011. Eine Übersicht zu bestehenden Studien der letzten Jahre kann dem

Anhang 2 im FAG-Handbuch 2017 entnommen werden.

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