KDZ-Fact-Sheets "Sozialhilfe- und Pflegefinanzierung"

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Fact Sheets: Sozialhilfeund Pflegefinanzierung

Grundlagen und Finanzierung der Sozialhilfe sowie Pflege 11. Juni 2019

verfasst von Mag. Peter Biwald Dr.in Karoline Mitterer DIin Marion Seisenbacher

KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung Guglgasse 13 · A-1110 Wien T: +43 1 892 34 92-0 · F: -20 institut@kdz.or.at · www.kdz.or.at


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INHALT

Inhaltsverzeichnis Sozialhilfe allgemein ...................................................................................................................... 5 1.

Akteure im Sozialhilfebereich ....................................................................................... 5

2.

Ausgaben im Sozialhilfebereich ................................................................................... 6

3.

Sozialhilfeumlagen........................................................................................................ 8

4.

Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS)/Sozialhilfe ............................................... 9

Pflege ............................................................................................................................................. 11 1.

Leistungsspektrum...................................................................................................... 11

2.

Leistungen im Pflegebereich ...................................................................................... 12

3.

Pflegefinanzierung ...................................................................................................... 14

4.

Einflussfaktoren der Ausgabenentwicklung................................................................ 16

5.

Pflegefonds ................................................................................................................. 18

6.

Pflegegeld ................................................................................................................... 19

7.

Entfall Pflegeregress................................................................................................... 20

8.

Prognosen und Ausgabendämpfungspfad ................................................................. 21

9.

Reformbedarf im Pflegebereich .................................................................................. 22

Verzeichnisse................................................................................................................................ 24

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

SOZIALHILFE ALLGEMEIN 1. Akteure im Sozialhilfebereich Als Träger der Sozialhilfe erbringen oder sichern grundsätzlich die Bundesländer das Leistungsangebot im Sozialhilfebereich. In Oberösterreich, der Steiermark und in geringerem Ausmaß in Kärnten sind auch Sozialhilfeverbände (formal Gemeindeverbände) als Träger der Sozialhilfe bestimmt. In Vorarlberg wurde ein Sozialfonds als Schaltstelle der Sozialhilfeleistungen eingerichtet, in Wien der Fonds Soziales Wien. In Tirol gibt es einen Mindestsicherungsfonds. Kommunen tragen mit der Sozialhilfeumlage wesentlich zur Finanzierung des Sozialhilfebereiches bei. Daneben betreiben Gemeinden und Städte auch eigene Einrichtungen, wie etwa Senioren- oder Pflegeheime. So bestehen etwa in Salzburg, Tirol und Vorarlberg vielfach Gemeindeverbände für Alten-, Wohn- und Pflegeheime. Zusätzlich übernehmen Statutarstädte Aufgaben im Rahmen ihrer Funktion als Bezirksverwaltungsbehörde – beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe. Der Bund übernimmt in der Sozialhilfe primär die Rolle des Fördergebers. Mit dem Pflegegeld als Geldleistung werden pflegebedürftige Personen unterstützt. Der Bund trägt neben den Ländern und Gemeinden zur Finanzierung des Pflegefonds bei. Der Sozialhilfebereich umfasst mehrere Aufgabenfelder: vor allem den (finanzmäßig bedeutendsten) Pflegebereich, die Behindertenhilfe, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung und die Kinder- und Jugendhilfe (Jugendwohlfahrt). Abbildung 1: Akteure im Sozialhilfebereich

Bund teilweise Grundsatzgesetzgebung (z.B. ASVG) , Auszahlung Pflegegeld Pflegefonds

finanziert durch Bund, Länder und Gemeinden

Länderebene Träger der Sozialhilfe nur das Land: Bgld, NÖ, Sbg zusätzliche Landesfonds in Tir (Mindestsicherungsfonds), Vbg (Sozialfonds), W (Fonds Soziales Wien) zusätzlich Sozialhilfeverbände in Stmk und OÖ (formal Gemeindeverbände), Ktn (Sozial- und Gesundheitssprengel) Behindertenhilfe

Sozialhilfe: v.a. Soziale Dienste, Alten- und Pflegeheime, Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Kinder- und Jugendhilfe

Kostenbeiträge an Sozialhilfeverbände und Betreiber

Umlagen

Gemeindeebene

Leistungserbringung

Ko-Finanzierung durch Gemeinden Gemeindebeiträge zu Sozialhilfe-Ausgaben der Länder

z.T. Finanzierung und Leistungserbringung durch Statutarstädte (OÖ, Stmk) z.T. Betreiber von sozialen Diensten, Altenund Pflegeheimen (z. B. Sbg, Tir)

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018 auf Basis Mitterer et al.: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen, 2016, S. 74; BMASK: Pflegevorsorgebericht 2016; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2016.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

2. Ausgaben im Sozialhilfebereich Ausgaben im Überblick Grundsätzlich tragen alle Gebietskörperschaftsebenen – direkt oder indirekt – zur Finanzierung des Sozialhilfebereiches bei. Dabei zeigt sich eine insgesamt dynamische Ausgabenentwicklung. Insgesamt wurde im Jahr 2017 ein Volumen von rund 16,7 Mrd. Euro – ohne Konsolidierung der Transfers zwischen den Gebietskörperschaften – ausgegeben. Dies entspricht einem Zuwachs von rund 23 Prozent gegenüber dem Jahr 2013 (13,6 Mrd. Euro). Ein großer Teil der Ausgaben davon – rund 4,3 Mrd. Euro – fließt als intragovernmentale Transfers zu anderen Gebietskörperschaften, Sozialhilfeverbänden oder Fonds. Nach Konsolidierung verbleiben 12,5 Mrd. Euro Ausgaben (2017), wobei sich die Verteilung auf die Gebietskörperschaften maßgeblich verändert: Insbesondere Gemeindeverbände und Fonds beziehen große Teile ihrer Einnahmen aus Transfers von Gemeinden und Ländern. Auch die Länder erhalten Transfereinnahmen in der Höhe von rund 1,9 Mrd. Euro – vorrangig über Umlagen sowie den Bundeszuschuss für den Pflegefonds. Die Gemeinden, die Stadt Wien und der Bund erhalten kaum Transfereinnahmen, so dass sich deren Ausgaben nicht wesentlich verändern.

  

Die Länder- und Gemeindeebene trägt damit 75 Prozent der Netto-Ausgaben, 25 Prozent trägt der Bund bei (Auszahlung der Pflegegelder, Bundeszuschuss zum Pflegefonds).

Ausgaben in Mio. Euro

Abbildung 2: Entwicklung des gesamten Ausgabenvolumens (nicht konsolidiert) im Sozialhilfebereich 2013 bis 2017 sowie konsolidierte Ausgaben 2017 nicht konsolidierte Ausgaben 2017

2.385

2016

2.299

4.794 2017

2.385 4.741

2016 2015

2.197

2014

2.076

1.981 0

1.886

2.197

2.000

1.724

0

4.000

4.741 1.953

1.972

6.000 2.000

2.219

1.617

3.139

2.121 3.042

1.761

3.972 1.628

3.127

1.886

1.850

2.076

3.789 2013 1.981

2.088

nicht konsolidierte Ausgaben

4.164

3.972 2014

2.136

4.794 2.121 2.085

2.299 4.164

2015

2013

2.219

2.136

1.850

2.966

1.497

8.000 4.000

10.000 12.000 14.000 16.000 6.000 8.000 10.000

Länder

Wien

3.127

3.127 12% 12.000

2.088

13%

2.136

3.042

1.773 3.789

Gemeinden

19% 14.000

3.127

25%

715 1.215

6% 10%

2.219

18%

2.879

23%

2.385

2.311

19%

Ausgaben 2017

Ausgaben 2017 konsolidiert

8.000 13% 1.953

2.930 1.628 1.773

16.000

10.000 3.139

2.085

2.966 1.724

Ausgaben 2017

18.000

in Mio. Euro 2.930

18.000 12.000

Gemeindeverbände

2.219

6.000 4.000 2.000

29%

14%

0 14.000 Fonds

4.794

in Mio. Euro

16.000 18.000 nicht konsolidiert Bund

Quelle: KDZ: eigene Berechnungen 2019 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten und Länderfinanzdaten 2013 bis 2017; Sozialfonds Vorarlberg: Rechnungsabschlüsse 2013 bis 2017; Fonds Soziales Wien: Jahresabschlüsse 2013 bis 2017; Bundesrechnungsabschlüsse 2013 bis 2017. Anmerkung: Fonds beinhaltet Fonds Soziales Wien und Vorarlberger Sozialfonds.

Ausgaben der Gemeinden Die Ausgaben der Gemeinden im Sozialhilfebereich beliefen sich 2017 auf 2.385 Mio. Euro bzw. 11,5 Prozent des Gemeindebudgets (ohne Wien). Mit 1.656 Mio. Euro entfiel der Großteil der Ausgaben auf die Sozialhilfeumlagen. Den Ausgaben standen im Jahr 2017 Einnahmen von 496 Mio. Euro bei jenen Gemeinden gegenüber, die Alten- und Pflegeheime betreiben. Die Nettoausgaben stiegen von 1.517 Mio. Euro im Jahr 2013 auf 1.883 Mio. Euro im Jahr 2017. Dies entspricht einem Zuwachs um 24 Prozent. Die Entwicklung der Ausgaben im Sozialberiech zeigt, dass diese seit 2012 um 21 Prozent gestiegen sind, während sich die Einnahmen nur um 12 Prozent erhöhten. 6 11.06.19


SOZIALHILFE ALLGEMEIN

Abbildung 3: Entwicklung der Nettoausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen (ohne Wien), 2013 bis 2017 12,0%

Nettoausgaben in Mio. Euro

1.500

11,3%

10,8%

10,7%

2.000

10,0% 170 135

153 128

153 122

143 112

136 111

11,5%

11,3%

8,0% 6,0%

1.000 4,0%

1.504

1.439

1.400

1.302

1.213 500

2,0%

0

0,0% 2013

2014

2015

2016

2017

Sozial- und familienpolitische Maßnahmen (AB 44, 45, 46)

Jugendwohlfahrt (AB 43)

Freie Wohlfahrt (AB 42)

Allgemeine öffentliche Wohlfahrt (AB 41)

Gesonderte Verwaltung (AB 40)

Anteil Sozialausgaben

Anteil Sozialausgaben an Gesamtausgaben in %

2.500

Quelle: KDZ: eigene Berechnungen 2019 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2013 bis 2017. Anmerkungen: Gesonderte Verwaltung: z.B. Sozialamt, Jugendamt; Allgemeine öffentliche Verwaltung: v.a. Umlagen; Freie Wohlfahrt: z.B. Pflegeheime, Essen auf Rädern, Heimhilfe; Sozial- und familienpolitische Maßnahmen: z.B. Notunterkünfte, Unterbringung kinderreicher Familien).

Betrachtet man die Sozialhilfeausgaben nach Einwohnerklassen, zeigt sich, dass diese mit der Größenklasse deutlich ansteigen. Dies ist auf zwei Gründe zurückzuführen: Einerseits steigt die Pro-Kopf-Belastung der Sozialhilfeumlagen mit der Größenklasse, da die finanzkräftigeren Städte durch die bestehenden Berechnungsregelungen pro Kopf stärker belastet werden. Andererseits finden sich bei den größten Städten auch die Statutarstädte in Oberösterreich und der Steiermark, welche selbst Sozialhilfeträger sind. Diese sind daher direkt Leistungserbringer und erhalten Leistungsentgelte vom Land (und zahlen daher keine Umlagen). Weiters zeigen sich deutliche Bundeslandunterschiede, welche auf institutionelle und rechtliche Unterschiede zurückzuführen sind. Im Burgenland und in Niederösterreich erbringen die Gemeinden nur selten selbst Leistungen und sind daher vorwiegend im Zuge der Sozialhilfeumlagen involviert. Anders ist dies in Oberösterreich und Steiermark mit den Sozialhilfeverbänden oder in Salzburg und Tirol mit den zahlreichen Gemeindeverbänden für Alten-, Wohn- und Pflegeheime.

100% 90%

90%

Euro pro Kopf

600

81%

800

500

500

300

400

100

76%

90%

70%

72%

60%

600

400

200

91%

89%

700

80%

76%

72%

47%

50% 40%

300

30%

200

20%

100

10%

0 0 bis 500

0

0% 501 bis 1.000

1.001 bis 2.501 bis 5.001 bis 10.001 bis 20.001 bis 50.001 bis 2.500 5.000 10.000 20.000 50.000 500.000 Einwohnerinnen und Einwohner

800

100% 92%

700

87%

91%

90%

600 73%

81%

76%

500 76%

49%

79% 100%

80%

90%

70%

80%

57% 57%

400 300 47%

70%

50%

50%

40%

30% 20%

100 0 Ktn

Sbg

Stmk

Tir

Gesonderte Verwaltung (AB 40)

Allgemeine öffentliche Wohlfahrt (AB 41)

Freie Wohlfahrt (AB 42)

Jugendwohlfahrt (AB 43)

Sozial- und familienpolitische Maßnahmen (AB 44, 45, 46)

Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben

60%

60%

40%

200

Bgld

Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben in Prozent Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben in Prozent

91%

89% 700

Euro pro Kopf

800

Anteil SH-Umlage an Sozialausgaben in Prozent

Euro pro Kopf

Abbildung 4: Ausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen pro Kopf nach EW-Klassen und Bundesländern, 2017

30% 20%

10%

10%

0% Vbg

0%

Quelle: KDZ: eigene Berechnungen 2019 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2017.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

3. Sozialhilfeumlagen Die Sozialhilfeumlagen umfassen die Pflege, Bedarfsorientierte Mindestsicherung, Behindertenhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe. Die Sozialhilfeumlagen sind in der Regel ein reines Ko-Finanzierungsinstrument, die Gemeinden haben häufig keine Mitsprachemöglichkeit. Bundeslandunterschiede Die Gemeinden tragen je nach Bundesland zwischen 35 und 50 Prozent der Sozialhilfeausgaben1. Die geringste Belastung pro Kopf bestand 2017 für die Tiroler Gemeinden, die höchste in Oberösterreich, Vorarlberg und Kärnten.

Euro pro Kopf

Abbildung 5: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen nach Bundesländern 2013 bis 2017 0 -50 2013 -100 2014 -150 -200 -207

2015

-183

-187 -215

2016

-250

-251 -280

-279

-300

2017

-310 -350 Bgld

Ktn

Sbg

Stmk

Tir

Vbg

Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2019 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2013 bis 2017. Anmerkung: Statutarstädte in OÖ und Stmk sind Sozialhilfeverbände und leisten keine Umlagen. Um die Belastung dennoch darzustellen, wurde hier ein Anteil von 76 Prozent der Nettoausgaben im Sozialbereich als „fiktive Sozialhilfeumlage“ angenommen (Durchschnittswert der Städte über 50.000 EW).

Starke Dynamik der Sozialhilfeumlagen Insgesamt stiegen die Sozialhilfeumlagen binnen zehn Jahren um 70 Prozent (von 2007: 972 Mio. Euro auf 2017: 1.656 Mio. Euro), die Ertragsanteile für die Gemeinden im selben Zeitraum um 37 Prozent (von 2007: 4.668 Mio. Euro auf 2017: 6.376 Mio. Euro). Der kurzzeitige Einbruch in der Dynamik im Jahr 2012 ist auf die Einführung des Pflegefonds zurückzuführen. Eine nachhaltige Dämpfung konnte durch den Pflegefonds jedoch nicht erreicht werden. Abbildung 6: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen und der Ertragsanteile 2007 bis 2017 170

180

Index 2007 = 100

160 140 120 100 80

137

100 100

60 40 20 0 2007

2008

2009

2010

2011

Index Sozialhilfeumlage

2012

2013

2014

2015

2016

2017

Index Ertragsanteile

Quelle: KDZ: eigene Berechnung 2019 auf Basis Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2007 bis 2017. 1

35 Prozent in Tirol; 40 Prozent in Oberösterreich, in der Steiermark und in Vorarlberg; 50 Prozent in den weiteren Bundesländern. Siehe auch Mitterer et al.: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen, 2016, S. 80.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

4. Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS)/Sozialhilfe Sozialhilfeträger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung/Sozialhilfe sind die Länder. Die Gemeinden finanzieren diese über die Sozialhilfeumlagen zwischen 35 und 50 Prozent mit. Sozialhilfe „neu“ Bis 2016 bestand eine Art. 15a-Vereinbarung über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung zwischen Bund und Ländern, welche jedoch auslief, da keine Einigung über eine Weiterführung erreicht werden konnte. Die Länder haben danach eigene landesgesetzliche Regelungen erlassen. Dies führte zu teils deutlich unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern (beispielsweise für Asylberechtigte, „Familienobergrenzen“). Mit 2019 wurde nun ein – nicht unumstrittenes – Bundesgesetz zu den Grundsätzen für die Sozialhilfe (SozialhilfeGrundsatzgesetz) beschlossen, welches die bisherige Mindestsicherung neu regelt. Künftig wird die monatliche Sozialhilfe in der Höhe des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes gewährt (885,47 Euro für 2019), für Paare 1.239,66 Euro. Für Familien bringt die Neuregelung Einschnitte in Form einer Staffelung pro Kind: Für das erste Kind ist ein Sozialhilfesatz von 25 Prozent des Nettoausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen (221,37 Euro), für das zweite 15 Prozent (132,82 Euro), und ab dem dritten Kind gibt es fünf Prozent (44,27 Euro). Für Menschen mit Behinderung muss es einen Bonus von 159,39 Euro geben. Alleinerzieherinnen können die Länder Zuschläge geben: Bei einem Kind 106,25 Euro, bei zwei Kindern 185,95 Euro, bei drei 239,10 Euro. Leben mehrere Sozialhilfebezieher in einer Wohngemeinschaft, ist eine Deckelung bei 1.549,57 Euro vorgesehen (ausgenommen Kinder, Menschen mit Behinderung und dauerhaft erwerbsunfähige Bezieherinnen und Bezieher).Spenden und Heizkostenzuschüsse werden nicht angerechnet. Die Länder können bis zu 30 Prozent Wohnzuschuss gewähren. Zuwanderer mit schlechten Deutschkenntnissen erhalten nur 65 Prozent der regulären Leistung (575 Euro). Aus den rund 300 Euro Differenz auf die volle Geldleistung sollen Sprachkurse finanziert werden. Bestehen bleibt die Möglichkeit der Länder, auf das Vermögen der Betroffenen zuzugreifen (Ausnahmen: etwa ein Auto für Fahrt zur Arbeit). Auf ein "Schonvermögen" von rund 5.300 Euro ist kein Zugriff möglich. Die "Schonfrist" für den Zugriff auf das Eigenheim bzw. die pfandrechtliche Eintragung im Grundbuch wird von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht. Zweck der Bedarfsorientierten Mindestsicherung/Sozialhilfe Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung war für Personen vorgesehen, die über keine angemessenen finanziellen Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt bzw. den ihrer Angehörigen ausreichend decken zu können. Mit der Sozialhilfe wurden die Ziele erweitert. Neben der Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhaltes und zur Befriedigung des Wohnbedarfes werden nun auch integrationspolitische und fremdenpolizeiliche sowie arbeitsmarktpolitische Ziele verfolgt. Besonders dynamischer Ausgabenbereich Von 2013 bis 2017 kam es zu einem deutlichen Anstieg der Bezieherinnen und Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) um 29 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Ausgaben der BMS um 54 Prozent deutlich stärker und stellen damit Länder und Gemeinden vor finanzielle Herausforderungen. Die Ausgaben für die BMS (Lebensunterhalt, Wohnbedarf, Krankenhilfe) betrugen 2017 für die Länder und Gemeinden insgesamt 977,4 Mio. Euro.

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SOZIALHILFE ALLGEMEIN

Abbildung 7: Entwicklungen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, 2013-2017 Bezieherinnen und Bezieher 350.000

+ 29%

250.000

in Mio. Euro

Anzahl Personen

300.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0

2013

2014

2015

2016

2017

Ausgaben

1.000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

+ 54%

2013

2014

2015

2016

Lebensunterhalt und Wohnbedarf

2017

Krankenhilfe

Quelle: Statistik Austria: Statistik der Bedarfsorientierten Mindestsicherung 2013-2017.

Konzentration in Städten Ein großer Teil der BMS-Bezieherinnen und -Bezieher lebt in Städten. So leben etwa in Kärnten, Salzburg und der Steiermark über 50 Prozent der Leistungsbeziehenden in der Landeshauptstadt bzw. in Städten über 40.000 EW. Mit rund 56 Prozent der Personen bzw. 60 Prozent der Bedarfsgemeinschaften lebt der Großteil der Bezieherinnen und Bezieher in Wien, während auf die anderen Bundesländer jeweils maximal 10 Prozent der Leistungsbeziehenden entfallen. Eine Betrachtung der Durchschnittswerte von Städten (gemäß Österreichs Städte in Zahlen 2017) nach drei EW-Klassen zeigt, dass insbesondere in den Städten über 20.000 EW die BMSLeistungsbezieher-Dichte besonders hoch ist.

60

40 35

50

30 40 25 30

20 15

20

10 10

5 0

0 Bgld Ktn NÖ OÖ Sbg Stmk2 Tir Vbg2 Ö

BMS BezieherInnen je 1.000 EW Anteil der BMS BezieherInnen in der Landeshauptstadt bzw. Städten über 40.000 EW an allen BMS BezieherInnen

BMS BezieherInnen1 je 1.000 EW

BMS BezieherInnen1 je 1.000 EW (Säulen)

45

Anteil der BMS BezieherInnen in der Landeshauptstadt bzw. Städten über 40.000 EW an allen BMSBezieherInnen in Prozent (%) (Kreise)

Abbildung 8: Bezieherinnen und Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung pro 1.000 EW nach Bundesland (2016) und in ausgewählten Städten nach EW-Klassen (20162) 45

100

40

90

35

80 70

30

60

25

50

20

40

15

30

10

20

5 0

10 10.001 - 20.001 - über 20.000 50.000 50.000 3 3 3 EW EW EW

0 Wien

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018; auf Basis Statistik Austria: Statistik der Bedarfsorientierten Mindestsicherung 2016 (für Bundeslandwerte); ÖSTB und KDZ: Österreichs Städte in Zahlen 2017; 2018 (für Städte). Anmerkungen: 1) Angaben zu Personen sind Jahressummen. 2) Inkl. nicht unterstützte Kinder. 3) Nur Städte gemäß der Publikation "Österreichs Städte in Zahlen 2017". Darstellungen basieren auf zwei untersch. Datengrundlagen (Statistik Austria; ÖSTIZ), daher eingeschränkte Vergleichbarkeit. 2

Werte für 2017 auf Gemeindeebene noch nicht verfügbar.

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PFLEGE

PFLEGE 1. Leistungsspektrum Die öffentliche Finanzierung des österreichischen Pflegesystems basiert auf einer Kombination aus Geld- und Sachleistungen.

informell durch direkte Bezugspersonen ohne pflegerische Ausbildung aus dem Haushalts- oder Familienverband

formell bzw. institutionell durch qualifiziertes Pflegepersonal in ambulanten, teilstationären oder stationären Betreuungseinrichtungen

Geldleistungen z.B. Pflegegeld basieren auf einer bundeseinheitlichen Regelung mit Rechtsanspruch. Die Leistungsempfänger können frei wählen, ob sie die Geldleistungen für formelle oder informelle Pflege verwenden.

Sachleistungen z.B. Pflege- und Altenheime Für die Bereitstellung, Organisation und Finanzierung sind die Länder zuständig. Es bestehen länderspezifisch unterschiedliche Regelungen betreffend Organisation, Personal- und Ausstattungsstandards wie auch der Mitfinanzierung der Gemeinden.

LEISTUNGEN

ORGANISATION

Abbildung 9: Organisations- und Leistungsformen des Pflegesystems

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

WELCHE DIENSTLEISTUNGEN UMFASST DIE FORMELLE PFLEGE?3 Stationäre Betreuungs- und Pflegedienste: Stationäre Betreuung und Pflege (inkl. tagesstrukturierende Leistungen) sowie Hotelleistungen (Wohnung und Verpflegung) in eigens geschaffenen Einrichtungen (inkl. Hausgemeinschaften) mit durchgehender Präsenz von Betreuungs- und Pflegepersonal (z.B. Pflegeheime, Pflegewohnhäuser, Seniorenheime). Teilstationäre Tagesbetreuung: Betreuung und Verpflegung während des Tages für Personen, die nicht in stationären Einrichtungen leben (z.B. Tagesstätten, -zentren). Mobile Betreuungs- und Pflegedienste: Häusliche Betreuung und Pflege sowie Unterstützung bei der Haushaltsführung (z.B. Hauskrankenpflege, Heimhilfe, Hospiz- und Palliativbetreuung). Alternative Wohnformen: Einrichtungen für Personen, die aus sozialen, psychischen oder physischen Gründen nicht mehr alleine wohnen können oder wollen und keine ständige stationäre Betreuung und Pflege brauchen. Kurzzeitpflege in stationären Einrichtungen: Zeitlich befristete Wohnunterbringung (bis zu drei Monaten) mit Verpflegung sowie (re-)aktivierender Betreuung und Pflege. Case- und Caremanagement: Betreuungs- und Pflegeplanung, Organisation und Vermittlung von Betreuungs- und Pflegediensten (mobil oder an Servicestellen/Stützpunkten), Nahtstellenmanagement.

Ergänzend ist die 24h-Betreuung zu erwähnen, welche als Mischform formeller und informeller Pflege gesehen werden kann. Die Betreuungskräfte sind in der Regel keine qualifizierten Pflegepersonen und ihr Tätigkeitsfeld ist stark eingeschränkt.

3

Vgl. § 3 Pflegefondsgesetz; sowie Statistik Austria: Betreuungs- und Pflegedienste der Bundesländer im Jahr 2016.

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PFLEGE

2. Leistungen im Pflegebereich Betreuungsmix der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher

Mit 42 Prozent wird ein wesentlicher Teil der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher zuhause betreut. 32 Prozent der Personen nehmen mobile Dienste in Anspruch, 16 Prozent werden stationär betreut. Teilstationäre Betreuung und alternative Wohnformen haben mit knapp zwei bzw. knapp drei Prozent eine noch vergleichsweise geringe Bedeutung. Die 24h-Betreuung nimmt einen Anteil von gut fünf Prozent ein. Hinzu kommen noch Kurzzeitpflegeangebote sowie das Case- und Care-Management, welches in den letzten Jahren als Beratungs- und Unterstützungsangebot für pflegebedürftige Personen und ihre Angehörigen zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Abbildung 10: Betreute Personen, die Pflegegeld beziehen, nach Betreuungsform, 2016 1,6% 5,4% 41,8%

32,2%

16,4% 2,6%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Pflegegeld-anspruchsberechtigte Personen nach Betreuungsart in Prozent Zuhause + Angehörige

Mobil

Stationär

Teilstationär

Alternative Wohnformen

24h-Betreuung

ergänzend: Case- und Caremanagement: 21%, Kurzzeitpflege: 2% Quelle: KDZ: eigene Darstellung auf Basis: Sozialministerium: Abschaffung des Pflegeregresses, 2017 [auf Basis der Daten von PFIF – Pflegegeldinformation des Hauptverbandes der österr. Sozialversicherungsträger (Anspruchsberechtigte Personen Pflegegeld 2016), Pflegedienstleistungsstatistik 2016 (Statistik Österreich) und 24h-Betreuung Monatsstatistik (Dez. 2016)].

Verhältnis stationäre zu mobile Dienste variiert nach Bundesland

Der Betreuungsmix in den einzelnen Bundesländern ist durchaus unterschiedlich (Abbildung 11). Die Unterschiede werden bei einer Betrachtung der Nutzung der Pflegedienstleistungen (daher ohne Pflege zuhause und 24h-Betreuung) durch die Generation 75+ deutlich. Stationäre Dienste sind am stärksten in Wien4, Kärnten und der Steiermark ausgebaut, die mobilen Dienste in Vorarlberg und ebenfalls in Wien. Das Angebot an teilstationären Tagesbetreuungen und alternativen Wohnformen variiert sehr deutlich. Zur Beurteilung der Bedeutung der stationären Pflege eignet sich insbesondere auch die Betrachtung der stationär betreuten Personen je 100 Personen mit Pflegegeldbezug der Stufe 4-7 (Abbildung 12). In Kärnten werden 68 Prozent der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher der Stufen 4-7 stationär betreut, während es im Burgenland nur 35 Prozent sind – daher nur rund die Hälfte. Deutliche Unterschiede zeigen sich auch beim Verhältnis zwischen mobil und stationär betreuten Personen. So kommen in Vorarlberg auf eine stationär betreute Person 3,4 mobil betreute Personen. In Kärnten, in Oberösterreich und in der Steiermark hingegen sind es nur 1,6 mobil betreute Personen, der Österreichdurchschnitt liegt bei 1,8 mobil betreuten Personen pro stationär betreuter Person.5 Das Konzept „mobil vor stationär“ wurde daher in den Bundesländern bisher in sehr unterschiedlichem Ausmaß umgesetzt.

4 5

Im Jahr 2017 wurden erstmals die Bereiche Betreutes Wohnen und Hausgemeinschaften bei den stationären Diensten und nicht mehr bei den Alternativen Wohnformen erfasst. Basierend auf Statistik Austria: Pflegedienstleistungsstatistik 2017.

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PFLEGE

Abbildung 11: Betreute Personen nach Betreuungsform je 1.000 EW mit 75 und mehr Jahren nach Bundesland, 2017 Betreute/gepflegte Personen je 1.000 EW mit 75 und mehr Jahren

300

n stationären Betreuungs- und Pflegediensten enthalten 250

200

150

100

50

0 Bgld

Ktn

Stationäre Dienste

NÖ 1

Mobile Dienste

Sbg 1,2

Stmk 3

Teilstationäre Tagesbetreuung

Tir 1

Vbg 4

Wien 5

Ö

Alternative Wohnformen

Anmerkungen: Die Betreuungs- und Pflegedienste umfassen die in § 3 Abs. 1 Pflegefondsgesetz (PFG) aufgelisteten sechs Dienstleistungsbereiche der Länder und Gemeinden in der Langzeitpflege, soweit ihre (Mit)Finanzierung aus Mitteln der Sozialhilfe/Mindestsicherung bzw. sonstigen öffentlichen Mitteln erfolgt (mobile, teilstationäre und stationäre Dienste, Kurzzeitpflege, alternative Wohnformen, Case- und Caremanagement); ohne Leistungen der Behindertenhilfe und der Grundversorgung sowie ohne Selbstzahlerinnen und -zahler; 1) Alternative Wohnformen: Kein von der Sozialhilfe/Mindestsicherung finanziertes Angebot; 2) Teilsationäre Dienste: ohne Hospiz- und Palliativbetreuung; 3) Einschließlich Doppel-/Mehrfachzählungen, Stationäre Dienste: einschließlich Kurzzeitpflege; 4) Mobile Dienste: Hauskrankenpflege, ohne sonstige mobile Dienste; 5) 2017 mit den Vorjahren nicht vergleichbar, weil die Bereiche Betreutes Wohnen und Hausgemeinschaften in Wien erstmals bei den stationären Diensten (und nicht mehr bei den alternativen Wohnformen) erfasst sind.

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019; auf Basis Statistik Austria: Pflegedienstleistungsstatistik 2017; Statistik Austria: Bevölkerungsstatistik 2017.

Abbildung 12: Struktur der Pflegedienstleistungen nach Bundesland, 2017

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019; auf Basis Statistik Austria: Pflegedienstleistungsstatistik 2017.

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PFLEGE

3. Pflegefinanzierung Hohe Komplexität

Die Finanzierung der Pflege ist komplex und weist eine hohe Verflechtung zwischen den Gebietskörperschaftsebenen auf. Insgesamt verteilt sich die Netto-Belastung6 von 4.702 Mio. Euro 2017auf Bund, Länder und Gemeinden folgendermaßen: 53,4 Prozent (bzw. 2.511 Mio. Euro) tragen der Bund, 23,0 Prozent (bzw. 1.082 Mio. Euro) die Länder und 23,6 Prozent (bzw. 1.108 Mio. Euro) die Gemeinden. Als wichtigster Ausgabenbereich beim Bund zeigt sich das Pflegegeld mit 2.551 Mio. Euro, welches von Ländern und Gemeinden mit 372 Mio. Euro ko-finanziert wird. Hinzu kommen Ausgaben von 159 Mio. Euro für die 24-Stunden-Betreuung, welche von Bund und Ländern gemeinsam im Verhältnis 60:40 bezahlt werden. Bei den Ländern und Gemeinden liegt der Schwerpunkt auf der Finanzierung der Pflegedienstleistungen. Für v.a. stationäre, teilstationäre und mobile Pflegedienstleistungen7 gaben die Länder und Gemeinden 2017 insgesamt 1.990 Mio. Euro (noch vor Abzug der Mittel aus dem Pflegefonds) aus8, welche über einen Teil der Sozialhilfeumlagen9 durch die Gemeinden mit 828 Mio. Euro ko-finanziert werden. Zusätzlich fließen hier Mittel aus dem Pflegefonds ein, welcher gemeinsam von Bund (236 Mio. Euro), Ländern (72 Mio. Euro) und Gemeinden (42 Mio. Euro) dotiert wird.

2.551 Mio.

EN

372 Mio.

64 Mio.

AG

372 Mio.

64 Mio.

159 Mio. 236 Mio. *

2.511 Mio. Netto-AG 53,4%.

Pflegedienstleistungen 1.855 Mio.

EN 127 Mio. Sozialhilfeumlage 828 Mio.

72 Mio.**

350 Mio.

236 Mio.

AG

72 Mio. 42 Mio.

350 Mio.

Länder

Bund

Abbildung 13: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2017

1.082 Mio. Netto-AG 23,0%.

Gemeinden

Gemeindeanteil am Pflegefonds

AG 127 Mio. Sozialhilfeumlage 828 Mio. 111 M. 42 Mio.*** Pflegedienstleistungen1

EN Legende:

1.108 Mio. Netto-AG 23,6%. Nicht abgrenzbar, etwa:

Pflegegeld

Pflegefonds

*

GSBG-Mittel

24h-Betreuung

Netto-Ausgaben (Ausgaben abzüglich Einnahmen)

**

Einmalige Zuschüsse über BZ-Mittel

Pflegedienstleistungen

*** Zuschüsse an gemeindeeigene Einrichtungen

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019; auf Basis: BMASK: Österreichischer Pflegevorsorgebericht 2017; Pflegefondsgesetz BGBl. 57/2011; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2017. Anmerkung: Ausgaben der Länder für Pflegedienstleistungen sind Netto-Ausgaben (daher abzüglich Beiträge und Ersätze von Privaten sowie sonstigen Einnahmen) bzw. bei den Gemeinden exkl. des geschätzten Anteils am Pflegefonds. Pflegedienstleistungen Gemeinden ohne Wien; 1) Netto-AG Pflegedienstleistungen abzgl. geschätzter Anteil der Gemeinden am Pflegefonds. Abkürzungen: AG =Ausgaben, EN = Einnahmen, GSBG = Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, BZ = GemeindeBedarfszuweisungsmittel. 6

Ausgaben abzüglich Einnahmen. Stationäre Dienste, teilstationäre Dienste, alternative Wohnformen, Kurzzeitpflege und Case- und Care-Management. Ausgaben: Brutto-Ausgaben abzüglich Beiträgen, Ersätzen und sonstige Einnahmen. Transfers zwischen den GK sind noch nicht berücksichtigt. 9 Annahme, dass rund die Hälfte der Sozialhilfeumlage auf den Pflegebereich entfällt (basierend auf aktuellen Abrechnungen in zwei Bundesländern). 7 8

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PFLEGE

Pflegegeld und stationäre Dienste als zentrale Ausgabengrößen

Etwa 54 Prozent der Ausgaben im Pflegebereich erfolgen als Geldleistungen über das Pflegegeld. Dem stehen Sachleistungen im Bereich der Pflegedienstleistungen10 sowie die 24h-Betreuung gegenüber. Abbildung 14: Ausgaben 2017 nach Leistungsarten 2% 32%

54% 0%

20%

40%

Pflegegeld Weitere Pflegedienstl.

9%

3%

60% 80% 100% Ausgaben nach Leistungsarten in Prozent

Stationäre Dienste 24h-Betreuung

Mobile Dienste

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019; auf Basis: BMASK: Pflegevorsorgebericht 2017. Anmerkung: Ausgaben für Pflegedienstleistungen sind Brutto-Ausgaben abzüglich Beiträge und Ersätze sowie sonstige Einnahmen (Pensionen und Pflegegelder der betreuten/gepflegten Personen, Umsatzsteuerrefundierung, Landesgesundheitsfonds-Mittel, Zuschüsse der Krankenversicherung).

Unterschiedliche Dynamiken der Ausgabengrößen

Nach Gebietskörperschaftsebenen zeigen sich unterschiedlich dynamische Entwicklungen. So stieg das Pflegegeld (daher ein Großteil der Ausgaben des Bundes) im Zeitraum 2013 bis 2017 nur um drei Prozent. Dem gegenüber kam es bei den Pflegedienstleistungen, welche von Ländern und Gemeinden gemeinsam getragen werden, zu einer Steigerung um 17 Prozent. Die Sozialhilfeumlagen zeigten sogar eine Dynamik um 26 Prozent. Dies bedeutet, dass es mittelfristig zu einer Verschiebung der Finanzierungslast zwischen den Gebietskörperschaftsebenen kommt. Die Einführung des Pflegefonds konnte dabei nur kurzfristig die Netto-Belastung für die Pflegedienstleistungen dämpfen. Eine nachhaltige Finanzierung konnte daher nicht erreicht werden. Abbildung 15: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013-2017 130

+26% Index (Basis = 2013)

125 120

+17%

115 110 105

+3%

100 2013 Pflegegeld (Bund)

2014

2015

stationäre, teilstationäre und mobile Pflegedienstleistungen (Länder+Gemeinden)

2016

2017 Sozialhilfeumlagen (Gemeinden)

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019; auf Basis: BMASK: Pflegevorsorgebericht 2017; Pflegefondsgesetz BGBl. 57/2011; Statistik Austria: Gemeindefinanzdaten 2017. Anmerkung: Ausgaben der Länder für Pflegedienstleistungen sind Brutto-Ausgaben abzüglich Beiträge und Ersätze sowie sonstige Einnahmen (Pensionen und Pflegegelder der betreuten/gepflegten Personen, Umsatzsteuerrefundierung, Landesgesundheitsfonds-Mittel, Zuschüsse der Krankenversicherung).

10

Siehe Fußnote 8.

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PFLEGE

4. Einflussfaktoren der Ausgabenentwicklung Wie sich die Ausgaben der Gemeinden in der Zukunft entwickeln werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab.11 Einerseits werden die Ausgaben durch gesetzliche Maßnahmen beeinflusst. Andererseits wird die Entwicklung der Pflegeausgaben dadurch bestimmt, ob in ausreichendem Ausmaß auf die bestehenden Rahmenbedingungen reagiert wird und entsprechende Konzepte zur Weiterentwicklung des Pflegebereiches bestehen. Abbildung 16: Einflussfaktoren der Pflegeausgaben auf Gemeindeebene

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

Rahmenbedingungen und Strategien

Wichtige Faktoren sind die demografische Entwicklung sowie die Entwicklung des Gesundheitszustandes. Wir bewegen uns auf eine weiterhin alternde Gesellschaft zu, deren Bevölkerungszuwachs in erster Linie auf Wanderungsbewegungen zurückzuführen ist. Die „Baby-Boomer“-Generation erreicht in den Jahren 2025 bis 2030 die Altersgrenze von 60 Jahren. Wichtiges Kriterium ist auch die Entwicklung des Gesundheitszustandes, welcher die Anzahl an Pflegejahren in Relation zur steigenden Lebenserwartung beeinflusst. Die Pflegeausgaben werden weiters davon beeinflusst, welche Arten von Pflegedienstleistungen in welchem Ausmaß in Anspruch genommen werden. Bereits seit Längerem ist ein Rückgang der informellen Pflege zu verzeichnen. Dies ist etwa begründet in einer stärkeren Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, einem relativen Rückgang des Frauenanteils im Alter von 40 bis 59 Jahren sowie in der Abnahme der durchschnittlichen Haushaltsgröße bzw. dem überdurchschnittlichen Anstieg an Einpersonenhaushalten. Durch den Wegfall an informeller Pflege entsteht eine Verschiebung in den formellen Pflegebereich.

11

Vgl. Grossmann u. Schuster: Langzeitpflege in Österreich, 2017, S. 30 ff.; Brückner et al.: Aufgabenfinanzierung und Transferbeziehungen im tertiären Finanzausgleich, S 161 ff.; Paktum zum Finanzausgleichsgesetz 2017.

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PFLEGE

Bei der Struktur der Pflegedienstleistungen zeigt sich ein Trend zu mehr mobiler oder teilstationärer Pflege, um die teurere stationäre Pflege einzubremsen. Auch eine Stärkung von alternativen Wohnformen kann hier Entlastung bringen. Wie schnell dieser Strukturwandel im Bereich der Pflegedienstleistungen erfolgen kann, wird letztlich von den Konzepten der Länder abhängen. Im Masterplan Pflege12 der aktuellen Bundesregierung wird „mobil vor stationär“ forciert. Die Dynamisierung der Ausgaben wird auch durch die Preisentwicklung beeinflusst. Zu nennen sind hier insbesondere die Lohnentwicklung des Pflegepersonals, aber auch die Anpassung von Qualitätsstandards (z.B. Betreuungsschlüssel). In den nächsten Jahren kann von einer relativen Verknappung des Pflegepersonals ausgegangen werden („relativer“ Rückgang der Personen im erwerbsfähigen Alter bei gleichzeitigem Anstieg der über 65-Jährigen). Auch eine Erhöhung der Qualifizierungsstandards für Pflegeberufe wird zu überdurchschnittlichen Anstiegen der Pflegeausgaben führen. Gesetzliche Maßnahmen

Neben diesen demografischen, gesellschaftlichen und strukturellen Einflussfaktoren werden die Pflegeausgaben der Gemeinden auch von gesetzlichen Maßnahmen oder von Verschiebungen der Ausgaben zwischen den Gebietskörperschaften beeinflusst. Mit dem Paktum zum Finanzausgleichsgesetz 2017 wurde eine Verlängerung des Pflegefonds bis zum Jahr 2021 beschlossen. Inwieweit der Pflegefonds auch über das Jahr 2021 fortgeführt wird oder ob eine umfassende Reform der Pflegefinanzierung erfolgt, wird die Zukunft zeigen (nähere Informationen nachfolgend). Noch nicht konkret bestimmbar sind die finanziellen Auswirkungen des vor den Nationalratswahlen 2017 beschlossenen Entfalls des Pflegeregresses (wie nachfolgend dargestellt). Hier entstehen Einnahmenentgänge bzw. Mehrausgaben, die in der Regel gemeinschaftlich von Ländern und Gemeinden getragen werden müssen, teils aber vom Bund abgegolten werden. Ein weiterer seit langem kritisierter Aspekt ist die fehlende Valorisierung des Pflegegeldes (wie nachfolgend beschrieben). Schließlich wird die Entwicklung der Pflegeausgaben auch davon abhängen, ob der im Paktum zum Finanzausgleichsgesetz 2017 vereinbarte Ausgabendämpfungspfad im Pflegebereich im Ausmaß von jährlich 4,6 Prozent greift und ob sich dieser auch auf die Sozialhilfeumlage der Gemeinden niederschlagen wird (Näheres zu Prognosen nachfolgend).

12

BMASG: Vortrag an den Ministerrat. Pflegevorsorge – Masterplan Pflege, 2018.

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PFLEGE

5. Pflegefonds Der im Jahr 2011 eingeführte Pflegefonds wird den Ländern und Gemeinden zur teilweisen Abdeckung der Ausgaben, die im Rahmen der Sicherung sowie dem Aus- und Aufbau der Betreuungs- und Pflegedienstleistungen der Länder im Bereich der Langzeitpflege (mobile Dienste, stationäre Pflege, Tageszentren, Kurzzeitpflege, Case- und Caremanagement sowie alternative Wohnformen) zum laufenden Betrieb anfallen, jährlich als Zweckzuschuss zur Verfügung gestellt. Ziel des Pflegefonds ist es, die Ausgabendynamik von Ländern und Gemeinden zu bremsen, indem auch der Bund Mittel in den Pflegefonds einspeist. Der Pflegefonds wird dabei im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes über Vorwegabzüge bei den Ertragsanteilen von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert. Die Dotierung des Pflegefonds lag 2011 noch bei 100 Mio. Euro und erhöht sich seitdem kontinuierlich. Mit dem FAG 2017 wurde die Finanzierung des Pflegefonds bis 2021 gesichert. Bis dahin erhöht sich die Dotierung auf 417 Mio. Euro (zzgl. 18 Mio. Euro für die Hospiz- und Palliativbetreuung). Die Zuteilung der Mittel aus dem Pflegefonds auf die einzelnen Bundesländer erfolgt nach der Bevölkerung.13

in Mio. Euro

Abbildung 17: Höhe und Mittelaufbringung des Pflegefonds 450 400

Höhe des jährlichen Zweckzuschusses 18

350

18

18

18

100% 80%

300 250

11,9% 33%

20,5%

60%

200 150

300

100 50

Mittelherkunft

18

100

150

200

350

350

366

382

399

417

235

33%

40% 20% 0%

0 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 Pflegefonds

zusätzlich für Hospiz- und Palliativbetreuung

67,7%

Bund

33%

Pflegefonds (2019: 382 Mio.)

Länder

Hospiz- und Palliativbetreuung (18 Mio.)

Gemeinden

SV-Träger

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2019 auf Basis § 2 Pflegefondsgesetz sowie § 10 Finanzausgleichsgesetz 2017.

Bedeutung für die Gemeinden

Für die Gemeinden zeigen sich mit dem Pflegefonds zwei wichtige Aspekte. Erstens sollte der Pflegefonds die Ausgabendynamik im Pflegebereich – und damit auch der Sozialhilfeumlage – bremsen. Dieser Effekt zeigte sich allerdings nur bei der Einführung (2011, 2012), mittelfristig steigen die Sozialhilfeumlagen-Ausgaben aber wieder sehr dynamisch. Es kam daher zu keinem nachhaltigen Effekt. Ergänzend muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Länder und Gemeinden einen Teil der Pflegefonds-Mittel selbst finanzieren und es daher nur zu einer Verschiebung von Ertragsanteilen zum Pflegefonds kommt. Zweitens können Gemeinden, welche selbst Trägerinnen von Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sind, über die Länder Mittel aus dem Pflegefonds erhalten. Gemäß Pflegefondsgesetz ist vorgesehen, dass die Gemeinden mit Mitteln entsprechend dem Verhältnis zu ihren tatsächlich getragenen und nachgewiesenen Nettoausgaben für Pflegedienstleistungen in der Langzeitpflege zu versorgen sind.

13

Vgl. auch Mohr: Finanzierungsverflechtungen bei Gesundheit und Pflege, 2017, S. 186 ff.

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PFLEGE

6. Pflegegeld Zweck des Pflegegeldes

Das Pflegegeld dient der pauschalierten Abdeckung von pflegebedingten Mehraufwendungen, um selbstbestimmt die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern. Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich nach der Pflegestufe und erfolgt unabhängig vom Einkommen oder Vermögen der Pflegebedürftigen.14 Ko-Finanzierung durch Länder und Gemeinden

Die Finanzierung des Pflegegeldes ist komplex. Bis zum Jahr 2011 wurde zwischen dem Bundespflegegeld und dem Landespflegegeld unterschieden. Mit 2012 wurde das Landespflegegeld in das Bundespflegegeld überführt und Finanzierungsbeiträge von Ländern und Gemeinden vereinbart, welche im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes über den Weg von Vorwegabzügen bei den Ertragsanteilen von Ländern und Gemeinden abgezogen werden. Die Ausgaben für das Pflegegeld lagen 2017 bei 2.551 Mio. Euro, die Kostenbeiträge von Ländern und Gemeinden bei 372 Mio. Euro. Fehlende jährliche Valorisierung führt zu Mehrbelastungen bei Ländern und Gemeinden

Das Pflegegeld wurde seit der Einführung 1993 nur fünfmal für alle Stufen valorisiert. Die Höhe des Pflegegelds hat etwa von 1995 bis 2018 je nach Stufe um 8 bis 12 Prozent zugenommen, während der Verbraucher-Preis-Index um 51 Prozent gestiegen ist. Von 201315 bis 2018 kam es zu einer Erhöhung um 2,0 Prozent, während die Inflation in diesem Zeitraum 7,7 Prozent betrug. Tabelle 1: Entwicklung des Pflegegeldes seit 1993 Pflegestufe

1993 Euro

1994 Euro St.

Entwicklung des Pflegegeldes, 1993 bis 2019 ab 1995 ab 2005 ab 2009 Euro St. Euro St. Euro St.

Stufe 1

181,68

186,26 2,5%

145,35 -22,0%

148,30 2,0%

Stufe 2

254,35

260,75 2,5%

268,02

2,8%

273,40 2,0%

Stufe 3

392,43

402,24 2,5%

413,51

2,8%

Stufe 4

588,65

603,40 2,5%

620,26

2,8%

Stufe 5

799,40

819,39 2,5%

842,35

2,8%

Stufe 6 1.090,09 1.117,34 2,5% 1.148,67 Stufe 7 1.453,46 1.489,79 2,5% 1.531,51

ab 2011 Euro St.

ab 2016 Euro St.

154,20 4,0%

154,20 0,0%

157,30

2,0%

284,30 4,0%

284,30 0,0%

290,00

2,0%

421,80 2,0%

442,90 5,0%

442,90 0,0%

451,80

2,0%

632,70 2,0%

664,30 5,0%

664,30 0,0%

677,60

2,0%

859,30 2,0%

902,30 5,0%

902,30 0,0%

920,30

2,0%

2,8% 1.171,70 2,0% 1.242,00 6,0% 1.260,00 1,4% 1.285,20 2,0% 2,8% 1.562,10 2,0% 1.655,80 6,0% 1.655,80 0,0% 1.688,90 2,0% Anmerkung: St. = Steigerung gegenüber vorherigem Pflegegeld

Quelle: Bundespflegegeldgesetze seit 1993.

Die mangelnden jährlichen Anpassungen des Pflegegeldes an die Preisentwicklungen haben dazu geführt, dass es zu Verschiebungen der Finanzierungslast vom Bund zu den Ländern und Gemeinden gekommen ist, da ein immer größerer Anteil der Pflegeausgaben über die Sozialhilfe abgedeckt werden muss.

14 15

Vgl. AK Wien: Sozialleistungen im Überblick 2018, 2018, S. 271. Ab 2012 wurde das ehemalige Landespflegegeld ins Bundespflegegeld überführt. Ab 2013 liegen vergleichbare Werte vor.

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PFLEGE

7. Entfall Pflegeregress Als Pflegeregress wird grundsätzlich bezeichnet, wenn im Fall einer geförderten Langzeitpflege einer Person auf das Privatvermögen des Betroffenen und dessen Angehörigen zurückgegriffen werden kann.16 Mit Anfang 2018 wurde der in Österreich bis dahin bestehende Pflegeregress auf Vermögen bei stationären Pflegedienstleistungen abgeschafft. Auf weitere Einkommen, wie etwa die Pension oder das Pflegegeld, wird weiterhin zurückgegriffen. Durch den Entfall des Pflegeregresses sind langfristige Folgewirkungen zu erwarten. Dies betrifft einerseits laufende Mindereinnahmen (Wegfall von Einnahmen aus Vermögenswerten und Entfall der Vollzahlerinnen und -zahler). Andererseits entstehen Folgelasten durch eine erhöhte Nachfrage und einen steigenden Investitionsbedarf. Abbildung 18: Mindereinnahmen und Mehrausgaben bei Entfall des Pflegeregresses

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

Bei den Vollzahlerinnen und -zahlern handelt es sich um Personen, welche bisher als Privatkundinnen und -kunden aufgetreten sind und daher den Pflegeplatz zur Gänze selbst finanzierten. Diese Option wurde häufig gewählt, um nicht unter die Regelung des Pflegeregresses zu fallen. Durch den Entfall des Pflegeregresses fällt dieses Argument weg, sodass diese Personen nun ebenfalls Anträge auf Förderung des Pflegeheimplatzes stellen und es dadurch zu Mehrausgaben im Bereich der Sozialhilfe kommt. Zusätzlich führt der Entfall des Pflegeregresses zu einem generellen Anstieg der Anträge zur Aufnahme in Pflegeheimen, da die Entscheidung eines Wechsels von einer Betreuung zuhause oder von der 24h-Betreuung in eine stationäre Pflegeeinrichtung leichter fällt. Dies führt kurzfristig zu einer höheren Auslastung der bestehenden stationären Einrichtungen, mittel- bis langfristig ist ohne entsprechende Gegenmaßnahmen von einem Ausbaubedarf auszugehen. Nach Schätzungen der Länder lagen die Mehrausgaben 2018 für Folgekosten der Länder und Gemeinden gemeinsam bei 390 bis 500 Mio. Euro17. Der Bund hatte ursprünglich mit Mehrausgaben von 100 Mio. Euro gerechnet. Nach umfangreichen Verhandlungen erfolgte im Mai 2018 schließlich eine Einigung auf eine Kompensationszahlung durch den Bund auf Basis der tatsächlichen Mindereinnahmen (Wegfall des Pflegeregresses + Wegfall der Vollzahlerinnen und Vollzahler). Für das Jahr 2018 ersetzt der Bund den Ländern die durch die Abschaffung des Pflegeregresses entstehenden tatsächlichen Mehrausgaben (Einnahmenentfall bei stationärer Langzeitpflege sowie bei stationärer Betreuung und Pflege von Menschen mit Behinderungen, Mehrausgaben durch ehemalige Selbstzahlerinnen und Selbstzahler) basierend auf der Endabrechnung 2018. Zum Zeitpunkt der Einigung wurde dabei ein Höchstbetrag von 340 Mio. Euro angenommen. Ab 2019 sollen die tatsächlich ermittelten Kosten (Mindereinnahmen und Mehrausgaben für 2018) berücksichtigt werden, eine finale Lösung ist jedoch noch nicht fixiert.

16 17

Jener Anteil der Pflegeheimkosten, welcher nicht durch Pflegegelder oder Eigenbeiträge (etwa Pension) gedeckt werden kann, wird im Rahmen der Sozialhilfe von Ländern und Gemeinden getragen. Diverse Erhebungen der Länder. Teils inkl. Ausbaubedarf.

20 11.06.19


PFLEGE

8. Prognosen und Ausgabendämpfungspfad Gemäß einer Prognose für den Fiskalrat von Grossmann u. Schuster18 erhöht sich die Anzahl an Pflegedienstleistungsbezieherinnen und -beziehern in der optimistischen Variante von 2015 auf 2060 um 100 Prozent, in der pessimistischen Variante um 260 Prozent. Bei letzterer wird ein stärkerer Wegfall der informellen Pflege angenommen. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Pflegekosten für den Zeitraum 2015 bis 2030 liegt, abhängig vom Szenario, zwischen 4,4 und 6,2 Prozent. Während die Ausgaben für das Pflegegeld mit durchschnittlich jährlich 2,5 bis 5,2 Prozent wachsen, entwickeln sich die Nettoausgaben19 für Pflegedienstleistungen mit jährlich 5,8 bis 7,8 Prozent deutlich dynamischer. Ebenfalls eine überdurchschnittliche Entwicklung wird im Bereich der geförderten 24-Stunden-Betreuung mit jährlich 4,2 bis 7,0 Prozent prognostiziert. Diese Szenarien verdeutlichen die Notwendigkeit für Gegenmaßnahmen. Die prognostizierten Nettoausgaben für Pflegedienstleistungen von 5,8 bis 7,8 Prozent übersteigen den vereinbarten Ausgabendämpfungspfad gemäß Finanzausgleichspaktum 2017 von jährlich 4,6 Prozent recht deutlich. Die Ertragsanteilsprognosen liegen mit jährlich vier Prozent noch niedriger. Abbildung 19: Aktuelle Prognosewerte und der Ausgabendämpfungspfad im Pflegebereich

Quelle: für den Fiskalrat: Grossmann u. Schuster: Langzeitpflege in Österreich: Determinanten der staatlichen Kostenentwicklung, 2017; Paktum zum Finanzausgleich 2017; BMF: Prognose der Ertragsanteile 2018.

18 19

Vgl. Grossmann u. Schuster: Langzeitpflege in Österreich: Determinanten der staatlichen Kostenentwicklung, 2017, S. 36 ff. noch ohne Berücksichtigung der Sozialhilfeumlagen.

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PFLEGE

9. Reformbedarf im Pflegebereich Die zuvor angesprochene prognostizierte hohe Ausgabendynamik macht den Reformbedarf deutlich. Ohne entsprechende Gegenstrategien wird der gesetzte Ausgabendämpfungspfad wohl nicht erreichbar sein. Dabei zeigen sich durchaus unterschiedliche Ansatzpunkte. Einerseits bedarf es klarer Strategien zur Ausgabeneindämmung im Pflegebereich, um mit Strukturreformen trotz der bestehenden demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen die Finanzierbarkeit des Pflegebereiches sicherstellen zu können. Ein konsequentes Weiterverfolgen der Stärkung der mobilen Pflege, aber auch der teilstationären Pflege und von alternativen Wohnformen ist hier notwendig. Durch einen stärkeren Austausch zwischen den Ländern können hier bestehende Konzepte besser evaluiert und Erfolgsmodelle in die bundesländerspezifischen Strategien integriert werden. Zur Weiterentwicklung des Pflegebereiches bedarf es daher klarer Zielsetzungen, wie diese insbesondere im Rahmen einer stärker wirkungsorientierten Steuerung sinnvoll wären. Wenn klar ist, wohin und in welchen Schritten sich der Pflegebereich entwickeln soll, kann anhand von Zwischenetappen der Fortschritt evaluiert und gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Hierzu ist eine enge Kooperation aller betroffenen Gebietskörperschaften und Akteure notwendig. Es gilt, gebietskörperschaftsübergreifende Strategien und Konzepte zu entwickeln. Andererseits wäre zur Sicherung der Pflegefinanzierung eine Reform des Finanzierungskonzeptes notwendig. Vielfach bestehen enge und komplexe Finanzierungsverflechtungen. Eine Entflechtung und damit eine Zusammenführung der Finanzierungs- und Aufgabenverantwortung sind notwendig. Auch hier gilt es, alle betroffenen Institutionen und Gebietskörperschaften einzubeziehen. Bei einer Neugestaltung des Finanzierungskonzeptes sollten auch neue Finanzierungsquellen evaluiert werden – etwa die Einführung einer Pflegeversicherung oder eine steuerbasierte Finanzierung (wie etwa eine zweckgebundene Vermögenssteuer). Abbildung 20: Reformansätze im Pflegebereich

Quelle: KDZ: eigene Darstellung 2018.

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PFLEGE

Literaturverzeichnis Arbeiterkammer Wien: Sozialleistungen im Überblick 2018. Lexikon der Ansprüche und Leistungen. 20. Auflage, ÖGB Verlag, Wien 2018. Bauer, Helfried; Biwald, Peter; Mitterer, Karoline; Thöni, Erich (Hrsg.): Finanzausgleich 2017: Ein Handbuch – mit Kommentar zum FAG 2017, Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien-Graz 2017. BMASK: Österreichischer Pflegevorsorgebericht 2016, Wien 2017. Brückner, Helmut; Haindl, Anita; Mitterer, Karoline: Aufgabenfinanzierung und Transferbeziehungen im tertiären Finanzausgleich. In Bauer et al. (Hrsg.): FAG-Handbuch 2017, 2017, S. 141-174. Bundespflegegeldgesetz, BGBl. Nr. 110/1993, idF BGBl. I Nr. 116/2016 sowie Vorfassungen. Finanzausgleichsgesetz, BGBl. I Nr. 116/2016, idF BGBl. I Nr. 144/2017. Grossmann, Bernhard; Schuster, Philip: Langzeitpflege in Österreich: Determinanten der staatlichen Kostenentwicklung, Fiskalrat-Studie, Wien 2017. Hauptverband der Sozialversicherungsträger: 20 Jahre Pflegegeld. Entstehung, Entwicklung und Zukunft des Pflegegeldes. In: Soziale Sicherheit 6/2013 (Fachzeitschrift der Österreichischen Sozialversicherungsträger), Wien 2013. Mitterer, Karoline; Biwald, Peter; Haindl, Anita: Länder-Gemeinde-Transferverflechtungen; Status und Reformoptionen der Transferbeziehungen zwischen Ländern und Gemeinden. KDZ-Studie. Wien. 2016. Mohr, Egon: Finanzierungsverflechtungen bei Gesundheit und Pflege, In Bauer et al. (Hrsg.): FAG-Handbuch 2017, 2017, S. 175-196. ÖSTB (Hrsg.): Österreichs Städte in Zahlen 2017; Wien 2018. Paktum über den Finanzausgleich ab dem Jahr 2017. Paktum zur Finanzausgleichsgesetz 2017. Pflegefondsgesetz, BGBl. I Nr. 57/2011, idF BGBl. I Nr. 22/2017. Sozialministerium: Abschaffung des Pflegeregresses. Präsentation im Sozial-, Gesundheits- und Jugendausschuss des Österreichischen Städtebundes; November 2017. Statistik Austria: Betreuungs- und Pflegedienste der Bundesländer im Jahr 2016, Statistische Nachrichten 1/2018, Wien 2018.

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VERZEICHNISSE

VERZEICHNISSE Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Akteure im Sozialhilfebereich Abbildung 2: Entwicklung des gesamten Ausgabenvolumens (nicht konsolidiert) im Sozialhilfebereich 2013 bis 2017 sowie konsolidierte Ausgaben 2017 Abbildung 3: Entwicklung der Nettoausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen (ohne Wien), 2013 bis 2017 Abbildung 4: Ausgaben der Gemeinden nach Aufgabenbereichen pro Kopf nach EW-Klassen und Bundesländern, 2017 Abbildung 5: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen nach Bundesländern 2013 bis 2017 Abbildung 6: Entwicklung der Sozialhilfeumlagen und der Ertragsanteile 2007 bis 2017 Abbildung 7: Entwicklungen in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, 2013-2017 Abbildung 8: Bezieherinnen und Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung pro 1.000 EW nach Bundesland (2016) und in ausgewählten Städten nach EW-Klassen (2016) Abbildung 9: Organisations- und Leistungsformen des Pflegesystems Abbildung 10: Betreute Personen, die Pflegegeld beziehen, nach Betreuungsform, 2016 Abbildung 11: Betreute Personen nach Betreuungsform je 1.000 EW mit 75 und mehr Jahren nach Bundesland, 2017 Abbildung 12: Struktur der Pflegedienstleistungen nach Bundesland, 2017 Abbildung 13: Einnahmen und Ausgaben im Pflegebereich, 2017 Abbildung 14: Ausgaben 2017 nach Leistungsarten Abbildung 15: Entwicklung der wichtigsten Ausgabengrößen, 2013-2017 Abbildung 16: Einflussfaktoren der Pflegeausgaben auf Gemeindeebene Abbildung 17: Höhe und Mittelaufbringung des Pflegefonds Abbildung 18: Mindereinnahmen und Mehrausgaben bei Entfall des Pflegeregresses Abbildung 19: Aktuelle Prognosewerte und der Ausgabendämpfungspfad im Pflegebereich Abbildung 20: Reformansätze im Pflegebereich

5 6 7 7 8 8 10 10 11 12 13 13 14 15 15 16 18 20 21 22

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Entwicklung des Pflegegeldes seit 1993....................................................................... 19

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