Kaffeewissen
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Weil Kaffee nicht einfach Kaffee ist Michel Aeschbacher
Mein Name ist Michel Aeschbacher und ich komme aus dem wunderschönen Baselbiet in der Schweiz. Vor fast zehn Jahren habe ich als Aussendienstmitarbeiter einer Basler Kaffeerösterei das erste Mal bewusst guten Kaffee getrunken. Mir war in keiner Sekunde bewusst, was ich gestartet hatte. Nicht einmal im Ansatz. Nach drei Jahren Arbeiten im Aussendienst, vier Jahren Führen einer eigenen Rösterei, zwei Jahren Tätigkeit als Berater und Trainer und nun fast einem Jahr in der Geschäftsleitung der Kaffeemacher in Basel ist mir eines sehr bewusst geworden: Ich werde nie ausgelernt haben. Mein bisher gesammeltes Wissen aus vier Finalteilnahmen an Barista-Meisterschaften, etlichen Reisen in Ursprungsländer, vielen Weiterbildungskursen, fast unzähligen Lehrgängen als Kursleiter, zwei organisierten Swiss Coffee Festivals und einem Q-GraderZertifikat möchte ich an alle weitergeben, die Spass an Kaffee haben. So hatte ich die Freude und grosse Herausforderung zugleich, De’Longhi in ihrem Schulungs- und Weiterbildungsprozess zu begleiten.
Wir haben dabei den vollen Fokus auf die Wissenserweiterung der Mitarbeitenden gesetzt, um noch mehr Kompetenz auszustrahlen. Als Hilfsmittel dient dieses Booklet, dass die wichtigsten Themen rund um Kaffee abdeckt. Leidenschaft und Wissen zu teilen ist nicht nur mein Job, sondern meine Passion! Darum wünsche ich dir nun viel Spass beim Lesen des Booklets und dem späteren Ausprobieren. Aber aufgepasst: Auch bei mir hat alles mit einem harmlosen Barista-Kurs angefangen.
Index S.06
Willkommen in der Welt von De‘Longhi S.08
Vom Samen zur Pflanze bis zur Kirsche S.10
Weiterverabeitung der Kaffeekirsche S.13
Der Weg zu uns und der Handel S.14
Von grün zu braun – Wissenschaft des Röstens S.16
Let‘s go – welcher Kaffee-/Maschinen Typ bin ich? S.18
Die Maschinen und ihre Unterschiede
S.20
Verständnis einer Mühle
S.22
Exktraktion eines perfekten Espressos
S.26
Fehler beim Extrahieren
S.28
Milchschäumen und Latte-Art geniessen
S.34
Reinigung
S.36
Schlusswort
Einleitung Die Reise des Arabica führte von Äthiopien erst mal nach Jemen, wo er seinen Namen bekam, weil man davon ausging, dass er von der Arabischen Halbinsel stammte. Jemen war das erste Land, das systematisch Kaffee anbaute und ein Ausfuhrverbot für die Kaffeepflanze erliess. Dies hielt jedoch nicht allzu lange und der Weg des Kaffees ging weiter über Indien nach Indonesien. Von dort gelangte er über die niederländische Kolonie nach Europa.
Willkommen bei De’Longhi und somit in der atemberaubenden Welt des Kaffees. Dieses Booklet dient als Einstieg, um dir etwas mehr Wissen über Kaffee, seinen Weg zu uns, unsere Maschinen und die Tipps und Tricks dazu zu vermitteln. Wir möchten dir den Weg in die komplexe Welt der Kaffees und deren Extraktionen erleichtern und die vielen Fragen direkt am Anfang beantworten. Tauchen wir also ein und ergründen das Geheimnis um die aromatische Bohne.
Die Niederländer schenkten den Franzosen für die Königlichen Botanischen Gärten eine dieser Kaffeepflanzen, von der dann ein Ableger nach Zentralamerika gelangte. Der Legende nach ist der komplette Kaffeeanbau in ganz Zentral- und Südamerika aus dieser einen Pflanze entstanden. Heute wächst Kaffee auf der ganzen Welt im sogenannten Kaffeegürtel rund 25 °C nördlich und südlich des Äquators.
Wenn wir vom Ursprung des Kaffees sprechen, steht immer ein Land im Fokus: Äthiopien. Noch heute wächst dort wilder Kaffee wie bei uns Himbeeren oder Erdbeeren im Wald. Die Herkunft des Arabica lässt sich somit klar definieren. Beim Robusta bzw. Canephora, wie er botanisch richtig genannt wird, ist es eher Uganda oder Tansania. Wir begleiten aber mal den Arabica, da dessen Geschichte weit mehr erforscht ist, weil er fälschlicherweise immer noch als besser und hochwertiger gilt.
KUBA
VIETNAM
HAITI
KAMBODSCHA
DOM.REP.
PHILIPPINEN
PUERTO RICO
MEXICO
INDONESIEN
SUDAN
GUATEMALA
ÄTHIOPIEN
GHANA
KENYA
KAMERUN ECUADOR KOLUMBIEN PERU BOLIVIEN
UGANDA
ANGOLA ZIMBABWE BRASILIEN
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INDIEN
NEUGUINEA
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Vom Samen zur Pflanze bis zur Kirsche de oder Nuss auf. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass einer der beiden schlechter oder besser ist. Sie sind einfach grundsätzlich sehr unterschiedlich. Oft wird der Robusta als minderwertiger vermarktet. Das liegt zum einen daran, dass der Markt in den 1990er-Jahren mit qualitativ schlechtem Robusta überschwemmt wurde, worunter sein Ruf gelitten hat, und zum anderen, dass er nicht die gleiche Komplexität an Geschmacksnoten aufweist. Er ist deswegen aber sicher nicht schlechter, sondern einfach nur sensorisch anders.
Bleiben wir bei den beiden meistangebauten Arten der Coffea-Pflanze, die zur Familie der Rubiaceae gehören: Arabica und Robusta. Es gibt im Stammbaum verschiedene CoffeaArten, die über diesen beiden stehen, zum Beispiel Coffea anthonyi und Coffea eugenioides als «Vater und Mutter» des Arabica und Coffea canephora als «Mutter» des Robusta. Wichtig dabei ist, dass Arabica definitiv nicht der Ursprung aller Kaffeepflanzen ist, sondern bereits eine Sorte. Innerhalb der Sorten wie Arabica oder Robusta gibt es wiederum unzählige Varietäten. Diese können auch ein ganz eigenes Geschmacksprofil haben, das immer sehr stark von der Bodenbeschaffenheit und dem Klima des Anbaugebiets abhängt.
Inzwischen gibt es viele qualitativ hervorragende Robustas, die man sehr gut denjenigen empfehlen kann, die es eher kräftiger mögen oder die viele Kaffee-Milch-Getränke zubereiten. Der einzige Grund, auf die Bezeichnung «100 % Arabica» zu achten, ist sein geringfügiger bis teilweise halb so hoher Anteil an Koffein. Ansonsten sagt diese Bezeichnung etwa so viel aus wie «100 % Rotwein».
Rein geschmacklich unterscheiden sich die beiden Sorten wesentlich: Während der Arabica eher säurebetont und auch sehr komplex in seiner Geschmacksnotenvielfalt sein kann, weist der Robusta eher einen vollen Körper und klassischere «Kaffeenoten» nach dunkler Schokola-
Arabica
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Robusta
Die Kaffeepflanze mag es gerne warm und erfordert sehr viel Aufmerksamkeit. Die Kaffeebauern haben sich definitiv keine einfache Pflanze zum Anbauen ausgesucht. Zu den Schädlingen wie Roja, einem Pilz an den Blättern, und Broca, einem Käfer, der die Bohne im Inneren der Kaffeekirsche zerfrisst, kommt das unberechenbare Klima dazu. Kaffee wächst in vielen Ursprungsländern relativ wild im Urwald. Das Bild im Kopf von «Baum an Baum» wie bei uns auf einem Maisfeld ohne Schatten spendende Gehölze dazwischen trifft fast nur für Brasilien zu. Meist sind die Kaffeefarmen sehr schwer zu erreichen und an Hängen gelegen, wo keine Erntemaschinen hinkommen. Zur Ernte kommen wir aber gleich noch. Bei Kaffeebäumen dauert es je nach Varietät der Pflanze 3–5 Jahre bis zum ersten vollen Ertrag. Die Bäume werden auf ca. 3 m gestutzt, um das Ernten der Kirschen zu erleichtern, ob-
wohl sie grundsätzlich aber viel höher wachsen. Ein Kaffeebaum wird zudem im Laufe seines Lebens meist zweimal komplett zurückgeschnitten: das erste Mal nach etwa 10 Jahren auf eine Höhe von 15 cm und dann nach circa 16 Jahren auf 10 cm. Bereits im zweiten Jahr nach dem Rückschnitt bringen die Kaffeebäume wieder den fast vollen Ertrag. Somit haben die Farmer jeweils nur ein Jahr Ertragsausfall. Der Kaffeebaum blüht in vielen verschiedenen Anbauregionen zu unterschiedlichen Zeiten. Greifen wir aber mal ein Beispiel heraus: Zentralamerika. Die Blütenknospen öffnen sich oft in drei Phasen. Die erste Blüte, die sogenannte Vorblüte, beginnt in dieser Region etwa Ende Januar / Anfang Februar (die Blüten duften wunderbar nach Jasmin). Die Hauptblüte erfolgt dann ungefähr Anfang März. Die Nachblüte fällt auf circa Ende März / Anfang April. Somit erstreckt sich auch die Ernte meist über mehrere Monate. Dies macht die Arbeit der Farmer und Pflücker nochmals schwieriger.
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Weiterverarbeitung der Kaffeekirsche Nun ist es an der Zeit, die Kirschen zu pflücken und zu verarbeiten. Auch dies klingt einfacher, als es ist. Einerseits liegt der Fokus darauf, so viel Kaffee wie möglich zu produzieren. Auf der anderen Seite stehen die Qualität und eine möglichst geringe Anzahl an Fehlern – die sogenannten «Defects». Aber natürlich alles der Reihe nach. Erst mal müssen die Kirschen vom Baum gepflückt werden. Dies geschieht auf verschiedene Arten. In Brasilien gibt es Erntemaschinen, die durch die Plantagen fahren und alles von den Bäumen reissen. Auf dem Rest des Globus befinden sich die meisten Plantagen aber nicht auf einer ebenen Fläche, sondern liegen wie bereits angedeutet eher am Hang oder mitten im Urwald, sodass der grösste Teil der Kaffeekirschen von Hand geerntet wird. Und dies geschieht dann auch mehrmals, da die Kirschen nicht gleichzeitig reif werden. Man unterscheidet bei der Handernte zwischen dem «Stripping», bei dem man den ganzen Ast umgreift und nach
unten zieht, und dem «Picking», bei dem jede einzelne Kirsche gepflückt wird – eine enorm aufwändige Arbeit! Schauen wir uns die Kirsche mal genauer an: Aussen befindet sich die Kirschhaut mit der sogenannten Pulpe, dem Fruchtfleisch. Die einzelnen Kaffeebohnen – meist sind es zwei (etwa 5 % der Kirschen enthalten nur eine einzige, die sogenannte Perlbohne) – sind von einem Silberhäutchen umschlossen, das von einer pergamentartigen Schutzschicht umgeben ist: dem Pergamino. Die Kaffeebohnen werden bei der Verarbeitung im Ursprungsland aus dem Pergamino gelöst. Das Häutchen fliegt anschliessend beim Rösten durch die Volumenzunahme weg, sodass schlussendlich nur noch die Kaffeebohnen für unseren Genuss verbleiben.
Kaffeekirsche BOHNE
SILBERHAUT PERGAMENTHAUT
PULPE
KIRSCHHAUT STIEL
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1. Jetzt bringen die Pflücker die Kirschen zum Beneficio. Ein Haus auf der Farm, in dem das sogenannte «processing» angefangen wird. Es gibt zwei grundsätzliche Verarbeitungsmethoden: gewaschen aufbereitet («washed») und trocken aufbereitet («natural»). Beginnen wir mit der gewaschenen Aufbereitung, die praktisch überall auf der Welt genutzt wird, wenn genügend Wasser vorhanden ist. 2. Als erstes werden die Kirschen alle entpulpt. Es gibt Farmen, auf denen die Kirschen davor noch gefloatet werden. Hierbei werden die Kirschen im Schwemmkanal durch Zugabe von Wasser sortiert, da die unreifen und überreifen Kirschen oben schwimmen und so oft mit einen Plastik Salatsieb abgeschöpft werden können. Dies geschieht aber eher mit einem sehr aussergewöhnlichem Kaffee und nicht mit dem Standard Kaffee. Die Entpulpungs-Maschine trennt die beiden Bohnen von der Kirschhaut und dem grössten Teil des Fruchtfleisches. Dieses wird oft später als Düngemittel genutzt.
2.
Danach werden die Bohnen, an denen noch Reste von Fruchtfleisch hängen, durch ein grosses Sieb sortiert. Dies geschieht entweder von Hand oder bei grösseren Farmen durch eine Maschine, die das Sieb unter Bewegung hält. 3. Anschliessend geht es an die Fermentation. Der Kaffee fermentiert wild durch Bakterien und Hefen in der Luft. Grundsätzlich dient dieses nur zur Auflösung der noch übrig gebliebenen Schleimschicht auf dem Pergamino. Also ein natürlicher Abbau des Zuckers. Dies dauert je nach Land, Beschaffenheit der Kirsche, Feuchtigkeit und viele weitere Faktoren zwischen 12–72 Stunden. Wir sprechen bei einer kürzeren Fermentation aber von keiner grossen geschmacklichen Veränderung des Kaffees. Ob die Fermentation beendet ist, wird meist sehr einfach mit Hilfe eines Stockes, den man in den Kaffee sticht oder indem man die Bohnen in die Hand nimmt, getestet. Dann wird der Kaffee aus dem FermentationsBecken in den Schwemmkanal gespült.
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3.
4. Der Schwemmkanal wird danach zum Waschen der Kaffeebohnen genutzt, bis wirklich kein Zucker mehr an ihnen klebt. Zusätzlich werden die Bohnen dabei auch wieder sortiert. Im Wasser schwimmen die defekten Bohnen oben und können somit von den qualitativ einwandfreien getrennt werden. Danach wird je nach gewünschter Kaffeequalität erneut von Hand sortiert oder direkt getrocknet.
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4.
5. Auch der Trocknungsprozess unterscheidet sich je nach Qualität stark. Normale Qualitäten werden sehr oft in einem Trocknungsofen bei etwa 50–60 °C getrocknet. Spezialitäten-Kaffees werden an der Sonne oder sogar noch sorgfältiger, in Trockenhäusern getrocknet. Dieser Prozess kann bis zu 3 Wochen dauern. 5.
6. Bei der trockenen Aufbereitung werden die Kirschen direkt nach der Ernte zum Trocknen ausgelegt. Bei höherer Qualität werden sie zusätzlich vorher gefloatet. Der Trocknungsprozess kann ebenfalls direkt an der Sonne, in Trockenhäusern oder auch im Trocknungsofen durchgeführt werden. Dies hängt stark von der Qualität, aber auch von der produzierten Menge ab. So ist es auf grossen Farmen schlichtweg unmöglich, die gesamten Kirschen zum Trocknen auszulegen. 7. Danach verläuft der Weg der beiden Aufbereitungsarten grundsätzlich gleich: Die Bohnen werden in einem grossen Schüttelsieb vom Pergamino getrennt. Anschliessend werden sie nach Grösse und danach in einer riesigen Maschine nach Fehlern sortiert. Ein Farbsensor erkennt dunkle Flecken auf den Bohnen, worauf diese mit einer Druckluftdüse aussortiert werden. Zum Schluss kommen die Kaffeebohnen in Jutesäcke, die mittlerweile meist aus Baumwolle bestehen, und werden zum weiteren Transport in einen Container geladen.
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8. Es ist ein langer Weg, den der Kaffee bereits in den Ursprungsländern zurücklegt, noch bevor er bei uns ankommt. Jetzt macht er sich aber erst mal per Schiffscontainer auf die Reise zu uns nach Europa.
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8.
Der Weg zu uns und der Handel Nach der langen Verarbeitungskette verbringen die Kaffeebohnen einen bis anderthalb Monate auf einem Schiff nach Hamburg. Dort trifft der grösste Teil des Rohkaffees für ganz Europa ein und von da aus geht es entweder direkt mit dem LKW oder einem anderen Schiff zum nächsten Zielort weiter. Meist werden die Rohkaffeesäcke erst an ihrem Ziellager aus dem Container auf Paletten geladen. Bei einem Gewicht von 60 und 70 Kilogramm pro Sack ist dies eine sehr kraftraubende Arbeit. Zum Schluss geht der Rohkaffee seinen letzten Weg direkt in die Rösterei, die er dann erst nach einer enormen Veränderung wieder verlässt.
Dies ist auch der Grund weshalb der Robusta auch heute noch in London gehandelt wird. An der Kaffeebörse ist vor allem der Preis des Arabica sehr volatil und daher sehr spannend zu handeln. Der Handel beeinflusst den Kaffeepreis und damit die Zukunft der Kaffeefarmer massiv. Oft verstärken sich dadurch die Bewegungen der Kurse und somit des Preises, den die Farmer für ihr Produkt erhalten. Dies bedeutet, dass ein Kaffeebauer nie genau weiss, was er am Ende der Ernte dafür erhält. So ist es aber mit allen Agrarprodukten, die an der Börse gehandelt werden.
Gehandelt wird Kaffee an zwei verschiedenen Börsen: Robusta in London und Arabica in New York. Dies ist vor allem den Amerikanern zuzuschreiben. Sie wollten den Robusta, als er in den 1960er-Jahren aufkam, nicht unterstützen und ihn somit auch nicht an ihrer Börse notieren. Folglich kauften sie nur Kaffee aus Zentral- und Südamerika. 3,00
+ 206,2%
2,75
+ 180,4%
2,50
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2,25
+ 128,9%
2,00
+ 103,1%
1,75
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1,50
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1,00
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08.06.2021
Von grun zu braun – Wissenschaft des Rostens Man gibt grünen Kaffee in den Röster und irgendwann kommt er als braune Bohnen wieder heraus. Wenn es denn nur so einfach wäre. In Bezug auf das Rösten gibt es viele Mythen, z.Bsp. wie gut eine «schonende Langzeitröstung» gegenüber einer Industrieröstung ist, oder dass man in den ersten Minuten den Kaffee eigentlich nur trocknet. Wichtig zu wissen ist, dass es rund um das Rösten viele verschiedene Philosophien, Denkweisen und Traditionen gibt, die je nach Markt auch ihre Berechtigung haben. Hinzu kommt, dass viele Kulturen ihre eigene Art haben, Kaffee zu geniessen, und ihn dann auch so rösten, dass er bei der jeweiligen Zubereitungsart ein perfektes Bild zeigt. Sprechen wir also am besten über die grundsätzliche Veränderung des Kaffees beim Rösten. Eine Sache bleibt bestehen, egal wie oder wie lange der Kaffee geröstet wird: das Koffein. Koffein ist ein reiner Abwehrstoff der Pflanze, dessen Menge sich durch den Röstprozess nicht verändert. Eine markante Veränderung machen die Bohnen beim Rös-
ten in ihrer Optik durch. Farblich wechseln sie von eher grünlich zu beige über braun bis hin zu fast schwarz, je nachdem, wie dunkel das Endergebnis sein soll. Diese Farbveränderung liegt in erster Linie an dem in den Bohnen enthaltenen Zucker, der beim Rösten einen Karamellisierungsprozess durchläuft und somit, je heisser oder länger wir rösten, seine Süsse abbaut und bitterer wird. Somit kann man grundsätzlich festhalten: Je dunkler die Kaffeebohne, desto bitterer ist der Kaffee. Zusätzlich verdampft beim Rösten auch eine grosse Menge Wasser. Rohkaffee wird mit einer Restfeuchtigkeit zwischen 9 % und 12 % angeliefert. Beim Rösten enden wir, je nach Röstart, bei etwa 1,5 % bis 2,5 % Restfeuchte. Das Schweizer Gesetz lässt bei Röstkaffee einen Spielraum von bis zu 5 Prozent Restfeuchte. Somit hätte jede Rösterei grundsätzlich die Möglichkeit, ihren Kaffee mit Wasser zu strecken. Dies wird in grösseren Betrieben je nach Philosophie auch gemacht, beeinträchtigt die Kaffeequalität jedoch stark.
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250 20 0 150 10 0 50
TEMPERATUR IN GRAD
Auch über die Dauer der Röstung wird oft diskutiert. Grundsätzlich gilt, dass länger nicht unbedingt besser ist und die Röstzeit sehr stark von der Art des Wärmeeinflusses beim Rösten abhängt. Ausserdem schöpft kein Kaffee bei unter fünf Minuten Röstzeit sein volles Potenzial aus. Somit ist der Werbeslogan «schonende Langzeitröstung» reine Interpretation. Wichtig ist viel mehr, exakt zu wissen, welchen Geschmack man beim Kaffee mag, und diese Wünsche beim Kaffeekauf natürlich auch entsprechend zu berücksichtigen.
FIRST CRACK
0 00:00|02:00|04:00|06:00|08:00|10:00|12:00|14:00|16:00 ZEIT IN MINUTEN
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Let‘s go – welcher Kaffee-/Maschinentyp bin ich? Eine absolut entscheidende Frage, wenn es um die Maschinen- und Kaffeewahl geht. Zuerst ist es wichtig zu klären, ob kurze Kaffees wie Espresso bzw. espressobasierte Getränke (z. Bsp. Cappuccino), oder eher lange Kaffees wie bspw. der Lungo bevorzugt werden. Zusätzlich gilt es auch zu entscheiden, ob selbst Hand angelegt werden soll oder man sich auf Knopfdruck verwöhnen lassen möchte. Im nächsten Kapitel erkläre ich genau, wie die verschiedenen Maschinen funktionieren und wo ihre Unterschiede liegen. Aber lass uns als Erstes die Getränke definieren. Fangen wir beim Espresso an. Der Espresso ist ein eher kürzeres Getränk mit einer Füllmenge von 20–30 ml, abhängig von der Menge des eingesetzten Kaffees. Grundsätzlich sollte ein Espresso eher heiss gebrüht werden. Stelle also die Temperatur deiner Maschine auf ca. 92–94 °C bzw. «hoch» ein. Einer der wichtigsten Punkte beim Espresso ist die Textur, also das Gewicht, das das Getränk
auf deiner Zunge auslöst. Es gilt die Faustregel: Je grösser die Menge des eingesetzten Kaffees oder je geringer die extrahierte Menge in der Tasse, desto cremiger bzw. sirupartiger fühlt sich die Textur an. Lass deinem Espresso zudem genügend Zeit bei der Extraktion. Beim Vollautomaten empfehle ich rund 20 Sekunden und beim Siebträger eher 25 Sekunden Extraktionszeit. Dies immer gemessen ab dem Zeitpunkt, an dem das Wasser mit dem Kaffeekuchen in Kontakt kommt. Der Lungo ist ein eher längeres Getränk, das auch Café Crème genannt wird. Wir extrahieren dafür ein Endgetränk mit ca. 110 ml. Auch hier gilt wieder: Wer mehr Textur haben möchte, erhöht entweder die Kaffeemenge oder reduziert die Menge in der Tasse. Beim Siebträger empfehle ich dir, einen Americano zuzubereiten, da deine Mühle dabei auf «Espresso fein» eingestellt ist. Einfach ca. 60 ml heisses Wasser in eine Tasse geben und einen
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doppelten Espresso obendrauf. Schon ist der perfekte Lungo aus dem Siebträger zubereitet. 1. Beim Cappuccino ziehst du erst einen Espresso und giesst anschliessend ca. 130 ml feinporig geschäumte Milch dazu. Die Erfahrenen unter uns können an dieser Stelle ein schönes LatteArt-Motiv giessen – Erklärungen und Tipps zur Herstellung von Milchschaum und zur richtigen Durchführung beim Giessen folgen später. Durch die Reihenfolge «erst Espresso, dann Milch» erreichen wir, dass der Rand rund um unser weisses Bild braun bleibt und das Getränk wunderschön ausbalanciert nach Kaffee und Milch schmeckt. Die genaue Zubereitung eines Cappuccinos schauen wir uns in einem der folgenden Kapitel an.
1.
2. Der Latte Macchiato ist ein eher milchlastiges Getränk. Du verwendest also, je nach Grösse des Glases, ca. 200 ml feinporig aufgeschäumte Milch. Diese gibst du in ein Glas und wartest 15–20 Sekunden, bis sich die flüssige Milch vom Schaum getrennt hat. Danach giesst du den Espresso, den du unterdessen gezogen hast, zur Milch dazu. Er positioniert sich dann perfekt in der Mitte, sodass das gewünschte Erscheinungsbild des Latte Macchiatos entsteht. 3. Der Espresso Macchiato, serviert in einer Espressotasse, wird zusätzlich mit etwas geschäumter Milch verfeinert. Der Flat White, ein Getränk aus Australien, besteht aus einem doppelten Espresso und etwa 160 ml feinporig geschäumter Milch.
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Natürlich gibt es auf der Welt unzählige weitere lokale oder regionale Kaffeegetränke, die es immer wieder wert sind, einen Kaffee vollkommen neu kennenzulernen.
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Die Maschinen und Ihre Unterschiede Einer der wichtigsten Punkte dieses Booklets ist es, das Verständnis der Funktionsweise von Kaffeemaschinen, wie du diese richtig einstellst und nutzt, zu vermitteln. Beginnen wir beim Vollautomaten und gehen dann weiter hinüber zur Siebträgermaschine. Beim Vollautomaten geschieht, wie der Name schon sagt, alles vollautomatisch. Trotzdem kannst und musst du einige Parameter verändern, um wirklich die perfekte Tasse Kaffee zu brühen. Als erstes wählst du deine Kaffeesorte. Sie sollte genau deinem Geschmacksprofil entsprechen. Magst du also einen etwas kräftigeren Kaffee, darf er ruhig einen Robusta-Anteil enthalten oder etwas dunkler geröstet sein. Sei dir dabei immer bewusst, dass dunkel gerösteter Kaffee grundsätzlich auch mehr Bitterkeit mit sich bringt. Wichtig ist ausserdem zu beachten, dass viele Kaffees für eine bestimmte Zubereitungsart geröstet wurden. Lass dich dazu am besten beraten.
Ein Vollautomat mahlt die vorprogrammierte Menge an Kaffee direkt in die Brühgruppe. Diese enthält einen Schrittmotor, der den Kaffee zusammenschiebt und tampt («tampen» ist ein im Kaffeejargon verbreitetes englisches Wort für «verdichten»). Danach kommt das heisse Wasser aus dem Brühsieb der Brühgruppe und extrahiert den Kaffee unter Druck. Was du dann siehst, ist das Auslaufen des fertigen Getränks in deine Tasse. Den Mahlgrad und wie du beim Vollautomaten die perfekte Einstellung für deinen Kaffee findest, erkläre ich dir in den folgenden Kapiteln. Beim Siebträger erfolgt alles per Hand: Du mahlst den Kaffee in den Siebträger und tampst ihn anschliessend. Dies geschieht bei der «Dedica» von Hand und bei den «La Specialistas» mit dem eingebauten Tamper. Dann musst Du den Siebträger einspannen und startest die Extraktion und schon kommst du zu deinem persönlichen Kaffee. Aber die Details für eine perfekte Extraktion folgen nach dem
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nächsten Kapitel. Grundsätzlich ist ein Siebträger immer dann zu empfehlen, wenn du vorwiegend Espresso oder espressobasierte Getränke (z.Bsp. Cappuccino) geniesst und den Kaffee selbst zubereitest. Die Lungo-Extraktionen hingegen sind oftmals balancierter bei der vollautomatischen Kaffeemaschine. Es liegt also ganz an deinen Kaffeevorlieben, welche Maschine zu dir passt.
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Verstandnis einer Muhle Bevor wir nun den genauen Ablauf der Espressozubereitung mit dem Siebträger oder dem Vollautomaten zusammen anschauen, müssen wir unsere Mühle genau verstehen. Denn über den Mahlgrad können wir sensorisch sehr viel verbessern – aber auch verschlechtern. Grundsätzlich machst du beim Kaffeebrühen nichts anderes, als Wasser zu stauen. Deine Maschine, egal ob voll- oder halbautomatisch, liefert zuallererst heisses Wasser bei konstantem Druck. Du erzeugst dann mit dem Kaffee einen Widerstand und regelst somit die Extraktionszeit. Denn je kleiner die Kaffeepartikel sind, desto langsamer fliesst das Wasser durch den Kaffeekuchen. Wichtig ist dabei zu wissen, dass immer von einer Partikelverteilung gesprochen wird und nicht von einer Korngrösse. Somit hast du immer etwas kleinere und etwas grössere Partikel im Kaffeekuchen, die auch unterschiedliche sensorische Ergebnisse bewirken. Du steuerst die Verteilung durch die Veränderung des Mahlgrades.
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Je feiner du mahlst, desto länger dauert der Kontakt zwischen Wasser und Kaffee und desto mehr Zeit haben die Partikel, Geschmacksnoten und Grundgeschmäcker auszulösen. Somit werden die Geschmacksnoten herber und lösen mehr Bitterkeit aus. Je länger also die Brühzeit, desto weniger Säure, aber umso mehr Bitterkeit findest du in der Tasse. Und umgekehrt funktioniert dies natürlich auch: je gröber der Mahlgrad, umso kürzer die Extraktion und umso säurebetonter der Kaffee. Das Ziel wäre ein perfekt balanciertes Getränk aus Säure, Süsse und Bitterkeit mit optimaler Textur. Dafür würde ich beim Vollautomaten eine Zeit von ca. 20 Sekunden bei nicht mehr als 20 ml Espresso in der Tasse empfehlen. Oftmals steht jedoch nur ein Mahlgrad für alle Getränke zur Verfügung. Wenn er also perfekt für einen Espresso eingestellt ist, ist er für einen Lungo sicherlich zu fein. Das Wasser benötigt dann viel zu viel Zeit, um durch den Kaffee zu
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fliessen und das Getränk wird somit eher bitter. Auch hier gilt es, zu entscheiden, welches Getränk dir wichtiger ist. Du kannst auch einfach die eingesetzte Mahlgutmenge beim Espresso erhöhen, um mehr Widerstand beim Brühprozess zu erzeugen. So findest du bestimmt einen Kompromiss zwischen dem Lungo- und dem Espresso-Mahlgrad. Oder Du brühst als Lungo einfach einen Americano, was dann mit ein und demselben Mahlgrad möglich ist.
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Du hast nun gemerkt, dass du deinen Kaffee komplett deinem eigenen Geschmack anpassen kannst, sofern du weisst, was du mit welcher Veränderung auslöst. Am Schluss ist es einfach ein Ausprobieren, da jeder Kaffee sich anders verhält und du somit erst einmal deine Kaffeebohnen kennenlernen musst. Viel Spass dabei!
4. Bilder links:
1.) Mahlgrad von Filterkaffee bis Espresso
(unten: Filterkaffee, mitte: Lungo, oben: Espresso)
2.) Americano
Bilder rechts:
3.) perfekte Extraktion
4.) zu langsame Extraktion (Überextraktion) 5.) zu schnelle Extraktion (Unterextraktion)
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Extraktion des perfekten Espressos Bei der Espressozubereitung können sich unzählige Fehler einschleichen. Dieses Kapitel zeigt Schritt für Schritt, wie du den Espresso mit einer Siebträgermaschine perfektionieren kannst, denn jeder einzelne Schritt muss umgesetzt werden, um eine konstante Extraktion zu erreichen. Aber fangen wir von vorne an:. 1. Mahlgrad einstellen:
Als erstes wird für Espresso Kaffee benötigt, der im richtigen Feinheitsgrad gemahlen ist. (siehe Abb. S.20) Das Kaffeepulver fühlt sich dabei nicht wie Mehl an, aber auch nicht wie Maisgriess, sondern eher etwas dazwischen. Wie du den Mahlgrad einstellst, haben wir ja bereits im vorherigen Kapitel thematisiert.
2. Sieb- & Bruhgruppe vorbereiten:
Der Siebträger sollte immer heiss sein, bevor du Kaffee brühst. Also lässt du einfach etwas Wasser aus der Maschine durch den Siebträger laufen, bis er richtig heiss ist. Dann reinigst du den
Siebträger bei eingesetztem Sieb mit einem trockenen Lappen oder einem Pinsel von den letzten Kaffeepartikeln. Dies ist wichtig, da du sonst aus den Kaffeeresten noch Bitterstoffe auslösen würdest. Zusätzlich spülst du kurz die Brühgruppe, um auch hier die alten Kaffeereste restlos zu entfernen. 3. Siebtrager befullen:
Nun füllst du das Sieb mit der richtigen Menge an gemahlenem Kaffee. Welches die richtige Menge ist, lässt sich am besten nach der Extraktion feststellen wenn sich der Kaffeekuchen trocken und kompakt anfühlt. Wenn er tendenziell eher matschig und nass ist, kannst du die Mahlgutmenge etwas erhöhen. Eine zu grosse Mahlgutmenge erkennst du rasch: man kann den Siebträger nicht mehr einspannen.
4. Malgut komprimieren:
Anschliessend folgt ein entscheidender Schritt. Das sogenannte «vertikale Komprimieren».
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Hierzu klopfst du mit deinem Siebträger vorsichtig auf den Tisch. Dadurch komprimierst du den Kaffee noch vor dem Tampen und verhinderst damit eine «Kanalbildung» (engl. channeling). Was darunter verstanden wird und welche weiteren Fehler du unwissentlich begehen kannst, werden wir im nächsten Kapitel detailliert betrachten.
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5. Malgut tampen:
Dann wird der Kaffee getampt. Dabei ist weniger entscheidend, mit welchem Druck getampt wird. Viel wichtiger ist, dass es eben und horizontal geschieht. Da die Kaffeemaschine bei der Zubereitung ohnehin einen vielfach stärkeren Druck aufbaut, als du beim Tampen jemals realisieren kannst, wird das Tampen aber oft auch versehentlich überbewertet.
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6. Extraktion vorbereiten:
Jetzt säuberst du den Siebträgerrand von überschüssigen Kaffeepartikeln, damit diese nicht an die Brühkopfdichtung gelangen, sonst wird diese von Brühung zu Brühung undichter. Am besten stellst du vor dem Einspannen des Siebträgers deine Tasse auf eine flache Waage und tarierst sie aus. Das Wichtigste beim Espresso ist in erster Linie seine Textur. Diese erreichen wir, indem wir weder zu viel noch zu wenig Getränk aus dem Kaffeepulver herauslösen. Hierfür kommt gleich die Waage zum Einsatz.
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7. Getrankeverhaltnis bestimmen:
Bei den De’Longhi Siebträgermaschinen verwendest du für den Doppelsiebträger ca. 16 g Kaffee und für einen cremigen Espresso benötigst du das 2,5-Fache an Endgetränk in der Tasse. (für einen Doppio in einer Tasse, ansonsten verteilt auf zwei Tassen) Dies nennt sich das «Getränkeverhältnis», welches bedeutet, dass Du entweder 40 g Kaffeegetränk für einen Doppio oder je 20 g für zwei Espressi extrahierst. Dies ist entscheidend, um ein zum Espresso passendes Trinkerlebnis zu erzeugen. Das richtige Getränkeverhältnis beschert uns also die gewünschte cremige Textur.
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Wenn dir der Espresso zu stark ist, kannst du das Verhältnis auf 1:3 erhöhen. 16 g Kaffeepulver ergeben dann 48 g in der Tasse. Auch eine etwas stärkere Extraktion ist möglich. Dazu verwendet man einfach das Verhältnis 1:2 und extrahiert aus den 16 g Kaffeepulver 32 g Espresso. Wichtig ist dabei zu wissen, dass die Veränderung der Kaffeemenge sich direkt auf das Getränk auswirkt. 8. Extraktion starten:
Nun spannst du den Siebträger ein und startest unmittelbar die Extraktion. Der Siebträger sollte nie mit Kaffee eingespannt werden, ohne direkt zu starten, da sonst bereits Feuchtigkeit mit dem Kaffee in Kontakt kommt und sich das Ergebnis massiv verschlechtern würde.
9. Extraktion stoppen / Mahlgrad anpassen:
Anschliessend wird die Extraktion per Hand bei ca. 40 g in der Tasse (bei einem Getränke-
verhältnis von 1:2,5) gestoppt. Sie wird wahrscheinlich nicht exakt 25 Sekunden gedauert haben. Darum setzt du dein Wissen aus dem vorherigen Kapitel ein und veränderst den Mahlgrad so, dass du möglichst nah an die 25 Sekunden Auslaufzeit kommst: Verläuft die Extraktion zu schnell, mahlst du feiner, verläuft sie zu langsam, mahlst du gröber. 10. Siebtrager reinigen:
Der Kaffeekuchen sollte immer direkt aus dem Siebträger entfernt und dieser gereinigt wieder eingespannt werden. Dies, damit der Kaffeekuchen nicht kleben bleibt, und aus hygienischen Gründen, da Wärme und Feuchtigkeit perfekte Bedingungen für das Wachstum von Bakterien bilden innerhalb des Siebträgers. Sei bei allen Schritten möglichst penibel. Du wirst merken: Je präziser du arbeitest, desto öfter wird dein Kaffeegetränk zum Genuss.
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Fehler beim Extrahieren Viele Dinge können deinen Espresso nicht so werden lassen, wie du ihn haben möchtest. Einer der bekanntesten Fehler ist das sogenannte «Channeling» – diese bereits erwähnte «Kanalbildung». Grund dafür ist, dass das Kaffeebett nicht gleichmässig angelegt ist. Wird nun Wasser hinzugefügt, so wählt es den Weg des geringsten Widerstands. Die Folge: Das Wasser fliesst nicht gleichmässig durch den Kaffeekuchen, sodass einzelne Teile konzentrierter extrahiert werden als andere und somit Löcher oder ganze «Kanäle» entstehen. Oft wird behauptet, dies passiere durch unsauberes Tampen. Aber selbst mit enormem Druck beim Tampen kannst du eine falsche Vorarbeit nicht wieder wettmachen. Wir müssen erst mal die Luftbereiche, die nach dem Mahlen entstehen, wegklopfen. Dies geht ganz einfach: Du klopfst mit dem gefüllten Siebträger vorsichtig senkrecht auf den Tisch. So setzt sich der gemahlene Kaffee im Siebträger, wird schön flach und die Luftlöcher verschwinden.
Wenn du das vergisst, wirst du nach der Extraktion einen sehr sauren Kaffee haben und im Kaffeekuchen ein Loch sehen können. Dies ist der grösste Fehler, der vor der Extraktion passieren kann. Darüber hinaus gibt es einige kleine Fehler, die sich innerhalb der letzten Jahre eingeschlichen haben. Zum Beispiel, dass mit dem Tamper an den Siebträger geklopft und dann nochmals getampt wird. Dies bitte unbedingt sein lassen! Eine geringe Menge Kaffee am Siebrand bewirkt keinen wirklichen Unterschied. Vielmehr wird der Kaffeekuchen durch das Klopfen vom Rand gelöst, wodurch das Wasser erst durch den Rand statt durch den Kaffee läuft. Achte so exakt wie möglich auf jeden einzelnen beschriebenen Schritt der Kaffeezubereitung. Je präziser du arbeitest, desto öfter wird dich dein Kaffeegetränk begeistern. Setze so oft wie nur möglich eine Waage beim Extrahieren ein. Dies erhöht die Konstanz des Ergebnisses zusätzlich.
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Ein weiteres grosses Thema ist das Wasser. Espresso besteht zu etwa 91–93 Prozent daraus, was zeigt, wie essenziell es als Hauptzutat ist. Das perfekte Kaffeewasser weist etwa 4–6 dH (deutsche Härte) bei der Gesamthärte und etwa 2 dH bei der Karbonathärte auf. Um dein Ausgangsprodukt zu überprüfen, misst du die Härte des Leitungswassers. Ist es zu hart, kann ein Tischfilter hinzugezogen werden, dies ist die einfachste Art, Wasser zu filtern. Mit ihm halbierst du die beiden Härten des Leitungswassers jedoch nur. Darum ist es je nach Ausgangshärte ratsam, das Wasser 2 bis 3 mal durch den Filter laufen zu lassen. Um es an einem Beispiel zu erklären: Bei einer Ausgangshärte von 18 dH Gesamt- und 12 dH Karbonathärte kommen wir nach dem ersten Durchlauf auf 9 dH Gesamt- und 6 dH Karbonathärte und nach dem zweiten auf etwa 4,5 dH Gesamt- und 3 dH Karbonathärte. Dieses liegt im Optimalbereich für den Kaffee. Falls du eine Enthärtungsanlage im Haus ver-
baut hast, hilft das zwar, dass sich kein Kalk in der Maschine ablagert, fördert jedoch nicht den Geschmack des Kaffees. Die Suche nach ungefiltertem Wasser führt meist zu einem Hahn vor der Enthärtungsanlage oder als Geheimtipp von mir zum Gartenschlauch! Das klingt zwar etwas seltsam, aber du wirst merken, dass bei einem Getränk mit einem so hohen Anteil an Wasser dessen Zusammensetzung unglaublich wichtig ist. Dieses Wasser sollte dann aber unbedingt wie vorher beschrieben wieder gefiltert werden. Viel Spass also bei deiner sensorischen Analyse zu Hause!
Bild links:
1.) ein Loch entsteht durch das Channeling
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Milchschaumen und Latte Art geniessen Ja, ich gebe zu, diese Bildchen auf dem Cappuccino machen schon etwas her. Und natürlich möchte jeder auch einen Cappuccino mit Herzchen, Tülpchen oder Schwänchen bekommen. Mir ist aber wichtig, dass dir bewusst ist, dass dies dein Getränk nicht besser oder schlechter macht – nur schöner. Das Erlernen von Latte-Art erfordert unheimlich viel Zeit, bevor es konstant funktioniert. Darum der Reihe nach. Zuerst sprechen wir darüber, welche Milch sich am besten zum Schäumen eignet: grundsätzlich jede! Du kannst auch mit teilentrahmter, laktosefreier oder fettarmer Milch einwandfrei schäumen, da der Fettgehalt in Bezug auf die Konsistenz nur eine untergeordnete Rolle einnimmt. Geschmacklich ist für die meisten Menschen etwas mehr Fett (z. B. 3,5 %) die bessere Wahl. Darüber hinaus funktionieren auch Kuhmilchalternativen wie Sojamilch, Mandelmilch oder Hafermilch. Wähle darum, was dir am besten schmeckt, und probiere es aus.
Für den perfekten Cappuccino beginnen wir mit der Zubereitung des Espressos, die du zuerst einwandfrei beherrschen solltest. Bei Milchgetränken können mangelhafte Extraktionen zwar kaschiert werden, jedoch bestimmt die Qualität des Espressos die Qualität des Endgetränks. Nach der Extraktion benötigst du kalte Milch aus dem Kühlschrank. Je nach Leistung der Maschine schäumst du mit dem grossen (ca. 590 ml) oder dem kleinen (ca. 350 ml) Kännchen. Bei der «La Specialista» würde ich das grosse empfehlen. Bei der «Dedica» geht dies auch, ist allerdings mit dem kleinen etwas einfacher. Du füllst das Kännchen bis zum Anfang des Ausgusses auf. So hast du beim kleinen genug Milch für einen Cappuccino und beim grossen genug für zwei. Die Milch sollte möglichst kalt sein, da die Endtemperatur immer bei maximalen 65 °C liegt. Ich würde grundsätzlich empfehlen, nicht heisser als bis 60 °C zu schäumen, da 65 °C für das Trinkgefühl bereits als etwas
SO NICHT! FALSCHE SCHÄUMUNG!
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zu heiss empfunden werden. Wie sich die richtige Temperatur einfach überprüfen lässt, werde ich dir beim Schäumen erläutern. Als Erstes sollte die Dampflanze vom Kondenswasser befreit werden. Dazu musst du sie für 1–2 Sekunden ausblasen. Da das Kondenswasser heiss ist empfehle ich für diesen Schritt einen mehrfach gefalteten Lappen zu benutzen. So vermeidest du schmerzhafte Verbrühungen. Anschliessend beginnst du direkt mit dem Schäumen. Hierzu stellst du die Dampflanze auf «Flat», nicht auf «Foam» – den Schaum ziehen wir gleich selbst unter. Zuerst erfolgt die Ziehphase. Dabei befindet sich das Ende der Dampflanze fast ausserhalb der Milch und du ziehst nur langsam Schaum unter. Führe dies eher am Rand der Kanne durch, sodass ein Strudel entsteht. Je stärker die Milch in der Kanne zirkuliert, desto mehr werden die Luftblasen, die bei der Ziehphase entstehen, zum Platzen gebracht, was zu einer bes-
seren Milchkonsistenz führt. Ziehe die Milch so lange hoch, bis du etwa 20 % Schaum im Vergleich zur Anfangsmenge erzeugt hast. Dies ist nicht sehr viel und entspricht je nach Kännchen etwa 2 cm. Da wir aber einen cremigen Milchschaum statt einen mit vielen Blasen erzeugen wollen, entsprechen 20 % Volumengewinn der richtigen Konsistenz. Nun folgt die Rollphase. Bei dieser gehst du, wie in der Illustration ersichtlich, nur so tief in die Milch, dass sie weiterhin bis an die Oberfläche zirkuliert. Es ist aber enorm wichtig, dass du am Schluss eine rahmartige Konsistenz hast. Darum den grössten Fokus immer auf die Rollphase setzen und dabei keine zusätzlichen Luftblasen entstehen lassen. Die Rollphase dauert an, bis die Milchtemperatur etwa 60 °C erreicht hat. Das erkennst du am einfachsten daran, dass du das Kännchen noch anfassen kannst, es sich aber warm bis heiss anfühlt. Jetzt sollte die Milch eine leicht glänzende Oberfläche ohne visuell erkennbare Luftblasen haben. Stell das
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Ziehphase:
Rollphase:
DAMPFLANZE
DAMPFLANZE
MILCH
MILCH
DAMPF
DAMPF
Bilder links:
1.) perfekte Füllmenge für 2 Cappuccini 2.) Ausblasen der Dampflanze
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Kännchen beiseite und blase die Dampflanze wie zu Beginn mit dem Lappen aus, um sie von der Restmilch zu reinigen. Benutze bestenfalls zwei verschiedene Lappen an der Maschine: einen für die Reinigung der Dampflanze und den anderen zum Ausputzen des Siebträgers. Nun kommen wir zum Giessen. Halte die Milch stets in Bewegung. Sobald du sie stehen lässt, hast du den «Latte-Macchiato-Effekt» und der Schaum trennt sich von der flüssgen Milch. Darum entweder die Milch gut schwenken oder sie immer wieder von einem Kännchen in das andere giessen, da du mit einer halb vollen Kanne besser arbeiten kannst als mit einer vollen. Die grosse Kanne ist nun halb voll mit geschäumter Milch. Beginne mit einem Abstand von 8–10 cm zur Espresso-Oberfläche zu giessen. Die Milch bricht dann durch die Crema und macht einige kleine, weisse Schlieren.
Über diese giesst du langsam mit einem fliessenden Strahl, sodass sie absinken. Du erhältst eine schöne und komplett braune Oberfläche, bevor du mit dem eigentlichen Zeichnen beginnst. Das Zeichnen des Herzens, auf das wir uns hier fokussieren, funktioniert folgendermassen: Du gehst, nachdem die braune Oberfläche vollendet ist, mit dem Kännchen nach unten und möglichst nah an die Crema des Espressos. Berühre die Crema fast mit dem Kännchen, aber nur fast. Dann giesst du etwas schneller und wirst merken, dass ein weisser Punkt in der Mitte entsteht. Dieser wird grösser, je rascher du giesst, und sollte nach Beendigung in der Mitte der Tasse liegen. Dies geschieht, indem du den Punkt im zweiten Drittel der Tasse giesst, so wie du es in der Illustration sehen kannst. Sobald die Tasse fast voll ist, gehst du mit dem Kännchen etwas weiter weg und ziehst einen fliessenden Strahl (wie ein startendes Flugzeug) durch den Punkt hindurch. Dadurch
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bricht dieser leicht auseinander und es entsteht ein Herz. Die Tasse sollte beim Cappuccino immer randvoll sein, was das Ganze halt nochmals etwas schwieriger macht. Latte-Art ist eine «Fingerspitzengefühl-Sache». Es braucht unheimlich viel Übung, bis du regelmässg ein Herz oder auch schwierigere Muster schaffst. Das ist ein wenig wie die Espressozubereitung, die du am besten in einem Kurs lernst, für die du hier aber schon mal ein erstes Verständnis bekommst. Viel Spass beim Apfelgiessen, denn das ist das Muster, das oft entsteht, wenn das Herz noch nicht ganz perfekt geworden ist.
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Reinigung Zum Abschluss kommen wir noch zu einem sehr wichtigen Thema: der Reinigung. Denn auch wenn du alles richtig machst und die Extraktion perfekt ist, wird eine schmutzige Maschine dennoch keinen leckeren Kaffee zubereiten. Es liegt also auch da an dir, wie gut dein Kaffee schmeckt. Auch bei Vollautomaten sind einige Dinge zu beachten: Nimm regelmässig, also ca. jede Woche einmal, die Brühgruppe aus der Maschine und reinige sie unter fliessendem Wasser. Danach die Tropfschale und den Satzbehälter ebenfalls gründlich reinigen, damit kein Schimmel entstehen kann. Zudem sollte der Wassertank regelmässig ausgespült werden, da sich darin auch Ablagerungen ansammeln können. Vergiss nicht den Bohnenbehälter trocken auszuputzen, dort können Fettrückstände von den Kaffeebohnen zurückbleiben. Bei Siebträgermaschinen dauert die Reinigung etwas länger. Auch hier solltest du die Tropf-
schale, den Wassertank und zwischendurch mal den Bohnenbehälter reinigen. Zusätzlich kommt das Brühsieb hinzu, das du jede Woche einmal abschrauben solltest. Aber aufgepasst: das Sieb am Brühkopf ist ziemlich heiss! Zum Schluss reinigst du den Siebträger, indem du das Sieb herausnimmst und ihn anschliessend mit etwas Spülmittel und dem Schwamm von Fettrückständen befreist. Mit etwas Routine dauert die Reinigung einer Siebträgermaschine nicht einmal 5 Minuten, darum gibt es keinen Grund dies auszulassen.
Bild links:
1.) alle Einzelteile reinigen! Bild rechts:
2.) auch am Brühsieb hängt noch alter Kaffee
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Schlusswort
Michel Aeschbacher
Nach so viel Wissenswertem rund um den Kaffee und seine Zubereitung möchte ich dir noch einige abschliessende Worte auf den Weg geben: Sei dir bewusst, dass Kaffee ein Naturprodukt ist und leider keinen Grundsätzen folgt. Darum gilt es, viel zu experimentieren und zu lernen, um die perfekte Tasse Kaffee für dich zu kreieren. Auch funktioniert es leider nicht, einen einigermassen guten Röstkaffee mit einer sehr guten Maschine besser zu machen. Du kannst die Qualität des Ausgangsprodukts immer nur erhalten, aber nie verbessern. Und schätze dieses unglaubliche Produkt auch immer wieder, denn wie du erfahren hast oder vielleicht teilweise schon wusstest: Es braucht viele Hände, unbezahlbares Wissen, jahrelange Erfahrung und noch mehr Herzblut, um einen perfekten Kaffee zuzubereiten.
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