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Gesprächskreisvotum für Kirche für morgen von Martin Allmendinger zum Bericht des Landesbischofs Frank Otfried July, in der Sommersynode am 03.07.2008 Sehr geehrter Herr Landesbischof July, Herr Präsident Traub hohe Synode, geehrte Damen und Herren Als Vertreter des kleinsten Gesprächskreises ist mir wichtig, die von Ihnen Herr Landesbischof so bezeichnete „älter werdende Kirche“, ganz bewusst als Kirche für morgen anzusprechen. Diese Kirche trägt nicht ausschließlich das Kennzeichen von „älter werden“, sondern ist von Wachstum und geistlichen Aufbrüchen gekennzeichnet, weil sie zuversichtlich am „Dennoch“ des Glaubens festhält, wie es uns Asaph im Psalm 73 ins Stammbuch schreibt. An vielen Stellen des Bischofsberichts finde ich Übereinstimmung zur Lebenswirklichkeit in unseren Gemeinden und in vielen Einrichtungen der Diakonie. Diese sind mir teilweise aus eigener Erfahrung, als einem mit der Seelsorge an Seniorinnen und Senioren beauftragten Diakon im Kirchenbezirk Esslingen wohl bekannt. Etliche Passagen Ihres Berichts, sehr geehrter Herr Landesbischof, provozieren in mir kritische Anmerkungen, manchmal Widerspruch und teilweise hoffentlich konstruktive Vorschläge zu möglichen Vorgehensweisen. Auch wir als Gesprächskreis danken Ihnen für diesen Bericht. Meine kritischen Anmerkungen und meinen Widerspruch beginne ich mit einer Nachbemerkung zu Ihrem letztjährigen Bericht. Ihnen ging es dabei besonders um das gute Miteinander von Oberkirchenrat und Synode. Ich frage mich, wo dieses gute Miteinander zu spüren war, bei den einsamen Entscheidungen des OKR vor einigen Wochen. Sie alle wissen, dass ich den Beschluss des Nichtverkaufs der Immobilien Kloster Denkendorf und Haus Birkach meine. Dabei kritisiere ich nicht das Ergebnis sondern die Vorgehensweise. Für uns als Gesprächskreis und für mich persönlich ist das Verhalten in dieser so außerordentlich sensiblen Angelegenheit ein Rückfall in die Monarchie und eine Missachtung demokratischer Grundstrukturen in unserer Landeskirche. Nun aber zum Bischofsbericht. Zunächst erscheint mir das Zitat von Wolfgang Musculus aus dem Jahr 1536 wenig tröstlich, auch wenn Sie sich im Kreise anderer an dem Wörtchen „Nur“ stören. Es genügt eben nicht sich an dem „abwertenden Wörtchen nur“ zu stören und es durch „gerade“ zu ersetzen. Ich freue mich auch über die Altersgruppe der 60 – 80 Jährigen am sonntäglichen Gemeindegottesdienst. Was mich bekümmert ist die Tatsache, dass gerade aus diesem Personenkreis Kritik geäußert wird, wenn um der Jüngeren willen auch dann und wann neue Gesangbuchlieder den Gottesdienst bereichern. Oder wenn es als Störung empfunden wird, dass Taufen im gemeindegottesdienstlichen Rahmen gefeiert werden. Ein weiterer Punkt für eine Anmerkung ist für mich die Frage nach Klarheit im Zusammenhang mit Sterbehilfe. In der gestrigen Ausgabe war auch in meiner Tageszeitung zu lesen, dass Baden-Württemberg zusammen mit andern Ländern über den Bundesrat ein gesetzliches Verbot von gewerblicher Sterbehilfe einführen will. Unter dem


Deckmantel der Humanität haben sich Geschäfte mit dem Tod in unsere Gesellschaft eingeschlichen. Sie haben die Aktualität dieses Themas dankenswerter Weise deutlich hervorgehoben. Das Wächteramt der Kirche jedoch hat hier nicht nur „für menschenwürdige Lebensbedingungen einzutreten“, sondern muss sich öffentlich und konkret für eine menschenwürdige Sterbebegleitung einsetzen, dafür Personalstellen bereithalten, Hospize betreiben und die Sterbenden selbst, ihre Angehörigen, sowie die Mitarbeitenden in den Einrichtungen seelsorgerlich begleiten und so gerade an den Rändern verstärkt kirchliche Präsenz zeigen. Das „Mehrgenerationenhaus“ wird als altes Modell neue entdeckt. Jedoch wird dabei außer Acht gelassen, dass etliche Generationen dieses Haus längst verlassen haben. In Ihrem Satz kommt das Dilemma zum Ausdruck: „Wer Alte vernachlässigt, geht auch mit Kindern sorglos um.“ Vernachlässigung und sorgloser Umgang miteinander sind häufig Kennzeichen unserer Zeit und Gesellschaft, leider oft auch Merkmale in unseren Gemeinden. Dazu gehört, dass jede Generation ihre Einladung zum Glauben braucht. Denn: „was Hänschen nicht lernt…“ Wie das Kaninchen auf die Schlange, starren wir auf die abnehmenden Kinderzahlen, statt jungen Menschen Mut zu machen, wieder Kinder als Gabe Gottes annehmen zu können und ihnen mit Entlastung und Hilfe zur Seite zu stehen. Dazu gehören auch Kindertageseinrichtungen und Angebote gemeindenaher Diakonie sowie die Entwicklung von Modellen gelebter Nachbarschaft. Durch die Vernetzung von Besuchsund Pflegediensten, bringt sich die Kirchengemeinde ein in bestehende oder neu zu entwickelnde Netzwerke und unterstützt so die Arbeit der bisherigen Informations- Anlaufund Vermittlungsstellen beziehungsweise der Pflegestützpunkte im kommunalen Feld. So wird die Kirchengemeinde wieder sichtbar, nimmt zu an Relevanz und Attraktivität. Meine nächste Anmerkung befasst sich mit dem Stichwort Zielgruppenorientierung und Milieu. Meine Zustimmung findet die Aussage: „dass erst die verschiedenen Zielgruppen gemeinsam Gemeinde sind.“ Jedoch werden durch die einseitige Festlegung zum Beispiel: „Gerade alte Menschen“, manche Zielgruppen erst gar nicht in den Blick genommen, beziehungsweise Milieus vollständig ausgeblendet. Selbstverständlich ist mir klar, dass die Schwerpunktsetzung dieses Bischofsberichtes, dies erforderlich macht. Jedoch habe ich den Eindruck, dass diese Engführung im Blick auf Zielgruppen und Milieus symptomatisch geworden ist in und für unsere Kirche und in und für viele unserer Gemeinden. Diese Haltung kommt mir auch entgegen aus der Erwähnung der Posaunenchöre und der Kirchenchöre, als gemeindeübergreifendes Lernfeld. Nicht dass ich dem grundsätzlich widersprechen möchte. Jedoch sehe ich noch viele andere gemeinsame Begegnungs– und Lernfelder für Alte und Junge. Ihr Beispiel von Kommunikation zwischen verschiedenen Generationen, gibt mir Anlass für eine weitere kritische Anmerkung. Bei der Feier der goldenen Konfirmation dürfen dann, die sich auf ihre Konfirmation vorbereitenden Konfirmandinnen und Konfirmanden, den goldenen Konfirmanden Kaffee einschenken, beim Kirchenkaffee im Anschluss an den Gottesdienst. Pfarrerin, Pfarrer und Kirchengemeinderat sind dann stolz darauf, junge Menschen im Gottesdienst integriert und


am Gemeindeleben beteiligt zu haben. Dies entspricht Land auf, Land ab häufig der gemeindlichen Wirklichkeit, steht aber im krassen Widerspruch für mich, zu einer generationenübergreifenden Kommunikation. Vielmehr sollte es uns Älteren gelingen, den Jungen eigenverantwortlich viel zuzutrauen und anzuvertrauen. Meine Lebenserfahrung und meine Lebensentwürfe taugen in aller Regel nicht als Beispiel, das von den Jungen 1:1 zu übernehmen wäre. Vielmehr besteht die Chance, im Angebot von Gespräch und Nachfrage, nicht durch Besserwisserei und überheblicher Arroganz. So nach dem Motto: Wir wissen es besser und wenn ihr alles macht wie wir das früher gemacht haben, dann klappt alles gut. Meine Gedanken und Anregungen zu Zielgruppen und Milieus schließe ich ab mit dem Hinweis, dass sich eben nicht alles, „zur Vollständigkeit von Gemeinschaft der Heiligen“, in parochialen Strukturen abbilden lässt. Auch deshalb setzt sich Kirche für morgen für milieuüberschreitende und parochieübergreifende Gottesdienstformen, Gemeindemodelle und Strukturen ein. In Ihrem Bericht sagen Sie „dass es angemessen und gut sei, wenn sich in den Gemeinden überwiegend alte Menschen befinden.“ Natürlich freut es auch mich, wenn Ältere und Alte die Gottesdienste am Sonntagmorgen besuchen. Jedoch betrachte ich die Entwicklung mit großer Sorge, dass weder die Altersgruppe der 60 Jährigen, noch die der 40 Jährigen, von den 20 Jährigen ganz zu schweigen, regelmäßige Gottesdienstteilnehmer sind. Mit meinem Statement kann ich nun keine Ursachenforschung betreiben aber ich möchte genau die eben genannte Altersgruppe in unser Blickfeld rücken. Viele Menschen haben sich nach ihrer Konfirmation von der Kirche entfernt und fanden leider keinen Wiedereinstieg. In aller Regel finden sie auch nicht im fortgeschrittenen Lebensalter oder als Hochbetagte in die Kirche zurück. Nicht umsonst wurde beim Kongress „Wachsende Kirche“ das Problem „wie Erwachsene einen Zugang zum Glauben finden können“, besonders hervorgehoben. Wenn uns dies nicht zu einem permanenten Anliegen auf dem Herzen liegt und wir Menschen jeder Alterstufe in die Nachfolge Jesu Christi einladen, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass wir als Kirche über Kurz oder Lang in der Bedeutungslosigkeit versinken werden oder zumindest weiter mit rückläufigen Zahlen zu rechnen haben, die nicht in erster Linie und ausschließlich mit dem demographischen Wandel zu begründen sind. Ich komme zum Ende meiner Ausführungen und der Stellungnahme für den Gesprächskreis Kirche für morgen, obwohl noch manches zu sagen wäre. Wenn wir dies in einem Mehrgenerationenhaus tun wollen erfordert dies ein Höchstmaß an Kommunikationsbereitschaft, Toleranz und Vertrauen vor allem der Alten in die Jungen. Für Ihre Aufmerksamkeit danke ich herzlich.


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