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Kirche für morgen e. V. Presse‐ & Öffentlichkeitsarbeit Michael Josupeit Tel. +0049 (0)160 21 26 428 Mail presse(at)kirchefuermorgen.de www.kirchefuermorgen.de Bericht Von der Betreuungskirche zur Beteiligungskirche  »Kirche für morgen« fei‐ ert zehnjähriges Bestehen Nein, ein Jubiläum sollte es nicht sein! Eher schon ein visionärer Blick zurück nach vorn. Ein »Zurück in die Zukunft … denn sie bewegt sich doch«. Und unter diesem Motto standen dann schließlich auch die Feier zum zehnjährigen Be‐ stehen und die anschließende Jahrestagung der Reformbewegung »Kirche für morgen«, die am 14. und 15. Januar in Herrenberg stattfanden. Der Vorsitzende Friedemann Stöffler (Tübingen) erläuterte in seinem Jahres‐ bericht noch einmal die Motive, die zur Gründung des Vereins geführt hatten: Leiden an der Kirche, Liebe zur Kirche, sowie Hoffnung und Wille zur Umge‐ staltung. Aus kleinen Anfängen sei mittlerweile eine in der Synode (7 Synoda‐ le) und auch im Blick auf Zukunftsthemen der Kirche engagierte Bewegung geworden, die für Veränderungen gesorgt habe. So zuletzt für die Änderung des Pfarrerwahlgesetzes, die den Gemeinden nun die Möglichkeit bietet, die Wahl ihres Pfarrers unabhängiger von den Vorschlägen des Oberkirchenrates durchzuführen. Da man »kein Verein mit dem Ziel des Selbsterhaltes ist«, so Stöffler, wird sich »Kirche für morgen« auch zukünftig »daran messen lassen, wie und wo wir Impulse setzen zum Umbau unserer Landeskirche«. Die Kirche, so Stöffler, müsse von einer Betreuungskirche zu einer Beteili‐ gungskirche werden, von einer Kirche für das Volk zu einer Kirche des Volkes. Ungeklärte Vaterschaften, der Schwung der ersten Jahre und das Verspre‐ chen zu bleiben Zehn Jahre »alt« ist die Bewegung mit der Zitrone geworden. Und da die Vor‐ wärtsbewegung, die man sich von Anfang an auf die Fahnen geschrieben hat, zum Teil gehörig Staub aufgewirbelt hat  eigenen und den anderer  bot sich am Freitagabend zunächst die Gelegenheit, einen kleinen »Kehraus« zu veran‐ stalten, immer mit dem Blick nach vorne, versteht sich. Rund 180 Gäste trafen sich dazu in der Mutterhauskirche der Evangelischen Diakonieschwesternschaft in Herrenberg. Das Programm, das die Besucher erwartete, stellte die letzten 10 Jahre von »Kirche für morgen« im wahrsten

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Schreiben vom 20.01.2011

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Sinn des Wortes ins Rampenlicht: Kirchenkabarett (Die Jakobiner aus Tübingen), Theater (Manfred Geywitz und Transparent), fetzige und freche Lieder (Sister Action aus Tübingen und Pfr. Karlfriedrich Schaller aus Tübingen).

Den »roten Faden« für die Veranstaltung bildete das Märchen: 10 Jahre »Kirche für morgen«, das von zwei Erzählern  einer historisch, eine extravagant geklei‐ det  zwischendurch abschnittsweise vorgetragen wurde. Im Wechsel damit standen Interviews mit Veranstaltern und Gästen. So wurden Reinhold Krebs (Herrenberg, Landesreferent im Ev. Jugendwerk) und Friedemann Stöffler (Tü‐ bingen, Studiendirektor am Ev. Firstwaldgymnasium in Mössingen), Gründungs‐ väter und aktiv im Vorstand und im Leitungskreis von »Kirche für morgen«, einer peinlich genauen Befragung unterzogen. Natürlich war man als Zuhörer ge‐ spannt, ob sie die doppelte »Vaterschaft« zugeben und sich hinter den doch et‐ was gewöhnungsbedürftigen Lebensstil von »Kirche für morgen« stellen würden, der zwischen Greenpeace und Grüne, zwischen Straße und Strukturen pendelt. Die grüne Seite von »Kirche für morgen«, also die Arbeit in der Synode, trat dann in Gestalt von zwei der sieben Synodalen ins Scheinwerferlicht: Angela Schwarz (früher Leonberg, jetzt Tübingen) und Markus Munzinger (Dettingen/Erms). Wie man sich denn so gefühlt habe »als Findelkind in der alteingesessenen Kirchen‐ gesellschaft«, wurde Munzinger, der bereits seit 2001 der Synode angehört, von Moderator manfred Geywitz gefragt. Da sei seit den ersten Tagen schon ein Ruck durch die Synode gegangen, mit allen Höhen und Tiefen, ließ Munzinger wissen. Man werde nicht mehr als Anhängsel einer anderen Gruppierung betrachtet, sondern als wirklich eigenständiger, wenn auch  noch  kleiner Gesprächskreis. Angela Schwarz betonte, dass auch ein Gesprächskreis mit nur sieben Synodalen seine Chancen habe. Da man zum Beispiel bei Anträgen, die man stellen will, immer 10 Unterschriften benötigt um sie einzureichen, sei ein ständiger Kontakt und Austausch mit den anderen Gesprächskreisen notwendig. Was teilweise auch ganz schön Bewegung in die Synode bringen kann. So haben es die 7 »Zit‐ ronen« im letzten Jahr geschafft, dass die Synode das Pfarrerwahlgesetz geän‐ dert hat, sodass die Gemeinden nun die Möglichkeit haben, auch einen Pfarrer zu wählen, der nicht auf der Vorschlagsliste des Oberkirchenrates steht. Aber auch Gäste standen im Rampenlicht. So zum Beispiel Vertreter der drei an‐ deren Gesprächskreise der Synode, Dr. Richard Mössinger (Heilbronn, Evangeli‐ um und Kirche), Dr. Martin Plümicke (Reutlingen, Offene Kirche) und Pfr. Andreas Schäffer (Cleebronn, Lebendige Gemeinde). Alle drei äußerten ihre Wertschät‐ zung für »Kirche für morgen« und waren der Meinung, dass die kleinste Gruppie‐ rung durchaus dazu beigetragen habe, »verkrustete Positionen und Strukturen in der Synode aufzubrechen und immer wieder Anstöße für ein gemeinsames Nachdenken zu geben«, so Schäffer. Den Abschluss der Interviewreihe bildete dann  kirchenhierarchisch betrachtet  ganz hoher Besuch. Der Leiter des Bischofsbüros und persönliche Referent von


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Landesbischof Frank Otfried July, Kirchenrat Georg Eberhardt, stellte sich den Fragen des zitronengelben Interviewers. Auch Eberhard empfindet die Anwesenheit von »Kirche für morgen« durchaus als Bereicherung, wies aber auch mit seiner Einschätzung der landeskirchlichen Befindlichkeiten, auf die Bedeutung der »Kirche von heute« hin, die man nicht aus dem Blick verlieren dürfe. Womit er bei »Kirche für morgen« sicher offene Türen eingerannt und die Herzen im Sturm erobert hat, da diese Bewegung ja da‐ für steht, so Friedemann Stöffler in einem Nachgespräch, »die Kirche von heute fit für morgen zu machen«. Aus diesem Grund nenne man sich auch nicht »Kirche von morgen«.

Die gelungene Mischung von Information und Unterhaltung, die liebevolle Vor‐ bereitung und der Schwung der Teilnehmer  der älteste war übrigens 103!  sorgten dafür, dass die Geburtstagsfeier »wohl zu der halben Nacht« endete. Nicht ohne das »Kirche für morgen« allerdings  und so endete auch das Mär‐ chen  das Versprechen abgab, trotz des jetzt so langsam beginnenden Flegelal‐ ters und der eigentlich normalen Abnabelung von den »allmächtigen Eltern«, weiterhin in Gottesdiensten präsent sein und in der Kirche bleiben wird. »Back to the future«  Die Gottesdienstpraxis der ersten Christen als Impuls für die Kirche heute Rund 130 interessierte Zuhörer kamen dann am Samstagmorgen zur Jahresta‐ gung von »Kirche für morgen«, die aufgrund der hohen Besucherzahl ebenfalls in der Mutterhauskirche stattfand und den thematischen Anschluss und Abschluss zum Vorabend bildete. Der Hauptreferent in diesem Jahr war Dr. Peter Wick. Er ist Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments und Geschichte des Urchristentums an der Ruhr‐Universität Bochum. 2003 habilitierte er sich mit dem Thema: »Die urchristlichen Gottesdienste. Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel‐, Synagogen‐ und Hausfrömmigkeit.« Und ge‐ nau dieses Thema griff Wick auch in seinem gut einstündigen Referat auf (s.o.). Mit vielen historischen Hintergrundinformationen, einer gehörigen Portion Schweizer Witz (Wick stammt aus der Schweiz) und einer ungewöhnlichen Art, gewohnte Denkstrukturen aufzubrechen, widmete sich Wick dieser Aufgabe. So wies er nach, dass das, was wir als »Abendmahl« bezeichnen und »aus dem All‐ tag herausgebrochen und in einem geistlich‐kirchlichen Bereich verortet haben, sowohl im antiken heidnischen wie auch im jüdischen Umfeld, die Hauptmahlzeit des Tages bildete. Es gab eine genau festgelegte Abfolge, die über das Essen (mit dem brechen des Brotes) bei dem nur Wasser getrunken wurde; zum darauffol‐ genden ersten Weinkelch »nach dem Mahl« und das sich anschließende Ge‐ spräch der Teilnehmer führte. Jesus  so Wick  feierte sein letztes »Abend‐ mahl«, zwar am jüdischen Pessachfest, aber ganz im Zeichen der antiken Traditi‐ onen.

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Im Zusammenhang damit stand für Wick auf die wichtige Frage, wie man sich den Gottesdienst der ersten Gemeinden vorzustellen habe? Nach Darstellung der Gottesdienst‐»Modelle« des jüdischen Tempel‐ und Synagogengottesdienstes, sowie den Hausgemeinden der ersten Christen, zeigte Wick die Abhängigkeit äl‐ terer und neuerer Gottesdiensttraditionen von diesen drei Modellen auf. Dabei wurde deutlich, dass die Art und Weise, in der sich die ersten Gemeinden ver‐ sammelten, nicht unter dem Blickwinkel des heutigen Gottesdienstverständnis‐ ses betrachtet werden kann. Heute kommt es, laut Wick darauf an, sich die Ver‐ schiedenheit und Bedeutung der Modelle bewusst zu machen und von daher auch die Freiräume zu nutzen, die sich zum Beispiel in Form eines »Abendmahls« im ursprünglichen Sinn bieten, das in einem Privathaus angeboten wird.

In den anschließenden Arbeitsgruppen und auch in der abschließenden Ple‐ numsdiskussion, wurden die unterschiedlichen Facetten, die Peter Wick in sei‐ nem Vortrag angeschnitten hatte noch einmal vertieft, u.a. bei dem Thema »Ju‐ gendliche und Gottesdienst«. Auf den Punkt gebracht wurden die  teilweise doch sehr unterschiedlich akzentuierten Meinungen dazu  in einer lebhaften Podiumsdiskussion, an der neben Prof. Wick und Reinhold Krebs, auch Kirchenrat Frank Zeeb (Stuttgart) und Pfr. Karlfriedrich Schaller (Tübingen) teilnahmen.

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