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Instant-Haltung oder: Wenn Wirklichkeit auf Worte trifft Wir leben alle instant! Ja, wirklich! Wie, haben sie nicht gewusst? Doch ist aber so! Beispiel gefällig: Die Bankenkrise – schon mal erlebt, wie schnell sich Milliarden von Dollar, Euro, Yen und was sonst noch, in Nichts auflösen können. Dagegen sind Knorr- und Maggi-Suppen alle zweitklassig – denn die brauchen Wasser. Bei den Bankmilliarden reichte das Nichts! Übrigens auch, um die Verantwortlichen aus dem Blickfeld zu bekommen. Oder Opel – wie war das noch? Magna ja – nein – ja – nein – vielleicht – aber – nein- doch. Und jetzt? Man nehme eine Prise GM-Turbo… (sie wissen schon) und das Märchen von der schönen Magnopel-Zukunft … pfft, ab ins Nichts. In der Politik gibt es das zuweilen auch. Probleme, auch Personalprobleme, werden dann geschickt ins Nichts transportiert (indem z. B. ein Krieg zum Nicht-Krieg wird, weil man ihn einfach anders nennt) oder, wenn es ums Personal geht, nach Brüssel … Aber was geht mich die Kehrwoche meines Nachbarn an, wenn sich vor unserer (Kirchen)Tür auch gut fegen lässt: Wir haben uns in unserer evangelischen Kirche die Mission wieder ganz oben auf die Agenda gesetzt. Neu zugehen auf die Menschen, auf neuen Wegen, mit neuen Mitteln, neuer Fantasie … Klingt gut, ist gut – aber wehe, die Wirklichkeit kommt der Agenda, also der Kirche, genauer gesagt manchen Theologen, zu nahe. Diesen Eindruck könnte man zumindest gewinnen, wenn man jüngste Äußerungen aus dem Theologischen Dezernat und vom Vorsitzenden des Theologischen Ausschusses unserer Synode zum Thema Taufe liest. Es geht um Bedeutung, Wirksamkeit und vor allem Einmaligkeit der Taufe und um mögliche Tauferinnerungsfeiern. Die dürfen und sollen sein, so die Äußerungen der Obengenannten – aber! Aber nur so, dass die Einmaligkeit der Taufe nicht infrage gestellt wird. Das könnte z. B. dadurch geschehen, dass bei solchen Erinnerungsfeiern die, die sich erinnern wollen, nicht nur mit Wasser benetzt, sondern ganz untergetaucht werden. Denn das würde zu sehr an die Wiedertaufe erinnern. Nein, ich werde hier jetzt nicht in die jahrhundertelange theologische Diskussion zu diesem Thema einsteigen. Mir fällt nur auf, dass im aktuellen Fall anscheinend auch eine Tendenz besteht, das Ganze instant-mäßig zu lösen. [Achtung, jetzt wird’s theologisch! Wer mag, kann nach den Sternchen (****) weiterlesen. ] Man argumentiert, dass die Taufe als ein Symbol dafür steht, dass der Täufling mit Jesus gestorben und zu einem neuen Leben auferstanden ist. Da die Taufe aber auch einmalig ist, zählt nicht die Erinnerung (z. B. durch Untertauchen) an die äußeren Umstände, sondern die Tatsache, dass man getauft ist. Na, schon gemerkt, was hier ins Nichts aufgelöst wird? – Jawohl ja, die eigene Erfahrung des Glaubenden! Warum? Hier steht natürlich Luther im Hintergrund mit seiner Prä-Position: Wort vor Wasser („Wasser allein tuts freilich nicht“). Da hat Luther sicher recht, versteht man wie er das Wort Gottes als schöpferisch und heilsvermittelnd. – Wobei, das sei hier angemerkt, diese Gedanken Luthers ein Remake sind. Augustinus hat sich knapp 1.100 Jahre vorher auch schon in diese Richtung geäußert. Tja, und jetzt dieses Remake des Remakes. Allerdings geht man jetzt – angeblich um an der Einmaligkeit der Taufe und der Vorordnung des Wortes vor dem Element (wir erinnern uns: Wasser) festzuhalten – deutlich einen Schritt weiter. Das Element wird jetzt soweit reduziert, dass sein Zeichencharakter losgelöst wird von der Erfahrung desjenigen, der das Zeichen erhält. Klar??? Also: Eigentlich ist ja klar, dass nicht mein Auto mich fährt, sondern der Motor bringt mein Auto und damit auch mich vorwärts. Und das erfahre ich (im doppelten Sinn des Wortes), in dem ich mich in das Auto setze. Knipse ich die Erfahrung aus und stehe nur vor meinem »heiligs Blechle«, bleiben Motor und Auto – aber in der Garage. Auf die Taufe bezogen: Wort und Wasser bleiben zwar konstitutiv (grundlegend) für die Taufe, aber das Wasser als Zeichen verliert seinen Erfahrung ermöglichenden Bestandteil. Im Endeffekt könnte man den Taufeltern zur Taufe auch einen Beutel mit Instant-Wasser mitgeben, mit dem Hinweis, dass man es bei Bedarf nur in Wasser auflösen … aber das sei nicht notwendig, man habe jetzt ja Wort und Beutel. Das darf man als Theologie, als Kirche natürlich nicht so sagen, man steht ja u.a. in der Tradition der lebensnahen Reformatoren. Also wird der abgezwackte Erfahrungshorizont durch kunstvolle verbale Deutungen und Erklärungen ersetzt, die den realen Verlust der Verbindung von Wort, Zeichen und Erfahrungshorizont ablösen sollen – Worte erklären das Zeichen, Erfahrung wird irrelevant, weil schließlich nur das Wort zählt. Aus der kontinuierlichen und damit auch die Glaubenserfahrung des Getauften berührenden Verbindung von Wort, Wasser und Täufling – sozusagen dem „analogen“ Taufverständnis – wird die Reduzierung dieser Größen


auf eine streng umgrenzte, aus dem Prä des göttlichen Wortes abgeleitete, verbale Definition: Wort und Zeichen werden in einer Wortfolge definiert, der es zu glauben gilt – das »analoge« Taufverständnis wird »digital«. Von daher muss jedes Erinnerungshandeln, das Wort und Zeichen der Taufe wieder analog deutet, also z. B. durch Untertauchen erfahrbar macht, automatisch auf Widerstand aus dem digitalen Lager treffen. Denn ein paar Wasserspritzer kann das digitale System zwar gut verkraften, bzw. umwandeln, aber zu mehr reichen die Kapazitäten nicht. Und genau hier sitzt die Mausefalle: Im Endeffekt geht es gar nicht um die Überbetonung des Zeichens gegenüber dem Wort, nicht um die Frage Zenti- oder Hektoliter. Wer wirklich behauptet, hier soll die Stellung und Wirkung des Wortes in der Taufe geschützt werden, hat der nicht schon dieses schöpferische, heilsbringende, lebendige Wort, das keinen Schutz benötigt, auf ein philosophisch-sprachliches Konstrukt reduziert, das nun aber auch geschützt werden muss? Und natürlich auch die Wortwallungen um dieses Konstrukt herum. Denkt man hier konsequent weiter, dann hätten wir hier letztlich auch ein Instant-Wort im Beutel, das nur in seinen Erklärungen aufgelöst werden muss. ********************************************************************************************************************************* Andere Kirchen schein an dieser Stelle weit weniger »theologisch-feinfühlig« zu sein, im Blick auf eine angebliche oder tatsächliche Schutzbedürftigkeit der Taufe. Zumindest wenn man sie an den aktuellen Äußerungen aus unserer landeskirchlichen Mitte misst. Das aber scheint z. B. die Anglikanische Kirche nicht wirklich zu stören. Seit gut 15 Jahren wird dort das Untertauchen bei der Tauferinnerung ermöglicht Es fragt sich, ob die württembergische Denke, die ja Auswirkungen auf konkrete Handlungen der – jetzt missionarisch sein wollenden – Kirche hat, wirklich zukunftweisenden Charakter besitzt. Oder stellt sich die Kirche des Wortes hier selber ein Bein, weil sie so auf das Wort (oder sind es bei der Taufe eher die Worte zum Wort und ihre »theologische« Zementierung?!) beharrt? Sieht man auf die 2.000 Jahre christlichen Lebens, dann scheint Gott durchaus eine Vorliebe für das »Analoge« zu haben (»Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes erfahren«), während solche Äußerungen wie jetzt zur Taufe ja eher »Digital« klingen. Nur 0 und 1, wobei Eins – also offizielle Äußerungen von leitenden Personen unserer Landeskirche, also Worte über die Worte des Wortes – festlegt, was und ob Null, also die Erfahrung des Einzelnen und der Gemeinde bei dieser Begegnung mit Gott, ist und was es zu bedeuten hat. Begegnet ist Gott in Jesus, dem lebendigen Wort, allerdings immer dem ganzen Menschen. Und die Vorordnung des Wortes vor den Erfahrungen der Menschen in diesen Begegnungen, war niemals von der Ausschaltung der Erfahrung abhängig oder hat sie verlangt. Sie ergab sich unweigerlich vom Adressaten des Wortes her. Ob Taufe und Tauferinnerung – inklusive Untertauchen – aus diesem Begegnungs- und damit Erfahrungsgeschehen herausgenommen werden können, um sie in ein theologisch-digitales Reinraum-Klima zu verfrachten, darf gefragt werden. Hier einfach auf Luther zu rekurieren, um derart zu argumentieren, wie es jetzt getan wird, könnte unfreiwillig zum tragikomischen Selbstläufer werden. Denn der, also Luther, hat auch sehr deutlich gesagt, dass jeder Kopf – klein und groß – irren kann, auch in kirchenleitenden Gremien (Leipziger Disputation von 1519) und die bemühten Bekenntnisschriften sagen sehr deutlich, dass kein kirchlicher Ritus per se und für alle Zeiten Gültigkeit besitzt. Es wäre doch schade, wenn die missionarische Agenda unserer Kirche des Wortes an entscheidender Stelle, bei der Taufe nämlich, durch ein Zuviel an Worten und zu wenig an Leben am Ende zu einer wortlosen Instantaktion wird, die sich irgendwann in – ja in was eigentlich? – auflösen würde.


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