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Sonntags‐Gottesdienst spricht vor allem Ältere an (Evangelische Kirche Ludwigsburg) Veröffentlicht am 09.11.2003 Verein will mit Studie zeigen, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Kirche "eine Riesenlücke klafft"

Eine Studie belegt: Der sonntägliche Gottesdienst spricht vor allem ältere Gemeindemitglieder an. Archivbild: Michael Fuchs

Der Verein "Kirche für morgen" schlägt Alarm: Fast die Hälfte aller Kirchgänger in Württemberg ist über 60, der Großteil davon weiblich. Der Landkreis macht da keine Ausnahme. Nach Ansicht von Kirchenvertretern ist das allerdings kein Grund, schwarz zu sehen. In insgesamt 123 Kirchen haben Mitarbeiter des Erneuerungs-Vereins die Besucher gezählt und nach Alter und Geschlecht unterteilt. Im Landkreis Ludwigsburg wurden die Gottesdienstbesucher in sechs Gemeinden (Ludwigsburg, Asperg, Kornwestheim, Möglingen, Tamm und Großbottwar) unter die Lupe genommen. Ergebnis: Ein großer Teil der sonntäglichen Kirchgänger ist weiblich und über 60. Nur etwa ein Viertel der Besucher ist jünger als 20. Wenn man die Kinder und Konfirmanden außer Acht lässt, dann stellen die über 60-Jährigen knapp die Hälfte aller Gottesdienstbesucher. "Zwar erhebt der Sonntagmorgen-Gottesdienst noch immer den Anspruch, für alle da zu sein", sagt Vereinsmitglied Friedemann Stöffler, "aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Riesenlücke". Deshalb appelliert der Verein an die Evangelische Kirche, "mutig andere Gottesdienste zu entwickeln und zu fördern". "Kirche ist auch manchmal voll" "Diese Aufgabe wird bereits auf mehreren Ebenen angegangen", entgegnet der Vaihinger Dekan Hartmut Leins. So gebe es in Vaihingen schon jetzt zweimal im Monat einen Spätgottesdienst. Auch sei die Stadtkirche bei einigen Sonderveranstaltungen, wie etwa im Frühjahr zu Beginn des Irak-Kriegs, sehr gut gefüllt. Leins ist dagegen, die KirchgangsZahlen zu negativ zu interpretieren: "Wir haben im Moment zwar keine vollen Kirchen, dafür sind noch nie so viele Menschen wirklich freiwillig in die Kirche gegangen wie heute." Auch Otto Ziegler, Dekan im Bezirk Marbach, ist gegen eine einfache Schwarzmalerei. "Der Fakt, dass vor allem ältere Frauen sonntags in die Kirche gehen, ist sicher richtig", sagt er.


Allerdings gebe es im gesellschaftlichen und politischen Leben immer wieder Ereignisse, die ihm "zeigen, dass die Kirche immer noch gebraucht wird". Ein klassisches Beispiel sei hier der 11. September 2001 gewesen. Ziegler findet, dass der Verein "Kirche für morgen" mit seinen Folgerungen "übers Ziel hinausgeschossen" ist. "Darin steckt eine resignative Haltung", findet Ziegler. Es sei "psychologisch gesehen eine Normalität", dass Menschen, wenn sie älter werden, eher im Religiösen Halt suchen. "Der Sonntagsgottesdienst wird durch die Studie in ein schlechtes Licht gerückt", findet Christoph Doll, Pfarrer in Korntal. In seiner Christuskirche gebe es "überdurchschnittlich viele Besucher, darunter auch viele Jüngere". Außerdem organisiere seine Gemeinde bereits viele Zusatz-Gottesdienste mit alternativem Programm. Ohne die tatkräftige Mitarbeit von ehrenamtlichen Helfern sei dies allerdings nicht zu bewältigen. "Keine einfachen Antworten" - Pfarrer Markus Frasch von der Kirchengemeinde Aldingen geht in seiner Kritik noch einen Schritt weiter. Er findet die Antworten des Vereins "zu einfach". Seiner Ansicht nach kann es "den einen Gottesdienst, der allen gefällt" nicht geben. Als Geistlicher müsse man in einer pluralistischen Gesellschaft manchmal "ein Stück des eigenen theologischen Anspruchs, für alle da zu sein" aufgeben. Die Zukunft der Kirche liegt für ihn in der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden. Beispielhaft findet er Modelle wie die Kooperation seiner Gemeinde mit dem benachbarten Teilort Neckargröningen. Dadurch werde den Kirchgängern die Wahl gelassen, früh in den einen oder später in den anderen Gottesdienst zu gehen. "In Zukunft müssen die Gottesdienste stärker auf Zielgruppen zugeschnitten sein", so Frasch. (Markus Klohr)


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