http://www.kirchefuermorgen.de/modx/assets/files/Zitronenspritzer/Towel%20Day

Page 1

"Towel Day" - oder: Warum wir an Pfingsten nicht das Handtuch schmeißen müssen Mal ehrlich, wann waren wir das letzte Mal so von der Geschichte ergriffen und umhüllt (im positiven, wie im negativen), wie in diesem Jahr: 60 Jahre Bundesrepublik – 60 Jahre Grundgesetz – 20 Jahre Fall der Mauer – Winnenden – Wahl des Bundespräsidenten – Wolfsburg wird Meister (ganz ohne Porsche …) – Europawahl – Bundestagswahlen – 10 Monate Barack Obama – ein Jahr Wirtschaftskrise – an-aus, an-aus, an-aus, an- … für Opel – die Stasi erschießt Benno Ohnesorg – 15.695.000 Kinder verhungern laut UNO in diesem Jahr (während wir uns in aller Bierruhe wegen H1N1, dem Borstenviecher-Virus, die Hosen voll machen) – wir verschulden uns, dass es kracht … und machen weiter, wie gehabt? - acht Jahre 9/11 – acht Jahre »Towel Day« … Oh, ich sehe, der eine und die andere ziehen eine Augenbraue hoch. »Towel Day«? Die chinesische Version von 9/11? Nein, »Towel Day«, zu Deutsch »Handtuch-Tag«, wird seit 2001 an jedem 25. Mai gefeiert. Als Gedenktag an den Autor Douglas Adams (Sie wissen schon, »Per Anhalter durch die Galaxis«). Das Handtuch, das sich die Adams-Fangemeinde an diesem Tag irgendwie um den Leib drapiert, wurde deshalb gewählt, weil es in den Romanen der »Galaxis-Reihe« eigentlich das wichtigste Utensil für das Weltraumtrampen darstellt. Man kann es zum Sonnenbaden und Wärmen benutzen. Zudem flößt es – laut Adams – Respekt ein: »Der Nicht-Anhalter wird denken, dass mit jemandem, der sich gegen alle Widerstände quer durch die Galaxis durchgeschlagen hat und sein Handtuch immer noch bei sich trägt, nicht zu spaßen ist.« Alles klar? Gut – die Frage nach dem Sinn des Lebens wird bei Adams ja auch mit »42« beantwortet … Manche Wahlwerbung, die gerade am Laternenwald blüht, hätte übrigens reelle Chancen, in einem neuen Adams-Roman Verwendung zu finden. So gibt es bei Adams einen besonderen Planeten, auf dem alle linken Socken (das ist hier kleidungstechnisch, nicht politisch gemeint!!!), die in Waschmaschinen verloren gehen, landen. Passend dazu lässt eine unserer großen Volksparteien ein Plakat kursieren, auf dem ein Wegweiser prangt mit der Aufschrift Zukunft – wobei der Wegweiser nach rechts weist … Und ich habe immer gedacht, die Zukunft liegt vorne?!? Na ja, aber ich wollte ja etwas dazu anmerken, was ein Handtuch(-Tag) und Pfingsten gemeinsam haben! Das habe ich nämlich bei der Aufzählung oben vergessen … also Pfingsten. Denn das feiern wir heuer ja auch zum 1.900-ungeradsten Mal. Wieso eigentlich? … … … … … … War die Frage jetzt zu einfach? Also, beim »Towel Day« kann ich in zwei Sätzen (siehe oben) erklären, warum man ihn begehen kann. Aber Pfingsten?! Gut: Jerusalem, der Geist ergießt sich über die Jünger, sie reden und Tausende fangen an zu glauben. Auch wenn manche denken, die Jünger seien besoffen. Aber heute und hier? Was mir immer wieder auffällt, ist die relativ große Sprachbrache oder Sprachlosigkeit, gerade bei den Themen, die uns als Kirche so wichtig sind. Wie mir scheint, gilt das auch für Pfingsten. Ich habe schon Auslegungen, Meinungen und Predigten zu Pfingsten gehört, da musste ich mir nicht die Frage stellen, ob das geistvoll war, sondern nur noch die, wie viele Promille dahinter steckten …Lange habe ich hin und her überlegt, woran liegt das? Eine mögliche Antwort liegt für mich in der Beobachtung, dass an Pfingsten vielfach die Erinnerung gegenüber der Begeisterung überwiegt. Pfingsten wird zum Gedenktag, zum Memory-Day, an dem wir, wie beim echten Memory, durch beobachten und kombinieren versuchen, die passenden Bilder zu bekommen. Und so sammelt jeder mit der Zeit seine Bildchen aus dem großen Pfingst-Bildertopf und ist mehr darauf bedacht, dass die zueinanderpassen, als nach dem Gesamtbild zu fragen. Ich will mich hier nicht zu weit heraushängen, aber es scheint mir doch so zu sein, dass der Heilige Geist damals in Jerusalem nicht herunterkam, damit die Jünger was zu gedenken hatten oder ihre Bilder (von sich, von Jesus, von Gott, vom anderen) in Sicherheit bringen konnten! Nein, als der Geist kam, so das Neue Testament, lernten die Bilder laufen (manche kamen auch ins rutschen) und die Jünger mit ihnen. Und jedes Mal, wenn eine oder einer es von da an dem Geist gestattete, sich um Leib und Seele zu drapieren, konnte auch sie oder er sich auf eine Art und Weise quer durch die irdische Galaxis durchschlagen, dass sich andere verwundert oder auch erschrocken die Augen rieben und dann ganz neugierig wurden. An Pfingsten lernte die Kirche laufen – wenn wir oder Außenstehende heute manchmal den Eindruck haben, dass sie noch im Laufstall steckt oder sogar an der Kette liegt, dann sollten wir nicht gleich das Handtuch schmeißen. Die Ausgießung des Geistes war kein himmlisches Leck, das schnellstens wieder mit einer Gedenktafel versiegelt wurde. An Pfingsten brach die neue Welt Gottes an und auf,


und sie lässt sich bis heute nicht wieder verschließen. Da hilft kein gedenken, da hilft nur noch danken, dass der Heilige Geist per Anhalter durch unsere Welt reisen will – und durch unsere Kirche. Hanns Dieter Hüsch war jemand, der mit allen Sinnen durch unsere Welt »getrampt« ist. Hier noch ein paar Zeilen von ihm, die wie ich finde, ganz gut zu Pfingsten passen: FÜHREN UND LEITEN Im übrigen meine ich Möge uns der Herr weiterhin Zu den Brunnen des Erbarmens führen Zu den Gärten der Geduld Und uns mit Großzügigkeitsgirlanden Schmücken Er möge uns weiterhin lehren Das Kreuz als Krone zu tragen Und darin nicht unsicher zu werden Soll doch seine Liebe unsere Liebe sein Er möge wie es auskommt in unser Herz eindringen Um uns mit seinen Gedankengängen Zu erfrischen Uns auf Wege zu führen Die wir bisher nicht betreten haben Aus Angst und Unwissenheit darüber Dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges Fröhlich sehen will Weil wir es dürfen Und nicht nur dürfen sondern auch müssen Wir müssen endlich damit anfangen Das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln Denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder! Und jeder soll es sehen oder ganz erstaunt sein Dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können Und sagen: Donnerwetter Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen Und sagen: er habe Gottes Kinder gesehen Und die seien ungebrochen freundlich Und heiter gewesen Weil die Zukunft Jesus heiße Und weil die Liebe alles überwindet Und Himmel und Erde eins wären Und Leben und Tod sich vermählen Und der Mensch ein neuer Mensch werde Durch Jesus Christus.

[Text: Hanns Dieter Hüsch]

Michael Josupeit


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.