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Dr. Wolfgang Bittner »Das Feuer wieder entdecken – von der Betreuungskirche zur Beteiligungskirche« - Mitschrift eines Vortrages beim Forum von »Kirche für morgen« am 01.03.2009 im Bernhäuser Forst (Es gilt das gesprochene Wort) Einleitung: Die Aussage Jesu, dass er gekommen ist «um ein Feuer anzuzünden», weist auf eine klare Ausrichtung seines Handelns hin und darauf, dass er sich bei seinem Auftreten und Auftrag nicht schieben und drängen lassen wird. Diese Haltung ist nur möglich, wenn ein klares inneres Bild vorhanden ist. Für die Kirche der Zukunft gilt das Gleiche. Problematisch wird diese Herangehensweise dadurch, dass wir – u.a. durch unsere Geschichte als Einzelne und als Kirche –, verschiedene Bilder von Kirche bewusst und unbewusst in uns tragen. Diese inneren Bilder lassen sich durch Argumente nicht klären, was den Diskurs über die Kirche der Zukunft so schwierig macht. Ein gelingender Austausch und ein Weitergehen können sich nur dort ereignen, wo wir den vorhandenen Bildern andere an die Seite stellen. Dazu zwei Beispiele: 1. Das Bild von der Volkskirche: Es gibt zwar juristische, historische und soziologische Begründungen für die Volkskirche. Sucht man allerdings nach biblisch-theologischen Grundlagen wird man nicht fündig. Das Infragstellen dieses Bildes löst zuweilen heftige (Abwehr)Reaktionen aus. Argumentativ wird es sehr schwer sein, sich aus diesem Bild zu lösen. 2. Die Pfarrerzentriertheit: Sehr oft wird für den Dienst des Pfarrers das Bild des Hirten benutzt. Dies stellt eine sehr verhängnisvolle Entwicklung dar. Es beinhaltet nämlich die Aussage, dass das Schaf (der Laie, das Gemeindemitglied) mit allem versorgt werden muss, was es braucht. Und das es den richtigen Weg nicht von alleine findet. Letztlich findet hier ein Kampf der Bilder statt, mit dem wir es auch bei dem Thema dieses Referates zu tun haben zu tun. Die folgenden Ausführungen sollen einen Perspektivpunkt bieten, um zu prüfen, »führt uns dieses Bild zum Ziel«. A. Die lebendige Kirche der Zukunft lebt von der Heiligkeit Gottes und nicht von der Aktivität der Menschen Nicht selten wird von Kirchengemeinden die Frage gestellt, wie es gelingen kann, noch mehr Mitarbeiter zu bekommen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, tun wir in der Kirche allerdings nicht zu wenig, sondern eher zu viel. Um dieses Dilemma richtig einordnen zu können, ist es wichtig den Raum, den die Gemeinde darstellt, zunächst einmal geordnet zu betrachten. Hilfreich ist dabei ein Blick auf den Tempel in Jerusalem. Er gliederte sich in drei Bereiche auf: Das Allerheiligste – hier findet die Begegnung mit Gott statt. Der Vorhof des Volkes Gottes – hier begegnen sich die Berufenen. Der Vorhof der Völker – hier ist die Begegnung mit den Suchenden ganz wichtig. Der ganze Tempel lebt von der einen Tatsache, ob Gott als der Lebendige in der Mitte ist.


Die Frage an uns ist: Leben wir aus der Aktivität oder aus der Heiligkeit Gottes? Die Antwort darauf dürfen wir uns nicht zu leicht machen. Und: Gibt es in meiner Gemeinde einen Ort, wo ich Gott genießen kann, wo ich Impulse für mein Leben von ihm empfange? Oder mache ich das im privaten Kämmerlein? Der Verlust dieser Freiräume kann zu einer Entwicklung führen, wie sie schon beim Propheten Hesekiel nachzulesen ist: Die Israeliten feierten Gottesdienst und merkten dabei nicht, dass Gott gar nicht mehr dabei war! Vor lauter Aktivität – und bei gleichzeitigem Verlust der Freiräume – können sie letzten Endes nicht mehr hören. Diese Situation scheint sich auch in den Worten wiederzuspiegeln, die Jesus in Offenbarung 3,20 sagt: »Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an …«. Vor lauter Aktivität ging die Mitte verloren und die sucht jetzt den Zugang von außen. Kirche lebt davon, dass es ein Fenster gibt, durch das man hinaussehen kann in die Welt Gottes. Und die Menschen draußen suchen nach Menschen, die ihnen diese Fenster zeigen. B. Die lebendige Kirche der Zukunft entsteht aus dem Hören und nicht aus unserem Reden. Die katholische Lehre von der Kirche sieht die wahre Kirche dort, wo die apostolische Sukzession gewährleistet ist (d.h., eine Weitergabe der Beauftragung der Apostel durch Handauflegung an die nachfolgenden Bischöfe, bis in unsere Zeit). Bei Zwingli ist Kirche die, die sein Wort hört. Luther gibt in den Schmalkaldischen Artikeln folgende Erklärung: »Es weiß - Gott Lob! -

ein Kind von sieben Jahren, was die Kirche sei: die heiligen Gläubigen und die Schäflein, die ihres Hirten Stimme hören.«

Beide nehmen Bezug auf Johannes 10: »Meine Schafe hören meine Stimme«. Paulus gibt ein Hörereignis als Grund für den Glauben an: »Der Glaube kommt aus dem Hören«. Römer 10,17 (Luther benutzt hier das Wort Predigt, was der Aussage aber völlig eine andere Ausrichtung verleiht, als das ursprüngliche »hören«, griechisch ακούω [akuo]). Es geht also darum, Gottesdienste zu feiern, die dem Hören Raum geben. Maßstab einer Predigt muss dabei sein, dass der Hörer nach einer Predigt besser auf Gott hören kann. Gemeinde muss Räume eröffnen, wo sich dieses Hören erleben lässt. Beispiel (aus der Arbeit von Wolfgang Bittner) Eine meditative Abendfeier mit folgendem Ablauf: • • • •

Eingang Gebet 5 Minuten Schweigen, damit meine Seele ankommen kann – sie ist meistens nicht so schnell, wie die Liturgie Predigt – bestehend aus drei kurzen Impulsen mit ebenfalls 5-minütigem Schweigen.

Es geht darum, dass wir nach Orten, Möglichkeiten und Räumen suchen, damit wir eine hörende Kirche werden.


Hier wäre es angebracht, wenn jede Landeskirche einen »Experimentierparagraphen« einführen würde, damit neue Ideen, Projekte und Gemeindeformen den Freiraum hätten, auch außerhalb des kirchenrechtlichen Korsetts zu erproben. Hier könnte sich dann auch Wege zu einer hörenden Gemeinde finden. C. Die lebendige Kirche der Zukunft lebt von der Beteiligung der Gemeindeglieder und nicht von ihrer Betreuung Das Modell der Beteiligungskirche existiert eigentlich schon geraume Zeit – im Bereich der Kinderkirche: Mitarbeiter werden vom Pfarrer theologisch angeleitet und die kompetenten Gemeindeglieder arbeiten dann selbständig in ihrem Arbeitsbereich. Übertragen auf weitere Bereiche der Gemeinde könnte das bedeuten (2 Bsp. aus der Arbeit Wolfgang Bittners): 1. Trauerbesuche in der Gemeinde wurden von denjenigen übernommen, die die größere Trauerkompetenz besaßen. Es geht darum, die verborgenen Lebenskompetenzen in der Gemeinde zu entdecken – in allen Bereichen des Lebens seine Stärke zu sehen. Auch dort, wo scheinbar keine Stärke vorhanden ist, z.B. in der eigenen Arbeitslosigkeit. Theologen können dann theologisch zuarbeiten. 2. Religions- / Konfirmandenunterricht: Da das Leben kein Argument ist, über das man diskutieren kann, sondern es seine Erklärung in einem glaubwürdigen Lebensvollzug findet, könnte es hilfreich sein, Jugendliche mit Erwachsenen zusammenzubringen, die ihren Glauben leben und kein Geld dafür verdienen, wie die Hauptamtlichen einer Gemeinde, die für ihre Arbeit (Tun + Reden) bezahlt werden. Die Arbeit in der Gemeinde ist immer Aufgabe der Gemeindeglieder. Was in der Gemeinde nicht durch sie geschieht, geschieht in Wirklichkeit nicht. Diese Zielrichtung findet sich auch in Epheser 4,11-12, wo der Hirte nicht als der zentrale Fixpunkt der Gemeindeleitung in Erscheinung tritt, sondern ein Dienst (!) unter mehreren ist, »damit die Heiligen [die Gemeindeglieder] zugerüstet werden zum Werk des Dienstes«. Der Dienst der Theologie – die unverzichtbar ist – an der Gemeinde besteht darin, zu fördern, zu mahnen und zu widerstehen – der Pfarrer hat sich theologisch einzubringen. Begründet ist dies in Christus, der uns als der Heilige (A.), der Redende (B.) und als derjenige, der uns die Würde gibt und zugesteht, uns an der lebendigen Kirche der Zukunft aktiv zu beteiligen.

(Mitschrift – Michael Josupeit)


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