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3.2006

Was Kirche für morgen heute bewegt

Zitronenfalter

Frühlingsgefühle EKD-Impulspapier Zwölf Leuchtfeuer für eine wachsende Kirche

Gemeindeportrait Klein, aber äußerst rege Jakobusgemeinde Tübingen

Nahe bei Gott und Menschen Wie Kirche für morgen Gemeinde versteht


Editorial und Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser, Lust an der Provokation hatten wir schon immer. Frühlingsgefühle im November... Das Heft will herausfordern, einen Kontrapunkt setzen. Wie redet man bei schmuddeligem Winterwetter vom Aufbruch? Von der Kraft in den Knospen, von spielerischer Verliebtheit, von Frühlingsgefühlen? November ist ja nicht nur da draußen, sondern auch mitten in der Kirche. November-Synode da ist der Name fast schon Programm. Schließlich stehen die Finanzen auf der Tagesordnung... Die Blätter fallen, fallen wie von weit heißt es im Herbstgedicht bei Rilke. Und die Blätter am Baum der Kirche? Was einst grün war, strotzend vor Saft, hat an vielen Stellen seine Zeit gehabt. Gemeindehäuser werden geschlossen, bisherige Privilegien bröckeln, Gottesdienstformen sind in die Jahre gekommen. Die Blätter fallen, fallen wie von weit...

Frühlingsboten Aber es gibt sie, die Frühlingsboten. Ein mutiger Wurf nach vorne ist Kirche der Freiheit . Wer hätte einem Impulspapier der EKD so viel Zukunftsszenario zugetraut? Mehr dazu auf den folgenden Seiten. Unser Positionspapier in der Heftmitte führt manches davon weiter und präzisiert die Kirche der Freiheit . Ein Frühlingsbote ist für mich auch die ChurchNight. Welche Dynamik die erste Kampagne zum Reformationstag auslöste, hat viele überrascht. Wenn in Hemmingen Jugendliche fünf Minuten auf der Kanzel über Christsein heute reden, wird Priestertum aller Gläubigen konkret. Wenn in Balingen ein Fackelzug in der Halloween-Nacht an den Thesenanschlag erinnert, ist Kirche präsent. An 200 Orten ging es am 31.10. um die Alleinstellungsmerkmale unserer Kirche: Der Glaube allein, Christus allein... In der Krise sich wieder auf die Ursprünge besinnen darin liegt ein Segen.

Frühling des Geistes

Heftthema: Frühlingsgefühle Editorial

Seite 2

EKD-Impulse für eine wachsende Kirche Seite 3 Neue Finanzquellen erschließen Seite 6

Bausteine Taufvergewisserung durch Untertauchen

Seite 7

Wenn Hauskreise Beine bekommen Seite 8

WGL Woche gemeinsamen Lebens Seite 9

Kfm-Impulspapier Gemeinde nahe bei Gott und nahe bei den Menschen Seite 10 Gemeindeportrait Jakobusgemeinde Tübingen wachsend und missionarisch Seite 14

Kfm intern Katrin Müller: Warum ich bei Kirche für morgen bin

Seite 18

Interview mit Tabea Hieber

Seite 19

Kurz notiert

Forum von Kirche für morgen Seite 20 Kirche das Beste kommt noch. Manche beläZu guter Letzt Seite 20 cheln uns für diesen so naiv erscheinenden Spruch. Aber wir sind tatsächlich davon überzeugt, dass noch ein Frühling der Kirche bevorsteht. Und schreibt es uns Gott mit der Jahreslosung 2007 nicht selber in die Herzen? Ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst Nachtrag zum Zitronenfalter 1/06: es auf, erkennt ihr s denn nicht? Lassen Sie uns mit dem alten Blumhardt um Positive Resonanz gab es über die einen Frühling des Geistes beten und ringen. Viele Berichte zur Wasseralfinger VesFrühlingsgefühle beim Lesen wünscht perkirche im letzten Zitronenfalter. Noch mehr über dieses Projekt von der Ostalb gibt es im Buch Kanzel, Kraut und Semmelknödel (ISBN 3-9810452-0-3, Edition Ostalb, Reinhold Krebs 12,-)

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Thema: Frühlingsgefühle

EKD-Impulse für eine wachsende Kirche Wie ein Paukenschlag wirkte die Veröffentlichung des EKD-Impulspapieres Kirche der Freiheit im Juli dieses Jahres. Angesichts des Umbruchs in Kirche und Gesellschaft müsse ein Paradigmen- und Mentalitätswechsel in der EKD erfolgen, fordert Bischof Huber darin. Marc Stippich informiert und kommentiert. Bis ins Jahr 2030 blicken die Mitglieder der Perspektivkommission der EKD in die Zukunft und folgern: Bis dahin wird sich die Kirche massiv verändert haben. Die alarmierenden Prognosen lauten: Sie wird dann ein Drittel weniger Mitglieder haben und 50% weniger Geld. Angesichts dieser Zahlen führe ein Weiter so! in ein finanzielles Desaster und damit zum Ende jeglicher Handlungsfähigkeit (25).1 Der Rat der EKD fordert darum eine Neuausrichtung der kirchlichen Arbeit um ein Wachsen gegen den Trend zu ermöglichen.

Was heißt es, evangelisch zu sein? Gefordert wird eine neue Konzentration auf die evangelischen Wurzeln, auf den Glauben. Zentral sei das Vertrauen auf die Botschaft des Evangeliums, dass Gott uns gnädig ist.2 Der Glaube zielt dabei immer auf ein inneres Einstimmen. Die äußeren Glaubensformen aber können variieren. Die konkrete Verfasstheit der Kirche kann, ja muss sich sogar stetig verändern, damit das Evangelium immer neu bei den Menschen ankommt. Auf diesem Hintergrund fordern die Autoren, dass sich die Kirche neu profiliert und alle ihre Aktivitäten auf ihre missionarische Kraft hin überprüft. Dabei soll nicht aus dem Auge verloren werden: Nicht leere Kassen fordern heraus, sondern leere Herzen (41). Der Mentalitätswandel, der mit der EKD-Synode 1999 begonnen hat, soll weiter gefördert werden. Die EKD hat deswegen 2004 eine Umkehrung der Begründungspflicht beschlossen: Nicht mehr die lange Tradition , sondern die zukünftige Bedeutung soll den Ausschlag dafür geben, ob bestimmte Aufgaben fortgesetzt oder zurückgefahren werden (42).

Mission ist wesentlich Trotz dieser Profilierung wird eine Pluralität der verschiedenen Frömmigkeitsformen begrüßt. Spirituelle Vielfalt wird ausdrücklich bejaht. JeNeue Orientierung fordert das EKD-ThesenPapier Kirche der Freiheit

doch muss sich die Kirche, um nicht den Eindruck inhaltlicher Beliebigkeit zu erwecken, auf das zentrale Gemeinsame besinnen. Und dieses besteht in dem Auftrag das Evangelium weiterzugeben. Mission wird dabei weit gefasst. Sie umschließt das gesamte kirchliche Handeln von Verkündigung über Diakonie bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Grundausrichtung auf eine missionarische Kirche wird in vier so genannten Grundannahmen weiter aufgeschlüsselt: 1 Geistliche Profilierung statt undeutlicher Aktivität 2. Schwerpunktsetzung statt Vollständigkeit 3. Beweglichkeit in den Formen statt Klammern an Strukturen 4. Außenorientierung statt Selbstgenügsamkeit

Nicht nach langer Tradition, sondern nach zukünftiger Bedeutung fragen


Impulse für eine breite Diskussion

Die Haltung gegenüber Reformen ist in der Kirche zu zögerlich

Die Kommission entdeckt in den Evangelischen Kirchen eine wachsende Übereinstimmung mit diesen Grundthesen. Es mache Hoffnung, dass die internen Konflikte der 70er und 80er Jahre weitgehend überwunden seien (18). Mit zwölf so genannten Leuchtfeuern die sehr konkret mit Zahlen und Zielen arbeiten und darum spannend zu lesen sind soll ein groß angelegter Diskussionsprozess beginnen. Dieser wird strukturiert durch einen Zukunftskongress im Januar 2007, das Erarbeiten einer Reform-Charta, durch eine Themenagenda bis zum Lutherjahr 2017 und durch konkrete Weiterarbeit an Qualitätsverbesserungen in verschiedenen Bereichen.3

Kritik der ökonomischen Sprache Anders als in den abwägenden Formulierungen vergangener EKDTexte werden hier Ziele gesetzt, Standards formuliert und Maßnahmen vorgeschlagen. Der neue Sprachstil des Textes wurde kritisiert und der Vorwurf kam auf, dass sich die Kirche

damit ökonomischen Zwängen unterwerfe. Die Gefahr, sich von äußeren Zwängen fremde Ziele aufdrängen zu lassen, wird jedoch erkannt und benannt.4 Und es ist gut evangelisch sich ohne Berührungsängste für andere Wissenschaftszweige zu öffnen, wenn man um Grund und Ziel des eigenen Glaubens und Handelns weiß. Im Gespräch mit Vertretern der Wirtschaft wurden einige kritische Punkte erkannt: eine unzureichende Qualität an vielen Stellen, eine mangelnde Identifikation der Mitarbeitenden mit dem christlichen Glauben, eine zögerliche Haltung, wenn es um Reformen geht (42). Es muss die Zerreißprobe zwischen Reformnotwendigkeit und Beharrungssehnsucht (20) überwunden und die Chancen des Wandels müssen erkannt werden.

Die Gemeinden stärken Aber will hier die EKD nicht einfach Einfluss gewinnen und Kompetenzen der Landeskirchen und Gemeinden an sich ziehen? Die Autoren vertreten ein gegenteiliges Anliegen. Die Leitungsaufgaben von Kirchenbezirk, Landeskirche und EKD dürfen kein Selbstzweck werden, sondern dienen letztlich der Arbeit der Gemeinden nahe bei den Menschen. (37) Wenn mehr Aufgaben als bisher auf die EKD-Ebene verlagert werden sollen, dann deshalb, weil eine deutschlandweite Leitung unsere Kirche erkennbarer mache, manches effektiver organisiere und der Ideenaustausch gefördert werde.

Die zwölf Leuchtfeuer Am konkretesten wird die Schrift schließlich in den zwölf Leuchtfeuern der Zukunft (S. 48ff.), die in vier Handlungsfelder aufgeteilt werden. Zusammenfassend einige der wichtigsten Forderungen: Leuchtfeuer 1-3: Aufbruch in den kirchlichen Kernangeboten Um möglichst viele Menschen für den Glauben zu gewinnen, müsse die derzeitig unterschiedliche Qualität und Angebotsstruktur vor Ort verbessert und einander angeglichen werden. Der Vielfalt heutiger Lebensformen müsse eine Vielfalt unterschiedlicher Gemeindestrukturen entsprechen: Neben klassischen Ortsgemeinden sollen Netzwerk- und Profilgemeinden entstehen und RegiNeue Orientierung fordert das EKD-ThesenPapier Kirche der Freiheit


onalkirchen als Begegnungsorte, die in ihre Umgebung ausstrahlen. Leuchtfeuer 4-6: Aufbruch bei allen kirchlichen Mitarbeitenden Die Mitarbeitenden müssten für ihre Arbeit besser qualifiziert werden. In vielen Praxisfeldern würden Haupt- und Ehrenamtliche oft ins kalte Wasser geworfen. Die Aus- und Fortbildungen sollten verbessert werden. Beim notwendigen Rückgang der Hauptamtlichenanzahl müsse den Ehrenamtlichen mehr Verantwortung übertragen werden, was ja auch dem evangelischen Priestertum aller Glaubenden entspräche. Pfarrerinnen und Pfarrer bekämen als Schlüsselpersonen kirchlicher Arbeit ein neues Anforderungsprofil: Sie würden zu leitenden Geistlichen eines Netzwerkes von Ehrenamtlichen. (68) Wichtig sei, dass auch sie durch Weiterbildungen und eine neue Beurteilungskultur zu den sich verändernden Aufgaben befähigt werden.

Deutschland die nötigen Schritte mit einem von Hoffnung getragenen Realismus (33) angehen, dann könnten auch bei uns trotz der kommenden, schwierigeren Zeiten Frühlingsgefühle aufkommen! Marc Stippich, Pfarrer in Grunbach, hat das EKD-Papier mit viel Interesse studiert und darin so manche Ideen von Kirche für morgen entdeckt.

Das EKD-Impulspapier Kirche der Freiheit ist im Internet zu finden unter www.ekd.de/download/kircheder-freiheit.pdf. Bestellt werden kann es bei Versand@ekd.de oder unter Tel. 0511/2796-0. Die Zahlen im Text beziehen sich auf die Seitennummern des Impulspapiers. 2 Evangelisches Profil im Umgang mit der Zukunft, S. 32-35 3 Ausblick, S. 101ff. 4 Z. B. beim Thema Diakonie auf S. 82ff. 1

Pfarrer als leitende Geistliche eines EhrenamtlichenNetzwerks

Leuchtfeuer 7-9: Aufbruch beim kirchlichen Handeln in der Welt Diakonie sowie Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sollten wesentlich zu einem positiven Wahrnehmungsbild der evangelischen Kirchen beitragen. Leuchtfeuer 10-12: Aufbruch bei der kirchlichen Selbstorganisation Die einseitige Finanzierung kirchlicher Arbeit durch die Kirchensteuer müsse auf den Prüfstand. Überlegungen zur verbesserten Selbstorganisation sowie zum Finanzrückgang führen zu dem Vorschlag, die EKDEbene zu stärken und die einzelnen Landeskirchen so zu organisieren, dass alle, die im Jahr 2030 noch bestehen, mindestens eine Million Mitglieder haben.

Aufbruch oder Stillstand? Öffentlich diskutiert wurde bisher vor allem der letzte Vorschlag, den die kleineren Kirchen allesamt ablehnten. Von der württembergischen Landeskirche kamen bisher eher zurückhaltende Reaktionen. Dabei bietet das Papier genügend Stoff für spannende Diskussionen und fordert zu Weichenstellungen heraus, die schwierige, aber zukunftsträchtige Wege eröffnen. Die englische Kirche hat Mitte der 80er durch entschlossenen Umbau aus ihrer großen Krise herausgefunden. Wenn auch wir in

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Thema: Frühlingsgefühle

Neue Finanzquellen erschließen Umdenken Alternativen zum bestehenden Finanzkonzept der Artikel im ersten Zitronenfalter hat Zustimmung und Widerspruch ausgelöst. Reinhold Krebs benennt, was er als finanzpolitischer Laie inzwischen gelernt hat. Manche Experten lächeln müde, wenn sie unseren Vorschlag auf dem Tisch haben: Jeden gespendeten Euro verdoppeln (These 7 im Gemeinde-Impulspapier). Ihr habt ja keine Ahnung murmeln sie. Inzwischen beeindruckt mich das nicht mehr. Schön , denke ich. Mit diesem Argument haben die Atom-Experten die Weingärtner in Wyhl in den 80er Jahren für dumm verkauft. Und heute? Es gibt eben auch die spezifische Blindheit von Experten. Wer zu dicht drauf ist, sieht vor Bäumen den Wald nicht.

system wird schneller fallen als viele denken. Und niemand in den Kirchenleitungen hat einen Plan B. Es herrscht eine Augen zu und durch -Mentalität.

Geldnot kann aktivieren

Subventionen machen träge. Und die Kirchensteuer ist ein Subventions-System. Deshalb liegt in der Krise bei aller Dramatik auch eine große Chance. Wo kirchliche Organisationen künftig mehr auf eigene Einnahmen angewiesen sind (Dienstleistungen, Freizeiten, Seminare), wird Qualität wichtig, muss man Falsche Sicherheiten am Markt bestehen. Natürlich geht es nicht darum, das Evangelium zu vermarkten. Aber Die Gründe, warum kirchliche Finanzen einbrechen, sind schnell benannt. Die demo- bei Dienstleistungen auf Qualität zu setzen graphische Entwicklung, die Kirchenaustritte, warum sollte das unchristlich sein? Und wer Spenden will, muss wissen, die Verlagerung der Steuern von den direkten wofür. Muss sich Gedanken machen über (an die die Kirchensteuer gekoppelt ist) hin Ziele, muss eine Vision kommunizieren. Auch zu den indirekten. Dazu kommen steigende hier kann Geldnot nicht nur beten lehren, Versorgungslasten: für Gebäude, die in die sondern auch zur inneren und äußeren KlarJahre kommen, für Personen, die als Beamheit und zu einer neuen Qualität kirchlicher Kommunikation führen.

Brunnen bohren

te lebenslang zu finanzieren sind. Bisherige Trends hochgerechnet hätte die evangelische Kirche 2030 nur noch die Hälfte der heutigen Finanzkraft. Bischof Huber hat recht: Bei der Fortführung des bisherigen Handelns treibt die Kirche schon in wenigen Jahren auf eine Situation zu, in der das hochexplosive Gemisch aus Versorgungskosten, Teuerungsraten und schrumpfenden Einnahmen zur Gestaltungsunfähigkeit führt ( Kirche der Freiheit S. 7). Dazu kommt eine Entwicklung, die in Deutschland chronisch unterschätzt wird. Die Vision der Europäischen Union ist der gemeinsame Markt. Er funktioniert nur mit einer Harmonisierung . Ob in einem künftigen Europa ein Kirchensteuersystem deutscher Prägung überleben wird? Das ist unwahrscheinlich. Ein Kenner der Szene meinte kürzlich: Das jetzige Kirchensteuer-

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Die Talente-Aktion der Tübinger Jakobusgemeinde hat gezeigt: Hier geht es nicht nur um das Heben finanzieller Schätze. Hier wurden Gaben und Begabungen durchaus aus der Finanznot heraus aktiviert, wurde das Gemeindeleben bunter. Sicher, einfache Lösungen gibt es nicht. Aber wer das Heil nur von oben, von der Kirchensteuerzuweisung erwartet, verschläft das Gebot der Stunde. Vor Ort gilt es, Brunnen zu bohren und neue finanzielle Quellen zu erschließen. Im EKD-Impulspapier wird als Ziel vorgegeben, die Einnahmen aus zusätzlich eingeworbenen Mitteln sollten im Jahr 2030 20 Prozent aller kirchlichen Finanzen ausmachen (S. 91). Vermutlich ist dieses Ziel eher zu klein angesetzt. Allerdings braucht es dafür Anreize. Das Finanzpapier von Kirche für morgen zeigt, in welche Richtung es künftig gehen muss. Reinhold Krebs, Vorsitzender von Kirche für morgen, lebt momentan als Projektleiter noch von Geldern der Landesstiftung Baden-Württemberg.


Bausteine

Taufvergewisserung durch Untertauchen Ein Sonntagmorgen im Juli 2006 an einem kleinen Nebenfluss des Neckars: 300 Menschen haben sich am Ufer versammelt, auf der gegenüberliegenden Seite spielt eine Band. Kinder flippen Steine ins Wasser. Ein Gottesdienst der besonderen Art. Neben einer Kleinkindsegnung, acht Taufen von Kindern, Konfirmanden und Erwachsenen empfängt an diesem Morgen ein Jugendlicher seine Taufvergewisserung. Außer der Segnung findet alles in der Fils statt. Vier Pfarrer hatten sich dazu zusammengefunden. Drei davon, ganz in weiß gekleidet, stehen jetzt im Wasser und tauchen nacheinander ihre jeweiligen Täuflinge unter. Nach einem Lied und einem Taufzeugnis wird auch der 18jährige untergetaucht.*

Bitte keine Wiedertaufe

muss ausgeschlossen werden. Sein Stellvertreter beobachtete im Juli den Gottesdienst an der Fils, und Kirchenrat Lautenschlager wird beim Nachgespräch anwesend sein. Für 2007 haben sich schon die nächsten Jugendlichen angemeldet.

Erneuere mir die Taufgnade! Ein hoher kirchlicher Würdenträger bekannte sich unlängst zu seiner eigenen Taufvergewisserung, allerdings extraterritorial vollzogen: Prälat Paul Dietrich erzählte, wie er an den Jordanquellen einem Freund auf dessen Anfrage hin die Erneuerung der Taufgnade spendete und sie danach auch selbst erfuhr. Kniend im Fluss wurde ihm mit einem Segenswort Wasser über den Kopf gegossen.

Im vergangenen Jahr fing alles an: Eine junge Frau aus Reichenbach wollte sich nach einem Alpha-Kurs in einer Freikirche als Erwachsene taufen lassen. Aus Sicht der Landeskirche wäre das eine Wiedertaufe geStefan Taut, Pfarrer in Reichenbach/Fils, wesen und damit das Ende für jede weitere Gemeindemitarbeit. Dank guter Kontakte zur ist eine neue Ehrlichkeit in der Gemeinlandeskirchlichen Ortsgemeinde lehnte der dearbeit wichtiger als die Verteidigung freikirchliche Gemeindeleiter ab und wies die längst vergangener Monopole. Dame an ihre Heimatgemeinde. Dort entwi*Die Pfarrer verwendeten eine Agende zur Tauferckelten die Pfarrer die Idee einer Taufvergewisserung durch Untertauchen damals im innerung aus der angelikanischen Kirche. Sie finFreibad geschehen. Heute ist die Frau aktiv det sich übersetzt auf www.kirchefuermorgen.de. im KGR und in der Kinderarbeit.

Nicht mehr wegsehen Pate für die Idee stand die Praxis in der Anglikanischen Kirche. Dort war vor allem bei jungen Menschen der Wunsch aufgekommen, die eigene Taufe selbst zu erfahren bzw. sich ihrer zu vergewissern. Dem fügt Bob Hopkins aus Sheffield noch einen weiteren Hauptgrund an, der bei der Anglikanischen Generalsynode vor 15 Jahren ausschlaggebend war: We didn t want to look the other side! Wir (die Pfarrer) wollten nicht mehr wegsehen müssen. Genau dies war auch Auslöser für die Reichenbacher Pfarrer, trotz Bedenken des Oberkirchenrates die Sache ein weiteres Mal durchzuführen. Kurz vor dem Termin rief ein kirchlicher Mitarbeiter an: Bei uns haben sich Jugendliche selbst getauft. genauer gesagt: wiedergetauft. Und der Pfarrer? Muss wegsehen!

Zustimmung unter Vorbehalt Diese Argumente waren auch für den Esslinger Dekan ein Grund, der Sache zunächst unter Vorbehalt zuzustimmen als Projekt. Eine Verwechslung mit einer Wiedertaufe

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Bausteine

Wenn Hauskreise Beine bekommen Als eine Art GPS für Gruppen und Gemeinde dient in St. Thomas Crooks, Sheffield, das UP-IN-OUT-Dreieck. John Curtis gibt Tipps für das OUT. Wie können Hauskreise das Schmoren im eigenen Saft überwinden? Vorweg: Eine richtig gute IN-Dimension hat schon OUT-Charakter. Heute suchen Menschen nach wirklicher Gemeinschaft mehr als nach allem anderen. Kleingruppen können genau das bieten: Gemeinschaft. Stellt euch die Frage: Ist unsere Gruppe eine Gemeinschaft oder bloß eine Gruppe, die sich wöchentlich trifft? Können wir miteinander lachen und weinen? Helfen wir einander, sind wir großzügig mit Zeit und Geld? Das braucht wirkliche Verbindlichkeit und vielleicht neue Prioritäten. Aber nur so wird euch eure Gruppe etwas bringen, eine attraktive Gemeinschaft werden weil sie ein wichtiger Teil eures Lebens geworden ist.

Wochen lang jeweils ein Mitglied der Gruppe ausführlich seine Lebensgeschichte erzählen. Die andern können nachfragen. Und am Ende des Abends betet ihr für diese Person.

Mission & Vision Dann braucht ihr einen Fokus. Was ist die Vision eurer Gruppe? Gibt es starke Ideen, die begeistern können? Eure Vision muss nicht sein, die Welt zu verändern aber vielleicht an der örtlichen Schule zu wirken. Wichtig ist, dass ihr alle an der Vision teil-

Einfach dabei sein Vor Jahren zog in unsere WG Diane ein, eine junge Frau, der der Glaube bis dahin nichts bedeutet hatte. Wenn sich unsere Gruppe traf, starteten wir bewusst informell, so dass Diane dabei blieb. Wir redeten über Gott und die Welt, lachten und irgendwann beteten wir. Diane hat schnell begriffen, dass diese Abende nicht normal waren. Aber sie war gerne dabei und fand dadurch bald selbst zu Gott. Es ist nicht einfach, aus einer Kleingruppe eine wirkliche Gemeinschaft zu machen. Man braucht Zeit, Energie, die Bereitschaft, etwas von sich preiszugeben. Das ist jedoch die Grundlage, auf der das OUT entstehen kann. Aber wie beginnen? Lasst doch einige

habt. Ich selbst bin in einer Gruppe von Geschäftsleuten. Wir wollen unsere nichtchristlichen Kollegen erreichen, aber auch unsere Gaben und unser Geld für Gott einsetzen. Solange ihr keine klare Vision habt, fehlt die innere Polung der Gruppe. Dabei müssen eure Ideen nicht großartig sein, aber wirksam. Wie wäre es z. B. mit Diensten für andere nach dem Zufallsprinzip? Und dabei wirklich großzügig sein: Miteinander den Hausflur eines alten Mannes streichen. Oder Lebensmittel zu den Asylbewerbern bringen. In der Fußgängerzone Schokolade verteilen mit einer Karte Schönen Gruß von Gott . Okay, alles nicht so einfach. Aber wenn es erst läuft, ist es brillant. Es wird euch zusammenschweißen. Bei all dem geht es um die Balance zwischen UP, IN und OUT. Das ist der Schlüssel für eure Gruppe. Ihr lebt mit Gott. Ihr erfahrt aneinander das große Geschenk echter Freundschaft. Dann habt ihr allen Grund, auch nach außen zu gehen. John Curtis ist Rechtsanwalt. In St. Thomas Crooks, Sheffield, hat er Teil an der Gemeinde-Vision to call the city back to god .

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Bausteine

WGL – Woche gemeinsamen Lebens Leben und Glauben miteinander teilen ist der Wunsch vieler junger Menschen. Über die konkrete Umsetzung und die eigenen Erfahrungen berichtet Cyrill Schwarz. Seit Sommer 2004 finden jeweils während der Sommer - und Winterferien zwei Wochen gemeinsamen Lebens statt.

und die übrige Zeit nicht zu Hause, sondern im WGL Haus verbringt. Insgesamt wohnen in diesen WGL s 15-25 Personen. Zusätzlich kommen jeden Tag Gäste dazu. Die GemeinGemeinsames Leben als Freizeitangebot schaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie wie eine Familie lebt. Das heißt, jeder spült Gemeinsam wohnen und leben wir in ab, kocht, geht einkaufen, ohne dass dies einem Freizeitheim des CVJM am Stadtrand großartig organisiert werden muss. WGL Leonbergs. Eingeladen sind Jugendliche ab heißt aber auch, dass man mit dem Ersten, 15 Jahren, die über den Freizeitprospekt, der morgens zur Arbeit geht, aufsteht und bzw. separaten flyer auf dieses Angebot gemeinsam frühstückt (auch wenn es halb aufmerksam gemacht werden. Es gibt die sieben am Morgen ist!). Möglichkeit einen, oder auch mehrere Tage Abends wird dann meistens gemeinsam in die WGL einzuziehen. Dazu kann man sich gekocht und gegessen und danach etwas unentweder vorher anmelden oder auch sponternommen. Schön ist es, wenn die Teilnehtan einchecken . Tagesgäste sind ebenfalls mer abends keine Termine haben und somit willkommen. Der Familienrat besteht aus viel Zeit für die Gemeinschaft bleibt. neun bis zwölf Mitarbeitenden, die diese Nach der ersten WGL waren sich alle Woche leiten. Im Forum nach dem Abendeinig, dass weitere folgen sollen. Durch das essen wird jeweils mit allen Bewohnern des intensive gemeinsame Leben entstehen tragHauses der nächste Tag geplant. Zur Ausfähige Beziehungen, man nimmt aneinander wahl stehen Ausflüge, Spielabende, HobbyAnteil und ist füreinander da. Echte Highligts gruppen, Sportangebote, Gottesdienste und im Alltag der Jugendgemeinde und das jedes vieles mehr. An jedem Tag sind Bibelteilen Jahr während insgesamt 3-4 Wochen. und ein Abendgebet im Angebot. Wir versuNatürlich sind WGLs auch in kleinerem chen das gemeinsame Leben wie in einer Rahmen und ohne Freizeitheim möglich. Großfamilie zu gestalten. Dazu gehören auch Gemeinsames Leben kann auch in privaten einkaufen, kochen, putzen und aufräumen. Wohnungen für eine Woche eine super ErfahIntensives Zusammenleben, gemeinsame rung sein. Erlebnisse und viele gute Gespräche sind für die viele Jugendliche (teilweise über 40 PerCyrill Schwarz, MOC-Jugendgemeinde in sonen) sehr attraktiv. Leonberg, ist begeistert von WGLs, weil

Gemeinsames Leben für Mitarbeitende

sie die Möglichkeit bieten, Leben und Glauben intensiv miteinander zu teilen.

Das sind fünf Tage, in denen jeder seinen normalen Alltag wie Arbeit, Schule etc. lebt

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kfm-Impulspapier zur Gemeinde von morgen

Gemeinde – nahe bei Gott und den Menschen Kirche für morgen versteht sich als Initiative zur Reform der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und damit in der Linie des reformatorischen Grudsatzes ecclesia semper reformanda : Die vorfindliche Kirche muss sich immer wieder reformieren lassen vom Evangelium her. In welche Richtung die Reformen heute in den Gemeinden gehen sollten, will dieses Impulspapier deutlich machen. Die äußere Gestalt und Struktur der Gemeinde am Ort ist hier Thema. Angesprochen werden Gottesdienst- und Gemeinde-Formen, Leitung und Beteiligung in den Gemeinden. Wie relevant sind diese Fragen? Ist nicht der Inhalt, der lebendige Kern der Gemeinde viel wichtiger? Dazu zwei Thesen vorab:

Zum besseren Verständnis des Impulspapiers

Damit es für alle kirchlich Interessierten und nicht nur für Theologen verständlich ist, haben wir bewusst auf theologische Begriffe und Begründungen weitgehend verzichtet. Übergemeindliche Einrichtungen 1. Der Inhalt ist wichtiger als die Form. kommen kaum vor, weil der Fokus auf der Im Kern geht es beim Thema GemeinOrts- und Lebensweltgemeinde liegt. Nur da, de immer um den lebendigen Christus, den wo es um Unterstützung und Ermöglichung Herrn der Gemeinde. solcher Gemeinden geht, werden gesamt Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird kirchliche Strukturen ins Spiel gebracht. der ganze Leib zusammengefügt (Epheser Zehn Themenbereiche, die uns wichtig 4,15f). sind, werden durch eine These beschrieben. Deshalb steht im Zentrum des Lebens der Unter dem Stichwort Vision wird dann ein Gemeinde und aller Veränderungsprozesse Bild skizziert, das die Umsetzung dieser nicht zuerst Aktivismus und Aktion, sondern These in einer beispielhaften Situation der die abgrundtiefe Liebe und Sehnsucht Gottes Gemeinde der Zukunft zeigt. Schließlich zu uns Menschen. Gott wünscht sich nichts runden Fragen unter der Überschrift Konsehnlicher, als dass wir auf seine Liebe antkret den Themenbereich ab. Sie sind auf die worten. Das größte Problem der Kirche ist derzeitige Ist-Situation der Gemeinde ausgenicht die äußere Form, sondern der fehlenrichtet. de Funke (Klaus Douglass). Vorrang haben deshalb immer Formen und Räume christli1) Gemeinde ist gastfreundlich und cher Spiritualität in der Gemeinde, in denen einladend. Menschen zusammenkommen um die Nähe Gottes zu suchen, um auf ihn zu hören und Gott hat Sehnsucht nach den Menschen. sich von ihm beschenken zu lassen. Davon ist die Gemeinde ergriffen. Sie bietet Lebensraum und Heimat, nicht nur einen Ver2. Formen können den Inhalt zerstören. anstaltungskalender. Ohne alles offen zu lasIn diese Richtung zielt das Jesuswort: sen ist sie offen für alle. Volkskirche kann sie Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sich erst dann nennen, wenn sich in ihr auch sonst zerreißt der Wein die Schläuche, und Fremde willkommen fühlen. Sie wirbt aktiv der Wein ist verloren und die Schläuche auch; um Distanzierte und lädt sie zum Glauben an sondern man soll neuen Wein in neue Schläu- Jesus Christus ein. che füllen (Markus 2,22). Unsere Tür ist offen, Jede äußere Form muss dem Inhalt dieunser Herz noch mehr nen. Die besten Inhalte gehen verloren, wenn nicht entsprechende äußere Formen Spruch an der Eingangstür eines Klosters ( Schläuche ) bereit stehen. Geistliche Erneuerung und zukunftsfähige Strukturen Vision: Ein neuzugezogenes Gemeindesind aufeinander bezogen und bedingen sich glied wird eingeladen, kommt zum ersten wechselseitig. Alle Strukturen und Formen Mal in den Gottesdienst oder eine Gemeindemüssen aus dem Hören auf das biblische Veranstaltung, wird persönlich wahrgenomWort erwachsen und gleichzeitig den Heraus- men, versteht die Sprache, kommt mit seiner forderungen der Zeit gewachsen sein. Sind Lebenserfahrung vor und kann Beziehungen sie nahe bei Gott und nahe bei den Menzu anderen aufbauen. schen angesiedelt, können sie dazu beitraKonkret: Wie viele Ihrer Veranstaltungen gen, dass Gott zu den Menschen kommt und sind auf Insider ausgerichtet? Wo und wie die Kirche vom Wirken des Heiligen Geistes können Neue in Ihrer Gemeinde das Geheimher Gestalt gewinnt. nis des Glaubens entdecken?


2) Gemeinde lebt gaben- und nicht aufgabenorientiert. In der Gemeinde entdecken Menschen ihre von Gott geschenkten Talente. Dort können sie ihre Gaben entfalten und zum Lob

Wo der rechtschaffene Glaube ist, da lässt der Geist dich nicht ruhen. Du delegiert so viele Bereiche an Personen oder brichst heraus, wirst ein Priester und Gremien, dass er frei ist für das Eigentliche lehrst andere Leute auch und sich um Gemeindeentwicklung kümmern kann.

Martin Luther

Gottes und zum Dienst an andern einbringen. So wird die Vielfalt des Leibes Christi erlebt und sichtbar. Vision: Es gibt in Ihrer Gemeinde ein Team, das dafür verantwortlich ist, dass jeder seine Gaben entdecken, fördern und entsprechend einsetzen kann. Konkret: Werden in Ihrer Gemeinde die Menschen den Aufgaben oder die Aufgaben den Menschen angepasst?

3) Gottesdienste: Gott in unserer Mitte feiern.

Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsre Anstrengungen Mark Twain

Konkret: Womit beschäftigt sich Ihr Kirchengemeinderat? Gibt es in Ihrer Gemeinde eine Gemeindeversammlung? Welche Ziele hat ihre Gemeinde?

5) Pfarrer/innen begleiten geistlich und beraten theologisch Die Gabenvielfalt einer Gemeinde braucht ein moderierendes, geistlich begleitendes und theologisch reflektierendes Amt. Pfarrerinnen und Pfarrer helfen in erster Linie dabei mit, dass Gemeinde als Leib Christ Wirklichkeit wird. Dafür werden sie von der Gemeinde freigestellt. Sie müssen nicht mehr für alles zuständig sein. Die Gemeinde wählt ihre Pfarrerinnen oder Pfarrer frei und direkt.

Nicht der Pfarrer hält einen Gottesdienst, sondern die Gemeinde gestaltet ihn. Viele sind daran beteiligt. Im Gottesdienst lädt Gott uns ein, fordert uns heraus, ermutigt und tröstet. Musik , Sprache, Form und Uhrzeit sind auf das Leben unterschiedlicher Menschen abgestimmt. Deshalb wird es eine Vielfalt von Gottesdienstformen geben. Die Formel der Zukunft lautet: die Vision: Liturgie, Gebete, Musik, PredigtPfarrer für die Mitarbeitenden die Teile viele Elemente eines Gottesdienstes werden von befähigten Gemeindegliedern Mitarbeitenden für die Gemeinde übernommen. Pfarrer oder Pfarrerin schult Klaus Douglass und begleitet das Team und verantwortet den Gottesdienst. Unterschiedliche Gottesdienste Vision: Pfarrer und Pfarrerin haben Zeit in der Region entstehen. für ihr Kerngeschäft: geistlich-theologische Leitung und Begleitung. Gemeinsam mit dem Stell dir vor es ist Gottesdienst und Kirchengemeinderat leiten sie die Gemeinde jeder bringt was ein und verantworten die Gemeindeentwicklung. frei nach 1. Kor. 14, 26 Sie haben Zeit für Seelsorge, unterstützen Menschen in ihrer Glaubensentwicklung, Konkret: Welche Persone(n), welcher gestalten Gottesdienste mit einem Team und Musikgeschmack und welche Sprache sind in entwickeln neue Formen. Sie sind für das, Ihrem Gottesdienst vorherrschend? was sie tun, der Gemeinde verantwortlich. Sie leiten vor allem durch das Wort und haben so viel Stimmrecht wie andere Haupt4) Der Kirchengemeinderat leitet die amtliche. Gemeinde und beteiligt sie. Konkret: Was halten Sie davon, dass Die Gemeinde wird von gewählten Mitglie- die Gemeinde ohne Vorauswahl des Oberdern geleitet. Diese werden dafür motiviert kirchenrats in Zukunft ihre Pfarrer frei und und qualifiziert und tragen zusammen mit direkt wählen kann? Pfarrer oder Pfarrerin Leitungsverantwortung. Bei regelmäßigen Gemeindeversammlungen 6) Gemeindenahe Diakonie gewinnt und Mitarbeiterkonferenzen können alle mitRaum entscheiden. Der Kirchengemeinderat ist für den Zielfindungsprozess und die GemeindeChristus macht Mut uns selbst zu vergesentwicklung verantwortlich. sen und uns von innen nach außen zu wenVision: Jede Gemeinde entwickelt ein Leit- den. Gemeinde sieht dabei nicht nur die akbild oder Leitziele. Der Kirchengemeinderat tuelle Not und Bedürftigkeit vieler Menschen


in ihrem Umfeld, sondern auch ihr brachliegendes Potenzial. Sie praktiziert gemeindenahe Diakonie und ermöglicht Integration, konkrete Hilfe, Wertschätzung und Beteiligung. Wo professionelle Hilfe notwendig ist wird sie mit der Gemeinde vernetzt.

Gebieten besteht die Herausforderung darin, diese Vielfalt in einer Gemeinde oder einem Distrikt zu ermöglichen. Auch Ortsgemeinden (Parochien) entwickeln ein spezielles Profil. Alle Gemeindeglieder wählen frei ihre Gemeinde ob Parochial- oder Lebensweltgemeinde und entscheiden damit, wohin ihre Wer bei Gott eintaucht, taucht bei den Kirchensteuer fließt. Nicht weniger,

Armen auf

Paul M. Zulehner

Vision: Die Gemeinde bietet z. B. Raum für ein Engagement aller, die aus dem normalen Arbeitsprozess ausgeschlossen sind. Sie gründet einen eigenen Sozialfond oder ermöglicht eine Vesperkirche und sie kooperiert mit diakonischen Einrichtungen vor Ort. Konkret: Welche Möglichkeiten bieten sich bei Ihnen an? Kennen Sie z. B. die Fähigkeiten der jungen Senioren und Arbeitslosen in Ihrer Gemeinde? Wo werden sie gebraucht und können sich einbringen?

Im Jahr 2030 gibt es verschiedene, in gleicher Weise legitime Gemeindeformen...Das Verhältnis von Netzwerk- und Profilgemeinden zu Ortsund Parochialgemeinden sollte dann 50 : 50 sein. Kirche der Freiheit EKD-Impulspapier 2006

sondern mehr profilierte und überschaubare Gemeinden sind notwendig um nahe bei den Menschen zu sein. Gemeindegründung in der Landeskirche wird gefördert. Auch charismatisch geprägte Gruppen haben Raum in unserer Kirche (à KfM-Impulspapier Ein Leib. Ein 7) Finanzielles Eigen-Engagement wird Geist. Ein Glaube. ). gefördert. Vision: Bestehende Gemeinden entwiDie Gemeinde der Zukunft bekommt eine ckeln Profile und Schwerpunkte und konzenZuweisung aus Kirchensteuermitteln, über trieren sich auf verschiedene Zielgruppen die sie selbst verfügen kann auch in Perso- (z. B. Familien, Singles, Migranten ähnlich nalangelegenheiten. Sie entwickelt als zweite den Studierenden-Gemeinden). Neu gegrünSäule daneben die selbstständige Beschafdete Lebenswelt-Gemeinden erreichen bisher fung von Finanzen. Die Landeskirche würdigt Distanzierte mit dem Evangelium in unterdies, indem sie jeden selbst aufgebrachten schiedlichen Gemeindeformen. Euro durch einen Euro aus KirchensteuermitKonkret: Welches Profil, welches Potenteln unterstützt (à KfM-Impulspapier Finantial, welche Hauptzielgruppe hat Ihre Gezen). meinde? Wo sind weiße Flecken in Ihrer Umgebung? In welchen Lebenswelten und Ergänzende Finanzierungssysteme Zielgruppen ist Kirche nicht oder wenig präsind zu etablieren... Die Einnahmen sent?

aus zusätzlich eingeworbenen Mitteln sollten im Jahr 2030 20% aller Mittel 9) Kirche ist gelebte und erlebte ausmachen Gemeinschaft unterschiedlich profilier Kirche der Freiheit EKD-Impulspapier 2006 ter Gemeinden

Vision: Ein Teil der Gehälter aller Hauptamtlichen (incl. Pfarrer/in) wird durch die Gemeinde selbst aufgebracht. Die Gemeinde entscheidet, welche Arbeit ehrenamtlich oder hauptamtlich gemacht wird. Sie findet aus dem Strudel der Einsparungen heraus. Ein Kreislauf der Entdeckung brachliegender Ressourcen beginnt. Konkret: Sind Sie bereit, in Ihrer Gemeinde Fördervereine zu gründen und Anstellungen zu ermöglichen, die (teilweise) durch Spenden finanziert sind und so Ihren Teil zur Lösung der Finanznöte beizutragen?

Unsere parochiale Kirchenstruktur bedarf der Ergänzung durch netzwerk-orientierte Gemeinschaftsund Gemeindeformen, die wir in kirchendistanzierte Netzwerke hineinpflanzen (in Lebensräumen wie Schulen, altersorientiert in Jugendkirchen oder in entstehende Beziehungsnetze) Michael Herbst vor der Synode der Ev. Kirche in Württemberg 2005Christus als Haupt der Ge-

meinde schafft Einheit in der Vielfalt. Kir-

8) Parochie- und Lebensweltsgemeinden chenleitung auf Bezirks- und Landesebene setzt nicht auf Hierarchie (wörtlich: heilige sind gleichberechtigt Im städtischen Bereich wird es neben den Ortsgemeinden verschiedene Lebensweltund Netzwerk-Gemeinden geben. Jugendliche finden Heimat in Jugendgemeinden (à KfMImpulspapier Jugendkirche ). In ländlichen

Herrschaft), sondern ist vor allem Vernetzungsagentur. Sie vernetzt die unterschiedlich profilierten Gemeinden und fördert die Einheit. Jede Gemeinde mit eigenem Profil sieht sich als ein Teil des Leibes Christi und weiß,


dass sie andere Gemeinden lebensnotwendig braucht. Vielfältige Frömmigkeitsstile, Glaubens- und Lebensformen werden nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung empfunden. Vision: Die Jugendgemeinde übernimmt den Einkaufsdienst für Ältere. Ältere übernehmen Babysitterdienste bei jungen Familien und sind Mentoren in Jugendgemeinden. Hauskreise sorgen für das Kirchencafé. An Festtagen werden große Vernetzungsgottesdienste in der Stadthalle gefeiert. Gemeinsame diakonische Projekte verbinden über die Generationen und Milieus hinweg ebenso wie Workcamps, Talkshows und Gemeindefeste. Gemeinden sind auf Leitungsebene vernetzt und planen miteinander, wer welche Zielgruppe anspricht im Bezirk oder in der Stadt. Sie entwickeln eine gemeinsame Reich Gottes-Vision für ihren Distrikt. Konkret: Was wissen Sie von Ihrer Nachbargemeinde? Wo können Sie etwas lassen, weil es die andere Gemeinde besser macht?

10) Gemeinde setzt Zeichen im weltweiten Horizont Gemeinde prägt als Stadt auf dem Berg ihr Umfeld auch gesellschafts-politisch. Sie setzt Zeichen des kommenden Reich Gottes kommunal vor Ort, aber auch weltweit. Sie tut dies weniger durch Appelle als durch Modelle. Sie praktiziert in aktiver Partnerschaft ein Geben und Nehmen mit Christen aus jungen Kirchen und aus dem nicht-westlichen Kulturkreis.

Die Kirche hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung... zu bezeugen, dass sie allein Eigentum Jesu Christi ist Barmer Theologische Erklärung These 3

Vision: Die Gemeinde bringt sich in die Gestaltung z. B. der Schulen am Ort mit ein und arbeitet gemeinwesenorientiert. Durch die Partnerschaft vor Ort mit Christen anderer Sprache und Nation nimmt sie Impulse lebendiger Spiritualität dankbar auf und ist im Kampf für weltweite Gerechtigkeit engagiert. Auch Gemeinden im ländlichen Raum leben intensiv Partnerschaften mit Gemeinden aus andern Kulturkreisen. Kirche gleicht sich nicht dieser Welt an in Ordnungs- Tarif- und Sozialfragen. Sie geht neue Wege in aktuellen politischen und ökologischen Herausforderungen. Durch gelungene Modelle wird sie politisch wirksam. Sie will mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung Christus und sein kommendes Reich bezeugen (Barmer Bekenntnis These 3). Konkret: Welche kommunalen Einrichtungen liegen in ihrem Gemeindebezirk und wie gestalten Sie die Beziehung zu ihnen? Welche Kontakte bestehen zu Christen anderer Sprache und Nation vor Ort und weltweit?

Und jetzt? Die Thesen und Impulse sind kein fertiges Konzept und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind keine Landkarte, aber Hinweisschilder, die in die Richtung einer zukunftsfähigen Kirche weisen. Die Thesen sollen Gespräche in den Gemeinden in Gang bringen und zu konkreten Schritten ermutigen. Alle Veränderungen dienen der Vision, in der heutigen Welt als Gemeinde Jesu Christi nahe bei den Menschen zu sein. Leitungskreis von Kirche für morgen, 4.10.2006 Martin Allmendinger, Diakon, Denkendorf. Barbara Hering, Sozialpädagogin, Herrenberg. Tabea Hieber, Diakonin, Markgröningen. Michael Josupeit, Lektor, Herrenberg. Reinhold Krebs, Landesreferent, Herrenberg. Markus Munzinger, Gemeindediakon, Dettingen/Erms. Martin Mielke, Steuerberater, Balingen. Jens Plinke, Pfarrer für Hauskreisarbeit, Gomaringen. Martin Schmid, Gemeindediakon, Reutlingen. Gisela Schneider, Dipl. Ing., Leonberg. Angela Schwarz, Jugendreferentin, Weissach. Friedemann Stöffler. Studiendirektor, Tübingen. Stefan Taut, Pfarrer, Reichenbach. Unterstützt von: Karl-Martin Beck, Prokurist, Gomaringen. Günter Belz, Rehabilitationstechniker Markgröningen. Matthias Böhler, Orgelbauer, z. Zt. Ruda, Schweden. Athina Christmann, ebayPowerseller, Altenriet. Els Dieterich, Pfarrerin, Haigerloch. Manfred Geywitz, Unternehmer, Illingen. Adelheid Graf, Familienfrau, Bietigheim-Bissingen. Pina Gräber-Haag, Sozialarbeiterin und Familienfrau, Heilbronn. Manfred Graf, Diplom-Ingenieur, Bietigheim-Bissingen. Gesine Gruhler, Theologin, Walddorfhäslach. Markus Haag, Vikar, Heilbronn. Brigitte Häcker, Familienfrau, Öhringen. Siegfried Häußler, Pfarrer, Hohengehren. Torsten Hebel, Bundesreferent für Jugend, Berlin. Christian Hermann, Krankenpfleger, Rutesheim. Ralph Hermann, Gemeindepfarrer, Abstatt. Wolfgang Herre, Informatiker, Bönnigheim. Annette Herrmann, Vermessungsingenieurin, Pfullingen. Sabine Hettinger, Fortbildungsreferentin, Tübingen. Andreas Hiller, Pfarrer, Lichtenwald. Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich, Haigerloch. Heinrich Hoh, Wirtschaftsingenieur, Ammerbuch. Dr. Frauke Junghans, SMD-Reisesekretärin, Ammerbuch. Kurt Käser, Lehrer, Reutlingen. Andreas Kammer, Dozent, z. Z. Lubango, Angola. Miriam Kerschbaum, Studentin, Kirchheim/Teck. Prof. Dr. Jörg Knoblauch, Unternehmer, Giengen. Silke Linckh Sonderschullehrerin, Gaildorf. Werner Lindner, Industriekaufmann, Winnenden. Matthias Lübke, Berechnugsingenieur, Leonberg. Kathrin Messner, Repetentin Ev. Stift, Tübingen. Katrin Müller, Sozialdiakonin, Stuttgart. Heike Rabens, Lehrerin, Gestaltpädagogin, Tübingen. Volker Rabens, Dozent, Theologe, Tübingen. Guntram Rixecker, Jugendreferent, Waiblingen. Karlfriedrich Schaller, Pfarrer, Tübingen. Jens Schnabel, Pfarrer, Kusterdingen-Mähringen. Christoph Schneider, Student, Mannheim. Cyrill Schwarz, Jugendreferent, Weissach. Johannes Stahl, Pfarrer, Eschenbach. Marc Stippich, Pfarrer, Grunbach. Andreas Taut, Pfarrer, Holzmaden. Andreas Weiss, Diplomjurist, Tübingen. Dr. Axel Wiemer, Dozent, Pfarrer, Schwäbisch Gmünd. Prof. DDr. Paul M. Zulehner, Wien.

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Gemeindeportrait Jakobus

Jakobusgemeinde Tübingen – wachsend und missionarisch Die Jakobusgemeinde ist in Württemberg eine der Gemeinden, die ihr Profil als wachsend und missionarisch beschreibt. Wie kommt eine normale württembergische Parochiegemeinde dazu? Das beschreibt Friedemann Stöffler, Studiendirektor i. K., Mitglied der Jakobusgemeinde und 2. Vorsitzender von Kirche für morgen.

... auf dem Papier die absolut kleinste Gemeinde in Tübingen

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Eine Frau mittleren Alters sprach uns am Samstag vor dem Erntedankfest 2006 in der Kirche an, dass sie jetzt neu hier im Gemeindebezirk wohne und zu unserer Gemeinde gehöre. Wir luden sie herzlich zum Gottesdienst am Erntedankfest ein, sagten ihr aber, sie möge zeitig da sein, um auch noch einen Sitzplatz zu bekommen. Sie lachte nur, weil sie dies für einen Witz hielt. Tatsächlich aber waren am Sonntag alle Plätze besetzt. Bierbänke wurden aufgestellt und selbst dann mussten Leute noch stehen. 400 bis 450 Leute feierten miteinander Gottesdienst. Am Ende des Gottesdienstes hatte diese Frau Tränen der Rührung in ihren Augen. Was ist das Besondere dieser Gemeinde in der Tübinger Unterstadt? Zum Gemeindebezirk zur Parochie gehören nur ca. 1300 Gemeindeglieder auf dem Papier die absolut kleinste Gemeinde in Tübingen. Ca. 20 Hauskreise und mehr als

200 Mitarbeiter gehören zu dieser Gemeinde. Ungefähr 300 Leute haben sich zur Jakobusgemeinde umgemeinden lassen. Mehrere Bands und Musikgruppen gestalten den Gottesdienst in der seit 14 Jahren vollbesetzte Kirche am Sonntagmorgen mit.

Der Gottesdienst und Pfarrer Schaller Will man das Phänomen der Jakobusgemeinde in Tübingen beschreiben, kommt man wie in vielen Gemeinden nicht daran vorbei, zuerst einmal den Pfarrer genauer anzuschauen. Ohne ihn wäre das, was in der Jakobusgemeinde gewachsen ist, nicht möglich gewesen: Karlfriedrich Schaller, äußerlich klein und unscheinbar, die Biographie alles andere als normal: vom Berufssoldaten über den buddhistischen Mönch zum Pfarrer. Als er vor über 15 Jahren zum Pfarrer der Jakobusgemeinde wurde, war der Gottesdienstbesuch so gering, dass man sich fragte, ob es sich lohnt, neben der großen Stiftskirche hier eine eigene Gemeinde zu erhalten. Er hat aber rasch gezeigt, dass er ein Meister im Gestalten von Gottesdiensten ist. Montags ist er mit der Predigt fertig spätestens ab Mittwoch vor dem Gottesdiensttermin kann man sie im Internet lesen. Dann beginnt er mit der Vorbereitung des Gottesdienstes. Und hier ist er ein Perfektionist. Jede Überleitung ist genau geplant, jeder Liedvers ganz bewusst gewählt. Meist greift er in den moderierenden Teilen immer wieder den Faden auf. Vom ersten Satz bei der Begrüßung bis zu den letzten Worten bei der Verabschiedung zieht sich ein roter Faden durch den ganzen Gottesdienst. Wortspiele, humorvolle Bemerkungen, pointierte Fragen und Impulse, provozierende Gedanken lassen einen den Gottesdienst nie


langweilig werden, obwohl er meist deutlich über eine Stunde geht. Die Predigt selbst ist viel kürzer als in anderen Gemeinden und dauert höchstens 15 Minuten. Es wird viel und abwechslungsreich gesungen: unter der Begleitung der Lobpreisbands wie Wörship oder Dyna-

Ein Ziel und vier Regeln für die Jakobusgemeinde Tübingen Das Ziel aller Bemühungen soll sein, dass möglichst viele Menschen durch eine einladende Gemeinde zu einem persönlichen Verhältnis zu Jesus als dem Christus gelangen. Und das sind die Regeln: 1. Allgemeines Expertentum aller Glaubenden (Allgemeines Laientum aller Priester) 2. Was nicht einfach geht, geht einfach nicht 3. Was nicht regelmäßig geschieht, wird in der Regel mäßig 4. Wer zum ersten Schritt einlädt, der muss auch den zweiten gehen Näheres zu Ziel und Regeln: www.jakobusgemeinde.de/ dassindwir/docu/gemeinde_docu_ ar3.pdf

Welcome-Team begrüßt, Schriftlesung und Gebete werden von Leuten aus einem der Hauskreise gesprochen, die nach dem Gottesdienst den Kirchencafe anbieten und das Besondere der Abkündigungen ist: Jede/r kann seine Veranstaltung abkündigen. und das ist meist (siehe Talenteaktion) eine ganze Menge: Da wird eingeladen zum Heldentreff (der Abend nur für Männer), zu einem Kurs für Lesungen im Gottesdienst oder zum Liturgieseminar um später als Laie und Liturg durch den Gottesdienst zu führen. Und natürlich bietet das Welcome-Team all denen, die das erste Mal im Gottesdienst sind an, ihre Fragen zu beantworten oder mit ihnen zu beten. In Jakobus sind die Gottesdienste das Zentrum der Gemeinde. Er ist der Kristallisationspunkt für alles weitere. Wer zu Jakobus kommt, kommt oft über die besonders heitere und befreiende Atmosphäre im Gottesdienst zu dieser Gemeinde. Und was auffällt: Hier ist eine Zielgruppe vertreten, die sonst im Gottesdienst fehlt: Singles zwischen 30 und 45 und zunehmend auch junge Familien.

Die Hauskreise und ihre Einbindung in die Gemeinde

In Jakobus wird nicht eine Predigt gehalten, sondern ein Gottesdienst gefeiert

Wie kommt es, dass es hier ca. mis , Taize-Gesänge während des zwanzig Hauskreise gibt? Dazu trägt Abendmahls, sowie Psalmen, mehrganz einfach bei, dass die Hauskreistimmig nach einer orthodoxen Mese bewusst als wichtige Kleingruppen lodie. Manchmal kommt die Predigt einem zu kurz vor. Vieles ist angerissen. Impulse werden gesetzt. Es ist gerade das Ziel von Pfarrer Schaller die Gottesdienstteilnehmer zum selbstständigen Denken anzuregen und nicht auf alle Fragen Antworten zu geben. Vielleicht gibt es gerade deshalb in dieser Gemeinde eine erstaunliche Vielfalt von Frömmigkeitsstilen. Der Gottesdienst hat immer ein Ziel: den Teilnehmern etwas für die Woche mit zu geben, damit der Glaube alltagsrelevant wird. Die Stärke der Worte: Sie klingen manchmal fast im Plauderton immer ganz natürlich selten ein erhobener Zeigefinger nie eine frömmelnde, hochtheologische oder klerikale, aber immer eine geistreiche Sprache. Und eines spürt man: In Jakobus wird nicht eine Predigt gehalten sondern ein Gottesdienst gefeiert. Dieser ist keine Ein-Mann-Veranstaltung : Beim Hereinkommen wird man vom

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... du bist mit deinen Talenten bei uns gefragt

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in die Gemeinde integriert sind. Vier Aspekte sind dabei wichtig: 1. Es gibt vom Kirchengemeinderat beauftragte Hauskreisverantwortliche. 2. Jede/r Hauskreis hat einen Namen und die Aufgabe regelmäßig bei der Gottesdienstgestaltung und beim Kirchcafe mit zu arbeiten. 3. Alle Hauskreisverantwortliche treffen sich regelmäßig. 4. Es gibt regelmäßig offene Hauskreisabende für alle, die einen Hauskreis suchen oder neu mit einem Hauskreis beginnen wollen.

Zukunftsforum: Treff für alle, die sich verantwortlich einsetzen In Jakobus gab es das soll nicht verschwiegen werden in den letzten Jahren auch ganz massive Konflikte, Streit und wechselseitige Verletzungen, die fast zum Zerbruch geführt hätten. Bis jetzt sind noch nicht alle Wunden geheilt. Ein neuer Geist der Einigkeit ist gewachsen, weil vielen bewusst wurde, dass es ein wichtiges Ziel ist, an dieser Gemeinde weiter zu bauen. Zwar sind zur Zeit die Fusionspläne vom Tisch, die diese Gemeinde ( als auf dem Papier Kleinste!) bedrohen, aber uns allen war klar: Diese Gemeinde muss so stark werden, dass das, was diese Gemeinde ausmacht, auch in der Nach-Schaller-Ära erhalten wird. Und so ist ein Zukunftsforum entstanden. Ein Forum, bei dem sich ca. 30 Personen verpflichtet haben, in neuen Gruppen Säulen wachsen

zu lassen, die für unsere Gemeinde wichtig sind. Da gibt es ein Team für die Öffentlichkeitsarbeit, eines für Fundraising. Da gibt es die Scouts, die schauen wollen, wie machen es eigentlich andere Gemeinden, da gibt es ein Team , das sich um die Bewohner der Parochie und den Kontakt zu den Nachbargemeinden bemühen will. So ist eine ganz neue Vernetzung und Zukunftsorientierung entstanden. Die Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Sabine Hettinger formulierte es deutlich: Aus dem Starren auf die Bedrohung ist ein Besinnen und Ausbauen unserer Stärken entstanden das hat uns allen Mut, Kraft, Hoffnung und Einigkeit gegeben! Jede/r, der verbindlich dabei ist, darf im Zukunftsforum mit arbeiten. Einmal im Monat trifft man sich. Dort wird informiert, ausgetauscht, Ideen werden vorgestellt und reflektiert, und jede/r arbeitet an einer Stelle ganz konkret mit. So ist auch in der Fundraisinggruppe die Idee einer Talenteaktion aber auch Mein Herz schlägt für Jakobus (Eine Blutspendeaktion zugunsten der Jakobusgemeinde) entstanden.

Die Talente-Aktion Eine ganz besondere Aktion lief seit etwa einem halben Jahr und wurde am 1. Oktober beendet: Die Talente-Aktion nicht selbst erfunden, sondern von anderen Gemeinden und natürlich von der Bibel


abgeschaut (Gleichnis von den Talenten). Da gab es einen Spender, der jedem und jeder einen 10 Euro-Schein als Talent in die Hand gedrückt hat, und alle wurden eingeladen, ihr Talent zum Wohle der Gemeinde einzubringen, um diese 10 Euro zu vermehren. Faszinierend auf welche Ideen die Leute gekommen sind! Kinder kaufen Süßigkeiten, verpacken sie anders und bieten sie nach der Kirche zum Verkauf an. Fußreflexzonenmassage, Nordic Walking- und Internet Einführungskurse, Lyrik-Seminar, der Verkauf von Marmelade, Jakobusgeist und Postkarten von Jakobus. Zaubern und Kirchenkabarett- um nur ein paar ganz wenige der Aktionen zu nennen, die im letzten halben Jahr stattgefunden haben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Aus den ausgegebenen 2.000.- Euro sind ca. 14.000.- Euro geworden. Und was letztlich viel wichtiger ist: Es gab zwei Nebeneffekte. Einer hat mir gesagt: Bis jetzt habe ich nirgendwo gesehen, wo ich mich hätte einbringen können. Durch die Talenteaktion wurde mir signalisiert: Wir brauchen dich, du bist mit deinen Talenten bei uns gefragt. Und der zweite Nebeneffekt: Die ursprünglichen Cliquen wurden aufgesprengt, ganz neue Beziehungen konnten über diese Angebote entstehen. Was bleibt nach Abschluss dieser Aktion? Für uns ist wichtig, dass neben dem finanziellen Erfolg die Talente nicht wieder vergraben, son-

dern weiter zur Entfaltung kommen können.

Was wird aus dieser Gemeinde? Die Frage und Herausforderung bleibt: Was wird aus dieser besonderen Gemeinde, wenn Pfarrer Schaller in ca. 2 Jahren seinen Dienst beendet? Diese Frage gilt natürlich auch in jeder anderen Gemeinde: Hängt alles von einer Person ab, oder sind es die Menschen, die eine solche Gemeinde zu etwas Besonderem machen die vielen Ideen und Talente, die in dieser Gemeinde zusammentreffen? Schlummern sie auch in den Menschen anderer Gemeinden? Ist die jetzt zu spürende Leidenschaft und die Bereitschaft zur Verantwortung für diese Gemeinde dauerhaft? Ist sie von einer Person abhängig? Pointiert formuliert: Ist der Jakobusgeist Schallergeist oder Heiliger Geist? Von der Beantwortung dieser Frage wird es abhängen, dass diese Gemeinde Zukunft hat wir wollen dabei ganz auf den Heiligen Geist setzen!

Ist der Jakobus-Geist SchallerGeist oder Heiliger Geist?

Friedemann Stöffler lebt in Tübingen und ist Jakobus-Gemeindeglied. Mehr Infos über Gemeinde und Gottesdienste gibt es unter www.jakobusgemeinde.de. Am 1. Sonntag im Monat wird Abendmahl gefeiert; am 3. Sonntag begleitet eine Lobpreisband (Beginn immer 10 Uhr).

Ein Pfarrer, der sich auch zurücklehnen kann (Bild links) und ein gefüllte Kirche.

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kfm intern

Warum ich bei „Kirche für morgen“ bin Katrin Müller, Diakonin und Sozialarbeiterin, findet es klasse, dass sich in unserer Kirche für junge Menschen etwas tut. Zwei Jahre habe ich mitgebaut an einer Kirche für Morgen , genauer gesagt an der Jugendkirche Stuttgart. Der Kirchenraum immer im Mittelpunkt: eine freie Fläche ohne unbequeme Bänke. Dazu eine Licht- und Soundanlage (Jugend)Kultur trifft auf Kirche. Raum für unterschiedlichste junge und jung gebliebene Menschen unter einem Dach. Vieles haben wir ausprobiert: kreative Gottesdienste mit Spiel, Sport oder Kino, Glaubenskurs, offenes Internetcafé, Konzerte auch mit ungewöhnlicher Musik und unzählige Gespräche unter m Kreuz. Und doch ist das noch lange nicht genug.

Raum für die nächste Generation Junge (und alle anderen) Menschen sind in unserer unübersichtlichen Gesellschaft auf der Suche nach Orientierung und Verbindlichkeit, nach HEIMAT. Sie sollen in unserer Landeskirche finden können, was sie suchen. In einer Kirche, die beweglich ist, aber auch verbindlich und nahe bei den Menschen. In einer Kirche, in der sich jeder mit seinen Gaben einbringen kann, verbunden untereinander durch das Gebet. Sie muss nicht mehr Kirche für alle sein. In der Jugendkirche habe ich die Spezialisierung positiv erlebt, denn gerade sie macht andere neugierig (eindrücklich die Aussage eines fast 90jährigen Herrn: Hier sehe ich, dass meine Kirche weitergeht und nicht mit uns Alten stirbt! ). Ich wünsche mir eine Kirche, die neue, auch unbequeme Wege geht und die dabei den Wesentlichen nicht aus dem Blick verliert: JESUS CHRISTUS. Kirche für morgen steht für Aufbruch nach vorn. Deswegen bin ich dabei!

Interview mit Tabea Hieber Tabea Hieber ist zweite Vorsitzende von Kirche für morgen. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Markgröningen und arbeitet als Religionslehrerin. Tabea, wann steigen in dir Frühlingsgefühle auf? Wenn ich meinem Mann tief in die Augen schaue und dankbar bin über das Vierteljahrhundert geschenkter Freundschaft und Beziehung Bei engagierten Diskussionen mit meinen Schülerinnen und Schülern Beim Feiern eines fröhlichen Gottesdienstes mit einer tiefgehenden Predigt Wie gestaltet sich dein Leben zwischen Familie, Beruf und Ehrenamt? Wichtig und hilfreich ist es für mich, bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, was ich tue und lasse. Dabei möchte ich immer einen Platz in meinem Terminkalender und Herzen für die Überraschungen des Alltags frei halten.

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Was für ein Thema hat dich in letzter Zeit beschäftigt? Die Frage, wie ich in meinem Glauben und in meiner Persönlichkeit wachsen kann, hat dazu geführt, dass ich für mich mein Jahresthema wähle. Dieses Jahr begleitet mich das Thema Achtsamkeit aufmerksam leben Ich bin gerade dabei, Impulse aus dem Buch Gebet der liebenden Aufmerksamkeit von Willi Lampert einzuüben. Was wünscht du dir von der zukünftigen Kirche? Ich wünsche mir den Mut, die gesellschaftliche Realitäten wahrzunehmen und dann die Freiheit, notwendige, auch strukturelle Veränderungen anzugehen. Dabei ist es mir wichtig, dass wir ökumenische Weite und die Wertschätzung unterschiedlicher Frömmigkeitsstile leben und praktizieren. Die Fragen stellte Marc Stippich, Pfarrer in Grunbach in Remstal und verantwortlicher Redakteur des Zitronenfalters.


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Zu guter Letzt

Kirche für morgen-Forum Kirche im Umbruch den Wandel gestalten und nicht nur erleiden Nicht nur über leere Kassen, sondern über leere Herzen und leere Kirchen besorgt sein. Eine Kirche gestalten, die nahe bei Gott und den Menschen ist. Geistliche Profilierung statt undeutlicher Aktivität. Eine Kultur der Befähigung und Beteiligung aufbauen. Das Programm: Musik, Gespräch, Impulsreferat von Prof. Paul M. Zulehner Seminare und Praxisprojekte Große Pause mit Kaffee, Büchertisch und Infos Sendungs-Gottesdienst. Das Forum verbindet Begegnung und Nachdenken, neue Impulse und gemeinsames Feiern zu einer inspirierenden Erfahrung. Unser Hauptreferent Prof. D. Dr. Paul Zulehner ist seit 1984 katholischer Professor für Pastoraltheologie in Wien, analysiert Entwicklungen unserer Gesellschaft und plädiert für eine Kirche, die ihre Botschaft selbstbewusst in die moderne Gesellschaft hineinträgt. Zitat: Finanzielle Sanierung schafft allein keinen Aufbruch in die Zukunft, schon gar nicht dann, wenn der Kirchenbetrieb in einer Gestalt saniert wird, die in früheren Zeit erfolgreich war und dabei ist zu vergehen. Sonntag, 25. Februar 2007 14.00-19.15 Uhr im Bernhäuser Forst, Stetten/Filder

Liederbuch und CD Mitten im Dunkel Eine gute Geschenkidee für die Advents- und Weihnachtszeit: Das Weihnachtsliederbuch Mitten im Dunkel (80 neue und alte Weihnachtslieder, Staffelpreis ab 4,80 ) und die dazugehörige CD (zehn Weihnachtslieder mit Bandbegleitung, Staffelpreis ab 7,00 ). Liederbuch und CD unterstützen gemeinnützige Zwecke. Hörproben, weitere Infos und Bestellung unter www.mitten-im-dunkel.de

Ausstellung zur Kampagne ChurchNight Vom 28. 30.11. ist im Foyer des Stuttgarter Hospitalhofs eine Ausstellung zur diesjährigen ChurchNight zu sehen. An 200 Orten wurde der Reformationstag neu gefeiert - mit Jugendgottesdienst oder Lutherfilm, mit dem Kanzelrecht für Jugendliche in Hemmingen, der Reformationswerkstatt in Calw, dem Thesenanschlag in Fellbach und dem Multimedia-Projekt in Öschelbronn. Eine Fülle spannender Veranstaltungen rund um die evangelischen Alleinstellungsmerkmale wird mit Zeitungsausschnitten und Video dokumentiert.

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Impressum Der Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e. V. Erscheinungsweise: 3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Der Zitronenfalter wird kostenlos zugesandt. Geschäftsstelle: Kirche für morgen e. V. Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 info@kirchefuermorgen.de www.kirchefuermorgen.de Vorstand: Reinhold Krebs, Herrenberg Tabea Hieber, Markgröningen Friedemann Stöffler, Tübingen Martin Mielke, Balingen Mitglieder des Leitungskreises: Martin Allmendinger, Denkendorf Michael Josupeit, Herrenberg Jens Plinke, Gomaringen Gisela Schneider, Leonberg Martin Schmid, Reutlingen Angela Schwarz, Weissach Stefan Taut, Reichenbach Synodale: Barbara Hering, Herrenberg Markus Munzinger, Dettingen Bankverbindung EKK Stuttgart, BLZ 600 606 06, Konto 419 435 Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen. Redaktionsteam: Marc Stippich, Grunbach (ms) (ViSdP) Martin Allmendinger, Denkendorf (ma) Markus Haag, Heilbronn (mh) Tabea Hieber, Markgröningen (th) Reinhold Krebs, Herrenberg (rk) Werner Lindner, Winnenden (wl) Layout: Lutz Eisele, Markgröningen Grundentwurf: Ruth Alber Druck Druck + Medien Zipperlen GmbH Versand Tobias Zipperlen, Weissach Redaktionsadresse redaktion@kirchefuermorgen.de und über die Geschäftsstelle Anzeigenpreisliste lindner-service@gmx.de FAX: 07195-979759

Fotonachweise: S. 3-6, 8: www.photocase.de S. 14-17: Ralf Behling, Tübingen S. 18: Jürgen Stütz S. 20: eyelustrate / M. Weinbrenner


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