Zitronenfalter 3.2008

Page 1

3.2008

Was Kirche für morgen heute bewegt

Zitronenfalter Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Kirche und Postmoderne Missionarische Herausforderungen der Gegenwart

Ernüchterung bei Willow? Reveal-Studie zeigt Defizite auf

„Come together!“ Zweitgottesdienst im Doppelpack


Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Editorial und Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser, Probier’s mal mit der Wirklichkeit! … ganz schön provozierend – wie von Kirche für morgen nicht anders zu erwarten – kommt einem der Zitronenfalter-Titel ins Haus geflattert. Als wenn wir nicht selbstverständlich in der Wirklichkeit zuhause wären! Wem kommt dabei nicht zunächst der schöne Boogie von Balu, dem Bären aus dem Dschungelbuch, in den Sinn: „Probier’s mal mit Gemütlichkeit”. Gemütlichkeit statt Wirklichkeit? Aber der Maulwurf der Titelseite steht nicht für Gemütlichkeit, sondern für das mutige Auftauchen aus kirchlichen Katakomben, für das Wahrnehmen einer Wirklichkeit jenseits der vertrauten unterirdischen Gänge. Indirekt stellt der Titel uns folgende Frage: Hat unsere Kirche sich nicht allzu sehr in einer bestimmten Nische gemütlich eingerichtet und verliert dadurch zunehmend Bedeutung für heutige nichtkirchliche Menschen und ihre Lebenswirklichkeit in der Postmoderne (siehe Artikel S. 3ff )? Nichts gegen Gemütlichkeit – gerade auch in der Kirche. Aber wenn die Gemütlichkeit uns daran hindert, für die heutige Welt von Bedeutung zu sein, dann wird sie zum Frömmigkeitsmief oder Kirchenmief, in dem man sich nur noch selber wohlfühlen kann, weil der frische Wind von draußen ausgesperrt wird. Mir fallen dabei zwei Spielarten dieses Miefs auf: Erstens die kirchliche Variante, die sich mit der Kultur des Sonntagmorgengottesdienstes, ihrer Musik und ihrer klerikalen Sprache so wohl fühlt, dass man gar meint, das wäre das einzige, was theologisch zu verantworten wäre und zweitens die pietistisch-charismatische Variante: Dort hat man sich zuweilen in einer bestimmten Frömmigkeitsnische so eingerichtet, dass man den eigenen Glaubensstil gar zum Glaubenskriterium erhebt. Beide verlieren dabei die Möglichkeit, dem heutigen Volk auf’s Maul zu schauen und so erst ihre Wirklichkeit in den Blick zu bekommen. Jede(r) von uns – auch wir von Kirche für morgen – haben solche Selbst-Immunisierungs-Tendenzen gegen die „raue” Wirklichkeit – und die gilt es immer wieder aufzubrechen, gerade auch in unseren Kirchengemeinden, in Hauskreisen und anderen Gruppen. Uns allen wünsche ich ganz neu zu „Hinguckern” zu werden – wie es Axel Wiemer fordert (S. 8f ) – um der Lebenswirklichkeit so ins Auge zu sehen, dass wir als Kirche in sie hinein das heilsame Wort, das „euangelion” zu sagen wissen und die heilsame Tat zu leben wagen. Dann hätte Kirche sogar die Kraft, nicht nur die Wirklichkeit wahrzunehmen sondern zu verändern. Friedemann Stöffler

Kann Kirche postmodern werden?

Heftthema: Probier’s mal mit der Wirklichkeit

Der christliche Grundwasserspiegel unserer Gesellschaft sinkt beständig. Dieser

Editorial

Seite 2

Tatsache ins Auge zu sehen ist nicht leicht. Marc Stippich geht der Frage nach, ob sich auch in postmodernen Strömungen Spuren der Gnade Gottes finden lassen.

Kann Kirche postmodern werden?

Seite 3

Gottesdienste im Vergleichstest?

Seite 6

Ein echter Hingucker – Jesus sieht uns an

Seite 8

Wie andere uns sehen …

Seite 10

mission audit – hinsehen, hinhören, fragen

Seite 11

Bausteine Zeichen setzen!

Seite 13

Ernüchterung bei Willow Creek?

Seite 14

Kommunikation als „Beziehungs-Schwarzbrot“

Seite 15

Gemeindeporträt Miedelsbach „Come together!“ Zweitgottesdienst im Doppelpack

Seite 16

Kfm intern Sieben Zitronen in Aktion: Sommersynode 08

Seite 18

Impressum

Seite 19

Zu guter Letzt

Seite 20

Layouter/in für Zitronenfalter gesucht Wir suchen eine Person, die sich mit den Inhalten von Kirche für morgen identifiziert und sich vorstellen kann, künftig das Layout der Zeitschrift „Zitronenfalter“ zu gestalten. Ein Grundlayout ist vorhanden. Die durchschnittliche Arbeitszeit nach einer Einarbeitungsphase beträgt ca. 20 Stunden pro Ausgabe (drei Ausgaben im Jahr). Bisher haben wir mit dem Programm InDesign 2.0 gearbeitet. InDesign, Quark Express oder das Freeware-Programm Scribus wären für das Layout möglich, evtl. auch weitere. Microsoft Publisher genügt den Anforderungen nicht. Unser bisheriger Layouter Lutz Eisele ist gerne bereit, eine/n Nachfolger/in einzuarbeiten.

Ende der 90er brachen wir mit jungen Erwachsenen aus der Gemeindejugendarbeit zu einer Freizeit nach Mittelschweden auf. Mit dabei war Florian1, der einfach mit einer Gruppe Urlaub machen wollte, mit Religion und Kirche aber absolut nichts anzufangen wusste. Er passte mit seiner Art eigentlich gar nicht in unsere Gruppe hinein, war aber bei den Bibelgesprächen immer dabei. Und zu unserer Verwunderung stellte er hartnäckige, ehrliche Fragen. Am meisten beeindruckte ihn, als wir mit ihm beteten und ihn segneten. Er fing irgendwie Feuer und blieb dabei. Durch Höhen und Tiefen – und von letzteren gab es viele – hielt er den Kontakt zu uns. Die Jugendgottesdienste, zu denen er kam, waren für ihn fremd. Aber er kam immer wieder. Er fragte nach, erzählte von seinen Problemen und wir beteten miteinander. Heute, zehn Jahre später, staune ich: Florian hat seinen Weg mit Gott gefunden, trotz der Distanz der christlichen Kultur zu seiner Lebenswelt. Nach wie vor, wenn wir zusammenkommen, möchte er, dass wir gemeinsam beten und ich ihm die Hände auflege.

jüngere Generation über Religion und Glaube weiß, speist sich am ehesten aus den Medien – Zeitschriftenartikel, Filme, Comics, Blogs, Bücher. Viel gelesen wird Richard Dawkins’ „Gotteswahn“ und Dan Browns „Sakrileg“. Wenn einmal positiv über Religion gesprochen wird, dann nur unter der Annahme, dass die verschiedensten – sprich alle Wege – irgendwie zu Gott führen.

Abschied von der Moderne Dan Kimball hat in seinem Buch „Emerging Church“ viel Bedenkenswertes zur gegenwärtigen Situation niedergeschrieben. Auch dazu, wie heute Kirche ganz neu entstehen könnte.2 Er meint, dass mit der kürzlich erwachsen gewordenen Generation die so genannte Postmoderne im Mittel-

Subjektive Lebensentwürfe statt objektiver Wahrheiten

Religiöser Pluralismus Es gibt heute viele wie Florian, deren Lebenshorizont mit dem spezifisch christlichen Weltbild kaum Berührungspunkte hat. Menschen, die keinen Glauben haben. Menschen, die nur wissen, dass es eben viele Religionen gibt – Muslime und Buddhisten leben heute ja mitten unter uns. Welchen Glauben man wählt, so das Credo der meisten, sollte man den Leuten gefälligst selbst überlassen. In den letzten Jahren nimmt das gesellschaftliche Interesse an Religion deutlich wieder zu. Es nimmt aber andere Formen an als früher, ist unübersichtlicher. Und spirituelle Neigungen sind heute oft weit entfernt vom christlichen Gedankengut. Die große Anzahl derer, die von den 68ern geprägt sind, haben meist mit der christlichen Tradition ihre handfesten Probleme. Ihren inzwischen groß gewordenen Kindern ist das Christliche nicht selten völlig fremd geblieben. Was die

punkt unserer westlichen Gesellschaften angekommen ist und die Moderne abgelöst hat. Die Moderne ist von Technik und Aufklärung geprägt und hat seit dem 16. Jahrhundert mehr und mehr das traditionelle christlichreligiöse Weltbild abgelöst. In der Moderne schuf man ein mythenfreies Weltbild aus Vernunft und Logik, das die Welt objektiv erklären sollte. Postmodern betrachtet jedoch gibt es keine objektive Wahrheit mehr, nur unzählige subjektive Lebensentwürfe. Die Unübersichtlichkeit der Le-


Kaum ein Jugendlicher ist heute noch kirchlich geprägt

benswelten, Kulturen und Weltbilder landet über Fernsehen und Internet heute direkt in unseren Wohnzimmern. So lernt, wer erwachsen wird, eine pluralistische Welt kennen. Und es ist ihm selbst überlassen, sich sein Welt- und Gottesbild zusammenzustellen. Viele junge Leute bestehen sogar darauf, dass ihnen da niemand reinzureden hat. In den Gesprächen mit meinen Konfirmandengruppen taucht Widerstand immer verstärkt dort auf, wo es um die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens geht. Dass Gott uns nur einen Weg zu sich anbietet, über Jesus, das widerspricht allem, was sie in ihrem bisherigen Leben –unbewusst – verinnerlicht haben. Das postmoderne Denken prägt sie hintergründig und nachhaltig.

Erosion des Christlichen Aber war das nicht schon immer so, dass die Jungen anders denken als die Älteren? Ist das nicht der übliche Generationenkonflikt? Werden diese Jugendlichen nicht auch später irgendwann schon wieder in die Kirchen zurückkehren? Solches Denken relativiert die Herausforderung, vor der wir stehen. Es greift entschieden zu kurz.

sind, sind andere noch im alten Weltbild verwurzelt. Trotzdem muss man heute davon ausgehen, dass auch die nicht mehr ganz Jungen (die 3550jährigen) bereits zu einem Drittel postmodern geprägt sind. Wir werden auch sie mit der üblichen rationalen Art von Glaubensvermittlung nicht mehr ansprechen können.

Der unbekannte liebe Gott Wie können wir Menschen für den Glauben gewinnen, deren Denken und Erleben ganz anders gestrickt ist als das unsere? Dan Kimball hat in der Jugendgemeinde, die er mit anderen gegründet hat, in einem Prozess des Suchens, Fragens und Betens vieles ausprobiert. Er ist überzeugt, dass wir Altbewährtes in Frage stellen, neu das Gespräch mit den Menschen suchen und dabei genau hinhören müssen. Schnelle Lösungen finden sich da nicht. Aber Spuren kristallisieren sich heraus: Viele Christen wollen, wenn sie Nichtchristen ansprechen, zunächst einmal Vorurteile abbauen. So versuchen sie z. B., das Bild vom strafenden Gott durch das vom gnädigen zu ersetzen. Nur: Einen strafenden Gott hat die jüngere Generation gar nicht mehr vermittelt bekommen – sie hat schon immer bloß vom lieben Gott gehört. Für einen lieben Gott jedoch, der ihnen unbekannt ist, interessieren sich die Menschen nicht. Wir können Interesse bei ihnen nur wecken, wenn wir ihre eigenen Lebensthemen treffen.

Wonach viele ernsthaft suchen

In die letzte EKD-Mitgliederstudie „Kirche in der Vielfalt der Lebensbezüge“ ist eine Sozialstudie integriert. Dort wird die deutsche Gesellschaft idealtypisch in sechs Milieus aufgeteilt mit unterschiedlichen Denk- und Lebensmustern. Die Studie zeigt klar auf, dass in der Gruppe mit dem niedrigsten Altersdurchschnitt der größte Anteil an Kirchenfernen zu finden ist. Ein Großteil der jungen Leute ist faktisch nicht mehr kirchlich geprägt! Die innerfamiliäre christliche Erziehung hat rapide abgenommen und die Unkirchlichkeit potenziert sich in die nächste Generation hinein. Wie sollen die christlich erziehen, die das selbst kaum mehr genossen haben? Generell kommen solche neuen kulturellen Epochen nicht über Nacht. Während die einen schon erfasst

Mir kommen dazu drei Stichworte in den Sinn: Freundschaft, Lebenshilfe, Orientierung. Lebenshilfe brauchen Menschen immer wieder, und darin sind wir als Kirche eigentlich ganz gut. Jeder stolpert in seinem Leben über Probleme, die er nicht ohne weiteres lösen kann. Findet er dann jemanden, der ihm praktisch helfen kann? Jemand, der ihm nebenbei von Gott erzählt, der uns gerade in diesen Situationen Kraft und Mut geben kann? Und Orientierung brauchen Menschen mehr denn je in einer unübersichtlichen Welt. Vor allem junge Menschen schauen sich um: Wer hat einen überzeugenden Lebensentwurf? Wo kann sich Leben entfalten? Wo wird es auch für andere relevant? Wo haben Menschen offensichtlich einen Sinn in ihrem Leben gefunden? Auf Christen aufmerksam werden solche Menschen in der Regel nicht

über Inhalte, sondern über Beziehungen. Über Freundschaften, die wachsen. Die Offenheit und die Bereitschaft, Andersdenkenden freundschaftlich zu begegnen, können Türöffner sein. Für viele ist das vermutlich der einzige Weg, um innere Vorurteile abzulegen und sich auf unseren Glauben einlassen zu können. Will jemand, mit dem wir in wachsender Freundschaft verbunden sind, dann irgendwann kennen lernen, was unser Leben prägt, kommt er auch mit über die Schwelle der Kirchentür. Dort angekommen, will er es aber vermutlich auch genau wissen.

„Institution“, sondern als Gemeinschaft von Menschen, die im Auftrag Jesu unterwegs sind, die sich bewegen lassen zu anderen Menschen hin. Wo Christen vermehrt außerhalb des kirchlichen Milieus Kontakt suchen, wo Gott dort in ihren Beziehungen

Kein „Gottesdienst light“ Dan Kimball erzählt von einem jungen Mann, der deutlich sagte: Ich möchte keinen „Gottesdienst light“ erleben, sondern – wenn schon – das volle Programm! Ich will sehen, ob Gott lebendig ist und wie man ihn anbeten kann. Damit werden in den Gottesdiensten wieder Rituale wichtig. Die Leute schätzen die Wirkung alter Kirchengebäude wieder ganz neu. Wir sollten uns bemühen, eine sinnliche Atmosphäre zu schaffen durch Kerzen und Kreuze, durch sorgfältig gestaltete Kreismittelpunkte oder Altäre. Dazu gesellt sich der Wunsch, selbst aktiv werden zu können. Je mehr die Medienwelt interaktiv wird, desto mehr entsteht das Bedürfnis, nicht nur zu konsumieren, sondern mitzugestalten. Dafür eignen sich offene Gottesdienstphasen, in denen man Gebete schreiben, Kerzen anzünden, das Gespräch suchen und gesegnet werden kann. So bleibt Raum, dass Gott auf individuell verschiedene Weise wirken kann. Die postmoderne Lebenshaltung beinhaltet ein starkes Interesse an Echtheit und Erfahrung und eine neue Offenheit für Rituale. Das steht teils im direkten Gegensatz zu den Gottesdienstformen der „modernen“ Gemeinden wie Willow Creek und anderen, die sich vor ca. 30 Jahren in Abgrenzung zu den traditionellen Gottesdiensten gebildet haben. In der neuesten Willow-Creek-Studie ist aber gerade eines deutlich geworden: Auch die Menschen dort wollen offensichtlich weniger konsumieren, sondern ihre Gottesdienste gern spiritueller und ihr Glaubensleben in mehr Eigeninitiative gestalten.3

Menschen wollen nicht konsumieren, Freundschaft, Lebenshilfe und Orientierung schenkt, da kann Kirche noch einmal neu und anders entstehen. Wie sie sich dort dann genau organisiert, ist sicherlich ein längerer Prozess. Aber langen Atem braucht immer, wer Neues wachsen lassen will. Wenn Menschen wie Florian, die kirchlich und christlich nicht „vorgewärmt“ sind, den Weg in unsere Gemeinden finden, ist das immer was sehr Bewegendes. Wenn dieser Weg für sie nur nicht ein so schwerer wäre … Sucht die Kirche nach konkreten Antworten auf die Veränderungen der Gegenwart, schafft sie tatsächlich Raum für neue Lebenswelten, dann kann mitten im Wandel heutiger Zeiten Gottes Gnade neu sichtbar werden. Sind wir bereit, uns dazu in Frage stellen, herausfordern und bewegen zu lassen?

sondern ihr Glaubensleben selbst gestalten

Name geändert Das Stichwort „Emerging Church“ könnte man übersetzen mit „Kirche, die neu entsteht“. 3 Näheres zur „Reveal“-Studie der Willow-CreekGemeinde siehe unten S.14. 1 2

Marc Stippich, Pfarrer in Grunbach im Remstal, schätzt die Gottesdienstvielfalt in unserer Landeskirche und die vielen Begabungen, die dabei in Miedelsbach und anderswo zum Tragen kommen.

Unterwegs im Auftrag des Herrn Kirche definiert sich neutestamentlich nicht als „Gebäude“ und


Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Gottesdienste im Vergleichstest? Kann man Gottesdienste bewerten? Ist das vertretbar? Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich ist von der Homepage „Ship of fools“ fasziniert und fragt gleichzeitig: Darf man das?

„Was war herrlich, was deprimierend?“

Sie möchten bei einem Urlaub in England oder den USA einen Gottesdienst besuchen, aber Sie wissen nicht, welche Gemeinde in der Nähe in Frage kommen könnte? Oder möchten Sie den Arbeitern im Weinberg des Herrn auch hierzulande mal ein Feedback geben? Dann klicken Sie auf http://shipoffools.com/mystery/ index.html und lassen sich überraschen. „Ship of fools“ ist eine innovative, freche und fröhliche Webseite, die anonyme Gottesdienstkritiken veröffentlicht. Sie wurde 1998 von christlichen Studenten in Großbritannien gestartet und hat heute einige Tausend Mitglieder aus allen christlichen Konfessionen. Die durch Spenden finanzierte Internet Community ist ein Forum für unkonventionelle und neue Ideen wie z. B. St. Pixels – eine nun

dienst-Besuch noch ein Foto von Kirche oder Gemeinde zu machen. Das kommt zusammen mit der Bewertung ins Internet. Die Visitenkarte (siehe Bild) liegt nach dem Gottesdienst übrigens im Klingelbeutel, damit die Gemeinde weiß, dass sie besucht wurde und die Kritik nachlesen kann. Sie kann dann einen eigenen Kommentar dazu veröffentlichen.

eigenständige Community, die Onlinegottesdienste abhält. Eine der populärsten Seiten von „Ship of fools“ ist allerdings der Mystery Worshipper. Dort verfassen etwa 700 registrierte Mystery Worshipper regelmäßig Gottesdienstkritiken. Auch ein Gottesdienst aus unserer Landeskirche wurde 2007 in Esslingen bewertet: h t t p : / / s h i p o f fo o l s. c o m / my s t e r y / 2007/1435.html

• Mit welchen Worten wurde der Gottesdienst eröffnet? • Welche Bücher, Medien wurden im Gottesdienst verwendet ? (Gesangbücher, Bibel, Beamer oder ähnliches) • Welche Musikinstrumente wurden eingesetzt? • Wurden Sie von etwas abgelenkt? • War der Gottesdienst eher steif, konventionell oder eher fröhlich und ungezwungen? • Predigtlänge in Minuten? • Wie gut war die Predigt? (Auf einer Skala von 1-10; 10 für himmlisch) • Das Thema der Predigt in einem Satz zusammengefasst. • Welcher Teil des Gottesdienstes war herrlich, was eher deprimierend?

Wie wird man Mystery Worshipper (MW)? Einfach auf der Webseite registrieren und Fragebogen und MW-Visitenkarte herunterladen. Und dann ab in den nächsten Gottesdienst. Nicht vergessen, vor oder nach dem Gottes-

• Wurden Sie nach dem Gottesdienst angesprochen, als Sie noch herumstanden? • Gab es nach dem Gottesdienst etwas zu essen oder zu trinken? • Könnten Sie sich vorstellen, diesen Gottesdienst regelmäßig zu besuchen? • Waren Sie nach dem Gottesdienst froh, Christ zu sein? • An was werden Sie sich in einer Woche noch erinnern? Diese Fragen können übrigens auch Anregung für eine eigene Gottesdienstevaluation sein.

Kann man Gottesdienste kritisieren, so wie Restaurantkritiker Sterne vergeben? So wie Kinofilme oder Theateraufführungen besprochen werden? Wäre gar eine deutsche Version des Mystery Worshippers wünschenswert? Wir haben dazu zwei Statements eingeholt und laden Sie ein mitzudiskutieren. Schreiben Sie uns an redaktion@kirchefuermorgen.de. Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich lebt und arbeitet als Religionswissenschaftler in Haigerloch

Konsum-

Der MW-Fragebogen • Art des Gottesdienstes? • Wie viele Personen haben teilgenommen? • Hat Sie jemand persönlich begrüßt? • Haben Sie bequem gesessen? • Wie würden Sie die Atmosphäre vor dem Gottesdienst beschreiben?

haltung oder Feedback-

Darf man das? Zwei Antworten Wenn über Gottesdienste nicht mehr gesprochen wird, sind sie tot. Insofern stellt sich nur die Frage nach der Art des Gesprächs. Da fehlt mir beim Fragebogen von „ship of fools“ die Polarität, die das Gegenüber (Gott und die Liturgen) würdigt. Die Fragen sind auf die Befindlichkeit des Betrachters reduziert und finden nicht über die Konsummentalität unserer Tage hinaus. Das Prädikat „himmlisch“ ist im Blick auf die Predigt ein austauschbares Werbeattribut. Es kann auch für den Geschmack von Joghurt Verwendung finden. Ein orthodoxer Christ würde sich die Frage nach der Bequemlichkeit verbitten. Er steht selbstverständlich drei Stunden lang, um die göttliche Liturgie des heiligen Vaters Johannes Chrysostomus mitzufeiern. Er tut es aus Freude an Ostern. Die Konsumentenhaltung macht das Gespräch zum Gerede. Hier hat die württembergische Landeskirche kein Defizit, beim Gespräch aber schon. Dr. Richard Mössinger, Pfarrer in Heilbronn, Vorsitzender des synodalen Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“.

Stunden in die Vorbereitung investiert, das Beste gegeben – und dann nur ein paar nette Worte am Ausgang? Was ist angekommen bei den Gottesdienst-Besuchern? Und noch wichtiger: was nervt sie ständig? Bei Licht besehen haben wir nicht einmal in Ansätzen eine wirkliche Feedback-Kultur in Sachen Gottesdienst. Dabei liegt Feedback – auch wenn uns das fremd erscheint – ganz auf der Linie des neutestamentlichen Gottesdienst-Geschehens. Ausdrücklich lobt Lukas die nachforschenden Juden in Beröa (Apg. 17,11) und Paulus will die prüfende Gemeinde als Gegenüber zur prophetischen Rede (1. Thess. 5, 19-22). Feedback heute dann per Internet? Natürlich ist direktes Gespräch vorzuziehen. Aber wie oft findet es statt? Und wie offen wird geredet? Kann sich nicht über eine Bewertung im Netz ein spannendes Gespräch ergeben, was anders werden sollte? Wer mündige Gemeinde will, muss mithelfen, dass sie – so oder so – wirklich den Mund aufmacht.

Kultur?

Reinhold Krebs, Landesreferent im ejw, Mitglied im Leitungskreis von Kirche für morgen.


Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Ein echter Hingucker – Jesus sieht uns an Jesus hat einen Blick für Menschen. Dieser kann und will uns verändern. Das geht nur, weil er sich selber ganz in die Begegnung investiert. Axel Wiemer überlegt, was wir vom Hingucker Jesus abgucken können. Die ersten zwei oder drei Sekunden einer Begegnung entscheiden über den Eindruck, den ein Mensch hinterlässt. Wer sich einmal mit Tipps für Bewerbungen befasst hat, weiß das. Er ahnt: Ich bin selber verantwortlich für meinen Erfolg. Willkommen in der Ellenbogengesellschaft. Aber wir sollten es uns nicht zu leicht machen und auf die Unbarm-

falls denken wollen. Ich will ein guter Christ sein, darum halte ich mich im Gottesdienst an die ungeschriebenen Benimmregeln und verzichte z.B. auf spontane Halleluja-Rufe während der Predigt. Wer das aber nicht tut, hinterfragt mich in meinem Selbstverständnis. Zugespitzt: Ich fühle mich bedroht.

Jesus wagt Selbstkritik

Auch wir fällen in zwei Sekunden unsere Urteile über Fremde

herzigkeit der Gesellschaft schimpfen. Sind wir anders? Stellen Sie sich vor, Sie lieben Ihre Gemeinde und den Gottesdienst. Beim zweiten Lied schlappt eine Jugendliche hinein. Zerrissene Jeans, rosa Haare, Piercings im Gesicht. Sie lässt sich neben dem ehrwürdigen Kirchengemeinderatsvorsitzenden nieder. Das waren schon zwei Sekunden: Was denken Sie? Dass das Mädchen zur Nachbargemeinde gehört und wegen eines Fahrradplattens zu spät kam in den Gottesdienst, den sie in überparochialem Eifer besuchen wollte? Ach nicht? Warum eigentlich nicht?

Wie gut, dass Jesus nicht so war und ist. Wie gut, dass er Menschen nicht ausgrenzt, die anders sind als er. Ein Beispiel. Eine Frau (und wohl auch ein Mann…) ist beim Ehebruch erwischt worden – Johannes 8,1-10 erzählt davon. Bedroht die Möglichkeit des Scheiterns einer Ehe nicht heimlich auch mich und meine Ehe? So verstehe ich die Aggression derer, die damals dabei waren: Sie wollen die Bedrohung aus der Welt schaffen, indem sie die Frau steinigen. Jesus aber spielt dieses Spiel nicht mit. Im Gegenteil: Er lässt die Anfrage an sich, an alle heran kommen. Er formuliert sie geradezu (Vers 7): „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Einer nach dem anderen geht – hoffen wir einmal, dass sie nicht tatsächlich alle die Ehe gebrochen hatten. Aber jede

Redet Jesus so aus einer überlegenen Position? Steht er über den Dingen, bleibt er cool? Lernen wir ein wenig Griechisch:

in sie hinein und lässt ihr Leid, ihre Not, ihren Schmerz an sich heran, ja in sich hineinkommen. Er wagt echte Sympathie.

Jesus wagt Sympathie

Augen auf!

Das griechische Wort „splanchna“ bezeichnet die Eingeweide oder auch den Sitz der Gefühle, also das „Herz“. Daraus ist ein Verb abgeleitet, das in unseren Bibeln mit „sich erbarmen“, von Luther auch gerne mit „jammern“ übersetzt wird. Das Wort zeigt: Dieses Erbarmen trifft die eigenen Eingeweide, das eigene Herz. „Sich erbarmen“ ist also gerade nicht ein „sich herablassen“. „Sich erbarmen“ heißt, ich nehme mir das Leid, die Not eines Mitmenschen zu Herzen. Ich lasse zu, den Schmerz, bis in mein Innerstes hinein. Solches „Mitleid“ bedeutet wirklich „Mitleiden“. Auf Griechisch: Sympathie. Das Neue Testament spricht öfters mit diesem Wort von der „Sympathie“ Jesu für die Menschen. Er „sieht“ sie – und dann „jammern sie ihn“ oder (so die Gute Nachricht) „ergreift ihn das Mitleid“. Wie bei der Speisung der 5000: „Jesus sah die große Menge; und sie jammerte ihn, denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Markus 6,34). So auch bei der Auferweckung des Jünglings von Nain, die Jesu Reaktion auf das Leid von dessen jetzt völlig allein stehender Mutter ist: „Und als sie der Herr sah, jammerte sie ihn und er sprach zu ihr: Weine nicht!“ (Lukas 7,13). Die Beispiele lassen sich vermehren. Wenn Jesus andere Menschen sieht, ist es nicht sein erster Impuls, seinen Status im Vergleich zu ihnen zu klären. Er fragt nicht, was sie ihm nutzen könnten oder ob sie ihn gefährden. Er spürt sich sozusagen

In Lukas 10 erzählt Jesus die Gleichnisgeschichte von dem „barmherzigen Samariter“. In Vers 33 kommt dieser zu dem Mann, der unter die Räuber gefallen war, „und als er ihn sah, jammerte er ihn“. Jesus setzt uns diesen Samariter zum Vorbild. Das heißt: Wir sollen wie Jesus echte Sympathie wagen. Ich teile das Anliegen von Kirche für morgen, für Lebensweltgemeinden einzutreten. Doch darf das auf keinen Fall heißen, dass wir uns in unserer eigenen Wohlfühlnische zurücklehnen. Jesus will uns dafür gewinnen, jeden Menschen als Menschen zu sehen und uns gerade den Notleidenden zuzuwenden. Darüber muss Einigkeit herrschen zwischen Gemeinden verschiedener Frömmigkeitsprägungen und Altersstrukturen: Als Kirche Jesu Christi haben wir eine Aufgabe an unseren Mitmenschen. Verteidigen wir nicht nur, was uns wichtig ist. Wagen wir Sympathie – mit Kindern, die von Hartz IV unter oft zukunftsfeindlichen Umständen leben, mit Flüchtlingen, die an Europas Grenzen um ihr Leben fürchten, mit Menschen, die den Hungertod sterben für unseren Biosprit. Das fängt an mit dem Hinsehen: „Jesus sah die große Menge; und sie jammerten ihn“. Augen auf!

Jesus lässt Leid, Not und Schmerz an sich heran

Dr. Axel Wiemer, Schwäbisch Gmünd, lehrt an der dortigen Pädagogischen Hochschule Evangelische Theologie und Religionspädagogik.

Wir vergleichen

Machen wir uns nichts vor: Wenn wir andere sehen, vergleichen wir: „Was ist das für eine Tussi, und was will die hier?“ In dieser Frage schwingt mit: Wir wissen, was hier zu wollen ist. Wir sind hier richtig! Ja, überhaupt: Wir sind richtig. Aber die da? Die Art, wie wir andere wahrnehmen, hängt mit dem zusammen, was wir von uns selbst denken oder jeden-

und jeder erkennt: Auch in meinem Leben gibt es Ungutes. Ich mache mir etwas vor, wenn ich das nur in anderen sehe und bekämpfe. Erst als alle weg sind, spricht Jesus mit der Frau. Und er fordert auch sie zur Veränderung, zur Neuorientierung auf: „Sündige hinfort nicht mehr.“


Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Thema: Probier‘s mal mit der Wirklichkeit

Wie andere uns sehen …

mission audit – hinsehen, hinhören, fragen

Über Kirche wird viel geredet – vor allem in der Kirche. Aber wie werden Christen

Reinhold Krebs skizziert Ziele und Methoden des „mission audit“ aus der angli-

eigentlich von Außenstehenden wahrgenommen? Die Antworten waren vielfältig – und

kanischen Church Planting-Bewegung. Diese Impulse helfen in der Gemeinde- und

sind sicher nicht repräsentativ. Claudia Bieneck hat recherchiert.

Jugendarbeit dazu, Kontext und Zielgruppen klarer in den Blick zu bekommen.

„Welche drei Begriffe fallen dir zum Thema „Christen“ ein?“ Schon im ersten Gespräch merke ich, die Frage ist falsch. Es geht nicht um Begriffe. Bei diesem Thema geht es immer um Erfahrungen. Und die lassen sich selten in Begriffe fassen, viel eher ist es ein Erlebnis mit einem Pfarrer, oft in

„… die sind viel zu streng und zu wenig liebevoll“

Rituale als Lebenshilfe einer Krisensituation im Leben. Diese Erfahrungen ergeben dann das Bild von Kirche. Wobei offensichtlich die schlechten schwerer wiegen und leider länger präsent sind als die guten!

Sind Christen weltfremd? Ich ändere also meine Frage und höre so allerhand Geschichten. Es sind haarsträubende darunter, aber auch so banale, dass ich erstaunt bin, wie lange sie im Gedächtnis geblieben sind. So meint eine Frau, Ende vierzig, Mutter von zwei Kindern: „Christen und Kirche, die sind viel zu streng und viel zu wenig liebevoll.“ So hat sie es in ihrer Kindheit erlebt, das wirkt bis heute nach. Außerdem erlebt sie Kirche als zu wenig offen für die Gesellschaft. Zu weit entfernt von der modernen Gesellschaft, etwas weltfremd, empfindet auch ein 21-jähriger Student Kirche und die Christen. Er hat eigentlich keine schlechten Erfahrungen, sondern eher gar keine mit Kirche. Obwohl – die gute Gemeinschaft dort nimmt er schon wahr, wenn auch nur von weitem. Manches sei ihm dann doch zu streng.

Engagement für andere

10

rin lobt die gute Jugendarbeit am Ort. Besonders gefalle ihr, dass Hauptschüler dabei sind. Das findet sie beachtlich, weil das ja nicht überall so gelingt. Das Engagement der Kirche in Diakonie und Altenpflege wird öfter als persönliche Erfahrung mit Kirche genannt. Gerade Menschen in der Lebensmitte, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern und dabei von kirchlichen Diakoniestationen unterstützt werden, nehmen diese Hilfe dankbar an. Eine Frau meint: „Wenn nicht die Christen da tätig werden, ja wer denn dann?“

Dass Kirche für andere da ist, vor allem für die, die vom Leben nicht verwöhnt werden, nehmen viele Außenstehende wahr. Eine Mittfünfzige-

Diesen gesellschaftsbezogenen Auftrag sieht allerdings nicht jeder. Es gibt zunehmend jüngere Menschen, die gar keinen Bezug zu Kirche haben. Sie haben weder gute noch schlechte Erfahrungen mit Christen gemacht. Kirche hat für sie einen Stellenwert wie etwa ein Verein: Wer sich dafür interessiert, geht hin, wer nicht, bleibt weg. Allerdings lobt eine junge Mutter dann doch die Angebote für Kleinkinder in ihrer Gemeinde. Sie genieße es, zusammen mit ihrem Kind Rituale zu erleben – in der Mutter-Kind-Gruppe oder im Minigottesdienst. Das erinnere sie an ihre eigene Kinderzeit, und das fände sie ganz wichtig für ihr Kind.

Und nun? Wirklich neu sind die Erkenntnisse nicht. Erstaunt haben mich weder Schauergeschichten noch gute Erfahrungen mit Gottes Bodenpersonal. Kirche wird wahrgenommen, so oder so. Aber wir hinterlassen oft da, wo wir es nicht vermuten, einen prägenden Eindruck auf einen anderen Menschen. Das dürfen wir uns in den Gemeinden immer wieder bewusst machen und als Chance begreifen. Claudia Bieneck wohnt mit ihrer Familie in Malmsheim und ist immer daran interessiert, genau hinzuhören, wie es dem andern geht.

Mose hat Kundschafter ins gelobte Land geschickt, bevor der ganze Tross über den Jordan ging. Nehemia lief die Stadtmauer zur Bestandsaufnahme ab und startete dann erst mit dem Wiederaufbau. Auch Paulus, der wachen Auges durch Athen streift, bevor er auf dem Areopag seine Botschaft kontextgerecht kommuniziert (Apg 17), gehört zu den biblischen Beispielen für „mission audit“. Darunter versteht die Church Planting-Bewegung ein Konzept, das Situationsanalyse mit einem betenden Bedenken verbindet: Wie könnte Reich Gottes gerade hier Gestalt gewinnen? Die einzelnen Schritte sind nicht nur bei Gemeindepflanzungen, sondern bei allen Projekten eine gute Hilfe.

Observation – Hinsehen Mit wachen Augen einen Stadtteil, ein Gebiet begehen: Wo sind Treffpunkte, öffentliche Einrichtungen? Was sagen die Häuser aus über die Menschen? Welche Atmosphäre nehme ich wahr? Eine Art von Gebets-Spaziergang, allein oder im Austausch mit andern. Auch Pläne und Karten sind hilfreich, in denen man wichtige Punkte markiert.

Conversation – Hinhören Mit den Menschen zwanglos reden und hinhören: Wo arbeiten sie? Wie verbringen sie ihre Freizeit? Was wünschen sie sich, was sind ihre Sorgen? Was mögen, was hassen sie an der Gegend? Interviews mit Experten (Lehrerinnen, Kommunalpolitikern, Sozialarbeitern, Seelsorgern, Ärzten) geben weitere Aufschlüsse. Fragebogenaktionen ermöglichen über die Ergebnisse ins Gespräch zu kommen – hervorragend für erste tiefere Kontakte.

Investigation – Nachfragen Daten aus der Stadtverwaltung, aus kirchlichen Statistiken interpretieren: Altersgruppen, soziale Schichtung, Zu-und Wegzüge, Geburten. Visitationsberichte oder Artikel zur Ortsgeschichte lesen: Was ist bis heute prägend? Wo liegen die Wur-

zeln für das, was ich wahrgenommen habe? Neben den geographischen und demographischen Fakten ist die soziale Ebene wahrzunehmen: Haushaltsgröße, Freizeitbeschäftigung, typische Berufe, Arbeitslosigkeit, Einkaufsverhalten, Beziehungsnetzwerke, Kriminalitätsrate. Zudem gilt es, der geistlichen Dimension auf die Spur zu kommen: Was denken die Menschen über die Kirche, welche Vorurteile haben sie? Was sind ihre Credos? Wie viele sind kirchen-

Situationsanalyse nah oder spirituell interessiert, aber skeptisch gegenüber Christen? Gibt es noch einen christlichen „Grundwasserspiegel“? Welche Religionen, Kulte, Konfessionen sind vor Ort?

Was bringt’s?

und betendes Bedenken

Eine solche Situationsanalyse als „mission audit“ ist hilfreich • für eine klarere Profilierung der Gemeinde- oder Jugendarbeit, • als „Weckerklingeln” für Gremien und Entscheidungsträger: „Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit” (Heinrich Spaemann), • für die Zusammensetzung von Teams: Welche Gaben sind da? Welche Kompetenzen und Charismen bräuchten wir unbedingt noch? • für kontextbezogene Verkündigung. Was bedeutet Jesus, Reich Gottes, Evangelium für genau diese Zielgruppe? Was Versöhnung, Gerechtigkeit, Freiheit? Ein solches Hinsehen, Hinhören und Nachfragen wird immer wieder neu nötig sein und wird – recht eingeübt – zur Begleitmusik unseres Dienstes werden. Reinhold Krebs, Landesreferent im ejw und u. a. für Jugendgemeinden zuständig, hat viel von anglikanischen Gemeinden und Bewegungen gelernt.

11


Bausteine

Weihnachtsgeschenke mit Mehrwert

Zeichen setzen!

Die Botschaft von Weihnachten vermitteln ohne zu frömmeln? Das gelingt mit der

Wie engagierte und kreative Christen in Haigerloch durch ihr Engagement die

CD „Mitten im Dunkel“, dem zugehörigen Liederbuch und dem neuen Christrosen-

Lebensqualität von Menschen in der Kommune verbessern helfen. Thomas

Kalender. Nebenbei unterstützen Sie damit die Arbeit von Kirche für morgen und die

Hoffmann-Dieterich findet diese Ideen nachahmenswert.

CVJMs in Mittel- und Osteuropa.

Nur 700 Meter entfernt von ev. Kirche und Gemeindehaus wird das Alten- und Pflegeheim St. Josef von einer katholischen Heimstiftung betrieben. Christen beider Konfessionen wollten für die Bewohner des Heims an einem Sonntag im Monat etwas Sinnvolles tun, um ihnen das Leben im Heim zu verschönern.

Die Botschaft von Weihnachten – ohne zu

Eine ungewöhnliche Silberscheibe ist „Mitten im Dunkel“. Weihnachtslieder mit Schlagzeug? Das geht. Und klingt zusammen mit Oboe, E-Gitarre und Querflöte erfrischend anders. Und alte WeihnachtHits wie „Tochter Zion“ und „Die Nacht ist vorgedrungen“ können auch grooven, das beweist diese Produktion.

Die CD „Mitten im Dunkel“ wurde von der Tübinger Band „Projekt X“ eingespielt und von Winnie Schweitzer (Normal Generation, Beatbetrieb, Allee der Kosmonauten,

frömmeln …

Reinhören in die Lieder und bestellen kann man unter: www.mittenim-dunkel.de. Bestellung ist auch per Fax möglich unter 07441-885424.

Das Weihnachtsliederbuch „Mitten im Dunkel“ enthält neben den 12 Liedern der CD weitere 70 neue und alte Weihnachtslieder - z.B. Choräle wie „Es kommt ein Schiff geladen“ und „Fröhlich soll mein Herze springen“, aber auch Gospels wie „Amen“ und „Joy to the world“. Kinderlieder sind ebenso enthalten, zum Beispiel „In der Weihnachtsbäckerei“ und „Tragt in die Welt nun ein Licht“, aber auch Volkslieder wie „O Tannenbaum“. Zusätzlich gibt es für jeden Adventssonntag eine kleine, kindgerechte Liturgie für Adventsfeiern im familiären Rahmen . Auch diesen Bestseller (weit über 20.000 verkaufte Exemplare) gibt es zu Staffelpreisen: 5,95 €, ab 10 Stück 5,40 €, ab 50 Stück 5,00 €, ab 100 Stück 4,80 €. Die Verpackungs- und Versandpauschale beträgt € 2,95 pro Bestellung. Bestellen Sie unter www.mitten-im-dunkel.de oder per Fax: 07441-885424.

Der Christrosen-Kalender

12

Jesus House Band) produziert. 12 alte und neue Weihnachtslieder sind darauf zu finden: Gloria (Taizé) – Tochter Zion – Die Weihnachtsfreude – Go, tell it on the mountain – Der Heiland ist geboren – Weihnachten ist Party für Jesus (Kallauch) – Es ist ein Ros entsprungen – Wie soll ich dich empfangen – Ich steh an deiner Krippen hier – Die Nacht ist vorgedrungen – Zünde an dein Feuer – Mache dich auf und werde Licht (Jesus-Bruderschaft). Die CD gibt es – zum Beispiel für Mitarbeitergeschenke – zu Staffelpreisen: 9,95 €, ab 5 Stück 9,00 €, ab 10 Stück 8,50 €, ab 20 Stück 8,00 € und ab 50 Stück 7,00 €. Die Verpackungs- und Versandpauschale beträgt € 2,95.

mit nachdenklichen, aber nicht frömmelnden Texten begleitet mit wunderschönen Christrosen-Bildern durch die Vorweihnachtszeit. Er ist ohne Kalendarium und kann jedes Jahr wieder neu verwendet werden. Bilder und ausführliche Infos finden Sie unter www.christrosen.de, dann weiter unter „Bilder“ und „Immerwährender Adventskalender“. Dieser immerwährende Adventskalender kostet bei Kirche für morgen 6,00 € (ab 5 Stück 5,00 €, ab 10 Stück 4,50 €) plus Porto und Verpackung. Bestellen Sie ihn über Kirche für morgen e. V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold, Fon 070036693669, Fax 0721-151398429, info@kirchefuermorgen.de (rk)

Ein Café für Alte und Kranke Sie entwickelten die Idee vom Café „Schöne Aussichten“. Ein kleines Team organisiert einmal im Monat Kaffee, Tee und Kuchen – bei gutem Wetter auch im Freien. Tischschmuck, selbstgebackener Kuchen oder Torten vom Bäcker und ein zuvorkommender Service schaffen so jeden Monat einen Höhepunkt im Alltag der Heimbewohner und ihrer Gäste. Hier können sie sich als Gastgeber fühlen, die ihre Familie und Bekannte einladen. Das Café „Schöne Aussichten“, das seit Muttertag 2007 regelmäßig angeboten wird, wird von den Bewohnern und sogar von Anwohnern aus der Nachbarschaft des Heims mit Begeisterung angenommen. So mischen sich einmal im Monat Alte und Kranke mit ihren Angehörigen und Freunden und mit Anwohnern aus Haigerloch zu einem lebendigen und lebhaften Nachmittag, es wird viel gelacht, geschwätzt!

ner auch mal zu einem Fußballspiel geht.

Bücherspenden für die Bibliothek Da es in Haigerloch keinen Buchladen und erst recht keinen Bibelladen gibt, wird die Stadtbibliothek von Lesern aller Konfessionen und Altersgruppen gut besucht. Da lag es auch im Interesse der evangelischen Kirchengemeinde, die religiöse und theologische Abteilung der Bibliothek mit Bücherspenden auf den neuesten Stand zu bringen. Seit 2007 werden Bücher im Wert von etwa 100 € pro Jahr von Autoren wie Max Lucado, John Ortberg, Manfred Lütz oder C.S. Lewis von Haigerlochern ausgeliehen, die sonst kaum mit diesen Autoren in Berührung gekommen wären. Statt

Wer geht mit einem Heimbewohner zum Fußballspiel?

Paten helfen Kontakte knüpfen Ergänzt wird diese Dienstleistung der Kirchengemeinde durch ein evangelisches – hoffentlich bald ökumenisches – Patenprojekt. Im Frühjahr 2008 wurden sechs Patinnen und Paten im Gottesdienst der evangelischen Kirchengemeinde für ihr neues Amt eingesegnet. Durch regelmäßige Besuche bei immer demselben Heimbewohner werden Isolation und Langeweile aufgebrochen. Dabei werden die Paten von einer Koordinatorin aus der Kirchengemeinde betreut, die ihnen hilft, die Kontakte zu knüpfen, und die den Austausch unter den Paten organisiert. Aber nicht nur Gespräche bei Kaffee und Kuchen sind gefragt; beispielsweise wird ein Pate gesucht, der mit einem Heimbewoh-

Freunden ein gutes christliches Buch zu schenken, das dann ungelesen im Bücherschrank verschwindet, wird so dasselbe Buch immer wieder neu ausgeliehen und erreicht über die frommen Kreise hinaus eine erweiterte Leserschaft. Thomas Hoffmann-Dieterich freut sich als Haigerlocher, Kaffeetrinker und Büchernarr über Aktionen, die Lebensqualität vor Ort verbessern.

13


Bausteine

Bausteine

Ernüchterung bei Willow Creek? Erfolgreich seit 30 Jahren und nun Ernüchterung? Marc Stippich hat die Studie „Reveal where you are“ der Willow Creek Community Church unter die Lupe genommen. Sie will Veränderungen anstoßen, nachdem einige Gemeindeglieder Unzufriedenheit geäußert haben.

Viele sehnen sich nach mehr Spiritualität und größeren Herausforderungen

14

Seit Jahren ist der Ansatz der Willow Creek Community Church in South Barrington (einem Vorort von Chicago) richtungsweisend gewesen im Blick auf Gemeindeentwicklung und zeitgemäße Evangelisation. Vereinfacht gesagt hat Gemeindeleiters Bill Hybels seit 30 Jahren bedürfnisorientierten missionarischen Gemeindeaufbau betrieben, getragen von einem konsequenten geistlichen Lebensstil aller Mitarbeitenden.Sein Team fragte sich in den Anfängen, welche Art von Gottesdienst den kirchendistanzierten Mitmenschen in Chicago gefallen würde und richtete seine Gemeindearbeit danach aus – mit großen Erfolg. Man konnte sich in den bequemen Kinosesseln zurücklehnen und ein modernes Gottesdienstprogramm

heblicher Teil der Gemeindemitglieder mit ihrem geistlichen Leben nicht zufrieden ist: Auch bei regelmäßiger Teilnahme an Gemeindeveranstaltungen erlebt ein Viertel der Befragten kein erkennbares geistlichen Wachstum. So gaben 16% an, aufgrund persönlicher Probleme in ihrem Glauben nicht weiterzukommen. 9% fühlen sich durch die Angebote von Willow Creek unterfordert. Sie sehnen sich nach mehr Spiritualität und größeren Herausforderungen. Das Ziel geistlichen Wachstums wird dabei beschrieben als zunehmende Liebe zu Gott und den Mitmenschen (nach Mt 22).

Erste Konsequenzen bei Willow

Bill Hybels und sein Team reagieren, indem sie ihre Gemeindeglieder zu mehr Eigenverantwortung für ihr geistliches Leben ermutigen. Generell wird überlegt, wie ein besser funktionierendes Netzwerk für Seelsorge und Coaching eingerichtet werden kann. Die Gemeindegottesdienste Mittwoch abends haben sich dahingehend verändert, dass nach einer halbstündigen gemeinsamen Gottesdienstzeit die Teilnehmenden für den restlichen Abend zwischen verschiedenen Seminarangeboten wählen können. All das sind nur erste und vorläufige Antworten auf die Frage, wie in christlichen auf hohem Niveau erleben, dessen Gemeinden heute Jüngerschaft gelebt theologisch klare und lebensnahe werden kann. Man darf gespannt Botschaften viele Herzen bewegte. sein, ob dem neuen Ansatz von Willow Creek Gelingen geschenkt wird, so dass die neuen Impulse wieder Überprüfung und Veränderung Schule machen können. Die Gemeinde zählt mittlerweile zu den zehn größten Kirchen der USA – Unter www.willowcreek.de findet sich mit über 20000 Besuchern pro Woche. eine pdf-Datei der Zeitschrift Willownetz Das Willow Creek-Konzept wurde zum 0208 zu den Ergebnissen der Reveal-StuVorbild für viele Gemeinden in aller die. Außerdem kann man zum Thema in Welt. Nun hätten die Verantwortlichen ein Interview mit Bill Hybels hineinhören. sich selbstgefällig zurücklehnen können. Doch das Gegenteil ist der Fall, Marc Stippich profitiert als Gewussten sie doch von Anfang an, dass meindepfarrer von vielen guten regelmäßige Überprüfungen und VerArtikeln der Zeitschrift Willowänderungen ihrer Arbeit für bleibende netz, herausgegeben von Willow Erfolge notwendig sind. Creek Deutschland e.V. Durch die aktuelle Reveal-Studie wurde deutlich, dass ein nicht uner-

Kommunikation als „Beziehungs-Schwarzbrot“ Worte sind Fenster oder Mauern, können trösten und ermutigen, kritisieren oder verletzen. Tabea Hieber zu den Basiskompetenzen gelingender Kommunikation. In der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg habe ich für mich ein alltagstaugliches Modell für gelingende Verständigung entdeckt. Rosenberg ist international bekannt als Konfliktmediator und Gründer des internationalen Center for Nonviolent Communication in den USA.

„Zürnet ihr, so sündigt nicht …“ Täglich sind wir mit Situationen konfrontiert, die in uns Ärger oder Aggression hervorrufen können. Lassen wir unserem Ärger freien Lauf, fühlt sich unser Gegenüber angegriffen. Unterdrücken wir unseren Ärger über längere Zeit, um dann irgendwann zu explodieren? Fressen wir unsere Aggressionen in uns hinein, so dass wir psychosomatisch erkranken? „Zürnet ihr, so sündigt nicht, lasset die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen“, mahnt Paulus die Gemeinde in Ephesus (Eph. 4,26). Negative Gefühle, Wut, Enttäuschungen und Ärger gehören zu unserem Leben, auch in der Gemeinde dazu. In der gewaltfreien Kommunikation geht es um die Fähigkeit, in schwierigen Situationen einfühlsam zu bleiben, ohne die eigenen Gefühle zu unterdrücken.

Vier Schritte gewaltfreier Kommunikation 1. Beobachtungen: Was geschieht in der konkreten Situation wirklich? Diese Beobachtung geben wir ohne Bewertung wieder. Das gibt dem Gegenüber die Möglichkeit sachlich zu reagieren. Beispiel: „Du bist eine halbe Stunde zu spät!“, erkläre ich meiner Freundin. 2. Gefühle: Ihr Zuspätkommen ruft in mir Gefühle hervor. Ich ärgere mich darüber, weil ich so lange auf sie warten musste. Also spreche ich aus, was ich fühle: „Das ärgert mich.“ 3. Bedürfnis: Hinter meinem Ärger steckt ein unbefriedigtes Bedürfnis und ich übernehme selbst die Verantwortung für meine Gefühle. Indem ich mein

Bedürfnis mitteile, zeige ich mich selbst auch als bedürftiger Mensch und somit von meiner menschlichen, verletzbaren Seite. Beispiel: „Mir ist die Zeit mit dir so wichtig, weil ich etwas Dringendes mit dir besprechen möchte.“ 4. Bitten: Darauf folgt eine konkrete Bitte, die positiv formuliert und verhandelbar ist. Beispiel: „Könnten wir uns dann bitte morgen noch mal treffen, weil die Zeit jetzt nicht mehr reicht?“ Die Gesprächspartnerin weiß nun, worum es mir geht. Kann sie meiner Bitte nicht nachkommen, dann hat sie durch die sachliche Ebene der Gesprächsführung die Möglichkeit, dies zu begründen.

Position beziehen ohne dabei zu verletzen

Sich in diesen vier Bereichen klar auszudrücken ist das eine. Ebenso gilt es, Informationen unseres Gesprächspartners auf allen vier Ebenen aufzunehmen. Mit Hilfe dieser Schritte ist es möglich sich ehrlich auszudrücken, einfühlend zuzuhören und nicht verletzend zu sein. So einfach es sich anhört, so viel Konsequenz braucht es im Alltag. Wie heißt es so schön: „It‘s simple, but not easy!“ Literatur von Marshall B. Rosenberg: „Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens“ und „Erziehung, die das Leben bereichert. GFK im Schulalltag“, Junfermann-Verlag Tabea Hieber, ausgebildete Mediatorin und zweite Vorsitzende von Kirche für morgen

15


Gemeindeporträt

Gott begegnen – Freunde treffen In Schorndorf-Miedelsbach heißt es alle vier Wochen sonntags um 10 und 19 Uhr: „Come together“. Um den monatlichen, etwas anderen Gottesdienst herum hat sich ein lebendiges Gemeindeleben entwickelt. Marc Stippich war dort auf Spurensuche.

Spürbar sind viele mit Spaß und Engagement dabei

„99 Luftballons“ hatten sie schon „auf ihren Weg zum Horizont“ geschickt. Beim 99. „Come together“Gottesdienst hatte die Sängerin Nena das erste Wort, gefolgt von einem Moderatoren-Männer-Duo – der eine achtzehn Jahre alt, der andere Ende vierzig. Die beiden nahmen selbstironisch ihren Altersunterschied auf´s Korn und führten mit viel Sprachwitz in das Gottesdienst-Geschehen ein. Dieses bestand aus gekonnten Musik, Theater- und Predigtbeiträgen. Lachen und Nachdenken gleichermaßen konnten die rund 200 Gottesdienstbesucher. Ihr großes Altersspektrum übertraf das der Moderatoren noch erheblich. Pfarrer Thomas Binder predigte und übernahm die Klavierbegleitung. Sonst wurde fast alles von Ehrenamtlichen gestaltet, die überzeugend, sicher und frei redeten, beteten und Theater spielten. Hier war spürbar, was sich in Gesprächen hinterher bestätigte: Viele sind mit Engagement und Spaß dabei.

Brücken bauen für Kirchenferne Inzwischen liegt der 100. „Come together“-Sonntag hinter den Miedelsbachern und es werden noch viele weitere folgen. Für Monika Bühner, Laienvorsitzende des Kirchengemeinderats, war das Entstehen dieses monatlichen Gottesdienstes der Beginn für die weitere Gemeindeentwicklung. Der örtliche Mesner war beim ersten Mal völlig irritiert darüber, dass die Kirche „an einem ganz normalen Sonntag“ plötzlich randvoll

16

war. In dem 2000-Seelen-Ort sprach sich dies schnell herum und so blieben die Zahlen konstant hoch. Das Entscheidende ist aber nach Thomas Berger, Mitglied im „Come together“-Team, nicht ein perfektes Programm. Hier wurde mancher Aufwand inzwischen deutlich reduziert. Entscheidender sei, dass diese Gottesdienste Brücken bauen zu denen, die sich mit herkömmlichen Traditionen schwer tun. Thomas Berger hat mit seiner Familie über eine Tauffeier in die Gemeinde gefunden und war vom „Come together“ - Gottesdienst so angetan, dass er sich gemeinsam mit seiner Frau für die Mitarbeit im Team werben ließ. Genau so wollte er Gottesdienst feiern und so auch seinen Glauben leben, der längere Zeit brachgelegen hatte.

Kontakt suchen – Gaben entdecken Wie er haben eine ganze Reihe von Menschen durch diese Gottesdienste zur Mitarbeit gefunden oder Zugang zu Kleingruppen und auch zum wöchentlichen, normalen Gottesdienst. Anscheinend steckt es an, wenn ganz „normale“ Leute da vorne ein gutes Bild abgeben. Mit den Menschen ins Gespräch zu kommen findet Monika Bühner ganz wichtig. Das anschließende Mittagessen schafft dafür Gelegenheit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen dann auf Fremde zu, begrüßen sie und lassen dafür lieber einmal die alten Freunde warten. Wer eingeladen wird mitzuarbeiten und die Atmosphäre ansprechend

fand, überlegt es sich gerne. Die Verantwortlichen versuchen dabei nicht einfach kurzfristig Löcher zu stopfen, sondern nachzufragen, wo die Talente der einzelnen liegen. Sie sagen aber auch ehrlich und freundlich, wenn jemand seine Gaben an anderer Stelle hat. Das Anspielteam legt Wert auf Niveau. Dafür lassen sie sich regelmäßig auf Theaterworkshops fortbilden.

Alte mit den Jungen Natürlich mussten sich die Besucher des normalen Gottesdienstes am Anfang umgewöhnen, wenn es einmal im Monat so ganz anders zuging. Nach einigen Gesprächen und Umfragen änderte man hier und da etwas, damit die Älteren auch bekannte Elemente bei „Come together“ finden. So singt man heute fast nur noch auf Deutsch und ein Choral darf auch nicht fehlen. Schön zu sehen, wie auch die zahlreichen Älteren über die Anspielwitze schmunzeln und moderne Lieder mitsingen. „Wir haben gelernt, aufeinander Rücksicht zu nehmen“, meint Monika Bühner. Und Thomas Berger fügt hinzu: „Das ist wie bei einer Familie, die nur einen Fernseher hat. Wir haben eben nur einen Gottesdienstraum – und es geht gut.“

wirkt dabei spürbar unterschiedlich. Abends ist die Atmosphäre ruhiger, ernster. Die Gespräche im Anschluss beim Stehimbiss gehen oft tiefer als am Vormittag.

Zukünftige Herausforderungen Einige Kreise sind in den letzten Jahren in der Gemeinde neu entstanden, zudem zeitlich begrenzte Angebote wie „Reli für Erwachsene“. Zwei Mitarbeiterinnen bereiten dafür jährlich einen neuen Kurs vor und führen ihn zweimal durch, abends an verschiedenen Wochentagen – selbstverständlich ohne Pfarrer. Der sieht neben seinen anderen Aufgaben seinen Auftrag vor allem darin, die Mitarbeitenden für ihre Arbeit zu befähigen.

Alles bestens? Nein. Junge Erwachsene zwischen 20 und 35 sind leider nur wenig im Gottesdienst zu finden, auch wenn inzwischen Jüngere nachwachsen. Wie diese in der Gemeinde ihre bleibende Heimat finden können, darin sehen Monika Bühner und Thomas Berger eine der künftigen Herausforderungen. Und: „Wir müssen noch mehr einen Blick dafür gewinnen, was die Leute brauchen, die nicht da sind.“ Sie freuen sich mit all den anderen darüber, was in Miedelsbach gewachsen ist, aber sie Zwei Gottesdienste pro Sonntag sind bereit, die Kreise noch größer zu Dieser eine Raum wurde Sonn- ziehen. tagmorgens immer wieder zu klein. Manche blieben weg, weil es ihnen Nähere Infos finden sich unter zu voll war. Andere sind sonntags www.kirchengemeinde-miedelsbach.de am Vormittag generell sportlich unMarc Stippich, Gemeindepfarrer terwegs. So entschloss man sich, den in Grunbach, nahm vom „Come Gottesdienst am „Come together“together“-Gottesdienst dankbar Sonntag zweimal anzubieten. Die manche Anregungen mit. Mitarbeitenden ließen sich darauf ein und seit 1½ Jahren kommen morgens 200 (mit Kindern)und abends rund 50 Leute. Dasselbe Programm

„Was brauchen die Leute, die nicht da sind?“

17


Kfm intern

Sieben Zitronen in Aktion: Sommersynode 08 Musik und Andachten verbinden, Debatten werden engagiert und versöhnlich geführt, die Profile der Gesprächskreise bleiben keineswegs verborgen. Kerstin Leuz bringt Streiflichter von der letzten Synodaltagung. Einer der für kfm wichtigen Momente der Tagung stellte der von Martin Allmendinger eingebrachte Antrag zur Änderung des Pfarrstellenbesetzungsgesetzes dar. Der Antrag konnte mit 18 Unterschriften aus drei Gesprächskreisen eingebracht werden. Wird der Antrag angenommen, ist eine historisch bedeutende Veränderung möglich, von der Gemeinden und Pfarrer/innen gleichermaßen profitieren. Der Antrag wurde an den Rechtsausschuss verwiesen.

denen Regionen und Kirchengemeinden zu bringen.

Reform zu Profilgemeinden Direktorin Rupp regte in ihrem Bericht an, die bisherigen Kirchengemeindeformen um Profilgemeinden zu erweitern. „In der Diskussion hat sich als Linie abgezeichnet, dass es unter bestimmten Voraussetzungen neben der weiterhin bestimmenden Gemeindeform der Parochie auch Profil- und Gemeinschaftsgemeinden geben kann und darf.“ (Rupp, Margit, Juli 2008)

Kindertagesstätten Matthias Böhler äußerte seine Erwartungen an Kindertageseinrichtungen in evangelischer Trägerschaft und forderte deren „Sicherung durch Weiterentwicklung“.

Finanzen

Martin Allmendinger, Denkendorf, Synodaler für Kfm

Mehrgenerationenhaus Kirche... ...war Thema des diesjährigen Bischofsberichts, zu dem Martin Allmendinger im Gesprächskreisvotum die notwendige Perspektive aller Generationen betonte. Martin Allmendinger wagte darin eine kritische Anfrage zum Verhältnis zwischen Synode und Oberkirchenrat, indem er auf den letztjährigen Bischofsbericht Bezug nahm. In der Immobilien-Verkaufs-Frage zu Kloster Denkendorf und Birkach fühlten wir uns unzureichend informiert und die Glaubwürdigkeit von synodalen Beschlüssen in Frage gestellt. Auch Landesbischof July äußerte den Wunsch nach mehr Transparenz und Nachhaltigkeit und wünscht sich kürzere Wege zwischen den kirchenleitenden Gremien.

Änderung der Pfarrerbesoldung Ein Antrag zur Pfarrerbesoldung wurde von den Gesprächskreisleitungen eingebracht und auch von kfm-Synodalen unterzeichnet.

Mehr Religionspädagogen einstellen Die Personalstrukturplanung für Religionspädagoginnen und -pädagogen wurde von Kerstin Leuz erfreut zur Kenntnis genommen. Kirchliche Lehrkräfte sind Kontakt- und Schnittstelle zwischen Schule, Gemeinde und Jugendarbeit: „Der Religionsunterricht bietet die Möglichkeit, ganze Jahrgänge nicht-kirchlich-sozialisierter Menschen zu erreichen“.

Nähere Informationen, auch zum Wortlaut der Anträge, können auf unserer HomepaMarkus Brenner forderte, dass für den vom ge www.kirchefuermorgen.de nachgelesen Kongress angestoßenen Prozess „Wachsende werden. Kirche“ erreichbare und messbare Ziele for- muliert werden. Angie Schwarz wünscht sich Kerstin Leuz, Oedheim, Landessynodale Bezirksbeauftragte für „Wachsende Kirche“, entdeckt, dass immer mehr Zitronenfrium die Impulse vom Kongress in die verschiesche in die Synode einzieht

Kirche muss wachsen...

18

Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung forderte Markus Munzinger, die EKDEmpfängerkirchen in Ostdeutschland über die derzeitigen Mehreinnahmen der Kirchensteuer im missionarischen Bereich nachhaltig zu fördern. Die schlüssige Analyse der mittelfristigen Finanzplanung sollte auch zu entsprechenden Schwerpunktsetzungen führen.

Impressum Der Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon: 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 info@kirchefuermorgen.de / www.kirchefuermorgen.de Erscheinungsweise 3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos. Bankverbindung EKK Stuttgart, BLZ 520 604 10, Konto 419 435 Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen. Redaktionsteam Marc Stippich, Grunbach (sti) (ViSdP), Claudia Bieneck, Malmsheim (cb), Pina Gräber-Haag, Gronau (pg), Markus Haag, Gronau (mh), Tabea Hieber, Markgröningen (th), Thomas Hofmann-Dieterich, Haigerloch (thd), Reinhold Krebs, Herrenberg (rk), Werner Lindner, Winnenden (wl), Katrin Müller, Leonberg (km), Martin Schmid, Reutlingen (ms), Johannes Stahl, Eschenbach (js). Layout: Lutz Eisele, Markgröningen Druck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, Dornstadt Versand: Tobias und Magdalene Zipperlen, Weissach Redaktionsadresse: redaktion@kirchefuermorgen.de und über die Geschäftsstelle Anzeigenpreisliste: lindner-service@gmx.de FAX: 07195-979759 Bilder: Photocase S. 3, S. 4 (giftgruen), S. 8 re (miss.sophie), S. 10. Fotolia: Titel (tramper2), S. 7 (Anyka), S. 9 (Roman Barelko), S. 11 (pressmaster). Andere: S. 6f. Ship of Fools, S. 14 Willow Creek Association, S. 16f. Kirchengemeinde Miedelsbach


Zu guter Letzt „Tradition ist Weitergabe des Feuers, nicht Anbetung der Asche.“ (Gustav Mahler)

Kirche für morgen-Forum

„Wenn Kirche Feuer fängt“ Sonntag, 1. März 2009, 12.00 bis 18.00 Uhr Bernhäuser Forst (Stetten/F) Begegnung mit Menschen, die Hoffnung für diese Kirche haben – oder suchen Nachdenken in Seminaren und Gesprächen Impulse

Feiern

durch das Referat von Dr. Wolfgang Bittner: „Das Feuer wieder entdecken – von der Betreuungs- zur Beteiligungskirche“

im Gottesdienst zu dem Jesuswort: „Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden.“

Ausführliche Informationen und Anmeldung über: www.kirchefuermorgen.de Flyer in der Geschäftsstelle: Kirche für morgen e. V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon: 0700-36693669 Fax: 0721-151398429

Weihnachten – und keiner kann was dafür … Maria und Josef suchen in Bethlehem nach einer Unterkunft. Kurz angebunden meint ein Wirt: „Tut mir leid. Nichts frei. Alles belegt!“ Josef erwidert: „Aber siehst du nicht, dass Maria schwanger ist?!“ Darauf der Wirt pikiert: „Und? Kann ich da was dafür?“ Josef, etwas verwirrt: „Ja – ich etwa?“

Für Agnostiker und Schweizer „Muttr“ fragt der Buab aus dem abschlossenen, abgelegenen Hochtal in der Schweiz. „Muttr, wohna hintr dr Berg au no Lütt?“ Darauf die Mutter „Buab, wir wollet net grübela …!“

20

Plädoyer für ein Christentum aus Fleisch und Blut Gott lässt sich auf die Wirklichkeit dieser Welt ganz und gar ein. Er probiert es nicht nur mal aus. Es ist sein Programm von der Krippe bis zum Kreuz. Was macht die Kirche daraus? Dazu einige anregende Zitate aus dem Buch „Der nackte Gott“ des amerikanischen Franziskanerpaters Richard Rohr: „Die Kirche, die Paulus aufbaute, sah sich selbst als Inkarnation Jesu. Sie glaubte an das Evangelium und lebte es: Jesus Mensch werdend, sterbend, auferstehend. Das war ihr Lebensmuster. Im Lauf der Jahrhunderte hat sich dieses volle Evangelium oft in Teil-Evangelien aufgelöst, die die unterschiedlichste Gestalt annehmen konnten: Theologie ohne Lebensstil, Liturgie ohne Gemeinschaft, Priester ohne Laien, Institution ohne Menschen, Moral ohne Liebe, geistliche Erlebnisse ohne den Leib Christi – und schließlich als letztes, unausweichliches Ergebnis: Kirche ohne gelebtes Leben.“ „An Pfingsten wird die Kirche geboren und definiert! Sofort ist von Gemeinschaft, Lebensstil und Güterteilung und vollmächtiger Verkündigung die Rede. Das alles gehört zusammen! Was sie geglaubt haben, das haben sie alsbald in die Tat umgesetzt. Die ersten Christen verkündigten nicht nur das Evangelium – sie wurden selbst Evangelium, gute Nachricht.“ Das Buch „Der nackte Gott“ ist zur Zeit vergriffen, aber über‘s Internet noch erhältlich. (ms)


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.