Zitronenfalter 1.2009

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1.2009

Was Kirche für morgen heute bewegt

Zitronenfalter Vergeld‘s Gott

Erfolg mit Geldvermehrung Fundraisingpfarrer Helmut Liebs über Neuorientierungen

Trachtet am Ersten … Erfahrungen mit einem anstößigen Jesuswort

Sauberes Geld Geldanlagen auf dem ethischen Prüfstand


Thema: Vergeld‘s Gott

Editorial und Inhaltsverzeichnis Liebe Leserinnen und Leser, Gott oder Geld? Man reibt sich in den letzten Wochen oft verwundert die Augen: Da reden alle davon, wie viel Vertrauen verloren ging, wie wichtig es sei, dass alle wieder Glauben und die Hoffnung gewinnen … Nein, geredet wird nicht von einer neuen Form der Spiritualität, nicht von weltweiten geistlichen Aufbrüchen. Man spricht von dem Glauben an den Wert einer Aktie, von dem Vertrauen, das man dringend braucht, damit wieder Kredite vergeben werden. Auf einmal werden alle, die am Geldgeschäft teilnehmen, zu einer großen Glaubensgemeinschaft. Der Glaube an die Macht des Geldes und der Börsenkurse verbindet uns weltweit von China über Russland bis Brasilien, die USA, Europa und Afrika. Gott oder Geld? Was bestimmt uns mehr, worauf vertrauen wir mehr? Was hilft uns, positiv in die Zukunft sehen zu können? Ist es der Glaube daran, dass die Börsenkurse schon wieder hoch gehen werden – oder ist es unser Glaube an Gott und Jesus Christus? Vielleicht ist das alles auch zu einfach gefragt. Vielleicht geht auch beides zugleich. Wenn wir auf Jesus schauen, so gibt es genügend Beispiele, dass er Geld – auch die Steuer für den römischen Unterdrückungsstaat – nicht grundsätzlich abgelehnt hat. Aber eines wurde er nicht müde: zu warnen vor der Gefahr der Bindung an das Geld. Wem opfern wir Zeit und Einsatz? Dem Geld oder Gott? Was bestimmt letztlich unser Handeln? Gott oder das Geld? Von wem sind wir letztlich abhängig – auch in unserer Kirche? Dieser Zitronenfalter will uns hier in ganz unterschiedlicher Weise zum persönlichen Nachdenken bringen. Er will in unserer Kirche einen Diskussionsprozess anstoßen, so dass wir nicht mehr sagen: „Geld hat man, darüber redet man nicht”. Wir müssen mehr über das Geld reden, das wir haben, und über Geld, das wir gerne haben würden. Nicht zuletzt aber ist auch über das Geld zu reden, das anderen, Ärmeren, fehlt, mit dem Ziel, dass es in Welt und Kirche gerechter zugeht und deutlich wird: Die Kirche steht auf der Seite der Armen!

Friedemann Stöffler

Fundraising erwächst aus dem Glauben

Heftthema: Vergeld‘s Gott Editorial

Seite 2

Helmut Liebs, erster Fundraising-Pfarrer unserer Landeskirche, benennt theologisch-biblische Grundlagen des kirchlichen Spendenmanagements und erzählt im

Fundraising erwächst aus dem Glauben – Interview mit Helmut Liebs

Seite 3

Bares für Wahres – Geld sinnvoll investieren

Seite 5

Kleines ABC der Finanzaktionen

Seite 7

Wer gibt, gewinnt – Für eine Kultur der Großzügigkeit

Seite 8

Gott oder dem Geld dienen?

Seite 9

Interview mit Marc Stippich begeistert von Neuorientierungen und Erfolgsmodellen

Pro & Contra Streitfall Kirchensteuer

Seite 10

Bausteine Trachtet am Ersten nach Gottes Reich – Erfahrungen und Impulse

Seite 12

Aus dem Leben einer Kaffeemaschine

Seite 14

Sauberes Geld – Geldanlagen auf dem Prüfstand

Seite 15

Den Zehnten geben, bringt‘s das?

Seite 16

Kfm intern Gegen Finanzneutralität bei Umgemeindungen

Seite 17

Veranstaltungshinweis: Adrian Plass im Ländle

Seite 17

Liturgie und Predigen kann man lernen – Ein Angebot von KarlFriedrich Schaller

Seite 18

Impressum

Seite 19

Zu guter Letzt

Seite 20

Besuchen Sie unsere Homepage Online finden sich unter www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter zum Heftthema noch weitere Artikel – u.a. ein Interview mit OKR Dr. Martin Kastrup zur aktuellen Finanzsituation unserer Kirche und ein Artikel mit Informationen über die konkrete Gestaltung von nachhaltigen Geldanlagen.

in der Finanzmittelbeschaffung. Herr Liebs, Fundraising erscheint in letzter Zeit häufig als Zauberformel für Geldvermehrung. Was hat es damit auf sich? Es wäre schön, wenn es eine Zauberformel gäbe. Denn die Frage der Geldvermehrung begleitet die Kirche von Anfang an, und sie hat stets neue Antworten darauf gefunden. Mit „Geldvermehrung“ spielen Sie auf das Gleichnis von den anvertrauten Talenten an. Meines Erachtens verdeutlicht es, dass der Mensch der anbrechenden Herrschaft Gottes in der Weise entsprechen soll, dass er seine ihm anvertrauten Gaben aktiv vermehrt. Das ist ein Tun in der Zwischenzeit, das ist das irdisch Vorläufige angesichts des himmlisch Endgültigen. In jüngerer Zeit haben mehrere Kirchengemeinden das Gleichnis „getestet“ – mit stets erstaunlichem Erfolg. Paulus hat zugunsten der verarmten Jerusalemer Urgemeinde das bis heute erfolgreichste Fundraisinginstrument eingesetzt: die mündliche und briefliche Direktkommunikation. Man lese einmal nach in Gal. 2,10; 1. Kor. 16,14; Röm. 15,25ff; Apg. 24,17 und vor allem in 2. Kor. 8 und 9. Ist in der Diskussion um Fundraising nicht eine Menge heißer Luft? Im Anschluss daran, dass Paulus seine Geldsammlung klar von Christus her begründet, wollen wir als Kirche nur Fundraising machen, das theologisch nachvollziehbar ist – und eben nicht heiße Luft. Damit wir in unserem Tun Gott dienen und nicht dem Mammon, ist für mich kirchliches Fundraising zuerst und zuletzt ein Bitten um und Empfangen dessen, was Gott – der erste Geber und letzte Empfänger all unseres Seins und Habens – geschenkt hat, bei allem Respekt vor dem eigenständig Erwirtschafteten. Ich habe in meiner seitherigen Arbeit – jährlich besuche ich etwa hundert Kirchengemeinden – keine Gemeinde erlebt, die sich nicht mit mir einig war, dass Fundraising eine dem Glauben folgende Tätigkeit ist. Es ist kein Zufall, dass das Motto der Stiftung der Evangelischen Landeskirche lautet: „Aus Glaube. Aus Liebe. Aus Überzeugung.“

Seit April 2006 sind Sie Fundraisingpfarrer unserer Landeskirche. Was kann eine Gemeinde durch organisiertes Fundraising bewegen? Kühn gesagt: alles. Jedenfalls sofern sich Menschen mit einer Überzeugung und einem Anliegen nicht scheuen, nach Mitstreitern zu suchen, um ihr Vorhaben gemeinsam zu verwirklichen: Ausbau eines Kindergartens, Erhalt einer Diakonenstelle, Erweiterung der Orgel, Neubau eines Gemeindehauses oder Partnerschaft mit einer Kirche in Übersee. Im angelsächsischen Raum heißen Stellen, wie ich sie innehabe, vielfach „Development Office“. Weil man erkannt hat, dass sich eine Organisation im Zuge des Fundraising automatisch weiterentwickelt: hinsichtlich ihres Selbstverständnisses, ihrer Visionen, ihrer Ziele, ihrer Projekte, ihrer Maßnahmen und ihrer Mitglieder bzw. Förderer.

Fundraising ist eine Tätigkeit, die dem Glauben folgt

Welche Formen des Fundraising gibt es, wie setzt man sie sinnvoll ein? Fundraising ist vordergründig Mittelbeschaffung (to raise – sammeln, einwerben, beschaffen; funds – Mit-

tel). Eigentlich aber geht es um dauerhafte und vielfältige Beziehungen. Beziehungen zu Menschen, die Geld geben können, die Zeit, Kenntnisse, Kontakte oder Begabungen schenken oder die Material bzw. Dienstleistungen spenden. Will man eine Orgel


bauen, empfiehlt es sich, Orgelpfeifenpatenschaften anzubieten. Über diese können sehr viele Menschen mit unterschiedlichen Beträgen quasi „Teil der Orgel“ werden. Eine Tombola für neues Spielgerät im Kindergarten liegt nahe, wenn am Ort viele Einzelhändler sind, die die Gewinne stiften. Mit einem Unternehmen eine Sponsoringpartnerschaft zu vereinbaren, könnte bei einem diakonischen Projekt sinnvoll sein, weil sich das Unternehmen davon einen Imagetransfer verspricht.

Es gibt landesweit messbare Erfolge

Gibt es messbare Erfolge bei einem professionell aufgezogenen Fundraising? Wir können innerhalb der Landeskirche zwei Erfolge in der Fläche messbar belegen. Der 2007 in nahezu allen Gemeinden eingesetzte „Freiwillige Gemeindebeitrag“ erzielte hervorragende Ergebnisse. 15,6 Prozent der Angeschriebenen spendeten – und zwar durchschnittlich 46 Euro. Im Schnitt hat jede Gemeinde ihren Ertrag gegenüber der bisherigen Ortskirchensteuer um 68 Prozent gesteigert. Eine enorme Entwicklung nimmt auch das Stiftungswesen. Zehn neue Stiftungen im Jahr 2008 – so viele wie 2001 bis 2007 zusammen – haben binnen eines Jahres zwei Millionen Euro gesammelt. Zu diesen beiden Fundraisingerfolgen kommen viele sehr gute Spendensammlungen in Dutzenden Kirchengemeinden. Es macht wirklich große Freude, das zu beobachten. Welche Möglichkeiten ergeben sich durch Fördervereine, welche durch Stiftungsgründungen? Zu einem Förderverein oder einer Stiftung rate ich, wenn ein langfristiges Vorhaben gesichert werden soll.

Wobei ein Förderverein in der Regel recht viele Menschen gewinnt, die vergleichsweise geringe Mittel geben, dafür aber ziemlich stark engagiert sind. Wer hingegen eine Stiftung errichtet – wo das Kapital ja nicht aufgezehrt werden darf, sondern allein die Zinsen verwendbar sind – zielt eindeutig auf vermögende Menschen, und die sind möglicherweise nicht so zahlreich. Dafür aber sind Stiftungen ein geeignetes Mittel um darauf hinzuweisen, dass man die Gemeinde auch testamentarisch bedenken kann. Veröffentlichungen und Weblinks Michael Urselmann, Fundraising, Bern Stuttgart Wien 2007 Helmut Liebs, Damit die Kirche im Dorf bleibt: Fundraising, Stuttgart 2007 (Bestellung über www.evmedienhaus.de) Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), Die Zukunft beginnt heute (epd Dokumentation Nr. 3), Frankfurt 2009 www.landeskirchenstiftung.de www.stiften-macht-sinn.de www.spenden-macht-sinn.de www.fundraisingpraxis.de Pfarrer Helmut Liebs, seit 2006 Fundraiser unserer Landeskirche, bekommt dankbare und glückliche Reaktionen von Menschen, weil sie sich finanziell für eine sinnvolle Sache engagieren können. OKR Kastrup zur finanziellen Lage unserer Kirche Unser Synodaler Reiner Klotz im Gespräch mit OKR Dr. Martin Kastrup – nachzulesen unter www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter

Thema: Vergeld‘s Gott

Bares für Wahres Neue finanzielle Ressourcen für Kirche und Gemeinden – woher nehmen? Oft ist der Horizont eingeschränkt auf Opfer und Spenden. Reinhold Krebs zeigt vier Spielfelder für ein umfassendes Fundraising-Konzept auf, das neue Quellen erschließen hilft. Vor rund 15 Jahren starteten die ersten Fördervereine in unserer Württembergischen Landeskirche. Heute sind es weit über 100, im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (ejw) werden bereits rund 20% der Stellen über Fördervereine finanziert. Ein geschichtlicher Umbruch, der vielen, auch in der Kirchenleitung, noch nicht bewusst ist. Von einer wirklichen Förderung der Fördervereine aber sind wir in der Kirche noch weit entfernt.

Finanzen von oben und von unten Vielen erscheinen sie noch irgendwie eigenartig und seltsam. Quantitativ ist es – verglichen mit dem kirchlichen Haushalt – freilich noch „Kleingeld“, was hier zusammenkommt. Die Frage ist jedoch, was Zukunft hat: was schrumpfen und was wachsen wird. Der gesellschaftliche Trend ist klar. Der Staat will immer weniger Betreuungsstaat mit hohen Steuern sein, eher „aktivierender Staat“, der einen optimalen Rahmen für’s Eigenengagement der Bürger schafft. Das Gründen von Stiftungen wurde z.B. erleichtert und löste einen Boom aus. Von den 16.000 Stiftungen in Deutschland wurden 1.134 allein 2007 gegründet. Auch das Absetzen von Spenden wurde dras-

tisch verbessert. Selbst Firmen werden – unter dem Stichwort „corporate social responsibility“ – an ihre Verantwortung für’s Gemeinwohl erinnert. Dass die meisten Kirchen weltweit keine Finanzierung per Zwangsabgabe (Steuer) kennen, gibt zu denken. Eine Steuer trifft zwar solidarisch alle. Aber „Gott hat fröhliche Geber lieb“ (2. Kor. 9,7), und Paulus betont die Freiwilligkeit. Kurzum, wir sollten für den „Steuerregen von oben“ dankbar sein. Wird er jedoch dünner, werden die „Quellen von unten“ als künftige Ressourcen immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur um „Geldbeschaffung“, sondern auch um geistliche Fragen: • Ich kann andere nur wirklich zum Geben animieren, wenn ich’s selber tue. Ist uns das, was wir machen, so wichtig, dass sich unser Geldbeutel dafür öffnet? Oder muss die Vision dahinter noch stärker werden? • Können wir die Ziele unserer Arbeit klar kommunizieren? Oder müssen wir hier noch deutlicher formulieren? • Präsentieren wir uns mutig in der Öffentlichkeit? Viele FundraisingAktionen sind „öffentliche Verkündigung”, weil wir dabei vielen unsere Ziele vermitteln, die wir sonst kaum erreichen.

Für eine echte Förderung der Fördervereine


Im Folgenden beschreibe ich vier leistungen von Betrieben) gehören zu Finanzarenen, die bei einem Fundrai- dieser Arena. sing-Konzept zu beachten sind:

Arena 1: Spendenmanagement

Anderen zu sinnvollen Investitionen verhelfen

Zu diesem „Spielfeld“ gehören das klassische Opfer im Gottesdienst, die projektbezogene Einzelspende sowie der (seltener werdende) Dauerauftrag. Schon Paulus hat zwei Briefkapitel für die Spenden-Überzeugungsarbeit aufgewendet (2. Kor. 8f.). Eine zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsarbeit ist hier von zentraler Bedeutung. Weniger im Blick sind i. d. R. Firmenspenden. Viel Potential steckt allgemein im Bereich der Sachspenden – von der Altmaterialsammlung (warum nicht ’mal Handys?) über Flohmärkte, z.B. für CDs oder Bücher. Sachspenden können heute auch über Ebay verkauft werden, wenn sich das eine Gruppe auf die Fahnen schreibt. Viel Beziehungsarbeit und Fingerspitzengefühl braucht es, wenn wir beim Erben – also im Testament – vorkommen wollen. Generell müssen wir uns hierbei nicht nur als Bittsteller verstehen, sondern als Menschen, die anderen helfen, ihr Geld sinnvoll zu investieren. Ein weiter Bereich sind Finanzierungsaktionen. Von der Orangenaktion über Benefiz-Konzerte bis zur Arbeitsverleih-Aktion, vom Entenrennen (www.fundracing.de) über Sponsorenrallyes, vom MuttertagsMittagessen bis zur Pizza-ServiceAktion und zum Kuhfladen-Lotto (www.kuhfladenlotto.de) können hier spannende Projekte entstehen. Auch Mitgliedsbeiträge (z. B. von Fördervereinen) und „Zeitspenden“ (also die gesamte ehrenamtliche Arbeit, aber z. B. auch kostenlose Dienst-

Arena 2: Zuwendungsmanagement In diesen Bereich fallen Zuwendungen von Institutionen wie Kirche, Staat, Kommune und EU sowie Stiftungen, also alles, was zu beantragen ist. Lobby-Arbeit wird hier wichtig: unsere Anliegen gezielt den Entscheidungsträgern zu Gehör zu bringen und Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Das betrifft z. B. die Kirchenbezirkssynode und andere Gremien. Zuschüsse der Stadt, Töpfe des Landkreises und des Landes (z. B. Landesjugendplan etc.) sollten bekannt sein. Recherche lohnt sich – und hilfreich sind Menschen, die Anträge lieben … Gemeinnützige Organisationen können sich bei Gerichten eintragen, um etwas aus dem Topf der eingezogenen Bußgelder zu bekommen. Wer an Stiftungen herantritt, sollte die Zusammenarbeit suchen und nicht nur Geld abzapfen wollen. Man kann auch an „Standard“-Töpfe herantreten durch Anträge bei der „Aktion Mensch“, der Jugendstiftung Baden-Württemberg oder dem Innovationsfond der Landeskirche. Wer darüber hinaus zeitlich befristete Ausschreibungen (von Bund und Stiftungen) und gar EU-Fördertöpfe in den Blick nimmt, landet in einem Dschungel mit vielen Goldadern. Aber es gibt ja Menschen, die gerade in einer solchen Ausgangslage zu ihrer Höchstform auflaufen.

nische Stiftungen erwirtschaften aktuell im Schnitt rund doppelt so viel Gewinn wie die deutschen. Es gilt, bei Geldanlagen generell abzuwägen zwischen einer soliden und politisch korrekten Anlageplanung und dem „Wuchern mit dem anvertrauten Pfund“.

Arena 4: Erlöse am Markt Hier geht es um die Frage, wo wir am Markt aktiv sind und eine Leistung gegen Bezahlung anbieten. Das betrifft Eintritte für Veranstaltungen, den Verkauf beim Weihnachtsmarkt, den Preis für eine Freizeit oder ein Seminar, den Mietpreis für Räume oder Material und das „Merchandising“ (Produkte mit eigenem Logo, von der Chorkleidung bis zum Kalender). Auch

Reinhold Krebs (ejw-Landesreferent), seit den Flohmärkten in seiner Jugend von Finanzaktionen begeistert. Das Bild auf S. 6 stammt vom Kuhfladenlotto in Baltmannsweiler-Hohengehren (Foto: A. Strobel). Links ein Eindruck vom GummiEntenrennen in Kiel-Oben (Foto: Dr. K. Voss).

Fundraising ist mehr als Geldbeschaffung

Kleines ABC der Finanzaktionen Hier ein paar Ideen, wie Gelder für wichtige Projekte selbst gewonnen werden können. Noch mehr Projektideen finden sich unter

Arena 3: Kapitalmarkt

www.kirchefuermorgen.de/zitronenfalter.

Geld richtig anzulegen – gerade bei größeren Rücklagen oder Stiftungsvermögen – ist ein weiteres Feld, das gestaltet sein will. Amerika-

Aktien verkaufen Projekt-Aktien gestalten und zum Verkauf anbieten. Jährlich gibt es dann eine „Aktionärsversammlung“ mit „Kuchen-Dividende“ und Berichten. Babysitter-Service Zuerst die Schulung (ein bisschen Psychologie, Säuglinge wickeln) nach dem Motto „Was tue ich, wenn …“. Dann den Service (und die „Babysitter“) im Gemeindebrief oder örtlichen Mitteilungsblatt anbieten – gegen eine Spende für’s Projekt.

Sponsoring von Firmen fällt darunter, wenn diese bei uns Raum zur Werbung bekommen und dafür zahlen. Dabei sind zwei Überlegungen wichtig: Wo wollen wir unsere Preise bewusst sozial gestalten und wo ist es legitim, durch gehobene Preise höhere Einnahmen zu erzielen? Steuerrechtliche Fragen sind außerdem mit zu bedenken – z. B. sollte man im Falle eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auf die Höchstgrenzen für Steuerbefreiung achten. Es ist ein weites Feld, das die genannten vier Arenen aufzeigen. Wer über neue Quellen nachdenkt, sollte das jedenfalls gründlich tun, am besten im Team. Deutlich wird: Es geht beim Fundraising nicht nur um nüchterne Geldbeschaffung. Vielmehr können viele über spannende Projekte mit hoher Öffentlichkeitswirksamkeit ihre Gaben einbringen.

CD-Flohmarkt Klein, aber fein: CDs brauchen keinen großen Lagerraum. Können über Bekanntmachungen und persönliche Kontakte, bei Plattengeschäften, Musikverlagen und eventuell auch durch eine angemeldete Straßensammlung gesammelt werden. Der Flohmarkt findet bei einem Straßenfest oder in den eigenen Räumlichkeiten statt.

Konzerte für einen guten Zweck Ein Benefiz-Konzert organisieren, dafür örtliche Chöre/Solisten/ Ensembles/Bands und vielleicht auch ein bekannteres „Zugpferd“ gewinnen. Muttertags-Mittagessen Am Muttertag gegen einen Spendenbetrag ein Mittagessen im Gemeindehaus anbieten und an das schlechte Gewissen aller Kinder und Väter appellieren. Ein Tag Küchenurlaub … Nikolaus-Aktion Für den 6. 12. sämtliche rote Mäntel in der Verwandt- und Bekanntschaft ausleihen – und die „Rent a Nico“-Aktion starten. Braucht eine exakte Zeitplanung und eine kleine (Stimm-)Schulung für die Nikoläuse. Die Ideen stammen aus Krebs /vom Schemm „Aktivgruppen“, Edition Im_puls, Stuttgart 2006


Thema: Vergeld‘s Gott

Thema: Vergeld‘s Gott

Wer gibt, gewinnt – für eine Kultur der Großzügigkeit „Geben“ ist ein delikates Thema. Großzügige Menschen, also Menschen, die sich das Geben zur Gewohnheit gemacht haben, sind eher selten. Cyrill Schwarz hat sich über die Kultur des Gebens Gedanken gemacht.

Wer viel bekommt, kann auch viel geben

Die Grundlage unserer westlichen Kultur ist der christliche Glaube. Zentrum dieses Glaubens ist Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Damit hat Gott seine Großzügigkeit deutlich gemacht: „Also hat Gott die Welt geliebt…“ ( Joh. 3, 16). Gott gibt reichlich, er gibt in der Fülle und ohne Bedingungen. Dem Handeln Gottes in Liebe und Erbarmen kann der Mensch mit einer großzügigen Lebenshaltung entsprechen. Gott legt vor – wir können uns an ihm orientieren. Das Motto könnte sein: Wer viel bekommt, kann auch viel geben!

2. Wir müssen Hilfestellung in Sachen Finanzen geben Dazu können wir die bereits vorhandenen Kompetenzen in Sachen Finanzen nutzen und Seminare oder Workshops anbieten zu Themen wie z. B. Umgang mit Besitz, Reichtum in der Bibel oder konkrete Beratung in Finanzangelegenheiten. 3. Wir dürfen Erfolge kommunizieren und feiern Wenn sich großzügige Geber engagieren und Projekte deshalb erfolgreich verlaufen, dann ist das in erster Linie ein Grund, dankbar zu sein! Das darf man dann auch mal laut sagen. Jeder soll wissen: Großzügige Geber sind bei uns willkommen. Es lohnt sich, in unsere Projekte zu investieren.

4. Wir brauchen Vorbilder Da das großzügige Geben in unserer Kultur nicht unbedingt fest verankert ist, brauchen wir Vorbilder. Am besten, jeder beginnt bei sich selber, und stellt sich Fragen: • Bezeichne ich mich selbst als Was bringt das Geben? großzügig? • Wann bin ich es? Wann eher Geben ist eine wichtige Möglichnicht? keit, Entwicklungen gezielt zu be- • Wofür gebe ich mein Geld aus? einflussen. So kann man bestimmte • Mit wem kann ich darüber reden? Projekte fördern (Reformation der Kirche), jemandem aus einer Notlage Wie schnell kommen wir ans Ziel? helfen (Katastrophenhilfe) oder eine Lücke auffüllen (Fördervereine). AuEine Kultur des großzügigen Geßerdem stiftet Geben Gemeinschaft bens entsteht nicht von heute auf zwischen dem Einzelnen und dem morgen. Es ist ein langfristiges Ziel, Kollektiv. Es entsteht eine Beziehung die Gesellschaft an diesem Punkt zu zwischen Geber und Empfänger. verändern. Im christlichen Kontext sind aber die Voraussetzungen dafür gut, weil wir zu einem Gott gehören, Eine Kultur der Großzügigkeit der gerne gibt und dabei nicht geizt. 1. Wir müssen das Thema ins Ge- Das ist letztlich auch der Grund, spräch bringen hartnäckig an diesem Thema dranDen Menschen muss klar sein, zubleiben und großzügiges Geben wofür sie spenden sollen und was sie einzuüben. damit bewirken können. Es müssen ein konkretes Projekt und der konCyrill Schwarz, Fundraising Makrete Finanzbedarf kommuniziert wernager (FA) und Jugendreferent in den. Das Thema „Geben“ kann auch Leonberg. Er ist verantwortlich in Gottesdiensten, Bibelabenden und für die Tree Jugendgemeinde, Hauskreisen thematisiert und eine Projekte, Fundraising und ÖffentlichkeitsEthik des Gebens entwickelt werden. arbeit.

Gott oder dem Geld dienen Wie wir Gott mit dem Geld dienen können, darüber macht sich Andreas Kammer Gedanken, der sechs Jahre lang Lebenserfahrung in Afrika gesammelt hat. Verhaltensregeln, die wir in unserer Kindheit erlernt haben, stellen wir normalerweise nicht in Frage – zum Beispiel, dass man zum Naseputzen ein Taschentuch verwendet. Eine ähnliche Prägung erfahren wir beim Umgang mit Geld. In Europa haben Geld und Besitz einen sehr hohen Stellenwert, was sich unter anderem auch in unserem Strafrecht widerspiegelt – z. B. kann der unbefugte Gebrauch eines Fahr-

ihn nicht tatsächlich abgebe? Bin ich wirklich bereit, meinen wertvollsten Besitz zu verkaufen, um Jesus mit ganzem Herzen zu folgen? Ein guter Indikator für unsere innere Bereitschaft ist unsere Praxis des Opferns. Wenn es wahr ist, dass letztlich alles Gott gehört, gibt es für uns Christen keinen Besitz, sondern nur Leihgaben. Den Zehnten geben heißt, die Hände wegnehmen von dem, was schon immer Gott gehört. Ein guter Freund hat einmal erzählt, wie er seinen Söhnen eine Riesenportion Pommes Frites bestellt hatte. Als er selbst auch eine davon nehmen wollte, protestierten sie: „Wenn du Pommes willst, musst du dir selbst welche kaufen!”

Strategisch anlegen

rads mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Ganz anders in Afrika: Dort wäre es völlig legitim, dass ein Verwandter beim Besuch das eben erst erstandene Radio mitnimmt, weil er meint, dass er es braucht.

Die Brille unserer Prägung

Vielleicht sollten wir in Europa auch das Gleichnis von den anvertrauten „Talenten” nicht immer nur übertragen verstehen. Wir werden vor Gott auch dafür Rechenschaft ablegen müssen, wo und wie wir das uns anvertraute Geld angelegt haben. Setzen wir es im Reich Gottes ein, dann wird es eine Rendite bringen, von der man in der Finanzwirtschaft nur träumen kann (vgl. Mt.13, 8)!

Eine neue Sicht: Leihgaben statt Besitz

Das Problem ist, dass wir die Aussagen der Bibel über den Umgang mit Geld immer mit der Brille unserer eigenen Prägung lesen. Wir neigen dazu, die Aussagen an unsere Prägung anzupassen, statt unsere Prägung an die biblischen Aussagen. Wir Europäer nehmen z. B. das 8. Gebot gegen das Stehlen sehr ernst, während ein Afrikaner versucht ist, es zu relativieren, etwa so: „Ich habe das Geld dringend für etwas anderes gebraucht und hatte ja auch vor, es irgendwann zurückzugeben.” Wenn andererseits wir die Geschichte des „reichen Jünglings” lesen, relativieren wir schnell die Andreas Kammer war als Dozent an einer Aussage Jesu: „Verkaufe alles und theologischen Ausbildungsstätte in Angola tätig. Seit September 2008 ist er folge mir nach!”

Nicht am Besitz hängen Natürlich geht es letztlich darum, dass wir unser Herz nicht an den Besitz hängen. Wie aber schaffe ich es, nicht am Besitz zu hängen, wenn ich

Pfarrer in Heidenheim-Mergelstetten und Geschäftsführer von Overseas Council Europe, einer Organisation, die weltweit die Ausbildung christlicher Leiter fördert. Die Bilder zeigen Familie Kammer am Kilimanjaro und Andreas Kammer im Gespräch mit seinen Studenten in Angola.


Pro & Contra

Streitfall Kirchensteuer Ca. 70 % des Einkommens der Kirchen kommt über die Kirchensteuer. Das Finanzamt übernimmt im Auftrag der Kirchen den Einzug und bekommt dafür einen Ausgleich. Der staatliche Steuereinzug auf der Grundlage der Einkommens- bzw. Lohnsteuer ist eine deutsche Besonderheit, die immer wieder diskutiert wird. Auch innerhalb der Kirchen gibt es kritische Stimmen. Drei pointierte Positionen wollen zur Diskussion anregen.

Unabhängige Grundlage – Prof. Dr. Martin Plümicke 1. Kirchensteuer stärkt demokratisch gewählte Gremien Unser heutiges System ermöglicht es, einen Großteil der kirchlichen Finanzen in gewählten Gremien frei zu verteilen und so Schwerpunkte kirchlicher Arbeit zu setzen. Würden wir unser System auf einen freiwilligen Beitrag umstellen, würden Spender und Spenderinnen selbst entscheiden, wofür sie bereit sind, Gelder zu geben und wofür nicht. 2. Kirchensteuer gibt Unabhängigkeit Noch problematischer könnte sich die Abhängigkeit bei der Verkündigung auswirken. Wäre beispielsweise ein EKD-Ratsvorsitzender in der Lage, Auswüchse unseres Wirtschaftssystems zu kritisieren, wenn er gleichzeitig wüsste, dass genau die kritisierten Menschen freiwillig einen Großteil der kirchlichen Finanzierung bereitstellen? Oder wären PfarrerInnen bereit, sich für Flüchtlinge einzusetzen, wenn sie wüssten, dass Gemeindeglieder, die ihr Gehalt finanzieren, dem eher kritisch gegenüberstehen? 3. Schwierige Umstellung Ich gehe davon aus, dass zumindest in den ersten Jahren nach einer Abschaffung der Kirchensteuer enorme finanzielle Einbrüche hinzunehmen wären. Wie sollten wir dann unsere Aufgaben finanzieren? Wir haben Ver-

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1. Der Imageschaden wird immer größer. Wer mir zwangsweise Geld abknappst (wie Versicherung, Finanzamt und Müllabfuhr), zu dem habe ich emotional ein Verhältnis, wie man es zu Bürokraten nun mal hat: achselzuckende Geringschätzung, stiller Ärger, heftiges Anspruchsdenken. Da die Kirchen es kaum schaffen, die Verwendung ihrer Einnahmen transparent oder gar populär zu machen, verfängt ihr Argument der „Solidargemeinschaft“ nicht: Von der schwätzen die Pflicht-

3. Die Erwerbstätigkeit junger Leute be- Andreas Malessa, Hörfunk- und TV-Journalist bei ginnt später, die subtile Verarmung in der SWR, HR und Deutschland Radio Kultur, Mitglied Lebensmitte früher und die Rentner werden in einer Freikirche (Baptisten)

Fördern statt verhindern – Leitungskreis von Kirche für morgen

pflichtungen unserem Personal gegenüber. Viele Mitarbeitende sind unkündbar. Ebenso müssen Pensionen bezahlt werden. 4. Festsetzung ändern Derzeit wird die Höhe der Kirchensteuer faktisch vom Staat bestimmt. Hier wäre aus meiner Sicht eine eigenständige Festsetzung durch kirchlich gewählte Synoden durchaus denkbar. Prof. Dr. Martin Plümicke, Professor für Informatik an der Berufsakademie Stuttgart / Horb, Sprecher des Gesprächskreises Offene Kirche in der Württembergischen Landessynode

Langfristiger Abschied – Andreas Malessa Natürlich wäre es naiv und katastrophal, ad hoc die Kirchensteuer abzuschaffen. Langfristig aber sollte man sich von ihr verabschieden.

versicherer seit Jahrzehnten. Und trotzdem mehr. Sich angesichts dieser Entwicklung kriegt die geringverdienende Alleinerziehen- einzig auf den schmelzenden Sockel der Einkommensteuerzahler zu verlassen, ist kurzde keine Kur und Oma keine neue Hüfte. sichtig. 2. Die Spendenbereitschaft und das ehrenamtliche Engagement nehmen zu, aber 4. Innere Bindung und spendenfreudige die Kirche kriegt zu wenig ab. Nach jeder Na- Identifikation gibt’s immer nur freiwillig. „Kirchturkatastrophe und vor jedem Weihnachtsfest geld“-Einsammler zu DDR-Zeiten können ein stellt man staunend fest, wie viele Millionen Lied davon singen. Freikirchen auch. Eine BeEuro freie (und säkulare) Hilfswerke zu holen hörde aber, die mir jeden Monat im Gestus wilimstande sind. Warum nämlich, so fragt helminisch-hoheitsrechtlicher Arroganz begegsich Otto Normalo, soll ich denjenigen noch net, wird nur schwer „die Herzen erreichen“. obendrauf Geld spenden oder Zeit schenken, Insofern glaube ich sogar, dass die Kirdie sich schon meine Kirchensteuer geholt chensteuer manche Menschen für das Evanhaben? gelium immunisiert.

1. Wir sind für die Erhaltung des staatlichen Kirchensteuereinzugs als eine Möglichkeit der Kirche, sich zu finanzieren, und wir sehen darin große Chancen, • da er die Stärkeren stärker belastet, • wegen der Unabhängigkeit der Gemeindeleitung von reichen Spendern, • um als Volkskirche – anders als Freikirchen – flächendeckend präsent zu sein. Lassen wir die Kirche im Dorf. 2. Wir halten Zwangsstrukturen für problematisch und einer „Kirche der Freiheit“ für nicht würdig, • dass Personen allein aufgrund der Kindertaufe zur Kirchensteuerzahlung verpflichtet sind, ohne später je gefragt worden zu sein, • dass die Kirchensteuer auch bei Ummeldungen zwangsweise ohne Befragung der Mitglieder an die Parochiegemeinde fließt und die Wahlgemeinde finanziell leer ausgeht, • dass der Kirchenaustritt auf dem Standesamt geschieht. 3. Wir sind dafür, eine mindestens gleich starke zweite Säule der Finanzierung zu eröffnen: • Unser 1-Euro-Modell – jeder gespendete Euro wird durch Kirchensteuermittel verdoppelt – wird von der Kirchensteuer mittelfristig unabhängiger machen. • Freifinanzierte Stellen und Fördervereine sollten von unserer Kirche gezielt finanziell und strukturell unterstützt und nicht behindert werden. 4. Kirche ist nur dann Kirche, wenn sie auf der Seite der Armen steht. Kirche ist immer Kirche für andere (vgl. Bonhoeffer). Aufgrund dieser Definition muss die Kirche sich immer fragen: • Versperrt unser Reichtum die Hinwendung zu den Armen?

• Geht es uns mehr um die Sicherung von Gebäuden und Pensionen als um’s Dasein für andere? • Macht uns der Besitz von Immobilien immobil? • Dient unser Reichtum wirklich dem Bau des Reiches Gottes? 5. Jesus sagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Die Kirche ist dann zur Dienerin des Mammon geworden, • wenn sie durch und wegen der Kirchensteuer zum behördlichen Beamtenapparat mutiert ist, • wenn sie aus Angst vor Kirchenaustritten eine profilierte Stellungnahme zu gesellschaftlichen und ethischen Fragen verweigert, • wenn das Argument der Finanzen das theologische und geistliche Argument ersetzt, • wenn durch finanzielle Entscheidungen Gemeindewachstum behindert und nicht gefördert wird, • wenn durch das bestehende Gehaltsgefüge innerhalb der Kirche bestimmte Berufsgruppen benachteiligt werden. Es gilt für uns persönlich und für unsere Kirche, wach zu sein und wach zu werden und alles zu tun, damit wir Gott dienen und nicht dem Mammon. Der Leitungskreis von Kirche für morgen

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Bausteine

Die Studentin

Trachtet am Ersten nach Gottes Reich Gedanken, Erfahrungen und Impulse zu einem schwierigen Thema, zusammengestellt von Claudia Bieneck. Die Familienfrau

Jesus will

Als Paar mit einem Kind, einem Einkommen und einem überzogenen Konto beschäftigen wir uns ständig mit unseren materiellen Bedürfnissen: Mal fehlt uns das Geld für notwendige Dinge, mal fehlen uns Zeit und Platz, weil wir so viel Besitz angehäuft haben. Wir vermissen gewisse Luxusgüter und haben gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, weil es vielen Menschen dieser Welt weniger gut geht als uns. Auf viele Fragen im Bezug auf den Umgang mit Geld und die Armut in der Welt finde ich im Matthäusevangelium keine Antwort. Zuerst nach Gottes

Reich zu trachten – das soll eigentlich eine Befreiung sein. Wir müssen zwar arbeiten und unsere Finanzen regeln, aber in Gottes Wort und seiner Welt gibt es für uns genug zu entdecken und zu tun. Da können unsere Gedanken gar nicht ständig um Brauchen, Haben, Wollen kreisen. So brauche ich meine Zeit weder mit Sorgen zu verschwenden, die sowieso nichts ändern, noch brauche ich eine Zeitschrift weiter zu abonnieren, weil ich dann eine Digitalkamera erhalte. Es bleibt also eine spannende Gratwanderung. Kendra Sanseverino

seine Jünger vor Sorge bewahren

Als Studentin bin ich eigentlich immer knapp bei Kasse. Seit letztem Jahr verheiratet mit einem Studenten, haben wir zwei zwar ein bisschen mehr Geld, aber es ist nicht wirklich viel. In den letzten Jahren habe ich viel zum Thema Geld gelernt. Oft habe ich mir große Sorgen gemacht darüber, wie ich über die Runden kommen soll. Aber Gott hat mich niemals im Stich gelassen. Manchmal hat mir einfach jemand Geld geschenkt, oder es hat sich etwas anderes ergeben. Aus diesen Erfahrungen heraus bin

ich fest davon überzeugt, dass eine verantwortliche Investition in das Reich Gottes sich immer lohnt. Gott wird dafür sorgen, dass wir genug haben – so erlebe ich ihn! Manchmal schenkt er uns sogar noch mehr, und wir können uns Dinge leisten, die wir eigentlich nicht unbedingt bräuchten. Das Einzige, was Gott möchte, ist, dass wir ihm vertrauen und denen geben, die noch viel dringender brauchen als wir. Der Name ist der Redaktion bekannt

Die Alleinerziehende In den Jahren 2004 bis 2006 lebten meine Kinder und ich unverschuldet von Arbeitslosenhilfe bzw. Hartz IV. Zu Beginn der staatlichen Unterstützung waren meine Kinder 13, 15 und 18 Jahre alt. Im Sommer 2004 wurde mir die Arbeitslosenhilfe gekürzt, da mein Ältester einen vierwöchigen Ferienjob hatte. Der Verdienst, eigentlich für seinen Führerschein gedacht, wurde als Familieneinkommen gerechnet. Schließlich lieh ich mir Geld, damit mein Sohn nicht unter der Situation leiden musste. Schon zum normalen Leben reichte das Geld immer nur gerade so, standen aber besondere Dinge an, wurde es eng. Bei Familienfesten oder Klassenfahrten war ich sehr froh darüber, dass uns liebe Menschen aus dem Freundeskreis finanziell unterstützten. Heute kann ich staunend auf diese Zeit zurückblicken: Gott hat uns immer durchgetragen und uns Menschen an die Seite gestellt, die uns ganz handfest geholfen haben.

Wenn das Geld nicht mehr für „normale Dinge“ reicht

Carmen Lauble

Der Theologe „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“, so beginnt der Abschnitt von der Sorge. Wenn der Mammon das Denken bestimmt und die Maßlosigkeit der Gier sich austobt, dann ist Zerbruch die Folge und Angst greift um sich. Das haben wir jetzt gerade Tag für Tag vor Augen. Dagegen sagt Jesus: „Lasst euch nicht vom Mammon bestimmen. Behaltet das Reich Gottes im Auge. Sorget euch nicht um euer Leben!“ Doch: Kann man das wörtlich nehmen – sich nicht um das Leben zu sorgen? Ist das nicht weltfremd? Müssen wir nicht Entwicklungen aufhalten, die uns bedrohen und uns die Lebensvoraussetzungen rauben?

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Es ist ein befreiendes Wort, das Jesus sagt: „Um euer Leben braucht ihr euch nicht zu sorgen – wenn es mir gehört!“ Jesus will die ihm nachfolgende Schar davor bewahren, in Sorge und Angst zu ersticken. Im Vertrauen auf das Wort Jesu verliert der „Mammon“ sein „Gewicht“, da weicht die Sorge. Sie kann uns nicht mehr lähmend bestimmen, auch wenn sie immer wieder nach uns greift. Und da gibt es dies: Geborgenheit mitten in der Angst, Zuversicht für den nächsten Schritt und Hoffnung über den Tag hinaus. Manfred Bittighofer

Der Unternehmer Das Herz des Mannes ist ein Unternehmer-Herz: Unterlasser ist keine Option. Als Mann bin ich Samenträger und muss das Leben entfalten und die Welt gestalten. In drei Generationen Gartenbau-Familienbetrieb habe ich gelernt, dass nicht aufhören wird: Arbeit und Erholung, Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Was ich nicht gelernt habe ist, dass auf eine Nacht drei hell erleuchtete Tage kommen und auf eine einzige Aussaat fünf gigantische Ernten. Genau das aber hat uns der reiche Teil der Welt als neue, moderne Wirt-

schaftswahrheit verkauft. Deshalb bin ich mit der Finanzkrise in der Tiefe meines Herzens richtig zufrieden – obwohl sie mich natürlich auch trifft! Es wäre eine schwere Unterlassungssünde, jetzt kein radikales Umdenken einzuleiten und zurückzufinden zu einem Lebensrhythmus im Takt der Schöpfung. Unternehmen wir etwas! Nehmen wir das Leben bewusst in die Hand und gestalten es in, mit und unter dem Wirken des Geistes Gottes. Denn mit dem Reich Gottes kommt nicht das Ende, sondern die Zukunft dieser Welt. Manfred Geywitz

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Bausteine

Bausteine

Aus dem Leben einer Kaffeemaschine

Sauberes Geld

Fair mit Geld umgehen, müsste das für Christen nicht etwas Alltägliches sein? Johannes Stahl hat einer Kaffeemaschine zugehört und Erstaunliches zu hören bekommen.

Dass die Geldanlage einer Kirche mit ihren Werten übereinstimmen muss, darüber besteht weitgehend Einigkeit. Aber es gibt unterschiedliche Kulturen der Vermögensverwaltung, der kirchlichen Organisation und der Werte. Antje Schneeweiß zeigt Entwicklungen auf und gibt Hinweise, worauf man achten muss, wenn man sein Geld ethisch anlegen will.

Reich-GottesBohnen schmecken nach Gerechtigkeit

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Wieder so ein trostloser Tag. Nichts als braune Brühe. Kein Wunder, so gedankenlos, wie ich bedient werde. Wasser in den Behälter, Kaffeepulver in den Filter, und los geht’s mit dem Getröpfel. „Mmmh, der duftet“, höre ich eine naiv klingende Stimme sagen. Wenn der wüsste, was mir die Kaffeebohnen erzählen. Es sind trostlose Lieder von Eduscho & Co. Traurige Weisen von mühsamer Handarbeit und mieser Bezahlung, von Pestiziden und Billigstlöhnen. Aber das interessiert hier viel zu wenig. Kürzlich hat einer beim Einfüllen geprahlt: „Voll cool, das Pfund hat nur 2,99 gekostet.“ Was daran cool sein soll, dass der Kaffeebauer an diesem Pfund höchstens 20 Cent verdient, soll mir mal einer erklären. Und der muss von seinem Lohn die Miete bezahlen, seine Familie ernähren, Strom, Wasser, Heizung, Kleider und Schuhe – genauso wie ihr. Dazu das teure Schulgeld für seine Tochter, aber das kann er sich nur leisten, wenn er Tag und Nacht durcharbeitet. Dabei hat er seine Gesundheit auch nur einmal. Kürzlich sagte mir doch meine Kollegin, so eine nette Espressomaschine, dass es bei ihr ganz anders klingt. Ich konnte es zuerst nicht glauben. Ihre Besitzerin, so erzählte sie ganz entspannt, füllt nur gutgelaunte Kaffeebohnen ein. Auf der Packung könne man das den Bohnen schon ansehen, da sei immer so ein „gepa“-Zeichen oder „TransFair“-Siegel drauf. Die Kaffeebohnen erzählten fröhliche Geschichten von Kaffeebauern, die einen anständigen Lohn für harte Arbeit bekommen. Sie arbeiten nicht für Groß-

konzerne, die sie rücksichtslos ausbeuten, sondern in einer Genossenschaft. Jeder, der mitarbeitet, hat eine Stimme in der Genossenschaftsversammlung. Sie bekommen einen fairen Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Sie arbeiten gerne und können ihre Kinder auf die Schule schicken. Wenn sie abends nach Hause kommen, sind sie stolz auf das, was sie geleistet haben und können ihrer Familie in die Augen schauen. Die Kaffeebohnen singen ein Lied davon. Die Espresso sagte noch, ihre Genießerin trinke nicht mehr so viele Tassen wie früher, aber sie sei jetzt genauso zufrieden und entspannt wie die Kaffeebohnen aus der TransFairTüte. Neulich erzählte mir mein Cousin sogar von einer Kaffee-Partnerschaft mit Kamerun, wo Christen mit einer Direktvermarktung mithelfen, dass Menschen in Kamerun von ihrer Arbeit in der Kaffee-Ernte leben können. Ich versteh echt nicht, dass da mein Besitzer noch nicht drauf gekommen ist. Ich würde meine Kaffeebohnen gerne singen hören. Von guten Erntebedingungen, gerechter Bezahlung und fröhlichen Kaffeebauern. Von Gottes Reich, das sich überall ausbreitet, wo Menschen Frieden und Gerechtigkeit über eigenes Wohl und ein paar Euros im Geldbeutel setzen. Ich bin sicher: Reich-Gottes-Bohnen schmecken nach Gerechtigkeit und Frieden. Oder haben Sie noch Lust auf braune Brühe? (siehe auch Kasten rechts). Johannes Stahl, Eschenbach, trinkt gerne fair gehandelten Kaffee

Die christlichen Wurzeln der ethischen Geldanlage liegen im Methodismus begründet. John Wesley, der Gründer des Methodismus, gab in seiner Predigt „Über den Gebrauch des Geldes“ eine Orientierung darüber, wie christliche Überzeugungen in der Vermögensanlage verwirklicht werden sollten. „Geld soll zum größten Vorteil angelegt werden, jedoch nicht auf Kosten unserer körperlichen oder geistigen Gesundheit oder der Gesundheit unserer Nachbarn“ heißt es dort. Konkret hatte Wesley die Investition in Brauereien und Glücksspiel vor Augen, aber auch Rüstungsgüter fielen unter seine Einschränkungen. Ausgehend von diesem frühen Anstoß entwickelte sich in den christlichen Gemeinschaften der angelsächsischen Länder eine ausgeprägte Kultur, das Geld bewusst nach ethischen Grundsätzen anzulegen.

Umdenken auch in Deutschland Während die angelsächsischen Kirchen ihr Vermögen zum Großteil in Aktiengesellschaften investieren, legten ihre bundesdeutschen Kollegen bis in die neunziger Jahre hinein die kirchlichen Gelder ausschließlich in mündelsichere, festverzinsliche Papiere an. Das Problem, in Rüstungsunternehmen zu investieren, stellte sich viele Jahrzehnte lang nicht. Ab den neunziger Jahren investierten auch deutsche Kirchen zunehmend in Aktien. Mit diesem Wandel setzte ein Nachdenken über ethische Kriterien bei kirchlichen Geldanlagen ein. Einige Landeskirchen entschieden sich, nicht in Pornografie oder ausge-

prägte Rüstungsunternehmen zu investieren, andere legten die ersten Ökofonds auf. Die für die Kirchen hierzulande wichtigen Kriterien lassen sich am besten am Vorgehen der kirchlichen Banken ablesen. So entwickelte die protestantische Bank für Kirche und Diakonie (KD) einen Ethikfilter für alle ihre Geldanlagen.

Geld ethisch anlegen Private und kirchliche Anleger sollten folgende Punkte berücksichtigen, wenn sie sich für ein Angebot nachhaltiger Geldanlagen oder für eine nachhaltig arbeitende Bank entscheiden: • Die Bank oder der Investmentfonds sollte seine ethischen Kriterien öffentlich ausweisen. Es sollten unbedingt auch Ausschlusskriterien darunter sein. • Die Bank oder der Investmentfonds sollte nachweisen können, dass alle Wertpapiere von Nachhaltigkeitsexperten nach den ausgewiesenen Kriterien überprüft werden. • Ein Beirat von Nachhaltigkeitsexperten sollte die Vermögensverwaltung in ökologischen und sozialen Themen beraten.

Geld anlegen – aber nicht dem Nachbarn zum Schaden

Literatur-Tipp: „Sauberes Geld – Wege zu einer gerechteren Finanzwelt“ (Dossier mit 16 Seiten bei www.public-forum.de) Antje Schneeweiß, Wissenschaftlerin beim Institut für Ökonomie und Ökumene Südwind in Siegburg mit dem Fachgebiet: Ethische Geldanlagen

Inzwischen sind rund 50 verschiedene Kaffeesorten mit dem TransFairSiegel im Handel, darunter allein sieben entcoffeinierte Mischungen, fünf Espresso-Marken, sieben besonders milde Röstungen und neun Sorten aus kontrolliert ökologischem Anbau. Für den Kaffee erhalten die Produzentenorganisationen mindestens 5 US-cents/Pfund mehr als der jeweilige Weltmarktpreis, in jedem Fall mindestens jedoch 126 US-cents/Pfund. Der Aufschlag auf den Weltmarktpreis wird ohne Begrenzung nach oben bezahlt. Für Kaffee aus biologischem Anbau ist ein zusätzlicher Aufschlag von 15 cents zu zahlen. Importeure und Hersteller müssen Kontrollen von TransFair und unabhängigen Wirtschaftsprüfern zulassen. Zu mehr Infos siehe www.transfair.org; Kamerun-Kaffee: www.kumboja.de

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Den Zehnten geben – bringt’s das?

Gegen Finanzneutralität bei Umgemeindungen

Beim Nachdenken über die Finanzen und den richtigen Umgang mit den uns anvertrauten Gütern kommen wir am biblischen Zehnten nicht vorbei. Seit langem machen Menschen mit dieser Praxis ihre Erfahrungen und erleben Gottes Durchtragen durch schwierige Situationen. So auch die Verfasserin des folgenden Artikels – ihr Name ist der Redaktion bekannt.

In der württembergischen Landeskirche kann man seine Gemeinde frei wählen, sich „umgemeinden“ lassen. Mehr als 12.000 Gemeindeglieder haben davon Gebrauch gemacht. Über Auswirkungen gerade auch in finanzieller Hinsicht hat sich Friedemann Stöffler Gedanken gemacht.

Unsere vier Kinder sind zum Großteil schon aus dem Haus. Wir erlebten mit ihnen viel Fürsorge Gottes und kamen – auch durch die Hilfe der Eltern – in keine materielle Not. Deshalb beschäftigte uns immer wieder

Wo anfangen, wo aufhören beim Geldgeben?

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die Frage nach der „richtigen Fürsorge“ für andere. Obwohl unser Gehalt selten ausreichte, hatten wir über die Jahre kleine Spendendaueraufträge eingerichtet und opferten sonntags im Gottesdienst. Zusammengerechnet ergab das allerdings nicht den zehnten Teil des Pfarrergehalts und ich war oft unzufrieden mit unserer – in meinen Augen beliebigen – Spendenpraxis. Für einige Jahre waren wir dann im Auslandspfarrdienst und wurden dort mit der großen Not der Einheimischen konfrontiert. Die Frage, wo wir anfangen und aufhören sollten, Geld zu geben, bedrängte uns sehr. Wieder zurück in der Heimat suchte ich nach einer Regelung für unsere Spendenpraxis. Da fiel mir wieder der „Zehnte“ ein und ich hatte eine Idee, die ich in Absprache mit meinem Mann dann vor einem dreiviertel Jahr umsetzte. Ein neues Konto wurde eingerichtet: Unser „Spendenkonto“. Der zehnte Teil unseres Nettogehalts geht durch einen Dauerauftrag monatlich auf dieses Konto. Seither fühle ich mich frei und finde es herrlich, dieses Geld zu verteilen. Die Hälfte davon geht als Dauerauftrag an christliche Einrichtungen, über den Rest entscheiden

wir je nach Bedarf. So gaben wir z. B. einer Tochter Spendengeld mit nach Südamerika, eine andere fragte uns nach Unterstützung für eine missionarische Studentenaktion. Das Geben des Zehnten ist für uns kein Gesetz, dessen Erfüllung uns vor Gott besser dastehen lässt. Wir geben aus Freude und Freiheit und fühlen uns von Gott gesegnet. Im Alten Testament war der Zehnte eine Art Steuer, die an die Leviten ging, um den Priesterdienst im Tempel zu versehen. Deshalb steht in 3. Mose 27,30: „Und aller Zehnte des Landes, vom Samen des Landes, von der Frucht der Bäume gehört dem Herrn; er ist dem Herrn heilig.“ Und in Maleachi 3,10 steht: „Bringt den Zehnten ganz in das Kornhaus, auf dass Speise in meinem Haus sei, und prüfet mich doch dadurch, spricht der Herr der Heerscharen, ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun und euch Segen in überreicher Fülle herabschütten werde!“ Im Neuen Testament spielt der Zehnte keine Rolle mehr. Es scheint Jesus Christus auf etwas anderes anzukommen. Aber es gilt immer noch: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (1. Kor. 9,7). Darum möge jeder selbst nachdenken, wie er mit den ihm anvertrauten Gütern umgehen möchte.

Neulich sprach mich ein älteres Ehepaar an. Die beiden erzählten mir, dass sie sich jetzt umgemeinden lassen. Sie möchten gerne auch formal zu der Gemeinde gehören, in der sie mitarbeiten und auch die Gottesdienste besuchen. Sie machen dies – so sagten sie mir – damit ihre Wahlgemeinde auch „ihre” Kirchensteuer bekomme. Da musste ich sie leider enttäuschen. Sie gehören in der neuen Gemeinde dazu, sind wahlberechtigt und können sich auch in den Kirchengemeinderat wählen lassen, „ihre” Kirchensteuer bekommt aber nach wie vor ihre Parochie, also die Gemeinde, in der sie ihren Wohnsitz haben. Wie sieht die derzeitige Praxis aus? 1. Jede Kirchengemeinde bekommt Kirchensteuerzuwendung pro Parochie-Kirchenmitglied – also nicht für die umgemeindeten Mitglieder, die sie aber auch betreut. 2. Die Zuweisung von Pfarrstellen erfolgt ausschließlich nach der Zahl der Parochiemitglieder. Hat eine Gemeinde weniger als 1.500 Parochiemitglieder, gibt es nur noch eine niedriger dotierte Pfarrstelle, egal wie viel umgemeindete Kirchenmitglieder sie zusätzlich hat. 3. Dasselbe gilt für die Stellenzuweisung anderer kirchlicher MitarbeiterInnen wie SekretärInnen, KirchenmusikerInnen, JugendreferentInnen, etc. Welche Gründe werden für diese Handhabung angeführt? Neben vorgeschobenen Gründen – z. B. das

ließe das Verwaltungsprogramm des OKR nicht zu – wird hauptsächlich ein Grund genannt: Eine Konkurrenzsituation zwischen den einzelnen Kirchengemeinden soll vermieden werden. Ein ernstzunehmendes Argument. Es kann aber auch umgekehrt argumentiert werden: Gemeinden müssen etwas für ihre Mitglieder tun, sich für sie engagieren, um sie werben und ihre Mitarbeit zulassen, nur so kann eine wirklich Beheimatung in der Gemeinde entstehen. Was muss jemand tun, der sicherstellen will, dass seine neue Gemeinde auch seinen Kirchensteueranteil bekommt? Er müsste aus der Kirche austreten und seine Kirchensteuer direkt an seine Gemeinde spenden. Kann das das Ziel sein? Gerade weil es aber – wie OKR Duncker sagte – nur relativ wenige Gemeinden in unserer Landeskirche in größerem Ausmaß betrifft, müsste sich unsere Kirche damit nicht so schwer tun, hier auch finanziell klare und transparente Regeln zu schaffen, wie dies andere Landeskirchen längst getan haben. Es geht um Gerechtigkeit und Mündigkeit der Gemeinden und ihrer Mitglieder.

Gemeinden müssen um ihre Mitglieder werben

Friedemann Stöffler, Mitglied der Tübinger Jakobusgemeinde, kämpft dafür, dass er wie ca. 200 weitere aktive „umgemeindete“ Gemeindeglieder trotz „falschen“ Wohnorts in Zukunft auch zu den gezählten Mitgliedern der Jakobusgemeinde gerechnet wird.

Veranstaltungshinweis: Adrian Plass im Ländle

Der fromme Chaot und Bestsellerautor weilt demnächst im Schwäbischen. Sein typisch britischer

Humor und seine nachdenkliche Art geben seinen Abenden Leichte und Tiefe zugleich! Mit im Gepäck hat er seinen langjährigen Übersetzer Christian Rendel und sein neuestes Werk: „Heiliger Schein! Geheimwissen für Gemeinde-Profis.“ Zu erleben ist das Original inkl. seinem Geheimwissen dreimal: am 23.04. in Neuffen, am 24.04. in Karlsruhe und am 25.04. in Rutesheim. Tourinfos unter www.thinkone.de.

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Kfm intern

Liturgie und Predigen kann man lernen Karlfriedrich Schaller, bisher Pfarrer der Jakobusgemeinde Tübingen, ist seit 1. März im Ruhestand. In den Jahren seines Wirkens hat sich dort eine rege Gottesdienst- und Gemeindekultur entwickelt. Friedemann Stöffler sprach mit ihm darüber, wie er in Zukunft Kirche mitgestalten will. Wie geht es dir mit deinem Abschied? Nach fast 18 Jahren in der Jakobusgemeinde habe ich viel Grund, dankbar zu sein. Die beglückendste Erfahrung für mich waren die Gottesdienste und die Gemeinschaft, die ich hier erleben durfte. Nun freue ich mich sehr

Vieles, was sich in Tübingen ereignet hat, ist nicht übertragbar auf andere Gemeinden. Und jeder Pfarrer, jede Pfarrerin hat andere Stärken und Schwächen. Übertragbar jedenfalls sind die Schritte von der Betreuungs- zur Beteiligungsgemeinde, die wir gegangen sind. Und da sind mir zwei Bereiche wichtig: 1. Gottesdienste sollen ein Gesicht bekommen. Ich möchte anstoßen, dass auch in anderen Gemeinden Haupt- und Ehrenamtliche zu Liturgen ausgebildet werden, die wissen, wie man einen Gottesdienst gestaltet, in formaler, sprachlicher und kreativer Hinsicht, ob im Sonntagmorgen- oder im „Zweit”-Gottesdienst. Liturgie und Predigen kann man lernen, das ist meine feste Überzeugung. 2. Ich möchte mithelfen, dass Gemeinden zielgerichtet Gemeindeaufbau betreiben, ein Profil entwickeln und sich Leitlinien geben. Ich selbst könnte Schulungen anbieten, damit der Gottesdienst Sache der ganzen Gemeinde wird. Ich will keine direkte Krisenberatung leisten, aber wenn Leute ihre Gemeinde Pfr. Karlfriedrich Schaller ist seit Kurzem im Ruhestand als schlafend erleben, dann bin ich bereit, mit ihnen zu fragen: Wie können wir uns aufweauf eine gremienfreie Zeit und auf die Wieder- cken lassen? Wie baut man mit Hilfe des Gotbelebung mancher Gaben, die länger brach tesdienstes Gemeinde? Wie schaffen wir es, lagen. Im Rückblick entdecke ich bei mir eine dass Gottesdienstelemente auch in den Grupbleibende Fremdheit gegenüber unserer Landeskirche. Mir geht’s ein bisschen so, wie es in Schuberts Winterreise über den Wanderer heißt: „Fremd bin ich eingezogen – fremd zieh ich wieder aus.” Mein Eindruck ist, dass sich Kirche zu oft mit sich selbst beschäftigt, ohne sich geistlich erneuern zu lassen.

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Du hast nicht vor, dich zurückzuziehen, sondern auch in Zukunft Kirchengemeinden zu unterstützen. Was möchtest du anderen Gemeinden anbieten? Ich habe immer ein Anliegen gehabt: Gemeindewachstum vom Kern her zu gestalten, durch das Wort Gottes, durch die Predigt. Meine Erfahrungen damit will ich gerne weitergeben. Dabei möchte ich zeigen, dass Wesentlichkeit und Großzügigkeit zusammenhängen können. Beides ist mir wichtig: Sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und dabei nicht eng zu werden, sondern großzügig und weit. Großzügig sein heißt, Gastfreundschaft zu leben in unseren Gemeinden. Spezielle Sprachmuster zu vermeiden, um nicht klerikal zu werden. Die Weite unserer Sprache dürfen wir uns, finde ich, von niemandem nehmen lassen. Wie „das Wort Fleisch geworden ist”, so sollen auch unsere Wörter wieder Fleisch bekommen.

Impressum Der Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 Nagold Fon: 0700-36693669 Fax: 0721-151398429 info@kirchefuermorgen.de / www.kirchefuermorgen.de Erscheinungsweise 3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos. Bankverbindung EKK Stuttgart, BLZ 520 604 10, Konto 419 435 Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen. Redaktionsteam Marc Stippich, Grunbach (sti) (ViSdP), Claudia Bieneck, Malmsheim (cb), Pina Gräber-Haag, Gronau (pg), Markus Haag, Gronau (mh), Tabea Hieber, Markgröningen (th), Thomas Hofmann-Dieterich, Haigerloch (thd), Reinhold Krebs, Herrenberg (rk), Werner Lindner, Winnenden (wl), Katrin Müller, Hannover (km), Martin Schmid, Reutlingen (ms), Johannes Stahl, Eschenbach (js). Layout: Lutz Eisele, Markgröningen Druck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, Dornstadt Versand: Tobias und Magdalene Zipperlen, Weissach Redaktionsadresse: redaktion@kirchefuermorgen.de und über die Geschäftsstelle Anzeigenpreisliste: lindner-service@gmx.de FAX: 07195-979759

pentreffen vorkommen und umgekehrt, dass die Gruppengemeinschaft durch die größere Gemeinschaft im Gottesdienst ergänzt wird? Karlfriedrich Schaller, Tübingen, Tel. 07071400611, E-Mail: kf.schaller@web.de, freut sich über Anfragen nach Seminaren oder Schulungen.

Weitere Bildnachweise: Fotolia: Titel (Gabriele Schmid), S. 3 (Sofiya Yermakova), S. 5 (Stephen Finn). Photocase: S. 4 (Jonicore), S. 8 (AndreasF), S. 12 (giftgruen). Aboutpixel: S. 16 (teensmag05; SD). Transfair: S. 14.


Zu guter Letzt

Rückblick Vom 24.-26. November fand in Stuttgart die Herbsttagung der Landessynode statt. Hier ein Kurzbericht von unserer Synodalen Kerstin Leuz:

Money, Money, Money… „Verwalten wir Bestehendes oder stellen wir Weichen für die Zukunft?“ – „Tragen wir mit der bisherigen Geldverteilung zu einer zukunftsweisenden Kirche bei?“ Unser Synodaler Reiner Klotz regte in seinem Votum zum Haushaltsplan an, die Finanzierung der Kirche mittelfristig zu verändern und z. B. jeden Spenden-Euro durch Kirchensteuermittel zu verdoppeln. Seine Vision einer Gemeindegründungs- und Spendeninitiative verbreitete Zitronengeruch.

Konzeption zur Gemeindegründung Oberkirchenrat Heckel sicherte auf Nachfrage des Synodalen Markus Munzinger zu, dass eine Konzeption zur Gemeindegründung ausgearbeitet wird. Zwei Stellen sind im Haushaltsplan schon reserviert. Markus Munzinger sieht darin einen Durchbruch eines wichtigen Anliegens von Kirche für morgen. Weitere Informationen finden sich auf unserer Homepage unter www.kirchefuermorgen.de, Rubrik „Landessynode aktuell“.

Ausblick Freitag, 3. April: Vortrag in der Jakobuskirche Tübingen: Klaus Douglass, Autor von „Expedition zum ICH: In 40 Tagen durch die Bibel“ spricht um 20 Uhr über „Gemeinde-Bibel-Expeditionen“. Kurze Erfahrungsberichte aus Gemeinden ergänzen seinen Vortrag. Bereits um 17 Uhr beginnt die Mitgliederversammlung von Kirche für morgen. Auch interessierte (Noch-)Nicht-Mitglieder sind herzlich willkommen. Sonntag, 26. April: Freundestag von Kirche für morgen Herzliche Einladung zu einem Sonntagsspaziergang der besonderen Art. Gemeinsam erkunden wir einen Walderlebnispfad, den „Weiterweg“ bei Gschwend. Einen Vorgeschmack gibt es unter www.weiterweg.info. Der Künstler Martin Burchardt, der diesen inzwischen stark frequentierten Besinnungsweg gestaltet hat, wird uns begleiten. Nähere Infos zu beiden Veranstaltungen auf unserer Homepage unter www.kirchefuermorgen.de/Termin

Andreas Malessa: Von Reklamationstag bis Frohenleichnam Der Autor nimmt uns augenzwinkernd mit auf eine Reise durch’s Kirchenjahr. Er erzählt von Stolpersteinen im Alltag und Feiertag: vom Spießrutenlauf des Pfarrers in der Vorweihnachtszeit, von nervigen Fronleichnamsdemonstrationen und beschwingten Kreuzwegwanderungen. Er beschreibt, wie sich der Onkel aus Amerika und die türkische Familie von nebenan über unsere Kirchenkultur wundern und bringt uns spielerisch dazu, das Leben nicht tierisch ernst, sondern satirisch humorvoll zu nehmen: Andreas Malessa, Von Reklamationstag bis Frohenleichnam: Kalendersatiren, Gütersloher Verlagshaus, 12, 95 Euro (Sti)

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Paul M. Zulehner, „Kirche umbauen – nicht totsparen“ „Er­geb­nis des Down­ ­sizings ist nicht ein schlanker, zukunftsf ä h i g e r, also missionarischer Kirchenbetrieb. Saniert wird vielmehr der Betrieb unter Beibehaltung all seiner Krisensymptome. Das Herunterfahren des herkömmlichen Kirchenbetriebs ist daher nichts anderes als eine Art finanzielle Sterbehilfe einer vergehenden Kirchengestalt. Investiert wird nicht in den Aufbruch der Kirche inmitten der Krise, sondern in einen finanziell geordneten Abbruch.“ „Zur Vision einer kommenden Kirchengestalt gehört die Befreiung von der ökonomistischen Knechtschaft durch die Kirchensteuer. (…) Es lohnt sich Alternativen einfach mal virtuell durchzuspielen. Zur aktiven Mitgliedschaft gehört, sich für das Leben und Wirken jener Kirche und jener Gemeinde verantwortlich zu wissen, der Gott einen hinzugefügt hat. Das drückt sich aber keinesfalls nur im Moneyspending aus, sondern auch im Timespending, im Einsetzen von Wissen und Begabungen, von Phantasie und loyaler Kritik.“ Aus: Paul M. Zulehner, Kirche umbauen – nicht totsparen (2004)


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