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Krisen und Krieg – Wie erkläre ich das meinem Kind?

Krisen und Krieg

Wie erkläre ich das meinem Kind?

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Nicht alles, was in den Nachrichten gezeigt wird, lässt sich altersgerecht erklären oder in wenigen Sätzen auf den Punkt bringen. Doch ob Corona-Pandemie, Anschläge oder ein Krieg mitten in Europa: Kinder haben Fragen. Und sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, was auf der Welt passiert, wie Katja Giesen vom Kinderschutzbund Aachen betont. Die Diplom-Sozialarbeiterin und -pädagogin weiß: Kinder dürfen mit ihrer Gefühlswelt nicht alleingelassen werden.

Das Gespräch führte Robert Targan.

Zwei Jahre Corona-Krise, nun die täglichen Nachrichten zum Krieg in der Ukraine – dürfen Eltern auch schon mal keine Antworten auf die Fragen ihrer Kinder haben? Natürlich dürfen Eltern auch mal ratlos sein. Das finde ich sogar besser, als zwanghaft zu versuchen, jederzeit eine passende Antwort zu geben. Für Kinder ist es eine elementare Erfahrung, dass Eltern manche Dinge nicht wissen – und die Welt dennoch nicht untergeht. Wichtig ist jedoch die Frage, wie wir mit den Dingen, die wir nicht wissen, umgehen. Daher bieten sich Antworten wie „Das weiß ich leider auch nicht, aber lass es uns gemeinsam herausfinden“ oder „Ich habe eine Idee, wen wir fragen können“ an. Bei einem Krieg geht es ja ohnehin selten um ein Verstehen, sondern vielmehr um Fassungslosigkeit. Und das darf man durchaus auch sagen.

Wie viele Informationen benötigen Kinder in solchen Fällen? Ich rate dringend davon ab, Kinder von gewissen Nachrichten komplett fernzuhalten, da sonst die Gefahr besteht, dass sie die Informationen irgendwo anders aufschnappen. Daher empfiehlt es sich, auch schwierige Themen mit dem Nachwuchs altersgerecht zu besprechen. In der heutigen Zeit ist es eher unwahrscheinlich, dass Kindergartenkinder bestimmte Informationen nicht mitbekommen. Aktuell sind im öffentlichen Raum etwa viele Ukraine-Fahnen zu sehen, im Radio wird berichtet und der Krieg ist Thema bei Unterhaltungen auf Spielplätzen. Neben dem Alter spielt bei den Gesprächen natürlich auch die emotionale Reife des Kindes eine Rolle.

Wie könnte solch ein Austausch beginnen? Idealerweise mit einem Gesprächsangebot, um die Situation zu öffnen: „Was genau hast du denn mitbekommen? Was beschäftigt dich, was möchtest du wissen?“ Auch können sich die Eltern im Vorfeld überlegen, was sie vermitteln möchten. Es geht nicht darum, auf alle Fragen eine Antwort zu haben – aber vielleicht lässt sich gemeinsam mit Partnern, Freunden oder auch Arbeitskollegen ein eigener Standpunkt finden.

Wie lässt sich die Herausforderung meistern, eigene Gefühle oder gar Ängste nicht an das Kind weiterzugeben? Dass auch Erwachsene mal ratlos oder irritiert sind, ist für Kinder nicht zwangsläufig belastend. Bei dieser emotionalen Resonanz bekommt das Kind mit, dass sich eben auch die Eltern mit schwierigen Situationen beschäftigen, dennoch aber lebensfähig sind: Leben ist lachen und leiden zugleich. Gerät ein Elternteil allerdings in einen depressionsähnlichen Zustand, in Panik oder Hilflosigkeit, gilt es, zu erklären, dass dieser sich nun eine entsprechende Hilfe sucht. Dann ist vielleicht der andere Elternteil, eine Patentante oder die beste Freundin der nächstmögliche Ansprechpartner. Generell dürfen Kinder die Erfahrung machen, dass auch Eltern in ihrem Leben vor Herausforderungen gestellt werden.

Welche Rolle spielen optimistische Blickwinkel bei Krisen? In den letzten zwei Pandemie-Jahren haben vielen Familien erfahren, dass es trotz stetig neuer Herausforderungen immer möglich ist, Kräfte zu mobilisieren, um zusammen neue Lösungen zu finden. Auch hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine ist solch eine hoffnungsvolle Sichtweise hilfreich: Menschen werden nach ihrer Flucht aufgenommen, es herrscht eine erkennbare Solidarität, da sind Hilfsangebote und eine Spendenbereitschaft. Sorgen sollen durchaus ernst genommen werden – wichtig ist aber eben auch ein positives Gegengewicht. Aktuell könnte das der gemeinsame Besuch einer Friedensdemonstration sein.

Eine Frage, die sicher viele Kinder beschäftigt: „Kann solch ein Krieg auch zu uns kommen?“ Da hilft es, den Kindern zu vermitteln, dass sich hierzulande sehr viele Menschen dafür engagieren, um so etwas zu verhindern. Es gibt Personen und Institutionen, die für Schutz und Sicherheit sorgen: Politik, Polizei, Mediziner; auch existieren Bündnisse wie die Europäische Union und die NATO, die sich für den Frieden einsetzen. Und auch das Signal, dass sämtliche Familienmitglieder in Krisensituationen zusammenhalten, ist sehr wertvoll.

Welche Problematik kann die Entgegnung „Das verstehst du noch nicht, dafür bist du noch zu klein“ mit sich bringen? Da verpassen Eltern die wertvolle Chance, einen Einblick in die Gedanken ihres Kindes zu erhalten. Dann wird es mit seiner Gefühlswelt alleingelassen. Daher spreche ich mich sehr dafür aus, jene Tür zu öffnen und kindgerecht mit der Tochter oder dem Sohn zu sprechen. Heißt in diesem Falle: in deren Sprache. Wer, wenn nicht die Eltern, sind da die Ansprechpartner mit der höchsten Fachkompetenz?

Was können Eltern tun, um seriöse Nachrichten von Hetze und Spekulationen abzugrenzen? Es bietet sich an, altersgerechte Nachrichtensendungen wie etwa „logo!“ gemeinsam anzuschauen. So erhalten die kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer die Möglichkeit, direkt Fragen stellen zu können. Auch ein Nachhaken der Eltern bezüglich des Gesehenen – „Hast du das verstanden?“ – ist hilfreich. Handelt es sich um Kinder im Teenageralter, sollten soziale Medien wie Instagram und TikTok nicht per se verteufelt werden, damit Jugendliche über das, was sie dort erfahren, sprechen können, ohne eingestehen zu müssen, etwas Verbotenes getan zu haben. Auch hier ist der Dialog ratsam: Fragen à la „Was wird dort aktuell diskutiert und gepostet?” sind eine Gesprächseinladung. Themen, die Jugendliche nicht mit den Eltern besprechen möchten, finden vielleicht bei den Großeltern, bei Lehrern oder im Freundeskreis Gehör. Wichtig sind viele Meinungen, nicht nur eine.

Ob Corona, Krieg oder andere Krisen: Gibt es gewisse Signale, die erkennen lassen, wie gut oder weniger gut ein Kind solche Themen verarbeitet?

Neue Belastungssituationen lassen sich meist dadurch erkennen, dass sie häufig mit Veränderungen einhergehen. Da verwandelt sich ein sonst eher quirliges Kind in ein zurückhaltendes, oder eben andersherum. Eltern, die neue Verhaltensweisen wahrnehmen, sollten entsprechend nachfragen: „Du bist in letzter Zeit so ruhig geworden, was ist denn mit dir los?“ Ob es sich dabei um die aktuellen Kriegsbilder in den Medien oder „nur“ den Streit mit der besten Freundin handelt: Immer gilt es, zu hinterfragen, was das Kind an Unterstützung braucht. Welche Verarbeitungsstrategien existieren da? Da kommt alles infrage, was den Kindern dabei hilft, sich auszudrücken. Im Kitaalter geschieht das vor allem im Spiel oder beim Malen von Bildern; ältere Kinder führen vielleicht ein Tagebuch oder sind mit der Kamera unterwegs. Ich bin hier ein großer Freund vom Spazierengehen: eine gute Möglichkeit, um ins Gespräch zu kommen, da man gemeinsam in Bewegung ist. Das kann mitunter einfacher sein als am heimischen Küchentisch. Für andere wiederum stellt dieser den geeigneten Ort dar. Eltern sollten schauen, was am besten zu ihrer Familie passt. Sie sollten dabei stets authentisch bleiben und zu ihren etwaigen Sorgen stehen, denn Kinder bemerken sehr schnell, wenn etwas nicht stimmt. In der Erziehungsberatung sage ich häufig: „Sie haben ein Kind geboren, das hatte keine Sprache. Sie haben gelernt, ihr Kind ohne Worte zu lesen. Und genau das hat ihr Kind auch gelernt.“

kinderschutzbund-aachen.de/erziehungsberatungsstelle

Wer weiß was?

Kindernachrichten, Medienratgeber und altersgerechte Suchmaschinen

logo!

Der Klassiker unter den kindgerechten Nachrichten! Samstags bis donnerstags jeweils um 19:50 Uhr und freitags um 19:25 Uhr erfahren junge, wissbegierige Menschen im KiKa, was in der Welt los ist. Im Netz warten zudem weiterführende Infos zu aktuellen Themen: Was passiert bei einer Impfung im Körper? Was will Putin mit dem Krieg erreichen? Weshalb werden in Russland Demonstranten festgenommen? Videos und interaktive Gimmicks runden das lehrreiche Angebot ab. kika.de/logo Schau hin!

Wie steht es um die Sicherheit und Risiken bei der Nutzung von TikTok? Welche Inhalte eignen sich für Kinder und Jugendliche auf dem Tablet? Und was müssen Eltern über digitale Games wissen? Der Medienratgeber „Schau hin!“ ist eine Initiative von Das Erste, ZDF, AOK sowie dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – und somit ein Angebot für Kinder und Erwachsene. Aktuell hält das Portal auch Informationen für den Umgang mit den Kriegsbildern aus der Ukraine bereit. schau-hin.info

Frieden Fragen – gemeinsam Frieden erleben

Drängende Fragen, die nie an Aktualität verlieren: Warum führen Menschen gegeneinander Krieg? Was genau bedeutet Vielfalt? Und wie lässt sich Frieden erreichen? Die Webseite frieden-fragen.de ermöglicht es jungen Menschen, Fragen rund um Themen wie Krieg, Streit, Flucht und eben auch Frieden einzureichen – in kindgerechter Sprache werden sie von den Initiatoren beantwortet. Zurzeit dreht sich auf der Webseite vieles um den Krieg in der Ukraine; Lehrkräfte finden hier zudem entsprechendes Unterrichts- und Begleitmaterial. frieden-fragen.de

neuneinhalb

Der Name dieses speziell für Kinder und Jugendliche entwickelten TV-Magazins verrät es bereits: In neuneinhalb Minuten beschäftigen sich die Reporterinnen und Reporter Mona Ameziane, Robert Meyer, Jana Forkel und Gesa Dankwerth wöchentlich mit einem wichtigen Thema. Das Format wird jeden Samstag um 8:20 Uhr im Ersten ausgestrahlt – zusätzlich existiert ein Webangebot mit Videoclips und Podcasts. Nachrichten rund um den Krieg in der Ukraine finden sich dort ebenfalls kompakt zusammengefasst, zudem ein Feature zum Thema „Wenn Nachrichten Angst machen“. kinder.wdr.de/tv/neuneinhalb

KiRaKa

KiRaKa, das ist das Kinderradio von WDR 5. Während sich das Angebot im Radio auf eine tägliche Live-Stunde beschränkt, gibt es im Netz Infos rund um die Uhr. Die jungen Hörerinnen und Hörer können Fragen zu aktuellen Nachrichten einsenden; die KiRaKa-Charts sorgen für musikalische Abwechslung. Aktuelle Entwicklungen zur Corona-Lage oder Fragen und Antworten zum Krieg in der Ukraine finden auf der Webseite ausführlich Platz; in der Podcast-Rubrik „Die Welt für Kinder erklärt in wenigen Minuten“ widmen sich Moderatorinnen und Moderatoren regelmäßig einem „Thema des Tages“. kinder.wdr.de/radio/kiraka

Flimmo

Der Elternratgeber für TV, Streaming und YouTube ist eine Medienkompetenz-Initiative der Landesmedienanstalten sowie weiteren Partnern. Flimmo unterstützt Eltern dabei, im schier unerschöpflichen Medienangebot den Überblick zu behalten, um altersgerecht auswählen zu können. Welche Serien sind für Kinder geeignet? Wie viel Medienzeit ist in welchem Alter vertretbar? Filme, Serien und Dokus für Kinder zwischen drei und 13 Jahren werden hier unter die Lupe genommen. KlickTipp: das Dossier „Krieg in Europa – Kinder nicht alleine lassen“. flimmo.de

Seitenstark

„Seitenstark macht Spaß und schlau“, heißt es auf der Webseite des Netzwerks von ausgesuchten Kinderseiten, die allesamt einen Qualitätsstandard erfüllen. Zielsetzung ist es, Kinder beim sicheren Umgang mit dem Internet zu unterstützen. Junge Nutzerinnen und Nutzer können hier ihren unterschiedlichen Interessen nachgehen und so ihren Wissensdurst stillen. Da sich viele Inhalte von Seitenstark auch für den Einsatz im Unterricht (oder für außerschulisches Lernen) eignen, lässt sich zudem eine umfangreiche Datenbank mit multimedialen Bildungsangeboten aufrufen. Aktuell findet sich auf seitenstark.de ein „Corona-Spezial für Kinder“; auch ein Arbeitsblatt zum Thema „Krieg und Frieden“ steht zum Download bereit. seitenstark.de

Blinde Kuh

Als erste deutschsprachige Suchmaschine für Kinder, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, weiß die Blinde Kuh in Sachen Umwelt, Tiere, Pflanzen, Internet, Kultur und Sport einfach jederzeit Bescheid! Angedacht für Kinder von acht bis zwölf Jahren umfasst das Angebot zudem unter anderem aktuelle Podcasts, Kindernachrichten und Online-Spiele. Unter der Rubrik „Zu Hause lernen“ sind Beiträge aus den Bereichen Schulfernsehen und -radio sowie Lernspiele und -tipps gelistet. Altersgerechte Seiten, auf denen sich die Kinder zum Krieg in der Ukraine informieren können, sind zurzeit gebündelt aufgeführt. blinde-kuh.de

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