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Einen Hund anschaffen – Die Geschichte von Fly, einer ehemaligen Vermehrerhündin
Einen Hund anschaffen
Die Geschichte von Fly, einer ehemaligen Vermehrerhündin
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„Wollen wir spazieren gehen?“ Als Frauke mit Geschirr und Leine kommt, versteckt sich Hündin Fly bei meinem Besuch vor ein paar Wochen erst mal in ihrem Körbchen. Obwohl sie mittlerweile Vertrauen zu Frauke gefasst hat und gerne spazieren geht, ist das Geschirr ihr noch fremd und unheimlich. Fly ist erst seit ein paar Wochen bei ihrer Pflegefamilie. Zehn Jahre lang lebte die reinrassige Border-Collie-Hündin als sogenannte Vermehrerhündin in einer belgischen Welpenfarm. Eine lange Zeit, in der sie viele Welpen zur Welt gebracht hat und viel Leid erfuhr – und trotzdem ihren sanften Charakter nicht verloren hat. „Fly kannte nichts, als sie zu uns kam. Sie konnte kaum laufen, so abgemagert war sie“, erzählt Frauke über die anfängliche Zeit mit ihr. Die ersten zwei Wochen war die Hündin so ängstlich, dass Frauke nachts neben ihr auf dem Sofa schlief. Selbst ein weiches Körbchen war Fly fremd, denn sie kannte aus ihrem vorherigen Leben nur Betonboden. „Es hat drei Tage gedauert, bis sie gemerkt hat, dass es hier schön ist, und sie Lust bekommen hat, die Welt zu entdecken“, erinnert sich Frauke. Wie viel Zeit die Hunde hierfür brauchen, ist jedoch ganz individuell.
Aufgrund der Coronapandemie war es Frauke und ihrem Mann zeitlich möglich, bereits zum zweiten Mal als Pflegestelle einen belgischen Vermehrerhund bis zu seiner endgültigen Vermittlung aufzunehmen. Ihre erste Pflegehündin fand schon nach kurzer Zeit ein Zuhause in der Nachbarschaft in einer Familie mit zwei Kindern. Frauke freut sich darüber, sie weiterhin treffen zu können und ihre Entwicklung zu beobachten. Auch Fly hat mittlerweile ein neues Zuhause gefunden und ist wieder voller Lebensfreude. Einen Hund aus dem Tierschutz aufzunehmen kann in der Anfangszeit jedoch viel Geduld und Einfühlungsvermögen erfordern, um das Tier an sein neues Leben zu gewöhnen. Dazu gehören zum Beispiel das Spazierengehen, Autofahren und Alltagsgeräusche wie einen Staubsauger – eben alles, was zum Alltag dazugehört. Oft sind die Hunde zunächst nicht stubenrein und müssen dies erst noch lernen. In der Eingewöhnungszeit kann zudem ein entspannter Ersthund hilfreich sein. Bei Frauke und ihrer Familie lebt bereits seit drei Jahren Betty, die sie ebenfalls aus dem Tierschutz adoptiert haben. „Wir wollten etwas Gutes tun“, so Frauke über ihre Entscheidung, Pflegestelle zu sein. Vor allem für ihre Tochter sieht sie es als eine unbezahlbare Erfahrung an, mit Hunden aus dem Tierschutz aufzuwachsen. „Sie lernt, dass jeder Hund einen eigenen Charakter hat, und kann erleben, wie Tiere nochmal Vertrauen aufbauen, sich entwickeln und neue Lebensfreude entdecken“, erzählt sie. „Außerdem lernt sie Empathie, Verantwortung und Wertschätzung gegenüber Tieren.“ Kritisch sieht sie es jedoch, dass sich im letzten Jahr viele Menschen einen Hund angeschafft haben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie sie das Tier in Zukunft betreuen werden. „Ich sehe im Feld viele Leute, die jetzt einen Hund haben“, berichtet sie. „Ich frage mich: Ist den Besitzern bewusst, dass sie bald wieder ins Büro gehen müssen?“ Sie befürchtet, dass nach der Pandemie viele Hunde wieder abgegeben werden.
Tierhilfe Belgien
Der größte Umschlagplatz für den Welpenhandel in Europa liegt unerwarteterweise direkt hinter der deutsch-belgischen Grenze. Riesige Welpenfarmen existieren in Belgien, die massenhaft Rassehunde züchten und verkaufen. Darüber hinaus werden Welpen wie Waren in Pet-Shops angeboten. Der Verein Tierhilfe Belgien hat es sich zur Aufgabe gemacht, ausgediente Hündinnen aus solchen Zuchtstätten aufzunehmen, aufzupäppeln und anschließend in ein gutes Zuhause zu vermitteln. Sandra, 1. Vorsitzende Tierhilfe Belgien, geht von mindestens 50 größeren Welpenfarmen in Belgien aus. „Es sind zumeist Schweine- oder Kuhställe, die umfunktioniert wurden“, so Sandra. „In Belgien ist es legal, dass Zuchtbetriebe mit mehreren hundert Zuchthündinnen existieren. Außerdem gibt es viele Händler, die aus Osteuropa
importieren. Das ist noch günstiger, als die Welpen in Belgien zu produzieren.“ In den Farmen leben die Hunde ohne medizinische Versorgung. Die Welpen werden viel zu früh von der Mutter getrennt und sind oftmals krank. Aber auch an den Muttertieren, die beim Welpenkauf häufig in Vergessenheit geraten, hinterlassen die Jahre in der Zucht körperliche und seelische Schäden. „Die Hunde haben Flöhe, entzündete Ohren, die Zähne sind eine Katastrophe und oft kommen Veränderungen der Gebärmutter oder Gesäugetumore vor“, berichtet Sandra. „Sie sind ein Leben lang weggesperrt und dementsprechend ängstlich.“ Aufgrund der großen Menge an abgegebenen Tieren kommt hinzu, dass in Belgien Hunde nach 15 Tagen im Tierheim ohne Grund eingeschläfert werden dürfen, sodass ein absurder Kreislauf auf Kosten der Tiere entsteht.
Obwohl in Deutschland eine Zucht in diesem Stil illegal ist, ist der Kauf der Welpen legal. „Ich kann nur davon abraten, im Internet auf Anzeigen zu reagieren, vor allem wenn mehrere Rassen angeboten werden“, rät Sandra. „Auch wenn einem das Tier leidtut, so hält man die Maschinerie am Laufen, wenn man darauf eingeht.“ Selbst höhere Verkaufspreise sprechen nicht zwangsläufig für eine seriöse Zucht. Daher ist es wichtig, mit offenen Augen und Verstand an den Welpenkauf heranzugehen und sich persönlich davon zu überzeugen, dass Welpen und Elterntiere gesund und medizinisch versorgt sind und dass die Welpenstube sauber und gepflegt ist. Auch wenn die Coronazeit bei vielen Familien den Wunsch nach einem Haustier geweckt hat, so sollte die Anschaffung eines Welpen gut überlegt sein. Angesichts der Vielzahl an Hunden in Tierheimen ist es außerdem immer empfehlenswert, sich erst einmal dort umzuschauen. Denn oft findet man selbst hier Welpen, und auch Hunde aus dem Tierschutz können zu tollen Familienmitgliedern werden.
Sandra glaubt nicht daran, dass sich ohne Druck der EU in naher Zukunft etwas an der Situation in Belgien ändern wird. „Der belgische Staat verdient gut am Welpenhandel. Nicht nur an Steuergeldern, sondern ebenso an der ganzen Industrie drum herum – an Arbeitsplätzen, Tierzubehör und Tierärzten“, erklärt sie. „Aber jeder Hund, den wir herausbekommen und der noch ein paar schöne Jahre lebt, ist ein Erfolg für mich.“ Wer interessiert ist, über den Verein einen ehemaligen Vermehrerhund aufzunehmen, der kann gerne auf der Facebookseite der Tierhilfe Belgien vorbeischauen. Hier werden regelmäßig Hunde vorgestellt, die noch ein liebevolles Zuhause suchen. facebook.com/THBelgien
Text: Sabrina Marx Fotos: Frauke F. / Sabrina Marx
Fragen vor der Anschaffung
Haben wir ausreichend Zeit für einen Hund? Kann der Hund mit zur Arbeit oder besteht eine Betreuungsmöglichkeit? Gibt es ein finanzielles Polster für Tierarztrechnungen? Sind alle Familienmitglieder einverstanden? Beteiligen sich alle Familienmitglieder an anfallenden Aufgaben? Sind wir bereit, uns die nächsten 15 Jahre um einen Hund zu kümmern und Freizeitaktivitäten an ihn anzupassen? Passt die jeweilige Hunderasse zum Lebensalltag? Ist die Hundehaltung erlaubt? Gibt es Tierhaarallergien in der Familie?