So passt der Igel nicht dazu

Page 1

So passt der Igel nicht dazu Petra Wimmer 1


„So passt der Igel nicht dazu“ „SO passt der Igel nicht dazu“ ist ein Kinderbuch ab fünf Jahren, welches sich Rollenbildern, Klischees und Stereotypen widmet und diese gründlich durcheinander bringt. Die Crew des Kasperltheaters wird um eine Figur erweitert, einen stacheligen, frechen Igel, der so gar nicht in das Bild der anderen Figuren passt... Geschrieben und Illustriert von Petra Wimmer www.petractive.at

2


„SO-Geschichte“ – Allgemeine Erklärung: „SO-Geschichten“ befassen sich auf humorvolle Art mit Themen wie Vielfalt, Ausgrenzung, Zivilcourage und Vorurteile. Die Geschichte spielen in einem Kasperletheaters, denn wo sonst sind die Rollenbilder verfestigter und klischeehafter, als auf der Bühne des Kasperltheaters. In den „SOGeschichten“ werden diese Rollenbilder gründlich durcheinander gebracht und regen Kinder an diese zu überdenken und zu hinterfragen.

3


D

ann öffnete das Krokodil den Umschlag und las den Brief laut vor: „Verehrte Kasperlfiguren! Wir machen sie darauf aufmerksam, dass es in ihrem Theater zu einer Veränderung kommen wird. Es wurde beschlossen, dass sie eine Figur dazubekommen. Dabei handelt es sich um eine Tierfigur…“ „Oh, ist es vielleicht ein süßer, kleiner Marienkäfer“, unterbrach die Prinzessin „ein süßer, kleiner Marienkäfer wäre doch wirklich hübsch!“ „Oder ist es ein Hund?“ fragte der Polizist, „ein Hund würde sehr gut zu mir passen, ein ordentlicher, folgsamer Polizeihund.“ Die Prinzessin, der Kasperl, die Hexe, der Räuber, das Krokodil und der

42


Polizist saßen gerade beim Frühstück. An diesem Tag war das kein normales Frühstück, sondern ein „Ideenfrühstück“. Die Kasperlfiguren sammelten Ideen für neue Theaterstücke. Das Krokodil schrieb die Theaterstücke dann auf, das bedeutet es überlegte sich den gesamten Text für jede Figur. Aber bevor das Krokodil damit begann gab es immer ein „Ideenfrühstück, damit alle ihre Ideen sagen konnten. Geduldig hörte sich das Krokodil an, was seine Freunde zu sagen hatten und nickte dabei interessiert mit dem großen Kopf.

Da läutete es plötzlich an der Türe. Das Krokodil öffnete und draußen stand der Briefträger, er überreichte dem Krokodil einen Brief und weg war er wieder. Das Krokodil nahm den Brief, sah sich den Umschlag genau an und meinte mit ernster Stimme: „Meine lieben Kasperlfiguren, wir haben einen Brief bekommen vom Komitee für Kasperltheater-angelegenheiten“. Das Krokodil machte eine Pause, damit die Figuren richtig neugierig werden konnten. Ein Brief von diesem wichtigen Komitee war schon etwas

15


Besonderes. Dann öffnete das Krokodil den Umschlag und las den Brief laut vor: „Verehrte Kasperlfiguren! Wir machen sie darauf aufmerksam, dass es in ihrem Theater zu einer Veränderung kommen wird. Es wurde beschlossen, dass sie eine Figur dazubekommen. Dabei handelt es sich um eine Tierfigur…“„Oh, ist es vielleicht ein süßer, kleiner Marienkäfer“, unterbrach die Prinzessin „ein süßer, kleiner Marienkäfer wäre

6


7


8


doch wirklich hübsch!“ „Oder ist es ein Hund?“ fragte der Polizist, „ein Hund würde sehr gut zu mir passen, ein ordentlicher, folgsamer Polizeihund.“ „Jetzt lasst mich doch mal weiterlesen“, meinte das Krokodil, „also, dabei handelt es sich um eine Tierfigur, genauer gesagt um einen Igel. Der Igel kommt vom Kasperltheater im Nachbarort und wird in Zukunft bei Ihnen mitspielen. Mit freundlichen Grüßen vom Komitee für

9


Kasperltheaterangelegenheiten.“ Die Kasperfiguren waren sich nicht ganz sicher, was sie davon halten sollten. Eine neue Figur kann schließlich alles durcheinander bringen, sie wird Platz brauchen und hatte womöglich ganz andere Ideen. Vielleicht schnarchte der Igel in der Nacht, oder vielleicht redete er die ganz Zeit, vielleicht sagt er auch kein Wort oder er kann sich seinen Text nicht merken. Den Figuren gingen viele Gedanken durch den Kopf. Am Abend hatten es sich alle Figuren gemütlich gemacht, da hörten sie Schritte und kurz darauf rief eine laute Stimme:

10


„Hey, Leute von heute seht alle her! Euer Star ist endlich da!“ Der Igel war eingetroffen, er stand da und grinste die Figuren an. Während die anderen Figuren den Igel mit offenem Mund anstarrten, räusperte sich das Krokodil und begann zu sprechen: „Lieber Igel, herzlich willkommen in unserem Kasperltheater, wir hoffen....“ Ja schon klar ihr alten Klapperpuppen“, unterbrach der Igel, „ich freue mich auch hier zu sein. Also macht Platz für euren Schatz!“Das hatten die Figuren nicht erwartet. Da kam der Neue einfach hereinstolziert, meinte, er sei der Star und nannte sie Klapperpuppen. Und der Igel wurde von Tag zu Tag frecher. Er dachte sich Namen für die Figuren aus, die nicht besonders freundlich waren. Er nannte das Krokodil „Spinatwachtel“, zur Hexe sagt er „alte Runzelnuss“, dem Räuber gab er den Namen „Zottelbär“ und die Prinzessin rieft er „Puddingmaus“.

11


Immer wenn der Igel am Kasperl vorbeiging, zog er ihm die Mütze vom Kopf, warf die Mütze in die Luft und rief: „Na fang deine Mütze, du Muffelmütze!“Der Igel fand es auch unglaublich komisch, den Polizisten zu erschrecken. Er sprang irgendwo hervor und der Polizist bekam einen riesigen Schreck. Dabei schrie der Igel: „Mach dir nicht in die Hose Zwetschkenzwerg!“ Manche Sachen waren ja ganz lustig, zum Beispiel, wenn der Igel versuchte, jemand anderen nachzumachen. Am Liebsten spielte er die

12


Prinzessin, er zog ein Prinzessinnenkleid an, stolzierte herum und versuchte so zu reden wie die Prinzessin. Das Eine mussten sie dem Igel lassen, er war ein hervorragender Schauspieler. Trotzdem wollten die Figuren die Frechheiten nicht mehr länger ertragen. „Ich werde mit ihm reden“, sagte die Prinzessin, „ich werde ihn schon dazu bringen, sich zu ändern!“ Die Prinzessin ging entschlossen auf den Igel zu und sagte: „Igel, hör mir mal zu. Wir haben beschlossen, dass du etwas ändern musst.“ „Rede keinen Müll, Puddingmaus“, antwortete der Igel frech. Aber es war ihm anzusehen, dass er sich nicht ganz wohlfühlte. Da hatten die Anderen doch einfach was beschlossen, etwas, das mit ihm zu tun hatte. „Ich rede keinen Müll!“, schrie die Prinzessin aufgebracht, „wenn du dich nicht sofort an unsere Regeln hältst, kannst du wieder zurückfahren in dein altes Kasperltheater. Der Igel schaute stur und verschränkte die Arme, aber er sagte nichts. „Du nennst uns gefälligst bei unseren richtigen Namen“, sprach die Prinzessin weiter, „ du hörst auf, den Kasperl und den Polizisten zu ärgern, und du spielst in der nächsten Aufführung einen süßen, kleinen Marienkäfer!“ Das mit dem Marienkäfer hatte sich die Prinzessin ganz alleine ausgedacht. Einen süßen, kleinen Marienkäfer, statt einem stacheligen, frechen Igel, das wäre doch wunderbar! „Was soll ich?“, rief der Igel empört, „Ich spiele doch keinen Käfer! Das kannst du voll vergessen Puddingmaus…..ähh ich meine Prinzessin!“

13


Der Igel wollte auf keinen Fall einen Marienkäfer spielen, aber er wollte auch nicht weg von hier. In seinem alten Kasperltheater war alles viel strenger und mit ihm wurde ständig geschimpft. Hier gefiel es ihm viel besser und die Figuren waren eigentlich ganz nett. Der Igel wünschte sich, dass sie ihn auch nett und witzig und cool fanden. „Hey Puddi….a Prinzessin“, jammert der Igel, „das passt doch echt nicht zu mir.“ Aber die Prinzessin kam schon mit einem Marienkäferkostüm angelaufen, welches

14


sie selbst genäht hatte. Sie half dem murrenden Igel in das Kostüm und rief: „Du siehst entzückend aus, so können wir dich gut brauchen. Gleich Morgen werden wir den Kindern ein wunderschönes Marienkäfer-Theaterstück vorspielen.“Und so kam es. Der Saal war voll mit aufgeregten Kindern, die sich auf das neue Theaterstück freuten. Die Kinder klatschten und riefen, „Kasperl,

15


Kasperl“ als der Vorhang aufging. Die Bühne sah aus, wie eine Blumenwiese und der Kasperl wanderte auf dieser Blumenwiese umher. Da entdeckte er den Marienkäfer, also eigentlich den Igel, der als Marienkäfer verkleidet auf der Wiese kauerte. „Oh, du armes, kleines Käferchen“, sprach der Kasperl, „du hast dich sicher verlaufen?“ Der Igel-Marienkäfer nickte.

16


„Oh, du hast sicher Angst auf der großen, fremden Wiese“, sprach der Kasperl weiter. Der Igel-Marienkäfer nickte wieder. „ Na dann wird dir der liebe, gute Kasperl mal helfen, du kleines hilfloses Käferbabylein du“, meinte der Kasperl mit süßer Stimme. Das ist zu viel für den Igel! Er sprang auf, riss sich das Kostüm herunter und brüllte: „Ich bin überhaupt kein kleines, hilfloses Käferchen. Ich bin ein großer, cooler Igel!“ Der Kasperl erstarrte vor Schreck, er wusste nicht was er sagen sollte. Die Figuren hinter der Bühne erschraken ebenfalls, aber wieder einmal war es das Krokodil, welches sich am Schnellsten erholte. Es meinte: „So war das zwar nicht geplant, aber wir müssen jetzt irgendwie weiterspielen.“ „Dann spielen wir mal weiter!“, sprach die Hexe mit fester Stimme und marschierte Richtung Bühne. Der Igel hatte es nicht anders gewollt, jetzt konnte er mal zeigen, wie gut er wirklich war. Die Hexe trat auf die Bühne und hob ihre Arme, dabei sprach sie mit lauter Stimme: „Du hast dich also als Marienkäfer verkleidet, das war sehr schlau von dir, Igel. Aber jetzt habe ich dich entdeckt, nachdem du deine Verkleidung ausgezogen hast.“ Der Igel hatte mit Allem gerechnet! Er hatte gedacht die Figuren würden sofort den Vorhang schließen, oder ganz schrecklich schimpfen oder ihn sofort zurück schicken, aber nie im Leben hätte er gedacht, dass sie einfach weiterspielen. Der Igel war so verblüfft, dass er kein Wort heraus brachte – und das

17


18


passierte wahrlich nicht oft. „Ich bin die große Hexenmeisterin, die Beschützerin dieser Wiese und habe dich schon lange gesucht, Igel“, sprach die Hexe weiter, „Ich beobachte dich schon lange: du hältst dich nicht an die Regeln der Wiese, du ärgerst die anderen Wiesenbewohner und stiftest Unruhe. Deshalb werde ich dich in einen Stein verhexen!“Der Igel fand seine Worte wieder und spielte mit. Er rief: „Ich verlange, dass die Regeln geändert werden!“ „Nur der kluge WiesenZottelbär und seine schlauen Begleiter können die Regeln ändern!“ rief

19


20


die Hexenmeisterin zurück. „Ich will mit dem Wiesen-Zottelbär sprechen!“, verlangte der Igel. Da trat der Räuber auf die Bühne und sagte mit ernster Stimme: „Hier bin ich. Sprich Igel, was hast du mir zu sagen.“ Der Igel verneigte sich vor dem Wiesen-Zottelbär und redete plötzlich sehr

21


vornehm: „Ich wünsche, dass die Regeln geändert werden, sehr geehrter Herr Zottelbär. Wenn neue Tiere auf die Wiese kommen, sollen sie einen eigenen Platz bekommen, sie sollen auch mitreden und sie dürfen sie selber sein – und nicht ein Marienkäfer oder so!“ Der Räuber überlegte und meinte dann: „Diese Regeln hören sich vernünftig an, darüber werde ich mit meinen schlauen Begleitern reden. Trotzdem hast du andere Wiesenbewohnerinnen und Bewohner beleidigt und geärgert.“ „Ja, das war nicht so gemeint. Ich wollte einfach zeigen, wie supercool und witzig ich bin“, meinte der Igel zerknirscht. Da tauchten die schlauen Begleiter des WiesenZottelbärs plötzlich auf. Sie hatten die ganze Unterhaltung mitangehört

22


und wollten jetzt ihre Meinung dazu sagen. Der schlaue Spinatwachtelus sprach: „Sicher wirst du jetzt versuchen, Scherze zu machen, die auch für andere lustig sind. Und ich werde einen eigenen Platz für dich finden!“ Der schlaue Zwergenkönig sprach: „Sicher wirst du aufhören andere zu erschrecken. Und ich werde darauf schauen, dass auch du mitreden darfst!“ Die schlaue Puddinka sprach: „Sicher wirst du jetzt auch bei den Arbeiten mithelfen. Und ich verspreche dir, dass du nie wieder einen Marienkäfer spielen musst!“ Die schlaue Hexenmeisterin sprach: „Sicher wird es jetzt auf der Wiese wieder friedlicher und ich muss Niemanden in einen Stein verwandeln!“ Der schlaue Ritter von Muffelmütz, der sich endlich von seinem Schreck erholt hatte, sprach: „Sicher sind die Kinder jetzt ganz verwirrt, den das Stück hieß ja „Kasperl rettet den Marienkäfer“. Und jetzt verstehen die Kinder gar nicht, warum der Marienkäfer eigentlich ein Igel ist.

23


Und die Kinder wundern sich sicher, wieso jetzt alles ganz anders ist.“ Der Ritter von Muffelmütz seufzte und schien sich selbst am allermeisten zu wundern. Nach der Vorstellung saßen die Figuren sehr zufrieden zusammen und hatten das Gefühl, dass sie doch eine tolle Gruppe sind. Sie hatten eine Menge Applaus für ihr Theaterstück heute bekommen, obwohl das Stück ganz anders geplant war. Trotzdem konnten sie dieses Theaterstück nicht noch einmal aufführen, das würde einfach nicht mehr passen. „Kommt morgen bitte alle pünktlich zum Ideenfrühstück“, sagte das Krokodil noch bevor es sich nach diesem aufregenden Tag zur Ruhe legte.

24


Weitere SO-Geschichten auf www.petractive.at „SO passt der Igel nicht dazu“ Die Crew des Kasperltheaters wird um eine Figur erweitert, einen stacheligen, frechen Igel, der so gar nicht in das Bild der anderen Figuren passt.... „SO hat das der Räuber nicht gemeint“ Zwischen meinen, sagen, verstehen und tun liegen Welten, das müssen die Kasperlfiguren auf witzige Art und Weise erkennen......

25


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.