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Interview mit Dr. Carsten Brosda, Senator Mensch des Monats:
Sagen Sie mal …
… Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien „Nichts Ehrenrühriges“
Kultur und Medien erleben gerade schwere Zeiten, dabei sind sie für uns unverzichtbar, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Senator Carsten Brosda verrät im Interview warum.
Herr Brosda, wie wichtig sind Kultur und Medien für uns gerade jetzt, wo Fakten und Fiktion so nah beisammen zirkulieren?
Beide Bereiche sind für unsere freie und offene Gesellschaft essenziell. Dabei erfüllen sie aber jeweils ganz unterschiedliche Rollen. Bei den Medien geht es insbesondere um die faktenbasierte Information. Gegen Phänomene wie die Trumpsche Präsidentschaft oder die Querdenker-Szene hilft eine qualitätsvolle und freie Medienlandschaft. In der Kunst kann die Wahrheit hingegen gerade in der Fiktion liegen. Hier erleben wir es immer wieder, dass wir gerade durch die Fiktion auf tieferliegende Wahrheiten und Zusammenhänge gestoßen werden. Beides brauchen wir: Sowohl die vertrauenswürdige Information als auch die Möglichkeit, zu spielen und zu spekulieren. Insofern geben wir alles, damit Kultur und Medien möglichst gut durch diese schwierige Zeit kommen.
Anfang Dezember sagten Sie zur möglichen Schließung von Kinos, Clubs und Theatern, man müsse entsprechend der aktuellen Ereignisse handeln. Was heißt das in einer Lage, die sich ständig ändert?
Es ist wichtig, dass Orte der Kultur nicht so nebenbei geschlossen werden dürfen, wie es am Anfang der Corona-Krise geschehen ist. Hier haben wir inzwischen auch im Infektionsschutzgesetz deutlich gemacht, dass dies besondere Orte sind, die auch mit Blick auf die Freiheit der Kunst einen besonderen Schutz genießen. Dennoch müssen wir natürlich die aktuelle Lage im Blick behalten und mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen alles dafür tun, dass diese Orte auch aus Infektionssicht sichere Orte bleiben.
Hier ist es wichtig, dass wir bundesweit einheitliche Regelungen haben, die jeweils mit Blick auf die regionalen Inzidenzen angepasst werden können.
Halten Sie Kinos und Theater für sichere Orte?
Ja. Die Häuser sind vor allem im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen sehr sicher. Es gibt klare Hygienekonzepte und leistungsstarke Lüftungen, mit denen mehrmals pro Stunde die komplette Luft im Saal gegen Frischluft ausgetauscht wird. Außerdem kümmert sich ein Veranstalter um Einhaltung der Hygieneregeln und die Zuschauer sitzen meistens ruhig mit Maske auf ihren Plätzen.
Ihr früherer Chef, Olaf Scholz, wäre fast ihr neuer Chef geworden. Sie wurden als Kandidat für den Posten als Kulturstaatsminister gehandelt. Sie scheinen aber recht froh zu sein, in Hamburg bleiben zu können – und die Kulturszene auch. Woran liegt das?
FOTO: ©HERNANDEZ
„Dass Kultur im Sommer in Hamburg auch draußen geht – das wissen jetzt alle.“
Ich bin in der Tat sehr glücklich mit meiner hiesigen Aufgabe. Manche teilweise wilde Spekulation im Herbst habe ich recht amüsiert verfolgt. Es ist ja auch nichts Ehrenrühriges, für solche Positionen ins Spiel gebracht zu werden. Aber ich mag den konkreten Gestaltungsspielraum, den ich hier in Hamburg und auch im Deutschen Bühnenverein habe. Kultur ist Ländersache und hier werden ganz maßgeblich die Weichen für die Kunst und Kultur gestellt. Dies in einer Kulturstadt, wie sie Hamburg ist, machen zu können, ist außerordentlich beglückend.
Was macht Hamburg in Sachen Kultur anders als andere Bundesländer?
Wir haben zunächst eine sehr vielfältige und lebendige Kulturszene. Nachdem dies vor einigen Jahren mal ein Senat etwas aus dem Blick verloren hat, sind wir uns dessen heute absolut bewusst und versuchen, die Kultur nach Kräften zu stärken. Hinzu kommt ein sehr enger und vertrauensvoller Austausch mit den Akteuren der Szene, sodass wir auch sehr zielgenau da helfen können, wo Hilfe notwendig ist.
Im Juli und August fand der Kultursommer statt: Meist Open-Air und kostenfrei, gefördert und unter Einbezug der ganzen Stadt sowie vieler „kleiner“ Angebote. Der Kultursommer sollte ein starkes Signal für die Rückkehr der Kultur setzten. Hat das geklappt?
„Das war schon auch ein kleines Wagnis.“
Oh ja. Das war schon auch ein kleines Wagnis, zum einen weil wir unglaublich wenig Zeit hatten, das Ganze auf die Beine zu stellen, vor allem aber weil wir uns nicht sicher waren, wer da nach den Monaten des Stillstandes überhaupt mitmachen wird.
Doch schon die Bewerbungen haben uns überwältigt. Schlussendlich waren in den vier Wochen über 185.000 Besucherinnen und Besucher bei über 1.800 Kulturveranstaltungen. Gut 200 Veranstaltungsorte wurden mit Kultur aller Sparten bespielt, verteilt auf alle sieben Bezirke und 55 Stadtteile. Daran waren mehr als 5.700 Künstlerinnen und Künstler beteiligt, von denen mindestens 75 Prozent aus der Metropolregion Hamburg kamen. Das hat uns schon sehr gefreut und gezeigt, wie lebendig die Kulturszene in Hamburg weiter ist. Besonders schön war auch, dass die Veranstaltungen mit einer Auslastung von im Schnitt 73 Prozent sehr gut besucht waren. Das zeigt: Die Hamburgerinnen und Hamburger waren
Carsten Brosda blickt trotz aller Probleme der Gegenwart zuversichtlich in die Zukunft.
auch hungrig, endlich wieder Kultur live zu erleben.
Der Kultursommer hat auch weniger etablierten
Künstlerinnen und Künstlern geholfen. Bleibt 2021 eine Ausnahme oder kann etwas vom
Konzept erhalten werden?
So, wie es 2021 war, wird es einmalig bleiben. Nach der langen Phase des Lockdowns gab es einen enormen kreativen Stau, der so hoffentlich nie wieder „So, wie es 2021 war, wird es einmalig bleiben …” passieren wird. Außerdem ging das nur mit den besonderen finanziellen Möglichkeiten der Corona-Hilfen. Wir gucken uns aber natürlich an, was wir daraus für die Zukunft lernen können. Denn: Dass Kultur im Sommer in Hamburg auch draußen geht – das wissen jetzt alle.
Am 11. Januar feiert die Elbphilharmonie ihren 5. Geburtstag. Falls Sie eine Rede halten, was kommt darin vor?
Ich glaube nicht, dass ich für irgendwelche Reden eingeplant bin. Ich freue mich auf ein weiteres großartiges Konzert an einem bis heute wirklich außergewöhnlichen Ort der Kultur. Was haben wir hier nicht alles seit 2017 erleben dürfen: Das fängt an bei ganz individuellen beglückenden Konzerterlebnissen, geht über die umwerfende Architektur, die das Bild der Stadt deutlich verändert hat, und hört mit der großartigen Auslastung noch lange nicht auf.
Ist die „Elphie“ ein Ort für alle geworden, wie Olaf Scholz es versprochen hat?
Absolut. Die Zahlen zeigen, wie gut nicht nur die Plaza, als ja sehr bewusster öffentlicher Ort, angenommen wird, sondern auch die Konzerte. Wir alle erinnern uns, wie schwierig es anfangs war, eine Karte für ein Konzert zu bekommen. Und noch immer ist es einfacher ein Spiel beim HSV zu sehen als ein Konzert in der Elbphilharmonie.
Mit den Konzerten für Hamburg haben wir am Anfang ganz gezielt die Hamburgerinnen und Hamburger angesprochen, damit die „ihr“ Konzerthaus kennenlernen können. Auch die waren in den Verkaufsstellen in den Bücherhallen und Ortszentren immer schnell ausverkauft. Zudem wird der musikpädagogische Bereich sehr, sehr gut angenommen.
Sie sind nicht nur Senator für Kultur und Medien. Außerdem sind Sie Vorsitzender des Kulturforums der Sozialdemokratie. Wie unterscheidet sich sozialdemokratische Kultur von christdemokratischer?
In der Kulturpolitik geht es da einerseits oft darum, dass die Rahmenbedingungen für kulturelles Erleben und künstlerische Produktion stimmen. Das eint und da herrscht zwischen den demokratischen Parteien eine große Übereinstimmung. Das merken wir zum Glück auch in Hamburg im Rahmen der meistens sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit im Kulturausschuss. Aber andererseits geht es in der Kulturpolitik eben oft auch ums Grundsätzliches, um den kulturellen Rahmen und die gesellschaftlichen Grundlagen. Und da gibt es schon deutliche Unterschiede jenseits der Tagespolitik. Zum Beispiel in dem Bestreben, gesellschaftliche Vielfalt als eine Bereicherung zu begreifen, Kultur für alle zu fördern und die Freiheit von Kunst und Kultur unbedingt zu sichern.
Sie sind auch Präsident des Deutschen Bühnenvereins. Im Anschluss an eine Sitzung des Bühnenvereins sagten Sie kürzlich, wie wichtig Kulturangebote seien, um in den kommenden Jahren bei den anfallenden Diskussionen zu helfen. Wie genau meinen Sie das?
Wenn wir uns die Bilder des Lockdowns vor Augen führen, dann waren da all die öffentlichen Orte, an denen eine offene und freie Gesellschaft normalerweise zusammenkommt, um sich mit den Fragen des Zusammenlebens zu befassen, plötzlich leer. Plötzlich fehlten die Anlässe, Fragen zu behandeln, die uns als Gesellschaft bewegen. Die Theater, die Konzertsäle, die Ausstellungshäuser mit all ihren Inspirationen, Fragen, Erkenntnissen brauchen wir gerade jetzt und wir werden sie ganz dringend brauchen, wenn wir Corona überstanden haben und uns gemeinsam fragen, was wir da eigentlich gerade erlebt haben und was wir daraus lernen können.
Herr Brosda, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Fragen: michael.wendland@kloenschnack.de Infos: www.hamburg.de/bkm
ZUR PERSON: Dr. Carsten Brosda
ist seit Februar 2017 Senator der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. Der gebürtige Gelsenkirchener studierte Journalistik und Politikwissenschaften. Er war unter anderem als Pressereferent und Redenschreiber für den SPD-Vorstand tätig. Er ist Präsident des Deutschen Bühnenvereins und Schirmherr des Vereins KulturLeben Hamburg.