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GASTKOLUMNE
Stellungnahme
Wolf Achim Wiegand: „Tempo 30 in ganz Hamburg ist nur ein Traum.“
Ist Tempo 30 in einer Großstadt wie Hamburg umsetzbar oder behindert es nur Verkehr und Wirtschaft?
Wolf Achim Wiegand. Tempo 30 in Hamburg Schneckenstrecken? Nein danke
Angesichts des Klimawandels steht auch der Stadtverkehr auf dem Prüfstand. Manche wollen die Autofahrer ausbremsen. Aber ist das wirklich eine gute Idee?
Warum ist der Igel beim Wettlauf auf dem Buxtehuder Acker schneller als der Hase? Weil er sich mit einem Trick schneller macht, als er von Natur aus ist. Ein Märchen halt.
In der Hamburger Stadtrealität geht das nicht. Wer schnell von Punkt A nach Punkt B möchte, muss mobil sein. Dafür hat die Menschheit motorisierte Fortbewegungsmittel erfunden. Autos eben.
Nun fordern Radfahrlobbyisten Tempo 30. Als Regel. Stadtweit. Auch auf Hauptverkehrsstraßen wie Osdorfer Landstraße usw. (B431) oder Elbchaussee. Begründung: Es wirke dem Klimawandel entgegen und mindere Unfälle, Lärm, schlechte Luft. Die Menschen sollten vom Auto aufs Fahrrad umsteigen. Oder in Busse und Bahnen.
Doch die Tempo-30-Idee ist nur ein Traum. Das Argument Umweltschutz hinkt. Die Landesanstalt für Messungen in Baden-Württemberg sagt: Schadstoffemissionen sind bei dauernder Tempo-50-Fahrt geringer als bei Tempo 30. Abbremsen verringere weder den Ausstoß von Stickoxid noch den von CO2.
Tempo-30-Apologeten argumentieren weiters mit Unfallgefahren. Sie brandmarken Autofahrer pauschal als Raser. Das Kfz sei eine Art Waffe. Wirklich? Jeder Mensch hinterm Lenkrad ein potenzieller Mörder? Die allermeisten Autofahrer lenken umsichtig. Punkt.
Zudem ist der Einfluss von Geschwindigkeit auf Unfälle nicht bewiesen. Es gibt kaum Analysen. Im Gegenteil! Studien zeigen: Tempo allein löst selten Unfälle aus. Und nichts deutet darauf hin, dass Tempo-30-Gegurke plötzliche Liebschaften zu unbequemen Bussen und Bahnen erzeugte. Laut Erfahrung nehmen Autofahrer eher Nebenstrecken. Denn das wird passieren: Tempo 30 entwertet einst ruhige Wohnquartiere zu Durchfahrtszonen. Mit Staus, Luftverpestung, Motorenlärm. Direkt vor der Hausoder Wohnungstür. Weitere Fakten. Auf fast 60 Prozent des Hamburger Straßennetzes gilt schon
Tempo 30 oder weniger, hat der rotgrüne Senat der Bürgerschaft mitgeteilt. Wirklich herrscht in weiten Teilen der Stadt wegen des Baustellenwirrwarrs sogar längst Tempo 20. Wir sind Staustadt. Die Wirtschaft hat ebenso Ansprüche. Erinnern wir uns: Die Holsten Brauerei in der Altonaer Stresemannstraße (seit 1879) ist wegen der mies gewordenen Verkehrslage ins Randgebiet Hausbruch gezogen. Restriktionen wie nächtliches Bierausladeverbot und zu lange Wege für Mitarbeiter waren tödlich. 70 der 450 Jobs fielen weg. Damit wir uns nicht missverstehen: Es ist vollkommen ok, wenn enge Wohngebiete nur mit 30 durchfahren werden dürfen. Auch gefährdete Kitas, Schulen oder Altersheime können durch Langsamfahrten geschützt werden. Manche kurze Strecke ist sogar spielstraßentauglich (Tempo 10), wenn dort wirklich Kinder wohnen. Aber in einer wirtschaftlich aktiven ZweiMillionen-Stadt wie Hamburg ist es existentiell, über Hauptachsen effizient von Blankenese nach Bergedorf zu kommen. Oder von Lurup nach Langenbek. Nicht jeder hat eine S- und U-Bahn oder einen Bus vor der Haustür. Klubs, Kinos und Theater sowie Sportstätten, Einkaufszentren und DienstGAST KOLUMNE leister wie Ärzte findet man nicht immer um die Ecke. Also, anstatt Autofahrer zu drangsalieren müsste Hamburgs Senat den ÖPNV innovativ ausbauen. Ladenhüter gehen weg wie warme Semmeln, wenn man sie kostengünstiger macht und dazu noch verbessert. Abhilfe im Verkehr könnten stadtweit montierte „Schlauampeln“ schaffen. Die digitalisierten und vernetzten Anlagen berechnen den Verkehr. Sie schaffen grüne Wellen. Das mindert Bremsen, Anfahren und Schadstoffe. Der Verkehr bleibt im Fluss. Worüber reden wir also? Mein Vorschlag: Sprechen wir über Erfindungsreichtum. Die Menschheit hat noch immer Lösungen ausgetüftelt – ganz ohne Zwang. Experten sagen: Ab 2025 gibt’s automatisierte Taxis und Busse, ab 2030 selbststeuernde Lkw und erste Pkw. Ab 2040: Jeder weltweit verkaufte Neu-Pkw wird mit E-Motor fahren. Wolf Achim Wiegand ist FDP-Abgeordneter in der Lassen wir also die Kirche im Dorf. Hamburg wird niemals Bullerbü sein. Autos sind Bezirksversammlung Altona, zum Fahren da, nicht zum Schleichen. Vize-Fraktionschef und Spre- Schneckenstrecken? Nein danke. Stadtweicher für Verkehrs-, Klima-, tes Tempo 30 bringt keine MobilitätsWENUmwelt- und Verbraucher- DE, sondern das MobilitätsENDE. fragen. Wolf Achim Wiegand