6 minute read
BLANKENESE AN DER AHR
Die Rathausstraße in Hagen nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021
Überflutungen Blankenese an der Ahr?
Ende September erreichte ein Antrag der CDU-Fraktion die Bezirksversammlung Altona: Starkregenereignisse und die Gefahr von Überflutungen. Das Papier verweist auf die Hochwasserkatastrophe an der Ahr und fordert die Vorbereitung auf ähnliche Szenarien an der Elbe. Zu Recht?
Das fehlte noch. Corona, Ukraine, Energiekrise, Klimakrise und nun ein Antrag der CDUFraktion Altona, der die Ahr nach Blankenese verlegt. Dr. Kaja Steffens, Sprecherin der Fraktion, stellte im Ausschuss für Klimaschutz und Umwelt fest: „Ein mit der Ahrtal-Katastrophe vergleichbares Starkregenszenario ist möglich. Es besteht in solch einem Fall Gefahr für Leib und Leben und die Existenzen der Hamburgerinnen und Hamburger.“
Panikmache oder reale Gefahr? Worauf stützt sich der Antrag der CDU?
Tatsächlich veröffentlichte der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) im Sommer 2022 eine Studie mit dem Titel „Beispielhafte Übertragung extremer Regenereignisse im Ahrtal von Juli 2021 auf Hamburg“.
Wir erinnern uns: Aufgrund von Hochwasserkatastrophen in jenem Sommer wurden Gebiete in West- und Mitteleuropa buchstäblich geflutet. In Deutschland kamen mindestens 180 Menschen ums Leben. Häuser stürzten ein und weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört. Allein die Deutsche Bahn taxierte ihre Schäden auf etwa 1,3 Milliarden Euro. Nach den Aufräumarbeiten fielen im Kreis Ahrweiler über 300.000 Tonnen Sperrmüll an – eine Menge von 40 regulären Jahren. Ahrweiler war auch das Zentrum der Katastrophe in Deutschland. Allein hier kamen 135 Menschen ums Leben.
Vergleicht man nun die Geografie des Ahrtals mit der Geografie Hamburgs, dann wächst die Skepsis gegenüber Katastrophenszenarien. Das Ahrtal liegt am Rand der Eifel und zählt damit als Mittelgebirgsregion. Es dominieren steile Hänge, zwischen denen Flüsse, wie eben die Ahr, mit hohen Fließgeschwindigkeiten verlaufen.
Hamburg dagegen gehört zur norddeutschen Tiefebene und weist weite Flächen auf sowie Gewässer mit niedrigen Fließgeschwindigkeiten. Überflutungsrisiken sind hier eher Sturmfluten, bei denen Wind im
Vergleicht man Zusammenhang mit der Tide den Pegel die Geografie steigen lässt. Deiche und andere SchutzHamburgs mit der bauten haben diesen Fluten jedoch das Ahr, dann wächst die Skepsis ... zerstörerische Potenzial genommen. Eine Flut wie die von 1962 (315 Tote) ist heute unwahrscheinlich. Bleibt Starkregen. Wann ist er ein ärgerliches Wetterphänomen, das für nasse Füße sorgt und wann wird er zum Risikofaktor? Die Untersuchung des LSBG beantwortet diese Fragen präzise anhand einer Darstellung jener Verhältnisse, die an der Ahr zur Katastrophe führten.
Großwetterlage
Im Juli 2021 zog ein Tief über Westeuropa, das sich an den westlichen Mittelgebirgen (wie eben der Eifel) staute. Das führte zu Starkregen, der länger anhielt als ge-
Wäre es ein Farbfoto, so könnte man einen aktuellen Bezug vermuten: Die Folgen der Hamburger Sturmflut von 1962
wöhnlich. In 48 Stunden fielen im Ahrtal Regenmengen von bis zu 165 mm pro Quadratmeter.
Bodenvorfeuchte
Wenn das Wetter über Tage regnerisch ist, sättigt dies den Boden. In den Hochwassergebieten 2021 in Rheinland-Pfalz betrug die Speicherkapazität pro Quadratmeter nur noch zehn Millimeter. Wenn nun der Boden nichts mehr aufnimmt, werden Gewässer zu den einzig verbliebenen Abflüssen. Hier kommt eine weitere Kennzahl ins Spiel.
Entwässerte Quadratkilometer
Die Ahr entwässert ein Gebiet von etwa 900 Quadratkilometern, die Alster etwa 600. Nun ist auch leicht zu verstehen, wo es zu hohen Fließgeschwindigkeiten kommen kann: Man stelle sich Badewannen mit identischem Abfluss vor. Je größer die Wanne, desto größer der Wasserdruck auf dem Abfluss. Hinzu kommt das Gefälle der Flüsse. Im Ahrtal werden mittlere Gefälle von 1,3 Prozent gemessen (der Trierbach überwindet auf einer Strecke von 25 Kilometern einen Höhenunterschied von über 300 Metern). Das mittlere Gefälle der Alster ist geringer und übersteigt an keiner Stelle die Ein-Prozent-Marke.
Also Entwarnung für Hamburg? Nicht ganz. In der Studie des LSBG heißt es: „Während hinsichtlich der Abflussbil-
Die Ahr im Sommer 2021 in Altenburg
Flussverlauf Alster und Kollau
Altona Eimsbüttel Nord
Kollau Alster
Mitte Wandsbek
Alster und Kollau entwässern große Flächen im Hamburger Stadtgebiet. Daher wurden diese beiden Flüsse für die Computersimulation eines Starkregenereignisses gewählt. Harburg
Bergedorf
dung insbesondere die flachere Topographie im Norddeutschen Tiefland gegen eine Hochwasserdynamik mit solch hohen Fließgeschwindigkeiten und mit schnell ansteigenden Wasserständen wie im Ahrtal spricht, können aus hydraulischer Sicht in Hamburg bei starken Niederschlagsereignissen lokal Fließwege mit einem ausgeprägten Fließgefälle entstehen.
Auch Engstellen bei schmalen Routen in Gebieten mit dichter Infrastruktur können zu einer Konzentrierung der Fließwege mit einem erhöhten Schadenspotenzial für die menschliche Gesundheit, Straßen und Infrastruktur führen.“
Untermauert wird dies von Computersimulationen, die berechnen sollen, wie viele Häuser entlang der Alster und der Kollau bei einem außergewöhnlichen Starkregen betroffen wären.
Was aber ist ein außergewöhnlicher Starkregen? Statistiker bemühen hierzu Kennzahlen wie HQ100 – ein Hochwasserereignis, das mit der Wahrscheinlichkeit von 1/100 jedes Jahr erreicht oder überschritten wird. Dies bedeutet also, dass ein HQ statistisch gesehen einmal pro 100 Jahren auftritt. Diese statistische Genauigkeit ist jedoch theoretisch und hängt von der Qualität der Daten ab. Im Ahrtal wurde laut einer Rekonstruktion (die Messstation fiel durch die Flut aus) ein Höchststand erreicht, der den berechneten um annähernd
das Dreifache übertraf. Diese Fehleinschätzung beruhte auf zu geringen Datenmengen. Tatsächlich basierten alle Schätzung nur auf zwei Messungen, von 1804 und 1910. In Hamburg wurde nun per Computer jener Starkregen simuliert, der im Ahrtal zur Katastrophe führte. Das Ergebnis liegt für ausgewählte Bereiche vor, zum Beispiel einzelne Abschnitte der Alster. Es ist nicht möglich, Zahlen für ganz Hamburg zu nennen. Deutlich wird aber, dass der Ahr-Starkregen auch in Hamburg zu großflächigen Die Überflutungsdauer ist mit zwei Überschwemmungen geführt hätte, mit Wassertiefen von stellenweise über bis drei Tagen zwei Metern. Die Überfluangegeben ... tungsdauer ist mit zwei bis drei Tagen angegeben, die Fließgeschwindigkeit mit bis zu 0,6 Metern pro Sekunde. Das klingt wenig, kann jedoch Menschen von den Füßen holen und zum Bruch von Mauern führen. An Hotspots wie dem Wellingsbütteler Grenzgraben wurden Fließgeschwindigkeiten von bis zu zwei Metern pro Sekunde erreicht mit entsprechendem Schadenspotenzial. Fazit: Die Gefahr ist laut LSBG real. Zwar könne im schlimmsten Fall von einer „weniger ausgeprägten Hochwasserdynamik mit geringeren Fließgeschwindigkeiten“ als an der Ahr ausgegangen werden. Die Studie zeige aber auch, dass die Auswirkungen des simulierten Starkregens „schwerwiegend“ wären.
Zurück zur CDU und dem Antrag. Der fordert neben weiteren Untersuchungen eine zentrale Stelle für Hamburg, die für den Schutz vor den Auswirkungen von Starkregenereignissen zuständig ist und dafür Sorge trägt, die Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur sicherzustellen.
Gefordert wird weiterhin eine weitere Starkregensimulation für die Bereiche Blankenese und Övelgönne, da hier Hangrutsche denkbar seien.
Konkrete Schritte in der Bezirksversammlung standen bis Redaktionsschluss noch aus.
Autor: tim.holzhaeuser@kloenschnack.de
ZUR SACHE: Adressen und Hilfe zum Thema Hochwasserschutz
Bundesweit gibt es die Warn-App NINA des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK). Für Hamburg gibt es außerdem eine Hochwassergefahrenkarte, abzurufen online unter geoportal-hamburg.de/
hochwasserrisikomanagement/
Des Weiteren gibt es für Hamburg einen Warndienst Binnenhochwasser Hamburg, online zu erreichen unter
wabiha.de
Die hier aufgeführten Stellen sind eine Auswahl.