Klinische Diätetik - Tumor

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Joseph J. WAKSHLAG BS, MS, DVM

Francis A. KALLFELZ BS, DVM, PhD, Dipl ACVN

Ernährung und Diätetik bei Hunden mit Tumorerkrankungen

1 - Die Beurteilung des Ernährungsstatus eines Tumorpatienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 2 - Die Rolle der Ernährung / Diätetik bei Tumorerkrankungen und Kachexie . . . . . . . . . . . . 436 3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie . . . . . . . . . 439

Häufig gestellte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Beispiele selbst zubereiteter Diätfuttermittel für die Behandlung der Tumorkachexie . . . . . 448 Diätetische Informationen von Royal Canin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

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Tumor/Kachexie

4 - Diätetische Intervention bei Tumorerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444


Ernährung und Diätetik bei Hunden mit Tumorerkrankungen Joseph J. Wakshlag BS, MS, DVM Joseph Wakshlag erhielt den Grad des Bachelor und Master of Science an der Montclair State University und schloss sein Tiermedizinstudium mit dem Titel des DVM am Cornell College ab. Derzeit arbeitet er an seiner Promotion (PhD) im Fachbereich Pharmakologie und nimmt an einem Residency-Trainingsprogramm im Bereich Tierernährung und Diätetik teil. Sein wissenschaftliches Interesse gilt den Mechanismen des Abbaus der fettfreien Körpermasse bei Hunden und Katzen und dem Aminosäure- und Fettsäurestoffwechsel bei Tumorerkrankungen. Darüber hinaus beschäftigt sich Joseph Wakshlag mit dem Stoffwechsel von im Leistungssport eingesetzten Tieren, den er unmittelbar an 365 Tagen im Jahr in seinem eigenen Zwinger an bei Eurohound-Sprintrennen startenden Schlittenhunden untersucht.

Francis A. Kallfelz BS, DVM, PhD, Dipl ACVN Francis Kallfelz schloss sein Tiermedizinstudium 1962 mit dem Grad des DVM am Cornell College of Veterinary Medicine ab und promovierte (PhD) 1966 im Fachbereich Physiologie zum Thema Kalziumstoffwechsel. Kurz nach Abschluss des Studiums nahm er eine Tätigkeit als Fakultätsmitglied am Department of Clinical Sciences des Cornell College of Veterinary Medicine auf. Von 1986 bis 1997 war er als Direktor der Klinik tätig und intensiv an der Erstellung der Satzung des 1988 gegründeten American College of Veterinary Nutrition beteiligt. Gegenwärtig ist Dr. Kallfelz James-Law-Professor für Ernährung am Department of Clinical Sciences. Im Laufe seiner Karriere beschäftigte er sich sehr intensiv mit dem Stoffwechsel und der Absorption von Kalzium, Phosphor, Magnesium und Vitamin D. Heute liegt sein wissenschaftlicher Interessenschwerpunkt auf dem Gebiet des Proteinbedarfs und den molekularen Mechanismen des Verlustes an fettfreier Körpermasse.

D

Tumor/Kachexie

er Diätetik wird oftmals keine besondere Bedeutung bei der Behandlung von Tumorerkrankungen beigemessen, sie kann sich jedoch als eine wichtige Variable mit einem erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität und die Überlebenszeit der Patienten erweisen. Bei Patienten mit Tumoren, insbesondere metastatischen Erkrankungen, ist die entscheidende Frage nicht die der Heilung sondern vielmehr die der Verbesserung der Lebensqualität des Patienten. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre ist eine zunehmend umfangreichere Literaturbasis über die Rolle der Makronährstoffe (Fette, Proteine und Kohlenhydrate) und Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Fettsäuren und Aminosäuren) bei Tumorerkrankungen entstanden. Obgleich dieser Forschungsbereich noch weitgehend in den Kinderschuhen steckt, gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass die diätetische Behandlung von Neoplasien tief greifende Effekte auf das Leben der betroffenen Tiere und ihrer Besitzer haben kann.

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1 - Die Beurteilung des Ernährungsstatus eines Tumorpatienten

1 - Die Beurteilung des Ernährungsstatus eines Tumorpatienten WENN EINE TUMORERKRANKUNG BEI EINEM HUND DIAGNOSTIZIERT WIRD, STEHT DER TIERARZT IM ALLGEMEINEN VOR EINER DIESER DREI SITUATIONEN: 1) Neoplasie ohne Ernährungsprobleme 2) Neoplasie mit Anorexie 3) Neoplasie mit Kachexie

Entscheidend für die Beurteilung des Ernährungsstatus eines betroffenen Tieres sind eine ausführliche Anamnese, eine gründliche klinische Untersuchung, eine persönliche Einschätzung der Situation und schließlich eine regelmäßige Verlaufs- bzw. Kontrolluntersuchung des Patienten. Um zu unterscheiden, ob ein Tumorpatient hypermetabolisch ist, oder ob andere Mechanismen für den Verlust an fettfreier Körpermasse verantwortlich sind, reicht eine bloße Beurteilung des aktuellen Körpergewichts nicht aus. Vielmehr muss der so genannte Body Condition Score - ein Schema zur Beurteilung der Körperkondition und des Ernährungszustandes anhand definierter Kriterien - erhoben werden, und es muss subjektiv ermittelt werden, ob ein abnormer Verlust der fettfreien Körpermasse bei dem Patienten vorliegt.

© JY Deschamps

Klinisch wird die Kachexie definiert als ein progredienter Gewichtsverlust bei offensichtlich adäquater Energiezufuhr. Diese Situation kann durch eine ganze Reihe verschiedener Mechanismen hervorgerufen werden, sie gilt aber in den meisten Fällen als die Folge einer Veränderung der Stoffwechselrate, die zu einem erhöhten Ruheenergiebedarf führt. Aber auch andere Faktoren, die nicht auf eine Erhöhung der Stoffwechselrate zurückzuführen sind, können für einen Verlust an fettfreier Körpermasse verantwortlich sein.

Im Allgemeinen führt eine Anorexie zu Gewichtsverlust, primär auf Kosten des Fettgewebes, während Patienten mit Kachexie nahezu gleiche Mengen an Skelettmuskelmasse und Fettgewebe verlieren.

Einer veterinärmedizinischen Studie zufolge entwickelt eine signifikanter Prozentsatz (27 %) feliner Tumorpatienten eine Kachexie (Baez et al., 2002). Der prozentuale Anteil kaniner Tumorpatienten mit Kachexie ist zwar nicht bekannt; in dem Maße jedoch, indem erfolgreichere Behandlungsoptionen die Überlebenszeiten von Hunden mit Neoplasien verlängern, kann auch eine zunehmende Prävalenz der Tumorkachexie zu beobachten sein. Mit Hilfe ausgeklügelter Diagnosewerkzeuge, wie zum Beispiel der Dual Energy X-Ray Absorptiometrie (DEXA) und der bioelektrischen Impedanzmessung, kann die fettfreie Körpermasse des Patienten präzise bestimmt werden. Allerdings sind diese Methoden den meisten praktisch tätigen Tierärzten in der Regel nicht zugänglich. Entscheidend für die Überwachung von Tumorpatienten unter praktischen Bedingungen ist deshalb eine regelmäßige Kontrolle des Körpergewichts und des Body Condition Scores. Bei der Beurteilung eines Tumorpatienten mit übermäßiger Gewichtsabnahme und Verlust der fettfreien Körpermasse müssen zunächst andere Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herzerkrankungen, Nierenkrankheiten und Hyperthyreose differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden, da eine biochemische und hormonelle Stimulation von Gewichtsverlust und Kachexie auch im Rahmen dieser Erkrankungen auftreten kann. Richtlinien aus Studien an Krebspatienten in der Humanmedizin sind hilfreich bei der Definition eines abnormen Gewichtverlustes und können zur Definition der kachektischen Reaktion herangezogen werden (Inui, 2002) (Tabelle 1 und 2).

TABELLE 1 - MERKMALE DER ANOREXIE UND KACHEXIE IM VERGLEICH

Anorexie

Kachexie

TABELLE 2 - RICHTLINIEN ZUR FESTSTELLUNG EINER KACHEXIE ALS URSACHE FÜR EINEN GEWICHTSVERLUST Ernährungsstatus

Veränderung des Körpergewichts

Intervall

Energiezufuhr

/

Gesund, adult

2%

1 Monat

Energieverbrauch

/

Gesund, adult

3.5%

3 Monate

Körperfett

Kachexieverdacht

5%

6 Monate

Skelettmuskelmasse

Kachexie bestätigt

> 10%

< 6 Monate

435

Tumor/Kachexie

Auch wenn wir uns in diesem Kapitel nicht schwerpunktmäßig mit diesem Aspekt befassen, steht außer Frage, dass ein Patient mit Anorexie unsere unmittelbare Aufmerksamkeit benötigt, einschließlich einer unterstützenden enteralen und möglicherweise auch partiellen oder vollständigen parenteralen Ernährung (siehe Kapitel 14). In vielen Fällen ist es sehr schwierig, zu beurteilen, ob die Ursache des Gewichtsverlustes in einer Anorexie oder einer Tumorkachexie liegt. Bei Patienten mit weiter fortgeschrittenen Tumorerkrankungen kommt es nicht selten zu einer intermittierenden Anorexie im Zusammenhang mit der chemotherapeutischen Behandlung.


Ein weiteres einfaches Mittel zur Beurteilung eines Verlustes an fettfreier Körpermasse ist eine adspektorische und palpatorische Untersuchung der Glutealmuskulatur und der paralumbalen Muskeln, die bei kachektischen Tieren einen prominenten Darmbeinkamm und hervorstehende Dornfortsätze der Wirbel erkennen lassen (Abbildung 1). Ein dem Body Condition Scoring (BCS) zur Beurteilung der Adipositas vergleichbares System, das so genannte Muscle Condition Scoring (MCS), befindet sich

ABBILDUNG 1 - KLINISCHE TUMORKACHEXIE

© Cornell Comparative Oncology Program

© Courtesy of the Cornell Comparative Oncology Program

2 - Die Rolle der Ernährung / Diätetik bei Tumorerkrankungen und Kachexie

Bei einem Patienten mit Kachexieverdacht ist eine genaue Untersuchung der Schultergliedmaßen-, Beckengliedmaßen- und Kaumuskulatur routinemäßig erforderlich (Baez et al., 2002). Knöcherne Vorsprünge wie das Tuberculum supraglenoidale, Spina scapulae, Tuber ischii, Trochanter major femoris und der Sagittalkamm des Schädels werden bei betroffenen Hunden innerhalb sehr kurzer Zeit deutlicher sichtbar.

Typisches Erscheinungsbild eines infolge eines übermäßigen Verlustes an fettfreier Körpermasse ausgezehrten Hundes. Zu beachten sind die hervortretenden Rippen, Hüften und der Sagittalkamm, sowie der Verlust der Beckengliedmaßen- und Pektoralmuskulatur.

gegenwärtig im Stadium der Entwicklung. Dieses Werkzeug sollte klinisch tätigen Tierärzten in naher Zukunft zur Verfügung stehen und die Diagnose und Definition der Kachexie und eines abnormen Verlustes an fettfreier Körpermasse beim Hund wesentlich unterstützen.

ZWEI GLEICH WICHTIGE, ZENTRALE DIÄTETISCHE ZIELE MÜSSEN BEI EINEM TUMORPATIENTEN VERFOLGT WERDEN: 1) Hemmung des Tumorwachstums 2) Prävention oder Behandlung der Kachexie

2 - Die Rolle der Ernährung / Diätetik bei Tumorerkrankungen und Kachexie In einigen Fällen ist die Auszehrung des Tumorpatienten nicht auf den Tumor selbst zurückzuführen, sondern auf einen übermäßigen Verlust der Körperkondition. Das Verständnis dieses katabolen Prozesses ist die entscheidende Voraussetzung für die Wahl der geeigneten diätetischen Intervention.

Tumor/Kachexie

Diätetische Epidemiologie von Tumorerkrankungen in der Veterinärmedizin Die Rolle der Ernährung in der Tumorprävention ist heute Gegenstand umfassender Forschungsbemühungen in der Humanmedizin. Gründe hierfür sind unter anderem die ungeheure Vielfältigkeit der menschlichen Ernährung und das zunehmende Bewusstsein, dass bestimmte Ernährungsformen das relative Krebsrisiko senken können. Dies kann auch auf unsere Heimtiere zutreffen, obgleich die meisten veterinärmedizinischen Patienten eine ausgewogenere Ernährung bekommen dürften als die meisten Menschen. Es gibt drei epidemiologische Studien an Hunden, in denen diätetische Risikofaktoren und Risikofaktoren des Körperbaus bzw. des Ernährungsstatus für Mammatumoren untersucht wurden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen weisen darauf hin, dass zwischen dem Fettgehalt der Nahrung und der Inzidenz von Neoplasien kein signifikanter Zusammenhang besteht, obgleich Adipositas das relative Risiko von Mammakarzinomen erhöht (Sonnenshein et al., 1991). 436


Das Verständnis des Stoffwechsels des neoplastischen Zellwachstums ist entscheidend für die Wahl der geeigneten diätetischen Interventionen bei Tumorerkrankungen.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Strategien zur Beeinflussung des Tumorwachstums durch diätetische Modifikationen entwickelt.

Im Allgemeinen haben neoplastische Zellen eine höhere anaerobe Energiestoffwechselrate als gesunde Zellen und sind deshalb in deutlich stärkerem Maße auf Glukose angewiesen, das heißt, auf eine Intensivierung des glykolytischen Stoffwechselweges. Diese “up-regulation” der Glykolyse hat eine Akkumulation von Pyruvat zur Folge, welches rasch zu Laktat umgewandelt wird. Die Konsequenz ist eine geringgradige Laktatazidose, die bei kaninen Tumorpatienten dokumentiert ist (Vail et al., 1990; Ogilvie et al., 1997). Sobald Laktat von den neoplastischen Zellen in den Blutkreislauf freigesetzt ist, wird es von der Leber aufgenommen und dort wieder in Glukose umgewandelt. Diese Glukose kann nun wiederum in die neoplastischen Zellen zurückkehren, um dort der Glykolyse zu unterliegen, ähnlich des Cori-Zyklus

2 - Die Rolle der Ernährung / Diätetik bei Tumorerkrankungen und Kachexie

Energiebedarf und Stoffwechsel bei Tumorerkrankungen

© JY Deschamps

Interessanterweise zeigte eine Studie, dass mit zunehmender Proteinkonzentration der Nahrung das relative Risiko für Mammakarzinome sinkt, während eine zweite Studie ein erhöhtes relatives Risiko für Neoplasien bei Hündinnen beschreibt, die als Hauptkalorienquelle rohes Fleisch bekommen (Shofer et al., 1989; Perez-Alzena et al., 1998). Aus den Ergebnissen dieser Studien kann abgeleitet werden, dass bei einem Anstieg der Proteinkonzentration die Qualität des Hundefutters oft besser ist. Eine Ernährung auf der Basis von rohem Fleisch ist dagegen in der Regel nährstoffmäßig unausgewogen. Deshalb kann mit dem Rückgang der Gesamtnährstoffausgewogenheit die Inzidenz von Neoplasien zunehmen. Wenn es darum geht, die Prävalenz bestimmter Neoplasien zu senken, sollten veterinärmedizinische Patienten idealerweise gut ausgewogene Rationen bekommen, die den ernährungsphysiologischen Richtlinien (National Research Council, NRC) zur Fütterung von Hunden entsprechen.

ABBILDUNG 2 - GLUKOSESTOFFWECHSEL (CORI-ZYKLUS) Glykolyse Glukose

Krebs-Zyklus

Pyruvat Laktat Nettogewinn = 2 ATP

Nettogewinn = 38 ATP

TUMOR

Glukoneogenese Cori-Zyklus

Glukosestoffwechsel bei Neoplasie: Leerlauf-Zyklus und Energieverlust aufgrund der Resynthese von Glukose aus Laktat im Cori-Zyklus.

Nettoverlust = 4 ATP und 2 GTP

Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die humorale Freisetzung bestimmter Zytokine aus entzündlichem Gewebe um die Neoplasie herum oder von der Neoplasie selbst zu einer Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung im Mitochondrium führt, deren mögliche Folge eine reduzierte ATP-Produktion ist (Giordano et al., 2003). Bestimmte Zytokine können auch die Aktivität der endothelialen Lipoproteinlipase hemmen und dadurch eine Akkumulation von Fettsäuren und Triglyzeriden im Blutkreislauf hervorrufen und die Speicherung von Fettsäuren in den Adipozyten reduzieren. Zusammen können diese Veränderungen zu einer Veränderung der Serumlipidprofile und zu einer Hypertriglyzeridämie beitragen, zwei Befunde, die bei Hunden mit Lymphomen beobachtet werden (Ogilvie et al., 1994).

Tumor/Kachexie

(Ogilvie und Vail, 1990; Howard und Denior, 1999) (Abbildung 2). Während dieses Umwandlungsprozesses der Glukose in Laktat entsteht ein Überschuss von 2 ATP aus der Glykolyse in der Tumorzelle. Die Umwandlung von Laktat zurück in Glukose in der Leberzelle benötigt jedoch 4 ATP und 2 GTP, so dass letztlich ein Nettoverlust von 2 ATP zu Buche steht.

Ein Hauptrisikofaktor für Tumorkachexie ist der gesteigerte Energiebedarf aufgrund der Aktivierung der proteinabbauenden Stoffwechselwege.

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2 - Die Rolle der Ernährung / Diätetik bei Tumorerkrankungen und Kachexie

Um ausreichend Energie für die Leerlauf-Zyklen verschiedener Systeme zuzuführen, und im Versuch, die Abhängigkeit neoplastischer Prozesse von der anaeroben Glykolyse zu ändern, werden häufig Veränderungen des Gehaltes der Nahrung an Energie liefernden Substraten (Protein, Fett und Kohlenhydrat) vorgenommen, mit dem Ziel, das Fortschreiten der Erkrankung abzubremsen und damit die Überlebenszeit des Patienten zu verlängern (Argiules et al., 2003).

Tumorkachexie Über viele Jahre ging man davon aus, dass sämtliche Patienten mit Tumorkachexie eine erhöhte Ruhestoffwechselrate aufgrund des gesteigerten Stoffwechsels in neoplastischem Gewebe aufweisen. Zahlreiche Studien in der Humanmedizin und neuerdings auch in der Veterinärmedizin zeigen jedoch, dass sich die Ruhestoffwechselrate nach Entfernung des Tumors nicht verändert. Zudem kann die Ruhestoffwechselrate extrem variabel sein und korreliert oftmals nicht mit dem kachektischen Syndrom (Vail et al., 1990; Ogilvie et al., 1997; Argiules et al., 2003). Bis vor kurzem wurde angenommen, dass ein übermäßiger Verlust an fettfreier Körpermasse auf einen verstärkten Abbau von Aminosäuren zur Unterstützung des Tumorwachstums zurückzuführen ist, und dass der Körper bei unzureichender Proteinzufuhr die Skelettmuskulatur abbaut, um diesen Bedarf zu decken. Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre wurde die Rolle verschiedener, an der Skelettmuskelatrophie im Zusammenhang mit der Tumorkachexie beteiligter proteolytischer Systeme (Capthesine, Calpaine und Ubiquitin / Proteasom) untersucht. Dem Ubiquitin / Proteasom-System wurde vor kurzem sehr viel Aufmerksamkeit zuteil, da dieses System bei Tumorkachexie und bei anderen mit Verlust an fettfreier Körpermasse einhergehenden Erkrankungen eine “up-regulation” erfährt (Baracos, 2000; Inui, 2002; Argiules et al., 2003). Es handelt sich um ein komplexes System, das ein Protein für den Abbau markiert und anschließend das markierte Protein durch eine als Proteasom bezeichnete große Multisubunit-Protease schiebt. Dieser Prozess benötigt ATP und könnte eine Rolle bei der im Rahmen von Tumorerkrankungen zu beobachtenden Erhöhung des ATP-Verbrauches spielen. Obgleich dies sehr spekulativ ist, geht man davon aus, dass die bei diesem Prozess freigesetzten Aminosäuren entweder für die Energiegewinnung verwendet oder über den Harn ausgeschieden werden und damit verloren gehen. Verschiedene Faktoren (z. B. Zytokine) werden für die “up-regulation” dieses Sys-

ABBILDUNG 3 - HUMORALE UND VOM TUMOR STAMMENDE FAKTOREN IM ZUSAMMENHANG MIT ANOREXIE UND KACHEXIE BEI TUMORERKANKUNGEN Prokachektische Zytokine Tumornekrosefaktor (TNF-α) Interleukin-1 (IL-1) Interleukin-6 (IL-6) Interferon (INF-γ)

Vom Tumor stammende Faktoren

Proteolyse induzierende Faktoren (PIF) Lipid mobilisierender Faktor (LMF)

Antikachektische Zytokine Interleukin-4 (IL-4) Interleukin-15 (IL-15)

Metabolische Veränderungen

Tumor/Kachexie

Anorexie

Kachexie

Ein Lipid mobilisierender Faktor kann von Tumorzellen freigesetzt werden und einen Anstieg der zytoplasmatischen Aktivität der Lipoproteinlipase in den Adipozyten induzieren, der den Fettverlust zusätzlich verstärkt (Hirai et al., 1998; Tisdale, 2001).

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3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie

tems bei der Tumorkachexie mitverantwortlich gemacht. Zahlreiche dieser Faktoren werden vom primären oder metastatischen neoplastischen Gewebe in den Blutkreislauf sezerniert. Einige der wichtigeren Faktoren sind der Tumornekrosefaktor-α (TNF-α), Interleukin-1 (IL-1), Interleukin-6 (IL-6) und ein vor kurzem identifizierter Faktor, der Proteolyse induzierende Faktor (PIF). Beim PIF könnte es sich um den wichtigsten aller an der Tumorkachexie beteiligten Faktoren handeln (Argiules et al., 2003; Baracos, 2000) (Abbildung 3).

3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie Energiequellen Kohlenhydrate sind oft die primäre Energiequelle in der Nahrung von Heimtieren, insbesondere, wenn es sich um Trockenfutterprodukte für Hunde handelt. Da neoplastisches Gewebe auf Glukose als primäre Energiequelle zurückgreift, besteht die diätetische Strategie darin, die Neoplasie dazu zu zwingen, andere Substrate zu verwenden, die einen Rückgang der Zellproliferation unterstützen. Während einer Kachexie kann es sich deshalb als sinnvoll erweisen, zusätzliches diätetisches Protein zuzuführen, um den kachektischen Prozess zu hemmen. Hilfreich sind aus diesem Grund fett- und proteinreiche Diäten mit niedrigem Kohlenhydratanteil. Erfüllt werden diese Voraussetzungen von zahlreichen Premium Trockenfutter- und Dosenprodukten, insbesondere Spezialprodukten für aktive oder gestresste Hunde, die in diesen Fällen eingesetzt werden können. Die meisten dieser Produkte enthalten im Vergleich zu den üblichen Erhaltungsfuttermitteln für adulte Hunde höhere Anteile qualitativ höherwertiger Proteine und Fette. Bei der Umstellung kommerzieller Futtermittel muss die in der so genannten „garantierten Analyse“ angegebene Zusammensetzung hinsichtlich des Protein- und Fettgehaltes genauer betrachtet werden. Einer guten Faustregel für Hunde zufolge sollte die Nahrung mindestens 35 % Protein und mindestens 25 % Fett auf der Basis der Trockenmasse enthalten. Mit Hilfe der Angaben aus der garantierten Analyse kann also abgeschätzt werden, welchen prozentualen Anteil an Proteinen, Fetten

TABELLE 3 - VERGLEICHENDE BETRACHTUNG DER GARANTIERTEN ANALYSE IN DER TROCKENMASSE (TM) VON TROCKENFUTTER UND FEUCHTFUTTER Dosenfutter

1) Garantierte Analyse: Mindestens 32% Rohprotein Mindestens 24% Rohfett Höchstens 10% Feuchtigkeit Höchstens 3% Rohfaser Höchstens 7% Rohasche

1) Garantierte Analyse: Mindestens 12% Rohprotein Mindestens 10 % Rohfett Höchstens 72% Feuchtigkeit Höchstens 2% Rohasche Höchstens 1% Rohfaser

2) Summe aller prozentualen Anteile 32 + 24 + 10 + 3 + 7 = 76%

2) Summe aller prozentualen Anteile 12 + 10 + 72 + 2 + 1 = 97%

3) 100 – 76 = 24 % Stärke

3) 100 – 97 = 3% Stärke

4) 100 – 10 (% Feuchtigk)/100 = 0.90 TM

4) 100 – 72 (% Feuchtigk)/100 = 0.28 TM

Rohprotein : Rohfett : Rohfaser : Rohasche : Stärke :

Rohprotein : Rohfett : Rohfaser : Rohasche : Stärke :

32/0.9 24/0.9 3/0.9 7/0.9 24/0.9

= 35.5 %/TM = 27.0%/TM = 3.3 %/TM = 7.7 %/TM = 26.5 %/TM

12/0.28 10/0.28 1/0.28 2/0.28 3/0.28

= 42.0%/TM = 36.0%/TM = 3.5%/TM = 7.5%/TM = 11.0%/TM

Tumor/Kachexie

Trockenfutter

und Kohlenhydraten das gewählte Futtermittel enthält, zu beachten ist dabei jedoch, dass die Angaben stets in die Trockenmasse umgerechnet werden sollten (Tabelle 3). Dosenfutter hat oft einen Feuchtigkeitsanteil von 70-75 %, so dass die prozentualen Anteile der Proteine und Fette, die in der garantierten Analyse aufgelistet sind, sehr viel niedriger sind als bei Trockenfutter. Berechnet auf der Basis der Trockenmasse kann der Protein-, Fett- und Kaloriengehalt eines Feuchtfuttermittels in der Tat besser sein als bei extrudierten Produkten. Kontraindikationen einer solchen Diät bestehen bei Hunden und Katzen mit kongenitaler oder erworbener Hypertriglyzeridämie, sowie einem Vorbericht über eine Pankreatitis oder eine chronische Nierenerkrankung. 439


3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie

Aminosäuren und Fettsäuren ABBILDUNG 4 - DIE POTENZIELLE ROLLE VON ARGININ BEI TUMORERKRANKUNGEN

L-Arginin Supplementierung

NO (Stickstoffmonoxid)induzierte Hemmung des Tumorwachstums

Verringerte Zellproliferation und verlangsamtes Tumorwachstum

Gesteigerte zelluläre Immunkompetenz

Eine Argininsupplementierung in einer Höhe von bis zu 2 % der Aminosäuren kann sich bei Hunden mit Tumorerkrankung als vorteilhaft erweisen (Ogilvie et al., 2000).

In Tiermodellen ist gut dokumentiert, dass Veränderungen im Bereich der diätetischen Aminosäuren zu einer wirksamen Verzögerung des Tumorwachstums führen können (Mills et al., 1998; Epner et al., 2002). Weitere Entwicklungen auf diesem Gebiet werden in Zukunft wahrscheinlich zu einem besseren Verständnis darüber führen, auf welche Weise eine gezielte Manipulation des Aminosäurestoffwechsels das Fortschreiten von Tumoren verzögern und damit die Lebensqualität und die Überlebenszeit von Tumorpatienten verbessern kann. Eine Erhöhung des diätetischen Arginingehaltes verlangsamt nachweislich die Tumorprogression in einigen Tiermodellen (Burns et al., 1984; Milner et al., 1979; Robinson et al., 1999). Dieser Effekt ist entweder auf die Fähigkeit des Arginins zurückzuführen, Stickstoffmonoxid über die NO-SynthetaseAktivität in neoplastischen Zellen zu bilden, was zu einer Verlangsamung der Zellteilung führt, und / oder auf die Fähigkeit des Arginins, die zelluläre Immunkompetenz zu steigern (Reynolds et al., 1990; Robinson et al., 1999). Der genaue Mechanismus konnte bislang noch nicht entschlüsselt werden, aber die Zufuhr von bis zu 2 % des diätetischen Proteins in Form von Arginin kann sich bei kaninen Tumorpatienten als vorteilhaft erweisen (Ogilvie et al., 2000) (Abbildung 4).

Glutamin kann ebenfalls einen suppressiven Effekt auf die Tumorgenese haben. Diese Aminosäure scheint einen tief greifenden stimulierenden Effekt auf das Immunsystem zu haben, der zu einer intensiven Immunmodulation im gesamten Körper führt. Diese gesteigerte immunmodulatorische Funktion kann die Wachstumsraten von Tumoren oder Metastasen reduzieren (Souba, 1993; Kaufmann et al., 2003). Glutamin verbessert darüber hinaus die gastrointestinale Funktion und gilt als potenzielle trophische Substanz für die Darmmukosa zur Optimierung der Enterozytenfunktion (Souba, 1993). Allerdings scheint Glutamin in Futtermitteln sehr instabil, insbesondere bei übermäßig hohen Temperaturen oder in Flüssigkeit. Nach der Absorption wird Glutamin rasch in der Leber transaminiert, so dass die Wirksamkeit dieser Aminosäure in Spezialfuttermitteln für ABBILDUNG 5 - WIRKUNGEN VON LEUCIN onkologische Langzeitpatienten eher unsicher ist AUF DIE PROTEINSYNTHESE IM SKELETTMUSKEL (Bergana et al., 2000). (Anthony et al., 2001; Kadawaki und Kanazawa, 2003)

Leucin

Verzweigtkettige Aminosäuren (Branched Chain Amino Acids oder BCAA - Isoleucin, Leucin, Valin) werden aufgrund ihrer in der humanmedizinischen Literatur zitierten Vorteile zunehmend als Supplemente bei schwer kranken Patienten eingesetzt. Die Verwendung der BCAA als antikanzerogene Aminosäuren wird diskutiert (Danner & Priest, 1983; Blomgren et al., 1986; Saito et al., 2001), und es gilt als wahrscheinlich, dass eine diätetische Supplementierung mit bestimmten BCAAs (Leucin) in Verbindung mit anderen Aminosäuren, wie zum Beispiel Arginin, eine Verzögerung des Tumorwachstums bewirken kann (Wakshlag et al., 2004).

Insulin

mTOR Insulinrezeptor

Tumor/Kachexie

Initiation und Translation von mRNA

EIF 4A*

Steigerung der Proteinsynthese

Aminosäuren

*eucariotic initiation factor 4A Im Vergleich zu anderen Aminosäuren kann Leucin das Gleichgewicht des Proteinstoffwechsels von Katabolismus in Richtung Anabolismus verschieben.

440

Interessanterweise weist die jüngste Literatur auf die vorteilhaften Wirkungen der BCAAs im Zusammenhang mit ihren antiproteolytischen Effekten bei Kachexie hin. Dadurch fördern diese Aminosäuren den Ansatz fettfreier Körpermasse bzw. verhindern einen übermäßigen Verlust an fettfreier Körpermasse bei Tumorpatienten. Leucin als Einzelaminosäuresupplement führt nachweislich zu einer deutlich stärkeren Erhöhung der


ABBILDUNG 6 - WIRKUNGEN VON OMEGA-3- UND OMEGA-6 FETTSÄUREN AUF DEN ABBAU DES SKELETTMUSKELS

Zytokin oder PIF

ABBILDUNG 7 - WIRKUNGEN VON OMEGA-3- UND OMEGA-6-FETTSÄUREN AUF DIE TUMORZELLPROLIFERATION

Phospholipase A

Phospholipase A

Protein G Omega-6-Fettsäuren

Omega-3-Fettsäuren Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure

15-HEPE

Omega-6-Fettsäuren

Eicosapentaensäure

15-HETE

12-HEPE PG E3 LT B5

Gesteigerter myofibrillärer Proteinabbau

Eine Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren, insbesondere mit Eicosapentaensäure (EPA), senkt nachweislich die Konzentration der 15Hydroxytetraensäure (15-HETE) und supprimiert dadurch die proteolytische Aktivität (d.h. die Proteasom-Aktivität) im Skelettmuskel in einem Modell der Tumorkachexie (Belezario et al., 1991; Smith et al., 1999).

12-HETE PG E2 LT B4

COX, LOX Isoenzyme

--Verringerter myofibrillärer Proteinabbau

Arachidonsäure

Arachidonsäure

Inert, hemmende Wirkung auf mitogene Signale

3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie

Proteinsynthese im Skelettmuskel als Zusätze anderer Aminosäuren, indem es das Gleichgewicht von Katabolismus tendenziell in Richtung Anabolismus verschiebt (Kadawaki & Kanazawa, 2003; Anthony et al., 2001) (Abbildung 5). Vor kurzem haben klinische Studien am Menschen verlängerte Überlebenszeiten, eine günstigere Stickstoffbilanz und eine verbesserte Lebensqualität gezeigt, wenn die Nahrung mit bis zu 12 Gramm BCAAs täglich supplementiert wurde (Ventrucci et al., 2001; Hiroshige et al., 2001; Inui, 2002; Gomes-Marcondes et al., 2003). In der Veterinärmedizin gibt es bislang zwar keine Literatur, die eine Anwendung von BCAAs unterstützt, bei Nagern wurden jedoch experimentelle Diäten mit einem Gehalt von bis zu 5 %

+++ Promitogene Signale

EPA verlangsamt das Tumorwachstum durch Reduzierung der Bildung promitogener Substanzen aus Arachidonsäure.

BCAAs in der Trockenmasse oder einem Zusatz von 3 % Leucin ohne unerwünschte Nebenwirkungen eingesetzt. Eine sichere, nicht toxische Dosis für veterinärmedizinische Patienten dürfte deshalb bei 100200 mg/kg liegen.

Tumor/Kachexie

Fettsäuren Eine erhöhte Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren zeigt in Tiermodellen eine stark positive Korrelation mit der Remission und den Überlebenszeiten sowie einer verringerten Wachstumsrate von Karzinomen (Thomson et al., 1996; Ogilvie et al., 2000; Togni et al., 2003). Darüber hinaus zeigen klinische Studien in der Humanmedizin positive Effekte einer Omega-3-Fettsäure-Supplementierung auf das Körpergewicht, die Lebensqualität, die krankheitsfreien Intervalle und die Überlebenszeiten bei Patienten mit Tumorkachexie. Diese Veränderungen können auch bei kaninen Tumorpatienten zutreffen (Ogilvie et al., 2000; Wigmore et al., 2000; Barber et al., 2001; Fearon et al., 2003) (Abbildung 6). EPA und DHA können tief greifende hemmende Effekte auf die Kachexie haben. Darüber hinaus können diese beiden Fettsäuren das Tumorwachstum aufhalten. Ursache hierfür ist ihre Fähigkeit, den Arachidonsäurestoffwechsel herabzusetzen, indem sie die Bildung von promitogenem PGE2 in neoplastischen Zellen hemmen (Yuri et al., 2003) (Abbildung 7). Fischöle (z. B. Menhadenöl) zählen zu den reichsten Quel441


3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie

TABELLE 4 - DURCHSCHNITTLICHE QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG VERSCHIEDENER QUELLEN UNGESÄTTIGTER FETTSÄUREN Fettsäuren (% Trockenmasse)

Sojaöl

Leinöl

Rapsöl

Geflügelfett

Fischöl

Linolsäure (ω6-Vorläufer)

54

18

17

17

0,5

8

51

9

2,5

1,5

EPA + DHA

<1

<1

<1

<1

20

Verhältnis ω6/ω3

6

0,35

1,8

9

0,15

α-Linolensäure (ω3-Vorläufer)

len für die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA (Tabelle 4) und sind in humanmedizinischen klinischen Versuchsstudien nachweislich wirksam bei der Verbesserung der Kachexie (Wigmore et al., 2000; Fearon et al., 2003). Einige „Premium“- Hundefutterprodukte sind mit Omega-3 Fettsäuren supplementiert, mit dem Ziel, ein Omega-6:Omega-3-Verhältnis zwischen 10:1 und 5:1 zu erreichen. Der Zusatz von Fischöl kann das Omega-6:Omega-3-Verhältnis über das Maß, das in den meisten Heimtierfuttermitteln bereits zu finden ist, hinaus signifikant verändern (Ogilvie et al., 2000). Obgleich für die meisten Patienten ohne schädliche Folgen, wurden Verhältnisse von unter 1:1 mit verlängerten Gerinnungszeiten und verringerten Vitamin-EKonzentrationen in Zellmembranen in Zusammenhang gebracht (Valk et al., 2000; Hendriks et al., 2002). Es gibt nur eine klinische Studie über die Auswirkungen von Fischöl mit einem Verhältnis von 0,3:1 bei Hunden, und die Ergebnisse zeigen längere Überlebenszeiten und krankheitsfreie Intervalle bei Hunden mit Lymphomen, ohne unerwünschte Nebenwirkungen (Ogilvie et al., 2000). Eine klinische Beurteilung der Fischölsupplementierung bei zahlreichen anderen neoplastischen Erkrankungen findet gegenwärtig statt, und vorläufige unveröffentlichte Daten weisen darauf hin, dass Fischöle eine viel versprechende Option für die Behandlung verschiedener neoplastischer Erkrankungen sein können.

Vitamine und Mineralstoffe

ABBILDUNG 8 - ANTIOXIDANZIEN Antioxidativer Schutz Freie Radikale

Sonnenlicht

Tumor/Kachexie

Umweltverschmutzung

O2

Stress Zerstörte Zelle

Gesunde Zelle

Schlechte Ernährung

Antioxidanzien helfen dem Organismus, die zerstörerischen Effekte der freien Radikale zu bekämpfen. Freie Radikale sind instabile, sehr reaktionsfreudige Verbindungen, die vom Körper gebildet werden. Die Rolle der Antioxidanzien ist eines der dominanten Themen in der aktuellen medizinischen Forschung, insbesondere in der Prävention oder Behandlung bestimmter Tumorerkrankungen.

442

Die ergänzende Fütterung allgemein üblicher diätetischer Antioxidanzien wie zum Beispiel β-Karotin, Retinoide, Vitamin C und Vitamin E wird in einigen Tiermodellen und in epidemiologischen Kohortenstudien mit einem verringerten Karzinogeneserisiko in Verbindung gebracht. Selen ist das einzige Spurenelement mit ähnlichen antikarzinogenen Effekten. Der gültigen Hypothese zufolge wirken viele dieser Verbindungen, außer den Retinoiden, primär als Antioxidanzien und reduzieren Zellschäden (Abbildung 8), insbesondere DNA-Schäden. Sie senken damit die Inzidenz funktioneller Mutationen in der DNA, was eine geringere Inzidenz von Neoplasien zur Folge hat. Viele dieser Vitamine und Mineralstoffe sind in den meisten Hundefuttermitteln in adäquater Menge enthalten, und ihre potenziellen Vorteile bei bereits diagnostizierten Neoplasien sind weitgehend unbekannt. Gegenwärtig laufen in der Human-


3 - Diätetische Überlegungen bei Patienten mit Tumorerkrankung und Kachexie Tumor/Kachexie

medizin zahlreiche epidemiologische Studien zum Einfluss dieser potenziell antikanzerogenen Substanzen auf die Überlebensdauer und das relative Krebsrisiko. Aufgrund der bei Mensch und Tier sehr unterschiedlichen diätetischen Verteilungsmuster und Stoffwechselwege dieser Substanzen kann bis heute jedoch eine unkritische Anwendung dieser Antioxidanziensupplemente in der Veterinärmedizin nicht unterstützt werden. β-Karotinen und anderen natürlichen Karotinoiden und Polyphenol-Verbindungen werden aufgrund ihrer Fähigkeit, freie Radikale in Zellen in vitro zu fangen, präventive Wirkungen gegen Tumorerkrankungen zugeschrieben (Duthie et al., 2003; Cooper, 2004). β-Karotin ist eines der aufgrund seiner potenten antioxidativen Fähigkeiten am ausführlichsten untersuchten Antioxidanzien in der Tumorprävention. Studien an Menschen mit Prädisposition für Neoplasien (Lungenkrebs) zeigten, dass eine β-Karotin-Supplementierung das relative Neoplasierisiko sogar erhöhen kann (Bendich, 2004; Russel, 2004). In Anbetracht dieser jüngsten Ergebnisse wird die β-Karotin-Supplementierung in der Humanmedizin heute sehr kritisch beurteilt. Quellen der im Allgemeinen in roten, grünen, gelben und orangefarbenen Früchten und Gemüse zu findenden Karotinoide (β-Karotin, Lutein, Lycopin, Xanthin), erhalten aufgrund ihrer vorteilhaften Wirkung bei spezifischen Krebsarten eine beträchtliche Aufmerksamkeit (Wu et al., 2004; Murtaugh et al., 2004). Ihr potenzieller Vorteil bei Heimtieren wird jedoch durch die Tatsache, dass Karotinoide bei Hunden und Menschen unterschiedlich absorbiert werden, aufgehoben. Hunde besitzen eine weitaus bessere Fähigkeit, β-Karotin in Retinal zu spalten als Menschen und absorbieren nur sehr wenig intaktes β-Karotin (Baskin et al., 2000). In Anbetracht dieser Befunde werden zunächst Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit in der Veterinärmedizin benötigt, bevor allgemeine Empfehlungen für eine Supplementierung bei Tumorpatienten ausgesprochen werden können. Vitamin E und C sind potente Antioxidanzien, die in humanmedizinischen klinischen Versuchsstudien gezeigt haben, dass sie das Risiko der Karzinogenese senken (Henson et al., 1991; Slung et al., 2003; Virtamo et al., 2003). Wie bei β-Karotin konnte nachgewiesen werden, dass diese Antioxidanzien eine eher präventive als therapeutische Wirkung haben. Vitamin C (Ascorbinsäure) verstärkt die Wirkung bestimmter chemotherapeutischer Substanzen wie Vincristin (Osmak et al., 1997). Während Ascorbinsäuresupplemente in einigen Fällen einer Arzneimittelresistez bei Chemotherapie helfen können, wird diskutiert, ob ihre Anwendung bei einigen neoplastischen Erkrankungen Tumor fördernde Effekte haben kann, während bei anderen Krebsarten eine antineoplastische Wirkung zu beobachten ist (Seifried et al., 2003; Lee et al., 2003). Kontrollierte Studien zur Beurteilung der Wirksamkeit bei veterinärmedizinischen Patienten gibt es indes nicht. Da der Hund Ascorbinsäure selbst synthetisiert, ist das relative Risiko einer Neoplasie infolge eines Ascorbinmangels, über die gesamte Lebensspanne des Tieres betrachtet, nicht bekannt. Vitamin E dagegen ist ein essenzieller Bestandteil der Ernährung, und weitere Untersuchungen zu seiner Wirksamkeit als anti-neoplastische Substanz sind zu empfehlen. Retinoide (Retinolsäure und Retinolsäurederivate) werden umfassend in der Behandlung akuter promyelozytärer Leukämien eingesetzt und mit erhöhten Remissionsraten bei Frauen mit Brustkrebs in Verbindung gebracht (Paik et al., 2003; Altucci et al., 2004). Sie binden an nukleäre Rezeptoren, die die Transkription von Genen initiieren, und fördern die zelluläre Differenzierung oder Apoptose neoplastischer Zellen. Diese Befunde waren Anlass für die Verwendung natürlicher und synthetischer Retinoidderivate in der Krebsbehandlung beim Menschen. In Zukunft könnten solche Ansätze auch auf die Veterinärmedizin übertragen werden, wenn die entsprechenden klinisch-experimentellen Daten über die Wirksamkeit dieser Retinoide bei spezifischen neoplastischen Erkrankungen bei Tieren vorliegen. In Anbetracht der hochpotenten Effekte von Retinoiden, wie zum Beispiel der Retinolsäure, einem bekannten Teratogen, und aufgrund ihrer toxischen Wirkungen, z. B. zervikale Spondylose bei Katzen, sowie Anorexie und Gerinnungsstörungen, können derzeit jedoch keine Empfehlungen für eine Anwendung in der Tumortherapie bei Kleintieren ausgesprochen werden (Hayes, 1982). Selen ist das einzige Spurenelement mit bekannten antikanzerogenen und präventiven Eigenschaften. Es gibt schlüssige Hinweise darauf, dass höhere Selenkonzentrationen mit einer niedrigeren Inzidenz von Haut-, Lungen- und Prostatakarzinomen beim Menschen einhergehen (Duffield-Lillico et al., 2003; Reid et al., 2002; Nelson et al., 1999; Clark et al., 1996). Man geht davon aus, dass diese Wirkungen unabhängig von den antioxidativen Eigenschaften des Selens auf seine Beteiligung an der Glutathionperoxidase zurückzuführen sind. Die von der AAFCO im Nährstoffprofil für Hundefutter empfohlene Selenkonzentration wird in den meisten kommerziellen Hundefutterprodukten erreicht. Vor kurzem wurde die NRC-Empfehlung jedoch verdreifacht, so dass die Selenzufuhr vieler Heimtiere heute marginal bis mangelhaft sein kann. In Anbetracht dieser Daten und der humanen klinischen Studien, die zeigen, dass eine Selensupplementierung den größten Effekt bei der Reduzierung des relativen Krebsrisikos bei Menschen mit marginalen Selen443


4 - Diätetische Intervention bei Tumorerkrankungen

konzentrationen im Serum hat (Clark et al., 1996; Nelson et al., 1999; Reid et al., 2002; Duffield-Lillico et al., 2003), könnte in Betracht gezogen werden, Tiere mit dem Vorbericht einer Neoplasie oder einer PräSupplement Erkrankung Dosierung Hund disposition für die Entwicklung einer Tumorerkrankung entsprechend mit Selen zu supplementieren (2Arginin Tumor & Kachexie 2% des Futterproteins 4 µg/kg KG/Tag). Bei dieser konservativen Dosierungsempfehlung ist das toxische Risiko minimal, und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird eine SuppleΩ6: Ω3* = 1:1 bis 0,5:1 Fischöl (EPA-DHA) Tumor & Kachexie mentierung in dieser Höhe eine adäquate Selenzufuhr sicherstellen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass es durch die pharmakologische Anwendung spezifiVerzweigtkettige Aminosäuren Kachexie 100-150 mg/kg KM/Tag scher Nährstoffe bis zu einem gewissen Grad möglich ist, die Lebensqualität und die Körperkondition bzw. Selen Tumor 2-4 µg/kg KM/Tag den Ernährungsstatus von Tumorpatienten zu verbes*Es ist wichtig, den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und / oder Omega-6-Fettsäuren in der sern. Dennoch ist es schwierig, den spezifischen Trockenmasse zu kennen, um ein Futtermittel mit dem gewünschten Verhältnis herzustellen. Bedarf für jede neoplastische Erkrankung exakt zu treffen, da Tumorerkrankungen ein sehr komplexes Geschehen sind und die Nährstoffzusammensetzungen der verschiedenen erhältlichen Futtermittel von einer großen Vielfalt gekennzeichnet sind. Um diese diätetischen Aspekte auf die richtige Art und Weise anzugehen, muss der Tierarzt die Futteraufnahme des Patienten möglichst genau kennen und den Gehalt der verschiedenen Nährstoffe auf Basis der Trockenmasse der gegebenen Nahrung berechnen, bevor eine Veränderung der Nährstoffverhältnisse oder der Gesamtzufuhr zahlreicher der oben genannten Nährstoffe in Angriff genommen werden kann. Tabelle 5 liefert einige Richtlinien für diätetische Interventionen, die bei den aggressivsten neoplastischen Erkrankungen vorteilhaft sein sollten und eingeleitet werden können, sobald der Tierarzt den Gehalt der verschiedenen Nährstoffe im gegebenen Futter berechnet hat.

TABELLE 5 - EMPFOHLENE DOSIERUNGEN FÜR DIÄTETISCHE INTERVENTIONEN BEI TUMORERKRANKUNGEN

Tumor/Kachexie

4-Diätetische Intervention bei Tumorerkrankungen Seit einigen Jahren werden Antioxidanzien als Zusätze in Tierfuttermitteln in zunehmender Häufigkeit eingesetzt. Grund hierfür ist die Hypothese, dass Antioxidanzien zu einer Verringerung der durch freie Radikale hervorgerufenen Zellschäden führen. Dieser antioxidativen Supplementierung der Nahrung wird die Besserung zahlreicher Krankheitsprozesse zugeschrieben (Abbildung 9). Obgleich diese Konzepte der TumorprävenABBILDUNG 9 - ANTIOXIDANZIEN UND TUMORPROPHYLAXE tion in der Theorie vorteilhaft sein mögen, kann die Anwendung verschiedener AntiAufnahme oxidanzien in der Tat kontraindiziert sein, von Antioxidanzien sobald bei einem veterinärmedizinischen Patienten mit einer Tumorerkrankung eine Chemotherapie oder Strahlenbehandlung eingeleitet werden soll. Werden AntioxidanSchädigung des zien zur Prävention von Schäden durch freie Genmaterials durch freie Radikale Radikale eingesetzt, und wurde bei diesem Patienten eine Chemotherapie oder Strahlenbehandlung eingeleitet, so können die höheren Konzentrationen zytosolischer oder Lipidperoxidation Proteinperoxidation Inaktivierung Wirkung auf membrangebundener Antioxidanzien in der Inaktivierung (regulative der den zelluläre der Tumor Proteine) Tat das Überleben der Tumorzellen begünstiZellzyklus Signale? unterdrückenden gen. Viele Veterinäronkologen empfehlen regulierenden Gene Gene deshalb, Tieren während einer solchen Behandlung keine Antioxidanzien zu verabreichen. Diese Hypothese ist jedoch stark Eine massive Supplementierung mit Antioxidanzien ist unter Umständen während umstritten, und eindeutige Nachweise gibt es einer Bestrahlungs- oder Chemotherapie kontraindiziert, da sie das Überleben der nicht. Da veterinärmedizinische Patienten in Krebszellen begünstigen kann. der Regel jedoch bereits ausreichende Mengen essenzieller Antioxidanzien aufnehmen,

444


Schlussfolgerung

ist eine Supplementierung unter Umständen nicht notwendig (Virtamo et al., 2003; Prasad, 2004). Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche andere Inhaltsstoffe und Nährstoffe, wie zum Beispiel Fischöl oder Arginin, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keine schädlichen Auswirkungen haben. So wurde in der Tat eine Supplementierung mit Fischöl mit einer besseren Erholung nach Strahlenbehandlung und einem geringeren Entzündungsgeschehen im umliegenden Gewebe in Verbindung gebracht. Studien an Tiermodellen legen nahe, dass die Erhöhung der Zufuhr langkettiger, mehrfach ungesättigter Fettsäuren aus der Fischölsupplementierung tatsächlich eine größere Menge hoch reaktiver Fettsäuren für die Lipidoxidation während der Strahlentherapie liefert und auf diese Weise den Zelltod in neoplastischem Gewebe fördert (Colas et al., 2004).

Schlussfolgerung Klinische Studien in der Veterinärmedizin zeigen, dass zahlreiche Stoffwechselstörungen, die aus Krebsmodellen beim Menschen und bei Nagern bekannt sind, auch beim Hund auftreten. Die diätetischen Behandlungskonzepte für Krebspatienten in der Humanmedizin könnten deshalb an die veterinärmedizinische Situation angepasst werden, mit dem Ziel, das Fortschreiten von Tumorerkrankungen zu beeinflussen.

F

A

Wenn mein Hund sich weigert, ein neues Futtermittel zu fressen, kann ich dann etwas Fischöl dazu geben?

Fischöl kann üblichem Hundefutter aus dem Supermarkt zugesetzt werden, wichtig ist aber, zu wissen, welche Menge an Omega-3-Fettsäuren bereits im Futter enthalten ist. Ein typischer Beagle, der ein typisches Supermarktfutter frisst, wird etwa 6 Gramm Omega-6-Fettsäuren pro Tag aufnehmen und nur 100 mg Omega-3-Fettsäuren. Um also ein Verhältnis von 1:1 zu erreichen, benötigt man etwa 6 Gramm Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl. Berücksichtigt man, dass nur 30 % des Fischöls aus Omega-3-Fettsäuren bestehen, muss die Fischölmenge auf 18 Gramm verdreifacht werden, also etwas mehr als einen Teelöffel täglich.

Mein Hund mag kein Fischöl. Kann ich ihm eine andere Omega-3Fettsäurequelle geben?

Leinöl ist reich an Linolensäure, einem Vorläufer von EPA/DHA. Die klinische Wirksamkeit in Bezug auf Tumorerkrankungen ist allerdings noch nicht erwiesen. Weitere Alternativen sind Fischölextrakte oder Fischöl mit Zitronenaroma.

Wenn ein Besitzer verschiedene Antioxidanzien einsetzen will, welche sind zu empfehlen, und wann sollten diese gegeben werden, wenn eine Chemotherapie oder eine Strahlenbehandlung eingeleitet wurde?

Die Antioxidanzien mit der größten Sicherheit sind die, die am ausführlichsten klinisch und zellbiologisch untersucht sind. Oft denkt man hierbei sofort an Vitamin E und Vitamin C. Interessant sind jüngste Forschungen über Thiol-Antioxidanzien wie Liponsäure und den Glutathionvorläufer S-Adenosyl-Methionin, die beide sehr wenig bis keine Nebenwirkungen haben. Wenn Besitzer unbedingt diese Antioxidanzien einsetzen möchten, sollten sie stets nach den Vorschriften der Hersteller verabreicht werden. Spezielle veterinärmedizinische Produkte sind oftmals sicherer als Formulierungen für den Menschen. Wenn Hunde eine Chemotherapie oder Strahlenbehandlung bekommen sollen, ist es am sichersten, sämtliche antioxidativen Supplemente eine Woche vor Behandlungsbeginn abzusetzen und erst eine Woche nach Abschluss der Behandlung erneut zu verabreichen.

Ist die Auffassung einiger Besitzer, dass eine „ganzheitliche“ oder „selbst zubereitete“ Diät bei einer Tumorerkrankung von Vorteil ist, zu unterstützen?

Oft finden Besitzer im Internet Rezepturen von speziell für Hunde mit Tumorerkrankungen konzipierten Diäten und hoffen, dass diese die Überlebenszeit verlängern oder den Tumor zur Abheilung bringen können. Sehr häufig sind diese Diäten jedoch von erheblichen Imbalanzen hinsichtlich ihres Vitamin- und Mineralstoffgehaltes gekennzeichnet. Ideal wäre in solchen Fällen eine Analyse der vorgeschlagenen Rezeptur durch den Tierarzt, um gravierende Unausgewogenheiten zu meiden.

Bei Tieren mit Anorexie / Kachexie ist es oftmals sehr schwierig, eine erforderliche Futterumstellung durchzusetzen. Unter Umständen bevorzugt der Patient ein Futter mit einer geringeren Energiedichte als notwendig. Was kann der Besitzer in diesem Fall tun?

In diesen Fällen ist es einfacher, den Patienten das von ihm bevorzugte Futter selbst wählen zu lassen und dieses mit Fett- und Proteinquellen zu ergänzen, um die Energiedichte und den Proteingehalt der Rationen zu erhöhen. Zu beachten ist, dass bei einem Patienten mit Anorexie / Kachexie eine geringe Kalorienzufuhr durch eine Nahrung, deren Zusammensetzung im Hinblick auf die Grunderkrankung nicht ideal ist, immer noch besser ist als überhaupt keine Nahrungsaufnahme.

445

Tumor/Kachexie

Häufig gestellte Fragen zur Ernährung von Hunden mit Tumorerkrankungen


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447


selbst zubereitete Rationen

BEISPIELE SELBST ZUBEREITETER DIE BEHANDLUNG DER Beispiel 1

ZUSAMMENSETZUNG (1000 g Futter)

Quark, Frischkäse, 40 % Fett . . . . . . . . . . . . . . 415 g Sauermilchkäse* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 g Vollei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120 g Kuhmilch, UHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 g Kartoffeln, gekocht mit Schale . . . . . . . . . . . . . .150 g Honig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .20 g Weizenkleie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5 g Rapsöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 g *40% Fett in der Trockenmasse

Zusatz eines ausgewogenen Mineralstoff-und Vitaminsupplements erforderlich.

ANALYSE

EMPFOHLENE TAGESRATION

Das fertig zubereitete Futtermittel enthält 28%Trockenmasse und 72% Feuchtigkeit.

Energiewert (metabolisierbare Energie): 1465 kcal/1000g des fertig zubereiteten Futtermittels (5150 kcal/1000g TM)

% Trockenmasse

g/1000 kcal

Gewicht des Hundes

Tagesration in Gramm*

Gewicht des Hundes

Tagesration in Gramm*

Rohprotein

40

78

2

150

45

1540

Rohfett

31

59

4

250

50

1670

Verfügbare Kohlenhydrate

21

41

6

340

55

1790

Rohfaser

2

3

10

500

60

1910

15

680

65

2030

20

840

70

2150

25

990

75

2260

30

1140

80

2370

35

1280

85

2480

40

1410

90

2590

Schlüsselpunkte - Hohe Energiedichte zur Verbesserung von körperlichem Zustand und Akzeptanz

Tumor/Kachexie

- Erhalt eines hohen Protein-Kalorienverhältnisses trotz eines hohen Fettgehaltes zur Bekämpfung der Muskelatrophie - Hoch verdauliche Inhaltsstoffe zur Maximierung des ernährungsphysiologischen Nutzens für den Hund.

* Empfohlen wird eine Aufteilung der Tagesration auf zwei bis drei Mahlzeiten täglich, um eine gute Verdauung zu fördern.

448


selbst zubereitete Rationen

DIÄTFUTTERMITTEL FÜR TUMORKACHEXIE Beispiel 2

ZUSAMMENSETZUNG (1000 g Futter)

Rinderhack, 10 % Fett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 g Kuhmilch, UHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 g Vollei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 g Kartoffeln, gekocht mit Schale . . . . . . . . . . . . . 255 g Weizenkleie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 g Rapsöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 g

Zusatz eines ausgewogenen Mineralstoff-und Vitaminsupplements erforderlich.

EMPFOHLENE TAGESRATION

ANALYSE

Energiewert (metabolisierbare Energie): 1445 kcal/1000g des fertig zubereiteten Futtermittels (4870 kcal/1000g TM)

Das fertig zubereitete Futtermittel enthält 30% Trockenmasse und 80% Feuchtigkeit.

Gewicht des Hundes

Tagesration in Gramm*

Gewicht des Hundes

Tagesration in Gramm*

2

150

45

1560

4

250

50

6

340

10

g/1000 kcal

Rohprotein

40

83

1690

Rohfett

29

60

55

1820

Verfügbare Kohlenhydrate

17

35

510

60

1940

Rohfaser

4

9

15

690

65

2060

20

850

70

2180

25

1010

75

2290

30

1150

80

2410

35

1290

85

2520

40

1430

90

2630

Tumor/Kachexie

% Trockenmasse

Die Beispiele für die selbst zubereiteten Diäten wurden zusammengestellt von Prof. Patrick Nguyen (Fachbereich Ernährung und Endokrinologie, Abteilung für Biologie und Pathologie der École Nationale Vétérinaire des Nantes)

449


© Psaila

Diätetische Informationen von Royal Canin

Tumorerkrankungen, insbesondere Osteosarkome, kommen bei Riesenrassen relativ häufig vor.

Schlüsselpunkte zum Thema:

Diätetische Behandlung von Hunden mit Tumorerkrankungen

Tumor/Kachexie

• Bevorzugte Energiequellen sind Fett und Protein auf Kosten von Kohlenhydraten, die von Tumorzellen bevorzugt verwertet werden. Die Grundprinzipien der Zusammensetzung sind dieselben wie bei Diäten zur Deckung des hohen Bedarfs von Sportund Arbeitshunden. • Fett steigert die Energiedichte des Futters, was insbesondere bei anorektischen oder kachektischen Patienten von Vorteil ist. • Durch Anreicherung des Futters mit langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA / DHA) profitiert der Hund von deren anti-neoplastischen Eigenschaften.

450

• Eine proteinreiche Diät unterstützt die Bekämpfung von Muskelschwund im Rahmen der Tumorkachexie. Zu den Aminosäuren, die eine wichtige Rolle bei der Verlangsamung des Fortschreitens des Tumorwachstums spielen, gehören: - Arginin: Förderung der Stickstoffmonoxid-Produktion - Glutamin: immunmodulatorische Wirkungen - Verzweigtkettige Aminosäuren (z. B. Leucin, Isoleucin und Valin): Bekämpfung der Kachexie

• Die

Supplementierung mit Antioxidanzien (z. B. Vitamin E

und C, β-Karotin, Polyphenole, Selen) spielt eine wichtige Rolle bei der Tumorprävention. Nach derzeitigem Kenntnisstand sollten antioxidative Supplemente jedoch während einer Chemotherapie oder Strahlenbehandlung vermieden werden, um die Wirksamkeit dieser Therapieformen nicht zu beeinträchtigen.

• Die Akzeptanz des Futters (Schmackhaftigkeit) ist der Schlüssel bei anorektischen und kachektischen Hunden.


Diätetische Informationen von Royal Canin

Im Fokus:

VERZWEIGTKETTIGE AMINOSÄUREN Unter den essenziellen Aminosäuren bilden Leucin, Isoleucin und Valin eine eigene Kategorie, die so genannten verzweigtkettigen Aminosäuren oder branched chain amino acids (BCAAs). Der Hund ist nicht in der Lage, ausreichende Mengen dieser drei Aminosäuren zu synthetisieren, so dass der tägliche Bedarf über die Nahrung gedeckt werden muss. Die Konzentration dieser drei Aminosäuren im Blut ist sehr stark abhängig von der Höhe der diätetischen Zufuhr. Valin, Leucin und Isoleucin repräsentieren mindestens ein Drittel der essenziellen Aminosäuren, aus denen die Muskelproteine zusammengesetzt sind, und es handelt sich um die einzigen Aminosäuren, die unmittelbar von Muskeln abgebaut werden. Diese drei Aminosäuren sind einzigartig unter Leucin R Isoleucin Valin

+

α-Ketoglutarat

den essenziellen Aminosäuren, da sie einer reversiblen Transaminierung zur Anreicherung des Stickstoffpools des Organismus unterliegen können. Valin, Leucin und Isoleucin sind in der Lage, die Proteinsynthese im Muskel zu stimulieren und den Proteinabbau zu verzögern. Diese Eigenschaft wird spezifisch dem Leucin zugeschrieben, da sich diese Aminosäure allein als genauso wirksam erwiesen hat wie eine Mischung der drei BCAAs. Bei der Ratte folgt die Stimulation der Proteinsynthese durch Leucin einer dosisabhängigen Verlaufskurve. Diese Stimulation erfolgt bereits bei sehr niedrigen Leucinkonzentrationen, wie man sie auch unmittelbar vor einer Mahlzeit beobachtet. Bei älteren Ratten werden sehr viel höhere

Glutamat

Leucinkonzentrationen benötigt, um eine maximale Stimulation zu erreichen (INRA, 2002), das heißt, die Sensibilität gegenüber der Leucinzufuhr ist reduziert. Dieser Sensibilitätsverlust ist eine mögliche Erklärung für das bei alternden Individuen festzustellende Fehlen einer erhöhten Muskelproteinsynthese nach den Mahlzeiten.

CHEMISCHE FORMELN VERZWEIGTKETTIGER AMINOSÄUREN Allgemeine Grundformel von Aminosäuren: R

- bei Leucin entspricht das R-Radikal:

α-Ketoisocapronat α-Keto-β-methylvalerat α-Ketoisovalerat

+

- bei Isoleucin entspricht das R-Radikal:

BEISPIELE FÜR KONZENTRATIONEN VERZWEIGTKETTIGER AMINOSÄUREN IN AUSGEWÄHLTEN ROHMATERIALIEN FÜR HUNDEFUTTER (Quelle: Royal Canin, interne Daten)

Leucin

Isoleucin

Valin

BCAA gesamt

Geflügelprotein

6.5

3.5

4.3

14.3

Maisgluten

14.7

3.6

4.2

22.5

Mais

13.0

3.9

5.1

22.0

Gerste

7.0

3.8

5.3

16.1

Reis

7.7

4.1

5.6

17.4

R

- bei Valin entspricht das R-Radikal:

R

Radikal

Sauerstoff

Stickstoff

Kohlenstoff

Wasserstoff

Maisproteine sind besonders reich an Leucin.

Literatur Centre INRA de Clermont Ferrand L’Echo des Puys N° 46 - April 2002.

451

Tumor/Kachexie

Anteil am Protein des Futters (%)


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