Ansichtssachen Menschen in Bayenthal und Marienburg
BĂźrgerverein KĂśln-Bayenthal-Marienburg e.V.
Panther-Skulptur im SĂźdpark, Marienburg. 2
Vorwort Der Bürgerverein Köln-Bayenthal-Marienburg e.V. ist in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden. Ein Jubiläum, das es zu feiern gilt. Darüber hinaus möchten wir das langjährige Bestehen unserer bürgerschaftlichen Initiative mit der vorliegenden Publikation würdigen. Bereits 1985 hat der Bürgerverein ein Buch über die Geschichte unseres Viertels mit dem Titel „Bayenthal – Marienburg. 150 Jahre Leben und Arbeit am Strom“ herausgegeben. Dieses Buch von Frank Thomas und Sofie Trümper ist leider schon lange vergriffen. Eine weitere historische Veröffentlichung erschien deshalb wenig sinnvoll. So entstand die Idee, die Bürgerinnen und Bürger von Bayenthal und Marienburg einmal selbst zu Wort kommen zu lassen. Es lag nahe, für 50 Jahre Bürgerverein 50 Beiträge zusammenzustellen. Diese „Ansichten“ von 50 Bürgern vermitteln in Wort und Bild einen Eindruck von der Vielfalt der beiden Stadtviertel. Und dabei sparten die Beteiligten weder mit Lob noch mit Kritik. Natürlich fehlen auch die persönlichen Anekdoten und Begebenheiten nicht. Insofern stellt das Buch eine gelungene Mischung aus Information und Unterhaltung dar. Zur besseren Lesbarkeit sind oft wiederkehrende Anregungen und Kritiken sowie die aus Sicht des Bürgervereins wichtigen Schlussfolgerungen in der Einleitung gebündelt. Der Bürgerverein wird die vielen Ideen und Hinweise zur Grundlage seiner Aktivitäten in den nächsten Jahren machen. Wir wünschen uns, dass „Ansichtssachen. Menschen in Bayenthal und Marienburg“ informativ unterhält und anregt, sich mit unseren Stadtteilen und ihrer Entwicklung zu beschäftigen. Sollte dies gelingen, freuen wir uns auch über jedes neue Mitglied, denn je mehr Mitglieder der Bürgerverein hat, desto mehr kann er bewirken. Aber zunächst wünschen wir Ihnen viel Freude bei der Lektüre.
Dr. Hartmut Hammer, 1. Vorsitzender
Klaus Heuser, 2. Vorsitzender
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SchillerstraĂ&#x;e vor dem IrmgardisGymnasium, Bayenthal.
Bayenthal und Marienburg –
Chancen und Perspektiven Die Kölner Stadtteile Bayenthal und traktivität als Wohnviertel ist sehr Marienburg sind schon historisch groß, eine Entwicklung, die sich bedingt sehr unterschiedlich und nur unter anderem in Mieten und Vereingeschränkt miteinander vergleich- kaufspreisen spiegelt. bar. Obwohl sich beide Viertel in den letzten Jahrzehnten stark verändert Die 50 Porträts in diesem Buch geund in gewisser Weise einander an- ben einen guten Überblick über die genähert haben, prägen die gewach- positiven Aspekte des Lebens nördsenen Strukturen immer noch ihren lich und südlich des Bayenthalgürjeweiligen Charakter. Demzufolge ist tels, allerdings auch über manche auch die Interessenlage der Bürgerin- Ärgernisse. Die Textbeiträge basieren nen und Bürger zum Teil von unter- auf Interviews, wobei die Interviewschiedlichen Aspekten geprägt. Doch partnerinnen und -partner nicht nach es gibt auch vieles, das die Viertel statistischen oder demographischen Daten ausgewählt wurden. Mit den miteinander verbindet. Porträts kann und soll kein empirisch Insbesondere Bayenthal hat sich in repräsentatives oder gar soziologiden letzten Jahrzehnten sehr ver- sches Bild vermittelt werden. ändert. Das betrifft gleichermaBismarckturm, Oberländer Ufer, ßen Bevölkerungsstruktur, soziale Der Bürgerverein hat sich jedoch be- Marienburg. Schichtung und Stadtentwicklung: müht, die Auswahl so zu treffen, dass Industrieanlagen, beispielsweise die möglichst viele Aspekte aus beiden ehemalige BAMAG AG oder die Vierteln von möglichst unterschied- Was die Menschen bewegt Dom- und die Küppers-Brauerei, gibt lichen Positionen und Lebensläufen Es gibt Themen, die viele Menschen es nicht mehr. Das ehemalige Arbei- aus beschrieben und kommentiert in Bayenthal und Marienburg gleiterviertel (Altbayenthal) hat sich über werden. Alt Eingesessene und jung chermaßen beschäftigen. Bestimmte die Jahre mehr und mehr zu einem Zugezogene kommen ebenso zu Vorzüge und Mängel des Lebens in Wohngebiet mit gehobenem Standard Wort wie Familien mit Kindern, Paa- diesen beiden Stadtvierteln wurden re und Einzelpersonen, Privat- und in den Interviews immer wieder anentwickelt. Geschäftsleute. Es handelt sich um gesprochen. Um diese StellungnahGleichzeitig hat auch Marienburg in Bürgerinnen und Bürger mit unter- men nicht in jedem Beitrag zu wieden letzten Jahrzehnten durch eine schiedlichen sozialen und beruflichen derholen, haben wir sie im Folgenden intensivere Bebauung der Grund Hintergründen, die exemplarisch zusammengefasst. stücke – und seine zunehmende Nut- verdeutlichen, welche Menschen hier zung als Büroraum – einen starken wohnen, wie sie ihr Umfeld wahrneh- Allgemein lässt sich festhalten, dass Wandel erfahren. Beide Stadtteile men und was sie sich jeweils für ihre alle Gesprächspartner in diesem prosperieren und wachsen. Ihre At- Stadtteile wünschen. Buch grundsätzlich sehr zufrieden 5
Der neu gestaltete Spielplatz im Südpark, Marienburg.
mit ihrer Lebens- und Wohnsituation in Bayenthal und Marienburg sind. Und alle haben das auch so geäußert. Als entsprechende Stichworte seien an dieser Stelle genannt: • viel Grün • gepflegte Bausubstanz • relative Ruhe (mit Ausnahmen) • gute Anbindung an die Innenstadt und „nach draußen“ • gute Infrastruktur im Hinblick auf Versorgung und Geschäfte • eine „familiäre“ Atmosphäre Trotz dieser grundsätzlich sehr positiven Betrachtungsweise gibt es einige 6
Punkte, welche die unterschiedlichen Gesprächspartner bemängelt haben. Es gab viele Anregungen für Verbesserungen, sie betreffen vor allem die folgenden Bereiche: • Bebauungsdichte • Verkehrsprobleme • Parksituation in Bayenthal • Durchgangsverkehr • Fehlen öffentlicher Flächen und attraktiver Treffpunkte in Bayenthal • Fehlen eines Wochenmarktes Kritisiert wird in erster Linie die extreme Verdichtung der Bebauung in
Bayenthal und Marienburg. In Marienburg geht diese Entwicklung zu Lasten des Villencharakters, der in der städtebaulichen Fachwelt immer noch als beispielhaft beschrieben wird. Die Gebäude oder Gebäudeteile, die zunehmend gewerblich genutzt werden, beeinträchtigen darüber hinaus die gewachsene Struktur Marienburgs als Wohngegend. Viele Anwohner halten den ursprünglichen Charakter des Viertels für bedroht und plädieren dafür, diesen Veränderungen Einhalt zu gebieten. Eine ähnliche Tendenz kann man auch in Bayenthal beobachten. Auch
hier wurden Flächen wie die der rienburg verbessern, zumal er auch sondere der hohe Durchgangsverkehr. Als Ursache hierfür gelten der zu glatehemaligen Dom-Brauerei sehr eng als Treffpunkt dienen könnte. bebaut. Und es werden noch weitete Weg durch die beiden Viertel sowie re Gebäude dort entstehen. Andere Zwar bietet die Goltsteinstraße durch- die nicht komplett vierspurig ausgeBauvorhaben sind in der Alteburger aus Einkaufsmöglichkeiten, aber baute Rheinuferstraße, ihre geplante Straße geplant bzw. bereits realisiert. auch nach der Sanierung zu wenig Querung durch die Nord-Süd-Bahn Aus städtebaulicher Sicht und aus der Aufenthaltsqualität. Es gibt keine und die ab der Schönhauser Straße Sicht vieler Bewohnerinnen und Be- Treffpunkte, keine Bänke zum Ver- nur noch zwei spurige Bonner Strawohner wäre weniger mehr gewesen. weilen, kein Straßencafé. In ganz ße. Ein Teil des Autoverkehrs drängt Bayenthal gibt es, bis auf die durch bereits jetzt in die Viertel, und viele Die Goltsteinstraße ist zentrale Ein- die Erweiterung der Schule reduzierte Bürgerinnen und Bürger befürchten kaufszone und Treffpunkt für beide Fläche am Mathiaskirchplatz, keine und kritisieren, dass die geplanten Stadtteile. Viele Gesprächspartner öffentlichen Grünflächen mehr. Der Straßenbaumaßnahmen diesen Zubedauern, dass Geschäftsräume in Platz selbst und der Spielplatz sind stand eher noch zuspitzen werden. dieser Straße leerstehen bzw. nach allerdings bisher unattraktiv. Und der Eröffnung eines Geschäftes rela- auch ein adäquater Treffpunkt für Doch nicht nur der Geräuschpegel des tiv schnell wieder aufgegeben wer- Jugendliche fehlt. Straßenverkehrs beeinträchtigt die den. Ein vielfach geäußerter Wunsch Wohnqualität, auch der Fluglärm zur Belebung der Infrastruktur ist Hat Mobilität ihren Preis? wird als Belastung empfunden. Und ein Wochenmarkt. Er würde die Le- Ein großes Ärgernis für viele Anwoh- doch gibt es auch Stimmen, die da bensqualität in Bayenthal und Ma ner ist die Verkehrssituation, insbe- rauf hinweisen, dass die Verkehrsent-
Goethestraße Ecke Leyboldstraße, Marienburg.
Goltsteinstraße, Bayenthal. 7
wicklung Ausdruck wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstandes ist. Die günstige Verkehrsanbindung sei auch ein Vorteil, ihre Begleiterscheinungen der Preis, den man akzeptieren müsse.
Unterschiedliche Meinungen gibt es auch zum Rheinufer zwischen Südbrücke und Rodenkirchen: Was für manche einen morbiden Charme hat, ist für andere ein ständiges Ärgernis. Die meisten wünschen sich jedoch, dass auch dieser Teil des Rheinufers attraktiver gestaltet und für unterschiedliche „Verkehrsteilnehmer“ besser nutzbar gemacht wird. Weiter als gedacht Viele Menschen nehmen Straßen als Barrieren wahr. So werden Schönhauser und Bonner Straße als quasi
natürliche Grenzen des Stadtteils auf- sofern im Zusammenhang mit der län des die Teile gefasst. Tatsächlich jedoch geht zum Nutzung dieses Ge Beispiel Bayenthal deutlich darüber Bayenthals nördlich und südlich der hinaus. Die Wohnhäuser zwischen Schönhauser Straße miteinander verKoblenzer und Bonner Straße auf dem bunden werden. Denn bisher ist die ehemaligen Gelände der KVB gehören Schönhauser Straße nicht nur eine auch noch zu Bayenthal. Dasselbe gilt emotionale, sondern auch eine reale für einen kleinen Teil auf der anderen Grenze. Seite der Bonner Straße. Das für die Fachhochschule „freigehaltene“ Areal So könnte beispielsweise an der Ecke zwischen Schönhauser Straße und Schönhauser Straße/Alteburger StraBahndamm/Südbrücke gehört eben- ße eine öffentliche Fläche für einen Wochenmarkt geschaffen werden. falls zu Bayenthal. Darüber hinaus sollte die MöglichEine gute Gelegenheit, um das Viertel keit genutzt werden, den Grünzug real und in den Köpfen der Menschen Süd in einer Form, die den Namen weiter zusammenzuführen, ist die verdient, an den Rhein fortzuführen. Ansiedlung der Fach hoch schule auf Wünschenswert ist auch, die Infradem ehemaligen Gelände der Küp- struktur im Zusammenhang mit der pers-Brauerei. Sie ist für Bayenthal Fachhochschule auf die Infrastruktur und Marienburg eine große Chance, Bayenthals abzustimmen.
Rheinufer zwischen Marienburg und Bayenthal. 8
Gelände für die neue Fachhochschule an der Koblenzer Straße.
Blick auf den neuen Bauabschnitt des Tacitus-Carrees zwischen Alteburger und Goltsteinstraße, Bayenthal.
Fazit Versteht man die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger als Aufforderung zum Handeln, so resultieren aus den Erkenntnissen der Interviews, aber auch aus vielen Diskussionen und Veranstaltungen des Bürgervereins folgende politische Forderungen an die Bezirksvertretung und an den Rat der Stadt Köln: 1. Vermeidung der weiteren Verdichtung der Bebauung in Bayenthal und Marienburg
2. Erhalt Marienburgs als Villenviertel 3. Schaffung von Räumen bzw. öffentlichen Treffpunkten für Bayenthal: z.B. Marktplatz, Jugend- und Veranstaltungs zentrum 4. Verkehrskonzept zur Vermeidung von zu hohem Durchgangsverkehr 5. Konzeption des Fachhochschulareals unter dem Aspekt der homogenen Anbindung an Bayenthal
Trotzdem hat die Arbeit an diesem Projekt sehr viele positive Aspekte aufgedeckt. Denn wenn man genau hinschaut, präsentiert sich das Leben in den beiden Stadtteilen überraschend vielfältig. Das betrifft die Zusammensetzung der Bevölkerung ebenso wie Kulturgeschehen und Engagement der Bürger. All diese Informationen und Erkenntnisse wird der Bürgerverein in seiner zukünftigen Arbeit aufgreifen. Und dazu möchten wir auch Sie herzlich einladen. 9
„Ich wollte nie aus
Bayenthal weg“
Anni Jähn, Alteburger Straße, Bayenthal Anni Jähn ist viel herumgekommen. Zehn Jahre lang schipperte sie auf einem Frachter über Deutschlands Flüsse. Doch ihr Herz schlug immer nur für Bayenthal, wohin sie 1973 zurückkehrte. Als sie ein Kind war, tobte in Europa der Krieg. Dreimal wurde die Familie von Anni Jähn ausgebombt, weshalb sie viele Stunden im Bunker in der Tacitusstraße verbracht hat, obwohl sie damals in der Alteburger Straße bei der Maternus-Pfarrei zu Hause war. Die Tante aus der Tacitus straße bestand bei jedem Flieger alarm darauf, dass alle in dieser schweren Stunde beisammen sein sollten: „Wenn mer enen up dat Döppe kreje, dann jonn mer all zesamme.“ Wenn wir sterben müssen, dann alle zusammen. Während Anni Jähn davon erzählt, lacht sie, von Schwermut keine Spur.
Als die Tacitusstraße noch Flutschjass hieß. Nach dem Krieg blieb die Familie in Bayenthal und Anni Jähn kam endlich in den Genuss der unbeschwerten Seiten der Kindheit. Sie erinnert sich an Kino-Besuche im BAMAG-Casino, wo man nur mit einem Brikett unterm Arm – und einem Billett natürlich – in die Vorstellung kam. Und mit Begeisterung erzählt sie, wie toll es damals war, in den Trümmern zu spielen. Platz ohne Ende. Sogar in der damals ausgebombten Villa Faber konnten sich die Kinder austoben – vor allem in deren Garten. Das Obst habe damals gar keine Zeit gehabt zu reifen, weil die Kinder es schon vorher gepflückt hätten. Jähns Areal war immer noch die Tacitusstraße – oder „Flutschjass“, wie sie damals genannt wurde. „Der 12
Name“, erzählt Anni Jähn, „kommt durch ein Haus zustande, das mitten auf der Straße stand. Wollte man zum Rhein hinunter, musste man durch einen Durchgang darin ‚flutschen‘.“ Schon damals war dem Mädchen klar, dass es niemals aus Bayenthal wegwollte. Und das wäre wohl auch nicht geschehen, wäre da nicht 1963 ein netter Binnenschiffer in ihr Leben getreten. Zehn Jahre lang fuhr sie mit ihm auf Deutschlands Flüssen – obwohl sie bis heute Nichtschwimmerin ist. Anfangs schipperte das mittlerweile verehelichte Paar auf einem Öl- und Benzin-Tanker. Später sattelten sie auf Frachtschifffahrt um, luden nun groben Kies oder Kohle an Deck. Sehr interessant sei diese Zeit gewesen. Bis nach Berlin gingen die Touren, über Rhein, Elbe, Mittellandkanal usw. Anni Jähn war auf dem 67 Meter langen Frachter, der eine komplette Wohnung beherbergte, die Hausfrau. „Da war auf dem Rhein noch Romantik“, erinnert sie sich. Und jedes Mal, wenn sie an Köln vorbeituckerten, legte das Paar kurz an und schaute bei Verwandtschaft und Freunden vorbei. 1973 kam Anni Jähn für immer zurück nach Köln. Zunächst lebte sie wieder in Bayenthal, immer im Umkreis der geliebten Tacitusstraße. Anfang der 80er-Jahre machte sie den Versuch, sich in Rodenkirchen niederzulassen. Es gelang nicht so ganz. Anni Jähn ließ in dieser Zeit viel Geld bei Taxi-Unternehmen, so oft wie sie nach Bayenthal fuhr. Obwohl sie auch in Rodenkirchen nette Menschen kennenlernte, wollte sie immer wieder zurück. Nach der Trennung vom Ehemann zog Anni Jähn 2006 in die Alteburger Straße, nach Hause. „Ich habe Bayenthal mein ganzes Leben die Treue gehalten.“
Anni Jähn ist ein zufriedener, selbstständiger Mensch, agil und interessiert. Im Jahre 2007 wurde sie Bürgerkönigin im ‚Schützenverein Köln-Bayenthal 1863‘. Den Titel kann man nicht kaufen, man muss ihn sich „erschießen“, wie es der richtige Schützenkönig auch muss. Stolz zeigt sie Fotos, die sie im schicken Trachtendirndl an seiner Seite zeigen.
„Ich bin immer jot anjekumme“, erzählt sie selbstbewusst. Und mit den Veränderungen im Viertel ist sie auch immer gut zurechtgekommen. Trotzdem schwingt Bedauern mit, wenn sich Anni Jähn an die Zeiten erinnert, in denen es in Bayenthal noch kleine „Tante-Emma-
Läden“ gab. Bäckereien, Metzgereien, Butter-Eier-KäseGeschäfte – früher sei es hier lebendiger gewesen. Das sei ein bisschen schade, so Jähn. Auch dass die Tacitusstraße heute so dunkel sei, bedauert sie sehr. Damals, als die DOM-Brauerei noch stand, war das anders. Und als sie abgerissen wurde, „war die Tacitusstraße – unsere Straße – von früh bis spät sonnendurchflutet, eine richtig schöne Sonnenstraße.“ Das Tacitus-Carree stehe nun der Sonne im Wege, aber auch daran werde sie sich wohl gewöhnen. Von ihrem Haus aus hat sie einen guten Blick auf die Schönhauser Straße und das Gelände der ehemaligen Küppers-Brauerei. „Ganz Bayenthal“, sagt sie, „ist traurig, dass es den romantischen Biergarten nicht mehr gibt.“ Und Anni Jähn hofft inständig, dass auf dem Gelände keine Wolkenkratzer entstehen. Die würden überhaupt nicht ins Bild passen. Den Dom sehe man jetzt vom Rhein aus sowieso nicht mehr – die Kranhäuser im Rheinauhafen verstellen die Sicht. Aber von ihrem Fenster, wenn sie sich ganz langmacht, kann sie die Domspitzen sehen. Wer weiß, wie lange noch?
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Architekt aus Leidenschaft Prof. Gottfried Böhm, Leyboldstraße, Marienburg Er zählt zu den renommiertesten Architekten der Nachkriegszeit, erhielt viele Auszeichnungen, darunter als bisher einziger Deutscher 1986 den amerikanischen Pritzker-Preis für Architektur. Mit fast 90 Jahren skizziert Gottfried Böhm in seinem Büro immer noch Projekte, und auch in Köln reizt ihn noch so manches. Prof. Gottfried Böhm ist in Architekturkreisen weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, denn seine Arbeiten zeugen von großer Originalität. Trotz zahlreicher Auszeichnungen ist er bescheiden geblieben, ein höflicher Mann alter Schule, nachdenklich und zugleich humorvoll. Als er sechs Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm nach Köln. 1938 machte er auf dem Apostelgymnasium Abitur, wurde kurze Zeit später Soldat. Anfang der 40er-Jahre kehrte er aus dem Krieg zurück und begann in München Architektur und Bildhauerei zu studieren. 1948 heiratete Böhm seine Kommilitonin Elisabeth Haggenmüller, mit der er vier Söhne bekam – drei davon sind heute erfolgreiche Architekten, einer ist Maler geworden. Die Kreativität scheint in der Familie zu liegen. Auch Gottfried Böhm wurde der Beruf des Architekten sprichwörtlich in die Wiege gelegt, prägte sein Vater Dominikus Böhm (1880–1955) doch die Geschichte des katholischen Kirchenbaus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nach dem Tod des Vaters führte der Sohn vom Kölner Büro aus dessen Arbeiten fort, startete seine Karriere also ebenfalls als Kirchenarchitekt. Nichtsdestotrotz entwickelte Gottfried Böhm schon bald seinen eigenen Stil. Sichtbeton wird zum Material seiner Architektur. Er entwickelte eine zeltähnliche Gewebedecke aus Beton, die stützende Säulen so gut wie überflüssig macht. Das international bekannteste Werk mit einer solchen Deckenkonstruktion ist wohl die Wallfahrtskirche in Neviges, deren asymmetrisch gestaltetes Dach sich wie ein Betongebirge ausnimmt. Bekannt sind 14
aber auch seine Entwürfe des Rathauses Bensberg, des Verwaltungsgebäudes der Züblin AG in Stuttgart sowie der Ulmer Stadtbibliothek. In Köln überzeugen Bauwerke wie die WDR-Arkaden, das Bezirksrathaus in Köln-Kalk oder die Kirche Christi Auferstehung in Köln-Melaten.
„Wir kennen unsere Nachbarn kaum, es gibt weder Läden noch Kneipen.“ Der heute 89-jährige Architekt lebt seit über 50 Jahren mit seiner Frau in Marienburg. Sie bewohnen eines der seiner Meinung nach schönsten Bauwerke des Viertels: die Wagenremise der Villa Vorster. Das Haus hat seine Frau umgebaut, wie der Ehemann stolz betont. Der Architekt arbeitet auch heute noch jeden Tag ein paar Stunden auf dem Römerberg. Er liebt sein Büro im Bauhausstil mit den alten großen, schmal gefassten Fenstern. Auch wenn er etwas mehr heizen muss, die Fenster sollen bleiben, nichts soll den freien Blick einschränken. Böhm gefällt die Atmosphäre in Marienburg, wo sich mancher architektonische Schatz versteckt. „Allerdings“, so beklagt er, „gibt es hier kein Ortsleben. Wir kennen unsere Nachbarn kaum, es gibt weder Läden noch Kneipen. Es fehlt das Kontakt bildende Element.“ Mit kritischem Blick verfolgt er auch die Bebauung im Rheinauhafen. „Die Kranhäuser versperren den Blick
auf den Dom und die Stadt, wenn man sie von hier am Rheinufer betrachtet. Sie sind zu gewaltig, die Maßstäbe in der Stadt werden zerstört. Das eigentliche, alte Köln ist eher kleinteilig, hatte einen gewissen Charakter. Heute stimmen die Relationen nicht mehr.“ Für die Stadtplanung Kölns hat Böhm immer noch Ideen. Zum Beispiel für den Offenbachplatz vor der Oper. Intimer sollte er sein, abgegrenzt von der laut rauschenden Nord-Süd-Fahrt. Skulpturen und Angebote wie ein Restaurant am alten Platz könnten dort für Lebendigkeit sorgen. Böhm gefällt der Rhythmus der Fassade der Oper, die einst der Kölner Architekt Wilhelm Riphahn entwarf. Das neue Schauspielhaus dürfte diese maßstäblich nicht zerstören. Zur Fußgängerzone in der Innenstadt äußert sich Böhm kritisch: „Früher bin ich mit meiner Frau mindestens einmal die Woche in der Hohen Straße flanieren gewesen. Aber heute ... Ich war die letzten zehn Jahre nicht mehr dort. Sie ist zu einer Touristenstraße verkommen; die Straßen drumherum dienen lediglich als Anlieferstraßen, sind tot und schäbig. Mir gefällt eine Fußgänger zone besser, die flächig und nicht speziell auf eine Straße abgestimmt ist.“
Gottfried Böhm hat immer noch seine Meinung. Er mischt sich gerne ein, macht Vorschläge, erarbeitet immer noch neue Pläne. Den Bau für die neue Fachhochschule, welche aus Deutz auf das Gelände der ehemaligen Küppers-Brauerei umziehen wird, würde er gerne entwerfen. „Das würde mich sehr reizen“, gesteht der Architekt aus Leidenschaft. Ein Bauwerk in Köln ist jedoch über jeden Zweifel erhaben. Der Dom ist „ein großartiger Bau. Es ist herrlich, wenn eine Stadt so etwas besitzt.“ 15
„Klüngel gibt es überall“ Lotti Krekel und Ernst H. Hilbich, Am Südpark, Marienburg Die Schauspielerin und Sängerin Lotti Krekel lebt seit 30 Jahren in Marienburg. Sie ärgert sich über Raser, die am Spielplatz das Leben von Kindern gefährden, und über nicht wiedergutzumachende Bausünden. Eigentlich unterscheidet sie sich nicht viel von Fotos auf den Schallplattencovern der 70er-Jahre. Die Zöpfe hat sie zwar abschneiden lassen, und die Lachfältchen um die grau-blauen Augen haben sich vermehrt. Aber sonst? Lotti Krekel wirkt jugendlich wie eh und je. Die Schauspielerin ist die Lebendigkeit in Person. Ihr Name steht für Heiterkeit und Unbeschwertheit. Und ihr lustiges Gesicht strahlt vergnügt, wenn sie von sich erzählt. Sie ist ein Kind der Altstadt, wuchs mit ihren beiden Schwestern in der Nähe des Heumarktes auf. Die Mutter zog die Töchter in der harten Nachkriegszeit alleine groß. „Sie kellnerte nachts in einer Kneipe, um tagsüber bei ihren Kindern zu sein“, erinnert sich die Schauspielerin, die stets ins Schwärmen gerät, wenn sie an ihre Mutter denkt. „Sie war eine so wunderbare, einmalige Frau, die nur für ihre Kinder gelebt hat.“ Den Weg auf die Bühne fand Lotti Krekel schon früh, bereits mit fünf Jahren gehörte sie zum Kinderfunk des damaligen NWDR. Unterstützt von ihrer Mutter, nahm Lotti Krekel während der Schulzeit Schauspiel- und Gesangsunterricht – und wurde von Willy Millowitsch entdeckt. In dem gleichnamigen Theater stand sie von 1958 bis 1969 auf der Bühne und war in unzähligen Fernsehübertragungen zu sehen. Nach elf Jahren wollte sie eine Veränderung und machte sich selbstständig. Sie wechselte ins Showgeschäft und begann ihre Karriere als Sängerin. 16
Gemeinsam mit Horst Muys sang sie im Duett den Gassenhauer „Ne Besuch im Zoo“, und ihr Lied „Mir schenken der Ahl e paar Blömcher“ wurde ein Evergreen. Die Erfolge ermöglichten es ihr, Ende der 70er-Jahre ein Haus in Marienburg zu kaufen. Sie bezog es kurz vor Weihnachten mit ihrer Mutter und ihrem Mann, dem Schauspieler Ernst H. Hilbich. „Ernst hatte ein paar Holzscheite für den Kamin besorgt. So saßen wir vor dem Kaminfeuer – in dem völlig leeren Haus – auf drei alten, wackeligen Stühlen. Vom Garten strahlten die Lichter eines Weihnachtsbaumes herein, den Ernst geschmückt hatte“, erzählt Lotti Krekel. „Die Nachbarn brachten Brot, Salz und Glühwein und so bekamen wir schon am ersten Abend dieses ,Zu-Hause-Gefühl‘.“ Ernst H. Hilbich vermisst die Nachbarn der ersten Stunde, die rechts und links des Hauses wohnten. In 30 Jahren hat sich längst ein Generationenwechsel vollzogen – nicht nur am Südpark. Es wohnen jetzt viele Kinder hier und Lotti Krekel macht es Spaß zu sehen, wie sie heranwachsen. Hier zu wohnen ist Lebensqualität, so die Schauspielerin, und sie bekennt: „Ich bin halt ein Glückskind.“
„Erst wenn das erste Kind tödlich verunglückt ist, wird etwas gegen die Raser getan.“ Obwohl die Wohnlage eigentlich sehr ruhig ist, fahren die Autos viel zu schnell vorbei, denn leider hält sich niemand an das vorgegebene Tempolimit von 30 km/h. „Wenn es nur der Krach wäre“, sagt Lotti Krekel. Viel schlimmer findet sie die Gefahr. Direkt gegenüber von ihrem Haus liegt der
„Und nun baut er … einen schrecklich schäbigen Betonkasten.“
neu gestaltete Spielplatz. Das Leben der Mütter und Kinder, die dorthin wollen, ist ständig gefährdet. Sie hat bereits vor Jahren Eingaben bei der Stadt gemacht. Dem damaligen Bürgermeister Harry Blum hat sie die gefährliche Situation geschildert. Geschehen ist nichts. Lotti Krekel befürchtet das Schlimmste. „Erst wenn das erste Kind tödlich verunglückt ist, wird etwas gegen die Raser getan.“ Schon oft hat sie an ihrem Küchenfenster laut „Vorsicht!“ geschrien, wenn wieder ein Auto viel zu schnell am Spielplatz vorbeigefahren ist.
Eines Morgens rief ihre Schwester Hildegard, die auch in Marienburg wohnt, weinend an. „Direkt vor meinem Fenster hat der neue Nachbar alle alten Bäume abgeholzt. Und nun baut er vor das uralte, wunderschöne Häuschen einen schrecklich schäbigen Betonkasten.“ Und das trotz der Erhaltungssatzung. Lotti Krekel ist realistisch genug, um sich darüber nicht zu sehr aufzuregen. Auch anderswo geht nicht immer alles mit rechten Dingen zu – nicht nur in Köln. Sie nimmt ihre Heimatstadt in Schutz: „Klüngel gibt es überall.“
Auch die Bausünden in der Nachbarschaft kritisiert Lotti Krekel. Alte Jugendstilvillen wurden über Nacht abgerissen und durch hässliche Klötze ersetzt. Ein Stück Kultur ist damit unwiederbringlich dahin.
Ansonsten ist Lotti Krekel, die seit 1998 die Trudi Fritsch in der WDR-Serie „Die Anrheiner“ spielt, immer noch Galas moderiert und singt, zufrieden mit Köln und ihrem Stadtteil. Obwohl es ihr anfangs unangenehm war zu sagen, dass sie in Marienburg wohnt. Das Viertel hatte den Ruf, nur „Reiche“ zu beherbergen. „Leider ein Vorurteil“, weiß sie heute. Nur eines fehlt ihr hier: Eine echte kölsche Kneipe hätte sie schon sehr, sehr gerne.
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Der liebe
Gott ist nicht nur in der Kirche
Pfarrer Hans Stieler, Mathiaskirchplatz, Bayenthal Seit Hans Stieler 1993 die katholischen Gemeinden in Bayenthal und Marienburg übernommen hat, die 2004 zu einer Gemeinde fusioniert wurden, ist sein Sprengel immer größer geworden. Als leitender Pfarrer ist er nunmehr für vier Gemeinden mit fünf Kirchen zuständig: St. Matthias und Maria Königin in Bayenthal/Marienburg, St. Mariä Empfängnis in Raderthal sowie zum Heiligen Geist und St. Pius in Zollstock gehören dazu. Als leitender Pfarrer wird Hans Stieler heute von zwei Priestern und zwei Laienpastoralkräften unterstützt. Und auch wenn er die „Geschenke“ seines Bischofs selbstverständlich annimmt und die allgemeine Entwicklung als zwangsläufig betrachtet, bedauert Hans Stieler, dass die Verwaltungsarbeit zugenommen hat und weniger Zeit für die Seelsorge bleibt. Neue Arbeitsstrukturen müssen entwickelt werden, die Gemeinden und sehr unterschiedliche Gotteshäuser muss er erst kennenlernen – und die Gemeinden ihn. Letzteres empfindet er als eine reizvolle Herausforderung. Die von Dominikus Böhm entworfene Kirche Maria Königin in Marienburg wurde 1954 geweiht. Sie ist sehr hell und freundlich, weil durch die großen Fenster gleichsam der Südpark mit in die Kirche genommen wird. Spenden ermöglichten nicht nur den Bau der Kirche, sondern auch die Ausstattung mit prächtigen liturgischen Geräten. Eine lange und wechselvolle Geschichte weist die Kirche in Bayenthal auf. Die erste wurde 1863 an der Ecke Goltsteinstraße/Bonifatiusstraße gebaut und fiel 1898 einem Wirbelsturm zum Opfer. 1904 wurde sie durch einen neugotischen Bau am Mathiaskirchplatz ersetzt, der im Zweiten Weltkrieg bis auf die Mauern zerstört wurde. Ebenfalls unter der Leitung von Dominikus Böhm wurde 18
St. Matthias bis 1952 wiederaufgebaut. „Sie ist etwas dunkler als Maria Königin“, meint Hans Stieler, aber „beide sind auf ihre Art schön und sprechen unterschiedliche Menschen an.“ Die Kirchenmauer von St. Matthias und der Wendehammer davor haben sich zum Treffpunkt von Jugendlichen entwickelt. Nicht selten zum Ärger der Anwohner, die die laute Musik und der hinterlassene Müll stören. Der Pfarrer bemängelt diesen Umstand zwar auch, zeigt aber Verständnis. „Wo sollen sich die Jugendlichen sonst treffen?“, fragt er und bedauert sehr, dass es im Stadtteil für sie keine anderen Möglichkeiten gibt.
„Die Sorgen und Nöte der Menschen nehmen zu.“ Nach seinen Erfahrungen hat die Zahl der Menschen in Bayenthal, „die schauen müssen, wie sie über die Runden kommen“, zugenommen. Man sieht sie nicht unbedingt auf der Straße, sie holen sich aber im Pfarramt Rat oder Hilfe. Die Anliegen und Nöte sind dabei ganz unterschiedlich. Manche wollen über religiöse Fragen sprechen, andere sind schwer krank, wieder andere wissen nicht, wie sie am Monatsende ihre Einkäufe bezahlen sollen. Nach dem Studium in Bonn und der Priesterweihe im Kölner Dom hatte der 1956 in der Nähe von Neuss geborene Pfarrer seine erste Stelle als Kaplan in Frechen, anschließend in Wissen an der Sieg und an der Münsterkirche in Bonn. „Es wäre unredlich zu sagen, dass man den Weg als Seelsorger ohne Zweifel und Fragen an sich
selbst geht.“ Man lebt allein, ohne Familie und Kinder, „und manchmal erlebt man auch Einsamkeit“.
„Was man predigt, muss man auch leben.“ Hans Stieler kümmert sich nicht nur um seine Gemeinden, sondern auch um seine eigene „Seelenhygiene“. Als Musikliebhaber hört er bevorzugt Opern und geistliche Musik und seine CD-Sammlung im Pfarrhaus ist beeindruckend. Er geht in Konzerte oder verbringt seine wenigen freien Abende mit einem Glas Wein und einem Buch. Außerdem kocht er leidenschaftlich gern und lädt häufig Freunde und Bekannte zum Essen ein. „Ich brauche den Blick über den eigenen Tellerrand und Gesellschaft, auch mit Menschen, die eher am Rande der Kirche stehen.“ Dass der Besuch des Gottesdienstes zurückgegangen ist, bedauert der Pfarrer, weil das für ihn persönlich etwas sehr Wichtiges ist. Er hat aber auch Verständnis dafür, weil viele jüngere Menschen durch den Beruf stark eingespannt sind und sich in ihrer wenigen Freizeit lieber
um Familie und Nachbarschaft kümmern. Das ist nach seinem Eindruck auch ein Grund, warum das ehrenamtliche Engagement zurückgeht. Viele engagieren sich zwar punktuell, wollen sich aber nicht verbindlich für einen längeren Zeitraum festlegen. Er, seine Mitarbeiter und die Ehrenamtlichen machen Angebote und pflegen das Gemeindeleben auch außerhalb der Gottesdienste: Das jährliche Gemeindefest am Mathias kirchplatz findet guten Zuspruch, auch die „Kirche mit Kindern“ oder die beiden Chöre in Bayenthal. „Ich fühle mich in Bayenthal rundum wohl“, meint er abschließend, „und würde hier bestimmt wohnen, auch wenn ich nicht der Pfarrer wäre.“
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Zufällig in Bayenthal Caroline, Marcus, Milla und Marten Meertz, Höltystraße, Bayenthal Nachbarschaft ist ihnen wichtig, und dass sie alles möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen können. Nach einem Intermezzo in Aachen lebt die Familie seit September 2006 eher zufällig in Bayenthal. In den nur 16 Häusern der kurzen Höltystraße leben 18 Kinder. Seit zweieinhalb Jahren auch die jetzt vierjährige Milla gemeinsam mit ihren Eltern Caroline und Marcus Meertz. Ihr Bruder Marten ist gerade ein Jahr alt geworden. Er wird zweimal in der Woche gemeinsam mit anderen Kleinkindern aus dem Viertel von einer Tagesmutter in der Hebbelstraße betreut. Milla geht in den Kindergarten in der Bernhardstraße. Für die Weihnachtsfeier hat sich spontan eine Band aus dem Kreis der Eltern gebildet: Kontrabass, Geige, Gitarre, Querflöte und Marcus Meertz hat Schlagzeug gespielt. Solange das Nachbarhaus noch nicht verkauft war, stand sein Instrument in der Höltystraße, jetzt im Keller seines Büros – aus Rücksicht auf die Nachbarn.
Am liebsten zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Den beiden ist es wichtig, alles in der Nähe zu haben, sie fahren nicht gerne mit Auto oder Bus. Marcus Meertz sieht man schon mal, wenn er die kurze Strecke in sein Büro in der Ohmstraße mit dem Fahrrad fährt oder wenn er nach seiner morgendlichen Runde durch Marienburg mit frischen Brötchen nach Hause joggt. Caroline Meertz spaziert gerne mit ihren Kindern zum Spielplatz im Südpark oder in das Römerpark-Café in der Südstadt, wenn sie sich mit anderen Eltern und deren Kindern treffen möchte. Den Spielplatz am Mathiaskirchplatz findet sie nicht besonders attraktiv und in Bayenthal fehlt ihr ein Café, in das man auch Kinder mitnehmen kann. Im Sommer ist die Eisdiele Il Gelato ein beliebter Treffpunkt für Eltern und Kinder. Weil es drinnen zu eng und 20
meistens voll ist, steht man vor der Tür und genießt das Eis. Mehr solcher selbstverständlicher Treffpunkte im Viertel, beispielsweise auch einen Markt, vermissen die beiden. „Man ging am Wochenende in die Severinstraße auf den Markt oder in ein Café und wusste, man trifft garantiert Bekannte“, erinnert sich Marcus Meertz. Bevor die beiden 2002 nach Aachen gezogen sind, hat er unter anderem zehn Jahre in der Mainzer Straße gewohnt. Nach dem Abitur ist Marcus Meertz vom Niederrhein nach Köln gekommen, um Kameramann zu werden. Während der Wartezeit auf einen Studienplatz hat er ein Praktikum bei einer Filmproduktion gemacht und anschließend eine Assistentenstelle bekommen. Das Studium hatte sich damit erledigt, auch weil Kameramann kein Ausbildungsberuf ist, „man dazu berufen wird“, wie er erzählt. Seit 1995 ist er Inhaber einer Firma, die Filme für Unternehmen wie Bayer oder die Deutsche Bank produziert. Zuletzt haben sie drei Monate an einem Film für große DAX-Unternehmen zum Thema Globalisierung gearbeitet. Mit zwölf Beamern wurde eine 80 Meter lange und sechs Meter hohe Leinwand bespielt, die sich über 270 Grad erstreckte. Das Haus in der Höltystraße wurde ihnen zufällig von einer Maklerin in Aachen angeboten. Sie haben es gekauft, damit Marcus Meertz jetzt nicht mehr jeden Tag von Aachen nach Köln pendeln muss. Ein bisschen vermisst
die Familie die Naturnähe, die ihnen die Umgebung von Aachen geboten hat: die Wälder rund um die Stadt und der Bummel über die Flohmärkte in Belgien oder den Niederlanden. „Das Dreiländereck ist schon etwas Besonderes“, meint Caroline Meertz. Von Köln aus müssen sie schon in die Eifel oder ins Bergische Land fahren. Lieber nutzen sie jedoch ihr Segelboot, das in Holland liegt.
„Marcus schneidet Filme, ich Stoffe.“ Caroline Meertz macht wegen der Kinder eine berufliche Auszeit, möchte jedoch bald wieder als Schnitt- und Entwurfsdirektrice arbeiten. Im Obergeschoss des Hauses stehen alle notwendigen Geräte und Werkzeuge für ihr Schneideratelier. Für die beiden eindrucksvollen Industrienähmaschinen musste extra eine Starkstromleitung gelegt werden. In Aachen hat sie mit einem exklusiven Stoffladen zusammengearbeitet und vor allem Braut- oder Abendkleider entworfen und geschneidert. So eine Kombination kann
sie sich auch zukünftig vorstellen. Allerdings nicht in Bayenthal, sondern eher in der Südstadt. Nicht nur weil es in Bayenthal bereits Schneiderateliers und eine Änderungsschneiderei gibt. Sie findet die vielen Nebenstraßen der Severinstraße mit den kleinen Geschäften attraktiver zum Flanieren und Einkaufen als die Goltsteinstraße. Aber: „Selbstverständlich kaufen wir in der Goltsteinstraße ein“, betont Marcus Meertz, „weil wir es wichtig finden, die Händler im Viertel zu unterstützen.“ Denn zu einer guten Infrastruktur möchten sie auch persönlich beitragen. Wenn das Goltsteinforum fertig und der Bio-Laden eingezogen ist, können sie zukünftig auch ihr Obst und Gemüse zu Fuß einkaufen.
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„ANSICHTEN“ VON Ackermann, Jutta Seite 56 Adenauer, Dr. Georg 26 Algen, Saniye u. Ahmet 34 Bartsch, Katrin und Jens 44 Baumhartner, Hans 52 Blankenburg, Christina u. Dr. Dido 104 Böhm, Prof. Gottfried 14 Bungard, Prof. Dr. Walter 38 De Lentdecker, Frank u. De Lentdecker-Schwarzkopf, Margit 40 Emmerich, Ute 62 Ferigo, Giacomo 78 Focke, Dr. Katharina 94 Ganteführer-Trier, Anne u. Trier, Dr. Marcus 102 Gellert, Andrea u. Joachim 54 Giordano, Ralph 76 Hellmich, Walter 24 Hering, Margrit u. Eggeling, Dieter 36 Heubeck, Prof. Dr. Klaus 70 Horsch, Dr. Maria 106 Jähn, Anni 12 Janssen, Friedrich Carl 48 Jaskowsky, Gundula 88 Kraemer, Kaspar 86 Krekel, Lotti u. Hilbich, Ernst H. 16 Krings-Ernst, Dr. Thomas 98 Meertz, Caroline u. Marcus 20 Nicolin, Günther 42 Noss, Petra, Kuhlen, Günther u. Schiffelers, Jürgen, Schützenverein Köln-Bayenthal 100 Özdemir, Emine 92 Oppenhoff, Michael 90 Pfleger, Caren 22 Piehler, Kit 80 Rautenstrauch, Ludwig Theodor von 32
Resch, Erwin 96 Schütte, Ute 74 Schwarzkopf, Margarete von 46 Seiger, Dr. Bernhard 64 Stieler, Hans 18 Tanyel, Yasemin 66 Vorster, Andreas 110 Wallraf, Sophia u. Yuan, Momo, Irmgardis-Gymnasium 60 Wanschura, Gudrun 58 Wassen, Bernd 84 Weber, Heidemarie u. Dieter 28 Wilde, Rafaela u. Dieter 30 Wohngruppe der Jugend- u. Behindertenhilfe Michaelshoven 72 Yilmaz, Nesrin u. Osman 50 Zander-Gilles, Bertel 68 Ziolko, Anja 82 Zündorf, Christian u. Dieter 108
Buch einfühlsam in Form gebracht. Auch den privaten Spendern, die an dieser Stelle nicht genannt werden möchten, danken wir ausdrücklich, ebenso den folgenden Firmen für ihre großzügige Unterstützung: · Bilderrahmen Werkstatt Olaf Wißdorf GmbH, Goltsteinstraße; · Dieter Zündorf Sanitär- u. Heizungstechnik GmbH, Tacitusstraße; · Metzgerei Kremer, Goltsteinforum; · Roland Apotheke, Goltsteinstraße. Sie alle haben das Buch erst möglich gemacht.
IMPRESSUM
DANK
© 2009 Bürgerverein Köln-BayenthalMarienburg e.V. Leyboldstr. 21, 50968 Köln
Dieses Buch hätte ohne die Mitwirkung der Interviewpartnerinnen und -partner nicht entstehen können. Sie haben nicht nur offen ihre Meinung gesagt, sondern auch die Türen geöffnet und einen Blick in ihre Privatsphäre erlaubt. Dafür möchten wir allen ganz herzlich danken.
Herausgeber: Bürgerverein Köln-Bayenthal-Marienburg e.V.
Dank für ihre professionelle Arbeit gilt den Autoren und Fotografen, der Grafikerin sowie der Lektorin und Projektleiterin. Sie haben das
© 2009 für die Fotografien: Vesko Gösel, Köln; Artur Holling, Köln
Projektleitung: Dr. Hartmut Hammer, Klaus Heuser Projektmanagement und Lektorat: redaktionsbüro Christiane Blass, Köln Interviews und Texte: Susi Boxberg, Köln; Ludwig Janssen, Köln Gestaltung und Layout: seitz-atlama design, Köln Litho: Pulenat d.o.o. Druck: Vereinigte Verlagsanstalten GmbH, Düsseldorf Printed in Germany ISBN 978-3-00-029130-2