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Bio-Oase in Weiß

30 Jahre rabatula Bio-Oase in Weiß

Es war der erste Bioladen bei uns hier im Kölner Süden – anfangs skeptisch beobachtet, dann schnell zum Erfolgsmodell avanciert: 30 Jahre rabatula – Inhaber Henning Ages erklärt im Interview, was sein Konzept so besonders macht. Herr Ages, Sie haben rabatula 2018 übernommen – was hat Sie dazu bewogen? „Ich war bis dahin als International Sales Manager für verschiedene Großunternehmen in der Welt unterwegs und sah 2018 die Chance, aus dem Hamsterrad der Konzernwelt auszusteigen: Der Schritt in die Selbständigkeit bot mir die Möglichkeit, die oft ermüdend langwierigen Entscheidungsprozesse auf ein Minimum zu verkürzen. Außerdem erschien mir das Thema „Nachhaltigkeit“ für die „global Players“ allzu oft nur ein Lippenbekenntnis. Dass ausgerechnet für den Bioladen in Weiß ein neuer Inhaber gesucht wurde, kam mir fast zu schön vor, um wahr zu sein.“ Was macht „rabatula“ so besonders? „Wer zu uns kommt, kauft 100 % bio. Bei rabatula ist quasi jeden Tag Bio-Markt. Das unverpackte Obst und Gemüse ist größtenteils verbandszertifi ziert, trägt also nicht nur das EU-Bio-Siegel, sondern wird nach Richtlinien der wichtigen Anbauverbände Demeter, Bioland und Naturland produziert. rabatula ist aber mehr als nur ein Obst-und Gemüseladen. Wir sind ein sogenannter Bio-Vollsortimenter. Obst und Gemüse sind zwar wichtige Bestandteile, aber unser Angebot umfasst das komplette Lebensmittelangebot, das für gesunde tägliche Ernährung benötigt wird. Dazu zählen unsere 20 verschiedenen Bio-Brotsorten, die täglich frisch geliefert werden, genauso wie ca. 50 Käsesorten, frisches Fleisch, Wurst und Fisch, eine wachsende Anzahl vegetarischer und veganer Alternativen, Eingemachtes, Mehl- und Getreide, Feinkost, etc.“ Was ist der größte Unterschied zum Discounter oder Supermarkt? „Vom Standpunkt des Unternehmers gesehen haben wir natürlich nicht die fi nanzielle Rückendeckung wie große Ketten. Dafür können wir als inhabergeführter Bio-Fachhandel deutlich fl exibler und schneller auf Wünsche unserer Kunden eingehen. So können wir beispielsweise viele Produkte, die wir auf unserer begrenzten Ladenfl äche nicht unterbringen können, auf Wunsch bestellen und in der Regel schon in der gleichen Woche bereitstellen. Viele schätzen außerdem die persönliche Beratung, die ein wichtiger Baustein unseres Service-Angebots ist. Umgekehrt lernen auch wir täglich dazu. Bei aller Kompetenz für Bio-Lebensmittel sind wir beileibe nicht allwissend und deshalb fi nden unsere Gespräche mit Kunden immer auf Augenhöhe statt. Dieser Gedankenaustausch hat dazu geführt, dass ein nicht unerheblicher Teil unseres heutigen Ladensortiments auf Anregungen von Kunden zurückgeht.“ Haben Sie persönliche Produkt-Favoriten in Ihrem Laden? „Es gibt da schon einige Glanzlichter, die zeigen, wie innovativ unsere Hersteller unterwegs sind und die mich begeistern. Da wären zum Beispiel die plastikfrei verpackten festen Shampoos, Zahnpasta aus dem Glastiegel oder auch die Hülsenfrüchte, Nüsse, etc. im Mehrwegglas. Mein persönliches Steckenpferd ist allerdings das Weinregal. Internationale und

deutsche Winzer haben in den letzten 20 Jahren einen geschmacklichen Quantensprung vollführt – vom Landwein bis zum Champagner, für jeden Anlass, jeden Geschmack und für jeden Geldbeutel ist mittlerweile das Richtige dabei“ Gibt es bei rabatula auch Produkte, die nicht bio sind? „Die gibt es tatsächlich. Neben unserem Grundsortiment an Kosmetik, Wasch-, Reinigungs- und Hygieneartikeln, die unterschiedliche Siegel tragen, führen wir auch in unserem mehr als 2.000 Artikel umfassenden Lebensmittelangebot eine Handvoll Ausnahmen: Honig von lokalen Imkern und Apfelsaft von Streuobstwiesen im Bergischen Land tragen zwar kein Bio-Siegel, aber die Erzeuger leisten einen ganz wichtigen Beitrag zum Artenschutz in unserer Region. Im Laden sind diese Produkte als „konventionell“ achtet, dann schnell zum gekennzeichnet. Transparenz ist uns Erfolgsmodell avanciert: wichtig, und darauf können sich unsere Kunden verlassen.“

treide, Feinkost, etc.“

Was ist der größte Unterschied le Rückendeckung wie große Ketten. Dafür können wir als inhabergeführter Bio-Fachhan-

Im Zusammenhang mit nicht bio-zertifi zierten Produkten ist oft zu hören, das „regional“ ja auch schon ein Schritt in die richtige Richtung sei – sehen Sie das auch so? „Das ist leider nicht immer der Fall. Jedenfalls nicht, wenn der Landwirt in der „Region“ – übrigens ein ziemlich schwammiger Begriff – die Chemie-Keule gegen sogenannte Schädlinge schwingt und industrielle Kunstdünger einsetzt. Stellen Sie sich einfach vor, dass direkt vor Ihrer Haustür Insektenvernichter gespritzt werden, die Sie beim Spaziergang mit Ihren Kindern oder Enkeln ohne Vorwarnung einatmen. Oder dass die Uferfi ltratbrunnen, aus denen unser Trinkwasser gewonnen wird, mit Nitrat und Ackergiften belastet werden.“

Viele Verbraucher sind der Ansicht, dass sie sich eine komplett ökologische Ernährung einfach nicht leisten können. Zu Recht? „Es stimmt, dass wir beim Einkauf von Bio-Lebensmitteln im Vergleich zu konventionell hergestellten Produkten tiefer in die Tasche greifen müssen. Das ist Fakt und die Gründe hierfür sind vielfältig.

Ökologischer Landbau und artgerechte Tierhaltung sind deutlich arbeits- und damit auch kostenintensiver als konventionell-industrielle Lebensmittelerzeugung. Langfristig werden uns allerdings billige, konventionell hergestellte Lebensmittel alle teuer zu stehen kommen. Einige Beispiele: In der konventionellen Landwirtschaft werden jährlich Millionen Tonnen Pestizide eingesetzt. Diese Insektenvernichter bedeuten nicht nur frühzeitigen Tod und Krankheit derer, die damit arbeiten (müssen), sondern auch das Ende für unsere Bienen. Wir sind aber auf Bienen als Bestäuber für Obstbäume und Feldfrüchte angewiesen. Ohne Bienen fallen die Ernten geringer aus und die Preise steigen. Wasserverschmutzung durch Pestizide muss in Kläranlagen aufwändig und kostenintensiv beseitigt werden. Wir alle zahlen diese Kosten bereits mit unseren Steuern. Landwirtschaftliche Monokulturen führen zu Bodenzerstörung und Anfälligkeit für Schädlingsbefall, die bei konventioneller Bewirtschaftung kurzfristig nur durch den Einsatz immer größerer Mengen an Düngemitteln und noch mehr Pestiziden zu beheben sind. Das ist ein Teufelskreis, der mit landwirtschaftlichen Subventionen – die wir ebenfalls mit unseren Steuern bezahlen – kaschiert wird. Irgendwann wird uns dieses System auf die Füße fallen, wenn wir nicht gegensteuern. Würden die Folgekosten konventioneller Landwirtschaft auf die so produzierten Lebensmittel umgelegt, wären diese schon heute deutlich teurer als ökologisch erzeugte.“

Aber wie kann ich mit begrenztem Budget einen Beitrag leisten, damit die Dinge in die richtige Richtung gehen? „Eine Möglichkeit besteht darin, bewusst nur das zu kaufen, was auch wirklich benötigt wird. Wieso muss ich drei Paprika in der Plastiktüte kaufen, wenn ich eigentlich nur eine oder maximal zwei benötige? Warum muss ich einen ganzen Beutel Möhren kaufen, wenn davon am Ende der Woche die Hälfte in die braune Tonne wandert. Bei uns kaufen Sie einfach die Menge, die Sie nach eigener Abschätzung auch wirklich verzehren können. Das ist eine einfache Maßnahme, die den Geldbeutel schont und ungewollter Lebensmittelverschwendung Einhalt gebietet. Jeden Tag Fleisch und Wurst zu essen, erscheint schon aus gesundheitlichen Gründen ein wenig aus der Zeit gefallen und ist teuer. Außerdem befeuert die Fleischerzeugung den CO2-Ausstoß um ein Vielfaches gegenüber vegetarischen Alternativen mit gleichem Eiweißgehalt. Es gibt mittlerweile vegane Angebote, bei denen sogar ich als bekennender Omnivor ins Schwärmen gerate. Schon ein teilweiser Verzicht auf Fleisch schont Gesundheit, Klima, Tier und Portemonnaie. Beim Gedanken an die tier- und menschenverachtenden Bedingungen der konventionellen Massentierhaltung und -schlachtung vergeht mir persönlich direkt der Appetit auf Billig-Bratwurst. Wenn Fleisch, dann bitte aus artgerechter Haltung, das ich mit gutem Gewissen genießen kann. Letztlich entscheidet das jeder für sich, wir sind ja – zum Glück – ein freies Land. Jede Einkaufsentscheidung für oder gegen bio ist dabei wie eine Stimmabgabe bei demokratischen Wahlen: Wollen wir eine Zukunft mitgestalten, die auch für unsere Kinder und Enkel lebenswert ist, oder verschließen wir die Augen vor den offensichtlichen Schäden, die konventioneller Landbau dem Boden, der Luft, den Tieren und den Menschen zufügt?“

Ist die Lage des Bioladens inmitten von verkehrsberuhigten Zonen ein Nachteil? „Im Gegenteil. Sicher macht uns die Lage außerhalb des alten Ortskerns fast zu einer Art Geheimtipp. Schon auf dem Weg zu uns wird entschleunigt – und das soll auch so sein. Vermutlich ist das sogar einer der Gründe, weshalb die Menschen, die hier einkaufen und arbeiten, so grundentspannt sind. Wir haben drei Kundenparkplätze vor dem Laden. Egal, ob Kunden mit dem Roller, dem Fahrrad oder mit dem Auto kommen – jeder findet immer einen Platz. Von der Kasse bis zum Fahrzeug sind es nur wenige Schritte. Bei besonders schweren Einkäufen ist außerdem immer jemand vom Team da, der beim Einladen hilft. Die verkehrsberuhigte Zone animiert immer mehr junge Familien, den Einkauf im Bioladen mit einem Fahrradausflug zu verbinden.“

Ist es nicht mitunter auch stressig, so einen Laden zu führen? Einstein hat gesagt „Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Umgang mit Idioten“. Das bleibt mir in unserem Laden zum Glück erspart. Dafür bin ich unseren Kunden, aber auch meinem Team – momentan 8 hochmotivierte und gutgelaunte Mitarbeiter/innen – unendlich dankbar. Natürlich gibt es Momente, in denen Aufgaben unter Zeitdruck erledigt werden müssen, aber bei uns herrscht den ganzen Tag gute Stimmung und das ist nicht etwa aufgesetzt. Ich glaube, dass unsere Kunden das auch spüren. Das ergibt eine ganz wunderbare Wohlfühl-Atmosphäre für alle in unserem Laden, und ich hoffe, dass die Menschen neben ihren Einkäufen auch von dieser positiven Stimmung etwas mitnehmen.“

Sind Sie rückblickend also zufrieden mit Ihrer Entscheidung für den Bioladen? „Nein. Ich bin nicht zufrieden – ich bin glücklich! Noch nie in meinem durchaus spannenden Berufsleben hatte ich so lange so viel Spaß am Stück!“

Wie wird das Jubiläum gefeiert? „Nach langer pandemiebedingter Auszeit gibt es am Samstag, den 13. August, endlich wieder ein Event: Begleitet von der französischen Band NotYet feiern wir ab 16 Uhr gemeinsam mit unseren Kunden das 30-jährige Bestehen von rabatula in Weiß. Alle sind willkommen, um mit uns zusammen in gewohnt entspannter Atmosphäre leckeres Bio-Kölsch, ökologisch angebauten Wein oder alkoholfreie Getränke zu genießen!“ Text und Fotos: rabatula

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