Editorial
Lecker Lebkuchen, Liebe, Streit und Geschenke, Nordmanntanne und Festschmaus – alles vorbei. 370g nimmt ein Mensch in einem Industrieland durchschnittlich über die Feiertage zu. Nutzen Sie also die Chance und nehmen Sie sich viel Zeit mit der Komma. Mit einem Mal Blättern verbrennen Sie ganze 0,05g Körpergewicht. Nach 7400 mal Seiten hin und her sind Sie wieder ganz die/der Alte. Nebenbei können Sie auch ein bisschen verweilen. Wir stellen mit der Komma ab sofort einmal im Semester die Highlights studentischer Arbeiten unserer Fakultät für Gestaltung der
Hochschule Mannheim vor. Sind Sie eher visuell veranlagt? Dann kommen Sie mit verschiedenen Studien- und Diplomarbeiten auf ihre Kosten während die Theoretiker Prof. Dr. Friedrichs Artikel »Wer hat Angst vor Theorie« nicht fürchten müssen. Endlich eine verständliche Antwort warum man gutes Design auch begründen können muss. Freuen Sie sich außerdem schon jetzt auf die nächste Ausgabe Anfang März 2007. Johannes Brückner
Diese Ausgabe wäre ohne die freundliche Unterstützung der Firmen auf den folgenden 3 Seiten nicht möglich gewesen. Die Redaktion sagt Danke!
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,was drin ist
Inhalt
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was rein kommt 26
Die Typo-Terroristin Veruschka Götz, die neue Professorin für Typografie stellt sich vor. Ihre Methoden, ihre Ziele, und warum die Helvetica gar nicht so einfallslos ist.
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Guter Käse: Alessio Leonardi Der schräge Berliner Grafiker und Typograf mit italienischen Wurzeln spricht mit Komma über seine Arbeit, Typografie und guten Käse.
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Wer hat Angst vor Theorie? Prof. Dr. Thomas Friedrich stellt diese Frage in Hinblick auf das Verhältnis von Theorie und Praxis im Bereich der Kommunikationsgestaltung.
was raus kommt 14
Verschrobungspflichtig Wer sich augenzwinkernd seiner eigenen Macken bewusst ist, dem hilft das Patentpaket zur heiteren Gelassenheit. Eine visu– elle Hausapotheke von Leonie Brendel, ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen.
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Der Herr der Fliegen Was passiert, wenn karnivore Topf blumen Blut riechen und Insekten um ihr Leben fliegen müssen? Robert Hranitzky beschreibt die erschreckende Wahrheit in seinem furiosen Animationsfilm Diona con Carne.
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Licht im Schacht Kann man unverkrampft und voller Spaß über die Muschi sprechen? Man kann. Genau wie lesen, sehen und fühlen. Kerstin Corrells überraschendes Buch zu diesem Thema ist – und heißt – Schamlos.
,was drin ist
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42
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Rubriken
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Männer im Wald Alexej Sadovnikov, Benedikt Kuhn und Kjetil Dahlhaus führen eindrucksvoll vor, wie man die Schwächen eines Produkts auch einfach zu dessen Stärken erklären kann. Ihre Kampagne für Dölp Apfelwein beweist es.
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Göttlich Dass wahre Schönheit von innen kommt, beweist Gina Gorny auf ganz eigene Weise: Ihre Fotografien entstehen aus dem Bauch heraus. Das Ergebnis ist Göttlich.
03
Editorial
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Was los ist
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Gestalterindex
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Vorschau
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Was danach kommt
,was los ist
Ruhm und Ehre Auch im Wettbewerb mit anderen Schulen und auf dem internationalen Markt kann sich die Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim gut behaupten. Das vergangene Sommersemester 06 konnte als sehr erfolgreich verbucht werden. Ein Team aus 10 Studenten der Fakultät für Gestaltung (Haroon Baig, Katarina Bös, Christian Brand, Pascal Fedorec, Holger Lehmann, Alexej Sadovnikov, Stefan Schrön und Felix Steingrube) und der Uni Mannheim gewannen mit einer unkonventionellen und überzeugenden Präsentation den Silber Junior beim Junior Agency Award SS 2006. Betreut wurde dieses Projekt von Prof. Kai Beiderwellen und Sandra Krahl. Für Vodafone Mobile TV entwickelten sie eine extravagante Kampagne, die dazu aufruft, sich von alten Konventionen zu befreien und die eigene Couch niederzubrennen (burn your couch). Luise John und Anna Schlecker gewannen mit ihrem Semesterprojekt im Fach Typografie/Editorial Design gleich drei
Auszug aus der preisgekrönten Semesterarbeit von Anna Schlecker und Luise John.
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Auszeichnungen: den wichtigsten österreichischen Designpreis »Joseph-Binder-Award«, den „ADC Nachwuchswettbewerb“ und den »red dot design award«, einer der am meist beachteten Designpreise mit internationaler Reputation. In ihrem Projekt des vierten Semesters setzen sich Anna Schlecker und Luise John spielerisch und ironisch mit den Laut- und Sprechgedichten des österreichischen Lyrikers Ernst Jandl auseinander und nehmen den Leser mit auf eine typografische und experimentelle Entdeckungsreise. Betreut wurde dieses Projekt von Prof. Armin Lindauer. Johannes Brückner gewann mit seiner Diplomarbeit »Globun– One World For Us« neben einem Award beim Corporate Design Preis des Kommunikationsverbandes auch eine besondere Anerkennung beim Lucky Strike Junior Designer Award 2006. Auf einer umfassenden Analyse beruhend ist ein Erscheinungsbild für die Vereinigten Staaten der Welt entstanden. Daniel Schweigmann darf sich Karl-Steinbuch-Stipendiat nennen. Dieses Stipendium fördert junge Vordenker innovativer Projekte an Hochschulen in Baden-Württemberg. (as)
,was los ist
Masters massenhaft Seit dem Sommersemester 2006 hat die Fakultät für Gestaltung ihre eigene Vorlesungsreihe: die Mannheim Masters. Hochkarätige Gastredner aus den Bereichen Design und Werbung, aus Kultur und Politik wurden hierzu eingeladen. Vorträge über designrelevante Themen, aber auch der Blick über den Horizont der Kommunikationsbranche hinaus, weckten das Interesse vieler Studenten. Den Anfang machte im vergangenen Jahr Ravin Metha, Leiter der Agentursparte der Pixelpark AG. Er sprach über die Bedeutung von Multi-Channel-Strategien in der Kundenkommunikation. »Der Künstler macht was er will, der Designer will was er macht.« Prof. Kurt Weidemann
Dr. Heiner Geissler stellte seinen Ansatz einer „geordneten Marktwirtschaft“ vor. „Substanz unserer Gesellschaft ist – jenseits aller Gefühlsduselei – die Pflicht, denen zu helfen, die in Not sind.“ mahnte er. Alessio Leonardi erzählte die wahre Geschichte des Schreibens. Mehr zum Thema sowie ein Interview mit ihm sind ab Seite 30 nachzulesen. Einer der profiliertesten grafischen Gestalter weltweit, Hans Hillmann, gab Einblicke in die Entstehung seiner Arbeiten und plauderte über die Zeit, als Plakatkunst einen Stellenwert wie Fernsehen oder Internet hatte. »Der Künstler macht was er will, der Designer will was er macht ...« so beschrieb Prof. Kurt Weidemann, einer der führenden Typografen und Designer Europas (und eine lebende Legende), die Aufgabe des Gestalters. Sein Dia-Vortrag »wahr nehmen – ideen finden – gestalt geben«, der ursprünglich aus den 60er Jahren stammte, hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Heike van Laak, Leiterin der Pressestelle von Stiftung Warentest, liefert sich regelmäßig stattliche Medienschlachten mit den unterschiedlichsten Persönlichkeiten. Schließlich können die Tests ihres Unternehmens zum Erfolg oder Misserfolg eines Produktes beitragen. Der Unterschied von Mannheim Masters zu anderen Vortragsreihen? Am Besten erklärt in einem Zitat von Walter Dreher: »Ich habe bisher noch nie erlebt, dass nach einem Vortrag so kritisch und ernsthaft diskutiert wurde. Danke für diese Resonanz.« (bp)
@ www.mannheim-masters.de
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,was los ist
SchluriCup 2006 Der Sommer dieses Jahres war dominiert von Geschehnissen rund um den guten Fußball. Was der FIFA ihre Weltmeisterschaft, ist für die Fakultät für Gestaltung der sogenannte »SchluriCup«: Ein fakultätsinternes Fußballturnier, bei dem nicht nur die Studentenschaft, sondern auch die Belegschaft der Mitarbeiter, Dozenten und auch der Professoren dazu aufgerufen ist, ihr Können am Ball zu zeigen.
auch das Fußballturnier, dass Stimmung und Motivation in der Fakultät stimmen. Der Vollständigkeit halber bleibt noch zu erwähnen, dass das jetzige 8. Semester nun bereits zum zweiten Mal in Folge das Turnier gewann, und wer auch immer ihnen im kommenden Sommersemester 2007 diesen Titel streitig machen will, der wahre Sieger ist und bleibt nur einer: der gute Fußball! (pf)
Bereits zum dritten Mal fand diesen Sommer das Turnier statt, welches im Sommersemester 2004 ins Leben gerufen wurde und sich wie auch die Jahre zuvor nicht über mangelnden Einsatz und Akzeptanz der gesamten Fakultät beklagen konnte. Der SchluriCup baut eine Brücke zwischen Studenten und Professoren und bildet wie auch die Jahre zuvor einen gelungenen Abschied in die Semesterferien. Das Turnier ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Fakultät geworden und ist nur eine von vielen Traditionen, welche sich durch das Studium ziehen. Angefangen bei der obligatorischen Erstsemesterparty über Kneipentouren, bis hin zu gemeinsamen wöchentlichen Grillabenden am Rhein zeigt
Personalien Fliegender Wechsel an der Spitze: Pünktlich zum neuen Wintersemester 2006/2007 wurden im Rahmen der Fakultätsratsitzung am 22. Mai 2006 die Fakultäts-Ämter neu besetzt. Als neuer Dekan der Fakultät für Gestaltung wurde Prof. Kai Beiderwellen gewählt, der als bisheriger Leiter des Instituts für interaktive Medien (IAM) bekannt und fest in der Fakultät verankert ist. Seine Amtszeit begann mit dem 01. September 2006. Er löst somit Prof. Hartmut Wöhlbier ab, der nicht zur Wiederwahl kandidierte und nun Prof. Beiderwellens bisheriges Amt übernimmt. Dem Dekan steht von nun an Prof. Axel Kolaschnik als neuer Prodekan zur Seite, welcher seit nunmehr 3 Semestern die Fakultät bereichert. Komplettiert wird das »Triumvirat« durch den alten und neuen Studiendekan Prof. Heinz Wyrwich, der dieses Amt zum wiederholten Mal bekleidet und daneben als Leiter des Instituts für Video/Computeranimation (ZBM) agiert. (pf)
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Dekan Prof. Kai Beiderwellen, Prodekan Prof. Axel Kolaschnik und Studiendekan Prof. Heinz Wyrwich
,was los ist
Coverwettbewerb Zur Gestaltung von Seite 2 und 3 wurde ein hochschulinterner Wettbewerb ausgeschrieben. Der Gewinner heiĂ&#x;t Maximilian Bachmeier und wird auf Seite 54 vorgestellt. Alle weiteren Arbeiten hier auf dieser Seite:
fin.
Christophe Chan Hin, 9. Semester www.incredibul.de
JĂźrgen Schlotter, 8. Semester www.juergenschlotter.de
Martin Burkhardt, 9. Semester www.martinburkhardt.de
Johannes Bayer, 9. Semester www.jotopia.de
Fine Kohl, 3. Semester
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,was raus kommt
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,was raus kommt
Verschrobungspflichtig
Verschroben? Neurotisch? Ă„ngstlich? Kein Grund zur Sorge. Nimm Leonie Brendels Patentpaket zur heiteren Gelassenheit! Eine visuelle Hausapotheke zum Erkennen und Verbannen der eigenen Ă„ngste.
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,was raus kommt
Die Welt ist wunderbar vielseitig und unerschöpflich in ihren Möglichkeiten. An jeder Ecke werden bunt glitzernde Modelle perfekt sitzender Lebenswege angepriesen und die meisten scheinen zu glauben, man müsse sich nur entspannt in eine dieser bequemen Schubladen zurücksinken lassen um glücklich zu werden. Oder ist es doch etwas komplizierter? »Ihr war klar, dass die Menschheit ein Allheilmittel braucht.«
Für Hysteriker: (links, von oben) Akinese, LePalier und ein roter Teppich: Der persönliche Untergrund zum Ausrollen
Leonie Brendel ist eigentlich kein ängstlicher Mensch. Aber das Thema, das jeden Menschen auf der Welt betrifft, fasziniert sie schon, seit sie alt genug für philosophische Betrachtungen ist. Es scheint ihr, als bekämen wir die allgegenwärtige Angst, die stetig an der makellosen Oberfläche unseres Selbstbewusstseins kratzt, nicht so einfach los. Als könnten wir unserer individuellen Freiheit nicht mit dem erforderlichen Witz begegnen, sondern würden wie eh und je ängstlich vor ihr zurückweichen. Ihr war klar, dass die Menschheit ein Allheilmittel braucht. Nun ist die Angst jedoch ein diffuses und schwer zu definierendes Phänomen. Sie kann die Beschreibung vieler Zustände sein und allein durch rationales Kategorisieren ist ihr nicht beizukommen. Jeder Einzelne erlebt seine Angst in der Isolation des eigenen Wesens. Aber wenn der Verstand allein keine Rettung verspricht, muss ihr durch andere Mittel zu Leibe gerückt werden. Inspiriert von Erich Kästners Lyrischer Hausapotheke, die dem »durchschnittlichen Innenleben« gewidmet ist (Erich Kästner: Lyrische Hausapotheke, 20. Auflage, dtv, München 2004, S.5), konstruierte die Gestalterin deshalb ein grafisch-ästhetisches Pendant, das Patentpaket zur heiteren Gelassenheit. Eine Hausapotheke gegen Angst.
Für Zwanghafte: (rechts, von oben) Ordnung, Aller Tage Alltag, und der faltbare Urlaub: Ein Urlaubspanorama mit sechs Metern Länge, zur bedarfsorientierten Anwendung in den eigenen vier Wänden
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Oben, für Hysteriker: La Distance. Ein Weltverkehrer mit Weit- oder Nahsichtoptionen. Unten: Der eins-bis-hundert-Zähler. Zwanghafte Patienten können sich durch Zählen beruhigen. Für schwere Fälle gibt es den Zähler auch bis tausend
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,was raus kommt
Für Schizoide: (oben, groß) Der letzte Halt, ein Notstrick mit Anleitung. (klein, von oben links) Geselliges Surrogat, Lächerlich, eine Anleitung zum Lächeln, Wirklichkeit ist ideal, und Gott, ein Mikrokosmos zum Selberbauen
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,was raus kommt
Um eine höchstmögliche Effizienz zu erreichen, unterteilte sie die Ängstlichkeits-Symptome des Kranken zunächst systematisch in die »vier Grundformen der Angst« des Psychoanalytikers Fritz Riemann (1961): Schizoid, depressiv, zwanghaft und hysterisch. Um nun sowohl den Verstand als auch die Sinne des Patienten einzubinden und ihn in genau abgestimmten Therapien zu eigeninitiativem Handeln zu motivieren, entwickelte sie verschiedene, Orientierung bietende Strukturkonstrukte. Zum Beispiel hilft ein geselliges Surrogat oder ein letzter Halt dem schizoiden Typ gegen seine Angst vor dem Ich-Verlust, ein Liebesdrücker oder ein Glück am Stück heilt die Angst vor der Isolation eines Depressiven. Ein aller Tage Alltag oder ein faltbarer Urlaub therapieren die Angst vor dem Wandel eines zwanghaften Charakters und die Angst vor der Dauer eines hysterischen Typs kann durch die Anwendung einer Akinese (Totstellreflex) oder eines La Distance – eines Weltverkehrers – kuriert werden. Passive Kränkelei wird so gegen gesunden, selbstheilenden Aktivismus eingetauscht. Die Synthese der konträren Momente Leib und Geist kann so genesen und das Individuum findet, dadurch gestärkt, zu heiterer Gelassenheit. In der beeindruckenden Heimausführung erscheint das Patentpaket zur heiteren Gelassenheit als ästhetisch und funktional durchdachtes Medizinschränkchen mit vier Abteilungen (schizoid, depressiv, zwanghaft und hysterisch). Über vierzig Arzneien bieten dem Patienten genügend Raum und Material, sich in Ruhe und mit einem Augenzwinkern mit der eigenen Verschrobenheit auseinanderzusetzen und so einen eigenen, schlüssigen Weg zu einer heiteren und gelassenen Persönlichkeit zu finden. (lb, mn)
Leonie Brendel hat 2006 mit dieser Arbeit ihr Diplom gemacht und inzwischen eine Stelle als Grafikerin beim Heye-Verlag in München angetreten.
Für Depressive: (von oben) Phobiemedikation, Glück am Stück, geborgte Liebe, Dr. Kästners Klugheit zum Mitnehmen. Rechts: Panthalassa, ein Wannen-Urozean zum Anrühren in der Badewanne
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Ein Kurzfilm von Robert Hranitzky • Diplomarbeit, Hochschule Mannheim
ROBERT HRANITZKY UND DER FACHBEREICH GESTALTUNG DER HOCHSCHULE MANNHEIM PRÄSENTIEREN EINE DIPLOMARBEIT EIN COMPUTER ANIMIERTER KURZFILM „DIONA CON CARNE“ MIT DIONAEA MUSCIPULA ALS DIONA CON CARNE UND BUZZZ ALS ER SELBST UND PUKKK ALS ER SELBST ROBERT WURDE BETREUT VON HERR PROFESSOR HEINZ WYRWICH UND HERR PROFESSOR THOMAS DUTTENHÖFER MUSIK JASON A. LEVINE SOUND DESIGN MEDIA MILL MODELLING ROBERT HRANITZKY ANIMATION ROBERT HRANITZKY KOSTÜME GIBTS NICHT CASTING GABS NICHT 3D SOFTWARE MAXON CINEMA4D 2D SOFTWARE ADOBE PHOTOSHOP COMPOSITING ADOBE AFTER EFFECTS SCHNITT FINAL CUT PRO MADE ON A MAC UND EINIGE RENDERSKLAVEN PCS 20
WWW.DIONACONCARNE.DE | WWW.HRANITZKY.COM
,was raus kommt
Der Herr der Fliegen Robert Hranitzky weiĂ&#x;: Ein guter Kurzfilm lebt von der Geschichte, nicht von der benutzten Technik. Trotzdem hat sich der Filmemacher fĂźr seine Abschlussarbeit noch schnell das 3D-Animieren beigebracht.
Die Hauptdarsteller.
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,was raus kommt
Ein postkartenblauer Himmel und seine gezuckerten Schäfchenwolken lassen keinen Zweifel daran, dass hier die Welt noch in Ordnung ist. Es ist später Nachmittag, die Sonne steht schon etwas tiefer und die Schatten fallen lang auf das Haus gegenüber. Zwei Schmeißfliegen, die erste flink und wendig, die zweite dick und dämlich, fliegen, wie Fliegen das eben so machen, durch ein achtlos offen gelassenes Fenster in die Küche. Von Laurel und Hardy über Asterix und Obelix bis zu Harald Schmidt und Herbert Feuerstein: Es ist ein hundert Jahre altes Rezept für gute Geschichten, und wieder einmal schmeckt es wie bei Muttern: Die zwei ungleichen Freunde.
Dass er die entsprechende 3D-Software dafür noch nicht beherrschte, erfüllte ihn mit Respekt, jedoch nicht mit Angst. Denn gerade bei kurzen Trickfilmen liegt das Geheimnis nicht in einer geschliffenen Optik, sondern zu hundert Prozent in der Geschichte. »Die hätten Die Unglaublichen auch als wackelige Knet-Animation drehen können, er wäre trotzdem ein Riesen-Erfolg geworden«, so Robert über sein großes Vorbild, die Pixar Animation-Studios, »denn die Geschichte ist so phänomenal, dass man die Technik gar nicht mehr bemerkt.« Eine wahre Einschätzung, die in Hinblick auf Diona con Carne jedoch nicht extra einer Erwähnung bedarf. Denn hier paart sich eine kleine, aber sehr feine Geschichte mit einem visuellen Finish, das sich keineswegs verstecken muss. Niemand würde hinter dem detailverliebten Set und der flüssigen Animation ein Erstlingswerk vermuten. Im Gegenteil: Seine Erfahrung als Real-Filmer nutzt Robert Hranitzky gekonnt aus und setzt seine Protagonisten durch geschickten Einsatz der virtuellen Kamera in Szene. Damit schafft er dreieinhalb Minuten Flora-versus-Fauna-Action, samt dramatischen Wendungen, Showdown und einem überraschenden Ende.
»Ein hundert Jahre altes Rezept für gute Geschichten. Und wieder einmal schmeckt es wie bei Muttern.«
Pech für die beiden Brummer: Diese Küche ist das Reich von Diona, der fleischfressenden Pflanze und Namenspatronin des Films. Denn Robert Hranitzky hat seine Hausaufgaben gemacht: Interessant wird es immer erst durch einen Konflikt, zum Beispiel durch einen Gegner, einen Schurken. Nur so wird die Geschichte zum Abenteuer. Und dieses kann sich sehen lassen, denn die Venus-Fliegenfalle ist hungrig, aggressiv und erweist sich zudem als erstaunlich mobil. Diona Con Carne ist für Robert mehr als nur seine Diplomarbeit. Es ist die Erfüllung seines lange gehegten Wunsches, einen eigenen computeranimierten Kurzfilm zu drehen.
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Original und Fälschung: Alle Charaktere sind von der Natur inspiriert und für den Film leicht verändert worden. Die Fliegen schillern grün, sind aber zu Vierbeinern mutiert. Das »Maul« der Pflanze entspricht dem Vorbild, der Stengel ist dagegen ein Phantasieprodukt
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Liebevolle Details beleben die stilsichere Sechziger-Jahre-Küche. Die Pflanze auf dem kleinen Eckregal ist mit Diona identisch – bis auf den Stengel und Kopf
Bis zu zwölf Compositing-Ebenen verbergen sich zwischen dem 3D-Modell und dem fertigen Film-Bild
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,was raus kommt
An dieser Stelle wäre eine sehr gute Arbeit bereits erreicht und in Ordnung, wenn sich der Regisseur mit »nur« sehr guten Ergebnissen zufrieden geben würde. Es sind jedoch Adjektive wie brillant oder perfekt, die eine Arbeit zieren, wenn der Autor die kleinen schmückenden Details der Kür mit derselben Hingabe betreut, die er bereits der Pflicht angedeihen ließ. Robert Hranitzki ist es gelungen, mit dem amerikanischen Musiker Jason A. Levine einen virtuosen Pianisten für die Komposition eines eigenen Themas zu gewinnen. Die jazzige Filmmusik fängt die Stimmung des späten Nachmittags ein und verleiht der Produktion eine zusätzliche Coolness, die mit optischen Mitteln allein nicht hätte erreicht werden können. Auch für die Vertonung der Geräusche und Effekte gab Robert seinen Film in professionelle Hände. Das britische Sounddesign-Studio Media Mill ergänzt die Geschichte bis in die letzte Tonspur um charmante Details. So summen die beiden Fliegen zum Beispiel mit dem unnachahmlich vertrauten Geräusch eines Kazoos, dieser kleinen Membran-Tröte, die in keinem Kinderzimmer fehlen darf. Zu guter Letzt hat Robert Hranitzky um seinen Film herum eine Welt von Extras geschaffen, die seine Liebe zum Film nur allzu deutlich dokumentieren: Filmplakate, Teaser und Trailer, eine professionelle DVD mit allen erdenklichen Extras, ein Making-Of, das die Entstehung des Films vom Modellieren der Charaktere mit Fimo-Knete bis zum finalen Compositing begleitet, furiose Outtakes, die die »Pannen« am Set dokumentieren und einen zusätzlichen Kurz-Kurzfilm, in dem verraten wird, wie die Charaktere ihr Weihnachtsfest verbringen. Der Redaktion bleibt jedenfalls die Spucke weg und nur ein mögliches Fazit: Fünf von fünf Fliegenklatschen für dieses filmische Meisterwerk. (mn)
Robert Hranitzky arbeitet bereits seit seiner Studienzeit als freier MotionGraphics Designer in Mannheim und München.
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,was rein kommt
Prof. Veruschka Götz ist Gestalterin, Autorin und Liebhaberin von schönen Büchern. Nach ihrem Gestaltungs-Studium an der HfG Schwäbisch Gmünd arbeitete sie an der Umgestaltung der Corporate Identity der Deutschen Postbank mit – das Team wurde dafür mit dem Deutschen CI-Preis belohnt. Später gründete sie den international agierenden Verlag Berlin Press Verlags-GmbH & CoKG
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,was rein kommt
Die Typo-Terroristin Prof. Veruschka Götz ist das neue Gesicht an der Fakultät. Als Nachfolgerin des legendären Hagen Kayser lehrt sie typografische Grundlagen mit Schweizer Präzision. Frau Götz, wie fühlen Sie sich nach den ersten zwei Monaten an der Hochschule Mannheim? Veruschka Götz: Ich fühle mich sehr wohl hier. Vor allem, weil die Hochschule im Vergleich zu den anderen, die ich kenne, ganz hervorragend ausgestattet ist. Das bezieht sich auf alles, wie zum Beispiel auf die Bibliothek. Die Druckwerkstatt hat mir auch sehr gut gefallen, die ist vor allem sehr aufgeräumt. Ja, und die Computerpools sind, glaube ich, einzigartig. Sowas habe ich bisher jedenfalls noch nicht gesehen. Wenn Sie so professionelle Arbeitsbedingungen haben, dann beflügelt einen das natürlich auch, mit seiner Lehre weitfassender zu werden. Was hat Sie an der HS Mannheim besonders interessiert? Ich habe die Stellenausschreibung gelesen und war natürlich neugierig, weil sie haargenau mein Fach getroffen hat: Grundlagen der Gestaltung und vor allem Typografie. Typografie ist meine große Leidenschaft, das hat einfach gepasst. Dazu kommt noch, dass ich ursprünglich aus Frankfurt komme und mir die Gegend hier nicht ganz unbekannt ist. War Ihnen die Hochschule Mannheim schon vorher ein Begriff? Ja, ich habe an der HfG Schwäbisch Gmünd studiert, und da spricht man natürlich auch über die Nachbarschulen, Konstanz zum Beispiel oder eben Mannheim. Insofern war mir die Hochschule schon bekannt und kurz bevor ich hier angefangen habe, ging ihr auch der Ruf voraus, sie hätte diese sehr gute technische Ausstattung. Außerdem hat jede Hochschule ihre eigene Ausrichtung, ihre Philosophie. In Schwäbisch Gmünd hat man sich der HfG Ulm und ihrer Lehre sehr verbunden gefühlt und – das ist jetzt eine ganz gewagte These – ich glaube, dass die HfG Ulm, die HfG Schwäbisch Gmünd und die HS Mannheim so weit nicht auseinander sind. Die Ulmer Schule ist hier nicht ganz unumstritten... Sehen Sie, es gibt ja auch Hochschulen, die eher einen Akademie-Charakter haben. Dort würde ich von meiner Auffassung her, was Gestaltung ist, nicht herein passen. In Essen zum Beispiel, denkt niemand über ein Raster nach. Dort steht vielmehr eine künstlerische Geste im Vordergrund. Die Studenten haben die Schwerpunkte Typografie und Illustration und man merkt es denen, die von der Illustration kommen daran an, dass sie immer den Pinsel in der Hand haben. Die kommen damit natürlich auch in Schwierigkeiten, wenn sie etwa erklären müssen, warum dieser oder jener Strich hier drei Millimeter breit ist, und da plötzlich einen Zentimeter.
Für mich ist der Gestalter aber ein sachlich logisch denkender Mensch, der unter emotional-ästhetischen Gesichtspunkten entsprechende Lösungen für seine Umgebung findet. Und ich sehe Mannheim eher in dieser Linie. Ich denke, so gewagt ist Ihre These damit gar nicht. Welchen Eindruck machen Ihre Studenten bisher auf Sie? Die gefallen mir sehr gut. Hier sind alle sehr wach, auch sehr neugierig und das ist natürlich das Wichtigste. Am schlimmsten ist ja, wenn man als Dozentin so einen drögen Haufen vor sich hat. Zu Anfang hatte ich noch das Gefühl, dass einige ein bisschen schüchtern sind, aber das liegt natürlich daran, dass ich die ersten zwei Semester unterrichte. Für die verändert sich gerade sehr viel. Inzwischen wird es richtig lustig und es bricht auf. Jetzt fängt alles an zu greifen, das macht großen Spaß. Im Gegensatz zu Ihren Erfahrungen mit älteren Studenten? Tja, es hat auf jeden Fall auch Vorteile, dass meine Studenten so jung sind: Wenn ich das mal mit meinen Kursen in Berlin vergleiche, dort hatte ich oft Studenten, die vierzig und älter waren. Die kamen mit ihrer Lebenserfahrung herein und hatten sich oft bereits in ihren eigenen ästhetischen Vorstellungen fest gefahren. Meine Studenten hier haben das noch nicht, dadurch kann ich sie auch noch richtig begeistern. Ich liebe es auch, Studenten zu irritieren und zu provozieren, weil da wirklich noch etwas passiert. Das kann man bei älteren Menschen weniger, denn die haben ihren Weg schon gefunden. Wie provozieren Sie Ihre Studenten? Ach..... Ich sags auch nicht weiter... Nein, nein, (lacht) das kann gerne geschrieben werden, das ist einer meiner Lieblingssätze. Den hat irgendjemand anders mal gesagt, aber Alexander Kluge, der Filmemacher und Autor, hat ihn wieder aufgenommen: »In größter Gefahr und Not bringt der Mittelweg den Tod«. Studenten versuchen oft, schöne und gefällige Entwürfe zu machen, anstatt mal richtig an die Grenzen zu gehen, einfach mal zu probieren, was geht, was man noch machen kann. Dieses Experiment muss nicht perfekt sein, es muss nur konzeptionell anders gedacht sein. Die Perfektion kommt dann, wenn man daran weiter macht. Aber ich finde es sehr wichtig, auch für andere Studiengänge, dass man nicht irgendwie alles lernt und zusieht, dass man dann bei einer braven Zwei landet oder so.
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,was rein kommt
Was die Grundlagen der Gestaltung angeht, wofür möchten Sie die Studenten am meisten sensibilisieren? Ich möchte die Studenten vor allem dahin gehend sensibilisieren, dass sie lernen zu sehen. Das ist einmal die Wahrnehmung, die ich fördern will und zum anderen möchte ich die Studenten gerne zu einem kritischen Urteilsvermögen erziehen. Wenn sie etwas sehen, dann will ich nicht hören: »find ich schön« oder »gefällt mir, gefällt mir nicht«, sondern ich möchte, dass dafür auch Argumente vorliegen. Auch immer in Anbetracht der Zielgruppe. Wir sind Kommunikationsdesigner, das heißt, wir treten in Kommunikation mit unserer Gesellschaft. Ein Buch mit übergroßer Schrift sieht vielleicht nicht besonders schön aus, wenn es sich aber an Menschen über siebzig oder unter sieben richtet, dann hat das natürlich seinen Sinn. Ich muss also soziologisch immer wissen, mit wem ich es zu tun habe, damit ich argumentativ die Gestaltungsparameter Form, Farbe, Fläche, Typografie und Dramaturgie kritisch einschätzen kann. Neben dem Nutzen und der reinen Lesbarkeit: Wie sieht es mit der Ästhetik der Typografie aus? Das Spiel mit den reinen Buchstabenformen, kann man das als Student bei Ihnen auch mitkriegen, Sie darauf ansprechen? Ich denke zum Beispiel an typografische Plakate, wo eher die Formen im Vordergrund stehen, als der textliche Inhalt oder die Lesbarkeit. Das ist ein ganz interessantes Thema, was Sie da ansprechen. Es gibt ja das Sprichwort »ein Bild sagt mehr, als tausend Worte«. Da bin ich als Typograf natürlich erstmal zurückgeworfen. Aber ich kann mit einer typografischen Lösung oft sehr viel mehr Aufruhr erzeugen, als wenn ich ein Bild verwende, denn wir sind es so gewohnt, überall Bilder zu sehen. Man muss die Typografie natürlich verstanden haben, man muss wissen, welche Schrift für welchen Zweck geeignet ist. Das ist übrigens auch eins meiner zentralen Themen, denn die Atmosphäre einer Schrift schwingt immer mit, und die meisten Leute können sich das gar nicht erklären: Sie sehen die Wirkung der Schrift, können sie aber nicht beschreiben, wie und warum sie wirkt. Der Typograf weiß ganz genau, warum das so ist. Er kann sich die Wirkung wissenschaftlich und empirisch erklären. Dazu kommt noch, dass ich die Buchstaben, weil ich sie wirklich sehr liebe, versuche, in andere Zusammenhänge zu bringen. Zum Beispiel? Zum Beispiel habe ich jetzt für mich einige Experimente gestartet, bei denen ich Musikclips drehe, aber rein mit Buchstaben. Wenn Sie MTV gucken, dann sehen Sie meist fünf Girls, die für ein paar Wochen ins Fitnessstudio gesperrt wurden und dann immer die gleichen Handbewegungen machen, ich finde, das kann man nicht mehr sehen! Es gibt sehr wenige spannende Musikanimationen, und ich versuche das eben mit
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den Buchstaben, um den Buchstaben mal einen Raum zu geben. Ich nenne sie dabei auch Raumstaben. Das sind alles noch Experimente, die sich mit Hilfe der Musik sehr anbieten. Mit der Musik kann man eben Dramaturgien sehr exakt bauen oder sich vom Rhythmus tragen lassen. Ich habe aber auch vor, diese Experimente später in sinnvolle Anwendungen zu stellen. Man könnte das zum Beispiel zum Erlernen von Buchstaben einsetzten. Ich denke zum Beispiel an Japaner, die nach Europa kommen und die lateinische Schrift noch nicht so gut beherrschen. In einem Selbstexperiment habe ich mal für ein Jahr angefangen, Arabisch zu lernen. Es interessierte mich als Typograf, wie man ein Alphabet neu erlernt, und ich suchte eine Sprache, deren Alphabet sich mir völlig verschließt. Das arabische Alphabet müssen Sie praktisch gleich vier mal lernen, denn es ist ein Unterschied, ob ein Buchstabe allein steht, am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Wortes. Von der Schwierigkeit der Knacklaute mal ganz zu schweigen. Jedenfalls habe ich vor, in nächster Zeit mal in diese Richtung weiter zu denken. Planen Sie diese Experimente auch hier an der Hochschule oder nur im privaten Bereich? Ich mache das erstmal privat. Später, wenn ein Licht am Ende des Tunnels ersichtlich ist, dann kann ich das vielleicht in die Hochschule einbringen. Bis dahin ist es bei den Grundlagen erst einmal wichtig, dass die alten Regelwerke sitzen und das Vokabular stimmt. Das ist für mich das Rüstzeug, was dazu führen soll, dass man dann geschmeidig mit ganz neuartigen Lösungen kommen kann. Später kann ich mir schon vorstellen, dass wir Seminare oder Workshops machen, die mal das alte Regelwerk, das Buch und das Papier verlassen und die neuen Medien ganz gezielt einsetzen. Die entdecken, was im digitalen Bereich alles möglich ist und die alte Schule der Typografie in das neue Medium übertragen. Was machen Sie, wenn Sie nicht dozieren oder experimentieren? Nun ja, es gibt ja Leute, die gehen nach der Arbeit nach Hause und legen sich in die Sonne. Das bin ich nicht. Ich glaube, man ist Gestalter aus Leidenschaft, und bei mir ist es so, dass ich eine unglaubliche Freude daran habe, alles, was ich weiß, an Studenten weiter zu geben, an jemanden, der interessiert und wachsam ist. Wenn ich nach Hause komme, muss ich mich immer erst kurz erholen, dass ist klar, denn Studenten können ja auch was Parasitäres haben. Die können einen ziemlich aussaugen! Alles, was man weiß, ist dann weg, und man muss sich erstmal wieder sammeln. Aber dann geht es gleich weiter. Ich sitze oft bis zwei Uhr nachts an meinen Typo-Experimenten und merke nicht, wie die Zeit verfliegt, weil ich so von einem Thema vereinnahmt werde. Ich habe auch wieder angefangen, ein Buch über Typografie zu schreiben, das Thema be-
,was rein kommt
schäftigt mich also mehr oder weniger vierundzwanzig Stunden am Tag. Was sagen Sie wenn sie nach ihrem Beruf gefragt werden? (lacht) Niemals Designer! Ich verstehe mich als Gestalterin. Manchmal nenne ich mich auch Typoingenieur, denn es gehört ja, wie gesagt, sehr viel Planung dazu, wenn man einen guten Entwurf macht. Auch sehr viel Muße und Esprit, das ist klar, aber für mich gilt in erster Linie, dass ich mich, bevor ich mit einem Entwurf beginne, hinsetze und zum Beispiel überlege, was es kosten darf.
»Ich liebe es auch, Studenten zu irritieren und zu provozieren«
Veruschka Götz verfasste einige in mehrere Sprachen übersetzte Bücher zum Thema Typografie und gründete in Berlin ein Designbüro für gute Typografie
In diesem Rahmen konzipierte und gestaltete sie Digital- und Print-Werke für Kunden wie den DGB, die Rowohlt Verlage, AVA Publishing Ltd., den Verlag Vorwerk 8 und viele andere
Da müssen Sie manchmal sehr kreativ sein. Aber dafür ist es eben wichtig, im Vorfeld alle Parameter abzustecken: Was darf ich machen, was darf es kosten, wie groß darf es sein, mit wem habe ich es eigentlich zu tun? Stichwort Soziologie: Wie schräg kann ich werden, wie experimentell kann ich werden und so weiter. Ich habe meinen Grundlagenunterricht zwar schon hinter mir, aber ist das nicht alles selbstverständlich? Nein, das wird nicht überall so gesehen. Ich habe lange in London gearbeitet, und gerade in England setzt sich niemand vorher hin. Mir wurde das auch gerne zum Vorwurf gemacht. »No german mould!« hieß es immer, nicht wieder so intellektuell da sitzen und sich alles überlegen, einfach machen! Wenn man aber einfach anfängt, dann muss man viel zu viel probieren, bis man endlich das Richtige findet. Wenn ich genau weiß, was ich tu, kann ich später auch erklären, warum das so ist. Das Ding muss ja funktionieren. Dazu kann ich noch eine kleine Anekdote erzählen: Ich war eine Zeit lang auch sehr häufig in Frankreich zu Vorträgen eingeladen, (lacht) es gab einen ganzen Fanclub in Frankreich, die mich immer wieder eingeladen haben. Auch die machten es genau anders herum, indem sie einfach drauf los gestalteten, und ich sagte dann: »Habt ihr an die Zeilenlängen, habt ihr an dies und habt ihr an das gedacht?« Irgendwann haben mich die Franzosen dann »Partisanin der Struktur und der Methode« und »Typoterroristin« genannt. Das habe ich aufgegriffen und daraufhin aus Scherz meine Email-Adresse in »Typoterror« umbenannt, um so mit den Franzosen zu kommunizieren. Daran hatten sie ihre helle Freude. Einige Zeit später bekam ich eine Anfrage von einem amerikanischen Verleger, ob ich nicht seine gesamten Buchserien in Form bringen könne. Was natürlich ein Traumauftrag für jeden Gestalter ist, so wie Willi Fleckhaus für Suhrkamp zu arbeiten. Ich habe dem Verleger zurückgeschrieben und er hat mir nicht geantwortet. Darauf habe ich ihn angerufen
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und er sagte: »I‘m not talking to you anymore!« Das mit dem Terror fand er wohl überhaupt nicht komisch und fühlte sich wirklich auf den Schlips getreten. Tja, da hatte ich den Auftrag eben verloren. Und die Franzosen mochten Sie trotz Ihres Typoterror-Regimes? Umso mehr. Die Franzosen mögen ja gerne diese (spricht betont weich) weichen, geschwungenen Schreibschriften. Die »Studenten können ja auch was Parasitäres haben. Die können einen ziemlich aussaugen!«
Ladenschilder in Paris zum Beispiel sind oft hell, türkis, violett und dann mit einer goldenen, geschwungenen Schrift bedruckt, das ist für uns total fremd. Wenn die Franzosen dann mal bei mir in Berlin waren, sagten sie: »Hier ist alles geschweizert, das ist ja unglaublich! Ihr seid so nüchtern, ihr seid so deutsch!« Aber es hat ihnen sehr gefallen, dass ich das Deutsche dort so kultiviert habe: Man denkt erst nach, dann macht man dieses, dann jenes und dann kommt man darauf, dass man doch die Helvetica nimmt. Die Helvetica gilt immer als die Schrift der Einfallslosen, aber ich finde die Helvetica großartig. Mit jeder anderen Schrift habe ich deren Ausdruck sofort im Vordergrund und die Helvetica hält sich da sehr zurück. Weil sie gar keinen Ausdruck hat? Ja, deshalb kommt es auf die Komposition an, die viel mehr zur Geltung kommen kann. Das finde ich so spannend an der Helvetica, deshalb komme ich gerne immer wieder auf die Helvetica zurück, obwohl sie als so einfallslos bezeichnet wird. Zu Unrecht, denn es kommt darauf an, was man mit ihr macht. Je mehr man kompositorisch drauf hat, desto besser wirkt sie dann auch. Das nur nebenbei. Bei welcher Schrift kommt Ihnen das Mittagessen hoch? Remedy! Die wird oft für Kinder... die ist so schrecklich. Ich mag diese Gimmik-Schriften nicht, da kommt mir wirklich das Würgen! Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Die bekannteste Reihe des Berlin Press Verlags ist Rejected Die beste abgelehnte Werbung. Sie zeigt abgelehnte Kampagnen aus der ganzen Welt und Texte, die sich mit dem Hintergrund von Entscheidungsprozessen auseinandersetzen
Das Interview führte Moritz Nolting
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Licht im Schacht Kerstin Correll betritt unerforschtes Terrain und bringt Licht ins Dunkel der intimsten Weiblichkeit. Schamlos! Es war ja vorher schon alles definiert: Die Abschlussarbeit von Kerstin Correll sollte Spaß machen. Sie sollte ganz persönlich sein, aber Interesse auch bei möglichst jedem anderen wecken. Sie sollte noch nie da gewesen sein, für Aufsehen sorgen, zum Sehen, Fühlen, aber auch zum Denken anregen. Soweit die Voraussetzungen, so gut. An dieser Stelle sind es gerne die so genannten Schnapsideen, die Kerstin einen Schritt weiter bringen. Genauer gesagt sind es meistens Cuba-Libre-Ideen. So wie die, als Diplomarbeit ein Buch über Mösen zu schreiben. Voilà, da war sie! Verzeihung, Ihnen ist das Wort Möse zu ordinär? Aber Vagina doch auch zu klinisch? Scheide? Ganz wie Sie wollen, aber vor allem müssen Sie sich trauen, es auszusprechen, denn Sie sind hier in der uralten, mystifizierten, unterdrückten, glorifizierten, verleumdeten, versteckten, kommerzialisierten, aber immer wieder wunderbaren Welt des weiblichen Geschlechts.
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Vom Affen bis zur Aubergine, mal assoziativ, mal explizit. Die Bilder überraschen mit Offenheit und durch ungewohnte Ansichten des Alltäglichen
Obwohl es größtenteils spaßig ist, macht das Buch auch vor ernsten Themen nicht halt. Das Kapitel über die Beschneidung von jungen Mädchen lässt einem das Blut stocken
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Nachdem das Thema auch am nächsten Morgen einer nüchternen Betrachtung standhalten konnte, machte sich Kerstin daran, alles über das geheimnisvolle Wesen unter dem Venushügel zu erfahren. Sie verschaffte sich einen Überblick über ein paar tausend Jahre Kult und Kultur, las alles von Porno bis Adorno und begann, ihr Wissen niederzuschreiben. Das Ergebnis ist schamlos, heißt Schamlos und enthält nicht weniger als 228 Namen für die Namenlose. So viele, dass sich kein einziger wiederholt. Verpackt in das weiche, schmeichelnde Polster einer (fast) naturgetreuen Nachbildung erfährt der Leser auf gut hundert Seiten alles, was er oder sie bisher nicht zu fragen wagte. Begleitet von teils assoziativen, teils unverkrampft ehrlichen, in jedem Fall aber überraschenden Fotos und Illustrationen begibt man sich auf eine Reise ins Innerste. Man begegnet reiner Anatomie, Vergötterung oder Verspieltheit, aber auch grausamer Verstümmelung. Medizinische Fakten paaren sich mit Trivia, modernes Wissen mit uralter Spiritualität. »Nicht weniger als 228 Namen für die Namenlose. So viele, dass sich kein einziger wiederholt.«
Schamlos ist keineswegs ein Buch nur für Frauen geworden. Es ist auch kein Lehrbuch, betreibt keine Aufklärung, keinen Feminismus und ist weder esoterisch noch rein wissenschaftlich. Es ist von allem etwas und damit einzigartig, und es lässt jedem Leser den Freiraum, selbst zu entdecken, was er bisher nicht kannte. (mn) Kerstin Correll ist 24 Jahre jung und hat 2005 mit dieser Arbeit ihr Diplom mit Bestnote bestanden. Zur Zeit arbeitet sie als Junior Art Director bei Ogilvy Healthworld in Frankfurt/Main.
Auszug aus dem Kapitel Business as usual […] In frühen Zeiten bildeten sich drei Arten der Prostitution heraus, die gewerbsmäßige, die religiöse und die gastliche. Diese besonders herzliche Art der Gastfreundschaft ist bei einigen orientalischen Völkern nachzuweisen. Der Hausherr überließ seine älteste Tochter oder seine Frau dem Gast. Lehnte dieser ab, so wurde es als schwere Beleidigung dem Gastgeber gegenüber empfunden. Bis ins Mittelalter fanden sich ähnliche Sitten: Das Burgfräulein gab dem Ritter, der in ihrer zugigen Burg rastete, eine heiße Bettgenossin. Die religiöse Prostitution kannten unter anderem die alten Syrer, Phönizier und Assyrer. Dort wurde es von den Mädchen als Bürgerpflicht erwartet, sich im Tempel den Fremden hinzugeben. Das dabei eingenommene Geld kam dem Tempelschatz zugute. Der Phallusdienst der Griechen war wie der Venuskult der Römer oft mit umfangreichen Orgien verbunden. In Indien galt es als Ehre für junge Mädchen, sich dem Priester als Stellvertreter der Gottheit hingeben zu dürfen. Darüber hinaus trieben es Frauen natürlich auch immer gewerbsmäßig. Freudenmädchen, die sich an Handelsstraßen verkauften, gab es schon Jahrtausende vor der Erfindung des Wohnwagens. Die Hetären von Athen verkauften ihr bestes Stück so gut und teuer, dass sie zu großem Geld kamen. […] Heute erfüllen Sexarbeiterinnen alle Wünsche ihrer Kunden und sind dabei wahren Höchstleistungen ausgesetzt. Henry Miller schreibt in seinem Roman »Opus Pistorum« über eine Hure: »Eine Armee ist zwischen ihren Beinen durchmarschiert… Eine ungezählte, namenlose und halbvergessene Armee.« Eine ganze Armee am Tag schaffen Frauen heute beim Sex-Marathon. Die Gewinnerin ist diejenige, die die meisten Männer befriedigt. Unter großem Publikum und vor laufenden Fernsehkameras erkämpfen sie sich so einen Platz im Guinnessbuch.
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Guter Käse Good Type needs good cheese, erfährt man auf der Website von Alessio Leonardi. Das und mehr wollten wir uns genauer erklären lassen.
Ein Gesicht, das man sich unbedingt merken sollte: Alessio Leonardis offizielles Pressefoto
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Herr Leonardi, Warum braucht gute Schrift einen guten Käse? Alessio Leonardi: Das ist etwas, dass schon vor Jahren Wallace & Gromit ganz gut verstanden hatten: Als sie plötzlich ohne Käse zu Hause blieben, war denen klar, dass sie auf den Mond reisen mussten. Sie bauten eine Rakete und fuhren los. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr Stil bei einigen Ihrer Kollegen für Aufsehen gesorgt hat. Wurden Sie, als Sie noch neu waren in Deutschland, eher bewundert oder belächelt? Beachtet zu werden ist entscheidend, egal ob man belächelt oder bewundert wird. Auf jedem Fall: Mir war immer nur die Meinung meiner Mutter wichtig. Ihre Schriften und Illustrationen erwecken meist einen freien und sehr entspannten Eindruck. Sie haben aber durchaus auch Erscheinungsbilder für nicht ganz so freie Unternehmen wie Schering entworfen. Konnten Sie bei solchen Gelegenheiten trotzdem ihren Stil mit einfließen lassen? Ich habe keinen Stil in dem Sinn. Ich bin ein Designer, ich arbeite nach meiner Methode, nicht nach Klischees. Mein Job ist es, eine Lösung für die Kommunikationsanforderungen meiner Kunden zu finden, eine, die zu ihnen passt. Ich würde nie im Traum jemand anderem mein eigenes Erscheinungsbild verpassen. Gibt es dann überhaupt eine Diskrepanz zwischen Ihrer künstlerischen Freiheit und dem, was der Markt verlangt? Wenn ja, wie gehen Sie damit um? Meine künstlerische Freiheit ist etwas, das nur existieren kann, wenn ich meine Rechnungen bezahlt habe: Das wird vom Markt verlangt. Heute eine Satzschrift zu gestalten, die in der Masse positiv auffällt, scheint mehr als schwierig zu sein. Was würden Sie einem jungen Schriften-Erfinder raten? Ich würde ihr oder ihm sagen, denk nicht daran, was auffallen könnte. Mach einfach, was Du für richtig und schön hältst. Zu überlegen, was andere vielleicht interessant finden könnten, ist Zeitverschwendung. Wenn man mit dem Gestalten von Schriften nach Ruhm und Anerkennung sucht, bei wem sollte man abgucken? Ich glaube, im Vatikan suchen sie noch einen Hofschriftentwerfer...
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Wir können von hier nur bis zur Schweiz sehen, dann kommen die Berge. Wie sieht die Typografische Landschaft in Italien aus? Ja, wenn Sie die Berge sehen können, dann sehen Sie bestimmt auch Albert Pinggera, der wohnt da und ist auch ziemlich gross. Weiter unten finden Sie Fabrizio Schiavi, oder meinen alten Freund Piero De Macchi. Und ja, noch die Elena, aber die wohnt hier in Berlin. Luciano, der ist eher ein Theoretiker, und Claudio, Paolo, naja, es gibt schon einige, die etwas machen, aber was wollten Sie wissen? Ob es eine Italotypo gibt? Ja, ein bisschen unterentwickelt, aber senkrecht starting. Hatten Sie denn Erfolg dabei, die ultimative italienische Typo zu entwerfen? Der Erfolg war überwältigend. Wir haben, aber und leider, gar keine Schriften verkauft. Erklären Sie doch kurz, was es mit Ihrem Projekt „Fontology“ auf sich hatte. Fontology war die ultimative Antwort auf Scientology: die wollen – und es scheint zu klappen – viel Geld machen mit der Dummheit der Leute, die alles zu glauben scheinen, was denen erzählt wird. Hauptsache, man wird reich und kann sich das Geld im nächsten Leben mitnehmen. Wir dagegen, wollten nur Schriften verkaufen, ohne grosse Versprechungen: Das war wohl der falschen Marketingansatz. Gut möglich. Sie schreiben auch, es sei Ihr Ziel, mit dem Verkauf von Schriften reich zu werden, um danach keine Schriften mehr verkaufen zu müssen. Wie läuft der Plan so? Wenn ich das verraten würde, wäre das gesamte Projekt gefährdet. Je weniger darüber bekannt wird, desto höher ist die Möglichkeit, dass es gut läuft. Was denken Sie, wenn Ihnen eine Ihrer Schriften unerwartet in der freien Natur begegnet? Da denke ich: habe ich den Kühlschrank zu Hause offen gelassen? Was war die schönste oder die schlimmste Anwendung, die Sie gesehen haben? Die schönste: Eine Werbung für Bratwürste. Die schlimmste: Eine Werbung für Bratwürste. In welcher Schrift würden Sie dieses Interview später gerne lesen? Ich weiss nicht, ob ich dieses Interview nachlesen möchte, aber wenn schon, dann in Ugulla Biloma Kursiv. Wir wissen, es gibt keine schlechten Schriften... aber eine können Sie bestimmt auch nicht ab. Welche? Ich kann die Rotis überhaupt nicht leiden: Wenn ich sie sehe, dann bekomme ich Hautanschläge, es juckt nich hinter den Ohren und ich kriege panische Ängste, Architekt genannt zu werden. Ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Nichts zu danken, ich hatte sowieso nichts anderes zu tun.
Alessio Leonardi ist nicht nur ein begnadeter Grafikdesigner und Typograf, sondern auch Buchautor. Im Rahmen der Vortragsreihe »Mannheim Masters« stellte er am 4. April 2006 sein Erstlingswerk »from the cow to the typewriter« vor. Thema des Buches ist die Geschichte des Schreibens, ungewöhnlich betrachtet aus der Perspektive Gottes, der Wissenschaft und des Autors. Erik Spiekermann hat Alessio Leonardi zu seinem Nachfolger für die Moderation der jährlichen Designkonferenz Typo Berlin auserkoren.
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Das Interview führte Moritz Nolting
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Männer im Wald Benedikt Kuhn, Alexej Sadovnikov und Kjetil Dahlhaus entstauben ein unterschätztes Traditionsgetränk. Sie erreichen dabei Erstaunliches.
Was machen drei Männer im Wald? Die Ausgangssituation war ein Kurs, in dessen Verlauf sich die Studenten zu Gruppen zusammenfinden und Agenturen gründen sollten. Ziel war es, einer selbst gewählten realen Firma oder einem Produkt eine neue Werbekampagne, ein neues Marketingkonzept oder sogar ein ganz neues Auftreten auf den Leib zu konzipieren. Da waren brave Blumen- und Drogeriemarktketten, Fluggesellschaften, Bekleidungshersteller und Menschenrechtsorganisationen zu sehen. Und es gab diese drei Männer, die sich den Namen Zündkopf gaben und sich nicht schämten, als das Produkt ihrer Wahl den Ebbelwoi, zu Deutsch Apfelwein, vorzuschlagen. Zum reinen Vergnügen, wie viele vermuteten. Erzählungen von saufseligen Brainstormings und feuchtfröhlichen
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Recherche-Ausflügen in die verschieden Keltereien machten schnell die Runde und ließen so manchen Kommilitonen stark an den ernsthaften Absichten der Agentur Zündkopf zweifeln. Wie sehr man sich doch täuschen kann! Alexej Sadovnikov, Benedikt Kuhn und Kjetil Dahlhaus wussten genau, was sie taten. Sie erstellten ein Profil des Apfelweins an sich und entdeckten viele Probleme, die diesem Produkt anhaften. Verstaubtes Image, gewöhnungsbedürftiger Geschmack, begrenzte Verbreitung, um nur ein paar zu nennen. Zeitgleich fanden Sie eine kleine Kelterei im verschlafenen Odenwald, die den Marktführern bisher nichts entgegenzusetzen hatte und daher für eine Umsetzung der neuen Ideen besonders geeignet schien: Dölp.
Benedikt Kuhn (links, 27) ist gelernter Mediengestalter und studiert im sechsten Semester. Seit 2002 betreibt er sein privates Designb端ro qn-Design. Alexej Sadovnikov (mitte, 27) und Kjetil Dahlhaus (rechts, 27) sind beide im neunten Semster und werden noch in diesem Sommer ihre Diplomarbeiten beginnen.
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Das Sprühen auf privaten Flächen sowie Flächen öffentlichen Eigentums ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Eigentümer gestattet. Bei Zuwiderhandlung übernehmen wir keine Haftung. Hinweis auf der DölpSprühschablone
Der Charakter des Handgemachten zieht sich mit dem Schablonenstil durch das neue Erscheinungsbild der Marke. Das selbstbewusst platzierte Logo und der stilisierte Bembel sorgen für einen hohen Wiedererkennungswert, die kräftigen Farben machen die vier Mixgetränke unterscheidbar
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Parallel zu dem zeitgemäßen Re-Design eines alten Logos der Marke und einer geschickten Neupositionierung der Produkte erklärte die Gruppe kurzerhand alle Nachteile und Schwächen des Apfelweins zu Stärken. Der Geschmack ist ungewohnt? Das ist einzigartig, ein Alleinstellungsmerkmal. Das Image ist altbacken? Sie nennen es Entschleunigung und sehen Kultpotential unter jungen Konsumenten. Apfelwein ist ein regionales Getränk und nicht wie Bier und Wein überall zu haben? Damit lässt sich Lokal-Patriotismus fördern. Mit diesen Gedanken im Zündkopf formten die drei Männer rund um die Apfelwein-Mix-Getränke von Dölp, die sich bereits an eine junge Zielgruppe richteten, bisher aber nur halbherzig vom alten Image gelöst wurden, eine skurrile und mystifizierte Odenwald-Erlebniswelt. Benedikt Kuhn, selbst ein Odenwälder Mitte zwanzig, konnte dabei mit viel Selbstironie sein eigenes Umfeld karrikieren. »Erzählungen von saufseligen Brainstormings ließen an den ernsthaften Absichten zweifeln.«
Die körnigen Moodbilder des Odenwalds, wie ihn die Kampagne darstellt, wirken mystisch und geheimnisvoll. Die aus grobem Holz gezimmerte Kiste lehnt an diese Stimmung an. Sie ist für Promotionzwecke gedacht
Zur Verbreitung der neuen Dölp-Linie setzen die Werber vor allem auf Guerilla-Marketing, preisgünstige Werbung mit hohem Aufmerksamkeitswert. Fingierte Vermisst-Plakate verweisen auf die Website von Dölp (siehe Seite 33). Dort erfährt der Besucher mehr über das Verbleiben der drei Männer und wird über kleine Filmchen mit einer Fortsetzungsgeschichte in die skurrile Odenwald-Welt entführt. Sprühschablonen als Beileger zu einem Kasten oder einem Partyfass Apfelwein regen den Kunden ausdrücklich nicht dazu an, die Verbreitung der Markensymbolik im öffentlichen Raum selbst in die Hand zu nehmen. Ein sehr solides Konzept mit frischen Ideen, gepaart mit einer besonders guten grafischen Umsetzung, bedeuten Bestnoten für die Studenten. Dass auch im Apfelwein die Wahrheit liegt, muss jedoch keine Weisheit bleiben, die in den Archiven der Lehranstalt vergessen wird: Die Kelterei Dölp war von ihrem neuen Auftritt ebenso begeistert, wie die Kommilitonen der Zündköpfe. Gut möglich, dass bereits im nächsten Jahr der Claim »Bembel with care« für Dölp Acid, Dölp Sweet und Co. in den Szenelokalen bekannt wird. (mn)
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Wer hat Angst vor Theorie? Der Kommunikationspraktiker muss sein Tun begründen können. Von Dr. Thomas Friedrich
Theorie und Begründung Nicht Kopf, sondern Bauch, nicht Theorie, sondern Praxis, nicht der Begriff, sondern das Gefühl, nicht die objektiven Verhältnisse, sondern das subjektive Erleben stehen im Mittelpunkt des Interesses. Beim Wort „Theorie“ stellt sich bei vielen nur noch eine einzige Assoziation ein: „ist abgehoben“. In diesem Befund zeigt sich eine weitverbreitete diffuse Theoriefeindlichkeit. Es ergibt sich so die Notwendigkeit einmal genauer zu klären, was denn da überhaupt befeindet wird. Im Bereich der Kommunikationsgestaltung sind folgende Gespräche, zum Beispiel bei der Präsentation von Diplomarbeiten, durchaus nicht außergewöhnlich. Frage: »Sie haben hier eine rotfarbige Futura mager 12 Punkt verwendet, warum haben Sie diese Schrift gewählt und keine andere?« Nicht selten hört man Antworten folgender Art: »Das hat mir mein Gefühl gesagt« oder »seit meiner Kindheit habe ich ein Faible für die Farbe Rot« oder »die Futura gefällt mir von allen Schriften am besten« oder »ich finde magere Schriften einfach schöner als fette« usw. All diese Antworten haben eine Gemeinsamkeit: Als bloß subjektive Meinungen begründen sie nicht die Wahl der Schrift. Und wie hängen nun Theorie und Begründung zusammen? Ganz einfach: Theorien sind, allgemein gesprochen, Aneinanderreihungen von sprachlichen Einheiten zum Zwecke der Begründung. Sie müssen bestimmten Kriterien genügen.
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Wann ist eine Begründung nötig? Bevor es nun darum geht, zu bestimmen, wann in einem konkreten Fall eine Begründung richtig oder falsch ist, muss zuallererst geklärt werden, wann überhaupt eine Begründung nötig ist und wann nicht. Nehmen wir einmal die Aussage »diese Schrift gefällt mir nicht«. Der Philosoph spricht hier von einem Geschmacksurteil. Und ganz ohne Philosophie wissen wir, »über Geschmack lässt sich nicht streiten«. Eine andere Person könnte erwidern: »mir gefällt diese Schrift sehr wohl«, wieder ein anderer sagt, »ich finde diese Schrift nicht nur unschön, sondern grauenhaft«. Statt von Geschmacksurteilen kann man bei den genannten Fällen auch von subjektiven Meinungen sprechen. All diesen Meinungen ist gemeinsam, dass sie keine Geltung über das sie ausprechende Individuum hinaus beanspruchen. Das heißt, der eine meint dies, der andere meint das, und all diese Meinungen sind formal gleichwertig. Der ausgesagte Inhalt ist letztlich egal. Weil dies so ist, bedarf eine subjektive Meinung keiner Begründung. Fragt jemand, »warum einem diese Schrift gefällt«, genügt es tautologisch zu antworten, »sie gefällt mir halt«.
Römische Capitalis Monumentalis
»Erstens geht es dem Kommunikationsdesigner nicht darum, Kommunikation als solche zu begründen«
Anders ist die Situation, wenn im Falle einer konkreten Gestaltungsaufgabe (Beispiel: Getränkeanzeige) die Äußerung fällt, »eine fette, serifenbetonte Linear-Antiqua passt besser zu einem amerikanischen Whiskey als eine magere, französische Renaissance-Antiqua«. Damit ist nämlich nicht gemeint »mir passt die eine Schrift besser als die andere« (dies wäre wieder bloß eine subjektive Meinung), sondern der Sprecher geht davon aus, dass das Nichtpassen der mageren Renaissance-Antiqua und das Passen der fetten, serifenbetonten Linear-Antiqua, mit der Sache (der konkreten Gestaltungsaufgabe) zu tun hat. Und die ist keine bloß subjektive Angelegenheit. Zusätzlich zur Sachbezogenheit weist die Aussage auch insofern über den Sprecher hinaus, will er uns doch deutlich machen, dass auch andere Personen, zu dem dem Urteil kommen müssten, dass die eine Schrift hier besser passt als die andere. Er behauptet, etwas nicht nur zu glauben, sondern es zu wissen, und genau dann muss er eine Begründung angeben können. Ob einem persönlich die Helvetica, die Schwabacher oder die Capitalis monumentalis besser gefällt, ist bei der Begründung von Gestaltung somit unerheblich. Allgemein gilt, dass eine Person, die Äußerungen formuliert, die eine Geltung auch für andere beanspruchen, die jeweiligen
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Äußerungen begründen können muss. Grundsätzlich gibt es nun zwei Arten von Äußerungen mit Geltungsanspruch, solche, die ein Wissen behaupten (siehe obiges Beispiel), und normative Sätze. Nehmen wir als Beispiel für die zweite Gruppe einen oft gehörten Satz von Otl Aicher, der sinngemäß lautet: Der Kommunikationsdesigner sollte auf die Capitalis monumentalis gänzlich verzichten. Normativ ist der Satz, weil der Sprecher (hier: Otl Aicher) will, dass der ausgesagte Inhalt zur Richtschnur anderer (hier: Kommunikationsdesigner) wird. Wie gesagt, muss Aicher dann eine Begründung nennen können. Sie lautet sinngemäß folgendermaßen: Die Capitalis monumentalis passt nicht zu freien Gesellschaftsformen, denn sie ist die Schrift der römischen Sklavenhaltergesellschaft und außerdem ist sie eine Grabsteinschrift. Sie steht für Unfreiheit, Tod und Staatsgewalt. Unterstrichen wird dies dadurch, dass sie eine reine Majuskelschrift ist – aus all diesen Gründen ist sie abzulehnen. Wie gesagt, geht es jetzt nicht darum, ob diese Begründung richtig oder falsch ist (man könnte einiges daran kritisieren), sondern nur darum, dass ein normativer Satz einer Begründung bedarf, weil er fordert, dass andere etwas tun sollen.
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Begründungen in der Wissenschaft, im Alltag und speziell in der Gestaltungspraxis. Freilich macht es einen Unterschied, ob ein normativer Satz oder ein Wissenssatz im Kontext der Wissenschaft fällt, oder ob dies im normalen Alltag geschieht. Die Kriterien, denen die jeweilige Begründung genügen muss, sind in beiden Fällen unterschiedlich streng. Vor allem in der Naturwissenschaft haben Begründungen oft Gesetzescharakter, das heißt, sie drücken eine übergesellschaftliche und überhistorische Notwendigkeit aus. Man denke zum Beispiel an das Fallgesetz in der Physik. Im Alltagszusammenhang allgemein und vor allem auch im spezifischen Feld des Kommunikatiosdesign gilt dieses strenge Begründungskriterium nicht. Und zwar aus folgendem Grund: Was ein Kommunikationsgestalter zu begründen hat, ist zum Beispiel die im konkreten Fall ausgewählte Art der Typografie
und des Layouts. Das jeweilige »Passen« von Typografie und Layout bezieht sich nun einerseits auf den jeweiligen kommunikativen Zweck, den es zu realisieren gilt, und andererseits hängt es vor allem mit den konnotativen Bedeutungen zusammen, die durch die ausgewählte Schriftart, -größe, -anordnung usw. transportiert werden. Und diese sind bekanntlich weitaus instabiler als denotative Bedeutungen. Kommen wir noch einmal auf das obige Anzeigenbeispiel zurück. Zwar stimmt es, dass eine fette, serifenbetonte Linear-Antiqua die Konnotation »Amerika« transportiert, deswegen kann man sagen »passt« diese Schrift besser zu amerikanischem Whiskey, als eine magere, französische Renaissance-Antiqua. Das heißt aber nicht, dass dies auch in Zukunft die Primärkonnotation dieser Schrift bleiben muss.
Prof. Dr. phil. Thomas Friedrich unterrichtet Designtheorie und Philosophie an der Fakultät für Gestaltung und ist Leiter des Instituts für Designwissenschaft
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Gerade der Kommunikationsdesigner selbst arbeitet ja ständig daran, durch den kreativen Einsatz von Schriften, deren aktuelle konnotative Bedeutungen auch zu verändern. Er verwendet bestimmte Schriften nicht nur so, dass sie im obigen Sinne »passen«, sondern von Fall zu Fall auch in der Weise, dass die verwendete Schrift gerade durch ihr »Nichtpassen«, den ausgedrückten Inhalt zum Beispiel ironisiert und so den Betrachter einer Anzeige zum Schmunzeln bringt (wenn zum Beispiel nicht für Whiskey, sondern für eine Schönheitscreme mit einer fetten, serifenbetonten Linear-Antiqua geworben wird). Dass normale und ironisierende Verwendungen von typografischen Einheiten möglich sind, ist in Hinblick darauf, sie jeweils begründen können zu müssen, irrelevant. Auch darf nicht vergessen werden, dass eine ironisierende Verwendung einer Schrift nur deswegen möglich ist, weil sie bestimmte Konnotationen hat, die dann der Gestalter im konkreten Gebrauch absichtlich richt.
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Unpassend? Falsch? Ironisierend?
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Begründung und kommunikativer Zweck Entscheidend für die Auswahl typografischer Einheiten, und auch dafür, ob eine ironische Verwendung möglich ist oder nicht, ist der jeweilige kommunikative Zweck. Er bildet auch jeweils den Maßstab der Begründung für den Kommunikationspratiker. »Zweitens hat er es vor allem mit den konnotativen Bedeutungen zu tun, die durch die typografischen Einheiten transportiert werden.«
Geht es zum Beispiel darum ein Leitsystem für einen internationalen Flughafen zu realisieren, ist der typografische Gestaltungsspielraum sicher geringer, als wenn es um eine lediglich national geschaltete Werbekampagne geht. Optimale Sichtbarkeit, Lesbarkeit und eindeutige internationale Verständlichkeit bilden im ersten Fall die Gestaltungskriterien. Das kommunikative Spiel mit ironisierenden Mehrdeutigkeiten wäre hier im Ernstfall (zum Beispiel bei einem Brand des Gebäudes) tödlich. Im Falle der lediglich national geschalteten Werbekampagne dagegen, kann das kommunikative Spiel ironisierender Mehrdeutigkeit verkaufsfördernde Wirkung haben. Der langen Rede kurzer Sinn: Erstens geht es dem Kommunikationsdesigner nicht darum, Kommunikation als solche zu begründen, sondern konkrete Einzelfälle mit durchaus unterschiedlichen kommunikativen Zwecken, die dann jeweils Maßstab der Begründung sein müssen. Zweitens hat es der Kommunikationspraktiker vor allem mit den konnotativen Bedeutungen zu tun, die durch die ausgewählten typografischen Einheiten transportiert werden. Konnotative Bedeutungen sind fragil, kulturrelativ und unterliegen stärker semantischen Verschiebungen als die denotativen Bedeutungen. Aus den genannten Gründen sind naturwissenschaftliche Begründungen mit überkulturellem und übergeschichtlichem Gesetzescharakter für den Kommunikationspraktiker unsinnig.
Seit 2002 ist Dr. Friedrich Redakteur der Zeitschrift für kritische Theorie (zu Klampen, Springe). Er ist Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Designtheorie und –forschung, Mitglied der Lesegesellschaft Andere Bibliothek, berufenes Mitglied der Freien Akademie der Künste Mannheim und Leiter der Sektion Design der Deutschen Gesellschaft für Semiotik e.V.
Was heißt das für die Designtheorie in der Lehre? Kritik der Ulmer Schule Und genau da liegt auch ein Problem der Ulmer Schule. Der Vorwurf der »Verwissenschaftlichung der Gestaltung« der ihren Vertretern immer wieder gemacht wird, ist dann bererechtigt, wenn man ihn präzisiert in »Vernaturwissenschaftlichung der Gestaltung«. Dieses war nämlich das Ulmer Projekt und musste scheitern. Kommunikationsgestaltung funktioniert eben nicht nach Naturgesetzen. Die zur Begründung von Gestaltung gehörende Designtheorie kann keine an der Informationstheorie orientierte mathematisch-naturwissenschaftliche Disziplin sein, sondern eine, die Anleihen macht bei Phänomenologie, Semiotik und bei der kritischen Theorie der Gesellschaft. Fassen wir noch einmal kurz zusammen: Theorien als Begründungssysteme haben ihren Ursprung nicht erst im Bereich der Wissenschaft, sondern bereits im Alltag, und zwar überall dort, wo es um Äußerungen geht, die beanspruchen, auch für andere zu gelten. Indem man solche Äußerungen begründen muss, muss man kommunizieren, man muss sich auf Begründungen einigen. Das heißt, man ist genötigt, sich über Ziele, Zwecke und Mittel zu verständigen. Man kann sagen, Kommunikation und Gesellschaft, der ganze Bereich des Sozialen, beginnt überhaupt erst mit Formulierungen, die begründet werden müssen. Bezogen auf den Ausgangspunkt des Essays, die heute festzustellende diffuse Theoriefeindlichkeit, muss man sich folgendes verdeutlichen: Eine radikale Ablehnung von Theorien (Begründungen) würde in letzter Konsequenz zu einer Welt führen, in der nur noch subjektive Meinungen gleichwertig nebeneinanderstehen. Und so wichtig das Recht auf Meinungsfreiheit auch ist, spätestens im Konfliktfall reichen subjektive Meinungen nicht mehr aus.
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Göttlich Gina Gorny hat ein Talent für gutes Sehen. Noch besser ist sie darin, das Gesehene fest zu halten.
Wie gut Kopf und Bauch zusammenarbeiten können, erkennt man an den fotografischen Serien von Gina Gorny. Stets mit einem wohl überlegten Konzept ausgerüstet, sucht sich die Fotografin ihre Models und die nötigen Requisiten, nimmt die Kamera und lässt sich von da an von ihrer Inspiration leiten. »Ich bin so rumgefahren, und wenn ich eine gute Stelle gesehen habe, habe ich das Model hingestellt und die Fotos gemacht«, fasst Gina Gorny ihre Vorbereitungen für die Serie Göttlich lapidar zusammen. Ihre Dozenten halten diese Herangehensweise für eher fragwürdig, doch ihre Ergebnisse sind stets über jeden Zweifel erhaben. Ob die Fünfundzwanzigjährige diese Arbeit den Gottheiten widmete, um ihren eigenen Status am Institut für Fotografie zu unterstreichen ist nicht bekannt. Fest steht nur, dass dies nicht die letzte Konzeptreihe der Ausnahmefotografin sein wird, die uns mit ihren intelligenten, witzigen und wunderbar gesehenen Bildern jedes Semester neu den Atem verschlägt. (mn)
Artemis
Gina Gorny studiert seit 2002 an der Fakultät für Gestaltung. Ihre Schwerpunkte waren zunächst Film, später Fotografie.
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Ares, Athene
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Demeter, Zeus
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Gestalter-Index Folgende Gestalter sind in diesem Heft mit ihren Arbeiten, Artikeln oder Interviews vertreten:
Leonie Brendel
S. 14-19
Benedikt Kuhn
Grafikerin; www.heye.de
freier Designer; www.qn-design.de
Leonie.Brendel@gmx.de
contact@qn-design.de
Kerstin Correll
S. 32-35
Alexej Sadovnikov
Junior Art Director; www.ogilvy.de
Student
kerstin.correll@ogilvy.com
sadovnikov@arcor.de
Kjetil Dahlhaus
S. 38-41
Prof. Dr. Thomas Friedrich
Student
www.gestaltung.hs-mannheim.de
kahlhaus@hotmail.com
t.friedrich@hs-mannheim.de
Gina Gorny
S. 48-53
Prof. Veruschka Götz
Studentin; www.ginagorny.de
www.gestaltung.hs-mannheim.de
post@ginagorny.de
v.goetz@hs-mannheim.de
Robert Hranitzky
S. 20-25
Alessio Leonardi
freier Motion-Graphics Designer
Typograf und Grafikdesigner
www.hranitzky.com
www.buymyfonts.com
info@hranitzky.com
alessio@buymyfonts.com
S. 38-41
S. 38-41
S. 42-47
S. 26-31
S. 36-37
Coverillustration Über Max Bachmeier lässt sich nicht nur sagen, dass er herrlich schräg und wunderbar einfallsreich illustrieren kann. Er zählt 25 junge Lenze, kommt aus Bayern und studiert seit 2002 an der HS Mannheim. Sich mit Max zu unterhalten macht Spaß, er mag Fischstäbchen mit Remouladensoße und spielt gerne bunte Videospiele wie Mario Kart und Soulcalibur. Nebenbei fährt er einen Geldtransporter und macht Capoeira und führt somit neben dem geregelten und langweiligen Alltag des Designers ein nicht ganz ungefährliches Leben. Was er aber besonders gut kann ist zeichnen, illustrieren und karikieren, seine Präsentationen sind Amusement pur und auch interaktiv kann der Max so einiges. Max’ und Arnos Typografie Extravaganza, das Online-Spiel, in dem man die Typo-Welt vor der Übernahme durch die böse Comic Sans retten muss, ist legendär. Der Spieler sieht sich als Superheld Adrian Frutiger gegenüber und muss schöne Schriften zurückerobern. Max trinkt ger-
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ne Ureich, liest »Didi & Stulle«-Comics und ist Dauergast im offenen Projekt Theorie, er mag Nilpferde und sein geheimer Wunschtraum ist es, mal eine Reihe Cornflakespackungen zu entwerfen mit abgedrehten Tieren und noch abgedrehteren Cerealien. Ich würde sie kaufen. (as) sackwombat@gmail.com · maxbachmeier.oelna.de
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Ausgabe 1 erscheint am 10. März 2007
Redaktion Komma Fakultät für Gestaltung Windeckstraße 110 68163 Mannheim
Underware
Der Mannheim Absolvent Akiem Helmling erzählt über seine Arbeit bei Underware.
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Neues von Mannheim Masters: Lukas Beckmann (Bundesgeschäftsführer der Grünen) zum Thema »Soziale Plastik und Beuys«. Außerdem freuen wir uns auf die Publikation »Mannheim Masters I« mit einem Rückblick zu allen bisherigen Vorträgen an der Hochschule Mannheim.
komma.meister@yahoo.de Chefredakteur: Johannes Brückner (jb) Redaktion: Bastian Allgeier (ba) Alessia Corallo (ac) Pascal Fedorec (pf) Gina Gorny (Fotos) Liz Krivitzky (lk) Moritz Nolting (mn) Bernhard Pompey (bp) Anna Schlecker (as) Julian Zimmermann (jz) Papier: On Offset 150g/qm GD2 Chromoduplexkarton 300g/qm Typografie: Headline Diamond Bold (Volcano Type: www.volcano-type.de) Fließtext ITC Legacy Serif Book, Italic Druck: BB Druck, Ludwigshafen Nachbestellung und Feedback: gestaltung.hs-mannheim.de/designwiki/komma
GWA Junior Agency 2006
Vorstellung und Beschreibung der Arbeit, die Präsentation in Wiesbaden und das glorreiche Ergebnis: Silber!
Konzept, Text, Gestaltung und Name der Komma beruhen auf der Diplomarbeit von Moritz Nolting (mn). Wir danken: Moritz Nolting, Prof. Hartmut Wöhlbier, Prof. Kai Beiderwellen, Prof. Axel Kolaschnik, Prof. Veruschka Götz, Sigrid Wilhelm, Volcano Type, Ultrabold Kommunikationsdesign, Bärbel Kirsamer, Richard Frick Anzeigen: komma.meister@yahoo.de gestaltung.hs-mannheim.de/designwiki/komma
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,was danach kommt
Digital Artist
Moppel heißt Tanja Krampferts Diplomarbeit in Ludwigsburg. Ein Trickfilm, der im Schaufenster einer Zoohandlung der 50er Jahre spielt.
Tanja Krampfert hat 2003 an der HS Mannheim ihr Diplom gemacht. Jetzt steht ihr die Welt offen. Es ist noch gar nicht lange her, da begeisterte Tanja Krampfert die Zuschauer ihrer Diplompräsentation in Mannheim: Eine Themenausstellung über Digitale Effekte im Film für das Frankfurter Filmmuseum. In zwei zwanzigminütigen Dokumentationen werden Spezialeffekte veranschaulicht, indem sich zwei animierte Roboter durch für ihre wegweisenden Effekte bekannte Filme bewegen und diese erklären. Mit dieser hervorragenden Arbeit bewarb sich die gelernte Grafikdesign-Assistentin erfolgreich an der besonders für Animation weltweit renommierten Filmakademie in Ludwigsburg. Dort bekam sie Unterricht von Mitarbeitern der bekanntesten Animationsstudios der Welt und finanzierte sich ihr Studium mit Digitalen Arbeiten für wissenschaftliche TV-Sendungen wie Welt der Wunder und Galileo. Als einzige Frau in ihrem Semester war sie am Institut für Animation eine Ausnahmeerscheinung. Ein Umstand, der dem Sender Deutsche Welle eine fünfzehnminütige Dokumentation Innerhalb der Serie Next Generation über sie und ihre Arbeit an der Akademie wert war. In diesem Frühjahr absolvierte Tanja Krampfert auch in Ludwigsburg die Abschlussprüfung mit dem vielbeachteten Trickfilm Moppel. Sie erhielt dafür das Stipendium der Mann-Stiftung:
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Medien für Kinder. Ein Stipendium, das nur einmal jährlich und nur an einer Schule vergeben wird. Inzwischen sind auch die Studios auf sie aufmerksam geworden: Recruiter von Disney, Dreamworks und Framestore, die Effekt-Firma der Harry-Potter-Filme, haben sie zu Gesprächen eingeladen. Bis es dort zu Unterschriften kommt, steht noch ein Character- und Level-Design für das neue X-Box-Spiel AZENTA auf dem Plan, sowie die Mitarbeit an Der Rote Baron, einem effektlastigen Kriegsfilm mit Til Schweiger in der Hauptrolle, auf den wir schon mal gespannt sind.
Links: Tanja Krampfert.Rechts: Großplakat zur Themenausstellung 3D Welten, ihrer Diplomarbeit im Fach Kommunikationdesign an der Hochschule Mannheim 2003.
8JF XFJU XJSE FT %FJOFS .FJOVOH OBDI HFIFO NJU EFS &NPUJPOBMJTJFSVOH EFS 8FSCVOH Was kommt nach dem Vertrauen in die Marke? Ist es Liebe? Wirst Du – werden wir – am Ende Gläubige der Marke? Und welche Rolle wird die Werbung spielen? Und wie wird sie dann aussehen? Werden die Gestalter als Markenweltschöpfer die Hohepriester der Gläubigen sein? Sag es uns. Bewirb dich jetzt für den Masterstudiengang der Hochschule Mannheim mit dem Thema: „Glaube, Liebe, Design – der Gestalter als Markenweltschöpfer.“ Also, woran glaubst Du? Bewerbungsschluss 15. Januar 2006