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Mit Bodenhaftung in der Erfolgsspur – Joana Mallwitz
Ihr Auftreten ist nie laut, aber es ist entschieden. Sie weiß, was sie möchte und wie sie ihre Zielerealisieren kann. Bevor Dirigentin Joana Mallwitz im nächsten Sommer ans Konzerthaus nachBerlin wechselt, dirigiert sie in Dortmund das Mahler Chamber Orchestra.
Manchmal ergeben sich die Dinge einfach so. Dann nimmt sie die Herausforderungen an, neugierig, offen, zugleich konzentriert und fokussiert. Das war schon so, als Joana Mallwitz mit 19 Jahren nach Heidelberg ging, als Solo-Repetitorin und Kapellmeisterin. So war es auch, als sie 27-jährig nach Erfurt ging und mit dem Etikett »jüngste Generalmusikdirektorin Europas« klarkommen musste. 2018 wurde sie dann Generalmusikdirektorin in Nürnberg, obwohl sie »gar nicht unbedingt vorhatte, sofort wieder eine Chefstelle anzunehmen«. Doch die Chemie mit dem Orchester stimmte, sie sagte zu, reüssierte in der Oper und möbelte das Konzertleben mit neuen Formaten auf. Die Verkaufszahlen schnellten nach oben. Die Zeitschrift »Opernwelt« kürte sie zur »Dirigentin des Jahres«, die »Salzburger Festspiele« klopften an und viele namhafte Orchester. Nun steht sie vor einem erneuten Wechsel. Joana Mallwitz wird Chefin beim Konzerthausorchester in Berlin. Sie selbst betrachtet diesen Schritt gewohnt nüchtern: »Wenn der Vertrag in Nürnberg im Jahr 2023 ausläuft, werde ich 18 Jahre in Festanstellungen an Opernhäusern gearbeitet haben, davon die Hälfte in leitender Funktion«, erklärte sie gegenüber der fränkischen Presse. »Dann wird es Zeit sein für einen Fokuswechsel.« Erstmals tritt sie eine Stelle bei einem reinen Sinfonieorchester an.
Manchmal ergeben sich die Dinge, oder wie Mallwitz es ausdrückt: »Im Rückblick schaut das so konsequent und vor allem schnell aus. Aber da waren auch viele Zufälle dabei.« Vielleicht ist es ihre freundliche und zugleich sachliche Art, mit der Mallwitz so gut ankommt, beim Publikum ebenso wie in der buntgefächerten Musikwelt. Für zur Schau getragenes Ego ist in ihrem Denken kein Platz. »Die Autorität, die man braucht, kommt nicht durch autoritäres Verhalten, sondern einzig und allein durch Vorbereitung und Authentizität.« Sie weiß, dass in ihrem Beruf Lorbeeren schnell auch welken können: »Man muss sich immer neu beweisen.«
Vielleicht ist es auch die Bodenständigkeit, die sie so beliebt, so erfolgreich macht. Sie ist keine Vertreterin des gelebten Jetsets. »Ich scheine tatsächlich jemand zu sein, der sich an einzelne Orte länger bindet.«
Außerdem ist es ihr wichtig, dass es eine Identifikation des Publikums mit einem städtischen Orchester, einem städtischen Opernhaus gibt. »Um dies zu stärken, müssen wir uns immer wieder aus unserer Komfortzone herauswagen, manchmal einfach auch neu denken, sich trauen, ins Gespräch zu kommen, neue Sachen auszuprobieren.«
Die letzten Jahre haben unvermutet Fragen aufgeworfen. Corona hat vieles durcheinandergewirbelt. Gerade die Sorge, wie das Publikum weiter mit der Krise umgeht, treibt Joana Mallwitz um. Sie weiß, dass das Thema nicht nur bei Schatzmeistern und Intendanten aktuell köchelt. »Das wird uns noch auf Jahre beschäftigen«, gibt sie unumwunden zu. »Aber gerade deshalb brauchen wir den Kontakt vor Ort noch mehr. Dazu gehört auch der zur Politik.« Ob es sie auch deswegen nach Berlin zieht, wo die Wege zur Politik bekanntermaßen eher kurz scheinen?
Joana Mallwitz, geboren in Hildesheim, verheiratet mit einem Sänger, Mutter eines Sohnes, ist inzwischen in der glücklichen Lage, sich ihre Engagements aussuchen zu können. Längst überschreitet die Zahl der Anfragen die Möglichkeiten ihres Kalenders. Daher sucht sie, wenn sie sich für eine neue Zusammenarbeit mit einem Orchester entscheidet, nach Konstellationen, die »wirklich passen und künstlerisch produktiv sind«. Damit meint sie nicht die erfolgreich summende Eintagsfliege. Erfolg bemisst Mallwitz daran, ob man nach einem ersten Mal noch ein zweites oder drittes Mal angefragt wird.
Wenn Mallwitz vor einem Orchester steht, fällt vor allem ihre Authentizität auf: wenn sie die Augen schließt, wenn sie die Stirn kräuselt, fröhlich zum Dur lächelt oder in Moll mitleidet. Joana Mallwitz weiß zu kommunizieren, verbal etwa bei Konzerteinführungen und non-verbal während der Aufführungen. Sie erreicht ihr Publikum, live ebenso wie auf diversen Medienkanälen. 2020 hat sie mit dem Berliner Konzerthausorchester eine halbstündige Einführung zu Schuberts letzter Sinfonie ins Netz gestellt. Über 90.000 Menschen haben sich den Film bereits angesehen – mehr als ein ausverkauftes BVB-Stadion. Manchmal ergeben sich die Dinge eben, einfach so…
So 06.11.2022 16.00 Uhr
Joana Mallwitz & Mahler Chamber Orchestra
Mahler Chamber Orchestra, Joana Mallwitz Dirigentin, Andrew Staples Tenor, José Vicente Castelló Horn
Werke von Franz Schubert und Benjamin Britten