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editorial
SICHTBARER ZAUBER
»Oh mein unsichtbares, tiefer gelegtes, verklärtes Orchester im Theater der Zukunft.« So begeistert zeigte sich Richard Wagner seinerzeit von seiner Vision, das Orchester vollständig vor den Blicken des Zuschauenden zu verbergen. Ihm ging es um die perfekte Illusion. Nichts dürfe das Publikum vom Bühnengeschehen ablenken. Vielmehr solle es in einen Zustand des »Hellsehens« versetzt werden, indem der »technische Herd der Musik« – so nüchtern klang das damals – vollständig vor seinen Augen verborgen blieb. Mit seiner Erfindung des unsichtbaren Orchestergrabens, den er als »mystischen Abgrund« bezeichnete und der die »Realität von der Idealität« zu trennen habe, gelang Wagner nichts Geringeres als eine Revolutionierung des Musiktheaters.
Doch wir machen es genau anders herum: In unserer inzwischen legendären Reihe Konzertante Oper holen wir das Orchester aus dem Graben heraus und wieder auf die Bühne. Dort, wo für Wagner visuelle und ideelle Aspekte im Vordergrund standen, fokussieren wir uns ganz und gar auf seine großartige Musik und präsentieren sie in unserer einzigartigen KonzerthausAkustik. Es wird eine unglaubliche Freude sein, unseren ehemaligen Exklusivkünstler Yannick Nézet-Séguin und sein Weltklasse-Ensemble der New Yorker Met Ende April mit Wagners »Rheingold« zu erleben und uns dabei so voll und ganz auf diese wunderbare Musik einlassen zu können.
Apropos exklusive Künstler: Man mag es kaum glauben, aber die Residenz von Maestra Mirga in Dortmund neigt sich bereits dem Ende entgegen. Zum Abschluss erwarten uns gleich zwei sehr besondere Konzerte mit ihr an nur einem Wochenende. Wir entdecken gemeinsam das hochspannende Werk des polnischen Komponisten Mieczysław Weinberg. Dazu hören wir Tschaikowskys 4. Sinfonie und erleben zwei tolle Solistinnen und Solisten an Mirgas Seite: Patricia Kopatchinskaja interpretiert Strawinkys Violinkonzert und unser »Junger Wilder« Sheku Kanneh-Mason Schostakowitschs 2. Cellokonzert.
Damit nicht genug: Das London Symphony Orchestra, ebenfalls mit einer Dreijahres-Residenz in Dortmund, kommt diesmal mit seinem Principal Guest Conductor François-Xavier Roth. Einmal mehr verzaubert uns Igor Levit an den Tasten, Teodor Currentzis kommt mit der »tragischen« 1. Sinfonie von Brahms, die JohannesPassion erklingt am Karfreitag, und wir haben noch ganz viele weitere Goldschätze für Sie gehoben. Bleiben Sie gesund und zuversichtlich, ich freue mich auf Sie!
Mit herzlichen Grüßen, Ihr Dr. Raphael von Hoensbroech Intendant und Geschäftsführer des Konzerthaus Dortmund