berner symphonieorchester
FAZIL SAY: MOZART 12. SYMPHONIEKONZERT
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FAZIL SAY: MOZART 12. SYMPHONIEKONZERT (BLAUES ABO)
CLAUDE DEBUSSY «Prélude à l’après-midi d’un faune» WOLFGANG AMADEUS MOZART Klavierkonzert C-Dur KV 467 FLORENT SCHMITT «La tragédie de Salomé» PAUL DUKAS «L’apprenti sorcier»
merci Dem Kanton Bern, der Stadt Bern, der Regionalkonferenz Bern Mittelland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft danken wir für die Subventionen. Für die langjährige Unterstützung unserer Konzerte bedanken wir uns bei der Burgergemeinde Bern.
FAZIL SAY: MOZART
CLAUDE DEBUSSY 1862–1918 «Prélude à l’après-midi d’un faune» (1891–94) (10') WOLFGANG AMADEUS MOZART 1756–1791 Klavierkonzert Nr. 21 C-Dur KV 467 (1785) (29') Allegro maestoso Andante Allegro vivace Kadenzen von Fazıl Say PAUSE
FLORENT SCHMITT 1870–1958 La tragédie de Salomé op. 50 (1907–11) (24') Prélude – Danse des perles Les enchantements sur le mer – Danse des éclairs – Danse de l’effroi PAUL DUKAS 1865–1935 «L’apprenti sorcier» / «Der Zauberlehrling» (1897) (12')
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MARIO VENZAGO DIRIGENT FAZIL SAY KLAVIER BERNER SYMPHONIEORCHESTER ALEXIS VINCENT KONZERTMEISTER
KONZERTE Sa, 04. Mai 2019, 19:30 * So, 05. Mai 2019, 17:00 kursaal bern, arena * Im Anschluss: Late Night Concert KONZERTEINFÃœHRUNG MIT GOTTFRIED FRANZ KASPAREK Sa, 04. Mai 2019, 18:30 So, 05. Mai 2019, 16:00 kursaal bern, og 6, bellavista 5
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FAZIL SAY KLAVIER
Mit seinem aussergewöhnlichen pianistischen Vermögen berührt Fazıl Say Publikum wie Kritik seit nunmehr 25 Jahren. Konzerte mit diesem Künstler sind andere Konzerte, sie sind direkter, offener, aufregender. Eben das meinte wohl auch der Komponist Aribert Reimann, als er 1986 mehr oder minder zufällig in den Genuss kam, den damals 16-Jährigen zu hören. Auf der Stelle bat er seinen Begleiter, den amerikanischen Pianisten David Levine,
ins Konservatorium der türkischen Hauptstadt zu kommen, und er tat es mit den inzwischen geflügelten Worten: «Den musst Du Dir anhören, der Junge spielt wie ein Teufel». Seinen ersten Klavierunterricht erhielt Fazıl Say bei Mithat Fenmen, einem Pianisten, der noch bei Alfred Cortot in Paris studiert hatte. Fenmen – vielleicht ahnend, wie gross das Talent des Jungen war – bat seinen Schüler, jeden Tag erst einmal über Themen des Alltags zu improvisieren, bevor er sich mit den notwendigen Übungen und Studien beschäftigte. In dieser Auseinandersetzung mit freien kreativen Prozessen und Formen wurde der Ursprung für das grosse improvisatorische Talent und die ästhetische Anschauung gelegt, die den Kern des Selbstverständnisses des Pianisten und Komponisten Fazıl Say bildet. Den Feinschliff als klassischer Pianist erhielt Fazıl Say ab 1987 bei David Levine. Die Mischung aus Feinsinn (bei Haydn, Bach und Mozart) und virtuosem Glanz in den Werken von Liszt, Mussorgsky oder Beethoven führten schliesslich 1994 zum Sieg beim Internationalen Wettbewerb «Young Concert Artists» in New York. Fazıl Say spielte in der Folge mit sämtlichen renommierten amerikanischen und europäischen Orchestern und zahlreichen grossen Dirigenten zusammen und erarbeitete sich dabei ein vielfältiges Repertoire, das von Kompositionen von Johann Sebastian Bach über die ‹Klassiker› Haydn, Mozart und Beethoven sowie die Romantik bis zur zeitgenössischen Musik reicht, eingeschlossen seine eigenen Kompositionen für Klavier. Fazıl Says Einspielungen der Werke Bachs, Mozarts, Gershwins und Strawinskys sowie Mussorgskis, Beethovens und eigener Werke wurden von der Plattenkritik hoch gelobt und mehrfach ausgezeichnet. 2014 erschienen seine Aufnahme mit Beethoven-Werken sowie das Album Say plays Say und 2016 die Einspielung aller Mozart-Sonaten, für die er 2017 seinen vierten echo klassik erhielt.
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MARIO VENZAGO CHEFDIRIGENT BERNER SYMPHONIEORCHESTER
Mario Venzago ist Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des Berner Symphonieorchesters und Artist in Association bei der finnischen Tapiola Sinfonietta. Mario Venzago leitete als Chefdirigent bzw. Generalmusikdirektor das Musikkollegium Winterthur, das Orchester und das Theater der Stadt Heidelberg, die Deutsche Kammerphilharmonie Frankfurt (heute Bremen), die Grazer Oper und das Grazer Philharmonische Orchester, das Sinfonieorchester Basel, das Baskische Nationalorchester San Sebastián, Göteborgs Symfoniker und das Indianapolis Symphony Orchestra. Von 2000 bis 2003 war er als
Nachfolger von Pinchas Zukerman und David Zinman Künstlerischer Leiter des Baltimore Music Summer Fest. Von 2010 bis 2014 war er Principal Conductor der Royal Northern Sinfonia. Mario Venzago dirigierte u.a. die Berliner Philharmoniker, das Gewandhausorchester Leipzig, die Orchester von Philadelphia und Boston, das London Philharmonic Orchestra, das Orchestre Philharmonique de Radio France, die Filarmonica della Scala und das NHK Symphony Orchestra. Er ist regelmässiger Gast international renommierter Symphonieorchester (u.a. Finnish Radio Symphony Orchestra, Danish National Symphony Orchestra, Göteborgs Symfoniker und Nederlands Philharmonisch Orkest) sowie namhafter Kammerorchester wie der Tapiola Sinfonietta und des Orchestre de Chambre de Lausanne. Mario Venzago konzertierte mit den berühmtesten Solisten der Welt, darunter Martha Argerich, Gidon Kremer, Lang Lang, Radu Lupu, Anne-Sophie Mutter, Christian Tetzlaff, Jean-Yves Thibaudet, Maxim Vengerov, Thomas Zehetmair, Krystian Zimerman und Frank Peter Zimmermann. Mehrere seiner cds wurden mit internationalen Preisen wie dem Grand Prix du Disque, dem Diapason d’or und dem Prix Edison ausgezeichnet. Die Einspielungen der Opern Venus und Penthesilea sowie die Aufnahme aller Chorwerke von Othmar Schoeck mit dem mdr Chor und Sinfonieorchester fanden grosse internationale Anerkennung und erhielten höchste Auszeichnungen, so auch der Film «Mein Bruder, der Dirigent» von Alberto Venzago, der europaweit in den Kinos lief und auf dvd erschien. Im Frühjahr 2015 wurde das gemeinsame Projekt «Der andere Bruckner» von Mario Venzago und dem Label cpo mit der Gesamtaufnahme aller zehn Bruckner-Symphonien abgeschlossen. Die von der internationalen Kritik hoch gelobten Einzelveröffentlichungen ebenso wie die gesamte cd-Box und ein Dokumentarfilm sind bei cpo (www.jpc.de) erhältlich.
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DAS KOMPLETTE PROGRAMMHEFT IST FÜR CHF 5,– AM KONZERTABEND ODER AN DER BILLETTKASSE ERHÄLTLICH.
CLAUDE DEBUSSY * 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye † 25. März 1918 in Paris
PRÉLUDE À L’APRÈS-MIDI D’UN FAUNE Debussys singuläres Stück entstand von der Jahreswende 1890/91 bis zum Sommer 1894 in Paris. Ein Gedicht des französischen Symbolisten Stéphane Mallarmé (1842–1898) hatte den Komponisten zu jenem Werk inspiriert, welches seinen Weltruhm begründete. Die Uraufführung fand am 22. Dezember 1894 in der Pariser Société Nationale de Musique unter der Leitung von Gustave Doret statt. Es war nicht nur ein «Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns», es wurde gleichsam ein Vorspiel zur Musik des 20. Jahrhunderts. Für Pierre Boulez hat «mit der Flöte des Fauns die Musik neuen Atem zu schöpfen begonnen.»
TRÄUME EINES FAUNS
Während «L'Après-midi d'un faune» heute als Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts gilt, befand Debussys klassizistischer Kollege Camille Saint-Saëns, das epochemachende Werk sei «ohne die geringste ausgesprochen musikalische Idee». Der Dichter Mallarmé jedoch war begeistert und schrieb an Debussy: «Wunderbar ist Ihre Illustration des ‹Après-Midi d'un Faune›, die keine Unstimmigkeit zu meinem Text zeigt, ausser dass sie wahrhaftig in der Sehnsucht und im Leuchten noch weiter geht, mit Finesse, mit List und mit Reichhaltigkeit.» Ein Faun erwacht vom Mittagsschlaf und erinnert sich an den Morgen – oder nur an seine Träume? Hat er tatsächlich mit zwei Nymphen auf einer sonnigen Waldlichtung gespielt? Mehr als nur gespielt? Hat er die Liebesgöttin Venus beleidigt? Der Wein lässt ihn wieder in Morpheus Arme zurückkehren, in einen neuen Traum, in dem neue Nymphen warten.
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AUFBRUCH IN NEUE KLANGWELTEN
Das mystische, chromatisch aufgeladene Flötenmotiv zählt neben Wagners Tristan-Akkord zu den Ausgangspunkten der «Neuen Musik». Ebenso war die ausserordentlich komplexe, dabei gleichsam verschleierte rhythmische Struktur der kurzen symphonischen Dichtung ein Aufbruch in neue musikalische Welten. Debussy hatte nicht weniger als drei Jahre immer wieder an dem Stück gearbeitet, hatte es in Klavierfassungen im Freundeskreis präsentiert, aber dann doch wieder zurückgezogen. Später fügte er eine Soloflöte hinzu. Aus einer geplanten Mallarmé-Trilogie wurde nichts, es blieb beim Traum des Fauns, es folgten keine Dialoge der Nymphen. An der feinnervigen Instrumentierung – mit Ausnahme der Hörner unter Verzicht auf Blechbläser sowie Pauken – arbeitete er noch während der Probenphase im Dezember 1894. Vergleiche mit der Malerei seiner Zeit lehnte er ab, doch eine Musik, die besser als diese der Stimmung der impressionistischen Kunst entspricht, die geglückter poetische Inspiration mit atmosphärischem Naturklang verbindet und dazu noch farbenreiche Bilder hervorruft, ist nicht vorstellbar.
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« ÜBERDIES BIN ICH ÜBERZEUGT, DASS DIE MUSIK IHREM WESEN NACH NICHTS IST, WAS MAN IN EINE TRADITIONELLE UND FESTGELEGTE FORM GIESSEN KÖNNTE. SIE SETZT SICH AUS FARBEN UND RHYTHMEN ZUSAMMEN. »
Claude Debussy
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WOLFGANG AMADEUS MOZART * 27. Januar 1756 in Salzburg †05. Dezember 1791 in Wien
KLAVIERKONZERT KV 467 «Donnerstag den 10ten März 1785 wird Hr. Kapellmeister Mozart die Ehre haben in dem k.k. National-Hof-Theater eine grosse musikalische Akademie zu seinem Vortheile zu geben, wobey er nicht nur ein neues erst verfertigtes Forte piano-Konzert spielen, sondern auch ein besonders grosses Forte piano Pedal beim Phantasieren gebrauchen wird», vermeldet der Handzettel, in dem mit grösster Wahrscheinlichkeit die Uraufführung des Klavierkonzerts Nr. 21 von Wolfgang Amadeus Mozart im alten Wiener Burgtheater angekündigt wurde. Das Stück entstand während des zehnwöchigen Besuchs von Vater Leopold. «Das neue Concert ist freylich erstaunlich schwer … Manche Passagen mögen nicht recht stimmen, wenn man nicht die ganze Harmonie der Instrumenten hört», erinnerte sich Leopold in einem Brief an die Tochter vom 14. Januar 1786. MOZART ALS POSTUMER FILMKOMPONIST
Drei Klavierkonzerte, zwei Streichquartette, ein Klavierquartett, Klaviermusik, Lieder und die Bearbeitung der c-Moll-Messe zur Kantante Davidde penitente entstanden 1785. Etwa ab dem Sommer kam die Arbeit an Le nozze di Figaro dazu. Mozart trat in diesem Jahr etwa 25 Mal als Dirigent und Pianist in Wien auf, darunter befanden sich nicht weniger als zehn eigene Akademien. Es war der Höhepunkt seiner Wiener Erfolgsjahre. Das Konzert Nr. 21 blieb weiter eines seiner erfolgreichsten. Zu den Kuriositäten der Rezeptionsgeschichte gehört der gewaltige Popularitätsschub, den das Stück erfuhr, als der zweite Satz 1967 für den schwedischen Film Elvira Madigan von Bo Widerberg als Soundtrack eingesetzt wurde, vergleichbar wohl nur mit der Verwendung des Adagiettos aus Mahlers fünfter Symphonie in Viscontis Tod in Venedig. El-
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vira Madigan war übrigens eine in Skandinavien zum modernen Mythos gewordene dänische Seiltänzerin, die 1889 im Alter von 22 Jahren gemeinsam mit ihrem Geliebten in den Tod ging.
LEBENSLUST MIT MEDITATION
Im Gegensatz zum unmittelbar davor entstandenen d-Moll-Konzert KV 466 mit seiner düsteren Grundstimmung ist das C-DurKonzert von grösserer Heiterkeit bestimmt. Das militärisch anmutende Hauptthema des ersten Satzes kehrt im ganzen Stück in verschiedenen Formen wieder, was eine eigenwillige Dynamik ergibt. Das neuartige, in symphonische Bereiche vordringende Zusammenspiel von Solist und Orchester führte wohl zu Leopold Mozarts oben zitierter Bemerkung. Die beiden Expositionen des Allegro-Kopfsatzes sind höchst unterschiedlich und mit zwei Seitenthemen ausgestattet. Der virtuose Solopart nützt die im Handzettel vermerkten Vorzüge von Mozarts Hammerflügel aus. Die Klavierstimme ist im Autograph mehr oder weniger skizzenhaft notiert – selbstverständlich phantasierte und improvisierte Mozart auf dieser Grundlage in jeder Aufführung aufs Neue. Die originalen Kadenzen sind in diesem Fall nicht erhalten, sie mussten ja damals vom jeweiligen Solisten neu erfunden werden. So kommt es, dass wir zu diesem Konzert Kadenzen von niemand Geringerem als Ludwig van Beethoven besitzen. Fazıl Say spielt aber, ganz im Sinne Mozarts, seine eigenen Kadenzen.
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ABENDLICHT UND VIRTUOSITÄT
Das Andante in F-Dur zählt zu jenen Wundern in der Musikgeschichte, die analysierend kaum erklärbar sind. In seiner schwermütigen, abendlichen Stimmung lässt es an die «Rosenarie» der Susanna in Le nozze di Figaro denken. Der Satz beginnt ausgeglichen und vermeintlich idyllisch, bald aber kommt es zu geheimnisvoller Chromatik, zu Eintrübungen, die freilich stets im natürlichen Fliessen der Musik eingebettet sind. Solistisch eingesetzte Holzbläser über gezupften Bässen schaffen die eigenartige Aura, welche den originellen und doch so einfachen melodischen Einfall vibrierend umhüllt. Im Finalsatz kehrt die quicklebendige Virtuosität des ersten Satzes zurück, auf der Basis eines mit höchster Kunstfertigkeit gehandhabten Rondos, in das Elemente des Sonatensatzes eingearbeitet sind. In fröhlicher Laune endet das Konzert.
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FLORENT SCHMITT *28. September 1870, Blâmont †17. August 1958, Neuilly-sur-Seine
LA TRAGÉDIE DE SALOMÉ OP. 50 Er war ein Aussenseiter der französischen Musik – Florent Schmitt. Dass seine Musik sehr selten gespielt wird, hat mit seinen politischen Irrungen und Wirrungen zu tun. Ähnlich wie im Falle des deutschen Kollegen Hans Pfitzner ist somit ein bedeutender Künstler zum Opfer seines eigenen Fehlverhaltens geworden. 1907 bis 1911 entstand Schmitts instrumentale Salome-Version. Die Uraufführung der Urfassung am 9. November 1907 in Paris leitete Désiré-Émile Inghelbrecht, die erste Aufführung der Fassung für grosses Orchester, wiederum in der Metropole an der Seine, dirigierte am 8. Januar 1911 Gabriel Pierné, der wie Schmitt zu den seltener gespielten, aber sehr beachtlichen Komponisten Frankreichs an der Schwelle zur Moderne zählt.
«DAS ERHABENE UND KRAFTVOLLE»
Florent Schmitt stammt aus einem Dorf in Lothringen, das auch den deutschen Namen Blankenberg trägt und in dem noch Reste moselfränkischen Dialekts vorkommen. War es diese Herkunft aus dem jahrhundertelang umstrittenen deutsch-französischen Grenzgebiet, die den ohnehin stramm konservativ eingestellten Mann in fortgeschrittenen Jahren zum Anhänger Hitlers und zum Antisemiten machten? Nun, er hatte prominente und gar nicht deutschstämmige Kollegen wie den Dichter Louis-Ferdinand Céline, die sich ebenfalls mit Lust der «Collaboration» mit den Nazis hingaben. Monsieur Schmitt ist seine mehr als zweifelhafte Gesinnung, aber keine böse Tat vorzuwerfen. Dies muss gesagt werden, sollte aber nicht den Blick verstellen auf ein innovatives Werk, in dem die Politik kaum eine Rolle spielt. Dass Schmitt das
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«Erhabene und Kraftvolle» in der Kunst liebte, scheint für seinen Charakter konsequent, obwohl er privat ein charmanter und diskreter Mann gewesen sein soll – allerdings auch ein scharfzüngiger Kritiker und das, was man heute beratungsresistent nennt. Seinem einmal gefundenen, um 1900 erregend modernen Stil blieb er sein Leben lang treu. Da dieses Leben 88 recht gesunde Jahre lang währte und seine zweite Symphonie erst wenige Wochen vor seinem Tod erstmals erklang, wurde er zum lebenden Denkmal einer Moderne von vorgestern – und mittlerweile zum Vorläufer die Postmoderne.
ZAUBER DES ORIENTS
Schmitts orchestrale Salome-Tragödie wurde am selben Abend wie La Pèri von Paul Dukas als Ballett mit grossem Orchester entdeckt, da war das Stück in seiner Urfassung für kleines Orchester allerdings schon fünf Jahre alt. Am 9. November 1907 war es sechs Monate her, dass Salome von Richard Strauss die Pariser Oper erobert hatte – wohl in Schmitts Anwesenheit. Seine Variante hat mit Oscar Wildes Drama, der Vorlage der Oper, die biblische Handlung gemeinsam und ist nicht weniger expressiv, ja im Handlungsverlauf noch radikaler. Schmitts Version beruht aber auf einem Gedicht von Robert d’Humières. Dass La tragédie de Salomé Igor Strawinsky gewidmet ist, mag überraschen, aber vor dem Ersten Weltkrieg waren die Fronten in der Avantgarde noch durchlässig. Und Schmitts Stück war damals zweifellos Avantgarde, in seiner rauschhaften Attitüde, komplizierten Metrik und expansiven Instrumentierung, samt Vokalisen singenden Frauenstimmen. Die irisierende Zauberwelt des Orients wirft gleichsam klingende Falten.
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TANZ DES SCHRECKENS
Natürlich spielt die Handlung auch hier auf der Terrasse des dekadenten Tetrarchen Herodes und seiner zwielichtigen Herodias, während das sexuell aufregende Kindweib Salome in einem wilden Perlentanz vom Stiefvater den Kopf des Propheten Johannes fordert. Im zweiten Teil befindet sich das mörderische Königspaar am Meeresstrand, wo ihnen eine mystische Oboe – es kann auch eine Sopranstimme sein – ihre Verbrechen erzählt. Salome tanzt den lasziven Tanz der Blitze, der erregte Herodes reisst ihr den Schleier vom Leib, doch Johannes umhüllt sie, wofür er seinen Kopf verliert. Salome wirft den Kopf ins Tote Meer, das sich blutrot färbt – und der Kopf taucht immer wieder auf. In einem Tanz des Schreckens bricht mit phantastischer, wilder Musik «alles über der Tänzerin zusammen, die von einem infernalischen Wahn fortgerissen wird.»
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PAUL DUKAS * 01. Oktober 1865 in Paris †17. Mai 1935 ebenda
L’APPRENTI SORCIER Der Pariser Paul Dukas hatte den seltsamen Ehrgeiz, in jeder musikalischen Gattung nur ein Meisterwerk zu schreiben. Ganz ist er damit nicht fertig geworden, aber im Bereich der symphonischen Dichtung hat er es geschafft – mit dem Scherzo für Orchester «L’apprenti sorcier». Der Zauberlehrling, um den hier geht, ist natürlich der von Johann Wolfgang von Goethe. Die Uraufführung am 18. Mai 1897 in der Pariser Société Nationale de Musique dirigierte der Komponist. Die musikalische Ballade, ein Paradebeispiel für Programmmusik, wurde zum einzigen wirklichen Welterfolg von Dukas.
NOCH EIN POSTUMER FILMKOMPONIST
Es geht in Goethes auch in französischer Übersetzung populär gewordener Dichtung bekanntlich um einen Lehrling, der ohne seines Meisters Verstand die Geister, die er ruft, nicht mehr loswerden kann. Der verzauberte Besen, der einen Badezuber mit Wasser füllen soll, gehorcht nicht mehr und sorgt für eine Überschwemmung. Eine pädagogisch wertvolle Legende ist dies, in farbenreiche, brillante und charmante Musik à la française gehüllt. Paul Dukas, Schüler von César Franck und selbst ein einflussreicher Lehrer, war ein Bewunderer, aber keineswegs ein Nachahmer Richard Wagners. Seine heute oft unterschätzte Musik steht eigenartig zwischen gefühlvoller Romantik und innovativer Moderne. Anno 1897 war das Werk ein weltweit ausstrahlender Erfolg in Paris – und anno 1940 kämpfte Micky Maus in Walt Disneys Fantasia nach eben diesen Noten als Zauberlehrling mit dem Besen und dem Wasser.
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DER KAMPF MIT DEM BESEN
Paul Dukas war ein Meister plastischer, klangvoll erzählender Orchesterfarben. Gleich das erste, von der Trompete vorgestellte Motiv ist der Zauberspruch. Mit dem hüpfenden, in seiner melodischen und rhythmischen Prägnanz unvergesslichen Thema des zunächst langsam zur Tat schreitenden Besens, ist Dukas ein echter ‹Ohrwurm› gelungen. Die Streicher malen eindringlich die ansteigenden, immer bedrohlicher werdenden Wasserfluten. Verzweifelt versucht der Lehrling, seinen Zauberspruch wieder zu finden, wobei er sich gleich in mehreren Tonarten versucht – vergeblich. Schliesslich stürzt er sich mit einer Axt auf den wütenden Besen und zerschlägt ihn, doch auch dies nützt nichts. Das Kontrafagott sammelt sozusagen die Teile des Besens wieder ein, die Bassklarinette unterstützt die eine Hälfte und, oh Schreck, auch die zweite Hälfte gewinnt eine Quinte höher ein Eigenleben. Nun sind es gleich zwei Besen, die unermüdlich Wasser in den Raum giessen. Welch ein Glück, dass endlich der Meister zurückkehrt, dem Chaos ein Ende macht und den Lehrling mit vier Schlussakkorden in väterlicher Ruhe ermahnt. Gottfried Franz Kasparek
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DAS BERNER SYMPHONIEORCHESTER CHEFDIRIGENT: MARIO VENZAGO 1. VIOLINE
Cornelia Hauser-Ruckli
Alexis Vincent (1. Konzertmeister)
Regula Hunger
N. N. (1. Konzertmeister)
Romain Hürzeler
Isabelle Magnenat (2. Konzertmeisterin)
Georg Jacobi
Fióna-Aileen Kraege (2. Konzertmeisterin)
Wen Lu-Hu
David Guerchovitch (2. Konzertmeister)
Julien Mathieu
Anara Baimukhambetova
Francis Roux
Sandrine Canova
Ingrid Schmanke
Daniele D’Andria
Aleksander Daszkiewicz**
Jeanne de Ricaud
Nastasia Dugardin**
Aina Hickel
Susanna Fini**
Anna Holliger Alexandru Ianos Zoia Kuianova Stefan Meier Mariam Nahapetyan Michael Rubeli Christian Scheurlen György Zerkula N.N.
VIOLA Yutaka Mitsunaga (Solo) Julia Malkova (Solo) Thomas Korks (stv. Solo) Yang Lu (stv. Solo) Olivier Bertholet Johannes von Bülow Emanuel Bütler Friedemann Jähnig
2. VIOLINE
Christa Jardine
Anouk Theurillat (Solo)
Bettina Kurz
Theresa Bokány (Solo)
Ulrike Lachner
Wei-Zhong Lu (stv. Solo)
N.N.
N.N. (stv. Solo)
Aurélie Bernet*
Katia Giubbilei Alvarez
Irene Martignoni*
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VIOLONCELLO
OBOE
Alexander Kaganovsky (Solo)
Adam Halicki (Solo)
N.N. (Solo)
Doris Mende (Solo)
Peter Hauser (stv. Solo)
Stilian Guerov (stv. Solo, Englischhorn)
Valeriu Verstiuc (stv. Solo)
Catherine Kämper (Englischhorn Solo)
Andreas Graf
Yuta Onouchi*
Pavlina Iorova Christina Keller-Blaser Eva Lüthi Eva Wyss-Simmen N.N. Ariane Galigné* Quentin Sanchez*
KLARINETTE Walter Stauffer (Solo) Bernhard Röthlisberger (Solo, Bassklarinette) Calogero Presti (Solo, Es-Klarinette) Gábor Horváth (Es-Klarinette)
KONTRABASS
Nils Kohler (Bassklarinette)
Gabriel Duffau (Solo)
Leonel Matias Quinta*
Magor Szász (Solo) Yomoon Youn (stv. Solo) Matteo Burci Manuel Kuhn Cordula Mundhenk Mátyás Vinczi Ricardo Pinilla Morales*
FAGOTT Monika Schindler (Solo) Heidrun Wirth-Metzler (Solo) Daniel Casal Mota (Solo) Norihito Nishinomura (stv. Solo, Kontrafagott) Yuka Sukeno (Kontrafagott)
FLÖTE
Cândida Adelaide Fernandes Nunes*
Christian Studler (Solo) Kurt Andreas Finger (Solo) Sakura Kindynis (stv. Solo, Piccolo) Cornelia Zehnder (Piccolo) Anna Zimmermann (Piccolo) Camille Quinton*
HORN Olivier Alvarez (Solo) Olivier Darbellay (Solo) Christian Holenstein (Solo) Sebastian Schindler (stv. Solo) Denis Dafflon Daniel Lienhard Matteo Ravarelli Peter Szlávik José Nuno Carvalho Teixera*
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TROMPETE
ORCHESTERTECHNIK
Jean-Jacques Schmid (Solo)
Matteo Pellerino
Milko Raspanti (Solo)
Marcello Pragasa Rasan
Olivier Anthony Theurillat (stv. Solo)
Kaspar Helbling
Renato Martins Longo Florian Buchard*
KONZERT- UND OPERNDIREKTOR Xavier Zuber
POSAUNE Stanley Clark (Solo, Altposaune) Wassil Christov (Solo, Altposaune) Vicente Climent Calatayud (Solo, Altposaune)
PERSÖNLICHE MITARBEITERIN DES OPERN- UND KONZERTDIREKTORS Christiane Zaunmair
Justin Clark (Bassposaune) Benjamin Jacob Green (Bassposaune)
ORCHESTERMANAGER /
Pedro Manuel Alves Silva*
STELLVERTRETENDER KONZERTDIREKTOR Axel Wieck
TUBA Daniel Schädeli Gaudard (Solo)
KONZERTDRAMATURGIE /
Chloe Rose Higgins*
KÜNSTLERISCHES BETRIEBSBÜRO BSO Barbara Honegger
HARFE Line Gaudard (Solo)
PRODUKTIONSLEITUNG KONZERT
Cornelia Lootsmann (Solo)
Judith Schlosser
PAUKE / SCHLAGZEUG
BIBLIOTHEK
Franz Rüfli (Solopauke)
Dorothea Krimm
Mihaela Despa (Solopauke) Peter Fleischlin (stv. Solopauke) Michael Meinen Yves Francis Ryser*
* Praktikanten | ** Praktikanten 1. und 2. Violine
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« MOZART – FÜR MICH EIN JAHRTAUSENDGENIE, DESSEN SCHAFFEN DIE MENSCHHEIT IN IHRER GÄNZE REPRÄSENTIERT. EIN VORBILD FÜR SCHÖNHEIT UND FÜR EINEN PRODUKTIVEN MENSCHEN; IN SEINER MUSIK SPIEGELT SICH MENSCHLICHE GÜTE – UND DAS MACHT SEINE MUSIK EINMALIG. »
Fazıl Say
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NACHWEISE IMPRESSUM Liebe Konzertbesucher, liebe Konzertbesucherinnen, bitte achten Sie darauf, dass Ihr Mobiltelefon während des Konzertes ausgeschaltet bleibt. Bild- und Tonaufnahmen sind nicht gestattet. Besten Dank für Ihr Verständnis. Preise: Einzelheft: chf 5,– im Vorverkauf und an der Abendkasse
TEXTNACHWEISE Die Texte wurden exklusiv für dieses Programmheft geschrieben.
BILDNACHWEISE Mario Venzago, © Alberto Venzago | Fazıl Say, © Marco Borggreve | Claude Debussy, 1884, Portait von Marcel Baschet, wikicommons | Wolfgang Amadeus Mozart, 1789, Zeichnung von Dorothe Stock, Dresden, wikicommons | Franz Schmitt, unbekannte Photographie, public domain | Paul Dukas, unbekannte Photographie, wikicommons
KONZERT THEATER BERN vorsitzender der geschäftsleitung a.i. Anton Stocker konzert- und operndirektor Xavier Zuber chefdirigent & künstlerischer leiter berner symphonieorchester Mario Venzago spielzeit 2018.2019 redaktion Barbara Honegger konzept & gestaltung formdusche, Berlin layout Murielle Bender, Konzert Theater Bern druck Haller + Jenzer AG, 3400 Burgdorf
redaktionsschluss 18. April 2019 Änderungen vorbehalten.
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HEINZ HOLLIGER ZUM 80. GEBURTSTAG
— HEINZ HOLLIGER Dirigent ILYA GRINGOLTS Violine CHOR KONZERT THEATER BERN — Werke von Heinz Holliger, Sándor Veress & Maurice Ravel — Sa, 01. Jun 2019, 19:30 So, 02. Jun 2019, 17:00 Kursaal Bern, Arena
H WUNSC GLÜCK
unter dem Patronat der www.konzerttheaterbern.ch
Foto: © Priska Ketterer
berner symphonieorchester
Foto: © Alberto Venzago
WIR FÖRDERN MUSIK ! Werden Sie Mitglied im Verein Freunde des Berner Symphonieorchesters und gehören auch Sie zum exklusiven Kreis von kulturverbundenen Persönlichkeiten und Unternehmen, die durch Beiträge an das BSO das kulturelle Leben in Stadt und Kanton Bern unterstützen! WIR BERATEN SIE GERN! Freunde des Berner Symphonieorchesters c/o Konzert Theater Bern | Claudia Zürcher-Künzi | Nägeligasse 4 | 3011 Bern Tel 031 329 51 19 | claudia.zuercher@konzerttheaterbern.ch
© Marco Borggreve
BERTR AND CHAMAYOU
Bertrand Chamayou: «Artist in Residence» Er zählt zu den interessantesten Pianisten der neuen Generation und ist bei Liszt ebenso in seinem Element wie bei Ravel. Als «Artist in Residence» der Ausgabe 2019 des Gstaad Menuhin Festival, das ganz im Zeichen von Paris steht, macht er uns in fünf Konzerten mit den unterschiedlichsten Facetten seines Repertoires bekannt – im Zusammenspiel mit Künstlern wie Sol Gabetta, Alina Ibragimova, Andreas Ottensamer und dem Kammerorchester Basel. www.gstaadmenuhinfestival.ch – 033 748 81 82
Wir
Klassik tonträger music & more GmbH t +41 31 312 43 43 schweizerhofpassage mail(at)ton-traeger.ch spitalgasse 38 www.ton-traeger.ch ch-3011 bern facebook.com/tontraegerBern
Plaisirs con— certants Patricia Kopatchinskaja Sol Gabetta Francisco Coll So 16.06.19 — 17.00 Uhr Kursaal Bern Igor Strawinsky Alberto Ginastera Sandor Veress Francisco Coll
ZIGGERLI IFF