schauspiel
BERESINA ODER DIE LETZTEN TAGE DER SCHWEIZ
NACH EINEM DREHBUCH VON MARTIN SUTER FÃœR DEN FILM VON DANIEL SCHMID
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Nร HER DRAN. Irina Wrona, Lorenz Nufer
Fรถrdern und geniessen mit einer Mitgliedschaft der Freunde des Stadttheaters Bern.
www.freunde-stadttheaterbern.ch
BERESINA ODER DIE LETZTEN TAGE DER SCHWEIZ
NACH EINEM DREHBUCH VON MARTIN SUTER FÜR DEN FILM VON DANIEL SCHMID Uraufführung
PREMIERE 19. Oktober 2018, Stadttheater
DAUER DER VORSTELLUNG ca. 2 h, eine Pause
Partner Maske
merci!
Dr. Hauschka unter dem Patronat der
Eintritt um 30 % ermässigt dank der Genossenschaft Migros Aare
BERNISCHES HISTORISCHES MUSEUM
BESETZUNG inszenierung Cihan Inan bühne Manfred Loritz kostüme Yvonne Forster musik Nermin Tulic, Niklaus Vogel lichtgestaltung Rolf Lehmann adaption drehbuch Michael Gmaj bühnenfassung Cihan Inan dramaturgie Fadrina Arpagaus regieassistenz & abendspielleitung Jonas Junker bühnenbildassistenz Kim Zumstein kostümassistenz Jasmine Lüthold soufflage Sabine Bremer inspizienz Hasan Koru statisterie Peter Bruggmann
technischer direktor Reinhard zur Heiden leiter bühnenbetrieb Claude Ruch leiter werkstätten Andreas Wieczorek leiterin kostüm und maske Franziska
Ambühl produktionsleiterin bühnenbild Konstantina Dacheva produktionsleiterin kostüm Maya Däster bühnenmeister Vinzenz Kocher schnürmeister Roger Grandi, Jürg Streit tontechnik Peter Teszas, Breandan Davey requisite Gabriela Hess dekoration Philippe Eggler maske Carmen Maria Fahrner, Sibylle Langeneck Die Ausstattung wurde in den Werkstätten und Ateliers von Konzert Theater Bern hergestellt. co-leitung malsaal Susanna Hunziker, Lisa Minder leiter schreinerei Markus Blaser leiter schlosserei Marc Bergundthal leiter dekoration Daniel Mumenthaler leiterin maske Carmen Maria Fahrner gewandmeisterinnen Mariette Moser, Irene Odermatt, Gabriela Specogna leiter requisite Thomas Aufschläger leiter beleuchtung Bernhard Bieri leiter audio und video Bruno Benedetti
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irina Irina Wrona bendetta genovesa-hösli Grazia Pergoletti charlotte Milva Stark dr. waldvogel Luka Dimic sturzenegger Stefano Wenk vetterli Jürg Wisbach claude bürki Lorenz Nufer akkordeonist Nermin Tulic Statisterie Konzert Theater Bern
DOLMETSCHDIENST FÜR HÖRGESCHÄDIGTE In Zusammenarbeit mit der Stiftung procom bieten wir in den Vorstellungen vom Fr, 07. Dez 2018 sowie Sa, 15. Dez 2018 (jeweils 19:30) zwei Dolmetscherinnen für Gebärdensprache auf. Für Gäste mit Hörbehinderung sind im vorderen Parkett spezielle Plätze reserviert. Aufgrund der eingeschränkten Platzwahl ist der Preis um 20% ermässigt (Kat. 2, chf 44,– anstatt 55,–). InhaberInnen einer KulturLegi erhalten natürlich wie gewohnt 50 % Rabatt. Bitte nehmen Sie mit unserer Billettkasse unter kasse@konzerttheaterbern.ch Kontakt auf, wir beraten Sie gern.
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#frauimzelt #würstchenimschlafrock #schöneaussichten #bellevuebar #escüplihetnoniegschadet #coupeteteatete #läusebub
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JĂźrg Wisbach, Irina Wrona
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KOBRA UNO, HET SIE GSEIT Zum Stück Es gibt Worte, die bedeuten pure Macht. Ein schönes rundes «Ja» zum Beispiel. «Ja», ich will ein Auto, Sex, ein Kind von dir. «Nein», verschwinde aus meinem Adressbuch, meinem Blickfeld, meinem Bett. Oder «079»: Ganz Bern hat in diesem Sommer über Radio mit der schönen Namenlosen von der Telefonzentrale mitgefiebert, die ihrem Verehrer bloss die ersten drei Ziffern ihrer Telefonnummer verrät und ihn wie im Märchen sieben Jahre lang alle Kombinationen durchprobieren lässt, bis er, im Moment der Erleuchtung, vom Tram überfahren wird. Würde man aber im Szenario Mann und Frau vertauschen: Uiuiui. Neeneenee. Die Frau als Opfer, die dem Angebeteten jahrelang vergeblich hinterherläuft? Das geht gar nicht. Wir schreiben 2018, Schätzchen. Das Jahr der starken Frauen. Zwar ist die Weltliteratur – und damit auch die Realität – voll von werbenden, verehrenden, liebenden Männern, doch die entsprechen nicht dem Zeitgeist. Und der Zeitgeist ist mächtig. Der Zeitgeist ist verliebt in die starke, aber noch nicht komplett befreite Frau. Genau: Die Frau ist zurück. Nachdem die Gender-Debatten der letzten Jahre die Grenzen der Identitäten verflüssigt, damit die Welt von Frauen und Männern durch trans, inter und einige mehr zu einem *Sternchen-Universum der Geschlechter erweitert und unsere multiplen Begehren durchleuchtet haben, macht die #metoo-Bewegung wieder klar, wo der Hammer hängt: bei Männern, Frauen und dem Touchpad zwischen ihnen. Die Welt, so geht manche Hoffnung, gewinnt damit wieder an Kontur. An der eigentlich «starken» Frau, deren endgültige Emanzipation aber noch aussteht, zerren nun männliche und weibliche Ritter
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der Gegenwart so sehr, dass sie sich dabei furchtbar in die Haare bekommen. Ein Jahr nach der Anklage von Harvey Weinstein präsentieren sich die bilateralen Beziehungen zwischen Mann und Frau als vermintes Gelände: Die Frauen würden endlich für sich einstehen und Respekt, Gerechtigkeit und Schutz einklagen, sagen die einen. Die #metoo-Debatte zementiere die patriarchalen Verhältnisse, weil Frauen sich in der Opferrolle einrichten, aus der sie nicht mehr herauskommen, sagen andere. Es scheint, dass wir in der Geschlechterfrage wieder im Schützengraben liegen, die Gewehre im Anschlag. CHALET OF CARDS
Als Napoleon mit seiner Grande Armée im November 1812 an der weissrussischen Beresina steht und die Schlacht dort kläglich verliert, ist ihm sicher nicht bewusst, dass er damit den ersten offiziell verbürgten historischen Opferdiskurs der Schweiz lanciert. Von rund 1000 Schweizer Söldnern, die seinen Rückzug aus Russland decken, melden sich nach dem verlorenen Kampf nur noch knapp 300 zum Appell. Statt Kanonenfutter zu bleiben, produziert die Schweiz 200 Jahre später nun selbst Kanonen im grossen Stil. Ein klassischer Twist der Weltgeschichte: vom Opfer zum Täter. Um Opfer und Täter geht es vordergründig auch in den beiden zurzeit mächtigsten Hashtag-Debatten, die sexuelle Übergriffe (#metoo) und rassistische Übertritte (#metwo) weltweit in die virale Öffentlichkeit ziehen. Als Beresina oder Die letzten Tage der Schweiz 1999 in die Schweizer Kinos kommt, haben Regisseur Daniel Schmid und Drehbuchautor Martin Suter vor allem eine spitzzüngige Kritik des Schweizer Politestablishments im Sinn. Den Keim der zwei #Themen trägt der Film aber schon damals in
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#herrhรถslivondersbb #fraudoktorputzfrau #vforvendetta #akzentesetzen #rassistendesalltags #migrationismygeneration 10
Grazia Pergoletti
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sich, und in der Inszenierung von Cihan Inan entzünden sie sich nun an der Gegenwart. Am illustren alpinen Filz von Karrieristen und Lobbyisten, First Ladies und Fashion Victims, Mitläufern und Strippenziehern rund ums Bundeshaus haben sich in den letzten zwanzig Jahren wohl nur der Look und die Frauenquote verändert. Auftritt Irina, einer russischen Edelprostituierten, die im Auftrag ihrer Madame Charlotte und des glattgeölten Anwalts Dr. Waldvogel den Freiern aus dem Establishment intime Geheimnisse entlockt. Für ihr offenes Ohr wird ihr der Schweizer Pass versprochen. Wir sehen Irina bei der Arbeit zu – aber wen wir dabei kennenlernen, sind ihre Kunden: den schneidig-schnittigen Bankdirektor Vetterli, Alt-Nationalrat Sturzenegger, der als berufsjugendlicher Pfadfinder am liebsten Geheimarmee spielt, den halbseidenen und fastintegeren Auslandkorrespondenten Claude Bürki. Wir sehen die Herren beim Sekt, dann beim Sex. Wer Irina ist und was sie antreibt, erfahren wir erst, wenn sie zu ihrer Familie spricht, die in Russland auf den Nachzug wartet. Sonst prallen die Blicke der Zuschauer an ihrem Latex-Kleid ab. Sie ist nur das, was wir in ihr sehen. Das gilt auch für Bendetta Genovesa-Hösli und Charlotte, die anderen beiden Frauen im Stück; drei Frauen, in ihre Rolle gegossen und als Typen im Museum der Menschheit ausgestellt, wo jeder sie sofort erkennt: die Hure, die Putzfrau, die Männerhasserin.
DAS KOMPLETTE PROGRAMMHEFT IST FÜR CHF 5,– AM VORSTELLUNGSABEND ODER AN DER BILLETTKASSE ERHÄLTLICH.
Nach und nach zieht die Inszenierung nun die Figuren aus und legt ihre Schichten frei. Wie die Schweiz sind ihre Persönlichkeiten und Beziehungen unterkellert. Es sind keine Opfer und Täter, die sich hier begegnen, sondern Strategen und Spieler. Sie grüssen von oben herab, um gleich darauf unter einer Frau zu liegen, bald stehen sie abseits in der Ecke, um von dort direkt ins Wespennest des Geschehens zu stechen. Einen Kern, ein au-
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